1888 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Dec 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Das Ergebniß der gestrigen Wahlmänner⸗ wahlen in Berlin ist nach vorläufigen Feststellungen Folgendes:

Im ersten Wahlkreise erhielten die Freisinnigen 635 Stimmen gegen 459 welche für die Kartellparteien (inklusive der Konservativen) abgegeben wurden (aus 2 Urwahlbezirken mit 6 Wahlmännern stand das Resul⸗ tat noch aus). Im Jahre 1885 waren es 612 Freisinnige, 240 Konservative und 84 Nationalliberale. Während die Kartellparteien hier also einen Zuwachs von 135 Stimmen zu verzeichnen haben, brachte es der Freisinn nur auf ein Plus von 23 Stimmen.

Im zweiten Wahlkreise wurden gewählt: 967 Deutsch⸗ freisinnige, 157 Konservative, 20 Nationalliberale und 4 un⸗ bestimmt. Gegen 1885 haben die Freisinnigen eine Zunahme von 215 (752), die Konservativen eine solche von 27 (130), die Nationalliberalen eine Abnahme von 17. 1

Im dritten Wahlkreise war die Betheiligung eine nur schwache, da durchschnittlich nicht mehr als ca. 22 Proz. wählte. Der Wahlkreis hatte 1505 Wahlmänner zu wählen, doch blieben 28 Vakanzen, so daß thatsächlich 1477 gewählt sind. Davon sind 1049 Freisinnige, 406 Konservative, 12 Nationalliberale und 10 unbestimmt. Im Jahre 1885 waren 784 fortschr., 369 kons., 37 nationl. Die Freisinnigen haben somit um 265, die Konservativen um 37 zugenommen.

Im vierten Wahlkreise wurden gewählt 697 Frei⸗ sinnige, 310 Konservative und 19 Vakanzen waren vorhanden. Im Jahre 1885 wurden 614 Freisinnige, 227 Konservative und 14 Nationalliberale gewählt, d. i. bei den Freisinnigen wie bei den Konservativen eine Zunahme von 83.

Die in einem ehemaligen Erbpachtvertrage ge⸗ troffene Bestimmung, daß der Erbpächter und seine Nach⸗ kommen den unter der Oberfläche des Guts sich vorfindenden Mergel zur Ackerkultur wirthschaftlich benutzen, zum Verkauf an Fremde aber nicht berechtigt seien, hat nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 10. September d. J., in Folge des Preußischen Ablösungsgesetzes vom 2. März 1850 in Preußen jede rechtliche Wirkung verloren; der durch das Inkrafttreten jenes Gesetzes zum Eigenthümer gewordene Erbpächter ist berechtigt, über den Mergel seines Gutes frei zu verfügen.

Durch Allerhöchste Ordre vom 15. d. M. ist das dem vormaligen Aktien⸗Verein für den Bau einer Chaussee von Peilau im Kreise Reichenbach über Gnadenfrei nach Diersdorf im Kreise Nimptsch seiner Zeit verliehene Recht zur Chausseegeld⸗Erhebung nach den Bestimmungen des Tarifs vom 29. Februar 1840, einschließlich der in dem⸗ selben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vorschriften, den genannten Kreisen, und zwar einem jeden für die in sein Eigenthum übergegangene Strecke dieser Straßen gegen Ueber⸗ nahme der künftigen chausseemäßigen Unterhaltung der be⸗ treffenden Straßenstrecke, vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen, übertragen worden.

Das in der Cirkular⸗Verfügung der damaligen

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten und des Innern, vom 19. Dezember 1857, für Leichenpässe angeordnete Schema diente, in Ermangelung eines besonderen Formulars

für Transporte auf Eisenbahnen, bisher zugleich als der im —. 34 des Eisenbahn⸗Betriebs⸗Reglements vom 11. Mai 1874 für solche Transporte erforderte Leichenpvaß. Nach der Bestimmung unter Nr. 3 des laut Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 14. De⸗ zember v. J. neugefaßten §. 34 1. c. ist für diese Transporte ein anderes 11“ vorgeschrieben, ohne daß jedoch dadurch die frühere Vorschrift in dem Erlaß vom 19. Dezember 1857 hinsichtlich des dort vorgesehenen vüt aufgehoben wäre. Da somit der Fall eintreten ann, daß beim Transport einer Leiche, welcher theils auf der Eisenbahn, theils auf Landwegen stattfindet, zweierlei Leichenpässe ausgestellt werden müßten, so haben die genannten Minister im Interesse eines einfachen und sicheren Geschäftsganges unterm 23. September d. J. bestimmt, daß das von dem Reichskanzler in dem erwähnten §. 34 des Eisenbahn⸗Betriebs⸗Reglements für die Beförderung von Leichen auf Eisenbahnen vorgeschriebene Leichenpaß⸗Formular künftighin auch für den Transport von Leichen auf Landwegen Anwendung findet, wobei selbstverständlich, falls der Trans⸗ port auf keiner Strecke mittelst Eisenbahn geschieht, im Paß⸗ formular die Worte „mittelst Eisenbahn“ zu streichen sind.

Ferner ist in weiterer Abänderung der Bestimmungen des Erlasses vom 19. Dezember 1857 die Ertheilung von Leichenpässen zukünftig abhängig zu machen von der Vorlegung einer von einem beamteten Arzt ausgestellten Bescheinigung über die Todesursache sowie darüber, daß seiner Ueberzeugung nach der Beförderung der Leiche gesundheitliche Bedenken nicht entgegenstehen. 1

Schließlich kommt die zeitliche Beschränkung der Gültig⸗ keit des Passes in Fortfall.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich niederländischen Hofe, Freiherr von Saurma⸗Jeltsch, ist vom Urlaub nach dem Haag zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder übernommen.

Die Bervollmächtigten zum Bundesrath, Königlich württembergischer Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ Minister Dr. Freiherr von Mittnacht, und Königlich württembergischer Ober⸗Regierungs⸗Rath Schicker sind hier eingetroffen.

Der General⸗Lieutenant von Dincklage, Komman⸗⸗ dant von Frankfurt a. M., hat Berlin wieder verlassen.

Die Archiv⸗Hülfsarbeiter, Dr. phil. Friedrich Mei⸗ necke bei dem Geheimen Staats⸗Archiv in Berlin und Dr. phil. Paul Karge bei dem Staats⸗Archiv in Koblenz, sind zu Archiv⸗Assistenten ernannt worden.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 30. Oktober. Wech. Nachr.) Der Großfürst und die Großfürstin ladimir von Rußland sind heute Nachmittag von hier nach Paris abgereist. Die Großfürstlichen Kinder werden mit ihrer Begleitung morgen die Rückreise nach St. Peters⸗ burg antreten. Hamburg, 30. Oktober. (W. T. B.) Der General⸗ F raf Moltke hat sich heute Nachmittag nach erlin begeben. Auf dem Wege von seinem Absteigequartier einer zahlreichen

bis zum Bahnhof wurde derselbe von Menschenmenge stürmisch begrüßt.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 29. Oktober. (Wien. Abdp.) Der Budget⸗Ausschuß des Abgeordneten hauses hielt 1—8 eine Sitzung, in welcher an Stelle des Abg. Grafen

ichard Clam⸗Martinitz, welcher auf sein Mandat verzichtet hat, der Abg. Hausner zum Obmann gewählt wurde. Zum zweiten Obmann⸗Stellvertreter wurde der Abg. Zeithammer gewählt. Sodann gelangte die Vorlage, betreffend die Be⸗ deckung des Rustungskredites, zur Verhandlung. An der Debatte hierüber nahm auch der Finanz⸗Minister Dr. Ritter von Dunajewski Theil. Die Vorlage wurde genehmigt.

30. Oktober. (W. T. B.) Das Abgeordneten⸗ haus hat von Chesi zum ersten, Zeithammer zum zweiten Vize⸗Präsidenten gewählt.

Pest, 29. Oktober. (Wien. Ztg.) Die Berathung des Regalien⸗Ausschusses in Betreff der Entschädigungen in Folge der Einführung des Schankgefälles gedieh bis §. 15.

Frankreich. Paris, 30. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Ministerraths unter Vorsitz des Präsidenten Carnot wurden die Motive zu dem Gesetzentwurf betreffend die Einkommensteuer, verlesen. Der Entwurf wurde definitiv gebilligt und wird wahrscheinlich morgen der Kammer vorgelegt werden.

In dem Gesetzentwurf ist die Steuer auf ½ % für ein Ein⸗ kommen aus Arbeit und auf 1 % für ein Einkommen aus erworbenem Vermögen festgesetzt. Ein Einkommen von 2000 Fr. und darunter wird nicht besteuert; wenn der Ehemann ein Einkommen von 2000 Fr. hat und die Ehefrau ebenfalls ein Einkommen von gleicher Höhe, so bleibt dasselbe bei beiden frei von der Steuer. Das Gesetz wird mit entsprechenden Erleichterungen angewendet werden, je größer die Zahl der Kinder einer Familie ist. Die Steuer wird uͤberhaupt nicht von der Gesammtheit der deklarirten Einkommen⸗ summe, sondern nur von derselben erhoben.. Den Besitzern von Aktien, welche einer Coupon⸗Steuer unterliegen, wird der entsprechende Betrag bei der Steuer in Abzug gebracht.

In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer theilte der Präsident Meline das Resultat der Berathung des Bureaus betreffs des Zwischenfalles mit den Journalisten mit; das Bureau habe den Quüstoren das Vertrauen ausgesprochen und die zwischen den Quästoren und dem Syndikat der Presse getroffenen Vereinbarungen angenommen. In Folge dieser Berathung hätten die Quästoren ihre Entlassung eingereicht. Lacretelle stellte darauf einen Antrag, nach welchem die Quästoren aufgefordert werden sollen, ihre Entlassung ggczuaehen Der Antrag Lacretelles wurde mit 243 gegen 70 Stimmen angenommen. Peytral brachte hierauf Vorlagen betreffs der Getränke⸗ und Einkommensteuer ein. Die Kammer nahm dann die Be⸗ rathung über das Marinebudget wieder auf. Gerville, der Berichterstatter der Kommission, warf dem Marine⸗ Minister Krantz vor, daß die Ausgaben für die Häfen zu große seien. Der Marine⸗Minister widerlegte kurz die Kritiken der Budgetkommission und beklagte sich, stets der Gegenstand ihrer Angriffe zu sein. Gerville und Rouvier verwahrten sich davor, den Minister persönlich angreifen zu wollen; ihre Kritiken bezögen sich nur auf die Verwaltung. Roche vertheidigte die Marineverwal⸗ tung, deren Fehler nur in dem beständigen Wechsel des Ministers beständen. Hierauf wurde die allgemeine Berathung geschlossen und die Kammer auf Montag vertagt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. Oktober. (W. T. B.) (Telegramm der „Nordischen Telegraphen⸗ Agentur“.) Ueber die Entgkeisung des Kaiserlichen Hofzuges liegen bis jetzt noch keine authentischen Details vor. Jedenfalls steht fest, daß es sich nur um einen gewöhnlichen Eisenbahnunfall handelt.

31. Oktober. (W. T. B.) Nach einem Teleꝛgramm des Hof⸗Ministers aus Dolinskaja (Charkow⸗Nikolajew⸗ Eisenbahn) vom Dienstag, 3 Uhr 50 Minuten Nachmittags, hat die Kaiserliche Familie diese Station wohlbehalten

assirt.

1 31. Oktober. (W. T. B.) Der „Grashdanin“ bringt nachstehende Einzelheiten über den Eisen⸗ bahnunfall bei Borki: Derselbe fand am Montag Mittag statt. Der Zug ging mit einer Schnelligkeit von 65 Werst pro Stunde und wurde von zwei Lokomotiven ge⸗ führt. Vier Kaiserliche Salonwagen, die bekanntlich sehr massiv sind, befanden sich im Zuge. Der Weg war ab⸗ schüssig. Unter diesen Umständen sei die Entgleisung er⸗ folgt. Die erste Lokomotive bohrte sich in den Bahndamm ein, die zweite wurde zertrümmert. Im nächstfolgenden Wagen saßen größtentheils Hofbedienstete, der nächste war der Küchenwagen; hierauf folgten der Wagen des Kaiser⸗ lichen Gefolges und der Speisewagen. Das Gefolge, darunter der Verkehrs⸗Minister Admiral Possiet, befanden sich im letzteren. Der Ober⸗Inspektor der Eisenbahnen, Baron Stjernval saß in einem vorderen Wagen, in deren einem Unglücksfälle vorgekommen sein sollen Es heißt, daß auch Baron Stjernval verwundet sei, während der Kriegs⸗ Minister Wannowski, der General⸗Adjutant Tscherewin und der Flügel⸗Adjutant Scheremetiev, die sich im Speisewagen befanden, nur leicht kontusionirt wurden. Der Kaiser und die Kaiserin verließen den Thatort nicht sogleich, sondern trösteten die Verunglückten und sorgten für dieselben. Gegen Abend begaben sich die Majestäten nach Losowoje zurück. Anläßlich der wunderbaren Rettung der Kaiserlichen Familie wird allenthalben feierlicher Dankgottesdienst abgehalten. Die Zeitungen tadeln die Eisenbahnverwaltung heftig, welche für die Sicherheit des Hofzuges besser hätte gesorgt haben müssen.

Italien. Rom, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Kommandant der Königlichen Nacht „Savoia“, Kapitän zur See Carlo Turi, erläßt, nachdem ihm von dem Marine⸗Minister die Ermächtigung dazu ertheilt worden, folgende Berichtigung: „Die von dem „BZerliner Tage⸗ blatt“ in der Morgenausgabe Nr. 535 veröffentlichte Nachricht, daß die Königliche Nacht „Savoia“ am 17. Oktober cr. bei Castellamare sich in Gefahr be⸗ funden habe, ist völlig unrichtig. Der Nacht „Savoia“, welche in dem Hafen von Castellamare an einer Boje vor Anker lag, wurde von dem Dampfboot „Volta“ nur der auf dem Hintertheil der Nacht befindliche Flaggenstock zerbrochen; es geschah dies am Vormittage um 10 Uhr, als das Dampf⸗ boot „Volta“ langsam manövrirend sich anschickte, vor Anker zu gehen. Während dieses Ereignisses befanden sich Ihre Majestäten der Kaiser Wilhelm und König Humbert sowie das Gefolge Allerhöchstderselben noch nicht an Bord der Nacht „Savoia.““

Griechenland. Athen, 30. Oktober. (W. T. B.) Der König empfing Mittags vor den anderen Spezialabge⸗ sandten den österreichischen Admiral von Sterneck in

feierlicher Audienz. Anwesend hierbet waren der Minister des Auswärtigen, Dragumis, der gesamnite Hofstaat, die Begleitung des Admirals von Sterneck und der Kommandant des „Greif“. Admiral von Sterneck brachte die Glückwünsche des Kaisers Franz Joseph dar, worauf der König für den außer⸗ ordentlichen Beweis der Sympathie wiederholt dankte und jedes Mitglied der Mission in wohlwollender Weise ansprach. Nachmittags nahm der König von den ständigen Vertretern der Mächte die Glückwünsche entgegen. Erzbischof Marango überreichte ein Schreiben des Papstes. Abends fand bei dem österreichischen Gesandten Freiherrn von Kosjek zu Ehren Sterneck's ein Galadiner statt. 8

31. Oktober. (W. T. B.), Der österreichische Admiral von Sterneck war gesterk allein vom König um Familiendiner geladen; die übrigen Spezialabge⸗ sowie die Mitglieder des diplomatischen Corps haben für heute eine Einladung zum Diner erhalten.

Serbien. Belgrad, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Minister⸗Präsident Christic richtete als Minister des Innern an sämmtliche Polizeiorgane des Landes ein Cirkular, in welchem er dieselben anorger, den Worten des Königs, durch welche die Wahlfreiheit Achtung zu verschaffen.

Amerika. Washington, 30. Oktober. (R. B.) Der diesseiiige Gesandte in London, Phelps, übermittelte dem Staatssekretär Bayard Depeschen, in welchen die Ansichten der englischen Regierung über den weschan sa Sackville auseinandergesetzt werden. Diese epeschen sollten dem heute stattfindenden Kabinetsrath unterbreitet werden. Im Auftrage des Präsidenten Cleveland theilte Bayard heute dem britischen Gesandten GQackville mit, daß aus der englischen Regierung bereits mitgetheilten Gründen Sackville's ferneres Verbleiben auf seinem bisherigen Posten für die Regierung der Vereinigten Staaten nicht mehr annehmbar und deshalb nachtheilig für die Beziehungen der beiden Länder sein würde.

garantirt werde,

Zeitungsstimmen.

1“ 8 116““

Die „Leipziger Zeitung“ schreibt:

Ein Deutsches Reich, welches die feste Grundlage seiner Einheit in der freiwilligen Mitwirkung aller Stämme und Oynastien finden sollte, war das hohe Ziel, welches dem ersten Deutschen Kaiser aus dem Hause der Hohenzollern und seinem großen Kanzler bei Begründung dieses Reichs vorschwebte. Und als einReich, wie es seine großen Baumeister sich dachten, fest gegründet auf die Treue und das Vertrauen seiner Fürsten und Völker, stark nach Außen und trotz manch häuslichen Zwistes in allen großen Fragen einig im Innern, ist es zu Fleisch und Blut geworden nicht blos im Denken und Sinnen der Nation, hat es sich bewährt auch in dem harten Kampfe um sein nationales Dasein, bewährt in den Stürmen, die der Reichstagswahl des ver⸗ flossenen Jahres vorausgingen, bewährt in diesem Reichstage selbst und bewährt in den schweren Schicksalsschlägen des Jahres, in dem wir noch stehen.

In necessariis unitas im Nothwendigen Einheit, in der Aus⸗ führung Treue und wechselseitiges Vertrauen so wurde dieses Reich gegründet, und unter demselben Zeichen steht unsere Staͤdt, wenn sie morgen ihren Ehrentag feiert. „Im Nothwendigen Einheit“ das gilt nächst dem deutschen Heere vor Allem vom deutschen Recht; das äußere Markzeichen dieser Einheit soll für alle Zeiten der oberste Gerichtshof bilden, dessen Grundstein wir morgen legen. Daß sich diese G in unserer Stadt und in unserem Staate vollzieht, daß Kaiser und König diesem Feste durch ihre Anwesenheit die Weihe geben und die erste Stadt des Reichs uns dazu neidlos ihre Glückwünsche sendet, das weist uns sinnbildlich auf jene beiden anderen Grundlagen unserer nationalen Einheit hin: das wechselseitige Vertrauen und die erprobte Treue, welche die deutschen Fürsten und Stämme untereinander verbindet. Den Schwur dieser alten Treue erneuern wir morgen und das soll der Willkommensgruß sein, mit dem wir unsere erlauchten Herrscher empfangen. Dem Kaiser Heil, Heil unserem König Albert!

Das „Berliner Fremdenblatt“ bemerkt:

Von einer gleich hohen politischen Bedeutung wie die Ein⸗ verleibung Hamburgs und Bremens in den Zollverein, ist die morgen in Leipzig stattfindende Grundsteinlegung zu dem neuen Reichsgerichts⸗ gebäude. Zu dem, was das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit aller Deutschen stets wachzuhalten und neu zu beleben geeignet ist, trägt neben den Maßnahmen zur Erleichterung des wirthschaftlichen Verkehrs Nichts in dem Grade bei, als die Einheit des Rechts und der Gerichtsorzanisation. In der Rechtseinheit ge⸗ langt die Gemeinsamkeit des sittlichen Empfindens und geistigen Strebens der Nation, ihres Ringens nach sittlicher Vervollkommnung durch die wachsende Erkenntniß der höchsten Rechtsidee zu ihrem schärfsten Ausdruck; in der einheitlichen Gerichtsorganisation liegen die Vorbedingungen für die praktische Pflege des Rechts nach den⸗ selben Normen des Verfabrens, nach den gleichen Grundsätzen abso⸗ luter Unparteilichkeit und nach höchster juristischer Einsicht, also die Grundlagen für die unablässige Uebung der Gerechtigkeit, d. h. für die Erfüllung des vornehmsten Zwecks des Rechts. Die hohe Bedeutung einer möglichst vervollkommneten Ausbildung gemeinsamer Rechts⸗ institutionen für das ganze wirthschaftliche Leben der Nation und auch im Einzelnen für die vitalsten Interessen jedes Reichsangehörigen giebt sich damit überzeugend zu erkennen; die Aussicht, überall im Reich nach gleichem Recht bemessen, überall einer gleich gewissenhaften und gleich einsichtigen Rechtsprechung theilhaftig zu werden, ist nicht nur geeignet, die Wechselbeziehungen der Angehörigen der verschiedenen Bundesstaaten zu vermehren, sondern auch dem ganzen Handel und Wandel die solideste Basis zu geben und das Vertrauen zu dem Reich und das vollste Interesse an seiner Erhaltung allseitig aufs Höchste zu fördern. Materielle Rücsichten vereinigen sich hier mit idealen Bestrebungen, um die deutschen Stämme mit einem Bande zu um⸗ geben, dessen einigende Kraft der aller praktischen Maßnahmen zur Förderung des wirthschaftlichen Verkehrs keineswegs nachsteht.

Der Partikularismus steifte sich denn auch mit ganzer Macht gegen die Einführung der Rechtseinheit, und es lag, als sie dennoch im Prinzip beschlossen war, lange noch die Gefahr nahe, daß ihre praktische Bethätigung durch die Mißgunst und die Sondermaßnahmen einzelner Bundesstaaten, speziell Bayerns und Sachsens, zu Zuständen führen könnte, wie sie in den letzten Stadien der Reichskammer⸗ gerichtsherrlichkeit Platz gegriffen hatten. Diese Befürchtungen sind aber durch die Entwickelung der Verhältnisse, an der der neu begründete oberste Reichsgerichtshof selbst den hervorragendsten Antheil hat, zu Schanden gemacht worden. Wir erfreuen uns zunächst nur der einheitlichen Gerichtsorganisation, des einheitlichen Strafrechts und des gemeinsamen Prozeßverfahrens, aber die darauf bezüglichen Justizgesetze bestehen noch nicht ein Jahrzehnt, und sie sin dem Deutschen bereits unentbehrlich geworden. Die Rechtsprechung der Gerichtshöfe steht vollständig an der Höhe ihrer Aufgabe und besonders die des obersten Reichsgerichts nimmt im Volke eine unbestrittene, täglich steigende Autorität ein. Der Rechts⸗ partikularismus ist für den Geltungsbezirk des Reichsgerichts a Deutschland für immer ein überwundener Standpunkt, und e kann nur noch eine Frage der Zeit sein, uch Bayern

st

daß a sich seiner juristischen Sonderstellung entkleidet. Hiefer Zeitvuntt wird um so schneller eintreten, wenn wir uns erst einhei licher Rechtssatzungen in dem allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuch erfreuen; dann wird der zusammenfassende, das Bewußtsein

untrennbarer nationaler Zusammengehörigkeit stärkende Einfluß der deutschen Rechtseinheit noch gewaltiger werden und aus ihr stets ein Quell frischen deutschen Lebens hervorsprudeln. Indem das Reich morgen den Grundstein zu einem imposanten Heim für das oberste Reichsgericht legt, bekundet es den Sieg des Reichsgedankens auch auf dem Gebiet der Rechtspflege über partikulare Engherzigkeit, ein köst⸗ liches Ergebniß des mannhaften Ringens deutscher Männer, ein hoffnungerweckendes Wahrzeichen für die Zukunft.

Die „Industrie“ schreibt: 1

Naturgemäß ist gegenwärtig die Aufmerksamkeit aller Schichten der Bevölkerung der Hansastädte nach nunmehr vollzogenem Zoll⸗ anschluß dieser gewaltigen Umwälzung auf wirthschaftlichem Gebiet zugewandt. Berühren doch die großartigen Veränderungen, welche die Handelswirthschaft zu erwarten hat, nicht nur das Interesse des gesammten Handelsstandes aufs Einschneidendste, sondern überhaupt das Wohl und Wehe der ganzen Bevölkerung von Hamburg⸗Altona. Die Erwerbsverhältnisse Aller müssen mehr oder weniger davon betroffen werden, ohne daß sich die eigentlichen Folgen schon heute ganz klar voraussehen lassen; dazu wirken zu viele Umstände zusammen, die wechselseitig wieder von einander abhängig sind.

Wo ehedem Tausende von Masten ihre bunt bewimpelten Spitzen gen Himmel streckten, ein geschäftig bewegtes Leben auf Fluß und Straße sich vollzog, da ist es fortab öde und still, und wo bislang eine unbelebte Sand⸗ oder Wiesenfläche sich dehnte, da bespülen die Fluthen der Elbe in neu errichteten Häfen und Kanälen Quais, Packhäuser und Geschäftsräume und wogt geschäftiges Drängen und Treiben. Verkehr und Grundwerth sind völlig verschoben worden. Jene großartigen Hafen⸗, Dock⸗ und Speicher⸗Bauten, welche dem Welthandel Hamburgs in Zukunft seine Heimstätte gewähren sollen, sind nahezu vollendet, und man ist jedenfalls eines Sinnes darüber, daß der Handel über Einrichtungen von solcher Vollkommenheit zu verfügen haben wird, wie man sie bisher noch nicht gekannt hat. Hamburg kann sich vielmehr heute rühmen, einen Hafen zu besitzen, welcher es mit den ersten der Welt aufnimmt in der Größe aller seiner Einrichtungen, in der zweckdienlichen Anordnung aller Anlagen, in jenen technischen Veranstaltungen, welche dem Handel und der Schiffahrt Zeit und Geld ersparen. Allerdings, es war auch hohe Zen⸗ es Antwerpen gleich zu thun, welches seinen Hafen in den letzten Fahren einer so großartigen Umgestaltung unterzogen hatte, und diese günstige Wirkung des Zollanschlusses auf eine schnelle und zeitgemäße Umgestaltung aller Hafenanlagen kann daher nicht hoch genug an⸗ geschlagen werden. 1

Der Freihafen gewährleistet Hamburg andererseits die Fortdauer aller überseeischen Geschäftsbeziehungen und die ungehinderte Be⸗ wegung für den Handelsverkehr und die Schiffahrt. Was aber sonst die Verbindungen mit dem deutschen Binnenlande betrifft, so werden diese durch den Zollanschluß an Bedeutung unzweifelhaft noch wesentlich zunehmen. Der Nutzen des durch keine Zollschranken ge⸗ hinderten oder erschwerten Verkehrs mit dem übrigen Deutschland wird ohne Zweifel die Zahl und den Umfang der Hamburger Geschäftsverbindungen mit demselben steigern, schon durch die Noth⸗ wendigkeit, sehr viele bisher vom Ausland bezogene Waaren in Zukunft dem Inland zu entnehmen. Daß der Hamburger Klein⸗ handel durch den Zollanschluß vorqussichtlich ungemein gewinnen muß, haben wir erst kürzlich in einem diesbezüglichen Aufsatz des Näheren erörtert. Ebenso dürfte es auch dem Hamburger Gewerbe ergehen, worüber man in Interessentenkreisen niemals im Zweifel war, denn gerade in Handwerkerkreisen fand der Gedanke des Zoll⸗ anschlusses zuerst günstigen Boden, da durch denselben ein neues und großes Absatzgebiet erschlossen wird. Fast ein Gleiches läßt sich von den Hamburger Großgewerben erwarten, theilweise sind den bereits be⸗ standenen in ihren Betrieben auch nach dem Zollanschluß wesentliche Vergünstigungen zugebilligt worden und andererseits ist erst in Folge der neuen Verhältnisse auch in Hamburg der Boden für eine be⸗ deutendere Großindustrie geebnet worden.

Im Uebrigen darf man es als ein gütiges Geschick ansehen, daß der Zollanschluß der Hansastädte zu einer Zeit vor sich geht, die, nach allen äußeren Anzeichen zu schließen, für den Welthandel einen er⸗ neuten Aufschwung nach so manchen Jahren sichtlichen Stillstandes bringen zu wollen scheint. Nur mit um so größerem Vertrauen kann daher Hamburg heute in die Zukunft blicken; hat es auch noch nie⸗ mals gleich große und tief einschneidende wirthschaftliche Umwälzungen in seiner gewaltigen Handelsstellung erfahren, so zeigt doch andern⸗ theils sein großartiger Entwickelungsgang, daß es seither noch stets, und selbst unter den schwierigsten Verhältnissen verstanden hat, seinen Handel zu immer größerer Blüthe und Gedeihen zu bringen.

Die „Deutsche volkswirthschaftliche Cor⸗ respondenz“ bemerkt über „Deutschlands Handel sonst und jetzt“:

Alle Erörterungen über die Mittel, durch welche die Theilnahme Deutschlands am Weltverkehr weiter ausgedehnt und nutzbringender gemacht werden könnte, kommen zunächst immer mit zwingender Noth⸗ wendigkeit auf die Stellung unserer großen Hafenplätze an der Nordsee, Hamburgs und Bremens, zurück. Diese Städte waren bisher und sind heute noch die Brücken, über welche Deutschland mit den überseeischen Ländern, von denen ein großer Theil ja noch un⸗ ermeßliche Schätze besitzt, in Verbindung steht; aber auch in Zukunft wird dies so bleiben, ja der Zollanschluß beider großen Handelshäfen wird dieselben erst recht geeignet machen, die Theilnahme der deutschen Industrie am Weltverkehr zu vermitteln.

„Diee frühere handelspolitische Abgeschlossenheit Deutschlands hatte eine einseitige Entwickelung der beiden großen Hansestädte erheblich begünstigt, indem sie nicht sowohl die Brücke für die deutsche Pro⸗ duktion, als vielmehr das Einfallsthor der ausländischen Interessen bildeten. Sie selbst trifft indeß dafür weniger die Schuld; waren sie doch lange Zeit hindurch die einzigen, welche den deutschen Namen in den entfernten Welttheilen vertreten haben. Die Einseitigkeit ihrer Stellung ist nämlich keineswegs der großen Mehrheit ihrer eigenen An⸗ gehörigen, geschweige denn dem gesammten Deutschland zu Gute gekommen, sondern vielmehr jenem kleinen Theile von Kaufleuten allein, welche das Geschäft zwischen Deutschland und dem Auslande in den Händen hatten. Nach Lage der Verhältnisse konnte dieses Geschäft, so be⸗ deutend und großartig es auch war, doch nicht über gewisse Grenzen hinauskommen, und so geschah es, daß dieses Geschäft Jahrzehnte hindurch fast das unbestrittene Eigenthum eines an Kapital, Ver⸗ bindungen und Intelligenz allerdings ausgezeichneten Kreises von Pa⸗ trizierfamilien war. Gerade die Art und Weise dieser Solidität, welche in den Verhältnissen dieser Kreise herrschte, trug dazu bei, die Fortdauer einer solchen geschäftlichen Hegemonie selbst für Hamburg und Bremen unerwünscht zu machen.

Die Firmen in Hamburg und Bremen sowie deren Filialen im Auslande vererbten sich gewissermaßen nach dynastischen Prinzipien; Kapital und geschäftliche Verbindungen gingen vom Vater auf den Sohn, vom Onkel auf den Neffen über, und nur da, wo einmal eine Lücke in der verwandtschaftlichen Succession entstand, war es einem erprobten und beliebten Angestellten der Firma möglich, in der Leitung derselben eine unabhängige und maßgebende Stellung zu erringen. Grundsätzlich läßt sich gegen die Vortrefflichkeit dieser Ordnung der Dinge ja nichts einwenden, ohne Zweifel trug sie gewaltig dazu bei, die weltbekannte Solidität der Hamburger wie Bremer Geschäftswelt zu erhalten und zu befestigen, und wäre der Spielraum für die Ini⸗ tiative der Anderen, welche außerhalb jener Patrizierkreise standen, nicht gar zu beschränkt gewesen, so dürfte an den erwähnten Einrich⸗ tungen und Gewohnheiten auch heute nicht das Geringste aus⸗ zusetzen sein. 1 „Alllein gerade derselbe Reichthum und dieselbe Vorsicht, welche jenem System einerseits zum Lobe gereichen, schufen andererseits den Nachtheil desselben. Der reiche und vorsichtige Patrizier ließ sich nie auf Unternehmungen ein, deren Ausgang ihm nicht als zweifellos gesichert und nicht als sehr vortheilhaft erschien. War der Gewinn nicht sogleich in den ersten Jahren sehr groß, so verzichtete er gern darguf, sein ohnehin schon sehr ausgedehntes Geschäft noch zu ver⸗ größern. Der Unternehmungsgeist aber wurde auf diese Weise leider

nur in beschränktem Maße gefördert. Auf der anderen Seite besaßen jene Kreise aber eine so große Einsicht, eine so weitreichende Kontrole in der Geschäftswelt, daß es ihnen ein Leichtes war, jede in Ham⸗ burg bezw. Bremen sich regende Konkurrenz, welche mit ihnen selbst 89 in engster Fühlung stand, zu bekämpfen und nicht aufkommen u lassen.

Heute, nachdem der deutsche Handel sich in der erfreulichsten Weise über seinen ehemaligen engen Rahmen weit ausgedehnt hat, auch die beiden großen deutschen Hansestädte nicht mehr isolirt, son⸗ dern mit dem deutschen Vaterlande endlich eng verbunden sind, ist es dringend zu wünschen, daß sich das Kapital und der Unternehmungs⸗ geist, welche bis jetzt im deutschen Binnenlande wirkten, in Zukunft mehr, als es ehemals geschehen, nach Hamburg und Bremen wenden, wo es zuverlässige und kompetente Kräfte genug giebt, um sich an die Spitze neuer Unternehmungen zu stellen, ohns deshalb die Ueberlegen⸗ beit der alten scheuen zu müssen. Daß es zur Bethätigung kaufmän⸗ nischen Unternehmungsgeistes aber Raum und Gelegenheit noch genug giebt, darüber finden wir in den Berichten der Hamburger wie Bremer Handelskammer fortgesetzt Beweise genug.

Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 46. Inhalt: Verfügungen: Vom 24. Oktober 1888:; Fahrplan der Reichs⸗ Postdampfer; Einrichtung einer Post⸗Agentur in Viktoria (Kamerun).

Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts. Nr. 44. Inhalt: Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Cholera in Ostindien. Pocken und Typhus in Port⸗Bou. Zeitweilige Maßregeln ꝛc. Sterbefälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Thierseuchen in Ungarn, April bis Juli 1888. Desgl. in Oesterreich, Juli und August 1888. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. Medizinal⸗Gesetzgebung ꝛc. (Deutsches Reich.) An⸗ leitung zur Gesundheitspflege an Bord von Kauffahrteischiffen. Thierseuchenstatistik. (Preußen.) Geschäftsanweisung für die Wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen. (Sachsen.) Hypnotische Vorstellungen. (Württemberg.) Maßregeln beim Aus⸗ bruch der Menschenpocken. (Hessen.) Ausschlagskrankheit im Zusammenhang mit der Schutzpockenimpfung. (Mecklenburg⸗ Strelitz.) Desgl. (Anhalt.) Viehtransport auf Eisenbahnen. (Elsaß⸗Lothringen.) Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Vieh⸗ beförderungen auf Eisenbahnen. Rechtsprechung. (Reichsgericht.) Wissentliches Inverkehrbringen eines gesundheitsschädlichen Nahrungs⸗ mittels. Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Karbonnatronöfen. (Spanien.) Bekämpfung der Diphtherie.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Herausgegeben von dem Königlichen Stati⸗ stischen Landesamt. Jahrgang 1887. II. Hälfte: Württem⸗ bergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. In Verbindung mit dem Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, dem Württembergischen Alterthums⸗Verein in Stutt⸗ gart, dem Historischen Verein für das Württembergische Franken und dem Sülchgauer Alterthumsverein herausgegeben von dem Königlichen Statistischen Landesamt. Jahrgang X. 1887. Der neue Jahrgang der „Württembergischen Vierteljahrshefte“ steht an Reichhaltigkeit, Werth und Interesse der darin gebotenen Bei⸗ träge zur Landesgeschichte hinter den früheren nicht zurück. Er bringt zunächst eine Nachlese zu den Uhland⸗Biographien, zu welcher der hundertjährige Gedenktag der Geburt des Dichters den Anlaß ge⸗ geben, und eine umfängliche Uebersicht der schwäbischen Geschichts⸗ forscher und Geschichtsschreiber (verfaßt von Dr. Karl Klüpfel in Tübingen). Auch die jährlich vom Statistischen Landesamt auf⸗ gestellte Liste der württembergischen Geschichtsliteratur (vom Jahre 1886) fehlt nicht. Die an der Publikation der Vierteljahrshefte mit⸗ wirkenden Geschichtsvereine haben sich mit mannigfachen Ab⸗ handlungen, Mittheilungen, Urkunden⸗Veröffentlichungen ꝛc. be⸗ theiligt, wie die, nachstehende Uebersicht darthut. Von dem Württembergischen Alterthums⸗Verein in Stuttgart wurden bei⸗ gesteuert: Aufsätze über alte kirchliche und weltliche Gebräuche in Ellwangen, aus dem Wortschatz der Ellwanger Mundart, über Hechinger Latein, die Zerstörung von Enzberg im Jahre 1384, über die Burgkapellen auf Achalm und Sperberseck, über die Heerstraße der Peutinger'schen Tafel, von Vindonissa bis Abusina, über ein Stammbuch Herzog Friedrich's I. von Württemberg. Ein „Albrecht Dürer in Württemberg“ betitelter Beitrag untersucht an der Hand eines Skizzen⸗Buchs des Meisters (aus dem ein Blatt in Faesimile⸗ Druck beigegeben ist) den Weg, den Dürer auf seiner Reise nach dem Elsaß und der Schweiz (im Jahre 1515) durch Württemberg ein⸗ geschlagen hat. Endlich finden wir weitere Mittheilungen über die Skulpturen des Stuttgarter Lusthauses auf dem Schlosse Lichtenstein. Dem Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben verdankt der Band u. a. Beiträge über das Wappen der Grafen von Marstetten, über die Familie der Besserer in Ulm, den Mengener Danuvius⸗Altar, die Christianisirung des südlichen Oberschwaben, die Privilegien der Stadt JIsny und die Ortsnamen der Peutinger'schen Tafel. Aus dem Historischen Verein für das Württembergische Franken sind für den Band Mittheilungen über die Ausgrabung des Römerkastells in Murrhardt (mit Abbildungen) eingegangen, während die Beiträge zur älteren Topographie Württembergs (beson⸗ ders im Codex Laureshamensis) vom Pfarrer Gustav Bossert in Bächlingen, fortgesetzt werden. Derselbe giebt auch eine Geschichte des Klosters Bruderhartmannszell bei Rothenburg. Professor Dr. Ludwig in Hall beschreibt eine Reise auf der Teufelsmauer und Pfarrer Gußmann in Gutenberg erstattet Bericht über die Jagsthäuser Ausgrabungen im Herbst 1886, welche das Kastell, den Garnisonsbau und die Civil⸗ Niederlassung bloslegten. Der aufgefundene Fortuna⸗Altar sowie mehrere Inschriftenreste sind dazu abgebildet. Vom Sülchgauer Alterthumsverein wurden zunächst mehrere Arbeiten von E. von Kallee, General⸗Major a. D. in Stuttgart, geliefert. Dieselben betreffen die Bedeutung der römischen Niederlassungen auf dem kleinen Heu⸗ berg, die römische Heerstraße von Rottenburg über den Bromberg nach Kannstatt und die römische Niederlassung bei Wachendorf (mit Abbildungen und Karten). Daran reihen sich sodann kleine Bei⸗ träge zur Geschichte der Hohenberg im 16. Jahrhundert ꝛc. Ferner wird die Herren⸗Stuben⸗Ordnung von Rottenburg a. N. aus dem Jahre 1535 nach dem Wortlaut der Urkunde mitgetheilt. Am Ende des Bandes erscheint ferner, in Ausführung eines be⸗ züglichen, von dem Redaktions⸗Ausschuß der „Württembergischen Vierteljahrshefte für Landesgeschichte“ gefaßten Beschlusses als Nr. 1 der „Württembergischen Geschichtsquellen“ der bekannte, aber bis jetzt als Theil der Bibliothek des Literarischen Vereins (ohne Register) wenig verbreitete Hirsauer Codex. Die Publikation hat der Archiv⸗Sekretär Dr. Schneider besorgt und ein umfangreiches Register der Ortschaften und Personen hinzugefügt. Wie die Redak⸗ tion anzeigt, ist Einleitung getroffen, daß alljährlich eine oder meh⸗ rere Quellenschriften des Mittelalters, unter thunlichster Berück⸗ sichtigung der verschiedenen Landesgegenden zur Ausgabe gelangen können. Der Codex Hirsaugiensis wird im Königlichen Staatsarchiv zu Stuttgart aufbewahrt, besteht aus 70 Pergamentblättern und ist im Anfang des 16. Jahrhunderts niedergeschrieben. Er enthält die Geschichte des Klosters Hirsau nebst Chronik der Aebte und Verzeich⸗ nissen dieser, dann der Altäre des Klosters nebst ihren Reliquien, sowie der Schenkungen und Erwerbungen.

„— Die am 3. November erscheinende Nr. 2366 der „Illustrirten Zeitung“ enthält folgende Abbildungen: Kaiser Wilhelms II. in Rom. 2 Abbildungen. Kaiser Wilhelm II. in Neapel. 2 Ab⸗ bildungen. Königin Margherita von Italien. Das italienisch Panzerschiff „Umberto“ auf dem Staäpel zu Castellamare.

Gewerbe und Handel.

Die gestrige ordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Berliner Elektrizitäts⸗Werke genehmigte den von der Verwaltung vorgelegten Geschäftsbericht, ebenso die Bilanz mit dem Gewinn⸗ und Verlust⸗Conto für den Zeitraum vom 1. Januar 1887 bis 30. Juni 1888, setzte nach dem Vorschlage der Verwaltung die an die Aktionäre zu vertheilende Dividende auf 7 ½ % pro rata tem- poris = 5 % per annum fest und ertheilte dem Aufsichtsrath und dem Vorstand die Entlastung für die abgelaufene, 18 Monate um⸗ fassende Geschäftsperiode. Alsbdann wurde nach dem Antrage der Verwaltung beschlossen. den Vorstand und Aufsichtsrath zur Erhöhung des Aktienkapitals um 3 Millionen Mark durch Ausgabe von 3000 Stück neuer Aktien zu je 1000 zu ermächtigen und gleichzeitig den Beschluß der Generalversammlung vom 15. Januar d. J., das Aktienkapital von 3 auf 6 ½ Millionen Mark zu erhöhen, wieder aufzuheben. Die Verwaltung wird ferner ermächtigt, die Mo⸗ dalitäten der beschlossenen Neuausgabe der Aktien, namentlich den Cours, zu welchem dieselben ausgegeben, und den Zeitpunkt, von wann ab die neuen Aktien dividendenberechtigt werden, selbständig zu be⸗ stimmen.

Die soeben ausgegebene 11. Lieferung 26. Jahrgangs 1888 der „Gewerbehalle“ (Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunstindustrie, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner redigirt von Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle, Architekten in Stuttgart; Verlag von J. Engelhorn daselbst) bringt die sorgfältig gezeichnete Aufnahme eines prächtigen alten Werkes deutscher Renaissance. Es ist das schönste und interessanteste aus einer Reihe von Grabmälern in der Stadtkirche zu Oehringen in Württemberg, das des Grafen Georg Friedrich I. von Hohenlohe⸗Waldenburg und seiner Gemahlin Dorothea Reuß von Plauen. Das (von dem Regierungs⸗Baumeister Fr. Gebhardt in Ellwangen aufgenommene) Denkmal ist in Alabaster ausgeführt und in klassischer Weise polychromirt. Der ganze Aufbau zeigt in den Ver⸗ hältnissen eine schöne Harmonie und in der reichen, zierlichen Orna⸗ mentik ein edles Formgefühl. Der Styl ist mit großer Sicherheit und in der reizvollsten Weise behandelt; neben frei in seinem Rahmen benutzten und weitergebildeten Motiven zeigen sich auch originelle neue Einfälle. Alle ornamentalen und figürlichen Einzelheiten sind mit größter Feinheit und technisch vollendet ausgeführt. Der Meister des Werkes ist unbekannt, doch wird sich ein Monogramm mit der Jahreszahl 1604 und den Buchstaben M. S. auf ihn beziehen lassen. An trefflichen Arbeiten des älteren Kunstgewerbes bietet die neue Lieferung ferner eine vplämische, in Kupfer getriebene Kanne von graziöser Form, auf drei Füßen ruhend, aus Gent (Privatbesitz; auf⸗ genommen vom Professor F. Ewerbeck in Aachen), dann eine geschnitzte Holzdecke aus einem Wohnhause in Halle a. d. S. vom Ende des 16. Jahrhunderts (aufgenommen vom Architekten Hugo Steffen daselbst), und endlich ein schönes altes Stoffmuster aus dem bayerischen National⸗Museum in München, aufgenommen von Anton Lehmann daselbst (in Farbendruck reproduzirt). Die moderne deutsche Kunstindustrie ist repräsentirt durch einen alterthümlich stylisirten Schrank, entworfen vom Professor L. Theyer in Graz, und einen Bücherschrank, verbunden mit Schreibtisch, ent⸗ worfen von dem Architekten Fr. Chr. Nillius in Mainz, ausgeführt in der Hofmöbelfabrik von F. C. Nillius u. Co. daselbst. Das Pariser Kunstgewerbe vertritt eine Tafel, darstellend einen schwung⸗ vollen schmiedeeisernen Träger von Baudri (aus dem K. K. öster⸗ reichischen Museum in Wien), aufgenommen von Joh. Beer daselbst.

Der Verein zur Wahrung der wirthschaftlichen Interessen von Handel und Gewerbe versendet ein Gut⸗ achten über die Frage, ob Lieferungsgeschäfte über im Inlande

von einem der Kontrahenten erzeugte oder hergestellte Mengen von

Sachen oder Waaren dem preußischen Landesstempel unterworfen sind. Das Gutachten ist auf Veranlassung des Vereins durch den Justiz⸗ Rath von Simson erstattet.

Der Vorstand des Ausstellungs⸗Comités für die Gewerbe⸗ und Industrie⸗Ausstellung zu Hamburg 1889 macht Folgendes bekannt: b

Die zahlreichen und umfangreichen Anmeldungen, welche in den

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letzten Tagen eingelaufen sind, machen es dem Comité zur Pflicht, die

Gesuche um Verlängerung der Anmeldefrist im Allgemeinen ab⸗ zulehnen und folgende heute beschlossene Bekanntmachung zu erlassen: Bekanntmachung.

1) Für Anmeldungen von Gegenständen für das Hauptausstellungs⸗ gebäude bleibt der Satz 14 der besonderen Bestimmungen vom 23. Juni 1888 in Kraft.

Hiernach können Anmeldungen, welche nach dem 1. November 1888 eingehen, auf Berücksichtigung nicht rechnen. Falls ihre Zu⸗ lassung noch möglich, haben die Aussteller außer der Platzmiethe einen Beitrag in gleicher Höhe wie diese Platzmiethe zu entrichten, ohne für diese Zuzahlung an der Vertheilung eines etwaigen Ueberschusses des Unternehmens betheiligt zu werden.

2) Ausgenommen von der vorstehenden Bestimmung sind

a. die Einzelmeldungen solcher Kollektiv⸗Ausstellungen, welche von den betreffenden Innungs⸗Vorständen oder Lokal⸗Comités bereits

angemeldet sind oder bis zum 1. November noch angemeldet werden,

b. die Anmeldung für die Kollektiv⸗Ausstellung weiblicher Hand⸗ arbeiten und kunstgewerblicher Arbeiten von Frauen, soweit die B treffenden ihre Absicht, diesen Kollektiv⸗Ausstellungen beizutreten, bis zum 1. November brieflich erklärt haben werden.

Für die Nachlieferung der förmlichen Einzelmeldungen für die unter a und b erwähnten Aussteller wird noch eine Frist von 14 Tagen gewährt.

.3) Anmeldungen für die Maschinenhalle und die Ausstellung im Freien werden nach dem 1. November nur unter dem Vorbehalt registrirt, daß noch genügender Platz vorhanden sei. Die nach dem 1. November sich meldenden Aussteller werden also nöthigenfalls eine Verminderung des gewünschten Raumes oder eine völlige Abweisung sich gefallen lassen müssen.

Falls diese Anmelder noch zugelassen werden, soll von einer Ver⸗ doppelung der Platzmiethe (§. 14 der Besonderen Bestimmungen) ab⸗ gesehen werden.

Nach dem 30. November tritt für die Maschinenhalle und die Ausstellungen im Freien der §. 14 der Besonderen Bestimmungen wieder in Kraft. Jedoch behält sich das Comits vor, die Annahme auch vor diesem Tage für alle oder einzelne Gruppen von Ausstellungs⸗ gegenständen zu schließen, falls der jetzt noch verfügbare Raum früher belegt werden sollte.

. 4) Vorstehende Bestimmungen finden für die Anmeldungen zur Kunstausstellung und zur Fischereiausstellung keine Anwendung. Hamburg den 26. Oktober 1888. 8 Der Vorstand des Ausstellungs⸗Comités: Albertus von Ohlendorff, Justus Brinckmann, Dr., erster Vorsitzender. zweiter Vorsitzender.

„— Die Nr. 44 40. Jahrgangs des „Gewerbeblattes aus Württemberg“, herausgegeben von der Kgl. Centralstelle für Gewerbe und Handel, hat folgenden Inhalt: Offenhaltung der Bibliothek der Königl. Centralstelle für Gewerbe und Handel an Winterabenden. Kraft⸗ und Arbeitsmaschinen⸗Ausstellung für das Deutsche Reich in München 1888. Die Fachschulen der Schuhmachermeister⸗Innung München. Verschiedene Mittheilungen. Preisausschreiben. Neues im Lesezimmer. Literarische Erscheinungen. Neues im Landes⸗Ge⸗ werbemuseum. Reichs⸗Patente von Erfindern aus Württemberg. (Patent⸗Anmeldungen).

Der Handel des vereinigten Königreichs Groß⸗ britannien zund Irland mit dem Auslande 88 Sr9. 1887 ergab. wie das „Chamber of Commerce Journal“ den defini⸗ tiven Ausweisen entnimmt, folgende Ziffern Einfuhr 362 227 564 Pfd. Sterl., Ausfuhr 221 414 186 Pfd. Sterl.; dazu die übrige (fremde und koloniale) Ausfuhr 59 348 975 Pfd. Sterl., ergiebt als Gesammtwerth der vorjährigen britischen Handelsbewegung 642 990 725 Pfd. Sterl. Die Handelsbewegung des ganzen letzten Dezenniums illustrirt nachstehende, von dem genannten Journal mitgetheilte Tabelle: