1888 / 282 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Dec 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Als die Schaaren der Aufständischen gegen Lindi heranzogen, rückten

ihnen die in der Stadt befindlichen arabischen Soldaten entgegen, an⸗

geblich um sie zurückzuschlagen, in Wirklichkeit wurde nur zum Schein viel Pulver verschossen und beide Parteien machten gemeinschaftliche

Sache. Die Sultanstruppen kehrten darauf in die Stadt zurück mit

der Nachricht, sie könnten gegen die Uebermacht des Feindes nichts

ausrichten; sie hielten den Bezirks⸗Chef unter strenger Ueberwachung, um nicht zu sagen Gefangenschaft, und Letzterer konnte aus ihren Gesprächen entnehmen, daß sie ihn in Ketten den herannahenden Aufständischen auszuliefern beabsichtigten. Durch die Unterstützung eines wohlgesinnten Arabers, der mit zwei⸗ hundert bewaffneten Sklaven aus der Umgegend von Lindi zu ihm eilte, aber ihn gegen die Schaaren der Eindringlinge nicht zu halten vermochte, gelang es dem Bezirks⸗Chef, Herrn von Eberstein, mit seinem Gernossen in einem offenen Ruderboot zu entfliehen und in die See zu stechen. Vor der Abfahrt übertrug Herr von Eberstein jenem Araber in aller Form die Verwaltung des Ortes und ernannte ihn

u seinem Vertreter. Die Flüchtlinge retteten eine

vorübersegelnde Dhau und gelangten unter mancherlei Fährlichkeiten

endlich nach Kilwa an Bord von S. M. Kr. „Möwe“. Die „Möwe“

hatte, wie berichtet worden, auf diesseitige Requisition vom 20. v. M.

von dem Herrn Admiral den Befehl erhalten, nach Kilwa zu gehen,

und war dort am 22. eingetroffen. Durch seine Instruktion war dem Kommandanten, Kapitän⸗Lieutenant Ferber, untersagt, aufs Ge⸗ rathewohl Boote an das Land zu schicken, damit nicht etwa eine

Wiederholung der in Tanga vorgefallenen Ereignisse provozirt

würde. Bei dem Einlaufen in den Hafen war die Stadt

voll von bewaffneten Eingeborenen, der Strand war dicht kesetzt und es wurde in dem Orte selbst viel geschossen. Da das Stationshaus der Ostafrikanischen Gesellschaft nicht am Ufer, sondern mitten unter den übrigen Häusern gelegen war, so konnte es vom

Hafen nicht beobachtet werden; es war nur zu erkennen, daß die Ge⸗ sellschaftsflagge noch wehte. Der Kommandant wartete also ab, bis die Angestellten der Gesellschaft in irgend einer Weise mit ihm in Verbindung treten würden. Schon vor Eintreffen der „Möwe“ waren die Landbewohner von weither herbei⸗ geströmt und ihre Anzahl wurde von dem Kapitän des englischen Kriegsschiffes „Pinguin“ auf 15 000 Mann ge⸗ schätzt. Sie hatten vor Beginn der Feindseligkeiten den deutschen Angestellten eine von 48 Stunden zum Verlassen der Stadt gesetzt, allein der Bezirks⸗Chef hatte aus Pflichtgefühl von vornherein das Verlassen der Station verweigert. Wie es heißt, sind darauf die Führer der Rebellen in eine Moschee gegangen und haben den Christen den Tod geschworen. Am Freitag, den 21. v. M., kam es zu einer Streitigkeit ;wischen dem Bezirks ⸗Chef und mehreren Arabern, worauf die Feindseligkeiten begannen und die Deutschen sich in ihr Haus zurückzogen. Dort wurden sie die nächsten Tage hindurch belagert und beschossen und haben vermuthlich keine Möglichkeit gefunden, mit der am 22. einge⸗ laufenen „Möwe“ zu kommuniziren. Am Montag, den 24., wurde der Bezirks⸗Chef Krieger tödtlich getroffen, die Angreifer, welche in den letzten Tagen etwa 20 Mann verloren hatten, drangen in das Haus ein, und der zweite Angestellte der Gesellschasft, Herr Hessel, nahm sich durch eine Kugel selbst das Leben, als ihm jede Aussicht auf Rettung abgeschnitten war.

Als der Abgesandte des Sultans Nasr ben Soliman in Kilwa erschien und an Land gehen wollte, wurde er mit Schüssen empfangen, und er kehrte nach zweistündigem Aufenthalt wieder an Bord des Dampfers zurück, weil er bei der in der Stadt herrschenden Aufregung Nichts hatte ausrichten können. Auf seine Ermahnungen und im Namen des Sultans abgegebenen Erklärungen war ihm erwidert worden, Seyyid Khalifa habe in Kilwa Nichts mehr zu sagen, er habe das seinem Vater durch freiwillige Abtretung überlassene Land den Deutschen verkauft und werde deswegen nicht mehr als Herrscher anerkannt. Die Häͤuptlinge der ein⸗ geborenen Stämme des Hinterlandes, denen vordem die Küste ge⸗ hört habe, wollten ihren früheren Besitz wieder an sich nehmen und keinen Europäer dort dulden.

Es wiederholte sich hier dasselbe, was schon in Pangani vor⸗ gekommen war, daß nämlich die von arabischer Seite angezettelte Be⸗ wegung bald ihren Urhebern über den Kopf wuchs und einen zugleich gegen die Herrschaft der Zanzibar⸗Araber gerichteten Charakter

annahm. Michahelles.

In „W. T. B.“ sind bisher folgende Meldungen über Ergebnisse der heutigen Landtagswahlen ein⸗

die gegangen:

Reg.⸗Bez. G umbinnen. 3. Wabhlbezirk: Gumbinnen⸗Insterburg. Gew. Landrath Burchard

(kons.). 5. Wahlbezirk: Angerburg⸗Lötzen. Gew. Landrath Frhr. von Lyncker zzu Lötzen (deutsch⸗kons.). Reg.⸗Bez. Marienwerder. . Wahlbezirk: Löbau. Gew. von Czarlinski (Pole).

Reg.⸗Bez. Potsdam. 1

5. Wahlbezirk: Potsdam. Gew. Landrath Dr. Kelch (frkons.).

8. üterbog⸗Luckenwalde. Gew. Landrath von Oertzen rkons.).

Reg⸗Bez. Frankfurt. 1. Wahlbezirk: Arnswalde⸗Friedeberg. Gew. von Meyer⸗Arnswalde (kons.), von Brand⸗Wutzig (kons.). Reg.⸗Bez. Stettin. 3. Wabhlbezirk: Stadt Stettin. Gew. Broemel (dfrs.). 5. Wahlbezirk: Naugard⸗Regenwalde. Gew. von Podewils (kons.). von Bismarck⸗Kniephof (kons.). Reg.⸗Bei. Breslau. 10. Wahlbezirk: Nimptsch⸗Strehlen. Gew. Graf Saurma⸗Ruppers⸗

dorf (kons.). Rexg.⸗Bez. Oppeln. 3. Wahlbezirk: Groß⸗ Strehlitz. Gew. Letocha (Centr.). Strachwitz (Centr.). Reg.⸗Bez. Magdeburg. 2. Wahlbezirk: Osterburg⸗Stendal. Gew. Landrath von Jagow⸗ Osterburg (kons.), Graf Bassewitz⸗Levetzow (kons.). Reg.⸗Bez. Erfurt. 5. Wahlbezirk: Schleusingen⸗Ziegenrück. Gew. von Erffa (kons.) 1 Reg.⸗Bez. Schleswig. 15. Wahlbezirk: Segeberg. Gew. Muhl (kons.). 19. Wahlbezirk: Lauenburg. Gew. Kammer⸗Rath Berling (dfrs.). Reg.⸗Bez. Stade. . Wahlbezirk: Jork⸗Kehdingen. Gew. Schoof (nat.⸗lib.). . Wahlbezirk: Stade⸗Bremermünde. Gew. Holtermann (nat.⸗lib.). . Wahlbezirk: Neuhaus a. O. Gew. Pfaff, Pastor (nat.⸗lib). . Wahlbezirk: Verden. Gew. Wattenberg (nat.⸗lib.). Reg.⸗Bez. Lüneburg. Wahlbezirk: Celle. Gew. Gutsbes. Thies in Habighorst (nat.⸗lib.). . Wahlbezirk: Lüneburg. Gew. Friedrichs (nat.⸗lib.). Reg.⸗Bez. Hildesheim. Wahlbezirk: Marienburg.Goslar. Gew. Mackensen (nat lib)). . Reg.⸗Bez. Osnabrück. Wahlbezirk: Meppen. Gew. Dr. Windthorst (Centr.). Wahlbezirk: Osnabrück. Gew. Syndikus Westerkamp (nat.⸗lib.). 1 Reg.⸗Bez. Köslin. Wahlbezirk: Schivelbein⸗Dramburg. Gew. Landrath von Brock⸗

hausen (kons.). 8 Reg.⸗Bez. Kassel. . Wahlbezirk: Rinteln. Gew. Oetker (nat.⸗lib.).

Wahlbezirk: Hofgeismar⸗Wolffhagen. Gew. Bürgermeister Knobel (kons.)

. Wahlbezirk: Kassel⸗Stade. Gew. Dr. Enneccerus (nat.⸗lib.). 8 irk: Eschwege⸗Schmalkalden. Gew. Gutsbes. v. Christen

ons.). . Wahlbezirk: Rotenburg⸗Hersfeld. Gew. Oekonom Ferdinand

8

Graf

+8—8 2o b0o 8880—

80

S. 8, 0 b.

Gudensberg (konf.). 12. Wahlbezirk: Fulda. Gew. Amtsrichter Gößmann (Centr.) 14. Wahlbezirk: Hanau. Gew. Zimmermann (nat.⸗lib.). 8 Reg⸗Bez. Düsseldof. 3. Wahlbezirk: Mettmann Gew Rumpff (nat.⸗lib.). 10. Wahlbezirk: Krefeld. Gew. Trimborn (Centr.) Reg⸗Bez. Koblenz. 1. Wahlbezirk: Wetzlar. Gew. Prinz Hermann zu Solms⸗Braun⸗ fels (kons.).

Bei einem Anspruch des Rheders eines Schiffes gegen den Rheder eines anderen Schiffes auf Ersatz des dem ersteren durch einen auf deutschem Gebiet stattgehabten Zu⸗ sammenstoß der Schiffe zugefügten Schadens sind nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 30. März d. J., die seerechtlichen Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuchs auch dann anzuwenden, wenn die betreffenden Schiffe oder eins derselben einer, beziehungsweise verschiedenen fremden Nationalitäten angehören.

Der im Betriebe einer Gasanstalt beschäftigte Heizer K. verunglückte, während er den Nachtdienst versah, dadurch, daß er den mit der Räumung der Abtrittsgrube der Anstalt be⸗ schäftigten Arbeitern, welche in Folge der Betäubung durch die Grubengase in Lebensgefahr geriethen, auf ihren Ruf zu Hülfe eilte und dabei selbst durch Einathmung der Gase ohn⸗ mächtig wurde, in die Grube stürzte und im Schlamm er⸗ stickte. Die R

und wurde von ihm im Verein mit seinen Söhnen ausgeführt. Die Berufsgenossenschaft, welcher die Gasanstalt angehörte, lehnte den Anspruch der Hinterbliebenen ab, weil K. im Augenblick des Unfalls nicht im Betriebe der Gasanstalt, sondern zeitweilig im Betriebe des H. beschäftigt gewesen sei und den Unfall auch nicht bei dem Betriebe der Gasanstalt erlitten habe, da der von ihm unternommene Rettungsversuch mit diesem Betriebe weder in einem unmittelbaren noch mittelbaren Zusammenhang stehe. Das Schiedsgericht hat da⸗ gegen auf erhobene Berufung die Berufsgenossenschaft zur Zah⸗ ung der Rente verurtheilt, und das Reichs⸗Versicherungs⸗ amt den gegen dieses Urtheil erhobenen Rekurs in der Ent⸗ scheidung (Nr. 604) vom 4. Juni d. J. zurückgewiesen. Aus den Gründen: Nach den angestellten Ermittelungen in Verbin⸗ dung mit den Angaben der Gas⸗Gesellschaft steht fest, daß die fragliche Abortgrube, deren Ausräumung dem H. übertragen worden war, für die Arbeiter der genannten Gesellschaft be⸗ stimmt war, sowie daß Abort und Grube einen Theil der Fabrikgebäulichkeiten bilden. Ferner ist als festgestellt zu erachten, übrigens auch von der Beklagten demnächst zugegeben worden, daß die Ausräumung der Abortgrube im Interesse des ordnungsmäßigen Betriebes der Fabrik erforderlich war. Schließlich steht fest, daß der ver⸗ storbene K. in der fraglichen Nacht in dem Betriebe der Fabrik als Heizer thätig war und in der Abort⸗ grube verunglückte, in welche er zur Rettung der Arbeiter hinabgestiegen war. Auf der Grundlage dieser Feststellungen und des sonstigen Akteninhalts gelangt man dazu, die beiden für den Anspruch der Hinterbliebenen entscheidenden Fragen: ob K. im Augenblick des Unfalls „im“ Betriebe der Gasanstalt beschäftigt war, und zutreffendensalls, ob der Unfall sich „bei“ dem Betriebe der letzteren ereignet hat, zu bejahen. Die Gegenausführungen der Beklagten erscheinen nach beiden vor⸗ bezeichneten Richtungen zverfehlt. Wenn sie bezüglich des ersten Punktes der Meinung ist, der Unternehmer der Ausräumungs⸗ arbeiten sei der Bauer H. gewesen, und in dessen Betriebe sei deshalb K. verunglückt, so ist dem entgegenzuhalten, daß nach dem Ergebniß der angestellten Ermittelungen H. hin und wieder mit Hülfe seiner Söhne in geringem Um⸗ fange die Reinigung von Latrinen lediglich zu dem S. ausgeführt hat, um deren Inhalt zu landwirth⸗ chaftlichen Zwecken sn verwerthen. Er ist deeg nach Lage des Falles nicht als Unternehmer eines selbständigen Latrinen⸗ reinigungs⸗Betriebes anzusehen, in den etwa K. eingetreten wäre, vielmehr trat H. durch Uebernahme und Vollziehung der Reinigungsarbeiten seinerseits als Akkordant eitweilig in den Betrieb der Gasanstalt, in deren Interesse die Reinigungs⸗ arbeiten unbestritten erfolgten (zu vergleichen Bescheide 374 und 413 „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ von 1887 Seiten 182 und 351, sowie die an letzterer Stelle angeführten Entscheidungen). Die Reinigungsarbeiten erscheinen somit als ein Theil der gesammten zur Gasanstalt gehörigen Betriebs⸗ arbeiten, und K. hat also auch während seiner behufs Rettung unternommenen Thätigkeit nicht aufgehört, im Betriebe der Gasanstalt beschäftigt u sein. Anders würde die Sache liegen, wenn es sich nicht um gelegentliche kleine Absuhrarbeiten für landwirthschaftliche Zwecke, sondern um einen selbständigen versicherungspflichtigen großen Latrinen⸗ reinigungs⸗Betrieb handeln würde, weicher nicht in dem Be⸗ triebe, für dessen Zwecke derselbe jeweilig thätig wird, für die Dauer dieser Thätigkeit aufginge. Auch die zweite Frage, ob K. „bei“ dem Betriebe der Gasanstalt verunglückt ist, muß unbedenklich im bejahenden Sinne entschieden werden. Wie das Reinigen selbst, so erfolgte auch die Hülfeleistung des K., welche ein dem Fortgang der Reinigungsarbeiten entgegen⸗ tretendes Hinderniß zu beseitigen bezweckte, im Interesse des Betriebes der Gasanstalt, und „bei“ deren Betriebe hat sich deshalb der Unfall des K. ereignet. Letzterer würde sich sogar, wie der Vorstand der Anstalt hervorhebt, eine „grobe Dienst⸗ widrigkeit“ haben zu Schulden kommen lassen und „sofortige Dienstentlassung“ gewärtigt haben, wenn er nach erlangter Kenntniß von der lebensgefährlichen Lage der Arbeiter sich

nicht an dem Rettungswerke betheiligt hätte. Uebrigens

ist es eine allgemeine Menschenpflicht, daß ein Be⸗

triebsarbeiter einem anderen, welcher in Folge des

Betriebes, in welchem beide beschäftigt sind, gefährdet

erscheint, vsi⸗ und denselben zu retten sucht; wenn der

Arbeiter hierbei verunglückt, so verunglückt er „bei“ dem Be⸗

triebe und gerade in Folge der besonderen Gefahr, welche der⸗

selbe für seinen Mitarbeiter und ihn herbeiführte. Im vor⸗

liegenden Falle ist noch besonders hervorzuheben, daß der

Zustand der Abortgrube, für die die Gasanstalt zu sorgen

hatte, die mit der Reinigungs⸗ wie Rettungsarbeit verbundene

5 noch ganz besonders gesteigert hat: nach dem Bericht

des Vertrauensmanns hat nämlich die Grube keine Ventilation

und ist ferner nur von der Abortthüre aus zugänglich. Der

erstere Umstand ist als nächste Ursache des Todes, der letztere

insofern als mitwirkend anzusehen, als er die Rettungsarbeiten erschwerte.

Der kommandirende General des III. Armee⸗Corps,

Seyffarth (kons.).

7. Wablbezisk; Melsungen⸗Fritzlar. Gew. Gutsbes. von Nöll⸗

äumung war dem Bauer H., welcher den Inhalt der Grube als Dullgmittel benutzen wollte, übertragen

geladen waren.

der ausgesprochenen dürften weitere Bulletins nicht

Hannover, 3. November. (Hann. Cour.) In der am Sonnabend Porhe sn (3.) Sitzung des 22. Hannover⸗ schen Provinzial⸗Landtages wird der Haushaltsplan als Ganzes genehmigt. Der Abg. von Bruenneck bringt den Urantrag ein, die Regierung zu ersuchen, zum Jagdschutzgesetz eine Deklaration dahin zu geben, daß bei Beschädigungen an Baumschulen und Holzanpflanzungen nur der nach forstwirth⸗ schaftlichen Grundsätzen ermittelte Holzwerth ersetzt werde. Der Abg. Struckmann bringt den Urantrag ein, die Regie⸗ rung zu ersuchen, Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz über die Verfassung der Realgemeinden bald zu erlassen, Musterstatute zu entwerfen ꝛc. Beide Uranträge sind genü⸗ gend unterstützt.

Württemberg. Stuttgart, 4. November. Der „St.⸗A. f. W.“ meldet: „Der Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Staats⸗Minister Freiherr von Mittnacht, ist heute auf den Wunsch Sr. Majestät des Königs nach Nizza abgereist.“ Ferner schreibt das amtliche Blatt: „Gegenüber den in einzelnen auswärtigen Zeitungen auf⸗ gestellten Behauptungen über angebliche von Sr. Königlichen Majestät kontrahirte, das Allerhöchste Privatvermögen belastende Verbindlichkeiten sind wir von zuständiger Seite zu der Erklärung ermächtigt, daß die fraglichen Behauptungen jedes thatsächlichen Grundes entbehren.“

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 5. November. (W. T. B.)

n Vertretung des Kaisers begiebt sich Erzherzog Wilhelm,

egleitet vom Kammervorsteher Baron Koblitz und einem

Ehrenkavalier in den nächsten Tagen nach Kopenhagen, um dem Regierungs⸗Jubiläum des Königs beizuwohnen.

(Prag. Abdbl.) Botschafter Graf Deym ist nach München abgereist, um dem Prinz⸗Regenten sein Ab⸗ berufungsschreiben zu überreichen; von dort begiebt er sich auf seinen neuen Posten nach London.

Im Abgeordnetenhause fanden heute Klub⸗ berathungen über die Vorlage, betreffend die Erb⸗ theilungsvorschriften bei Bauerngütern, statt. Agram, 5. November. (Prag. Abdbl.) Das vom Landtage beschlossene Schulgesetz erhielt die Kaiser⸗ liche Sanktion.

Großbritannien und Irlaud. Birmingham, 5. No⸗ vember. (W. T. B.) In einer heute hier statt⸗ gehabten Versammlung der liberalnationalen Ver⸗ einigung hielt Gladstone eine Rede, in welcher er sich über die innere und auswärtige Politik verbreitete. In Bezug auf die innere Politik gab der⸗ selbe dem Vertrauen Ausdruck, daß seine und seiner Anhänger Bemühungen zu Gunsten der Homerule von Erfolg sein würden. Betreffs der auswärtigen Politik sprach sich Gladstone im Allge⸗ meinen zustimmend zu der von dem gegenwärtigen Kabinet be⸗ folgten Politik aus. In der kanadischen Fischereifrage hoffe er auf ein befriedigendes Arrangement, welches die zwischen England und den Vereinigten Staaten bestehenden Bande wieder fester knüpfe. In dem Zwischenfall mit dem englischen Gesandten Sackville hätten es die Vereinigten Staaten an den England gebührenden Rücksichten ohne Zweifel fehlen lassen.

Frankreich. Paris, 5. November. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer brachte heute Jacquemart ginen Antrag ein, in welchem die Regierung aufgefordert wird! ein Verzeichniß aller pensionirten Civilbeamten, deren Pension den Betrag von 3000 Fr. übersteigt, de Kammer als eine Anlage zum Budget vorzulegen. Cuneo d'Ornano beantragte die Veröffentlichung eines Verzeichnisses der seit dem Dezember 1851 Pensionirten. Rouvierbekämpfteden Antrag, der nur zur Erregung von Haß und Streit führen werde. Barré beantragte die Veröffentlichung eines Verzeichnisse sämmtlicher Pensionirten ohne jeden Unterschied u ohne Rücksicht auf die Höhe der denselben gewährten Pensio Der Fmanz⸗Minister Peytral wies darauf hin, daß di viel Zeit und Arbeit kosten werde und hielt es für angezeigt, die Anträge durch eine Kommission prüfen zu lassen. Die Kammer stimmte dem Antrage Jacquemart's und den von Cuneo d'Ornano und Barré dazu gestellten Unteranträgen zu und verwies die⸗ selben an die Abtheilungen, welche eine Kommission zur Vorberathung derselben ernennen sollen. Der Präsident Méline zeigte der Kammer an, daß die Quästoren Madier de Montjau und Mahy, sowie der Vize⸗Präsident der Kammer, Anatole de la Forge, auf ihrer Demission beharrten, während die übrigen Mitglieder des Bureaus ihre Demission zurückgezogen hätten. Die Wahl eines neuen Vize⸗Präsidenten und von zwei Quästoren wurde auf nächsten Donnerstag festgesetzt. Die Wahl des Deputirten für Cochinchina, Ternisien, wurde nach langer Debatte für ungültig erklärt.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Tanger hat der Sultan den Vertretern der fremden Mächte ein Schreiben zugehen lassen, in welchem er sein Bedauern aus⸗ spricht, daß die Madrider Konferenz mangels Einver⸗ nehmens unter den Mächten nicht zu Stande gekommen sei und worin er die Vertreter der fremden Mächte auffordert, ihm resp. seinem Ministerium alljähr⸗ lich ein Verzeichniß der unter ihrem Schutz stehen⸗ den Personen einzureichen, da es hierdurch in vielen Fällen gelingen werde, Schwierigkeiten zu vermeiden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 6. November.

89 T. B.); Bei dem Minister des Auswärtigen, von Giers,

and gestern ein Diner statt, zu welchem die Chefs sämmt⸗ licher auswärtigen Botschaften und Gesandtschaften

Italien. Rom, 5. November. (W. T. B.) Nach einem von Massovah hier eingegangenen amtlichen Bericht foll der König von Goggiat die Armee Ras⸗ Alulah's geschlagen haben.

Spanien. Madrid, 6. November. (W. T. B.) Die Ein⸗

berufung der Cortes ist auf den 20. November festgesetzt.

Niederlande. Hacg, 5. November. (W. T. B.) Bei esserung im Befinden des Königs ausgegeben werden.

Griechenland. Athen, 5. November. (W. T. B.) Die

General⸗Lieutenant Bronsart von Schellendorff, ist von Urlaub hierher zurückgekehrt

Festlichkeite des Köni 8 ha

u Ehren des Regierungs⸗Jubiläums , t von den städtischen Behörden

1.“

nern auf der Akropolis veranstalteten Festmahl und dem

anschließenden Feuerwerk ihren Abschluß gefunden. Das 2,nsch die Königliche Familie beiwohnte, verlief glänzend. Bei dem dem König dargebrachten Fackel⸗ zuge erschien derselbe auf dem Balkon und richtete eine ulovolle Ansprache an die Fackelträger. Die Bevölkerung brachte dem König und der Königin ununterbrochen lebhafte sympathische Kundgebungen dar. Der Herzog und die Her⸗ in von Edinburg verlassen heute Athen. Auf dem englischen Admiralsschiff fand heute Mittag ein Dejeuner statt, welchem der König und die Königin beiwohnten. ““ Zum Präsidenten der Deputirtenkammer ist mit 69 von 119 Stimmen der Kandidat der Regierungspartei, Augherino, gewählt worden.

Dänemark. Kopenhagen, 5. November. (W. T. B.) Die Prinzessin von Wales wird mit ihrem ältesten Sohne, dem Prinzen Albert Victor, zu dem am 15. d. M. stattfindenden Regierungsjubiläum des Königs hier eintreffen.

Zeitungsstimmen.

Der „Staats⸗Anzeiger für Württemberg“ schreibt:

Die freisinnigen Blätter sind auch nach der Erklärung des Reichs⸗Anzeigers“ um eine Antwort nicht verlegen. Erst sagten sie: Der Kaiser meint uns nicht, er meint die Kartellpresse. Jetzt heißt es: Der Kaiser ist falsch berichtet, man hat uns bei ihm angeschwärzt. Die „Freisinnige Zeitung“ hat alle ihre Nummern seit dem Regie⸗ rungsantritt peinlich durchgesehen und nichts gefunden, was ihr ein böses Gewissen machen könnte. Welche ‚Unschuld! Das „Berliner Tageblatt“ und der „Börsen⸗Courier“ spielen gleichfalls die zu Unrecht Gekränkten. „Angesichts der loyalen Haltung“, so sagt das „Berliner Tageblatt“, „die wir, wie dem Kaiserlichen Großvater und Vater, so auch des jetzt regierenden Kaisers Majestät gegenüber allezeit einge⸗ nommen, müssen wir nothgedrungen zu dem Schluß gelangen, daß hier in jedem Falle eine unrichtige Information des Souveräns vorliege. Wir werden auch, was auch kommen möge, unter Kaiser Wilhelm II. ver⸗ harren als Sr. Majestät allergetreueste Opposition“ Eine andere Taktik schlagen die „Vossische Zeitung“ und die ihr sekundirende „Frankfurter Zeitung“ ein. Sie glauben, in dem jetzigen Vorgang die ersten Symptome eines „neuen Systems“ gegen die kommunale Selbstverwaltung und die Presse zu erkennen, die freisinnige Presse werde aber ihre Unabhängigkeit ebenso gegen den Magistrat und die Stadtverordneten wie gegen jeden Anderen zu vertheidigen wissen, der sie bedrohe. Man sieht, die Herren sind un⸗ verbesserlic Nachdem sie den Tadel auf Andere nicht mehr abwälzen können, schreien sie über Gewalt, die ihnen angethan werde. Von irgend welcher Bedrohung der „Unab⸗ hängigkeit“ der Presse ist aber keine Rede. Der Kaiser hat nicht die von den freisinnigen Blättern vertretenen politischen Anschauungen etadelt, sondern den Mangel an Takt, den sie an den Tag gelegt ben. Er hat sich eine Behandlung seiner Familienangelegenheiten verbeten, die auch „kein Privatmann’ sich gefallen ließe, und hat die Berliner Stadtväter, die notorisch der Berliner Presse gar nichts zu befehlen haben, wohl aber ebenso notorisch auf einzelne dieser Blätter vermöge ihrer Parteistellung eine gewisse Einwirkung haben, gebeten, sie möchten ihres Theils mit dafür sorgen, daß er friedlich „als Berliner unter Berlinern“ leben könne. Wo ist da die Vergewaltigung?

Ueber denselben Uehenfen⸗ snen wir in der ‚Danziger Allgemeinen Zeitung“ Folgendes:

Löas hat n18 der Kaiser bei seinem Tadel im Auge gehabt? Man habe seinen Vater gegen ihn beständig eitirt. Das sind die Worte des Kaisers, wie Herr von Lucanus sie der städtischen Depu⸗ tation schwarz auf weiß gab. Und jetzt erklärt der Kaiser ausdrücklich, daß dieses Citiren in der freisinnigen Presse geschehen sei.

Nicht also einzelne Ausschreitungen, die ja auch in nicht frei⸗ sinnigen Blättern vorgekommen sind und einen bedauerlichen, aber durch die Aufregung der Zeit erklärlichen Mangel an Takt bewiesen, meint der Kaiser; sondern er meint das ganze und umfassende System des Freisinns, angebliche Regierungsmaximen Kaiser Friedrich's, wie sie besonders aus Stellen seines Tagebuchs gefolgert wurden, welches einfach und ungenirt als „freisinniges Vermächtniß“ an das Volk ge⸗ deutet und gepriesen wurde, gegen seine (Kaiser Wilhelm's II.) Re⸗ gierung, so viel oder so wenig man von ihr wußte, und zwar zu Wabl⸗ zwecken auszubeuten. Hier wurde Kaiser Friedrich in ganz unerhörter Weise gegen den jetzigen Kaiser citirt und ausgespielt, nicht nach dem Buchstaben des Wortes „zitiren“, sondern nach seinem Geiste; man versuchte mittelst des Tagebuchs einen Eindruck im Volke hervorzubringen, der die Wahlen im deutschfreisinnigen, fälschlich hinein interpretirten Sinne beeinflussen sollte; man wollte die Regierung Kaiser Wil⸗ helm's und seine Zukunft auf die Maximen des Tagebuchs seines Vaters sozusagen festlegen, was nur durch das Volk, d. h. den Aus⸗ fall der Wahlen, erreicht werden tonnte. Das ist offen in freisinni⸗

een Blättern ausgesprochen worden: man müsse dem jungen Kaiser eine Absicht erleichtern, im (angeblichen, d. h. deutschfreisinnigen) Geiste seines zu regieten,, 18- darum sollte das Volk seine

timmung und Meinung offen bekunden.

8 Das gst der hceeee tiefe Sinn des Kaiserlichen Tadels an die freisinnigen Blätter. Kaiser Friedrich, wie der Freisinnige ihn sich fälschlich denkt, wurde citirt gegen seinen Sohn, von dem man eine andere Regierung (den Grundsätzen Kaiser Wilhelm's I. gemäß) erwartete und den man durch einen den Freisinnigen günstigen Ausfall der Wahlen, hauptsächlich herbeigeführt durch die freisinnige Aus⸗ beutung des „Tagebuchs“, 1 wollte, in der angeblichen Richtung und Weise Kaiser Friedrich'’s zu regieren.

Zeele 8* nSenggiic Wahrheit werden selbst die freisinnigen Blätter nicht so ganz ohne Röthe anzueifern wagen, wie sie es jetzt thun, wo sie nach einzelnen Aussprüchen suchen, während der Kaiser das ganze zu Grunde liegende System des freisinnigen Vorgehens

gemeint hat.

Die „Kölnische Zeitung“ schreibt: ““ Die wenigen Sitze, welche die deutschfreisinnige 8. 29 8 v- Städten zu suchen. Die ländlichen und kleinstädtischen Wahlkreise, welche die baa bisher behauptet hatte, gehen ihr jetzt fast ohne Ausnahme verloren. VBerlin allein wird nahezu ein Drittel der gesammten fort⸗

schrittlichen Vertretung im neuen Abgeordnetenhause stellen. Daß eine

artei, welche nur noch einige wenige großstädtische Mandate zu retten wena9g kelche gesunden Boden im Volke hat, sondern höchstens noch die Stimmung eines ganz beschränkten Kreises einseitigster Interessen und Lebensanschauungen darstellt, liegt klar auf der Hand. Und in diesen großen Städten selbst halten sich die Deutschfreisinnigen nur noch durch das „elendeste aller Wahlsysteme“ aufrecht, um einen in ihrer Presse jetzt sehr geläufigen Ausdruck zu brauchen. Ihren Sieg erringen sie ledig⸗ lich durch die erste und zweite Wählerklasse. In der dritten, wo doch der Schwerpunkt einer richtigen „Demokratie liegen müßte, haben sie sehr wenig Boden mehr. Die große Menge in den Hauptstädten ist sozialdemokratisch oder konservativ. Das zeigt sich noch deutlicher als bei den Landtagswahlen bei den Wahlen zum Reichstage. Bei den letzteren wird die Fortschrittspartei in den großen Städten einen noch viel schwierigeren Stand haben als bei den soeben vollzogenen Wahlen. Es ist darum auch nur Verlegenheit und Selbsttäuschung, wenn die Deutschfreisinnigen sich über die soeben erlittene neue Niederlage mit der Hoffnung auf e näöchstigen Aufschwung bei den Reichstagswahlen zu krösten und ihre muthlos werdenden Anhänger damit aufzurichten suchen. Eine Partei, die nur noch in den großen Städten eine Stütze hat und auch hier och durch das Uebergewicht der vermögenden Klassen und

1u“]

elegentlich durch mittelbare und unmittelbare Unterstützung Seitens

Soztaldemokratie zu behaupten vermag, ist nicht mehr gefährlich. Wir gehen den nächsten Reichstagswahlen mit demselben guten Ver⸗ trauen entgegen, mit welchem wir in die Landtagswahlen eingetreten sind, und darin können uns auch vereinzelte Mißerfolge bei Nach⸗ wahlen, welche in der deutschfreisinnigen Agitation stets zu wichtigen Stimmungssymptomen aufgebauscht werden, nicht irre machen.

Unter der Ueberschrift „Die preußischen Staatshahnen und die Nationalwirthschaft“ äußert das „Deutsche Tage⸗ blatt“: 8 In dem ersten Halbjahr 1888/89 haben die preußischen Staats⸗ bahnen vorbahaltlich derjenigen Korrekturen, welche sich aus der Differenz zwischen der provisorischen und der definitiven Einnahme ergeben eine Mehreinnahme von rund 28,5 Millionen Mark gegen das Vorjahr erzielt. Da das Etatssoll der diesjährigen Einnahmen die Isteinnahme des Vorjahres nicht voll erreicht, bedeutet diese Mehreinnahme zugleich einen mindestens gleichen Ueberschuß über den Etatsanschlag. 8

Wenngleich dieser Ueberschuß selbstredend nicht einen Mehr⸗ überschuß der Einnahmen über die Ausgaben in gleicher Höhe be⸗ deutet, so ist er doch ein erfreuliches Zeichen der stetig fort⸗ schreitenden finanziell günstigen Entwickelung des Staatsbahnwesens. Diese günstige Entwickelung ist um so erfreulicher, als ihre Früchte schließlich allein der Gesammtheit der Staatsangehörigen und ins⸗ besondere der Steuerzahler zu Gute kommen. 8

Dabei ist die finanzielle Seite der Sache keineswegs noch die⸗ jenige, welche am bedeutsamsten hervortritt, vielmehr ist auf die Schlußfolgerungen, welche aus der nach den Einnahmen unverkenn⸗ baren Steigerung des Verkehrs auf die Entwickelung des nationalen Wirthschaftslebens zu zieben sind, ein noch viel größeres Gewicht zu legen. Die Einnahmen der preußischen Bahnen sind in dem bezeich⸗ neten Zeitraum um 829 auf das Kilometer gestiegen, d. h. um nahezu 5 %, wobei noch in Betracht kommt, daß unter den rund 2 300 000 km preußischer Staatsbahnen etwa ein Viertel wenig renti⸗ render Sekundärbahnen sich befindet und allein in dem letzten Jahre gegen 600 km derartiger Meliorationsbahnen dem Verkehr über⸗ eben sind. 1 Lf.r charakteristisch in Bezug auf die aus dem Verkehr auf die wirthschaftliche Gesammtlage zu machenden Rückschlüsse ist der Umstand, daß an den Mehrerträgen der Güterverkehr mit nicht weniger als beinahe 23 Millionen Mark und 730 auf das Kilometer be⸗ theiligt ist, obwohl der Hauptgüterverkehr erst in das laufende Viertel⸗ jahr fällt. Der Schluß ist sonach gerechtfertigt, daß in dem Halbjahr von Ostern bis Oktober 1888 die deutsche Nationalwirthschaft und insbesondere die Industrie in kräftig fortschreitender Entwickelung be⸗ griffen war. Selbstredend legt das rasche und stetige Fortschreiten des Verkehrs der Eisenbahnverwaltung auch die Pflicht auf, ihrerseits durch entsprechende Fortentwickelung und Vermehrung ihrer Betriebs⸗ einrichtungen und Betriebsmittel mit dem Fortschreiten des Verkehrs Schritt zu halten; Vorkehrungen hierfür sind, wie ja bereits ander⸗ weit verlautete, in umfangreicher Weise getroffen.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus Süddeutsch⸗ land geschrieben: 3 1 6 eheheg Feier, welche in unserem norddeutschen Venedig sich soeben in Gegenwart des Kaisers vollzogen hat und nach allen Be⸗ richten überaus herrlich verlaufen ist, hat auch in Süddeutschland vollen Widerhall gefunden. Galt es doch den nationalen Abschluß einer Entwickelung, welche seit den ersten Anfängen dentscher Zoll⸗ vereinigung das Denken und Sinnen patriotischer Männer in Nord und Süd beschäftigt hat. Mit Recht mochte Kaiser Wilhelm II. sich glücklich preisen, daß zu seinen ersten Regierungshandlungen im Innern des Reichs die endliche Vereinigung unserer beiden großen Handels⸗ emporien mit dem nationalen Wirthschaftsleben gehörte. Gerade in Süddeutschland hat die bisherige Stellung der beiden altberühmten Hansestädte außerhalb des nationalen Wirthschaftsgebiets am frühesten Anfechtung gefunden, und wenn auch hier und da schutzzöllnerische Voreingenommenheit mit im Spiele war, so hat doch weiterblickende Einsicht und patriotisches Empfinden den Hauptantbeil daran gehabt. Das Bedauern, die Hauptsitze deutscher Rhederei und deutschen Welthandels außerhalb der nationalen Zollgrenzen zu sehen, ist natürlich um ein Bedeutendes stärker e. als der norddeutsche Bund die politische Machtstellung der Nation neu begründete. Aber die damaligen Versuche, die drei Hansestädte (auch Lübeck stand damals noch außerhalb des Zollvereins) auch handelspolitisch in die neue Staatsgemeinschaft zu ziehen, erscheinen in den Verhandlungen zur Vereinbarung der norddeutschen Bundesverfassung wie gutgemeinte, aber aussichtslose Träumerei. Jetzt nach weiteren zwanzig Jahren ist der Schlußstein dieser Einigung eingefügt und symbolisch hat ihn der jugendliche deutsche Kaiser unter vielhunderttausendstimmigem Jubel festgelegt. Wenn man sich der Sorgen und Kämpfe crinnert, welche diese Entwickelung begleitet haben, so darf man auch hier die einsichtsvolle Mäßigung preisen, welche zur Vollendung dieses Werks geführt hat und in Folge deren jetzt die Befriedigung oder doch das Sichzufriedengeben mit dem neuen Zustand der Dinge in Ham⸗ burg sowohl als Bremen eine nahezu allgemeine ist. Niemand wird es den Bewohnern! dieser Städte verdenken, daß sie sich gegen das allzu rasche unvermittelte Aufgeben lang gewohnter, Vortheil bietender Einrichtungen sträubten, und es ist ihnen in diesem Kampf auch viel⸗ fach Sympathie im Binnenlande, welche von blinder Oppositions⸗ sucht frei war, bewiesen worden; aber es darf ohne Widerspruch be⸗ hauptet werden, daß die jetzt vollzogene Vereinigung unserer beiden deut⸗ schen Großseestädte mit dem deutschen Zoll⸗ und Handelsgebiet ganz besonders deshalb im übrigen Reiche willkommen geheißen wird, weil dieses nationale Werk mit dem guten Willen und in hoffnungs⸗ reicher Stimmung Seitens der beiden Hansestädte zum Abschluß kommt. Und nicht blos der ideale Patriotismus kommt dabei zu seinem Recht, sondern cs darf auch erwartet werden, daß die nach beiden Seiten nutzenbringenden Handelsbeziehungen zwischen den großen Emporien an der Nordsee und dem deutschen Binnenlande bis zum Fuß der Alpen einen erheblichen Aufschwung nehmen werden. ie vor wenig Jahren die mit Unterstützung des deutschen Reichs durchgeführte Gotthardbahn den südwestdeutschen Handels⸗ und Verkehrginteressen den größten Vorschub geleistet hat, so wird jetzt in der Richtung nach Norden eine vielleicht noch schwerer ins Gewicht fallende Verkehrserleichterung geschaffen, welche beiden Theilen zu Gute kommen muß. chon vor mehreren Jahren hat zwischen süddeutschen Fabrikanten der verschiedensten Produktionzzweige und Großbandelsfirmen von Hamburg und Bremen ein lebhafter Ideenaustausch über erweiterte Handelsverbindungen, die, statt über avre, Antwerpen und Rotterdam zu gehen, unsere deutschen Handels⸗ becr beschäftigen sollten, stattgefunden. Das damals Begonnene kann jetzt unter viel günstigeren Aussichten wieder aufgenommen werden, und wir zweifeln nicht, daß der altbewährte, aber ewig jung bleibende praktische Untermhmungsgeist von Hamburg und Bremen sich dieser neuen Aufgabe vollständig gewachsen zeigen wird. Die besten Wünsche und Bemühungen ihrer süddeutschen Landsleute werden ihnen dabei zur Seite stehen, und das soeben so herrlich ver⸗ laufene Einigungsfest möge auch hierfür von bester Vorbedeutung sein.

Statistische Nachrichten.

i isteskranken in den Frrenanstalten Preußens 18862 8 Corr.) Während dem Königlichen Statistischen Bureau 1876 aus 125 Irren⸗Heil⸗ und Pflegeanstalten Nachrichten zugingen, war die Anzahl dieser Anstalten im Jahre 1886 auf 173 deäe ger. von denen sich 2 (die Irrenkliniken zu Berlin und Halle) im Besitz des Staates befanden. Die Provinzial⸗ und Bezirks⸗ verbaͤnde unterhielten 1886 41 selbständige Irrenanstalten und 4 An⸗ stalten, welche Abtheilungen von Kranken⸗ oder Armenhäusern sind;

6 Städte besaßen ebenfalls selbständige Irrenanstalten, und 21 Städte

brachten ihre Geisteskranken in Abtheilungen von Kranken⸗, Siechen⸗ oder Armenhäusern unter. Außerdem nahmen 31 Wohlthätigkeits⸗ anstalten im Besitz von Orden und Vereinen Geisteskranke, und zwar vorzugsweise Idisten, auf. Auch zum Erwerbe wurden zahlreiche Irrenanstalten errichtet; im Berichtsjahre gab es 68 Privat⸗Irren⸗ anstalten, von denen nur 27 Aerzte zu Besitzern hatten, während die übrigen 41 Anstalten anderen Privatpersonen gehörten. 8 Entsprechend der Steigerung der Anzahl der Anstalten, ist seit dem Jahre 1876 auch die Anzahl der Insassen derselben beträchtlich gewachsen. Während vor 10 Jahren 20 748 Fälle von Geisteskrankheit in den Irrenanstalten zur Behandlung gelangten, war diese Zahl 1886 bereits auf 37 892 gestiegen. Die Zahl der Fälle von Geisteskrankheit ist indeß nicht identisch mit der Anzahl der Personen, welche den Irrenanstalten behufs Heilung und Pflege übergeben werden, weil es häufig vorkommt, daß die Geisteskranken innerhalb eines Jahres die Anstalten wechseln. So befanden sich im Jahre 1876 unter den Auf⸗ genommenen 10,35 % männliche und 7,8 % weibliche Irre. welche bereits in anderen Anstalten gewesen waren; im letzten Berichtsjahr stieg dieses Prozentverhältniß auf 16,81 für männliche und auf 19,93 für weibliche Geisteskranke. Unter Berücksichtigung des Wechsels der Anstalten belief sich demnach die Anzahl der Geisteskranken in den Irrenanstalten Preußens im Jahre 1886 auf 35 524 (19 245 männl. und 16 279 weibl.) Personen, während sich vor 10 Jahren nur 20 115 8 (10754 männl. und 9361 weibl.) Geisteskranke in den Irrenanstalten befanden. Der Zugang allein ist von 6206 Personen im Jahre 1876 auf 10713 im Jahre 1886 gestiegen. 3 8

Unter 100 Geisteskranken, welche 1886 in den preußischen Irren⸗ anstalten Aufnahme gefunden hatten, befanden sich 60 Männer und 40 Frauen gegen 56 Männer und 44 Frauen im Jahre 1876. 1 Welche Krankheitsformen es endlich sind, die vorzugsweise bei den Männern oder den Frauen die Aufnahme in die Irrenanstalt veranlassen, lehrt folgende Zusammenstellung. Unter je 100 in den Jahren 1876 bezw. 1886 Aufgenommenen

. w. 1876 54,26 81,18 46,99

16,36 3,66 17,00 6,06 6,27 6,03

7,40 7,91 1,16 20,61

0,33 1,46

m

litten an einfacher Geistesstörung. litten an paralytischer Seelenstörung. litten an Seelenstörung mit Epilepsie litten an Imbecillität und Idiotisie, Kretinismus. ”“ litten an Delirium potatorum

waren nicht geisteskrank, zur Beobach⸗ tung und ohne Angabe der Krankheit

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von dem Werl: „Unter den Hohenzollern, Denk⸗ würdigkeiten aus dem Leben des Generals Ludwig von Natzmer, allen deutschen Patrioten gewidmet von Jacobow Ernst von Natzmer (Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1889), ist der II. Theil de IV. Bandes „Aus der Zeit Friedrich Wilhelm's IV. (1848—1861)“ er⸗ schienen (6 ℳ). Mit diesem Bande erhält das treffliche patriotische Weik, welches im Jahre 1876 (im Verlage von Mittler) begonnen wurde, seinen würdigen Abschluß. Waren schon die früheren Bände, in denen König Friedrich Wilhelm III. im Vordergrunde steht, von hohem Interesse, so steigert sich dasselbe in dem vorliegenden Bande durch die hier auftretenden, den Lebenden bekannten Per⸗ sönlichkeiten, und durch geschilderte, noch miterlebte Ereignisse, die desbalb ein viel größeres Interesse erwecken, als die abge⸗ schlossenen Zeiten der vorhergehenden Bände, deren Schilderung meist nur einen geschichtlichen Werth hat. Friedrich Wilhelm IV. er⸗ scheint in diesem Band als „ein erhabener Monarch von so eigen⸗ thümlichem ungeheuerem Werthe, daß er nur Wenigen verständlich sein kann“ (v Rancke), aber glänzend tritt auch Kaiser Wilhelm I. als Prinz von Preußen, Prinz⸗Regent und König hervor. Das Buch bringt zahlreiche vielfach noch unbekannte Zeugnisse für die hochherzige Gesinnung des ver⸗ ewigten Kaisers, seine Pflichttreue und Bescheidenheit bei. Wir wollen nur auf den Brief S. 271 hinweisen, den Er am 25. Januar 1861, nach dem Tode Seines Königlichen Bruders, an v. Natzmer schrieb, und in dem er sagt: „Der gewaltige Abschnitt meines Lebens, der mich noch spät im Alter trifft, war zwei Jahre lang vorbereitet, aber dennoch ist der Abstand gegen früher gewaltig. Ein freudiger ist er um so weniger, als es, ganz abgesehen von dem Schmerz und der Trauer, welche ihn bezeichnen, in so vorgerücktem Alter nur noch wenig Erfolg einer gewissenhaften und treuen Thätigkeit zu erleben möglich ist. Dennoch gehe ich getrost und Gott vertrauend meinen Gang und bete, daß Gott Preußen unter meiner Führung nicht zurückgehen lassen möge Fais ce que dois, advient que pourra ist meine Devise, die jetzt allein gilt'“. Der Geist der Liebe und der Treue zu dem Hohenzollernhause, der den General von Natzmer beseelte, wird durch dieses Buch in allen Kreisen, in denen es gelesen wird, und möchten diese recht viele sein! gekräftigt werden. b

In Friedrich Fromann's Verlag (E. Hauff) zu Stuttgart ist soeben erschienen: „Straßburg vor hundert Jahren“. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte von Hermann Ludwig. (Preis 5 ℳ) Allgemeinere und Sonderschilderungen der Zustände und Verhältnisse in Deutschland vor hundert Jahren sind in letzterer Zeit mehrfach veröffentlicht worden. Mit erhöhter Berechtigung darf sich denselben wohl ein umfassender kulturgeschichtlicher Rückblick auf Straßburg, wie ihn das vorliegende Werk bringt, einreihen; denn nirgends anderwärts brachte das letzte Jahrzehnt des achtzehnten Jahr⸗ hunderts staatlich und gesellschaftlich eine ähnlich weittragende und ein⸗ greifende Umgestaltung wie in der Hauptstadt des Reichslandes, wo⸗ selbst die Revolution den inneren und üeren Fefames bepe mit der deutschen Vergangenheit, soweit derselbe auch unter der fran⸗ zösischen Oberhoheit fortbestanden hatte, aufhob. Der auf dem Felde der elsässischen Literatur in erster Reihe durch seine Kastner⸗ Biographie und seine Erzählungen aus dem Wasgau vortheilhaft bekannte Ver⸗ fasser wendet sich an einen weiten gebildeten Leserkreis durch an⸗ schauliche Darstellung des Stoffes, den er insbesondere den im Straßburger Stadtarchiv in Fülle vorlandenen Urkunden und Hand⸗ schriften entnommen hat, und durch fesselnde vornehme Schreibweise. Bei dem großen Interesse, welches dem Reichslande und vor⸗ nehmlich dessen Hauptstadt überall im Deutschen Reiche entgegen⸗ gebracht wird, ist die Annahme berechtigt, daß das Werk, welches sich vermöge der splendiden äußern Ausstattung Abbildung des alten Straßburg, Umrahmungen, Kopfleisten, Schlußstücke von A. Dürer, Hans Holbein, Lukas Cranach u. A. auch zu Geschenken besonders eignet, in den weitesten Kreisen eine freundliche und entgegenkommende Aufnahme finden wird. 8

Im Verlage von Duncker u. Humblot in Leipzig ist soeben das sechste Heft von den Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit“ erschienen. Inhalts⸗ angabe: I. Fürsorge für bedürftige Genesende. Von Stadtsyndikus Eberty in Berlin. II. Die hauswirthschaftliche Ausbildung der Mädchen aus den ärmeren Volksklassen. Von Ober⸗Bürgermeister Obly in Darmstadt. III. Trunksucht und Armenpflege. Von August Lammers. IV. Die Wohnungsfrage vom Standpunkt der Armenpflege. Von Fritz Kalle, Mitglied des Reichstages. V. Die Wohnungsnoth vom Standpunkt der Armenpflege. Von Rechtsanwalt Dr. K. Flesch, Mitglied des Magistrats in Frankfurt a. M. Der Ladenpreis des sechsten Hefts beträgt 4

Soeben ist im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart er⸗ schienen: „Lehrbuch des deutschen literarischen, künst⸗ lerischen und gewerblichen Urheberrechts.“ Von Dr. P. Daude, Geheimer Regierungs⸗Rath, Universitätsrichter bei der Königlichen Berlin. Besitzen wir

auch bezüglich der Lehren vom literarischen, künstlerischen und gewerb⸗ lichen Ürheberrecht sowohl in zahlreichen Kommentaren der einzelnen hierbei in Betracht kommenden Gesetze als auch in systematischen Einzeldarstellungen sehr eingehende und vortreffliche Bearbeitungen, so hat es gleichwohl bisher offenbar an einem Kompendium gefehlt,

welches, die saͤmmtlichen Theile des Urheberrechts umfassend, durch

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