der Garnison aufgestellt.
Durchlauchtigsten Prinz⸗Regenten aus und betonte insbesondere, wie das Bayernland, seinem Regenten treu ergeben, zugleich treu und fest zu Kaiser und Reich stehe. Se. Majestät der Kaiser erwiderten:
Ich sage Ihnen Meinen herzlichsten Dank für Ihre Worte und spreche zugleich Meine Freude darüber aus, daß es Mir vergönnt ist, in diese Mir wohlbekannten Mauern einzuziehen und dem bayerischen Volke näher treten zu dürfen, welches in der Geschichte des Deutschen Reichs eine so bervorragende Rolle gespielt hat. Es haben im Bayernland so manche edle Geschlechter regiert, aber das edelste und ruhmreichste Geschlecht ist es, welches in Bayern jetzt regiert, ein Geschlecht zugleich, dessen Interessen auf das Engste mit denen des Hohenzollernhauses verbunden sind. Möchte es Mir noch lange beschieden sein, die Geschicke des Deutschen Reichs im Sinne Meines Großvaters lenkend, in der engen Freundschaft, welche Bayerns und Preußens Herrscherhäuser verknüpft, mit dem Prinz⸗ Regenten verbunden zu bleiben, den schon mit Mein Großvater innige Freundschaft einte. 52 —
—
— Berichtigung. In dem von uns mittels Extra⸗
blatts vom 29. v. M. gebrachten und in unserer Nummer 249 wiederholten Trinkspruch, welchen Se. Majestät der Kaiser und König am 28. September bei dem Gala⸗ diner in Stuttgart ausgebracht hat, ist im zweiten Satz in Folge eines Versehens bei der telegraphischen Uebermitte⸗ lung statt des Wortes „Reiches“ das Wort „Landes“ gesetzt worden. Der Wortlaut des Allerhöchsten Trinkspruchs ist hiernach der folgende:
„Aus tiefbewegtem Herzen spreche Ich Ew. Majestät Meinen innigsten Dank aus für die gnädige Einladung und den herzlichen Empfang, den Allerhöchstdieselben und Ihr ganzes Volk Mir bereitet haben. Ich bitte Ew. Majestät Mir zu glauben, daß Ich mit be⸗ sonders warmen Empfindungen hierher gekommen bin, denn dieses reich gesegnete Land und dieses herrliche Volk, über welches Ew. Majestät regiert, hat im Mittelalter viele der edelsten deutschen Fürsten, welche die Geschicke des Reiches leiteten, hervorgebracht. Ganz besonders zieht Mich hierher, daß das schwäbische Land auch die Wiege Meines Hauses gewesen ist, auch in Meinen Adern rollt schwäbisches Blut ebensogut wie in den Adern der Herren, die hier versammelt sind. Von fester und unverbrüchlicher Anhänglichkeit an dieses Land und seinen Herrn beseelt, erhebe Ich Mein Glas und rufe: Se. Majestät der König und Ihre Majestät die Königin von Württemberg, Sie leben hoch, hoch, hoch!“
des Kaisers
die Reise
liegen über die folgende
und Köngs
— Aus dem Sr. Majestät Depeschen vor:
Mainau, 1. Oktober. Se. Majestät der Kaiser unternahm gestern Nachmittag eine Spazierfahrt mit dem Dampfboot und heute Vormittag eine solche mit einem Segel⸗ boot. Heute Nachmittag kurz nach 2 Uhr ist Se. Majestät mittels Dampfboots von der Mainau nach Lindau abgereist.
Lindau, 1. Oktober. Se. Majestät der Kaiser traf, von Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog von Baden begleitet, heute Nachmittag 4 ¼ Uhr hier ein, wurde bei der Landung von dem General⸗Direktor der Eisenbahnen, Schnorr von Carolsfeld, sowie von den Spitzen der Behörden und dem Offiziercorps empfangen und begab Sich sodann in einem von der Prinzessin Ludwig gesendeten Wagen nach dem Bahnhofe. Alle Schiffe im Hafen hatten festlich geflaggt; die Stadt war auf das Prächtigste geschmückt; vom Hafen bis zum Bahnhofe bildeten die Schulen und die Vereine Spalier. Die dichtgedrängten Volksmassen, welche den Lan⸗
dungsplatz und den ganzen Weg bis zum Bahnhof anfüllten, begrüßten den Kaiser mit nicht endenden Jubelrufen.
Nach⸗ dem sich auf dem Bahnhofe der Erbgroßherzog von Baden von Sr. Majestät verabschiedet hatte, erfolgte gegen 4 ¾ Uhr unter immer erneuten enthusiastischen Kundgebungen der Be⸗ völkerung die Weiterfahrt nach Kempten.
Kempten, 1. Oktober, Abends. Die Ankunft Sr. Majestät des Kaisers auf dem hiesigen Bahnhofe erfolgte heute Abend 6 ½ Uhr. Zum Empfange Allerhöchstdesselben hatten sich bereits vorher der Minister Freiherr von Crails⸗ heim, die zum Ehrendienst bei Sr. Najestät befohlenen Offiziere, der preußische Gesandte Graf Rantzau, der Prä⸗ sident von Kopp, der Bezirksamtmann von Röder und der Bürgermeister Horchler eingefunden. Nach dem Ein⸗ treffen des Zuges ließ Se. Majestät jeden einzelnen der zur Begrüßung erschienenen Herren zu Sich in den Wagen berufen. Auf dem Perron des Bahnhofes hatte sich das Offiziercorps Nach einem Aufenthalt von etwa 5 Minuten wurde die Reise nach München fortgesetzt. Die am Bahnhof zahlreich versammelte Volksmenge begrüßte den Kaiser bei der Ankunft und bei der Abfahrt mit stürmischen
Hochrufen.
München, 1. Oktober, Abends. Se. Maäjestät der Kaiser ist unter den Salutschüssen der aufgestellten Geschütze heute Abend 9 Uhr hier eingetroffen und auf dem Bahnhof von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten, Höchstwelcher von sämmtlichen hier anwesenden Prinzen des
Käniglichen und des Herzoglichen Hauses umgeben war, empfangen
worden. (Die Prinzen Ludwig und Rupprecht hatten sich auf
die Nachricht von einer heftigen Erkrankung der Prinzessin Ludwig nach Villa Amsee bei Lindau begeben, wo die Prinzessin
verweilt, und konnten deshalb dem Empfange nicht beiwohnen.) Die Begrüßung war eine äußerst herzliche. Zum Empfange waren außerdem anwesend: sämmtliche Minister, die Genera⸗ lität, die zum Ehrendienst bei Sr. Majestät dem Kaiser befoh⸗ lenen Offiziere, die Mitglieder der preußischen Gesandtschaft und die beiden städtischen Kollegien mit dem Ober⸗Bürgermeister von Wiedenmayr an der Spitze. Auf dem Bahnhof war eine Ehren⸗Compagnie mit der Fahne und Musik aufgestellt, welche etztere die preußische Volkshymne spielte. Der Ober⸗Bürgermeister hieß in einer kurzen Ansprache Se. Majestät den Kaiser im Namen der Stadt willkommen, worauf der Kaiser dankend erwiderte. Hierauf begaben Sich der Kaiser und der Prinz⸗Regent, Beide in einem Wagen Platz nehmend, welchen eine Escadron des ersten Schweren Reiter⸗Regiments begleitete, unter unaus⸗ gesetzten enthusiastischen Kundgebungen der Volksmassen, von denen alle Plätze und Straßen dicht besetzt waren, nach der Königlichen Residenz.
München, 1. Oktober, Nachts. (Ausführlichere Meldung.) Als der Kaiserliche Extrazug auf dem Bahnhof eintraf, eilte Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent, welcher preußische Artillerie Uniform sowie das Band und die Kette des Schwarzen Adler⸗Ordens trug, sofort dem Wagen entgegen, welchem Se. Majestät der Kaiser entstieg. Der Kaiser und
der Prinz⸗Regent begrüßten Sich mit mehrmals wiederholter Umarmung und Kuß. Der Kaiser, welcher die Uniform Seines bayerischen Ulanen⸗Regiments trug, begrüßte sodann die Prinzen Leopold und Arnulf, Königliche Hoheiten, welche in preußischer Uniform erschienen waren, und die Prinzen Louis Ferdinand und Alfons, sowie den Herzog von Genua und die Herzöge Ludwig und Max Emanuel in Bayern, ingleichen die Minister, die obersten Hoschargen und die anderen zum Empfange An⸗ wesenden. Hierauf schritten der Kaiser und der Prinz Regent die Front der aufgestellten Ehren⸗Compagnie ab und begaben Sich dann in den Fürstensalon, wo ein kurzer Cercle stattfand.
Alsdann erfolgte in einem sechsspännigen offenen Gala⸗ wagen, in welchem der Prinz⸗Regent zur Seite des Kaisers Platz genommen hatte und welchen die Ehreneskorte be⸗ gleitete, die Abfahrt vom Fürstensalon. Am Portal des Bahn⸗ hofs empfingen sämmtliche Sängervereine Münchens Se. Majestät den Kaiser mit dem Sängergruß und mit Lachner's „Macte Imperator.“ Der Ober⸗Bürgermeister von Wiedenmayr überbrachte den Willkommengruß der Stadt. Nachdem Se. Majestät der Kaiser Seinen Dank für den schönen Empfang ausgesprochen hatte, sangen die Sängervereine „Heil Dir im Siegerkranz“, und die großen Volksmassen, welche den weiten, durch elektrisches und bengalisches Licht tageshell erleuchteten Platz anfüllten, stimmten ein. Auf dem ganzen weiteren Wege von der prachtvollen Ehrenpforte am Bahnhof an, die Triumphstraße entlang bis zur Residenz bildeten die Vereine Spalier, die aufgestellten zahlreichen Musikcorps spielten, alle Häuser waren glänzend illuminirt, und aus den dichten Volks⸗ massen, welche die ganze lange Triumphstraße anfüllten, er⸗ tönten ununterbrochen stürmische jubelnde Zurufe.
Am Maximilians⸗Platz war ein Triumphbogen errichtet mit der Inschrift: „Salve Imperator“; das Thor des Hof⸗ gartens war mit Herbstfrüchten und Eichenguirlanden kunst⸗ voll geschmückt und von einer prachtvollen Krone überragt. Im Vestibül des Residenzschlosses empfingen die obersten Hofchargen, Hartschiere und Pagen Se. Majestät den Kaiser. Im Thronsaal wurde Allerhöchst⸗ derselbe von Ihrer Majestät der Königin⸗Mutter und von sämmtlichen Prinzessinnen begrüßt. Inzwischen sammelten sich alle Militär⸗Musikcorps der Hauptstadt, in Zügen mit farbigen Lampions heranziehend, auf dem Hofgarten⸗Rondel. Dieselben trugen zunächst Weber's „Jubel Ouverture“ vor, die in der Nationalhymne ausklang, in welche das nach vielen Tausenden zählende Publikum begeistert einstimmte; dann folgte ein Fackeltanz von Meyerbeer und Wagner's Kaisermarsch. Die hierauf folgende „Wacht am Rhein“ wurde wiederum von der begeisterten Menge mitgesungen; den Schluß bildete ein großer Zapfenstreich. Se. Majestät der Kaiser erschien wiederholt neben Sr. Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten am offenen Fenster und dankte, steis mit begeistertem Jubel begrüßt. Auf dem Residenzschloß weht die Kaiserstandarte. — Sänmtliche Zeitungen bringen heute Abend Festartikel.
— 2. Oktober. Nach dem Zapfenstreich fand gestern Abend im „Trierer Saal“ des Residenzschlosses ein Gala⸗ Souper statt, an welchem Se. Majestät der Kaiser, die Mitglieder des Königlichen und des Herzoglichen Hauses, sowie der Prinz Ernst von Sachsen⸗Meiningen theilnahmen. Se. Majestät führte Ihre Majestät die Königin⸗Mutter.
Heute Vormittag wird der Kaiser die drei gegenwärtig hier stattfindenden Ausstellungen besuchen, darauf eine Rund⸗ fahrt durch die festlich geschmückte Stadt unternehmen und sich sodann nach Schloß Nymphenburg zu einem Besuch der Kö⸗ nigin Isabella, der Prinzessin Adalbert sowie der Prinzen Ludwig Ferdinand und Alfons begeben.
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— Hinsichtlich der Bestimmung des §. 6 Z. 3 des Reichs⸗ gesetzes vom 9. Januar 1886, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, wonach die Nachbildung von Werken der bildenden Künste, welche auf oder an Straßen oder öffentlichen Plätzen bleibend sich befinden, als verbotene Nachbildung nicht anzusehen ist, wenn sie nicht in derselben Kunstform erfolgt ist, hat das Reichsgericht, IJ. Strafsenat, durch Urtheil vom 20. Juni d. J. ausge⸗ sprochen, daß den Worten „in derselben Kunstform“ ein weiterer Sinn insofern beizulegen ist, als überall da eine besondere Kunstform angenommen werden muß, wo der im Originalkunstwerk enthaltene künstlerische Gedanke in wesent⸗ lich verschiedener Weise seiner äußeren Erscheinung nach, bei⸗ spielsweise die Nachbildung eines Originalgemäldes in einer Zeichnung, einer Statue im Relief, — gleichviel ob durch das⸗
selbe Kunstverfahren oder durch ein anderes — zum Ausdruck
gebracht wird.
— In einer Rekursentscheidung vom 25. Juni 1888 (Nr. 569) hat das Reichs⸗Versicherungsamt gegenüber dem entgegengesetzten Vorbringen des Berufsgenossenschafts⸗ vorstandes ausgesprochen, daß der durch einen Betriebsunfall herbeigeführte Verlust eines Auges sich als eine Minderung der Erwerbsfähigkeit darstellt. Es ist davon auszugehen, daß es eine große Zahl von lohnenden Arbeiten giebt, bei deren Ausführung (insbesondere in Folge Abspringens von Splittern u. s. w.) das unverletzt gebliebene Auge in hohem Maße ge⸗ fährdet sein würde, und daß demzufolge Einäugige, um die Gefahr des völligen Verlustes ihrer Erwerbsfähigkeit durch Verlust auch des anderen Auges thunlichst zu verringern, sich vernünftiger Weise gezwungen sehen, Arbeiten dieser Art nicht zu verrichten. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß das Maß der verbliebenen Erwerbsfähigkeit der Beurtheilung des Einzelfalls unterliege, daß aber dabei der nach dem Unfall thatsächlich gezahlte Lohn nicht entscheidend sei, weil dieser nach oben wie nach unten von Zufälligkeiten abhängen könne und auch keine Gewähr der Fortdauer biete. (Vergleiche die Entscheidung 568 und die daselbst angeführten ferneren Ent⸗ scheidungen.).
— Eine minderjährige Arbeiterin hatte durch einen Betriebsunfall ein Stück des ersten Gliedes des vierten Fingers der linken Hand verloren. Nach einem in der Rekurs⸗ instanz erstatteten Kreisphysikatsgutachten ist von dem Nagel⸗ gliede jenes Fingers nur das Gelenkköpfchen noch vorhanden, dasselbe ist aktiv und passiv völlig unbeweglich, fest mit dem zweiten Gliede verwachsen, und daher der Zustand dem gänz⸗ lichen Verlust des Nagelgliedes gleich zu achten. Beim Schließen der Hand bleibt das Ende des zweiten Fingergliedes etwa 1 ½ em von der inneren Handflache entfernt. Im Uebrigen sind die Bewegungen des betreffenden Fingers im ersten und zweiten Gelenk in jeder Richtung unbehindert, an den übrigen Fingern der linken Hand ist nichts
Krankhaftes zu bemerken. Die Genossenschaftsinstanz und das Schiedsgericht hatten nach Abschluß des Heilverfahrens der Verletzten eine Entschädigung nicht mehr gewährt, da der Unfall eine wesentliche Verminderung der Erwerbsfähigkeit nicht zur Folge gehabt habe. Auf erhobenen Rekurs hin hat das Reichs⸗Versicherungsamt sedoch der Klägerin durch Entscheidung vom 2. Juli 1888 (Nr. 570) eine Rente von zehn Prozent derjenigen für völlige Erwerbsunfähigkeit ge⸗ währt, und dazu ausgeführt: Die vorliegende, in die Augen fallende Verstümmelung eines Fingers führt bei Personen weiblichen Geschlechts, welche, wie die Klägerin, auf die Gewandtheit und ungehinderte Brauchbarkeit und Beweglichkeit aller Finger zu ihrem Erwerbe angewiesen sind, eine Ver⸗ minderung der Erwerbsfähigkeit herbei. Auch ist zu berück⸗ sichtigen, daß die, wenn auch geringfügige Entstellung der Hand, welche durch einen derartigen Unfall eintritt, dem späteren Fortkommen von Personen weiblichen Geschlechts als Dienstboten bei Kindern, als Köchinnen ec., leicht hinderlich in den Weg tritt. Diesen Umständen mußte auch im vor⸗ liegenden Falle durch die Gewährung einer Rente Rechnung getragen werden. (Vergleiche die Rekursentscheidungen 211 und 249, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1886 Seite 251 und 1887 Seite 9.)
— Dem Landkreise Bromberg, welcher den Bau von Chausseen: 1) von der Haltestelle Strehlau der Eisenbahn⸗ linie Schneidemühl — Bromberg über Grünberg, Neuheim bis Woynowo, 2) von Fordon durch die Weichselniederung bis Trensalz beschlossen hat, ist durch Allerhöchste Ordre vom 24. August d. J. das Enteignungsrecht für die zu diesen Chausseen erforderlichen Grundstücke sowie gegen Uebernahme der künftigen chausseemäßigen Unterhaltung der Straßen, das Recht zur Erhebung des Chausseegeldes auf denselben nach den Bestimmungen des Chausseegeld⸗Tarifs vom 29. Februar 1840 (Ges.⸗S. S. 94 ff.) einschließlich der in demselben ent⸗ haltenen Bestimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vorschriften — vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen voraufge⸗ führten Bestimmungen — verliehen. Auch sollen die dem Chausseegeldtarife vom 29. Februar 1840 angehängten Be⸗ stimmungen wegen der Chaussee⸗Polizeivergehen auf die ge⸗ dachten Straßen zur Anwendung kommen.
Zugleich ist deen Kreistagsbeschlüssen vom 22. August 1885, 26. Februar und 20. August 1887 sowie 4. April d. J, soweit dieselben die Aufbringung der Mittel zum Bau und zur künftigen Unterhaltung der vorbezeichneten Chausseen, einschließlich der Umwandlung der Eisenbahnhalte⸗ stelle Strehlau in eine Güterladestelle betreffen, die Allerhöchste Genehmigung ertheilt worden.
— Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath a. D. Dr. Ludwig Hahn ist am 30. v. M. hierselbst ver⸗ storben. Derselbe hat sich sowohl durch seine lang⸗ jährige Wirksamkeit als vortragender Rath im Ministe⸗ rium des Innern, aus welchem er im Jahre 1882 wegen Krankheit schied, wie durch seine literarische Thätigkeit, als von echtem Patriotismus erfüllter Geschichtsschreiber der neuesten Zeit, bleibende Verdienste erworben, denen auch die äußeren Zeichen Allerhöchster Anerkennung nicht gefehlt haben.
— Der Königliche Gesandte beim Päpstlichen Stuhl, Wirkliche Geheime Rath von Schloezer, ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nach Rom zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder über⸗ nommen.
—, Der Kaiserliche Gesandte am Königlich schwedisch⸗ norwegischen Hofe, Busch, ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaube nach Stockholm zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder übernommen.
Kiel, 1. Oktober. (W. T. B.) Ihre Maäjestät die Kaiserin Friedrich ist heute Abend 9 ¾ Uhr hier ein⸗ getroffen, von Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Heinrich am Bahnhofe empfangen und nach dem Königlichen Schlosse geleitet worden.
Sachsen. Dresden, 1. Oktober. (Dr. J.) Der König und die Königin sind gestern Abend vom Jagdhause Rehe⸗ feld in der Königlichen Villa zu Strehlen wieder ein⸗ getroffen.
Lippe. Detmold, 30. September. (Hann. Cour.) Das „Amtsblatt“ veröffentlicht folgenden Fürstlichen Erlaß:
„Nachdem Se. Majestät der Kaiser mich verlassen hat, kann ich nicht unterlassen, der Residenz und dem ganzen Lande, sowie Allen, die gekommen waren, dem Kaiser zu huldigen meinen wärmsten Dank auszusprechen für die patriotische Haltung und die taktvolle, würdige Art und Weise des Verhaltens. Besonders dem hiesigen Comité, den Behörden und Korporationen danke ich für ihre große Thätigkeit und Ausdauer.
Se. Majestät war aufs Höchste überrascht und freudig bewegt und sprach Sich mehrfach darüber aus, wie sehr Ihm das Auftreten des lippeschen Volks gefalle. Es macht mir eine besondere Freude, dies öffentlich aussprechen zu können.“
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 1. Oktober. (W. T. B.) Zur Ankunft Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm rücken die Truppen der Garnison unter dem Kommando des FML. Zambaur und General⸗Majors Thyr aus. Die Ehren⸗Com⸗ pagnie stellt das Infanterie⸗Regiment Kaiser Wilhelm I. Auf Befehl des Kaisers haben während der Anwesenheit des Deut⸗ schen Kaisers die Offiziere, Militärbeamten ꝛc. in und außer Dienst mit der Parade⸗Kopfbedeckung und die Mannschaften in Parade⸗Uniform zu erscheinen.
Der Kronprinz von Dänemark ist gestern Abend hier eingetroffen und im Hotel Imperial abgestiegen.
Nach einer Meldung aus Miskolcz hat der Prinz von Wales heute den Uebungen seines daselbst garnisoniren den Regiments beigewohnt.
— 2. Oktober. (W. T. B.) Der Prinz von Wales hat anläßlich der Besichtigung des seinen Namen tragenden Husaren⸗Regiments in Miskolcz ein Tele⸗ gramm an den Kaiser gerichtet, in welchem er dem⸗ selben nochmals für die Ernennung zum Oberst⸗Inhaber des Regiments dankt. Der Kaiser antwortete er sei erfreut, daß der Prinz mit dem Regiment zufrieden gewesen sei, und daß das Regiment sich des Namens, den es zu tragen die Ehre hat, würdig gezeigt habe.
Pest, 29. September. (Presse.) Der Reichstag wird sich in seiner nächsten Session mit mehreren wichtigen Gesetz⸗ entwürfen zu beschäftigen haben. Die Regierung wird, nach der „Bud. Corr.“, sofort nach Zusammentritt des Reichstages
die bereits endgültig festgestellten Gesetzentwürfe dem Abgeord⸗ netenhause unterbreiten. Unter diesen werden sich in erster Reihe zwei vom Honved⸗Minister, Baron Fejervary, einzu⸗ reichende Gesetzentwürfe befinden, deren erster sich auf das Wehrgesetz, der zweite auf die Honvedschaft be⸗ ziehen wird. Jedenfalls wird im österreichischen Parlament gleichzeitig neben dem neuen Wehrgesetz auch der Entwurf eines neuen Landwehrgesetzes unterbreitet werden. Die Rekrutirung wird in Zukunft nicht im 20., sondern im 21. Lebensjahre der Wehrpflichtigen beginnen. Die Institution der Einjährig⸗Freiwilligen wird eine Beschränkung erfahren.
Agram, 1. Oktober. (W. T. B.) Die feierliche Eröffnung der hiesigen deutschen protestantischen Volksschule hat heute unter Theilnahme von Vertretern der Militär⸗ und Civilbehörden stattgefunden.
Frankreich. Paris, 1. Oktober. (W. T. B.) Wie aus Deputirtenkreisen verlautet, ist zwischen dem Kriegs⸗ Minister Freycinet und dem Berichterstatter für das Kriegsbudget ein vollständiges Ein⸗ vernehmen erzielt worden. Der Minister hat sich mit einem Abstrich von weiteren 6 Millionen, welche die Budgetposten für Montirung, Remonte und Pulver betreffen, einverstanden erklärt. Dagegen hat der Marine⸗ Minister Krantz in einem Schreiben an die Budget⸗ kommission die von ihm geforderten Kredite aufrecht er⸗ halten und dabei bemerkt, daß es ihm schon fraglich sei, ob die bereits zugestandenen Nachlässe an dem ursprünglichen Marinebudget sich mit seiner Pflicht gegen das Land und die Marine vertrügen.
Spanien. San Sebastian, 2. Oktober. (W. T. B.) Die Königin⸗Regentin hat heute mit dem König Alfons die Rückreise nach Madrid angetreten.
Türkei. Konstantinopel, 30. September. (Prag. Abdbl.) Die russischen Großfürsten Sergius und Paul sind gestern abgereist. Die Adjutanten des Sultans, Achmed Pascha, Vabi Riza Pascha, Kenan Bey und Sadiag⸗Bey gaben ihnen das Geleit. — In Folge eines eben erschienenen Irades begiebt sich Fuad Pascha nach Livadia, um daselbst den Czaren im Auftrage des Sultans zu begrüßen.
Dänemark. Kopenhagen, 1. Oktober. (W. T. B.) Der Reichstag ist heute ohne Thronrede eröffnet worden. Bei der Präsidentenwahl wurden in beiden Kammern die bis⸗ herigen Mitglieder der Präsidien wiedergewählt.
— 2. Oktober. (W. T. B.) Dem Folkething wird heute vom Finanz⸗Minister ein Antrag zu dem Finanz⸗ gesetz für das Etatsjahr vom 1. April 1889 bis 31. März 1890 vorgelegt. Die Gesammteinnahme wird auf 54 542 043 Kr. und die Ausgabe auf 57 884 287 Kr. geschätzt. Es ergiebt sich also ein Defizit von 3 342 244 Kr., das aber, in Anbetracht des großen Kassenbestandes des Staats von ca. 60 000 000 Kr. und des Reservefonds von ca. 18 000 000 Kr., nicht als bedeutend angesehen werden kann.
Zeitungsstimmen
Zur Reise Sr. Majestät des Kaisers schreibt das „F furter Journal“:
Als der erste Kaiser, dem die Herrscherwürde durch Geburt zuge⸗ fallen ist, überschreitet Wilhelm II. die Mainlinie, die, Dank sei es der Festigkeit und weisen Mäßigung seines unvergleichlichen Groß⸗ vaters, für alle Zeiten aufgehört hat, deutsche Stämme und Länder zu trennen. Unweit unserer alten Kaiserstadt, die ebenso warm süddeutsch als treu preußisch empfindet, setzt er zuerst den Fuß auf süddeutschen Boden, und wenn er weiterzieht nach den Hügeln und Thälern Oberdeutschlands, dann mag der Begrüßungs⸗ jubel der Hessen, Schwaben, Alemannen und Bayern es ihm sagen, daß der kunstvoll gefertigte Bau des neuen deutschen Hauses auf einem überall gleich festen Fundament ruht, auf der Treue zu Kaiser und Reich, auf der unausrottbar festgewurzelten Einsicht, daß beim Kaiser und nur beim Kaiser der Hort aller nationalen Schätze zu finden ist. Verweilte der Kaiser in Frankfurt, er würde erkennen. wie die wunderbaren Wandlungen der letzten zwei Jahrzehnte auch am einstmaligen Sitz des Bundestages das Denken und Fühlen be⸗ richtigt haben. Des Verschwindens ihrer republikanischen Verfassung gedenkt die königstreue Stadt wie eines geschichtlich nothwendigen Verlaufs, und wie glücklich preist sie sich, nicht mehr eine Ver⸗ sammlung beherbergen zu müssen, die von den fremden Mächten eingesetzt war, um die vielhundertjährige deutsche Schande zu verewigen. Frankfurt ist sich bewußt, als ein edelstes Kleinod in der Krone des Kaisers zu glänzen, in ihm lebt aber auch die dankbare Erkenntniß, daß die Strahlen, die von dieser Krone aus⸗ gehen, es mit einem helleren Glanz umgeben, als es sich selbst und als der Bundestag ihm verleihen konnten. Herrlich ist unser Ge⸗ meinwesen, seit es dem großen Staate angehört, emporgeblüht, und wenn Kaiser Wilhelm die hohen Hallen des Bahnhofes, wenn er unsere großartigen Anlagen für die Schiffahrt erblickt, dann mag er sich mit stolzer Genugthuung sagen, daß die Hohenzollern die Kaiser⸗ stadt am Main weit mächtiger gefördert haben als die alten Kaiser mit allem ihrem Krönungsprunk. Und wie Frankfurt ist ganz Süd⸗ deutschland froh des nie geahnten Schaffensmuths und der Schaffens⸗ kraft, welche alle deutschen Stämme dem preußischen Einigungswerke zu danken haben. Mag Kaiser Wilhelm auf seiner Südlandsfahrt andere Flaggen als die seines Hauses flattern sehen, über allen weht als jedem Deutschen heiliges Symbol das Banner des neuen Reichs, und in allen Herzen nährt die deutsche Treue die Treue zum engeren Vaterlande. Gerade in Süddeutschland hat der mit männlicher Ent⸗ schiedenheit verkündete Entschluß des Kaisers, das Werk seines Groß⸗ vaters gegen alle offenen und heimlichen Feinde bis zum letzten Bluts⸗ tropfen zu vertheidigen, den stärksten Widerhall gefunden, und seine Reise wird ihm die frohe Ueberzeugung bringen, daß sich das ganze deutsche Volk in diesem Entschluß eins mit ihm weiß, und daß es Wahrheit ist und Wahrheit bleiben wird, was unser stolzer Einheitsruf verkündet: Vom Fels zum Meer.
— Der „Staats⸗Anzeiger für Württemberg“ schreibt:
Die Festtage des Kaiserbesuchs liegen hinter uns, aber der mächtige Eindruck dieser schönen Stunden, die wir erleben durften, wird noch lange in den Herzen nachklingen. Wieder wie in früheren Jahren haben wir einen Deutschen Kaiser an der Seite unseres ge⸗ liebten Königs im Herzen des Schwabenlandes begrüßen dürfen und das sichtbare Zeugniß der Treue und Freundschaft der verbündeten Fürsten Deurschlands und damit der Einheit und Stärke des Reichs vor Augen gehabt. Der ehrwürdige Held, dem früher an solchen festlichen Tagen das schwäbische Volk zugejubelt, ist ins Grab gestiegen. Wir haben eine jugendliche Gestalt an der Seite unseres Königs gesehen, den Enkel, der nach schweren Schicksalsschlägen den Thron seines Vaters und Großvaters bestiegen hat. Wir haben mit eigenen Augen geschaut, welch herzliche Freundschaft unsern König und sein ganzes Königliches Haus auch mit dem jungen Kaiser verbündet, und alle patriotischen Herzen hat dieser Anblick mit freudiger Begeisterung und vollem Vertrauen auf die
deutschen Vaterlandes und das Wohlergehen unserer Heimath erfüllt.
Aus den Trinksprüchen der beiden 8 11A“ “
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Monarchen klingt es beraus, daß der Kaiserliche Besuch dem Herzen unseres theueren Königs wohlgethan und daß wiederum die Herzlichkeit des Empfanges, welcher dem Kaiser von unserem Königshause wie von der Stadt und vom ganzen Lande zu Theil wurde, den Kaiserlichen Gast gerührt und tief bewegt hat. Der Kaiser bekennt sich zu einer hohen Meinung von dem schwäbischen Volke und ehrt uns aufs Höchste, wenn er mit einem gewissen Stolz daran erinnert daß schwäbisches Blut auch in seinen Adern rollt. Wir können Ihm dagegen nur versichern, daß in diesen Tagen überall, in allen Schichten unseres patriotischen Volkes, bei Hoch und Nieder, Alt und Jung, eine einmüthige hochgehende Be⸗ geisterung für den deutschgesinnten ritterlichen Monarchen zum Aus⸗ druck gekommen ist und daß, wie er sich in Anhänglichkeit zu uns wendet, auch unser gesammtes Volk wie sein Herrscher, Ihm von treuem Herzen zugethan ist.
Dank aber, innigen Dank sagen wir heute Sr. Majestät unserem geliebten König, der trotz seines leidenden Zustandes mit freudiger Gastfreundschaft den Mühen, die ein so hoher Besuch auferlegt, selbst sich unterzogen hat. Sein treues Volk dankt Ihm dafür, die warmen Ovationen, die Ihm in diesen Tagen entgegengebracht wurden, haben aufs Neue dem geliebten König bewiesen, daß Ihm, wo er sich zeigt, treue Herzen entgegenschlagen. Möge der gütige Gott die theure “ des allgeliebten Königs stärken und Ihn uns noch lange erhalten!
— In einem Brief der „St. Petersburger Zei⸗ tung“ aus Deutschland heißt es:
Kaiser Wilhelm II. hat seine Reise nach dem Süden angetreten. Sie verspricht in jeder Beziehung ein Seitenstück zu werden zu seiner nordischen Fahrt. Aber während bisher wesentlich der Besuch in Wien und Rom mit dem Dovppelziel: Quirinal und Vatrkan die Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, gewinnt gerade in Folge der Ver⸗ öffentlichung aus dem Tagebuch seines Vaters die Reise an die füd⸗ deutschen Höfe gesteigerte Bedeutung. Wenn die deutschen Fürsten nach den schweren Schicksalsschlägen, die das Haus der Hohen⸗ zollern, Preußen, das Reich im Frühjahr und Sommer d. J. ge⸗ troffen haben, sich so eifrig um den jungen Kaiser schaarten, und dadurch bekundeten, wie sie fest entschlossen seien, an der Einigung, die ihr Symbol in der Kaiserkrone findet, festzuhalten, so ist dieser Besuch in Karlsruhe, Stuttgart, München mehr als ein bloßer Höflichkeitsakt, er ist eine politische That, die bekundet, daß wie die Fürsten so auch der Kaiser entschlossen ist, an den fundamentalen Prinzipien festzuhalten, auf denen jene Einigung beruht. Diese ist so fest geworden, daß der Partikularis⸗ mus, der Deutschland Jahrhunderte lang so schwer geschädigt hat, als überwunden gelten darf, nicht bloß weil Verträge die Fürsten und Stämme verbünden, fondern weil gerade in jenen Zeiten, von denen die Tagebuchblätter berichten, die Leiter der deutschen Politik das Vertrauen der Fürsten und Stämme gewonnen haben, ohne das staatliche Organifationen nicht bestehen können. Und nichts ist seither geschehen, was dies Vertrauen erschüttern könnte.
— Der „Hamburgische Correspondent“ erhält folgenden Brief seines St. Petersburger Korrespondenten über „die russische Presse und das Tagebuch Kaiser Friedrich's“:
Die in der „Deutschen Rundschau“ erfolgte Veroffentlichung von Bruchstücken aus dem angeblichen Tagebuch des ehemaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm hat ihre offenbar beabsichtigte Wirkung, was Rußland anbetrifft, ganz und gar verfehlt. In den besonnenen und politisch⸗ reifen Kreisen, namentlich aber in den Reihen unserer deutschfreund⸗ lichen Politiker hat diese Veröffentlichung, die erst durch die Berli er liberalen Zeitungen gleichzeitig mit den Kommentaren der letzteren vorgestern in St. Petersburg bekannt geworden ist, geradezu peinlich berührt. Die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ giebt nur der Stimmung weitester Kreise Ausdruck, wenn sie die Veröffentlichung als „verfrüht“ bezeichnet und hervorhebt, daß sie wie eine „schwere Indiskretion“ wirken müsse, zumal die Parteileidenschaft neue Nahrung erhalten, das Ansehen Deutschlands durch manche Stellen geschädigt werden und namentlich der Bayern und die Haltung König Ludwig's gegenüber der Kaiserfrage betreffende Passus verletzend wirken würde. Dieser Ansicht sind indeß nicht nur die ruhigen und dem Deutschen Reich freundlich ge⸗ sinnten Politiker: ihr huldigen auch die Slavophilen!! Das sollte man eigentlich nicht erwarten, aber es ist dennoch der Fall, und ein Blick in die führenden Blätter unserer Nationalisten beweist, soweit dieselben zur Sache bereits Stellung genommen haben, daß die schöne Gestalt Kaiser Friedrich's in den Augen gerade seiner bisherigen eifrigsten russischen Lobre dner durch die Bekanntgabe der Bruchstuüͤcke aus seinem Tagebuch nicht gewonnen hat. Charakteristisch für die Stellungnahme der „Nowoje Wremja“ und damit auch aller hinter ihr stehenden Kreise ist 3 B., daß das Hauptorgan der Slavophilen heute fol⸗ gender Berliner Privatdepesche unverkürzte Aufnahme gewährt: „Die mit dem liebäugelnden Preßorgane in Deutschland sind in hellen Jubel ausgebrochen beim Erscheinen des apokryphen Tagebuchs des verstorbenen deutschen Kaisers, welcher nach diesem Tagebuche während
es ganzen deutsch⸗französischen Krieges nichts weiter gedacht haben soll, als wie man dem Deutschen Reiche „eine freiheitliche Organi⸗ sation“ geben könne, und welcher sich angeblich auf fliegenden Blättern seines Tagebuchs verschworen hat, diese „Freiheit der Orga⸗ nisation“ in der Folge zu verwirklichen, wobei er sich selbst den ersten Kaiser nennt, der dem Volke mit aufrichtiger Ergebenheit an die Ver⸗ fassung entgegentreten werde. Ueber seinen Vater, den Kaiser Wilhelm I., läßt man den Verfasser des Tagebuchs schreiben, derselbe könne sich gar nicht vorstellen, daß sich in Deutschland eine dauernde Einigkeit erhalten könnte. Diese und viele andere Phrasen, die besagen sollen, daß die Einigung Deutschlands und die Errichtung des Deutschen Reiches sich nach den Ideen des damaligen Kronprinzen vollzogen hätlen und eigentlich das Werk seiner ände wären, während Fürst Bismarck sich durch Allotria die Han vertrieben habe — diese Phrasen sind von der gesammten liberalen Presse aufgegriffen und breitgetreten worden. Ja, die letztere list mit kaum glaublicher Frechheit so weit gegangen, daß sie zu verbreiten begonnen hat, die wichtigsten historischen Er⸗ eignisse seien bis jetzt in gänzlich falschem Lichte dargestellt worden, und daß sie hieraus den Schluß zieht, die Verwirklichung der „frei⸗ heitlichen Organisation“ müsse nunmehr erfolgen. Die Erklärung, daß das Tagebuch wenigstens theilweise gefälscht sei, hat eine ver⸗ blüffende und niederschmetternde Wirkung ausgeübt. Die ganze jüdisch⸗ liberale Presse war auf den Leim gegangen und hat dadurch eigen⸗ händig nicht nur ihre grenzenlose Frechheit, sondern auch ihre Unwissenheit und ihre ganze Dummheit bezeugt.“
So der Berliner Korrespondent der antisemitischen „Nowoje Wremja“, dessen Bemerkungen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Das Blatt des Herrn Ssuworin selbst giebt unter be⸗ sonderem Titel einen ungemein kurzen Auszug aus dem sogenannten „Tagebuche“ und leitet diese seine Skizze des Inhalts desselben u. A. mit folgenden Sätzen ein: „In diesen Tagebuch⸗Bruchstücken zeichnet der ehemalige Kronprinz sich selbst in einem so wenig anmuthenden Lichte, daß man annehmen muß, die willkürlichen Auszüge aus dem Manuskript des Tagebuchs seien durch Zusätze ver⸗ dorben worden, welche das Original bis i verändert haben.“ Alsdann rügt die „Nowoje Wremja“, daß die „Nowosti“ dieses „gefälschte oder apokryphe Tagebuch“ in extenso abgedruckt und dasselbe für echt erklärt haben. Und in der That, die „Nowosti“, ein dem „Herold“ geistesverwandtes Blatt, das stets in das elbe Horn bläst wie die deutsche freisinnige Presse, sind die einzige Zeitung, welche bisher eine ähnliche Auffassung hinsichtlich des Tagebuchs verlautbart hat. wie sie zum Theil Seitens der Opposition in Preußen laut geworden ist. Selbst die „St. Peters⸗ burger Wjedomosti“ vermögen aus der Veröffentlichung des Tagebuchs Kaiser Friedrich's nichts der Opposition Günstiges zu entnehmen; für dieses Blatt hat nur Werth, was Deutsch⸗ land schaden könnte, und deshalb begnügt es sich auch in seiner kurzen Besprechung des „Freignisses“, mit denkbar deutlichster Schadenfreude darauf hinzuweisen, welche tiefgehenden Gegensätze und
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zur Unkenntlichkeit
Widersprüche zwischen dem damaligen Kronprinzen von Preußen und dem Grafen Bismarck geherrscht hätten. — Alles in Allem also hat die Veröffentlichung der „Deutschen Rundschau“ in den Augen der Russen weder dem Gedächtniß des Kaisers Friedrich noch dem An⸗ sehen der deutschen Politik genützt; im Gegentheil, die Bemerkungen der „St. Petersburger Wjedomosti“ allein beweisen schon, wie sehr einige indiskrete Stellen im Tagebuch geeignet sind, von den Feinden Deutschlands zur Herabsetzung desselben ausgebeutet zu werden.
Knuunst, Wissenschaft und Literatur.
Sitzungsberichte der Königlich preußischen Akademie r Wissenschaften zu Berlin. Berlin, Verlag d. Ak. d. W.; Kommission bei Georg Reimer. — Heft 27, 28, 29 des Jahrgangs 88 enthält die Protokolle der Gesammtsitzung vom 7. Juni sowie Sitzungen der phvsikalisch⸗mathematischen und der philosophisch⸗ bistorischen Klasse vom 14. Juni d. J. In der Gesammtsitzung am Funi las Hr. Lehmann über das von dem Freiherrn von Stein em Wiener Kongreß geführte Tagebuch Ferner wurde in der Sitzung u. A. mitgetheilt, daß ie physikalisch⸗ mathe⸗ matische Klasse der Akademie zur Ausführung vwissenschaft⸗ licher Arbeiten bewilligt hat: 1500 ℳ Hrn. Rammelsberg zur Beschaffung des Materials behufs Fortsetzung seiner Unter⸗ suchungen über das Palladium: 1500 ℳ für den Dozenten an der hiesigen Universität, Hrn. Dr. B. Weinstein, zur Fortführung seiner Bearbeitung von Erdstrom⸗Beobachtungen; 4000 ℳ für den Do⸗ zenten an der hiesigen Universität, Hrn. Dr. Tschirch, für eine Reise nach Java zum Studium der Secret⸗Behälter sowie der Genese und Bedeutung der Secrete bei den secretreichen tropischen Pflanzen; 1000 ℳ für Hrn. Dr. R. von Lendenfeld auf Neudorf in Steiermark zu Untersuchungen über die Lebensvorgänge der Spongien auf der Zoologischen Station in Triest; 900 ℳ für Hrn Dr. B. Rawitz hierselbst zu Untersuchungen über den Mantelrand der Acephbalen auf der Zoologischen Station in Neapel; 800 ℳ für Hrn. Dr. O. Zacharias in Hirschberg i. Schl. zur Fortsetzung seiner Erforschung der wirbel⸗ losen Fauna der norddeutschen Gewässer. — In der Sitzung der physikalisch⸗mathematischen Klasse, am 14. Juni d. J., sitzende, Hr. Dr. Auwers, einen dritten Theil seiner n suchungen über den Sonnendurchmesser vor. Dieselben betrafen Maskelyne's Beobachtungen am Passageninstrument. Die erst für den Zeitraum von 1765 bis 1786 durchgeführte Untersuchung wird, nach Ausdehnung auf den Rest der Maskelyne'’schen Beobachtungsreihe in den Sitzungsberichten mitgetheilt werden. — In der Sitzung der philosophisch-historischen Klasse, an demselben Tage, las Hr. Sachau: Indo⸗arabische Studien zur Aussprache und Geschichte des Indischen in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Die Abhandlung wird in den Denkschriften der Akademie
Hr. Lehmann las über drei ungedruckte Schriften Friedrich's de Großen. — In Heft 30 wird mitgetheilt, daß in der Gesammtsitzun vom 21. Juni Hr. Virchow über die egyptischen Königsmumien im Museum zu Bulag gelesen hat.
— Im Verlage der Möser'schen Hofbuchbandlung hierselbst erschie „Das preußische Königthum und Kaiser Wil ¹, eine historisch⸗politische Studie von Dr. Hermann Klee.
Der Verfasser, von welchem früher „Grundzüge einer Aesthetik nach Schopenhauer“ und „Fürst Bismarck und unsere Zeit“ veröffentlicht wurden, unternimmt es in seinem jetzigen Werke, zunächst Wesen und Bedeutung des Königthums sowie dessen Aufgaben gegenüber der Gesell⸗ schaft festzustellen und sodann in einem geschichtlichen, durch die letzten Jahrhunderte hindurchgeführten Ueberblick zu untersuchen, wie es sich dieser Aufgabe entledigt hat: welcher Fehler auf der einen Seite sich das französische Königthum schuldig gemacht und dadurch zu Grunde gerichtet, und welche großen Verdienste andererseits sich das preußische Königthum, speziell Kaiser Wilhelm I, um die Gesellschaft erworben hat. Der Verfasser sagt in der Vorrede u. A.: „Die Gegenwart hat ein Recht darauf, nicht nur die Früchte seines Schaffens in Beschaulichkeit zu genießen, sondern auch sich darüber
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klar zu werden, in welchem Geifte der große Kaiser unter uns gelebt
und gewirkt hat: auch die Eegenwart kann und soll für die Aufgaben, die ihr geworden, aus dem Geiste, der aus des Kaisers Hand⸗ lungen hervorleuchtet, Gewinn ziehen; es ist das nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht. Ueberdies ist die Gefahr, welche ein Parteistandpunkt mit sich bringt, gerade hier that⸗ sächlich eine geringe: denn was Kaiser Wilhelm gedacht, gewollt, ge⸗ schaffen, liegt so klar und unzweideutig vor Aller Augen, ist mit großen Lettern so deutlich in den Tafeln der Geschichte verzeichnet, daß dem subjektiven Ermessen hierbei nur wenig Spielraum verbleibt* Aus dem Inhaltsverzeichniß führen wir nachstehend die Haupt⸗ abtheilungen an: Einleitung; Das Wesen des Königthums; Zur Geschichte des Königthums und der Gesellschaft; Kaiser Wilbelm und die nationale Idee; Kaiser Wilhelm und der Parlamentarismus; Kaiser Wilhelm und der Sozialismus; Kaiser Wilhelm, der Große; Die Aufgaben der Zukunft — Wir bemerken noch, daß der Ladenpreis des Werkes 3 ℳ beträgt.
— „Das Kasernenblümchen“ von Carl Hecker, illustrirt von H. Schlittgen u. A. Stuttgart, Verlag von Carl Krabbe. (Pr. 2 ℳ) — Das Buch ist dem Gemüth eines Humoristen ent⸗ sprossen, desselben, dessen im Vorjahre erschienene Novelettensamm⸗ lung: „Aus den Memoiren eines Lieutenants“ sich einer freundlichen Aufnahme bei Publikum und Kritik zu erfreuen hatte. Mit einem eleganten Stil verbindet der Verfasser die scharfe Beobachtung und Kenntniß aller im militärischen Leben sich abspielenden Vorgänge, die er nicht nur mit realistischer Treue, sondern auch mit poetischer Empfindung schildert. Die Namen Schlittgen, Speyer und Bergen bürgen für die Trefflichkeit der Illustrationen, mittelst deren die Ver⸗ lagshandlung das „Kasernenblümchen“ zu einem kleinen Prachtwerk gestaltet hat.
Gewerbe und Handel.
er Kongreß der Brennereibesitzer von Ehstland, Livland und Kurland, welcher am 22. v. M. in Reval versammelt war, hat dem russischen „Regierungs⸗Anzeiger“ zufolge den einstimmigen Beschluß gefaßt, die Spiritusproduktion um 40 % minderr. v“
Submissionen im Auslande.
I. Rumänien.
1) 29. Januar 1889. Kustendje. Stadtverwaltung. Bau einer Wasserleitung.
II. Schweden und Norwegen.
2) 10. Oktober. Christiania. Direktion der
162 Wagenachsen. 8 III. Spanien.
3) 24. Oktober. Direcciön general de Administracion militar in Madrid. 1000 Mäntel für Schildwachen. Voranschlag 22,20 Pe setas für je einen Mantel. Näheres an Ort und Stelle.
IV. Ungarn.
4) 16. Oktober, Mittags. Pest. Direktion der Königlich unga⸗ rischen Staatsbahnen. Lieferung der zum Bau der Neugradiska — Broder Eisenbahnlinien erforderlichen und noch nicht sichergestellten 21 000 Eichen⸗Mittelschwellen ersten Ranges, von welchen 16 700 Stück in der Station Brod und 4300 Stück in Neugradiska benötbigt werden. Kaution 5 %. Näheres in der Expedition des „Reichs⸗ Anzeigers“. 8
Staatsbahnen.
Verkehrs⸗Anstalten.
Die neue Winter⸗Ausgabe von Fischer's Berliner A B C⸗Kursbuch, gültig vom 1. Oktober 1888 ab (Pr. 50 ₰) ging uns soeben von S. Fischer's Verlag, Berlin, zu. Die wiederum
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