Nachrichten aus Kilwa mitgetheilt, und ihn gebeten, ein Schiff nach Lindi und Mikindani zur Unterstützung der dortigen Angestellten zu senden und denselben, falls sie ihre Stationen zu halten außer
Stande sind, eine Möglichkeit zu bieten, ihr Leben in Sicher⸗
heit zu brin Michahelles.
nach Bagamoyo die
— Heute fand eine Sitzung des Bundesraths statt.
— In Nordhausen haben, wie der „Hann. Cour.“ meldet, Konservative und Nationalliberale an dem für die Reichstagswahlen geschlossenen Kartell zum Zweck der Landtagswahlen festgehalten.
— Se. Majestät der Kaiser und König haben unterm 3. d. M. ein Organisations⸗Statut für die Militär⸗Eisenbahn Berlin — Schießplatz genehmigt, auch bestimmt, daß der öffentliche Verkehr auf die Strecke Berlin — Zossen der Militär⸗Eisenbahn ausgedehnt wird, soweit die militärischen Interessen dies zulassen.
— Am 1. Oktober d. J. ist der Kreis Neustadt a. R. (Regierungsbezirk Hannover) vom Landwe 5 Bataillons⸗ bezirk Hannover zum Landwehr⸗Batai onsbezirk Nien⸗ burg und der Kreis Rinteln (Regierungsbezirk Kassel) vom Landwehr⸗Bataillonsbezirk Nienburg zum Landwehr⸗ Bataillonsbezirk Hannover übergetreten.
— Seit einiger Zeit ist bei verschiedenen Truppentheilen, militärischen Instituten und Lokalbehörden der Militär⸗ verwaltung versuchsweise die Anwendung des Giro⸗ Verkehrs für das Zahlungswesen erfolgt. Nach den hier vorliegenden Berichten der betreffenden Truppentheile ꝛc. erscheint dem Kriegs⸗Minister dieses Verfahren geeignet, eine Beschränkung der Baarzahlungen aus den Truppen⸗ ec. Kassen bezw. eine Verminderung der baaren Geldbestände in denselben herbeizuführen und dadurch auch den Kassen⸗Kom⸗ missionsmitgliedern (Kassenverwaltern) ihre Verantwortlichkeit zu erleichtern. Es empfiehlt sich deshalb, dem gedachten Ver⸗ fahren eine weitere Ausdehnung zu geben, worüber unterm 3. d. M. nähere Bestimmungen getroffen sind.
— Durch den Widerruf einer Schenkung wird nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 11. Juli d. J., die Schenkung im Geltungsbereich des preußi⸗ schen Allg. Landrechts nicht ungültig und wird nicht der Rück⸗ fall des verschenkten Gegenstandes in das Vermögen des Schenkgebers bewirkt, sondern die Schenkung bleibt gültig, der Schenkgeber gewinnt nur einen persönlichen Anspruch (eine Kondiktion) gegen den Beschenkten auf Rückgabe dessen, was derselbe aus der Schenkung hat. „So lange diese Rückgabe noch nicht vollzogen ist, bleibt der Beschenkte rechtlich der In⸗ haber bezw. Eigenthümer des verschenkten Gegenstandes, darum auch berechtigt, wegen desselben Prozesse zu führen. Eine Rückübertragung des dem Kläger schenkweise cedirten Forde⸗ rungsrechts auf die Schenkgeberin, Frau L., ist nicht behauptet worden, mithin wird zu Unrecht vom Beklagten aus dem Widerruf der Schenkung die Nichtberechtigung des Klägers
zu der angestellten Klage und zur Fortsetzung des Prozesses abgeleitet.“
— Nach einem zwischen dem Bäckermeister R. und dem Fhmemnge e S. bestehenden Vertrage hatte Ersterer sein 7
uhrwerk, wenn er es entbehren konnte, und S. dessen bedurfte, diesem zufolge mündlicher Bestellung allwöchentlich einen oder mehrere Tage gegen Entgelt zu überlassen; die Bestimmung, zu was für Fuhren und auf welchen Strecken das Fuhrwerk verwendet werden sollte, stand dem S. allein zu. Das Fuhrwerk wurde stets von dem im Dienst des R. stehen⸗ den Kutscher P. geleitet, welcher eines Tages während einer solchen Ueberlassung tödtlich verunglückte. In der Rekurs⸗ entscheidung vom 28. Mai d. J. (Nr. 598) hat das Reichs⸗ Versicherungsamt den Vorinstanzen ange⸗ nommen, daß P. im Betriebe des Zimmermeisters S. ver⸗ unglückt sei. Die Ueberlassung des ganzen Fuhrwerks unter Uebertragung der freien Verfügungsgewalt über die Arbeits⸗ leistung von dem bisherigen Arbeitgeber (dem Ueberlassenden) an einen anderen stellte sich im Sinne des Unfallversicherungs⸗ gesetzes als eine Uebernahme in den Betrieb des andern dar. Mit der Ueberlassung trat der Geschirrführer P. mit dem Geschirr aus dem Betrieb des Bäckermeisters, seines regel⸗ mäßigen Arbeitgebers, vorübergehend in den Betrieb des Zimmermeisters; dieser wurde Herr der Arbeit des P. Die Art der “ vermag hieran nichts zu ändern Gee Rekursentscheidung 377, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 202). Eine solche Ueberlassung hat un⸗ bestritten auch am Unfalltage stattgefunden, und der Geschirr⸗ führer P. ist nach erfolgter Uebernahme in den Betrieb des Zimmermeisters durch einen mit den Gefahren dieses Betriebes ursächlich zusammenhängenden Unfall tödtlich verunglückt, als er Bretter an einen von dem Zimmermeister unternommenen Bau von dessen Holzplatz aus anfuhr. Der Unfall des P. ist demnach ein Hetriebzunal⸗ für welchen die beklagte Bau⸗ gewerks⸗Berufsgenossenschaft aufzjukommen hat.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich mecklenburgische Ober⸗Zolldirektor Oldenburg ist hier an⸗ gekommen.
Sachsen. Dresden, 24. Oktober. (Dr. J.) Der König ist, von Baden⸗Baden zurückkehrend, heute früh im Königlichen Jagdschlosse Wermsdorf eingetroffen.
Württemberg. Stuttgart, 23. Oktober. Der „St.⸗A. f. W.“ schreibt: „Wie wir aus Nizza erfahren, sind Se. Ma⸗ jestät der König vorgestern, Vormittags 10 Uhr 25 Minuten, glücklich dort qee dcen. Die Reise, die über den St. Gotthard, Alessandria und Savona gemacht wurde, war vom Wetter sehr begünstigt, und in Nizza haben Se. Majestät eine warme, fast sommerliche Temperatur heen In Monaco, wo eine Ehrenwache am Bahn⸗ of aufgestellt war, wurde der König bei der Durch⸗ reise von dem Gouverneur und dem Maire der Stadt m Namen Sr. Durchlaucht des Fürsten von Monaco be⸗ grüßt, und bei der Ankunst in Nizza von dem deutschen Konsul von Voigts⸗Rhetz, dem Präfekten des Departements der Seealpen, dem Stadtgouverneur und dem Stellvertreter des abwesenden Maires empfangen. Beim Verlassen des Bahnhofs, sowie bei der Fahrt nach dem Hötel Splendide, wo Se. Majestät Wohnung genommen haben, wurden Höchstdieselben von der zahlreich versammelten Bevölkerung ehrfurchtsvoll begrüßt. Im Gefolge des Königs befinden sich der Kabinets⸗Chef Dr. von Griesinger, der General⸗Adjutant
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Freiherr von Molsberg, Kammerherr Freiherr von Brüsselle
und Freiherr von Savage, der Erste Leibarzt Dr. von Fetzer, Geheimer Hofrath von Jackson und der Königliche Flügel⸗ Adjutant Major Freiherr von Reischach.“ “
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 24. Oktober. (W. T. B.) Im Abgeorbnei legt der Fnanz ⸗Minister von Dunajewski das Budget fur 1889 vor und begleitet dasselbe mit einem eingehenden Exposé, in welchem er die Ziffern des Erfordernisses und der Deckung nach Kapiteln und Titeln des Präliminars erörtert, und sodann zur Besprechung des Voranschlages pro 1889 übergeht. Das Gesammterforderniß beträgt 538 345 786 Fl. (gegen 538 526 928 Fl. im Vorjahre); die gesammten Staatseinnahmen sind mit 538 515 245 Fl. veranschlagt (gegen 517 295 568 Fl. im Vorjahre); der Ueberschuß beträgt somit 169 459 Fl. Im Vorjayre war das Gesammterforderniß unter Einbeziehung einiger Nachtrags⸗ kredite mit 538 670 928 Fl., die Bedeckung mit 517 295568 Fl. beziffert, wonach sich ein Abgang von 21 375 360 Fl. ergab. Das gegenwärtige Budget erscheint sonach um 21 544 819 Fl. günstiger. “ 1 Redner unterzieht in erschöpfender Weise die Voranschläge für 1888 und 1889 einer Vergleichung. Als besonders in Betracht zu ziehen erscheinen einerseits die Einnahmenerhö⸗ hungen, welche in letzter Zeit ins Werk gesetzt wurden, an⸗ dererseits sind bezüglich der Ausgaben die militärischen Vor⸗ kehrungen zu berücksichtigen, welche die Nothwendigkeit, mit der Entwickelung der anderen Staaten auf diesem Ge⸗ biete einigermaßen Schritt zu halten, hervorgerufen hat. Die Wirkung, welche die in Rede stehenden Maßnahmen auf das Budget geübt haben, läßt sich in folgenden Haupt⸗ ziffern zusammenfassen: Das Netto⸗Erträgniß der Branntwein⸗ steuer wird um 19 179 800 Fl., jenes der Zuckersteuer um 2957 500 Fl. und jenes des Tabackgefälles um 2 667 500 Fl. höher veranschlagt als im Vorjahre, sodaß die Mehreinnahmen aus den erwähnten Erhöhungen mit 24 804 800 Fl. veranschlagt erscheinen. Dagegen erscheinen für militärische Ausgaben neu in Zuwachs: Die auf die diesseitige Reichshälfte entfallende Quote des pro 1889 für das Heer und die Kriegsmarine veranschlagten Mehrerfordernisses mit 2 890 694 Fl. und eine Erhöhung des Erfordernisses für die Landwehr mit 2567 400 Fl., zusammen 5 458 094 Fl. Durch diese Mehranforderungen reduzirt sich die durch die Gefällserhöhungen herbeigeführte Besserung der Bilanz auf 19 346 706 Fl. Da im Ganzen das Budget um 21 544 819 Fl. günstiger erscheint als im Vorjahre, verbleibt ein Betrag von 2 198 113 Fl., um welchen sich dasselbe ohne die erörterten neuen Zugänge und Ausgaben nach dem regelmäßigen Gang der Dinge gebessert haben würde. Der Steigerung der Militärauslagen und der Wiedereinstellung des vollen Jahreserfordernisses für Zinsen und Amortisations⸗ Hahluhgen ist es in der Hauptsache zuzuschreiben, wenn der Vergleich mit dem Vorjahre nicht noch günstiger ausfällt und die neugeschaffenen Einnahmen im Wesentlichen nur die Be⸗ seitigung des Abganges in der Bilanz zur Folge haben. Der vorliegende Voranschlag wird seiner Zeit noch eine Ergänzung zu erfahren haben durch die mit Beschluß der Delegationen erfolgte Bewilligung eines unbedingten Kredits von 29,7 Millionen Gulden für außerordentliche militärische Vorsichtsmaßregeln. Behufs Bedeckung des auf die diesseitige Reichshälfte entfallenden Antheils per 20 374 200 Fl. des bezeichneten unbedingten Kredits ist die Ausgabe von 5 proz. Notenrente in Aussicht genommen. Das durch die Aus⸗ gabe von 5prozentiger Notenrente im Betrage von 20 374 200 Fl. pro 1889 sich ergebende Zinsen⸗Erforderniß von ungefähr 1 Million Gulden konnte selbstverständlich in den Voranschlag nicht einbezogen werden und wird nach Zustande⸗ kommen des fraglichen Gesetzes nachträglich eingestellt werden müssen. Für dieses Erforderniß sowie für einen noch einzustellenden Betrag von 500 000 Fl. als erste Baurate für die projektirte Hof⸗ und Staatsdruckerei ist jedoch die Bedeckung vollkommen sichergestellt, da auf Grund des Gesetzes vom 28. Juni 1888 die Rückzahlung der Garantievorschüsse der Kaschau⸗Oderberger Bahn, welche sich nebst den abgelaufenen insen auf rund 2 600 000 Fl. beziffert, zu erfolgen hat. — Zum Schluß bemerkt Redner, daß die Publikation der Steuer⸗ ausweise gleichzeitig verfügt sei. 1 Der Finanz⸗Minister erwähnt diesbezüglich folgende wesentliche Daten: In den ersten neun Monaten des laufen⸗ den Jahres ergiebt sich bei den direkten Steuern, deren Netto⸗Ertrag sich im laufenden Jahre auf 73 593 000 Fl. gegen 72 683 000 Fl. in der gleichen Periode des Vor⸗ jahres beziffert, eine Steigerung des Erträgnisses um 910 000 Fl. Auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung ist in der gleichen Periode eine Zunahme um 769 153 Fl. ein⸗ getreten; im Ganzen erscheinen somit die Steuereinnahmen um 1 679 682 Fl. gestiegen. Die Zunahme der indirekten Steuern beruht, von einigen minder Ausschlag gebenden Mehreinnahmen bei der Wein⸗ und Moststeuer, den Taxen und Gebühren von Rechtsgeschäften ꝛc. abgesehen, tgjechlch auf dem um 2 529 671 Fl. günstigeren Ergebniß beiz der Branntwein⸗ besteuerung, welches vorwiegend durch die Einzahlung an Nach⸗ steuer hervorgerufen ist; ferner auf den Mehreinnahmen per 584 130 Fl. bei der Verbrauchssteuer von Mineralöl und per 333 177 Fl. beim Salzgefälle. Dagegen haben sich außer der bereits früher erwähnten Mindereinnahme im Tabackgefälle ungünstige Ergebnisse von größerem Belang ergeben bei der Biersteuer mit 661 381 Fl. und beim Lotto mit 620 082 Fl. Der Finanz⸗Minister knüpfte an das Exposé folgende Be⸗ merkungen: Wenn es der Regierung gegönnt sein wird, unter Mitwirkung des Hauses durch die eben eingeführten Verzehrungs⸗ steuern das Gleichgewicht des Staatshaushalts herzustellen und zugleich, wenigstens einige der drückendsten Abgaben zu mildern, bleibt noch eines übrig, was die Regierung sich als Ziel setzen muß und was sie dem Hause nicht dringend genug ans Herz legen kann. Es ist dies das Maßhalten in den An⸗ sorderungen an den Staatsschatz — ein Maßhalten, das allein geeignet ist, die einmal errungenen, re elmãäßigen Verhältnisse des Haushalts zu dauernden zu gestakten und dem Staat die unentbehrliche materielle Basis nicht nur zu geben, sondern auch zu sichern und zu festigen. Jene unbeirrte konsequente Selbstbeherrschung, die an jeden Wunsch vor Allem den Maßstab der vorhandenen Mittel legt und derart, den Blick aufs Ganze gerichtet, dauernd Ersprieß⸗ liches schafft, wird unsere Hoffnung nicht täuschen und im nächsten Jahre die Piekung neuer Steuern zur vollen Ausge⸗ staltung gelangen lassen. Dann kann den vielfach geäußerten Wünschen nach Ermäßigung mancher, vielleicht zu drückender Abgaben Rechnung getragen werden. (Beifall.) n den Entwürfen, welche über die Reform der direkten Ster
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ausgearbeitet wurden, und welche bis auf einige Ueber⸗ prüfungen schon fast vollständig vorliegen, wird die Absicht vorwalten, bei einigen Steuern gewisse Milderungen eintreten zu lassen, selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß der Staatsschutz auf eine andere Weise die volle Bedeckung der Staatsbedürfnisse erlangen werde. Endlich habe ich daß ich einen Entwurf über die Reform des ens, wie über die Zoll⸗ und Monopolordnung habe ausarbeiten lassen. Der Minister schließt mit der dringenden Bitte, das Budget pro 1889 baldmöglichst zu erledigen. Derselbe brachte ferner einen Gesetzentwurf zur Bedeckung des öster⸗ S Antheils von dem für die militärischen Maßnahmen bewilligten Kredit im Höchstbetrage von 473⁄10 Millionen ein. Reicher und Genossen interpellirten den Handels⸗Minister wegen eines wirksamen Schutzes der öster⸗ reichischen Markenschutzbesitzer in Deutschland.
Großbritannien und Irland. London, 24. Oktober. (W. T. B.) Der Kommission zur Untersuchung der Anschuldigungen der „Times“ gegen Parnell zeigte Attorney General Webster heute an, daß er den ehemaligen irischen Deputirten O'Shea citiren werde. Derselbe werde bezeugen, daß Parnell mit Widerstreben das Manifest an das Volk, in welchem die Ermordung Cavendish's und Burke's verurtheilt wurde, unterzeichnet habe. Webster legte ferner der Kommission die Urschrift des viel genannten Briefes Parnell's vor, in welchem Letzterer erklärt: er habe die Morde im Phönixpark aus partei⸗-politischem Beweggrunde verurtheilt.
— Aus Canada „Reuter'schen Bureaus“: “
Toronto, 23. Oktober. Heutigen Telegrammen aus Winnipeg zufolge dauert die durch den Red River⸗Eisenbahnstreit ver⸗ ursachte Aufregung ununterbrochen fort; es haben jedoch noch keine Ruhestörungen stattgefunden. Die Red River⸗Eisenbahn ist bis zur Grenze des Eigenthums der canadischen Pacifie⸗Eisenbahngesell⸗ schaft fertig gebaut worden, aber der Betrieb wurde ein⸗ gestellt, um eine gesetzliche Entscheidung bezüglich des Rechts der canadischen Pacisic⸗Eiserbahn, den Weg zu versperren, abzuwarten. Die Verwaltung letztgenannter Eisenbahn hält an dem Punkte zahl⸗ reiche, größtentheils bewaffnete Mannschaften bereit, um die Züge der Red River⸗Eisenbahn zurückzuweisen. Der Vize⸗Gouverneur hat den Premier Greenway ermahnt, von ungesetzlichen Maß⸗ nahmen abzustehen. Das Ministerium von Manitoba be⸗ hauptet indeß eine feste Haltung und spricht davon, an England zu appelliren und nöthigenfalls an die Königin die Bitte zu richten, daß Manitoba zu einer Kron⸗ Kolonie gemacht werde. Die Entwickelung der Lage wird mit großer Spannung erwartet, da die Bevölkerung von Winnipeg erklärt: sie sei entschlossen, die Angelegenheit zu einem Ende zu bringen, gleich⸗ viel wie die Entscheidung der Gerichte ausfallen möge. Andere Städte haben Hülfe angeboten und man spricht wieder von einer Einverleibung von Manitoba in die Vereinigten Staaten. Die Truppen sind in den Kasernen konsignirt, um für alle Nothfälle bereit zu sein.
Frankreich. Paris, 24. Oktober. (W. T. B.) In der Revisionskommission sprach sich heute Boulanger für Auflösung der Kammer und Einberufung einer konstituirenden Versammlung aus. Die unabhängige und vor dem Lande verantwortliche Exekutivgewalt müsse in den Händen einer Constituante liegen, welche Maßregeln treffen müsse, um diktatorischen Mißbräuchen vorzubeugen. Im Uebrigen bezog sich Boulanger auf seine früher über diesen Gegenstand abgegebenen Erklärungen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Oktober. (W. T. B.) Nach hier eingegangener Meldung ist der Kaiser mit den übrigen Mitgliedern der Kaiserlichen Familie gestern Nachmittag in Kutais angekommen.
Das „Journal de St. Pétersbourg“ druckt an⸗ läßlich des Jubiläums des Ministers des Aeußern, von Giers, die Rundschreiben ab, welche derselbe nach der Thronbesteigung und der Krönung des Kaisers Alexander III. an die Mächte gerichtet hat, und legt dar, daß die russische Politik konsequent und friedlich geblieben sei. Das Blatt konstatirt ferner das Vertrauen, womit der Kaiser Giers ehre, dessen ein⸗ zige Sorge stets die gewesen sei, der treue Diener seines Herrn und der Dolmetsch seiner Willensmeinung in der Auf⸗ gabe zu sein, die Ehre und Integrität Rußlands auf dem ihm angewiesenen Gebiet zu vertheidigen und zu dem Gedeihen des Reichs mit allen Mitteln beizutragen, über welche die Diplomatie verfüge, die er vor Allem mit Patriotismus, Aufrichtigkeit und Geradheit leite. — Anläßlich des von einem Wiener Blatt gebrachten Artikels, in welchem der Sultan mit “ wurde, wenn er sich der Friedensliga nicht anschließe, und der daran geknüpften gegen Rußland gerichteten Auslassungen anderer ausländischer Blätter weist das „Journal de St. Pöéters⸗ bourg“ auf das Unnütze und Vergebliche derartiger Machi⸗ nationen hin und bemerkt dazu, daß sich Rußland dadurch von dem festen, korrekten und friedlichen Wege nicht ablenken lassen werde, den es bis jetzt unabänderlich ein⸗ gehalten habe.
— 25. Oktober. (W. T. B.) Anläßlich des 50 jährigen Jubiläums der amtlichen Thätigkeit des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, von Giers, bringen die Chefs der Botschaften und Gesandtschaften der auswärtigen Mächte, welche sich hier wieder ein⸗ gefunden haben, dem Jubilar als Ehren eschenk ein goldenes Schreibzeug in Vasenform dar. Dasselbe ist aus⸗ geführt im Stil Ludwigs XV., an der Vorderseite geschmückt mit dem von Brillanten eingerahmten Namenszuge des Ju⸗ bilars und trägt auf der Rückseite eine Widmungsinschrift; das Ganze ruht auf einem aus sibirischem Blutjaspis ge⸗ fertigten Fuße. Die Beamten des Ministeriums überreichen Herrn von Giers ein prachtvolles Album mit Zeichnungen von besonders bedeutsamen Ereignissen aus der diplomatischen Laufbahn des Gefeierten. Um 1 Uhr beginnt die Auffahrt zur Gratulation im Ministerium des Auswärtigen, wo⸗ selbst außer großem Empfang auch ein Festgottesdienst statt⸗ findet. Sodann folgt ein von den Beamten des Ressorts dem Jubilar zu Ehren veranstaltetes Fest⸗ mahl. Morgen findet bei dem deutschen Botschafter von Schweinitz gleichfalls aus diesem Anlaß Fest⸗ tafel statt, zu welcher die Botschafter und Gesandten mit Gemahlinnen sowie andere hohe Würdenträger Einladungen erhalten haben. — Die beiden deutschen Zeitungen sowie „Grashdanin“ und „Nowosti“ bringen Artikel mit sympa⸗ thischen Kundgebungen für den Jubilar.
Italien. Rom, 24. Oktober. (W. T. „Osservatore Romano“ sagt: „Wir haben
meldet eine neue Depesche des
B.) Der den Mit⸗
theilungen italienischer und auswärtiger Blätter über das,
I 1
was der Unterredung zwischen dem Papst und dem Kaiser Wilhelm voranging, sowie über das, was während und nach derselben geschehen, bereits ein formelles Dementi entgegengesetzt. Da diese Blätter indessen ihre unwahren Be⸗ hauptungen hartnäckiger als gewöhnlich aufrecht erhalten, so erklären wir erneut, daß die Mittheilungen nicht die ge⸗ ringste Begründung haben.“
Der Papst empfing heute Mittag etwa tausend neapolitanische Wallfahrer und erwiderte auf die ihm vorgelesene Adresse: Die Italiener hätten durch ihre Kundgebungen anläßlich seines Jubiläums die Feinde der Kirche Lügen gestraft, welche glauben machen wollten, daß ganz Italien dem Papstthum feindlich gesinnt sei und darnach strebe, die Gläubigen vom Heiligen Stuhl loszutrennen, von dem allein das Heil kommen könne. Anstatt dem Papstthum den Krieg zu machen, sollten die Feinde desselben es mit Achtung umgeben und ihm seine Freiheit gewähren. Aber ganz im Gegentheil setzten entartete Söhne den Papst herab und beleidigten ihn, insbesondere nach seiner Rede an den italienischen Klerus, welche doch nichts Neues enthalten und nur gegen seine unwürdige Lage reklamirt habe. Er, der Papst, habe stets die Freiheit und Unabhängig⸗ keit gefordert, und er frage sich, warum man sich zu neuen dreisten Unternehmungen gegen den Heiligen Stuhl ver⸗ anlaßt gesehen habe. In Rom insbesondere sei der Kampf ein heftigerer in Folge der Sekten und des konzentrirten Hasses gegen die weltliche Macht des Heiligen Stuhls. Man habe gewagt, die Usurpationen und Gewalt⸗ thätigkeiten durch neue Injurien zu bekräftigen. Ohne die großen Geschicke Roms zu begreifen, wollten die Feinde das⸗ selbe zur einfachen Hauptstadt des Königreichs herabsetzen, während Rom die Königin und Hauptstadt der katholischen Welt sei. Was immer man auch thun möge, Rom werde die Hauptstadt der katholischen Welt bleiben, weil daselbst der Stellvertreter Christi residire, der seine Pflichten kenne und sie niemals aufgeben werde. Der Papst schloß mit der Er⸗ theilung seines Segens an die Versammlung.
— 25. Oktober. (W. T. B.) In der gestern Abend stattgehabten Sitzung des Munizipalraths theilte der Bürgermeister mit, daß Se. Majestät der Kaiser Wilhelm ihn beauftragt habe, dem Munizjipalrath für die beschlossene Begrüßungsadresse und der gesammten Bevölkerung für den Ihm zu Theil gewordenen herzlichen und enthusiastischen Empfang Seinen Dank auszusprechen. Ferner habe Se. Majestät ihm 6000 Lire zur Unterstützung derjenigen Personen zugehen lassen, welche sich an Se. Majestät mit Bittgesuchen gewandt haben.
Wie die Caihenae Stefani“ mittheilt, hätte der fran⸗ zösische Minister des Auswärtigen, Goblet, in den Unterredungen mit dem diesseitigen Botschafter in Paris, Menabrea, betrefßs des Aufsichtsrechts über die italienischen Schulen in Tunis zwar anerkannt, daß die Dekrete des Beys von Tunis be⸗ züglich der Schulaufsicht auf die gegenwärtig in Tunis bestehenden italienischen Schulen und Vereine nicht an⸗ wendbar seien, dagegen behauptet, daß die Anwendbarkeit der⸗ selben auf künftig zu errichtende italienische Institute keinem Zweifel unterliege. Der Botschafter Menabrea habe erwidert: Italien könne die Gültigkeit der betreffenden Dekrete nicht zugeben, sei vielmehr der Ansicht, daß dieselben weder auf die bestehenden, noch auf die künftig zu errichtenden italienischen Schulen und Vereine angewendet werden könnten.
Rumänien. Bukarest, 24. Oktober. (W. T. B.) Von den in dem ersten Wahlkollegium stattgehabten 75 Wahlen für die Abgeordnetenkammern sind 49 Resultate bereits bekannt und zwar sind 45 Wahlen regierungsfreundlich, 4 oppositionell ausgefallen.
— 25. Oktober. (W. T. B.) Von den im ersten Wahlkollegium stattgehabten 75 Wahlen zur Depu⸗ tirtenkammer sind 65 regierungsfreundlich und 4 opposi⸗ tionell ausgefallen. 6 Stichwahlen haben stattzufinden. Heute wird im zweiten Wahlkollegium gewählt. 8
Afrika. Marocco. (W. T. B.) Eine in London am 24. d. M. eingegangene offizielle Depesche aus Tanger meldet, daß der Sultan der portugiesischen Flotte als Genugthuung für die Ereignisse in Larache in der üblichen Weise Salut feuern ließ.
Zeitungsstimmen. Unter der Ueberschrift „Selbständigkeit der Gesinnung“
äußert das „Deutsche Tageblatt“:
Die „Vossische Zeitung“ findet, das unterscheidende Merkmal für den Wahlkampf sei ganz und gar nicht mehr die Reaktion, sondern die Selbständigkeit der Gesinnung. Mehr und mehr werde die äußerste Rechte an die Wand gedrückt; alle jene Gruppen, welche An⸗ wandlungen von Selbständigkeit gezeigt hätten, würden von der Re⸗ gierungspartei mit Angriffen bedacht, und trotz aller offiziösen Lob⸗ gesänge auf das Kartell würden planmäßig diejenigen Freunde des Kartells bekämpft, welche dem Fürsten Bismarck gegenüber eine eigene Meinung zu behaupten sich erkuͤhnen wollten.
„Für uns ist diese Logik um deswillen von besonderem Interesse, weil sie uns beweist, daß ebenso wie die Begriffe Freiheit 28 Recht auch der Begriff der Selbständigkeit in dem Prokrustes⸗Bett der fortschrittlichen Parteianschauungsweise total verzerrt wird. .
Was die „Vossische Zertens, Neigung zur Selbständigkeit zu nennen beliebt, ist in Wahrheit nichts Anderes als Lust am Fron⸗ diren. In dieser ihr durchaus konseguenten Auffassung ist die fort⸗ schrittliche Presse ganz selbstverständlich durch Niemanden mehr als durch ihren Abgott, Hrn. Richter, erzogen worden. Hr. Richter hat es verstanden, so lange er wählt und wühlt, nur das als selbständige Gesinnung auszugeben, was sich als das direkte Gegentheil der vom
eichskanzler vertretenen Ansichten darstellt. Um mit dieser echt brutalen Fiktion dauernd Geschäfte zu machen, gab Hr. Richter als wichtigste Instruktion für seine Partei die Weisung aus, daß nur sein, Hrn. Richter's Wille, Geltung habe. Wer sich erkühnte, dem Abg. Richter gegenüber eine eigene Meinung haben zu wollen, wurde mit allen Daumenschrauben des fortschrittlichen Ketzerrichterthums bis aufs Blut gepeinigt, und wenn man besonders in den letzten Jahren Gelegenheit gehabt hat, das Bild, welches die Gesellschaft des Hrn. Richter im Parlament bot, zu genießen, so hat man ohne Weiteres das Tvrannenverhältniß klar zu Tage treten sehen, in dem der Fort⸗ schrittsführer zu seinen Parteigenossen steht.
Daß Fürst Bismarck die Selbständigkeit der Gesinnung mißachte oder nicht dulden könne, ist nicht wahr. Ja noch mehr. Fürst Bismarck hat sich bei den verschiedensten Gelegenheiten als ein Freund der Parteien gezeigt, bei denen die Selbständigkeit der Gesinnung ihrer Angehörigen zum gebübrenden Rechte kommt. Nur darin hat er eine Gefahr für das Vaterland erblicken zu müssen geglaubt, und die Mehrheit der einsichtsvoll nationalen Wähler hat ihm bereits wiederholt hierin Recht gegeben, wenn in einzelnen Parteien der
Tyranneneifer bestimmter Mitglieder so zur unbedingten Herrschaft gelangt, wie es in der Fortschrittspartei des Hrn. Richter der Fall ist.
— In dem „Schwäbischen Merkur“ lesen wir:
Die „Stimmungsberichte“ aus dem Reichslande haben in der deut⸗ schen Presse seit einiger Zeit entschieden abgenommen, und wir vermögen darin durchaus kein Unglück zu erblicken. In weiten Kreisen hat sich die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß schaelle, überraschende Ver⸗ änderungen und Fortschritte auf diesem Gebiet nicht zu erwarten sind, und es hat sich daher bei den einen der Drang, solche aufzu⸗ finden und davon zu berichten, bei den anderen die Neigung, der⸗ gleichen zu lesen, vermindert. Auch finden unter der jetzigen ruhigeren und stetigeren Regierung des Landes nicht die zahlreichen und aufregenden politischen Zwischenfälle statt, welche zu Hrn. von Manteuffel's Zeit so häufig waren und den Berichterstattern aus dem Reichslande vielen — freilich oft wenig erquicklichen — Stoff boten. Die Thätigkeit der heutigen Regierung ist eine schlich⸗ tere und geräuschlosere, gewiß aber auch eine für die Zukunft frucht⸗ barere als die ihrer Vorgängerin, und es kann ihrer Arbeit gewiß nur zu gut kommen, wenn das deutsche Publikum und die deutsche Presse nicht mehr jeden Augenblik „Erfolge“ sehen wollen. Das berechtigte Interesse an den reichsländischen Dingen ist aber unzweifelhaft in Deutschland rege geblieben und kann dadurch nur erhöht werden, daß ihre Entwicklung neuerdings mehr als früher mit der großen aus⸗ wärtigen Politik verflochten worden ist. Die vermehrte Spannung in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich ist es, die im laufenden Jahre vor allem auf die elsaß⸗lothringischen An⸗ gelegenheiten zurückgewirkt hat. In Uebereinstimmung mit der Reichsregierung wurde eine Reihe von Maßregeln, deren einschneidendste die bekannte Paßvorschrift ist, verfügt, die sämmtlich darauf ausgehen, den persönlichen Verkehr und Aufenthalt französischer Staats⸗ angehöriger in Elsaß⸗Lothringen zu beaufsichtigen und zu beschränken. Es ist dies eine Richtung, die wahrlich in unserer Zeit, welche die Vortheile eines gegen früher unendlich erleichterten internationalen Verkehrs vollauf würdigen gelernt hat, nur durch ganz außerordent⸗ liche Umstände gerechtfertigt werden kann. Wir stehen nicht an, aus⸗ zusprechen, daß solche die weitest gehenden Eingriffe in das Verkehrs⸗ leben rechtfertigenden Umstände hier durchaus gegeben sind. Es ist der gerade neuerdings bis zum Wahnwitz gesteigerte Haß gegen Deutschland und alles Deutsche, wie derselbe in der Literatur und Presse, dem politischen, wirthschaftlichen und sozialen Leben Frankreichs überall hervortritt, welcher der deutschen Regierung Maß⸗ regeln zur Pflicht macht, die dazu dienen sollen, die Einwirkung dieses Gifts auf eine erst vor Kurzem von Frankreich losgerissene und von dort kommenden Einflüssen noch immer sehr zugängliche Bevölkerung möglichst zu vermindern.é Gewiß ist die Verkehrsfreiheit unter den Nationen der gesunde und vernünftige Zustand, gewiß die friedliche Einwirkung eines Volkes auf das andere zur Ausgleichung der nationalen Beschränktheiten das Erstrebenswerthe; wenn aber die eine von zwei benachbarten Nationen den friedlichen und freund⸗ schaftlichen Verkehr gar nicht will, wenn sie die jenseits der Grenze vom Nachbarvolk ihr gewährte Gastfreundschaft nur benützt, um dort Unfriede und Aufruhr zu schüren, so ist dies Nachbarvolk gewiß befugt, sein Hausrecht zu wahren, dem Störenfried die Thür zu weisen und die Verwirklichung idealer Verkehrsfreiheit auf den Zeitpunkt zu vertagen, da der Nachbar zu einem friedlichen und freund⸗ lichen Verkehr geneigt sein wird. Eine solche nothwendige und darum gerechtfertigte Wahrung des Hausrechts ist die grundsätzliche Ausschließung der Franzosen vom Gebiet des Reichslandes, und aus gleicher Erwägung ist auch die durch die Paßverordnung gegebene Erschwerung der Reisen der Elsaß⸗Lothringer nach Frankreich E.“ Wer Gelegenheit hatte, lange Jahre hindurch das Benehmen urd den unheilvollen Einfluß der im Reichslande sei es vorübergehend oder dauernd sich aufhaltenden französischen Staatsangehörigen zu hbeobachten, wer häufig erlebt hat, wie ein kürzerer oder längerer Aufenthalt jenseits der Vogesen vorher ver⸗ ständige Elsässer verwirrt und verbittert hat, wird unzweifelhaft dieser Auffassung zustimmen. Freilich, so unanfechtbar die erwähnten Maßregeln im Grundsatz sind, so schwierig und verwickelt ist die Ausführung. Nicht nur bestehen zwischen Frankreich und Elsaß⸗ Lothringen naturgemäß zahlreiche wirthschaftliche und persönliche Bande, deren Zerreißen eine Beeinträchtigung des Erwerbslebens im Reichslande nothwendig mit sich bringt; es kommt noch hinzu, daß der große internationale Verkehr zwischen West⸗ und Südost⸗Europa, zwischen Paris und Wien — Konstantinopel, die französisch⸗elsaß⸗ lothringische Grenze berührt, und daher durch die Paßverordnung in Mitleidenschaft gezogen ist... Die reichsländische Regierung darf aber von einsichtigen Beurtheilern das Zugeständniß erwarten, daß
die erforderliche möglichste Absperrung des Reichslandes gegen die vergiftenden Einflüsse aus dem rachetollen Frankreich eine schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe ist, die ohne jede Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs überhaupt nicht gelöst werden kann. Es wird deshalb der patriotische deutsche Geschäftemann die ihm durch die Paßverordnung auferlegten Unbequemlichkeiten gelassen ertragen, so lange ihre Aufrechterhaltung aus politischen Gründen nothwendig ist. Anders ist natürlich die Auffassung in der elsaß⸗lothringischen Be⸗ völkerung; daß hier die tiefeinschneidende Maßregel, verbunden mit der neuerdings größeren Zurückhaltung der Behörden in der Ge⸗ währung von Aufenthaltserlaubniß an französische Staatsangehörige, lebhafte Klagen und Unwillen hervorruft, ist begreiflich und unver⸗ meidlich. Hier wird erst ein späteres Geschlecht es als Wohlthat erkennen, daß nach langem Zögern die deutsche Regierung den Einflüssen, welche die 1870 geschlagenen Wunden durch unaus⸗ gesetzte Reizung offen zu halten bestrebt sind, kräftig entgegengetreten ist. Von den heutigen Elsässern, welche in ihrer großen Mehrzahl — auch wenn sie dem politischen Treiben fern stehen — im über⸗ kommenen französischen Fahrwasser behaglich weiter schwimmen möchten, können wir diese Anerkennung nicht erwarten. Um so besser ist es, daß heute nicht mehr die Befriedigung der Tagesstimmung in der Bevölkerung, sondern die Befestigung des Deutschthums, die Fereboltung französischer Einflüsse, und damit die schnellere künftige
inkehr des inneren Friedens und der Zufriedenheit im Lande die Zielpunkte der reichsländischen Regierung sind. Wir kommen auf diesem Wege zwar nur langsam und nicht ohne Anfechtung, auch wohl nicht ohne Mißgriffe, voran, aber sicher und nachhaltig; die einge⸗ .. Richtung ist die durch die Verhältnisse und die Erfahrung gebotene.
— Das „Deutsche Tageblatt“ schreibt:
„Seeit einigen Monaten haben sich im Handelsverkehr zwischen den mittel⸗ und osteuropäischen Staaten einschneidende Aenderungen voll⸗ zogen, welche auch von großer zollpolitischer Bedeutung sind, obwohl keiner der europäischen Staaten in dieser Zeit seine Zollsätze erhöht oder vermindert hat. Diese Aenderungen entspringen den schwankenden europäischen Währungsverhältnissen, insbesondere dem beträchtlichen Rückgang des Goldagios. Seit Anfang Juni ist das Goldagio in Oesterreich⸗Ungarn um 3 ½ %, in Rußland um 135,/10 % und in Rumänien um 15 ½ % gesunken, das heißt: es hat sich die Kaufkraft des Geldes von Oesterreich⸗Ungarn um 3 ½ %, von Rußland um 136⁄10 %, von Rumänien um 15 8 % erhöht wie in gleichem Maße diejenige des fremden Geldes daselbst vermindert und ebenso haben sich die Einfuhrzölle der benannten Staaten entsprechend vermindert, wie andererseits füͤr die fremden die Zölle erhöht. Für den soliden Auslandshandel sind derartige starke Schwankungen in den Währungsverhältnissen im höchsten Grade unerwünscht und nachtheilig und sie gestalten, wenn sie fortdauern, selbst das solideste Geschäft zu einer Spekulation. Auch im Interesse der handelspolitischen Souveränetät der einzelnen Staaten sind diese Schwankungen zu bedauern, da sie sich im Allgemeinen der staatlichen Einwirkung entziehen, nicht selten sogar entgegenarbeiten, und bei häufiger Wiederkehr werden sie die einzelnen Staatsregierungen nöthigen, sich durch gemeinsames Vorgehen zu Herren dieser scheinbar unberechenbaren Schwankungen zu machen. Für den Augenblick mag der deutsche Auslandshandel auf den neuesten Stand der Währungsverhältnisse aufmerksam gemacht
werden, weil derselbe ihm im Verkehr mit Oesterreich⸗Ungarn, Ruß⸗
land und Rumänien Vortheile bietet, welche sich wie angedeutet ziffermäßig bezeichnen lassen, und zwar einmal in der Verminderung der fremden Zollsätze und sodann in der erhöhten Kaufkraft des Geldes der genannten Staaten.
Statistische Nachrichten.
Das Königlich Württembergische Statistische Landesamt versendet soeben die neuesten Hefte der von ihm heraus⸗ gegebenen „Württembergischen Jahrbücher für Statistik und Landeskunde“. Das 3. Heft 1. Bandes (Jahrgangs 1887) enthält eine Statistik der württembergischen Oberamts⸗Sparkassen in den Jahren 1883/84, 1884 und 1884/85. Auf den Kopf der Be⸗ völkerung kommen danach am Schluß des Jahres 1883/84 bei 43 Kassen — einer Einwohnerzahl von 1 406 353 Köpfen und einer Einlagensumme von 37 071 793 ℳ — 26,36 ℳ; am Schluß des Jahres 1884 bei 45 Kassen — 1 454 497 Einwohnern und 41 855 729 ℳ Einlagen — 28,78 ℳ, des Jahres 1884/85 bei 43 Kassen — 1 406 353 Einwohnern und 41 701 242 ℳ Einlagen — 29,65 ℳ — Den zweiten Beitrag des Hefts bildet eine Statistik der Zeitungen und Zeitschriften Württembergs im Jahre 1886 mit einem Rückblick auf die periodische Presse des Landes in den Jahren 1877 —1885 vom Bibliothekar Prof. Dr. Theodor Schott. Politische Blätter er⸗ schienen danach in Württemberg im Jahre 1886 129, gegen 108 im Jahre 1876; es fand also eine Zunahme um 21 Zeitungen (19 (0) statt. Die Bevölkerung Württembergs betrug 1876 1 881 505 Ein⸗ wohner, 1886 1 995 185 Einwohner, nahm also in diesem Zeitraum um 113 680 Einwohner zu (6,04 %). Die Zunahme der politischen Presse war mithin eine weit höhere: im Jahre 1876 kam au 17 421 Personen 1 politisches Blatt, jetzt schon auf 15 466. — Auch bei den Zeitschriften ist eine beträchtliche Zunahme zu verzeichnen, nämlich von 130 im Jahre 1876 auf 164 im Jahre 1886. Damals kam eine nichtpolitische Zeitung auf 14 473 Würt temberger, jetzt schon auf 12 165. Jede der 11 angenommenen Grup pen, mit Ausnahme der juristischen und staatswissenschaftlichen Blät ter, welche von 10 auf 9 und der finanziellen, die von 4 auf 2 herab⸗ sanken, hat daran theilgenommen. Die rheologischen, kirchlichen und erbaulichen Zeitschriften stiegen von 19 auf 25, die philologischen und pädagogischen von 12 auf 16, die ges chichtlichen und geographischen von 10 auf 13, die gewerblichen und landwirthschaftlichen (zusammen) von 30 auf 35, die belletristischen von 16 auf 21, die Regierungspublikationen von 7 auf 8; die Jugendschriften blieben auf 8 stehen. Stuttgart mi seinen 125 dort erscheinenden Zeitschriften nimmt noch immer sein Stellung im deutschen Buchhandel ein; zu den alten bekannte Firmen Belser, Cotta, Engelhorn, Enke, Greiner und Pfeiffer Grüninger, Deutsche Verlagsanstalt, Kröner, Schweizerbarth, Spemann, Steinkopf, Vereinsbuchhandlung (von Calw), haben sich nun gesellt: Hänselmann, Wittwer, Kohlhammer; w Laupp in Tübingen, so tritt Henninger in Heilbronn den ge⸗ nannten zur Seite. Die Arbeit schließt mit den Worten
„Weit mehr als nach seiner Einwohnerzahl, nach seiner Größe er⸗
wartet werden darf, leistet Württemberg für den ernsten Dienst der Wissenschaft, für das heitere Werk der Musen; den Ruhm, welchen es seit Jahren hat, eine sehr ehrenvolle Stellung in Wissenschaft und Literatur einzunehmen, hat es auch in diesem Jahrzehnt bewahrt. — Am Schluß des Hefts wird eine Uebersicht der württembergischen Literatur des Jahres 1887 gegeben, welche der Ober⸗Bibliothekar, Ober⸗Studienrath Dr. von Heyd, verfaßt hat.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
München, 24. Oktober. (W. T. B.) Der Direktor der Glyptothek, Hofrath von Hüther, ist gestorben.
— Encyklopädie und Methodologie der englischen Philologie, von Gustav Körting Heilbronn, Verlag von Gebrüder Henninger, 1888. — Das vorliegende Werk soll seiner Anlage und Bestimmung nach ein Seitenstück zu der (an dieser Stelle seiner Zeit besprochenen) „Encyklopädie und Methodologie der roma⸗ nischen Philologie“ desselben Verfassers bilden. Die im letztgenannten Werke gegebenen allgemeinen Erörterungen über den Begriff, den Umfang und die Aufgaben der Philologie sind aus diesem Grunde hier auch nicht wiederholt, sondern es wird nur eine Uebersicht über die wichtigsten Einzelgebiete der englischen Philologie im Besonderen, mit möglichster Beiseitelassung des Allgemeinen ge⸗ boten. Nachdem in der Einleitung der Begriff der englischen Philo⸗ logie, ihre Beziehungen zu verwandten Wissenschaften, die Geschichte und das akademische Studium der englischen Philologie besprochen worden, wird der eigentliche Stoff in neun Kapiteln behandelt, welche nach einander: die geschichtliche Entwickelung der englischen Sprache, das Sprachgebiet, die Dialekte, die Laute, die Worte, die Wortformen und Wortform⸗Umschreibungen, die Syn⸗ tax, die Rhythmik des Englischen und endlich die Geschichte der englischen Literatur behandeln. Angehängt ist ein systematisches Verzeichniß der in der „Anglia“ und in den „Englischen Studien“ erschienenen Abhandlungen, Rezensionen und Miscellen. Dieses Ver⸗ zeichniß bildet eine Ergänzung zu den den einzelnen Abschnitten bei⸗ gefügten „Literaturangaben“, welche zwar keine vollständige Biblio⸗ graphie der englischen Philologie bieten, aber doch auf das Wichtigste aufmerksam machen.
Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.
Niederlande.
Zufolge einer im „Nederlandsche Staats⸗Courant“ veröffentlichten Verfügung der Königlich Niederländischen Minister des Innern und der Finanzen vom 12. Oktober 1888 ist die Ein⸗ und Durchfuhr von Lumpen, gebrauchten Kleidungsstücken und ungewaschener Leib⸗ und Bettwäsche aus Porto Rico vom 17, dess. M. ab verboten. Gepäck⸗ stücke, welche von Reisenden mitgeführt werden, fallen nicht unter dieses Verbot
Gewerbe und Handel.
Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“: „Der Absatz von Hausbrandkohlen wurde durch die für die gegenwärtige Jahreszeit ungewöhnlich niedrigen Tempe⸗ raturen befördert; neben einem andrängenden Versandt war es die örtliche Abfuhr an den Ladeplätzen der Förderpunkte, welche die Pro⸗ duktion der Gruben mannigfaltig in Anspruch nahm. Der umfang⸗ reiche Bedarf der Hüttenwerke und Koksanstalten steigerte gleichfalls die Förderthätigkeit der Gruben, welche nach anderer Seite hin durch den Waggonmangel in der Erfüllung ihrer Lieferungs⸗ verbindlichkeiten empfindlich aufgehalten wurden. Die Nachfrage er⸗ streckte sich gleichmäßig auf alle Kohlensorten, sodaß, da die örtliche Entnahme sich vorzugsweise den mittleren und kleineren Körnungen zuwandte, der Verbrauch auch den gröberen Sorten nothgedrungen sich zuzuwenden hatte. Kokes wurden im Ganzen gut beachtet und fanden schlanken Absatz. Es steht außer Zweifel, daß ohne die dem Versandt auferlegten Hemmnisse die Entwickelung des Absatzes dem Geschäft eine aufsteigende Richtung würde verschafft haben, welche den Werken bei den immerhin unlohnenden Kohlenpreisen zu wünschen wäre.
— Der Rechnungsabschluß der Stadtberger Hütte weist, wie wir der „B. B. Ztg.“ entnehmen, einen Gewinn von 412 340 ℳ nach. Die Unkosten betragen 30 086 ℳ, zu Abschreibungen sollen 64 448 ℳ, zur Dotirung des Reservefonds 31 778 ℳ, zu Tantièmen 15 889 ℳ verwendet werden, und es bleibt ein vertheilbarer Gewinn von 270 117 ℳ
— Die gestrige Generalversammlung der Braunschweigischen Aktiengesellschaft für Jute⸗ und Flachs⸗Industrie ge⸗ nehmigte den von der Verwaltung vorgelegten Rechnungsabschluß wie die von derselben rorgeschlagene Dividende von 11 %. Die der Reihenfolge nach aus dem Aufsichtsrath ausscheidenden Hrrn. Heinrich Vieweg und Wilhelm Zuckschwerdt wurden einstimmig wiedergewählt.