1888 / 299 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Dec 1888 18:00:01 GMT) scan diff

an den Bürgen halten kann; insbesondere aann sich der Hauptbürge 8— an den Rückbürgen halten,

wenn der Hauptschuldner zur Zeit des vom Hauptbürgen gel⸗ tend gemachten Anspruchs nicht mehr im Inlande belangt werden kann.

In einem Waarengeschäft wird zur Beförderun von Waaren aus dem Keller nach dem ersten Stock⸗ werk ein Fehrftug⸗ benutzt, welcher durch die Kraft der städtischen Wasserleitung bewegt wird. Der Ge⸗ brauch des Fahrstuhls, welcher früher jedem der 50 An⸗ gestellten des Geschäfts freigestanden hatte, ist dahin ein⸗ geschränkt, daß eine Personenbeförderung auf demselben nicht mehr statifindet, und daß die Bedienung des Fahrstuhls zum Zweck der v durch zwei Personen erfolgt: einen Hausdiener, der die Waaren im Keller auf den Fahr⸗ stuhl schafft und den Fahrstuhl in Bewegung setzt, und einen Handlungsgehülfen, der die Waaren im ersten Stock in Empfang nimmt und den Fahrstuhl zum Stehen bringt. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat anläßlich einer Kataster⸗ beschwerde unter dem 8. September d. J. (Nr. 620) den be⸗ zeichneten Betrieb für versicherungspflichtig erklärt und sich dabei über die Frage der Versicherungspflichtigkeit hydraulischer Fahrstühle im Allgemeinen dahin ausgesprochen: a. Ein hydrau⸗ lischer Fahrstuhl stellt sich unter allen Umständen als ein Trieb⸗ werk im Sinne des §. 1 Absatz 3 des Unfallversicherungsgesetzes und zwar als ein durch elementare Kraft bewegtes Werk, welches seinerseits Transportarbeiten verrichtet, dar. b. Stets versichert sind gewerbliche Fahrstuhlanlagen, das heißt solche, die der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen in der Weise dienen, daß die Anlage eine selbständige Einnahmequelle bildet. Bei anderen Anlagen, z. B. einer Fahrstuhlanlage in einem Privathause zur Bequemlichkeit der Bewohner, oder in einem Waarenhause zur Herbeischaffung von Waaren u. s. w., kommt es darauf an, ob nach Lage der Verhältnisse des Einzelfalls darin ein „Betrieb“ im Sinne der vorangesührten Gesetzesstelle zu erblicken ist oder nicht. c. Nur die bei dem Fahrstuhl beschäftigten,

auch die transportirten Personen sind ver⸗ sichert. Da, wo eine Person nur gelegentlich mit der Bedienung des Fahrstuhls befaßt wird, ist der anrechnungs⸗ fähige Lohn in Gestalt eines Bruchtheils des Gesammttage⸗ lohns nach Maßgabe der Dauer der täglichen Beschäftigung am Fahrstuhl festzustellen (vergl. Bescheid 315, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 121). d. Träger der Versicherung sind nach dem maßgebenden Bundesrathsbeschluß vom 21. Mai 1885, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1885 Seite 143, die Eisen⸗ und Stahl⸗Berufsgenossenschaften, soweit nicht der Fahrstuhlbetrieb als Bestandtheil oder Nebenbetrieb eines versicherungspflichtigen Hauptbetriebes zu einer anderen Berufsgenossenschaft gehört. In Anwendung des zu c ausgesprochenen Grundsatzes wurde in dem betreffenden Einzel⸗ falle bezüglich der Umlageberechnung für die Zeit, während welcher die Benutzung des Fahrstuhls jedem Bediensteten des Ge⸗ schäfts freigestanden hatte, dahin entschieden, daß nur die⸗ jenigen Angestellten als im Betriebe beschäftigte Arbeiter angesehen werden können, welche den Fahrstuhl bedient, d. h. in Bewegung gesetzt und zum Stillstand gebracht haben. Auch bezüglich dieser Arbeiter war indessen nicht das ganze Gehalt, sondern nur derjenige Theil des letzteren der Beitragsberech⸗ nung zu Grunde zu legen, welcher als Vergütung für die Beschäftigung in dem von dem Gesammtunternehmen allein versicherungspflichtigen Betriebe des Fahrstuhls anzusehen war; denn nur während der Dauer dieser Beschäftigung ngrdie Genossenschaft das Risiko eines etwaigen Betriebs⸗ unfalls.

Anläßlich der Seitens eines Genossenschaftsvorstandes angeregten Frage, ob die auf Kosten der Berufsgenossenschaft erfolgte Ausbildung eines verletzten rentenbezugsberechtigten Arbeiters zur Wahrnehmung von Obliegenheiten, zu deren Erfüllung der Beschädigte vor dem Unfalle nicht befähigt war (— ein als gewöhnlicher Arbeiter beschäftigt gewesener Ver⸗ letzter hatte seine Ausbildung zum Werkmeister auf Kosten der Berufsgenossenschaft bei dem Vorstande derselben beantragt —), als eine Veränderung der Verhältnisse im Sinne des §. 65 Absatz 1 des Unfallversicherungsgesetzes angesehen werden könne, hat sich das Reichs⸗Versicherungsamt unter dem 18. Oktober d. J. (Nr. 621) dahin ausgesprochen, daß über diese Frage zwar lediglich im Einzelfalle im vorgeschriebenen Instanzenwege eine Entscheidung zu treffen sein werde, daß indessen, wenn die Ausbildung thatsächlich mit SeFesc durch⸗ geführt ist, die Anwendung des §. 65 a. a. O. jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei.

Der Königliche Gesandte in Oldenburg, Graf zu Eulenburg, hat einen ihm bewilligten Urlaub an⸗ getreten.

Der General⸗Lieutenant Freiherr Roeder von Piessn sehe Kommandant von Darmstadt, ist zur Abstat⸗ tung persönlicher Meldungen hier eingetroffen.

Sachsen. Dresden, 24. November. (Dr. J.) Der König hat in einer gestern dem belgischen Gesandten, Baron Greindl, in der Königlichen Villa zu Strehlen er⸗ theilten besonderen Audienz dessen Beglaubigungsschreiben entgegengenommen.

Baden. Karlsruhe, 24. November. (Karlsr. Ztg.) Gestern Mittag traf der Erbprinz von Anhalt in Baden⸗Baden ein und stieg im Europäischen Hof daselbst ab. Der Erbprinz wurde von dem Großherzog und der Groß⸗ herzogin empfangen. Se. Hoheit speiste Abends bei der Großherzoglichen Familie.

SDSDesterreich⸗Ungarn. Wien, 25. November. (W. T. B.)

Das „Fremdenblatt“ schreibt bezüglich des seit wenigen Wochen in Wien erscheinenden Wochenblättchens „Schwarz⸗ gel *, über welches sich einige deutsche Blätter wegen eines rtikels mit unqualifizirbaren Invectiven gegen Deutsch⸗ land und das österreichisch⸗ deutsche Bündniß heftig aus⸗ ließen, daß die zweite Nummer dieser Wochenschrift mit dem in den deutschen Blättern behandelten Aufsatz von der Staatsanwaltschaft mit Beschlag belegt worden sei. Hieraus sei zu ersehen, weshalb die von den deutschen Blättern so ernst genommenen Emanationen des Wochenblattes, hinter welchem Niemand stehe als dessen Unternehmer, hier ganz unbeachtet und unerwidert geblieben seien. Als charakte⸗ ristisch Kaußt das „Fremdenblatt“ erwähnen zu sollen, daß dieses Wochenblatt ausschließlich in der französischen und

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russischen Presse eine reklameartige Vertretung gefunden habe, und daß speziell der Artikel, welcher die Indignation der deutschen Blätter hervorgerufen, und der Kenntniß des österreichischen Publikums durch das Einschreiten der Staats⸗ anwaltschaft rechtzeitig entzogen worden, schon am nächsten Tage vollinhaltlich in dem amtlichen „Dnjewnik Warschawski“ abgedruckt worden sei. 8

Spalato, 24. November. (W. T. B.) Das deutsche Schulgeschwader ist heute Vormittag unter Salutschüssen in den hiesigen Hafen eingelaufen. Contre⸗Admiral Hollmann, der Schiffsstab und der Militär⸗Attaché bei der deutschen Bot⸗ schaft, Major von Deines, landeten und besichtigten in Be⸗ gleitung des Statthalterei⸗Raths Truxa, des Hafenkapitäns und des deutschen Vize⸗Koonsuls den Dom und die übrigen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Rückkehr an Bord erfolgte 8 3 uhr Nachmittags, worauf das Geschwader nach Cattaro abdampfte.

ara, 25. November. (W. T. B.) Das deutsche Geschwader ist, von Spalato kommend, heute früh 9 Uhr in die Bocche eingelaufen und hat vor Meljine geankert.

Pest, 24. November. (W. T. B. Im Finanz⸗ ausschuß des Abgeordnetenhauses wurde heute Abend das Wehrgesetz vom finanziellen Gesichtspunkte aus berathen. Im Lauf der Debatte erklärte der Minister für Landesvertheidigung, Fejervary, eine Erhöhung des Friedens⸗ standes sei nicht in Aussicht genommen; in Folge der im Gesetz vorgesehenen Reform würden nur die budgetmäßigen Friedenscadres vollständig vorhanden sein; dies werde keine Mehrausgaben verursachen, da solche durch administrative Verfügungen ausgeglichen würden. Das Gesetz werde nicht eine Erhöhung des Friedensstandes zur Folge haben, sondern biete nur die Möglichkeit hierzu. Aus der Erhöhung des Rekrutenkontingents lasse sich das Recht zur Erhöhung des Friedensstandes nicht ableiten. Sollte dies der gemeinsame

riegs⸗Minister für nothwendig befinden, so werde dieser es vor den Delegationen motiviren. Hierauf wurde die Vorlage angenommen und beschlossen, die Erklärung des Ministers in den Bericht ausß daß aus dem Gesetz keine weiteren Mehrausgaben als die in demselben aufgeführten er⸗ wachsen werden.

Das Abgeordnetenhaus nahm mit überwiegender Maäajorität die Gesetzentwürfe über die Schankgefälle und die Regalienablösung als Grundlage für die am Montag beginnende Spezialberathung an.

Frankreich. Paris, 24. November. (W. T. B.) In dem heutigen Ministerrath theilte der Kriegs⸗Minister de Freycinet mit, daß er gestern die mit der Vorberathung des außerordentlichen Kriegsbudgets betraute Sub⸗ kommission aufgefordert habe, den Bericht schleunigst zu Ende zu führen, damit noch vor Jahresschluß das Pro⸗ gramm votirt werden könnte.

Der Quästor des Senats und ehemalige General⸗Direktor der Posten, Rampont, ist heute gestorben.

Fe der Deputirtenkammer brachte heute der boulan⸗ gistische Abg. Laisant einen Antrag ein, die Ueber⸗ reste des gm 2. Dezember 1851 gefallenen Deputirten Baudin in das Pantheon zu übertragen. Der Radikale Barodet konstatirte, daß er einen gleichen Antrag bereits gestellt habe. Floquet gab seinem Erstaunen Ausdruck, daß dieser Antrag nunmehr von einer Kammerfraktion ausgehe, welche mit den Bonapartisten verbündet sei, denn Baudin sei Republikaner ge⸗ wesen. Floquet bestätigte zugleich die Angabe Barodet's und nahm für dessen Antrag die Priorität und die Dringlichkeit in Anspruch, im Uebrigen gehe der Antrag Barodet weiter, als derjenige Laisant's, denn er erstrecke sich auch auf die Ueber⸗ reste von Hoche und Marceau. Laisant trat jür die Prio⸗ rität seines Antrags ein und sagte, er sei Republikaner, aber von der gegenwärtigen Republik nicht befriedigt, welche durch die Orleanisten geleitet werde. Floquet erwiderte, er habe niemals in irgendeiner Verbindung mit dem Grafen von Paris gestanden. (Beifall.) Die Kammer bewilligte dem Antrage Barodet die Priorität und lehnte mit 470 gegen 21 Stimmen die Dringlichkeit des Antrags Laisant ab. Die Berathung des Budgets wurde darauf fortgesetzt.

Wie die Blätter melden, besrderte der Marine⸗Minister Krantz auf Antrag Goblet's ein zweites Schiff zur Betheiligung an der Ueberwachung der ostafrika⸗ nischen Küste behufs Verhinderung des Sklavenhandels.

Nach einer Meldung aus Saigon hat der Kolonial⸗ rath auf Antrag des General⸗Gouverneurs eine Vorlage angenommen, betreffend eine Anleihe von 100 Millio⸗ nen Francs, die, garantirt durch Cochinchina, dazu bestimmt ist, einen Beitrag für die Kosten der ersten Einrichtungen in Tongking zu gewähren.

25. November. (W. T. B.) In einer von der Patriotenliga heute Nachmittag im Wagramsaale ab⸗ gehaltenen Generalversammlung hielt Déroulsde eine Rede, in welcher er sich vorwiegend mit der inneren Politik be⸗ schäftige. Unter Ruhmeserhebungen auf Boulanger und heftigen Angriffen gegen Ferry, Floquet, die Opportunisten und das Parlament führte Dérouléède aus, daß die Patrioten⸗Liga zwar stets eine patriotische, aber vor Allem eine mehr wie jemals Boulanger ergebene Vereinigung sei. Boulanger sei nicht der Angreifer, sondern der 1 „Wir wollen die Republik, den Fortschritt, Gerechtigkeit, Freiheit, die Revision und Neuwahlen. ir vergessen nicht die Befreiung des Gebiets, aber wir wollen nicht den Krieg, wir wollen die nationale Vertheidigung. Nieder mit der parlamentarischen Republik, es lebe die nationale Republik!“ Boulanger wohnte der Versammlung nicht bei. Die Ver⸗ sammlung verlief und schloß ohne ernsteren Zwischenfall.

Heute Abend fand in dem in der Rue Richelieu belegenen Restaurant Lemerdeley ein Boulangistenbanket statt. Von 8 Uhr ab hatte die den Wagenverkehr in der genannten Straße untersagt. Es hatten sich nur wenige Neu⸗ gierige eingefunden; drei oder vier Personen wurden verhaftet, weil sie „es lebe Boulanger, nieder mit Floquet“ gerufen hatien. Um 9 Uhr begannen die Theilnehmer am Banket ein⸗

utreffen. Die Ankunft Poisoree veranlaßte keinen Zwischen⸗

fall überhaupt fanden keinerlei Ruhestörungen statt. Um 11 ½ Uhr Abends traf Boulanger wieder in seiner Wohnung ein; die in den Straßen, welche Boulanger passiren mußte, aufge⸗ stellten Polizeibeamten verhinderten jede Kundgebung. Zahl⸗ reiche Mitglieder der Patrioten⸗Liga, welche die Place de la Concorde hatten verlassen müssen, nahmen indessen Wagen, umringten mit denselben den Wagen Boulanger's und brachten dem General Ovationen dar, als er den Industrie⸗ Palast passirte. Während des ganzen Abends wurden etwa 40 Personen verhaftet, von denen jedoch die meisten wieder freigelassen wurden.

26. November. (W. T. B) Bei den gestrigen Ersatz⸗ wahlen zur Deputirtenkammer im Departement Cötes⸗du⸗Nord wurden 2 Konservative gewählt, bei der Stichwahl im Departement Var siegte Cluseret.

Bei dem gestrigen Banket hielt Boulanger eine Rede, in welcher er gegen die allgemein verbreiteten Ansichten protestirte, daß er aggressive Hintergedanken habe, und an die Worte erinnerte, welche er 1886 bei dem Feste im Hippoprom sprach: Jedes Volk, welches leben wolle, müsse“ stark sein. In der gegenwärtigen Seg Europas, angesichts der von allen Nationen getroffenen Maßnahmen, würde Frankreich weniger in Sicherheit leben, wenn es weniger gerüstet, weniger vorbereitet als seine Nachbaren wäre. Frankreich sei wohl eifersüchtig auf seine Rechte, trachte aber doch nach dem Frieden und schütze die Arbeit. Er seinerseits, mehr Patriot als Soldat, wünsche sehnlichst die Aufrechterhaltung des Friedens, es gebe aber zwei Arten des Friedens: den Frieden, um welchen man bittet, und denjenigen, welchen man durch eine feste und würdige Haltung ““ der letztere sei allein derjenige, welcher den Franzosen gezieme. Boulanger fragte alsdann, ob Jemand wagen würde, eine andere Sprache zu führen, und verwünschte die gegenwärtige Politik, welche die Kräfte des Landes zersplittere und den trügerischen An⸗ schein von Schwäche erwecke er sage, einen trügerischen, denn jeder Appell an das Vaterland würde die inneren Zwistigkeiten aufhören machen. Boulanger griff hierauf die Politiker heftig an, welche, um die Flitter einer vorüber⸗ gehenden Gewalt zu erhalten, fast dienstfertig das Mitleid des Auslandes anflehen. Anspielend auf Ferry, behauptete Boulanger, das Volk habe den wirklich Schuldigen an den Pranger gestellt; derselbe habe, obwohl er die Ge⸗ fahren, die Frankreich bedrohen, gekannt habe, Soldaten, Schiffe und Geld in Tongking verschleudert. Schließlich be⸗ tonte der Redner die Nothwendigkeit, das Uebergewicht der materiellen Interessen zu bekämpfen, die an Stelle von edlen Triebfedern getreten seien, und forderte seine Anhänger auf, der Patrioten⸗Liga Beistand zu gewähren.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 24. November. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ weist auf die Kundgebungen herzlicher Sympathie hin, deren Gegenstand der Großfürst⸗ während seines Aufenthalts in Berlin Seitens Sr. Majestät des Kaisers, des gesammten Hofes und der Be⸗ völkerung gewesen sei und bemerkt dazu: Man ist glück⸗ lich bei uns, diese Kundgebungen verzeichnen zu können, obschon keineswegs überrascht davon, angesichts der persön⸗ lichen Liebenswürdigkeit des Großfürsten⸗Thronfolgers und bei den innigen Beziehungen der Freundschaft, die zwischen den beiden Kaiserlichen Familien bestehen. Das Blatt kon⸗ statirt ferner den friedlichen Charakter der vom Kaiser Wilhelm gehaltenen Thronrede.

Italien. Florenz, 24. November. (W. T. B.) Der Großfürst und die Großfürstin Sergius von Ruß⸗ land sind von Brindisi hier eingetroffen.

Schweiz. Bern, 24. November. (W. T. B.) Der Bundesrath hat den Beschlüssen der internationalen Kon⸗ ferenz, betreffend die Herstellung einer Karte des Boden⸗ sees, seine Genehmigung ertheilt. 8

Der⸗Bundes⸗Präsident Hertenstein mußte sich heute wegen Aderverstopfung einer Amputation des linken Beines, oberhalb des Knies, unterziehen. Die Operation ist gelungen, der Zustand des Patienten befriedigend.

26. November. (W. T. B.) In der gestern im Kanton Bern stattgehabten Volksabstimmung wurde die Frage: ob eine partielle Revision der kantonalen Ver⸗ fassung vorgenommen werden solle, mit 28 820 gegen 23 183 Stimmen verneint. Im Kanton Zürich wurde gestern bei der Wahl eines Mitgliedes in den National⸗ rath der radikal⸗demokratische, von der Arbeiterpartei unter⸗ stützte Kandidat, Redacteur Locher, mit 8845 gegen 5597. Stimmen, welche für den gemäßigt⸗liberalen Kandidaten Bert⸗ schinger abgegeben wurden, gewählt.

Rumänien. Bukarest, 24. November. (W. T. B.) Das Ministerium hat sich wie folgt rekonstituirt: Theodor Rosetti, Minister⸗Präsident, Carp, Minister des Aus⸗ wärtigen, Stirbey, Minister des Innern, Vernesco, Justiz⸗

Kinister, Alexander Lahovary, Domänen⸗Minister, Marghi⸗ loman, Minister der öffentlichen Arbeiten, General Mano, Kriegs⸗Minister, Majoresco, Minister des Unterrichts, Germani, Finanz⸗Minister.

Dänemark. Kopenhagen, 25. November. (W. T. B.) Anläßlich der Rede des Präsidenten des Folkethings gegen die Theilnahme an den Jubiläumsfestlich⸗ keiten des Königs hat die Rechte des Folkethings gegen die von dem Präsidenten „im Namen des Folkethings“ ge⸗ thanen Aeußerungen einen Protest eingebracht, der am Dienstag in der Kammer zur Erörterung kommen sol.

Die „Staatsbürger⸗Zeitung“ schreibt: 1 In der Thronrede verdient folgender Passus eine ganz besondere Beachtung: „Als ein theures Vermächtniß Meines in Gott ruhenden Herrn Großvaters habe Ich die Aufgabe übernommen, die von Ihm begonnene sozialpolitische Gesetzgebung fortzuführen. Ich gebe Mich der Hoffnung nicht hin, daß durch gesetzgeberische Maßnahmen die Noth der Zeit und das menschliche Elend sich aus der Welt schaffen

aber Ich erachte es doch für eine Aufgabe der Staats⸗ gewalt, auf die Linderung vorbandener wirthschaftlicher Be⸗ drängnisse nach Kräften hinzuwirken und durch organische Ein⸗ richtungen die Bethätigung der auf dem Boden des Christen⸗ thums erwachsenden Nächstenliebe als eine Pflicht der staatlichen Gesammtheit zur Anerkennung zu bringen.“ Mit diesen Worten hat der Kaiser den Standpunkt des absoluten Gehenlassens und des radi⸗ kalen Hinausweisens der Staatsgewalt aus den wirthschaftlichen und sozialen Fragen abgelehnt und anerkannt, daß der moderne Staat auch seinerseits mitwirken muß, die Lage der weniger bemittelten Klassen zu verbessern. Hierin ist mit Recht eine Pflicht der staatlichen Gemein⸗ schaften und die vornehmste ideale Aufgabe des deutschen National⸗ und Kulturstaates zu erblicken. Wir wissen sehr wohl, daß auch für den Staat die Möglichkeit der Einwirkung nur eine beschränkte ist, daß an der fortschreitenden Lösung der großen Kulturfragen der Gegenwart und der Zukunft die Einzelnen, die gemeinnützigen Vereinigungen aller Art, die kirchlichen Verbände, die Gemeinden ꝛc. mitzuwirken vaben; aber wir erkennen auch an, daß es weite Gebiete giebt, auf welchen nur die Reichsgesetzgebung und die Reichsgewalt, als Vertreterin der gesammten wirthschaftlichen Interessen des Volks, einzuwirken ver⸗

lassen,

mag und einwirken muß. Darüber muß die ganze deutsche Nation

einig sein, daß das Reich sich grundsätzlich einer solchen Kulturaufgabe nicht entziehen darf, daß nur dann der soziale Friede und eine ruhige nationale Entwickelung gesichert ist. 3

In dem entschlossenen Vorgehen des Kaisers, wie es in der Thronrede zum Ausdruck kommt, erblicken wir ein neues großes Verdienst desselben um Deutschland. Jene Definition des Liberalismus, welche in der Verminderung der Aufgaben des Staats, in der aus⸗ schließlichen Verweisung des Einzelnen auf die Selbsthülfe, in der Verwerfung aller wirthschaftlichen und sozialen, öffentlich rechtlichen Organisationen den Freisinn erblickt, welche den Freihandel mit der politischen Freibeit gewissermaßen identifizirt, welche in wirtbschaft⸗ lichen Dingen den Staat nichts thun lassen will, weil er nicht alles thun kann, diese Art von Liberalismus ist mit Recht durch die Kaiserlichen Worte ganz entschieden verdammt worden.

Unter der Ueberschrift „Hamburg und die nationale Produktion“ lesen wir in der „Deutschen volkswirth⸗ schaftlichen Correspondenz“:

Als die neue Wirthschaftspolitik in Deutschland durch das be⸗ kannte Schreiben des Reichskanzlers an den Bundesrath vom 15. De⸗ zember 1878 inaugurirt wurde, dessen leitende Gedanken Verminde⸗ rung der direkten Steuerlast durch Vermehrung der auf indirekten Abgaben beruhenden Einnahmen des Reichs und Schutz der natio⸗ nalen Arbeit waren, und als auf Grund dessen das Prinzip der all⸗ gemeinen Zollpflichtigkeit aller über die deulsche Grenze eingehenden Waarenartikel ins Auge gefaßt worden war, wovon nur die für die Industrie nothwendigen Rohstoffe ausgenommen werden sollten, welche in Deutschland gar nicht oder in nicht genügender Menge erzeugt werden da war es in erster Linie die Kaufmannschaft Hamburgs, welche sich mit großem Eifer gegen eine Aenderung der bisherigen Wirthschaftspolitik in Deutschland aussprach, indem sie den Untergang des deutschen überseeischen Handels durch Erhöhung und Vermehrung der e für besiegelt hielt und den Ruin der deutschen Seeschiffahrt und mit ihm denjenigen der deutschen Hansestädte voraussagte.

Nichts von alledem ist eingetreten. Im Gegentheil, Deutsch⸗ lands Seeschiffahrt hat sich zu großer Blüthe entfaltet; die deutschen Seeplätze haben an dem Aufschwunge der deutschen Volkswirthschaft selbst in umfassendster Weise Theil genommen und der deutsche über⸗ seeische Handel hat eine große Ausdehnung erlangt, wie man es früher nicht zu ahnen wagte. Allerdings hat sich die deutsche Industrie weit schneller entwickelt als der Konsum im Inlande; hier⸗ von aber haben unsere großen Exportplätze gleichfalls einen erheblichen Vortheil gehabt, indem sie für den Absatz der heimischen Erzeugnisse auf den ausländischen Märkten immer mehr eintreten konnten, während unsere Industrie jedem Winke, welcher ihr von den Seeplätzen zur Erhöhung der Exportfähigkeit zuging, bereitwillig folgte, sodaß sich zwischen Großhandel und Großindustrie nach und nach eine auf gegen⸗ seitiges Vertrauen gestüͤtzte Annäherung angebahnt hat, welche ehe⸗ mals in Deutschland vergeblich gesucht wurde, nunmehr aber nach dem Anschluß unserer beiden großen Hansestädte an das deutsche Zoll⸗ gebiet ihren Einfluß in segensreichster Weise geltend machen wird.

In der letzteren Hoffnung werden wir erheblich bestärkt, wenn wir die Handelsstatistik Hamburgs zur Hand nehmen und einen Ver⸗ gleich anstellen zwischen der Einfuhr Hamburgs aus Großbritannien und derjenigen aus dem deutschen Hinterlande sonst und jetzt. Es ist ja bekannt, daß man sich in Hamburg ehemals mit großer Vorliebe dem Vertriebe englischer und auch französischer Waaren widmete, welche auf dem Seewege leicht zu beziehen, im Auslande große Achtung genossen und sich deshalb ganz besonders für den Handel eigneten. Neuerdings hat sich dies wesentlich geändert, nachdem die deutschen Erzeugnisse auf dem Weltmarkt wegen der Solidität und des Geschmacks ihrer Aus⸗ führung bedeutend an Ansehen gewonnen und nicht allein den eng⸗ lischen Eisen⸗ und Textilfabrikaten nichts mehr nachgeben, sondern auch mit den sogenannten Pariser Waaren vielfach in die Schranken zu treten als wohl geeignet sich erwiesen haben. Welchen Einfluß aber dieser Umstand nach und nach auf die Hamburger Importver⸗ hältnisse ausgeübt hat, mag man aus folgenden Angaben entnehmen. Hamburgs Einfuhr in Millionen Mark:

im Durchschnitt im von Groß! ritannien Ganzen uund Irland 409,2 29,7 670,2 8 996,6 1727,8 2121,5

1 2080,7

8 2285,8

Die Einfuhr Hamburgs gewährt ein Bild von seiner Ausfuhr, da nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil der nach Hamburg impor⸗ tirten Waaren daselbst konsumirt wird. So ergiebt sich, daß Hn burgs Vertrieb von britischen Waaren seit Mitte der vierziger Jahre auf das 3 ½fache, derjenigen deutscher dagegen auf fast das Achtfache stieg. Ist ferner die Zufuhr britischer Waaren nach Hamburg neuer⸗ dings beträchtlich zurückgegangen, so hat sich diejenige deutscher Waaren fast konstant vermehrt. Im Jahre 1887 machten die deutschen Waaren dem Werth nach sogar über die Hälfte der gesammten Hamburgischen Einfuhr aus, die britischen Artikel betrugen hiervon nur ungefährt , in den fünf Jahren 1846/50 dagegen belief sich der deutsche Antheil an der Einfuhr Hamburgs nur auf 38,8 %, derjenige englischer Waaren auf 31,7 %. Offenbar sind diese Verhältnisse derartige, daß unsere Industrie wohl damit zufrieden sein kann; wenn man nun erwägt, daß der soeben zur Thatsache gereifte Zollanschluß Hamburgs eine noch weit günstigere Gestaltung dieser Verhältnisse in sichere Aussicht stellt, so ist das wiederum eine Errungenschaft unserer natio⸗ nalen Wirthschaftspolitik, die wahrlich hoch angeschlagen werden muß.

Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 48. Inhalt: Verfügungen: Vom 20. November 1888: Zulässigkeit von Post⸗ packeten im Verkehr mit Süd⸗Australien.

Statistische Nachrichten.

„Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen Universität zu Greifswald im Winter⸗ Semester 1888/89. Vorläufige Feststellung. A. Im Sommer⸗Semester 1888 sind immatrikulirt gewesen 1049. Davon sind: a. ver⸗ storben —, b. abgegangen mit Exmatrikel 379, c. weggegangen, ohne sich abzumelden und daher gestrichen —, d. gestrichen auf Grund des §. 13 der Vorschriften für die Studirenden ꝛc. vom 1. Oktober 1879 —, e. gestrichen aus sonstigen Gründen zusammen 379. Es sind demnach geblieben 670. Dazu sind in diesem Semester gekommen 190. Die Gesammtzahl der immatrikulirten Studirenden beträgt daher 860. Die theologische Fakultät zählt Preußen 243, Nichtpreußen 57, zusammen 300. Die juristische Fakultät zählt Preußen 60, Nichtpreußen 3, zusammen 63. Die medizinische Fakultät zählt Preußen 374, Nichtpreußen 31, zu⸗ sammen 405. Die philosophische Fakultät zählt a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 69, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife, nach §. 3 der Vorschriften für die Studirenden der Landesuniversitäten vom 1. Oktober 1879 16, c. Nichtpreußen 7, zusammen 92. B. Außer diesen immatrikulirten Studirenden haben die ee zum Hören der Vorlesungen vom Rektor erhalten: nicht immatrikulationsfähige Preußen und Nichtpreußen 12. Die Gesammtzahl der Berechtigten ist mithin 872. Von diesen Berechtigten hören Vorlesungen: AA. von den immatrikulirten Studirenden: in der theologischen Fakultät 300, in der juristischen Fakultät 63, in der medizinischen Fakultät 404, in der philofophischen Fakultät 91,, zusammen 858. Vom Hören der Vorlesungen dispensirt sind: in der theologischen Fakultät —, in der juristischen Fakultät —, in der medizinischen Fakultät 1, in der philosophischen Fakultät 1, zusammen 2. BB. Von den übrigen be⸗ re Nicht immatrikulirte Preußen und Nichtpreußen,

welche vom Rektor die Erlaubniß dazu erhalten haben, 12. Die Fesseantahl der Berechtigten, welche Vorlesungen hören, ist mit⸗ in 1

Die Nr. 423 (November 1888) der „Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landes⸗ statistik“ hat folgenden Inhalt: Morbidität in den Heilanstalten im Großherzogthum Hessen 1887. Handwerker⸗ und Kunstgewerbe⸗ Schulen im Großherzogthum Hessen 1887/88. Meteorologische Beobachtungen zu Darmstadt Oktober 1888. Meteorologische Beobachtungen zu. Schweinsberg Oktober 1888. Meteorologische Beobachtungen zu Kassel Oktober 1888.— Vergleichende metaorologische Beobachtungen Oktober 1888. Preise der gewöhnlichen Verbrauchs⸗ gegenstände Oktober 1888. Sterblichkeitsverhältnisse Oktober 1888.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der vorliegende siebenunddreißigste Band der im Verlage von S. Hirzel in Leipzig erscheinenden „Publikationen aus Königlich preußischen Staatsarchiven“ enthält die von dem Königlichen Rath und Bibliothekar zu Hannover, Dr. Eduard Bodemann, herausgegebenen Brief der Kurfürstin Sophie von Hannover an die Raugräfinnen und Raugrafen zu Pfalz. Auf dem ehelichen Leben des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, des Bruders der Kurfürstin Sophie, lag ein dunkler Schatten. Seine Gemahlin Charlotte, die Tochter des Landgrafen Wilhelm von Hessen⸗ Kassel und der hochsinnigen Amalie, erwiderte die Liebe des Kurfürsten mit Kälte und stolzer Zurückhaltung; ihre Launen⸗ baftigkeit und ihr widerstrebender Sinn ließen kein harmo⸗ nisches Zusammenleben aufkommen. Zuletzt mehrten sich die Mißverhältnisse derart und ward die Abneigung des Kurfürsten gegen seine Gemahlin so stark, daß er seine Neigung dem anmuthigen und reichbegabten Hoffräulein derselben, Luise von Degenfeld, zuwandte und diese sogar am 6. Januar 1658 als zweite Gemahlin, mit dem ihr verliehenen Titel „Raugräfin zu Pfalz“, sich antrauen ließ. Aus dieser zwanzigjährigen morganatischen Ehe entsproßten 14 Kinder, von denen jedoch 6 in früher Kindheit verstarben. Mit schweren Sorgen über die Zukunft ihrer Kinder war die Raugräfin Luise gestorben und hatte noch auf dem Sterbebette dieselben der Fürsorge der Kurfürstin Sophie von Hannover innigst empfoblen. Als dann Kurfürst Karl Ludwig am 28. August 1680 starb, hinterließ er diese Kinder ohne gesicherte Sub⸗ sistenzmittel, da er in Betreff ihrer Versorgung unentschlossen und wandel⸗ bar geblieben war. Da war es die Kurfürstin Sophie von Hannover, welche sich der unglücklichen verwaisten Kinder ihres so geliebten seligen Bruders als ein wahrer Schutzengel, erhabenen Herzens und mit unermüdlicher Großmuth annahm. Diese Liebe und Fürsorge der Kurfürstin für dieselben zeigen die vorliegenden, seit dem Todesjahre ihres Bruders an die Raugräfinnen und Raugrafen gerichteten Briefe. Die Art und Weise, wie sie ihre Hülfe bot, die Einkleidung, welche sie ihren Geschenken gab, um nicht auf irgend eine Weise ihre „herz⸗ lieben Basen und Neffen“ zu demüthigen, zeugen von einem sehr edlen Herzen. Aber auch in andern Beziehungen sind diese Briefe von großem Interesse und Werth. Bieten dieselben auch keine große rein politische Ausbeute und Aufschlüsse, so doch werthvolle Beiträge zur Geschichte politisch bedeutender Persönlichkeiten jener Zeit und liefern uns ein interessantes und in hohem Grade unterrich⸗ tendes Kulturbild jener Tage. Besonders auch das Leben und Treiben an den deutschen Fürstenhöfen am Ende des 17. und im Anfange des 18. Jahrhunderts tritt uns aus ihnen anschaulich entgegen. Ein reiches Material bieten die Briefe für das Leben der Kurfürstin Sophie und gewähren einige höchst interessante Einblicke in deren Charakter und Persönlichkeit; lebensvoll spiegelt sich ihr ganzes Wesen in diesen Briefen ab; wie die im 26. Bande der „Publika⸗ tionen aus den Königlich preußischen Staatsarchiven“ herausgegebenen Briefe an ihren Bruder, sprühen von Geist und Humor, launiger Munterkeit, Witz und drastischer Ausdrucksweise.

Als Nachtrag zur 18. Auflage des Buches „Der Dienst des Infanterie⸗Unteroffiziers“ von F. Graf von Waldersee, Königlich preußischem General⸗Lieutenant, ist soeben in R. Gaertner’'s Verlag (Hermann Heyfelder) zu Berlin (SW., Schsrerne stxa 26), erschienen: „Exerzieren und Garnison⸗ wachtdienst für den Infanterie⸗Unteroffizier“. Der vorliegende Nachtrag bringt die Kapitel XIV und XVII in neuer Be⸗ arbeitung nach dem Exerzier⸗Reglement für die Infanterie vom 8 e“ 1888 und der Garnisondienstvorschrift vom 13. Okto⸗ er 1888.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Spanien.

Zufolge einer in der „Gaceta de Madrid“ veröffentlichten Bekanntmachung der General⸗Direktion des spanischen Gesundheits⸗ amts vom 14. November 1888 ist in den spanischen Häfen gegen die Provenienzen von der Insel Santa Cruz de la Palma (Kana⸗ rische Inseln) wegen Ausbruchs des gelben Fiebers Qua⸗ rante dnet worden.

GSewerbe und Handel.

Berlin, 24. November. (Wochenbericht für Stärke, Stärke⸗ fabrikate und Hülsenfrüchte von Maxr Sabersky.) Ia. Kar⸗ toffelmehl 28 29 ℳ, Ia. Kartoffelstärke 27 ½ 28 ½ ℳ, IIa. Kar⸗ toffelstärke und Mehl 26 27 ½ ℳ, feuchte Kartoffelstärke loco und Parität Berlin einzelne Waggons je nach Lage der Absangs⸗ station höher bez. 13,75 ℳ, gelber Syrup 28 28 ½ ℳ, Capillar Export 31 31 ½ ℳ, do. Syrup 30 30 ½ ℳ, Kar⸗ toffelzucker Capillar 29 —30 ℳ, do. gelber 27 27 ½ ℳ, Rum⸗Couleur 36 40 ℳ, Bier⸗Couleur 36 40 ℳ, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 37 38 ℳ, do, sekunda 31 32 ℳ, Weizenstärke (kleinst.) 37 39 ℳ, Weizenstärke (großstück.) 43 44 ℳ, Hallesche und Schlesische 43 44 ℳ, Schabe⸗Stärke 32 36 ℳ, Mais⸗ Stärke 34 36 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 45 47 ℳ, vo. (Stücken) 42 44 ℳ, Victoria⸗Erbsen 20 22 ℳ, Kocherbsen 19 21 ℳ, grüne Erbsen 19 21 ℳ, Futtererbsen 15 ½ 16 ℳ, Leinsaat 21 ½ 23 ℳ, Mais loco 14 ½ 15 ℳ, Linsen, große 44 56 ℳ, do. mittel 32 44 ℳ, do. kleine 24 30 ℳ, gelber Senf 16 22 ℳ, Kümmel 46 52 ℳ, Buchweizen 15 16 ℳ, inländische weiße Bohnen 21 ½ 22 ½ ℳ, breite Flachbohnen ℳ, ungarische Bohnen 21 ½ 22 ½ ℳ, galizische und russische Bohnen 19 20 ℳ, Hanfkörner 17 ½ -— 19 ℳ, Leinkuchen 16 —18 ℳ, Mohn, weißer 40 44 ℳ, do. blauer 37 40 ℳ, Raps⸗ kuchen 16 16 ¾ ℳ, Weizenschale 10,20 ℳ, Roggenkleie 11,00 ℳ, Hirse, weiße 18 22 Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg.

Das Kuratorium der Preußischen Renten⸗Versiche rungs⸗Anstalt macht bekannt, daß der durch Beschluß vom 6. Juli 1886 herabgesetzte Zinsfuß für Spareinlagen bei der Anstalt vom 1. Januar 1889 ab dahin abgeändert wird, daß Einlagen nach 8 6 A des Reglements jährlich mit 2,76 % (monatlich 0,23 %), Einlagen nach §. 6 B jährlich mit 3 % (monatlich 0,25 %) und Einlagen nach §. 6 C des Reglements jährlich mit 3,24 % (monat⸗ lich 0,27 %) verzinst werden.

Der Aufsichtsrath der Stärke⸗Zucker⸗Fabrik Aktien⸗ Gesellschaft vorm. C. A. Köhlmann & Co. in Frankfurt a/O. hat beschlossen, für das am 30. September 1888 abgelaufene Ge⸗ schäftsjahr neben reichlichen Abschreibungen den Reservefonds auf die volle statutenmäßige Höhe zu bringen und die Vertheilung einer Dividende von 12 ½ % der Generalversammlung vorzuschlagen.

London, 24. November. (W. T. B.) An der Küste 5 Weizen⸗ ladungen angeboten.

26. November. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 17. bis 23. November: Englischer Weizen 3784, fremder 72 141, englische Gerste 1414, fremde 53 551, englische Malzgerste 16 068, fremde —, englischer Hafer 304, fremder 33 407 Orts. Englisches Mebl 20 991, fremdes 22 072 Sack und 1540 Faß.

Glasgow, 24. November. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 1 028 914 Tons

segen 936 783 Tons im vorigen Jahre. Die Zahl der im Betrieb efindlichen Hochöfen betrug 80 gegen 84 im vorigen Jahre. Mailand, 24. November. (W. T. B.) Die Einnahmen des Italienischen Mittelmeer⸗Eisenbahnnetzes während der zweiten Dekade des Monats November 1888 betrugen nach proviso⸗ (rischer Ermittelung: im Personenverkehr 1 265 330 Lire, im Güterverkehr 2 011 298 Lire, zusammen 3 276 628 Lire gegen 3 161 828 Lire in der gleichen Periode des Vorjahres, also mehr 114 800 Lire. New⸗York, 24. November. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 8 885 797 Doll., davon für Stoffe 1 819 225 Doll. Der Werth der Einfuhr ö betrug 8 490 997 Doll., davon für Stoffe 24 927 Doll.

Submissionen im Auslande.

Oesterreich. 12. Dezember, 11 Uhr. Wien. Verwaltungsrath der K. K.

priv. Lemberg⸗Czernowitz⸗Jassy⸗Eisenbahngesellschaft: —Lieferung von Eisen⸗, Stahl⸗ und Metallwaaren, Erd⸗ und Steinmaterialien, Woll⸗, Posamentier⸗ und Seilerwaaren, Tapeten, Borst⸗, Kautschuk⸗, Leder und Glaswaaren, Fetten, Fackeln, Firniß, Lacken, Farbwaaren und Chemikalien. Kaution 5 %. Näheres an Ort und Stelle.

Spanien.

1) 20. Dezember, 2 Uhr. Direccion General de Correos y S Madrid: Lederhüllen als Reisesäcke, Brieftaschen, kleine

er ꝛc.

22) 21. Dezember, 2 Uhr. Direccion General de Correos y Felergeo⸗ e“ für die Zu⸗ und Abfuhr der

zZahnhöfe, zwei Tilburys zum olen der Briefschaf Stadtbriefkasten. 8 ö111““

3) 27. Dezember, 10 Uhr. Laboratorio Central de medicamen- tos de Sanidad militar Madrid: Der Bedarf an Medizinal⸗ und Konsumartikeln und Rohmaterialien für den Gebrauch der Armee während des Etatsijahres 1888/89.

4) Ohne Datum. Junta de Administracion y Trabajos del Arsenal de la Carraca: Verschiedene Materialien für die 1., 2. und 5. Abtheilung des Arsenals Voranschlag 3034,94 Pesetas. Kaution 151 Pesetas. Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs⸗Anstalten.

Hamburg, 24. November. (W. T. B.) Der Postdampf

85 1 24. U vLer. . D. 2 8 pfer „Alemania: der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ tiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute in Thomas eingetroffen.

26. November. (W. T. B.) Der Postdampfer „Gellert“, der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfabrt⸗Aktiengesell⸗ schaft hat, von New⸗York kommend, gestern Nachmittag 2 Uhr Lizard passirt

Ak St

Theater und Musik.

Im Berliner Theater gelangte am Sonnabend Richard Voß' Schauspiel „Eva“ zur Aufführung. Es ist tief⸗ sinniges Problem, dessen Lösung er hier versucht, sondern in Form eines dramatisirten Romans schildert er uns mit packender Dar⸗ stellungskunst die Seelenkämpfe, in welche die Leidenschaftlichkeit und Schwäche der menschlichen Natur eine Reihe lebenswahr gezeichneter Figuren führt. Graf Dühren hat sich in eine Spekulation einge⸗ lassen, durch deren Fehlschlagen alle daran Betheiligten mehr oder minder schwer geschädigt werden. Da er dabei nicht ganz korrekt ver⸗ fahren, giebt er sich selbst den Tod. Seine Tochter Eva ist mit dem jungen Grafen Elimer verlobt; als sie aber die Schuld ihres Vaters erkennt und namentlich den Fabrikanten Johannes Hartwig, einen braven Menschen, der sich mühsam emporgearbeitet hat, durch ihren Vater in Schande und Bedürftigkeit gestürzt sieht, da giebt sie, einer augenblicklichen Regung folgend und von Mitleid für Hart⸗ wig ergriffen, ihren eigentlichen Bräutigam auf und wird die Gattin des Fabrikanten, der für sie eine hoffnungslose Liebe gehegt hat. Dieser seltsame Entschluß Eva's hat viel Unwahrscheinliches an sich, doch beruht auf ihm die Fortentwickelung der Handlung. Wir finden im zweiten Akt Eva als Gattin des biedern Hartwig wieder; aber sie ist nicht glücklich, die gedrückten, ihrer Erziehung und Lebensanschauung nicht entsprechenden Verhältnisse sagen ihr nicht zu, der Aufenthalt in der Häuslichkeit wird ihr durch die im Grunde ihres Herzens gute, aber wunderliche und verbitterte alte Mutter des Gatten verleidet; an ihrem Herzen nagt die Reue über ihren damaligen un⸗ überlegten Entschluß. Graf Elimar hat sie nicht vergessen, und end⸗ lich vermag er seiner Sehnsucht, sie wiederzusehen, nicht zu wider⸗ stehen; er sucht sie auf, und um den Seeklenfrieden der unglücklichen Frau ist es geschehen. Sie gesteht ihrem Gatten, daß sie ihn nie geliebt, daß sie auch jetzt noch dem früheren Anbeter zugethan ist. Empört über ihre Herzlosigkeit, stößt Hartwig sie aus dem Hause, und sie, im Vertrauen auf die söoeben erst noch vernommenen Liebesschwüre Elimar's nimmt zu diesem ihre Zuflucht; aber hier harrt ihrer eine furchtbare Enttäuschung. Elimar ist ein Rous, der nur zu bald ihrer überdrüssig wird und sie wohl zur Geliebten, aber nicht zur Frau haben möchte; seine Leidenschaft für sie weicht bald der Gleichgültigkeit, dem Ueberdruß. Ueber seinen wahren Charakter wird Eva aufgeklärt durch den Besuch der Toinette, eines jungen, von Elimar verführten urd verlassenen Mädchens, das in denselben Räumen wohnte, welche Eva jetzt inne hat. Empört stellt Letztere den Grafen zur Rede, und als er durch seine verletzenden Reden sie zur Ver⸗ zweiflung treibt, erschießt sie ihn. Der fünfte Akt führt uns in ein Gefangenenhospital. Eva, welche vier Jahre im Gefängniß zugebracht, erlebt den Tag ihrer Freilassung und zugleich ibrer Auflösung: in den Armen ihres sie noch immer liebenden Mannes, der sie wieder aufzunehmen bereit ist, haucht sie ihr Leben aus. Man sieht, Voß arbeitet mit starken Mitteln, und die Sensation, auf welche er hinzielte, hat er erreicht, sein Schauspiel ist ein Sensations⸗ stück mit allen Eigenheiten und Fehlern eines solchen. Der Wirkung halber werden hier außerordentliche Ereignisse in rascher Abwechslung und in ihren Folgen zusammengestellt. Ein Fallissement, die Trennung eines Verlöbnisses, die Vermählung einer Aristokratin mit einem Handwerker, die Lösung dieser Ehe, die Erschießung des Grafen, der Tod im Gefängniß das liest sich wie die Ueberschriften aus einem Subscriptionsroman. Aber dennoch muß man dem Dichter Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Charakteristik der einzelnen Personen ist eine treffliche, es sind n. nach dem Leben gezeichnet, und ihre Anschauungen und Ge⸗ innungen entsprechen, abgesehen von einigen Momenten, wo der Dichter der größeren Wirkung halber übertreibt, der Wirklichkeit. Die Handlung ist reich an fleißig besbachteten psychologischen Fein⸗ heiten und zeigt, daß der Dichter die menschliche Seele studirt hat und ihre Empfindungen zu schildern versteht. Die schwache Technik des Werks, das eigentlich nur aus Bildern besteht, welche Situationen aus verschiedenen Zeitpunkten bringen, tritt zurück vor der packenden dramatischen Kraft, welche Voß in jeden Akt zu legen verstanden hat; er reißt den Zuschauer mit fort und läßt ihm keine Zeit, den kalt berechnenden Verstand über die Empfindung des Augen⸗ blicks obsiegen zu lassen. Erst bei späterer nüchterner Ueberlegung, wo der Zuschauer daran geht, die Handlungsweise der in dem Schau⸗ spiel auftretenden Personen näher zu betrachten und auf ihre Ent⸗ stehung und Folgen zu prüfen, wird er bemerken, daß der Dichter mehr an sein Gefühl als an sein kritisches Urtheil appellirte, wird ihm aber gern zugestehen, daß es ihm vollauf gelungen ist, zu rühren, zu erschüttern und, wenn auch mit etwas gewaltsamen Mitteln, anzuregen und zu unterhalten. 5 bedurfte es auch ausgezeichneter Darsteller, um einen solchen Erfolg zu erzielen, und diese fand Voß in den Vertretern der wichtigsten Rollen. Hr. Barnay schuf aus dem biederen Ehegatten Hartwig eine prächtige Charakterstudie. Ganz so konnte man sich den

durch eigene Kraft emporgekommenen redlichen kleinen Fabrikanten

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