1888 / 269 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 Nov 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Acberdeen

Berliner Theater. Das dieswöchentliche Repertoire weist neben den immer gleich zugkräftigen Wiederholungen des „Demetrius“ und der „Braut von Messina“ auch eine Lustspiel⸗Première auf: am Donnerstag findet, wie schon angekündigt, die erste Aufführung des Lustspiels „Mit fremden Federn“ von Carl Schönfeld statt. Das Stück, für Berlin Novität, ist schon an zahlreichen auswärtigen Bühnen mit Erfolg zur Darstellung gelangt.

Wallner⸗Theater. Auch am gestrigen Sonntage war, wie uns die Direktion mittheilt, das Haus schon bei Schluß der Vor⸗ mittagskasse ausverkauft, und der Kassirer in der angenehmen Lage, der Vorstellung der beiden Repertoirestücke „Madame Bonivard“ und „Der dritte Kopf“ beiwohnen zu können.

Im Lessing⸗Theater gelangte am Sonnabend Paille⸗ ron's dreiaktiges Lustspiel „Fräulein Maus“ (la souris) zur Aufführung. Es ist als ein Wagestück zu betrachten, daß die Direk⸗ tion gerade um dieses an Handlung arme, wenn auch an vpsychelo⸗ gischen Vorgängen reiche Werk das Repertoire des jungen Instituts vermehrt; denn dasselbe ist gewissermaßen nur für lite⸗ rarische Feinschmecker berechnet, welche sich, statt an ab⸗ wechselungsreichen Scenen, an einem fein gearbeiteten Dialog erfreuen wollen. Es sind vorwiegend seelische Vorgänge, welche sich hier abspielen; ihre Ursache und Entwickelung mit zu erleben und in behaglicher Ruhe denselben von Anfang bis zu Ende zu folgen, ist Aufgabe des Zuschauers oder besser Zuhörers, der in seiner Geduld nicht ermüden darf, selbst wenn einige Längen in dem Werk ihn ver⸗ drießen sollten. Pailleron hat es hier unternommen, uns vier Frauen zu schildern, welche sich um die Liebe eines Mannes bewerben und dies jede auf ihre Weise zu erreichen versuchen. Die Stärke oder Schwäche unserer Sympathie für die eine oder andere dieser Personen richtet sich nach der Art, wie sie ihren Zweck verfolgen. Wenig gefallen werden dem deutschen Publikum die beiden Damen Pepa Rimbault und Hermine von Sagancy, deren Manieren und Sprache doch zu sehr an die Halb⸗ welt erinnern, als daß sie nicht in einem anständigen Hause, wie dem der Frau von Moisand ist, befremdend wirken müßten.

ie Darstellerinnen hatten eine entschieden schwierige Aufgabe und es kann nicht geleugnet werden, daß die Pepa des Frl. Marie Meyer verfehlt war. Hier mangelte jene Grazie, welche allein eine derartige igur erträglich erscheinen läßt. Es soll ein leichtes Pariser Blut ein, das hier keck pulsirt und sich über die Schranken des uten Herkommens kühn hinwegsetzt, wenn aber so derbe und zum Theil unfeine Effekte verwendet werden, wie in der Darstellung durch die erwähnte Dame, so wirkt diese Pepa geradezu abstoßend und pein⸗ lich. Frl. Sophie von Dierkes fand einen glücklicheren Ton mit ihrer Her⸗ mine von Saganovy, sie spielte vornehmer und anmuthiger und verhalf so ihrer Partie zu einem freundlicheren Erfolge. In Frl. Margarethe Kramm besitzt das Lessing⸗Theater eine vielversprechende junge Kraft, die bei fleißigem Studium, unbeeinflußt durch überschwängliche Lobes⸗ erhebungen einer allzu wohlwollenden Kritik, sich zu einer tüchtigen Schauspielerin beranbilden dürfte. Die Scenen zwischen dieser jungen Dame und Hrn. Eugen Stägemann waren die erqguicklichsten und am besten gespielten in der ganzen Aufführung. Der warme herzliche Ton, welchen Hr. Stägemann in den Höhepunkten seiner Darstellung anschlug, wirkte überaus wohlthuend und überzeugend. Frl. Emilie von Aichsberg spielte etwas zu weinerlich, sie muß bestimmter und gemessener auftreten. Die Rolle der Frau von Moisand fand in Fr. Wilhelmine Schlüter eine angemessene Vertretung. Das Ensemblespiel war im Allgemeinen gecht befriedigend, hier und da hätte man ein etwas flotteres Tempo gewünscht. Die Uebersetzung von Otto Brandes ist jedoch keine mustergültige; die graziöse Sprache des Franzosen kommt in ihr zu kurz, man hört oft Ausdrücke der trivialsten Art, die sich recht gut vermeiden oder durch bessere hätten ersetzen lassen. Das Publikum verhielt sich der Aufführung gegen⸗ über recht wohlwollend und zeichnete die Mitwirkenden durch lebhaften Beifall aus. .

Der Pianist Hr. Emil Sauer gab am Sonnabend in der Sing⸗Akademie ein Concert. Dem jugendlichen Virtuosen, welcher sich schon öfter in Berlin hat hören lassen, wurde bei seinem Auftreten freundliche Begrüßung Seitens der zahlreich erschienenen e zu Theil. Sein Programm bot, außer einigen kleineren

oli, das C-moll-Concert von Saint⸗Saëns, Mendelssohn's Rondo brillant in Es-dur und ein Concert von Tschaikowsky, in welchem das Philharmonische Orchester unter Hrn. Kogel's verständniß⸗ voller Leitung die Begleitung ausführte. Hr. Sauer meistert sein Instrument mit staunenswerther Sicherheit, überwindet leicht die größten Schwierigkeiten, spielt rhythmisch und mit Präzision. Die Passagen sind klar im forte, graziös im piano. In den Chopin'schen Va⸗ riationen umschwebten die feinen Verzierungen wie zierliche Arabesken die Melodie. Die Auswahl der vorgetragenen Kompositionen und deren Vortrag waren indessen mehr dazu angethan, die Geläufigkeit

des Spielers erglänzen zu lassen, als seelisch zu befriedigen. Der etwas scharfe Klang des Ibach'schen Flügels ließ auch das fortissimo oft unschön erklingen. Das Publikum kargte nicht mit Beifall, was Hrn. Sauer zu einer Zugabe veranlaßte.

Gestern hatten sich die drei Schwestern Marianne, Clara und Emmy Eißler aus Wien im Saale der Sing⸗Akademie zu einem Concert vereinigt, in welchem sie mit ihren Leistungen auf der Harfe, der Geige und dem Klavier vor dem Publikum er⸗ schienen. Ganz besonders waren die Vorträge der noch sehr jugend⸗ lichen Harfenistin Clara E. zu loben, doch waren auch bei ihrer Schwester Marianne, der Geigerin, sehr bedeutende Fortschritte gegen früher zu bemerken. Beide eröffneten das Concert mit einer sehr melodiös und stilvoll komponirten Sonate von Spohr, in welcher die Geigerin das Andante sehr ausdrucksvoll spielte, während im Rondo ihre Schwester die nicht geringen technischen Schwierigkeiten mit großer Präzision und feiner Schattirungsweise zu überwinden verstand. Von der Letzteren hörten wir noch eine Phantasie für Harfe „Autumn“ von John Thomas, in der eine außerordentliche Geläufigkeit bei Ausführung der Akkordfiguren in schnellster Tempobewegung und beim Uebergehen ins leiseste Pianissimo beansprucht wird. Die Virtuosin wußte sowohl diese Schwierigkeiten vollkommen zu bewältigen, als auch das Hervortreten der Cantilene dabei sorgfältig zu beobachten. Ein Gleiches gilt von dem Vortrag der ziemlich ähnlich geformten Phantasie „Mandoline“ von Parish⸗Alvars, der ein rauschender Beifall folgte. Daß die Harfe in dem großen Saal etwas schwach klang, wollen wir nicht unerwähnt lassen. Die Violinistin trug noch ein Adagio von Mozart und „Sarabande und Tambourin“ von dem berühmten französischen Komponisten Leclair mit großem Ton und bedeutender technischer Fertig⸗ keit vor, welche Vorzüge sie auch noch in dem Violin⸗Concert von Vieux⸗ temps sehr wirksam zur Geltung brachte. Schumann’s„Träumereien“, freiwillig hinzugefügt, wurden gleichfalls beifällig aufgenommen. Frl. Emmy Eißler begleitete die erwähnten Piecen am Klavier und bewies hierbei technische Gewandtheit und sorgfältiges Eingehen auf die Solostimme. Auch ihr gebührt ein Theil des von dem zahlreich erschienenen Publikum reichlich gespendeten Beifalls.

Heute Abend 7 ½ Uhr findet im Saale der Sing⸗Akademie das erste Montags⸗Concert, unter Mitwirkung der Hrrn. Dr. Hans Bischoff, W. Helmich, Fr. Prof. Schultzen von Asten, der Königlichen Kammermusiker Hrn. Huih, A. Gentz, Philipsen und Ebert statt. Programm: Klavierquintett C-moll von Kiel. 7 Walzer von Hey⸗ mann⸗Rheineck. Ballade und Scherzo von A. Becker. Romance von Isenard. „Crepuscule“ von Massenet. Pastorale von Bizet. Klarinetten⸗Trio von Mozart.

Morgen, Dienstag, den 23. d. M., findet Königliche Parforce⸗Jagd statt. Rendezvous Mittags 1 Uhr am Forst⸗ haus Plantagenhaus.

Das gestrige Rennen des⸗Vereins für Hinderniß⸗Rennen“ auf seiner Rennbahn bei Charlottenburg ergab folgende Resultate: 8

I. Rennender Zweijährigen. Preis 1500 Distanz ca. 800 m. Des Hrn. O. Oehlschläger br. H „Belhomme“ siegte sicher mit einer Länge gegen Mr. H. Solloway's br. St. „Freia“. Ebenso weit hinter der letzteren wurde des Majors Grafen Schlippenbach br. St. „Castagnette“ Dritte. Werth des Rennens: 2380 dem Sieger, 380 der Zweiten.

II. Bras-de-fer-Jagd⸗Rennen. Preise 2800 unter den drei ersten Pferden vertheilt. Herren⸗Reiten. Distanz ca. 5000 m. Des Grafen Sierstorpff⸗Franzdorf a. F.⸗W. „Glanmore“ unter Lieut. Frhrn. v. Senden II. schlug des Lieut. Frhrn. v. Erlanger br. St. „Sternblume“ unter ihrem Besitzer leicht mit einer guten Länge. Des Hrn. v. Tepper⸗Laski a. br. W. „Vagrant“ unter Lieut. v. Grävenitz wurde anderthalb Längen zurück Dritter. Werth des erhe.ns; 1980 dem Sieger, 480 der Zweiten, 280 dem Dritten.

III. Großes Inländer⸗Jagd⸗Rennen. Preis 4000 Distanz ca. 2600 m. Des Hrn. O. Oehlschläger 4 jähr. F. H. „Donner“ siegte sicher mit einer klaren Länge gegen des Mr. G. Long 4 jähr. St. „Modell“. Des Lieut. Graf Bredow 5 jähr. F. H. „Quesitus“ erhielt zwei Längen zurück den dritten Platz. Wert des Rennens: 4040 dem Sieger.

IV. Kurzes Hürden⸗Rennen. Preis 1000 Distanz ca. 1800 m. Des Mr. H. Solloway 6jähr. F. St. „Seeschlacht“ kam mit des Lieut. Frhrn. von Kap⸗herr zjähr. schw. W. „Mohr“ in heftigem Kampf zur Tribüne und siegte schließlich mit einer Kopf⸗

länge. Eine halbe Länge zurück wurde des Rittmstr. von Boddien Blaßt. F. St. „Philine“ Dritte. Werth des Rennens: 2090 ℳ, welche der Siegerin zufielen. 8

V. Preis von Schönhausen. 1200 dem ersten, 300 dem zweiten Pferde. Distanz ca. 3000 m. e Des Hrn. H. Suermondt a. F.⸗St. „Gunhilda“ unter Lieut. Grf. H. Dohna war den anderen überlegen und siegte, Verhalten, wie sie wollte, mit einer guten Länge. Des Lieut. v. Zansen⸗Osten a. br. W. „New⸗ bridge“ unter Lieut. v. Grävenitz wurde Zweiter und des Hrn. O. Spiekermann 5jähr, schwbr. H. „Iceberg II.“ erhielt zwei Längen zurück den dritten Platz. Werth des Rennens: 2100 der Sie⸗ gerin, 300 dem Zweiten.

VI. Preis von Moabit. 1200 dem ersten, 300 dem zweiten Pferde. Distanz ca. 3500 m. Herrenreiten. Des Lieut. von Spdow 4 jähr. F.⸗St. „Cara“ unter ihrem Besitzer schlug des Frei⸗ herrn v. Haugwitz 4 jähr. br. H. „Chic“ unter Lieut. v. Grävenitz

anz leicht mit drittehalb Längen und des Lieut. Suffert II. 5 jähr.

„St. „Rheda“ konnte unter ihrem Besitzer um 3 Längen zurück, nur den dritten Platz erreichen. Werth des Rennens: 1320 der Siegerin, 300 dem Zweiten.

Am Dienstag, d. 23. d. M., wird, wie bereits mitgetheilt, im Licht⸗ hof des Königlichen Kunstgewerbe⸗Museums die XXIV. Son⸗ der⸗Ausstellung eröffnet, die in geschlossener Zusammenstellung die Neu⸗Erwerbungen dieses Jahres vor ihrer Einordnung in die Sammlung vorführt. Die Ausstellung, welche die Hälfte des Lichthofs in Anspruch nimmt, umfaßt Arbeiten aus den verschiedensten Gebieten kunstgewerblichen Betriebs. Hervorzuheben sind besonderz italienische Möbel und Bronzen, ein großer Rahmen in Robbia⸗ Arbeit, eine ansehnliche Gruppe von Arbeiten in Schmiedeeisen, Porzellane und Fayencen, ein als Halbrundnische gestalteter Abtstuhl des 18. Jahrhunderts und eine große, vier Schränke füllende Reihe bemerkenswerther Textilarbeiten. Während diese Ausstellung bis zum Schluß des Jahres geöffnet bleiben soll, werden in der anderen Fnte des Lichthofs vec ferabe Ausstellungen moderner Er⸗ zeugnisse stattfinden. Als erste derselben stellt sich eine Gruppe gewebter Tapeten von Joseph Heimann in Berlin dar, die nach einem neuen Verfahren aus Flachsfäden hergestellt und mit Mustern bedruckt sind, für welche die Motive zumeist der Sammlung des Museums entnommen wurden.

Das gestrige Jahresfest des Oberlin⸗Vereins für die Stadt Berlin in der Dankeskirche hatte das Gotteshaus dicht efüllt. Die Festpredigt des Pastors Bitthorn knüpfte an 1. Cor. 2, 4 an; den Bericht über die Wirksamkeit des Vereins in der Gemeinde erstattete Pastor Baumann. Die Oberlinschwestern haben hier 2859 Besuche gemacht, 41 Kranke und Sieche gepflegt, 132 arme Familien in ihre Obhut genommen und 280 Portionen Suppen aus⸗ getheilt. Für die im Oktober cröffnete Oberlinschule sind bisher 20 Kinder angemeldet. 8

Der Besuch im Panorama der Friedrichsta t ist jetzt in den Abendstunden ein so bedeutender geworden, daß sich die Direktion verpflichtet hält, nochmals auf ihre Plakate und Inserate hinzuweisen, nach welchen die Beleuchtung der Gemälde durch elektrisches Licht jetzt noch nicht, sondern erst vom Monat November an nach vorheriger Anzeige erfolgt. Die Beleuchtung bei Tage, durch farbige Reflexe und Abblendungen unterstützt, ist aber gegenwärtig eine so gelungene, daß die Besichtigung der Gemälde bei Tage empfehlenswerth und lohnend ist. Besonders sind die Dioramen: „Das Nordcap bei Mitternachtssonne“ und „Hammerfest im Winter bei Mondschein“ naturwahr und von großer Wirkung. Ein weiteres neues Dioramengemälde: „Spitzbergen mit Polarmeer bei Nordlicht“, wird in den nächsten Tagen eröffnet, sodaß demnächst die interessantesten und bedeutendsten phänomenalen Er⸗ scheinungen des hohen Nordens im Panorama der Friedrichstadt vereint zur Ausstellung gelangen.

Paris, 22. Oktober. (W. T. B.) In einer Konferenz zu Lyon erklärte Graf Lesseps, daß der Panama⸗Kanal im Juli 1890 werde eröffnet werden.

Rom, 20. Oktober. (W. T. B.) In der vergangenen Nacht erfolgte zwischen Salandro und Grassano (Provinz Tarent) eine bedeutende Erd⸗Abrutschung, welche den von Neapel nach Brindisi gehenden Eisenbahnzug erreichte. Hierdurch wurden 6 Personen getödtet und etwa 10 verwundet.

Rom, 22. Oktober. (W. T. B) Die Zahl der bei dem Erd⸗Rutsch bei Potenza Verunglückten ist eine bedeutend erheblichere, als bisher gemeldet worden.

vom 21. Oktober 1888

Wetterberi 1 r Morgens.

r 8

SS. ——

haus. 193. stanze, oder:

0Celsius 5⁰0 C. = 40 R.

Stationen von Bretzner.

Temperatur

in

2

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. red. in Millim

8

halb bed. wolkig

Schnee

bedeckt wolkenlos bedeckt bedeckt bedeckt

Mullaghmore

Ehristiansund Kopenhagen. Stockholm. vprandn., etersburg Moskau...

Gart. Queens⸗

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mione:

V Y

wolkenlos wolkig bedeckt bedeckt bedeckt Regen halb bed. heiter wolkig¹) heiter halb bed. ²) wolkig bedeckt

von Toledo.

Neufahrwasser Memel.. 762

Münster.. 774 Karlsruhe.. 773 Wiesbaden. 774 München.. 773 Chemnitz . 775 Berlin... 772 Wien... 774 Breslau.. 773

Triest. 772 8 ¹) Reif. 2²) Nebel.

Uebersicht der Witterung.

Eine breite Zone, 770 mm übersteigenden Luft⸗ drucks erstreckt sich von dem nördlichen Großbritan⸗ nien bis zum Alpengebiet und nach Ungarn hin. In

olge dessen herrscht ruhiges, rielfach heiteres, aber

ühles Wetter über Westdeutschland; mit Ausnahme

der Küste fand daselbst fast allgemein Nachtfrost statt. Ostdeutschland hingegen steht, bei trübem Wetter und etwas höheren Temperaturen, mit stellen⸗ weise stürmischen westlichen Windem unter dem Ein⸗ fluß einer im hohen Norden liegenden Depression unter 740 mm. Aus Deutschland meldet nur Memel Niederschlag. Obere Wolken ziehen nach verschiedenen Richtungen.

Ziegler.)

bedeckt wolkenlos

Donnerstag:

rltbohdecoecche Z86-—ß eoendoee—n

Neumann. Kopf.

Bonivard.

Deutsche Seewarte.

Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele.

Vorstellung

Serail. Oper in 3 Akten von Mozart. Dichtung Dirigent: Hr. Kahl. Regisseur: Hr. Salomon. (Constanze: Fr. Koch⸗Bossenberger, vom Königlichen Hof⸗Theater in Hannover, als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. Mittwoch: Opernhaus. Wintermärchen. Shakespeare, für die deutsche Bühne neu übersetzt und bearbeitet von Franz von Dingelstedt. von Fr. von Flotow. Tanz von E. Graeb. (Her⸗ Frl. Pauline Ulrich, Theater in Dresden, als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus.

Mittwoch: Frühling im Winter. Horatins Flacecus. Donnerstag: Die Jüdin von Toledo.

Verliner Theater. Dienstag: Demetrins. Tragödie in 5 Akren von Schiller⸗Laube.

Mittwoch: Der Probevpfeil. Lustspiel in 4 Akten von Oscar Blumenthal. Zum 1. Male: Federn. Lustspiel in 4 Akten von Carl Schönfeld. Anfang 7 ½ Uhr.

Wallner-Theater. Dienstag: Zum 15. Male:

Madame Bonivard. Schwank in 3 Akten von Alex Bisson und Antonie Mars. Vorher: Posse in 1 Akt. Mit theilweiser Benutzung einer englischen Idee von Franz Wallner. Mittwoch und die folgenden Tage: Der dritte Kopft.

Pictoria-Theater. neuer Ausstattung an Dekorationen, Kostümen und Requisiten, zum 3. Male: tastisch burleske Ausstattungsposse mit Gesang und Ballet in 4 Akten und 12 Bildern von Ernst Blum

und Raoul Toché. Musik von C. A. Raida. Dienstag: Opern⸗ Anfang 7 Uhr. Belmonte und Con⸗ Die Entführung aus dem

Dienstag: Zum 5. Male: Trapezunt. Ch. Nuitter und L. Trefeu. Hopp. Mittwoch: Zum 6. Male: von Trapezunt. von Offenbach.

Keine Vorstellung. 194. Vorstellung. Ein Schauspiel in 4 Akten von

Musik

vom Königl. Hof⸗ Decorirt.

Keine Vorstellung.

Abende: Quintus Comedy⸗ . Zwei Taube. 2. (Comedy ⸗Company

Anfang 7 Uhr.

8

Kl Belle-Alliance-Theater. (Klara 3 Male: Die schöne Sara. Matthias Tancer.

(Friedr. Haase.) und Richard Thiele.

Mit fremden Die schöne Sara.

Schmetterlinge. W. Mannstädt. 7 ½⅞ Uhr.

Deutsch von Emil Zum 15. Male: Der dritte

Madame

Dienstag: Zum 74. Male: Gesangsposse in 4 Akten Couplets von Görß.

1“ Dienstag: Mit gänzlich

7 ½ Uhr.

Münchhausen. Phan⸗

Deutsch von R. Schelcher. Ballets

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. n 5. Die Prinzessin von Komische Operette in 3 Akten von Deutsch von Julius Musik von J. Offenbach. Anfang 7 Uhr. Die Prinzessin Komische Operette in 3 Akten

Residenz-Theater. Dienstag: Zum 32. Male: . (Décoré.) Lustspiel in 3 Akten von Henri Meilhac. Anfang 7 ½ Uhr.

Kroll’s Theater. Dienstag und die folgenden Gastspiel der Anglo⸗American musical My Sweetheart. Schatz.) Gesangs⸗Lustspiel mit Tänzen in 3 Akten.

Dienstag: 1 T Posse mit Gesang in 4 Aufzügen von Georg Zimmermann und Musik von Clemens Schreiber Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Volksvorstellung zu ermäßigten Preisen.

Central-Theater. Dienstag: Zum 69. Male: Gesangsposse in 4 Akten von Musik von G. Steffens.

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72.

Die drei Grazien. von Leon Treptow. ets Musik von Franz Roth. (Novität!) Im 2. Akt: Landpartie⸗Duett.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Severini Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Hermine Winter mit Hrn. Ritter⸗

gutsbesitzer F. Anlauff (Altmannsdorf b. Wien— Nieder⸗Giersdorf, Kreis Grottkau). Frl. Martha Zangenberg mit Hrn. Assessor Dr. jur. Otto Pohl (Leipzig). Frl. Bertha Schulte⸗Henthaus mit Hrn. Leopold Heidenreich (Grumbkowkaiten). Frl. Margaretze Kahlbaum mit Hrn. Karl Vilmar Berlin). Frl. Therese Len mit Hrn. Her⸗ mann Weinberg (Wien). Frl. Wanda von Walcke⸗Schuldt mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Arnold von Winckler (Niendorf Darmstadt).

Verehelicht: Hr. Gerichts⸗Assessor Waldemar Laury mit Frl. Magdalene Reuter (Berlin). Rittmeister Karl Baron von Bistram mit

von 8

8

rl. Maria von Diest (Merseburg). Hr. Prem. ieut. Ernst Mühlenbruch mit Frl. Karoline von Otterstedt (Naumburg a. S.). Hr. Ritterguts⸗ besitzer Georg Schneider mit Frl. Elisabeth von Bassewitz (Berlin). Hr. Amtsichter Hugo Schindler mit Frl. Klara Bürde (Kupp). Apotheker Karl Goebel mit Frl. Betty Schneiders (Wegberg). Hr. Postverwalter Wilhelm Hembel mit Frl. Fanny Einenkel (Fheummeeh. 1 Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pastor B. Illing (Schwiecheldt). Hrn. Apotheker C. Fabricius (Linden). Hrn. Kammermusikus A. Hahn 3 (Schwerin). Hrn. Reg⸗Sekretär a. D. Franz um Burckhardt (Berlin). Eine Tochter: Hrn. Professor Dr. Hesse (Leipzig). Hrn. Oberlehrer E. Görges (Hameln). 1 Gestorben: Frau Emmy Blume, geb. Schmidt Berlin). Hrn. Julius Umlang Sohn Wil⸗ helm (Berlin). Frau Emma Larsson, geb. Henzka (Berlin). Hr. Lehrer a. D. Friedrich Kulicke (Angermünde). Hr. Oberst z. D. Robert von Studnitz (Kunnersdorf). Frl. Luise Geßle (Karlsburg). Frau Margarethe Nadolny, geb. van Malachowsky (Straßburg). Frau Dr. Auguste Heilmann, geb. Windthorst (Riemslob). Anfang Hr. Kaufmann A. H. Korb (Peine). Frau 1“ Winkler, geb. Gröbner (Volkmarz orf).

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagte⸗ Anstalt, Berlin IW., Wilbelmstraße Nr. 32.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

* 8

(Mein

Berlin:

Anfang

(14484)

Erste Beilage s-Anzeiger und Königlich Preußischen

1888.

Berlin, Montag, den 22. Oktober

Deutsches Reich.

-“ Zuckermengen, 1 v“ welche in der Zeit vom 1. bis 15. Oktober 1888 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Steuervergütung abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den freien Verkehr zurückgebracht worden sind.

[710: Rohzucker von mindestens 90 Proz. Polarisation und raffinirter Zucker von unter 98, aber mindestens

90 Proz. Polarisation.

711: Kandis und Zucker in weißen vollen harten Broden ꝛc., oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerkleinert,

sogenannte Krystalls ꝛc.

712: Aller übrige harte Zucker, sowie aller weiße trockene (nicht über 1 Proz. Wasser enthaltende) Zucker in

Krystall⸗, Krümel⸗ und Mehlform von mindestens 98 Proz. Polarisation.]

Mit dem Anspruch auf Steuervergütung wurden abgefertigt:

Aus öffentlichen Niederlagen oder Privatniederlagen unter

Staaten bezw.

zur unmittelbaren Ausfuhr

amtlichem Mitverschluß wurden

gegen Erstattung der Vergü⸗

tung in den freien Verkehr zurückgebracht

zur Aufnahme in eine öffent⸗ liche Niederlage oder eine Privatniederlage unter amt⸗

712

lichem Mitverschluß

711 712 710 711 212 kg kg kg kkg kg

399 991 399 942 108 060

1 vXX“ 389 189 Sachsen, einschl. der schwarzb. Unterherrschaften . . . . 1 090 134 20 000 Schleswig⸗Holstein. .. 1 786 Hannover 1.““ 799 888 433 869

Provinz Westpreußen 8 Brandenburg. Pommern. 16“ 4*“

Schlesien

24 765 1 439 997 26 414 69 610

480 000 13148

2 400

75 360

129 860 541 425

Rheinland. 467 765 V Sa. Preußen 3 546 909 Bavern.. 8 ee“ ö-- -SeaeainZX““ *“ 50 000 11“ 1 649 777

151 149] 5 670 641

44 058

90 908 710 000

5 167

Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet. 5 383 786 Hierzu in der Zeit vom 1. August 1888 bis 30. September 1888 . . . . .

195 207] 6 380 641

11 078 185 11 201 489 1 533 549 6 113 907 2 042 384

12 1255 74 435

143 934 12 431 302

90 908

651 133

Zusammen .. In demselben Zeitraum des Vorjahresꝛ)

20 118 085 10 183 981

16 461 971112 115 447 1728 756712 494 548 2 133 292 819 916] 8 179 821] 2 156 338

651 133 253 348

156 059 12 505 737 60 044] 7 124 817

1) In Vormonaten abgefertigt, jetzt aber erst zum Nachweis gelangt. 2) Die Abweichungen von der vorjährigen Uebersicht beruhen auf nachträglich eingegangenen Berichtigungen.

Berlin, im Oktober 1888.

Kaiserliches Statistisches Amt. Becker. 8

Gewerbe und Handel.

Ueber Arbeiterinnen bemerkt der Jahresbericht der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten 1887 (Berlin, W. T. Bruer): 1 8

In den der Fabrikaufsicht unterstellten gewerblichen Anlagen des obigen Aufsichtsbezirks sind 18,5 %, in den der Aufsicht der Berg⸗ behörden unterliegenden 12,7 %, mithin im Durchschnitt 16 % der beschäftigten Personen weiblichen Geschlechts. Eine wesentliche Aende⸗ rung haben diese Verhältnisse im vorigen Jahre nicht erfahren; einem Zuwachs von 787 Arbeiterinnen in der Hüttenindustrie steht eine Ver⸗ minderung von 198 beziehungsweise 174 Arbeiterinnen in der Industrie der Steine und Erden und der Industrie der Nahrungs⸗ und Genuß⸗ mittel gegenüber. 8

Im Aussichtsbezirk Merseburg⸗Erfurt betrug die Zahl der Ar⸗ beiterinnen: im Regierungsbezirk Merseburg 5106 oder 10,9 % der sämmtlichen Arbeiter, im Regierungsbezirk Erfurt 6739 oder 26,6 % der sämmtlichen Arbeiter. 8 b

Die Zunahme 1887 gegen das Vorjahr betrug; im Regierungs⸗ bezirk Merseburg 127 oder 13,6 %, im Regierungebezirk Erfurt 386 oder 18,9 % des Zuwachses an Arbeitern überhaupt.

Daß diese Zuͤnahme im Erfurter Bezirk im Verhältniß soviel zurücksteht gegenüber der der Arbeiter überhaupt, liegt in der be⸗ deutenden Zunahme der männlichen Gewehrfabrikarbeiter. Im Uebrigen entfällt die Zunahme auf die Munitionsfabriken, die Ci⸗ garrenfabriken und verschiedene Anlagen der Bekleidungsindustrie, dagegen im Regerungsbezirk Merseburg auf die Textil⸗ und die Papierindustrie. 1“

Von den der Fabrikaufsicht unterstellten gewerblichen Anlagen sind 18,5 %, von den der Aufsicht der Bergbehörde unterliegenden sind 12,7 %, im Ganzen 16 % der beschäftigten Personen weiblichen Geschlechts. Im Aufsichtsbezirk Merseburg⸗Erfurt betrug die Zunahme gegen die Zahl der Arbeiterinnen: Merseburg 5106 (10,9 % der männlichen Arbeiter, Zunahme gegen 1886 127 = 13,6 % des gesammten Zuwachses), Erfurt 6739 (26,6 %, Zuwachs 386 = 18,9 %). In Mittel⸗ und Ober⸗Franken fanden sich in den von den Inspektoren besuchten Betrieben, in Ober⸗Franken 69 unter 142 (56 %), in Mittel⸗ Franken 196 unter 349 (49 %) weibliche Arbeiter, und zwar 3178

zw. 3957, im Verhältniß zu den männlichen Arbeitern 30,9: 69,1 bezw. 29,7: 70,3. Für saͤmmtliche Aufsichtsbezirke des Königreichs Sachsen ergab die Zaͤhlung der Fabrikarbeiter im Berichtsjahre, daß in den gezäͤhlten Betrieben 89 962 erwachsene (über 16 Jahre alte) weibliche Arbeiter, gegen 83 152 im Jahre 1886, und 189 793 erwachsene (über 16 Jahre alte) männliche Arbeiter, gegen 177 159 im Jahre 1886, beschäftigt wurden.

Hiernach hat im Vergleich mit dem Jahre 1886 die Zahl der erwachsenen weiblichen Arbeiter um 8,2 %, die Zahl der erwachsenen männlichen Arbeiter um 7,1 % und die Zahl der erwachsenen männ⸗ lichen Arbeiter überhaupt um 7,4 % zugenommen. Es übersteigt also die Zunahme der weiblichen Arbeiter die Gesammtzunahme um 0,8 % und die der männlichen Arbeiter um 1,1 %.

„Diese Veränderungen in der Arbeiterzahl zu Ungunsten der Ar⸗ beiterinnen ist zum großen Theil auf die Aenderung im Arbeiterbestand der Textilindustrie zurückzuführen, welche 63 %l aller erwachsenen weib⸗ lichen Arbeiter beschäftigt. Es wurden nämlich bei dieser Industrie⸗ gruppe: 56 926 erwachsene weibliche Arbeiter gegen 52 370 im Jahre 1886 und 50 319 erwachsene männliche Arbeiter gegen 47 148 im Jahre 1886 gezählt, so daß sich bei ersteren eine Zunahme von 8,7 % ergiebt, während dieselbe bei letzteren nur 6,6 % beträgt. Im König⸗ reich Württemberg standen den Inspektoren keine genauen Zahlen zu Gebote, indessen hat der Aufschwung der Trikotweberei und der Uhren⸗ fabrikation auch hier eine Vermehrung der weiblichen Arbeitskräfte zur Folge gehabt, obwohl in vielen kleinen Städten und Dörfern die G Personen sich nicht zur Fabrikarbeit .“ können.

Im Fürstenthum Reuß j. L. waren von 4015 Arbeiterinnen 1875 (46,7 %) verheirathet, im Königreich Württemberg nur 5 %. In Niederbayern wird konstatirt, daß den Frauen keine neue Verdienst⸗ quellen eröffnet seien, daß also von einem Verdrängen der Arbeiter aus den Fabriken durch billigere weibliche Arbeitskräfte keine Rede sein könne. Auch ein nachtheiliger Einfluß auf die Sittlichkeit ist durch die Beschäftigung von Arbeiterinnen nicht bemerkbar gewesen. Die Beschäftigung selbst wird im Allgemeinen als eine den Fähig⸗ keiten und Kräͤften der Arbeiterinnen angemessene bezeichnet; in einzelnen Bezirken sind in dieser Beziehung Fortschritte bemerkbar gewesen, wenngleich die Spiegelfabriken (Quecksilberbelegen) und die Zündholzfabriken immer noch erhebliche Gefahr drohen.

Auf die mit dem Uebernachten der Arbeiterinnen in gewissen An⸗ lagen noch immer bestehenden Uebelstände weist der Aufsichtsbeamte für den Aufsichtsbezirk Trier⸗Aachen hin. In den Städten Aachen und Burtscheidt waren am Schluß des Berichtsjahres im Ganzen 7548 Arbeiterinnen beschäftigt, von welchen 8

4750 auf die Textil⸗Industrie,

994 auf die Nähnadelfabrikation,

1477 auf die Cigarrenfabriken und nur

327 auf andere Industriezweige 8 8 entfallen und von denen ein nicht unbedeutender Theil von der Arbeits⸗ stätte so weit entfernt wohnt, daß viele Arbeiterinnen Montags von Hause kommen und erst am Sonnabend Abend wieder heimfahren. Vielfach übernachten die Mädchen in der Weise, daß sie sich ange⸗ kleidet in den Stopp⸗ und Stopfsälen auf das Tuch oder auch wohl auf lose Wolle und dergleichen legen, „ein Verfahren, welches sowohl aus gesundheitlichen als sittlichen Rücksichten entschieden zu mißbilligen ist.“ Noch ungeeignetere Unterkunft fand der Aufsichtsbeamte in einer Tuchfabrik des Landkreises Aachen, wo den Arbeiterinnen als Schlaf⸗ stelle ein unverschließbarer, mit fünf zweischläfrigen Betten und theils mit leeren, theils mit gefüllten Säureballons und sonstigen Ge⸗ räthen der verschiedensten Art belegter Raum angewiesen wurde, welcher den Dünsten der unterhalb befindlichen Färberei in Folge mangelhafter Dielung ungehindert zugängig war.“ Dagegen bestehen mustergültige Einrichtungen für das Uebernachten der Ar⸗ beiterinnen in dem vorgenannten Aufsichtsbezirk u. a. in den Met⸗ lacher Fabriken. In Aachen selbst suchten mehrere Arbeitgeber durch die Gründung eines, auch in anderer Beziehung erwähnenswerthen Arbeiterinnenhospizes, welches freilich zunächst nur für die Aufnahme von 190 Betten eingerichtet ist, den gedachten Uebelständen entgegen⸗ zuwirken. Zu ähnlichen Zwecken haben in Baden die Firmen Carl Mez u. Söhne und Mez, Vater u. Söhne (Seidenfabriken Frei⸗ burg i. B.) in ihren zahlreichen auf dem Lande zerstreuten Filialen Schlafsäle für 50 bis 75 Mädchen eingerichtet. Dieselben erhalten außerdem sehr gut und reinlich gehaltene Wohnungen und, da mit jeder Filiale eine kleine Oekonomie verbunden ist, vollständige, ein⸗ fache aber ausreichende Verpflegung zu dem Preise von 30 und 35 täglich, so daß die Mädchen von ihren 60 bis 1 20 betra⸗ genden Löhnen noch ziemlich erhebliche Ersparnisse machen.

Ueber Betriebe, welche mit besonderen Gefahren für die Sittlich⸗ keit der weiblichen Arbeiter und vor Allem der jugendlichen verbunden sind, liegen aus einer Reihe von Bezirken Mittheilungen vor, welche, wenigstens zum größeren Theile, erfreulicherweise auf eine mehr oder minder erhebliche Besserung der bestehenden Zustände schließen lassen und insbesondere auch darauf, daß die Aufsichtsbeamten denselben fortwährende und vielfach erfolgreiche Aufmerksamkeit widmeten. Unter anderen gilt dies namentlich von Aufsichtsbezirken des König⸗ reichs Sachsen, in welchen Fortschritte insoweit unverkennbar sind, als namentlich was das Zusammenarbeiten männlicher und weiblicher Personen in demselben Arbeitsraum betrifft.

Die Beaufsichtigung der Arbeiterinnen wird in der Regel durch männliche Personen ausgeübt, weibliche Aufsicht bildet die große Aus⸗ nahme. Von den in Mittelfranken Seitens des Beamten besuchten

8 8

Anlagen hatten nur zwei die letztere eingeführt, im Aufsichtsbezirk

otsdam⸗Frankfurt a. O. etwa zehn Betriebe der Wollhut⸗, Hand⸗ chuh⸗, Papier⸗ und Hufnägelfabrikation, und zwar seit Jahren und zur Zufriedenheit der Unternehmer. Eine direkte Abneigung der In⸗ dustriellen scheint zwar, wie der Aufsichtsbeamte des letzteren Bezirks aus häufigen Unterredungen mit denselben entnimmt, nicht vorhanden zu sein, „aber das Vertrauen fehlt, man will deshalb keinen Versuch mechen und bezeichnet die Einführung weiblicher Aufsicht als undurch⸗ ührbar.“

Die Nachtarbeit weiblicher Arbeiter hat im Berichtsjahre in manchen Bezirken einen Rückgang erfahren, vielfach ist man bemüht, dieselbe durch Vergrößerung der Arbeitsräume und der maschinellen Einrichtungen zu beseitigen. (Hannover, Chemnitz, Zwickau, Leipzig.) Als Betrieb mit, wenn auch nicht immer regelmäßiger Nachtarbeit, werden in dem Bericht für Potsdam⸗Frankfurt a. O. die Briquette⸗ fabriken, in den Berichten für Hannover, Leipzig und Sachsen⸗Mei⸗ ningen verschiedene Betriebe der Textilindustrie (Spinnereien, Woll⸗ wäschereien, Wollkämmereien, Flanellfabriken), außerdem in einzelnen Berichten die Papierfabriken (Leipzig), die Druckereien (Leipzig) und endlich mehrfach die Zuckerfabriken genannt.

Die Ausbildung der jugendlichen Arbeiterinnen für den Haus⸗ frauenberuf hat durch die Arbeitgeber weitere Förderung erfahren. So hat die Firma Gebrüder Heyl u. Comp. zu Charlottenburg neben anderen anerkennungswerthen Wohlfahrtseinrichtungen auch ein „Jugendheim“ gegründet, welches neben 23 Knaben 27 Mädchen auf⸗ zunehmen vermag. Das Heim für Mädchen enthält zwei Räume, welche eine bürgerliche Wohnung veranschaulichen. Nachdem hier unter Aufsicht einer Lehrerin die Schularbeiten erledigt worden sind, werden die Mädchen u. a. im Nähen, Stricken, Sticken, Waschen, Plätten und Reinmachen unterwiesen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Erlernung des Kochens zugewendet. Zu diesem Zwecke ist eine Küche vorhanden, in der die Abendmahlzeit für sämmtliche Zöglinge von dem weiblichen Theile derselben unter Auf⸗ sicht und Anleitung der Frau Kommerzien⸗Räthin Heyl, welche das „Jugendheim“ in eigene Verwaltung genommen hat, zubereitet wird. In Aachen wurde mit dem Arbeiterinnenhospiz eine Arbeitsschule verbunden, in welcher etwa 160 Arbeiterinnen, darunter 30 aus Nadel⸗ fabriken, 104 aus den Fabriken der Textilindustrie und 26 aus Cigarrenfabriken, Unterricht im Kochen, Bügeln, Zuschneiden, Aus⸗ bessern von Wäsche und Kleidungsstücken u. s. w. erhalten. Im Aufsichts⸗ bezirk Mittel⸗ und Oberfranken bestehen Arbeitsschulen zu dem angegebenen Zweck in einer Baumwollspinnerei zu Bayreuth und in einer Anlage gleicher Art zu Bamberg. Auch die Steingutfabrik von Villeroy und Bloch in Dresden hat den Unterricht in weiblichen Handarbeiten durch drei Lehrerinnen eingeführt. Von den Frauen und Mädchen wurde diese Gelegenheit zur Ausbildung mit Freuden ergriffen, und 16 Arbeiterinnen schafften sich bereits durch Vermittelung der Fabrik für billigen Preis Nähmaschinen an, für deren Bezug eine weitgehende Zahlungsfrist mit kleinen Abschlagszahlungen gewaͤhrt wurde. Im Laufe des Jahres hat diese Einrichtung immer mehr Anklang gefunden, so daß gegen⸗ wärtig gegen 60 Frauen und Mädchen an dem Unterricht theilnehmen, welcher nunmehr nicht mehr Sonntags, sondern täglich nach Beendi⸗ gung der Arbeit stattfindet. Eine Stunde des Unterrichts wird auf die Arbeitszeit angerechnet und als solche den Mädchen bezahlt.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Deutsche Medizinal⸗Zeitung. (Verlag von Eugen Grosser in Berlin.) Nr. 84. Inhalt: Jatzow, Prozentsatz der Arbeitsunfähigkeit in Folge Beschädigung des Sehorgans durch Unfälle. Coön, Näseln. Jarvis⸗Mac Coy, Nasenverschluß. Seiler, Ekchondrosen des Septum narium. Poeschel, Behandlung der Nasenrachen⸗Erkrankungen. Joal⸗Geneuil, Epistaxis. Seifert, Ursache von Reflexneurosen. Steinbrügge, Stimmgabel⸗ prüfung. Bezold⸗Ferrer, Fremdkörper im Ohr. Ksretschmann, Antisepsis in der Ohrenheilkunde. Rubner, Lehrbuch der Hygiene. Gesundheitspflege auf Kauffahrteischiffen. Masing, Einfluß der Luft. Lorenz, Schulbankfrage. Helm, Versorgung großer Städte mit Milch. Hexyer, Bleiangriff durch Leitungswasser. Johne, Der Trichinenschauer. Hager, Untersuchung des Schweinefleisches. Carry, Giftige gefärbte Baumwolle. Focke, Die Prostitution. Berlin. medizin. Gesellsch.: Ostwalt, Chorioretinitis syphilitica und Hirnarterienlues; Hypnot. Experimente. Internationaler Otologen⸗ Kongreß: Akustische Reaktion auf den elektrischen Strom; Ervsipel der Nasenhöhlen; Perforation des runden Fensters; Vasomotorische Rhinitis; Behandlung der Sklerose; Pilokarpin bei Taubheit; Labyrinth⸗Lasionen bei Scharlach und Diphtherie; Ohrenpfröpfe. Paris. Akad. d. Wissensch.: Dubois⸗Vignon, Para⸗ und Metaphenyl⸗ endiamin; Vitzou, Kreuzung der Nervenfasern im Chiasma der Hunde; Gaucher⸗Combemale⸗Marestang, Hedwigia balsamifera. Paris. Akad. der Medizin: Verrier, Puerperale Septichämie; Bouchard, Glykosurie bei Sumpffieber; Laborde, Giftigkeit des Alkohols. British medizin. Gesellsch.: Carter⸗Wolfe, Cataracta senilis; Cheadle, Rhachitis. Collectanea medica: Fremdkörper in den Luftwegen; Diarrhöe durch Kautschukplatte; Talipes valgus; Z .“ Priapismus; Hermaphroditismus; Elektrolyse bei Krebs.

Centralblatt für Rechtswissenschaft, herausgegeben von Dr. von Kirchenheim, a. o. Professor der Rechte in Heidel⸗ berg. (Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke.) Inhaltsüber⸗ sicht des Bd. 8 Heft 1. A. Besprechungen. 1. Allgemeines. Stölzel, A. Brandenburg⸗Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung. Dar⸗ gestellt im Wirken seiner Landesfürsten und obersten Justizbeamten. Dickel, K. Ueber die Vorbildung der Juristen in Preußen ins⸗ besondere in der Praxis. Ebbecke, J. Grundriß eines Systems der Rechtsordnung nach praktischen Zwecken. II. Privatrecht. Ent⸗ stehung und Inhalt des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Einleitender Vortrag, gehalten in der juristischen Gesellschaft zu Berlin am 12. Mai 1888 von Dr. Leonard Jacobi. Mataja, V. Das Recht des Schadenersatzes vom Standpunkt der Nationalökonomie. Reinhold, F. Die Natur der sogen. Real⸗ kontrakte. Scharff, G. Die Lehre vom Gewährerlaß (pactum de non praestanda evictione) nach r. R. Marcus. Das Kondiktions⸗ recht des preußischen Fiskus gegenüber dem Spieler in einer nicht zu⸗ gelassenen auswärtigen Lotterie auf Herausgabe des erhobenen Ge⸗ winns. Ein Beitrag zur Auslegung der §§. 172, 173 I1,16 des preuß. A. L.⸗R. Goldfeld, J. Ueber das hamburgische eheliche Güterrecht. Nebst einem Anhang, enthaltend den Wortlaut der wichtigsten auf dasselbe bezüglichen hamburgischen Gesetze. III. Handelsrecht. Cosack, K. Lehrbuch des Handelsrechts mit Ein⸗ schluß des Seerechts. Schmidt, R. Die civilrechtliche Gründer⸗ verantwortlichkeit nach deutschem Aktienrecht. Meili, F. Das R. der modernen Verkehrs⸗ und Transportanstalten. Ein Grundriß. Morris, R. Patents conveyancing: being a collection of Prece- dents in conveyancing in relation to letters patent for inventions, with dissertations and copious notes on the Law and Practice. IV. Gerichtsverfassung und Civilprozeß. Stobbe, O Zur Geschichte des älteren deutschen Konkursprozesses. Kohler, J. Der Prozeß als Rechtsverhältniß. Prolegomena zu einem System des Civil⸗ prozesses. Menzinger, L. Der Gerichtsstand der Vereinbarung nach römischem Recht. Von der IJuristenfakultät der Universität München mit dem Accessit gekrönte Preisschrift. Adam, R. Die