1888 / 301 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Nov 1888 18:00:01 GMT) scan diff

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943 000 verbleibt. Für die preußische Militärverwaltunz, will ich zur Erläuterung beifügen, ist bei den fortdauernden Ausgaben ein Mehrbedarf von 1 192 000 in Aussicht genommen, bei den ein⸗ maligen eine Ersparniß von 242 000 Unter den erheblicheren Mehrbedürfnissen sind hervorzuheben etwa 400 000 für Manöver⸗ kosten, nach den Erfabrungen, die in den letzten Jahren gemacht sind, etwa 6, 0 000 Mehrkosten beim Ankauf der Remonten. Es hat sich die Nothwendigkeit berausgestellt, höhere Preise zu zahlen, als sie bei den Veranschlagungen zum Etat angenommen waren. 400 000 etwa werden an Reisekosten und Tagegeldern, 400 000 an Vorspann⸗ und Transportkosten im preußischen Etat mebr aus⸗ gegeben werden, hauptsächlich wegen des stärker angewandten Eisen⸗ bahntransports der Truppen bei den Uebungen. Diese stärkere In⸗ anspruchnahme der Eisenbahnen für diese Transporte ist im mili⸗ tärisch⸗dienstlichen Interesse erfolgt, sie kommt aber andererseits auch dem Lande zu Gute, dessen Einquartierungslast da⸗ durch vermindert ird. 580 000 Mehrausgaben wer⸗ den roraussichtlich entstehen bei dem Zuschuß zur Militär⸗ Wittwenkasse, wesentlich wegen der Einnahmeausfälle in Folge des Reliktengesetzes vom 17. Juni 1887 und zugleich wegen des zurückgehenden Zinsertrages aus dem Kassenkapital. Bei der Naturalverpflegung, Kap. 25, rechnet man im preußischen Etat wesentlich in Folge der billigeren Vorausbeschaffung des Vorjahres, auf eine Ersparniß von 1 ½ Millionen Mark. Aehnliche Ersparnisse stellen sich im sächsischen und württembergischen Etat heraus. Dem Gesammtmehrbedarf entsprechend verändert sich auch die an Bayern zu zahlende Ouote. Bei den fortdauer den Ausgaben der Marine⸗ verwaltung, einschließlich 77 000 ℳ, welche im Kap. 75 beim allgemeinen Pensionsfonds zu Zwecken der Marineverwaltung aus⸗ geworfen sind, ist vorauszusehen ein Mehrbedarf von 894 (00 ℳ, bei den einmaligen Ausgaben ein Mehrbedarf von 33 000 ℳ, zusammen 927 5000 Die Summe aller dieser Mehrausgaben beträgt 2 415 000 ℳ, also rund etwa 2 ½ Millionen Mark.

Es stehen aber diesen Mehrausgaben voraussichtlich folgende Minderausgaben gegenüber: beim Etat der Reichs⸗Justiz⸗ verwaltung, fortdauernde Ausgaben etwa 55 000 ℳ, hauptsächlich bei den Kosten für die Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs, bei der Reichsschuld etwa 1 100,9000 wegen geringerer Begebung von Anleiheposten. Wenn man diese Minderausgaben von den vorhergenannten Mehrausgaben abzieht, so bleibt eine voraus⸗ sichtliche Mehrausgabe von 1 260 000

Was die Einnahmen betrifft, so sind Mindereinnahmen zu erwarten vor allem bei der Zuckersteuer, im Ganzen 15 840 000 ℳ, und zwar wird veranschlagt bei der Materialsteuer weniger 16 057 000 ℳ, bei der Verbrauchsabgabe mehr 217 000 ℳ, bleiben weniger 15 840 000 Bei der Maischbottich⸗ und Branntweinmaterialsteuer wird voraussichtlich eine Mindereinnahme sich ergeben von 4 460 000 ℳ, und ich darf wohl hier gleich vorgreifend erwähnen, daß bei der den Einzelstaaten zufließenden Verbrauchsabgabe für Branntwein und Zu⸗ schlag für dieselbe eine Mindereinnahme von 26 ½ Millionen rund in Aussicht steht. Bei den Aversen für Zuckersteuer, Salzsteuer, Maisch⸗ bottichsteuer und Brausteuer wird sich voraussichtlich eine Minder⸗ einnahme von 2 470 000 herausstellen, so daß die Summe der zu erwartenden Mindereinnahmen, welche auf den Finanz⸗Etat der Reichs⸗ kasse von direktem Einfluß sind, sich auf 22 770 000 stellen wird. Der Hauptposten hierüber, der Ausfall bei der Zuckersteuer, glaube ich, wird Denjenigen, welche an der Etatsberathung selbst theilgenommen haben, nicht unerwartet kommen.

Mehreinnahmen sind zu erwartzn bei der Salzsteuer 440 000 ℳ, bei der Brausteuer 2 860 ℳ, beim Spielkarten⸗ stempel erwa 95 000 ℳ, bei der Wechselstempelsteuer 120 000 ℳ, bei der statistischen Gebühr 70 000 ℳ, bei der Post⸗ und Telegraphenverwaltung rund 1 Million Mark, bei der Eisenbahnverwaltung 2 200 000 ℳ, bei den verschiedenen Verwaltungseinnahmen 2 700 000 und endlich bei den Zinsen von belegten Reichsgeldern, einem im Ganzen in seinem Ertrage sinkenden Posten unseres Etats, 65 000 Die Summe dieser zu erwartenden Mevreinnahmen berechnet sich auf 10 550 000 ℳ.

Dem stehen gegenüber voraussichtliche Mindereinnal men: 22 770 000 ℳ, bleibt im Ganzen eine Mindereinnahme von 12 220 000 Dazu die Mehrausgabe von 1 260 000 giebt den Fehlbetrag von 13 480 000 oder rund 13 ½ Millionen, und man kann wohl, wenn man das Gesammtresultat überblickt, die Haupt⸗ ursache dieses Fehlbetrags auch in diesem Jahre in dem Ausfall an der Zuckersteuer suchen.

Was nun diejenigen Einnahmen betrifft, welche den Einzelstaaten gesetzlich zu überweisen sind, so wird sich im Vergleich zum Etat voraussichtlich bei den Zöllen eine Mehrüberweisung von 18 ½ Millionen rund ergeben.

Ich bemerke, daß bei dieser Schätzung mit in Anschlag gebracht ist diejenige Einahme, welche aus den Gebieten der Reichskasse zu⸗ fließen wird, welche bisher von dem Zollgebiet ausgeschlossen waren und ihm jetzt angeschlossen worden sind. Es ist mit Rücksicht auf die in diesen Gebieten voraussichtlich jetzt vorhandenen Waarenbestände eine nicht unerhebliche Summe bei der Berechnung gekürzt worden; ich glaube aber, daß eine größere Kürzung, als wir vorgenommen haben, nicht nothwendig sein wird. Die Gesammtresultate der Nach⸗ steuer in den Hansastädten und den angrenzenden Gebieten sind zwar noch nicht bekannt; nach denjenigen Zahlen aber, die mir bisher zu⸗ gegangen sind, nehme ich an, daß die Nachsteuer geringere Einnahme⸗ erträge aufweisen wird, als man erwartet hatte. Es ist also anzu⸗ nehmen, daß die vorhandenen Bestände an Waaren relativ geringer sein werden, als sie bei den frühberen Zollanschlüssen waren.

Bei der Tabacksteuer ist eine Mindereinnahme zu erwarten, und dementsprechend eine Mehrüberweisung von 1 210 000 ℳ, dagegen natürlich bei den Aversen für Zölle und Tabacksteuer ein bedeutender Ausfall, man berechnet ihn auf etwa 870 000

Bei der Verbrauchsabgabe von Branntwein und dem Zuschlag zu derselben wird sich, wie bereits erwähnt, wahrscheinlich ein Ausfall von 26 ½ Millionen ergeben, bei den fälligen Nachsteuerkrediten eine Mehreinnahme von 1 295 000 und bei der Stempelabgabe für Werthpapiere 3 375 000 voraussichtliche Mehrüberweisung. Im Ganzen werden hiernach rund 3 Millionen Mark weniger, als in Aussicht genommen, an die Einzelstaaten zur Ueberweisung gelangen.

Ueberraschend hoch ist der Ausfall bei der Verbrauchsabgabe von Branntwein und dem Zuschlag zu derselben. Die Gründe, welche diesen Ausfall herbeigeführt haben, sind mit voller Klarheit im gegen⸗ wärtigen Moment noch nicht zu übersehen; zweifellos haben dabei verschie⸗ dene Momente zusammengewirkt. Es haben eingewirkt auf diesen Ausfall die beim Beginn der jetzigen Wirthschaftsperiode nach Erlaß des Brannt⸗ weinsteuergesetzes vorhandenen Bestände; es hat vielleicht eine Ueber⸗ schätzung des inländischen Konsums stattgefunden; vielleicht ist der inländische Konsum zurückgegangen. Alle diese Dinge kann man zur Zeit nicht genau übersehen, und wie ich vorgreifend hier bereits erwähnen will wie die Herren bei Durchsicht der Etatsvorlage gefunden haben werden, hat man beim Ansatz der Einnahmen aus dieser Steuer für das Etatsjahr 1889/90 den Weg eingeschlagen, daß man von denselben Voraussetzungen und Veranschlagungen ausgegangen ist, welche bei der Berathung des Branntweinsteuergesetzes zu Grunde gelegen haben, aus dem einfachen Grunde, weil man irgend einen. besseren Anhalt zur Zeit zu gewinnen nicht im Stande war.

Der Etat für das Jahr 1889,/90 setzt an Matrikularumlagen (ich nenne hier die im Etat angenommene Zahl; es ist ja

eigentlich nicht diejenige Zahl, welche die Matrikularbelastung richtig

darstellt) der Etat setzt an Matrikularumlagen ein die Summe von 221 140 567 ℳ, das sind gegen den vorigen Etat mehr 1 765 108 ℳ; an Ueberweisungen an die Einzelstaaten dagegen nimmt die Etatrorlage 251 440 000 das sind gegen das Vorjahr mehr 15 085 000 in Aussicht. Das finanzielle Verhältniß der Einzel⸗ taaten zum Reich stellt sich also nach diesem Etat um etwas über 3 Millionen günstiger, als in dem Etat Hes laufenden Jahres. Sie nden auf Seite 49 der Denkschrift diejenigen Veränderungen in den Ausgaben, welche diese Veränderung der Gesammtzahl mit herbei⸗

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Ich bebe aus diesen Mehrausgaben nur einige Posten hervor. In dem Ressort des Auswärtigen Amts werden unter den fortdauern⸗ den Ausgaben 379 510 mehr gefordert. Es ist zu erwähnen, daß sich darunter befinden Ausgaben zur Einrichtung mehrerer neuer Kon⸗ sulate in Nisch, in Pretoria, ein Vize⸗Konsulat in Rotterdam, An⸗ stellung eines Vize⸗Konsuls in Zanzibar. Dann unter den einmaligen Ausgaben des Auswärtigen Amts, wo 328 000 mehr gefordert werden, ist hervorzuheben eine Ausgabe für Beschaffung eines Hauses für die Gesandtschaft in Brüssel. Endlich hebe ich aus dem Etat des Auswärtigen Amts noch hervor, daß der Zuschuß für das Schutz⸗ gebiet in Südwest⸗Afrika mit 102 000 eingestellt ist, 51 000 mehr als bisher. .

Im Reichsamt des Innern hat sich die Nothwendigkeit heraus⸗ gestellt, 308 418 bei den fortdauernden Ausgaben mehr zu fordern, während bei den einmaligen Ausgaben eine Minderforderung von 682 561 vorgesehen ist. Ich hebe aus den Mehrforderungen nur das bereits hier hervor, daß sich die Nothwendigkeit herausstellt, dem Staatssekretär des Reichsamts des Innern ein höheres Dienstein⸗ kommen zuzubilligen wegen der ihm nach seiner Stellung obliegenden Repräsentationspflichten. 8

Die stärkste Steigerung der Ausgaben findet sich in dem Etat der Verwaltung des Reichsheeres. Sie finden hier bei den fort⸗ dauernden Ausgaben eine Steigerung von 9 081 195 ℳ, bei den ein⸗ maligen eine solche von etwas über 4 Millionen Mark Ich halte es nicht für angemessen, auf alle Einzelheiten dieses Etats, der ja in der Budgetkommission und im Plenum sehr genau, sehr eingehend berathen zu werden pflegt, hier einzugehen. Ich will nur den Haupt⸗ posten hervorheben, welcher die Erhöhung bei den fortdauernden Ausgaben des Ordinariums herbeiführt. Es ist dies der Mehrbedarf für die Anschaffung von Brot und Fourage und für Viktualienverpflegung. Diese Ausgaben steigern sich nach dem An⸗ schlage um etwas uüͤber 6 Millionen Mark in Folge der höheren Kornpreise. Es ist dabei diesmal seit Jahren zum ersten Mal die Sachlage so, daß die Oktoberpreise dieses Jabres, welche ja bei der Bemessung der für die Beschaffung des Brot⸗ und Naturalienbedarfs einzustellenden Summen mit in Betracht gezogen werden, zu einer Erhöhung der Forderung geführt haben. Während der letzten Etats⸗ jahre waren wir beständig gewohnt, daß die Preise des Oktobers niedriger waren als die Durchschnittspreise der letzten Jahre, welche der ursprünglichen Veranlagung zu Grunde gelegt zu werden pflegen. In diesem Jahre ist ein umgekehrtes Verhältniß eingetreten, und es stellt sich, wie gesagt, im Etat die Gesammtmehrforderung bei diesem Posten allein auf über 6 Millionen. 1

Ich will sonst noch aus dem Etat der Reichs⸗Militärverwaltung, anknupfend an den Eingang meiner Ausführungen, hervorheben, daß das frühere Kap. 6 im außerordentlichen Etat der Heeresverwaltung, jetzt Kap. 12, nicht mehr in einer fortlaufenden Folge der einzelnen Titel am Schlusse des Etats aufgeführt ist, sondern daß auch die Ausgaben des Kavp. 12, früher Kap. 6, nach den einzelnen Heeres⸗ verwaltungen: Preußen, Sachsen, Württemberg zerlegt sind. In Folge dessen sind nun aber zwei Posten, welche eine solche Zerlegung nicht gestatteten. in die Spezial⸗Etats überhaupt nicht aufgenommen, sondern nur im Haupt⸗Etat aufgeführt: es sind dies die Titel 37 und 38 dieses Kap. 12, Titel 37 zur Er⸗ stattung auf aus Landesmitteln aufgewendete Kasernenbaukosten und Titel 38 für die Vervollständigung des deutschen Eisenbahnnetzes im Interesse der Landesvertheidigung. 1 8

Im Etat der Marineverwaltung wird bei den fortdauernden Ausgaben weniger als im vorigen Jahre gefordert, während bei den einmaligen Ausgaben eine Mehrforderung eintritt. Im Großen und Ganzen aber ist der Marine⸗Etat derjenige Posten des diesjährigen Etats, auf welchen die folgenschwersten Beschlüsse des Reichstages Anwendung finden werden. Ich meine, es ist der⸗ jenige Etat, welcher, wenn der Reichstag den an⸗ gesetzten Forderungen und dem ihm zu Grunde liegenden Gedanken zustimmt, die künftigen Jahre am erheblichsten mehr belasten wird.

Die Herren haben gesehen, daß dem Etat der Marineverwaltung eine Denkschrift beigefügt ist, deren Zweck es ist, die Nothwendigkeit erhöhter Aufwendungen zur Verstärkung unserer Flotte nachzuweisen. Auf den Etat des laufenden Jahres wirkt diese Forderung finanziell noch nicht sehr erheblich ein. Die Schiffsbauten finden Sie in Kap. 6 der einmaligen Ausgaben unter Tit. 1 bis 13 mit einer Gesammt⸗ summe von 10 418 000 oder rund 10 ½ Millionen aufgeführt. Wenn Sie die entsprechenden Ausgabeposten des vorigen Etats hiermit in Vergleichung stellen, sie betragen genau 8 Millionen Mark so ergiebt sich für das laufende Jahr für Schiffsbauten eine Mehr⸗ ausgabe nur von 2 418 000 oder rund 2 ½ Millionen.

Was die Deckung dieser Kosten betrifft, so ist, wie in früheren Jahren, so auch jetzt wieder eine Scheidung derart vorgenommen, daß von diesen Kosten der Schiffsbauten 5 Millionen auf die Mittel des ordentlichen Etals verwiesen sind, während der Rest von 5 418 000 auf Anleihemittel gelegt werden soll.

Aus dem Etat des Reichs⸗Schatzamts scheide ich die Ueber⸗ weisungen an die Einzelstaaten für jetzt aus, und erwähne im Uebrigen, daß in Folge des Zollanschlusses von Hamburg und Bremen es nothwendig geworden ist, die Zahl der Reichsbevoll⸗ mächtigten für Zölle und Steuern um einen solchen Reichs⸗ bevollmächtigten zu vermehren, daß zugleich eine Erhöhung des Ge⸗ halts der 42 Stations⸗Controleure sich als nothwendig heraus⸗ gestellt hat.

Endlich will ich aus dem Etat des Reichs⸗Schatzamts noch er⸗ wähnen, daß der Kaiserpalast in Straßburg jetzt vollendet worden ist und die für den Bau dieses Palastes geforderten Summen fast ganz mit dem vorliegenden Etat abgeschlossen sind.

Wende ich mich nun zu den Einnahmen, so finden Sie auf Seite 32/33 des Haupt⸗Etats, daß die Post⸗ und Telegraphenverwal⸗ tung einen Ueberschuß von etwas über 29 Millionen in Aussicht stellt. Das ist eine Steigerung gegen das Vorjahr von ungefähr 1 Million Mark. Die einmaligen Ausgaben dieser Verwaltung betragen 5 988 860 ℳ, also nicht ganz 6 Millionen. Im außerordentlichen Etat wird für Postzwecke diesmal nichts gefordert. Hervorheben will ich unter den für die Postzwecke geforderten Bauten, daß auch hier in Berlin eine Vergrößerung der postalischen Bauten nothwendig geworden ist, ebenso wie für die Zwecke der Reichsdruckerei eine Ver⸗ größerung ihres jetzigen Grundstücks in Aussicht zu nehmen war

Die Eisenbahnverwaltung stellt einen Ueberschuß von etwas über 19 Millionen, etwas über 1 Million mehr gegen das Vorjahr in Aus⸗ sicht, dagegen vermindern sich die Zinsen aus belegten Reichsgeldern abermals um 34 000 Solche Zinsen bezieht das Reich, abgesehen vom Reichs⸗Invalidenfonds, zur Zeit ja nur vom Reichstags⸗ gebäudefonds. Der Reichs⸗Festungsbaufonds ist aus unserm Erat verschwunden und erscheint im Etat des nächsten Jahres nur noch an einigen Stellen als Buchtitel zur rechnerischen Abwickelung der Geschäfte. 1

Was die Stempelabgaben betrifft, so ist beim Spielkartenstempel eine Mehreinnahme von 36 000 ℳ, beim Wechselstempel eine kleine Mindereinnahme von 14 000 ℳ, bei dem Stempel von Werthpapieren, Einzelstaaten zufließt, eine Mehreinnahme von 266 000 eingestellt.

Bei den Zöllen und Verbrauchssteuern, zu denen ich mich jetzt wende, ist gegen das vorige Jahr eine wesentliche Veränderung dadurch eingetreten, daß die früheren Zollausschlüsse zum größten Theil jetzt dem Zollinland angeschlossen sind. Wie ich bereits vorhin hervor⸗ ehoben habe, fallen infolgedessen die für die Einwohner dieser vom

ollinlande ausgeschlossenen Gebiete bisher gezahlten Averse fort. Es war dagegen nöthig, bei der Veranschlagung der Zoll⸗ und Steuer⸗ einnahmen diejenigen Einnahmen mit in Anschlag zu bringen, welche aus der Konsumtion der Bewohner der früheren Zollausschlüsse resultiren. Man hat bei diesen Berechnungen durchweg die bisherigen Averse zu Grunde gelegt in der Annahme, daß sie un⸗ gefähr richtig denjenigen Zoll⸗ und Steuerertrag darstellen werden, welcher aus der Konsumtion der Einwohner jener Gebiete folgte. Einen besseren Maßstab für die Abschätzung des Etatspostens konnte man auch zur Zeit nicht finden; es wird der Zukunft vorbehalten bleiben müssen, etwaige Irrthü r bei dieser A schaätzung zu berichtige

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Die Brausteuer, Salzsteuer, Tabacksteuer sind wie in den früheren Jahren wieder mit gestiegenen Erträgen in den Etat eingestellt.

Was die Zölle betrifft, so giebt der Spezial⸗Etat für Zölle und Steuern auf der Seite 8 eine genaue Darftellung derjenigen Berech⸗ nungen, welche zur Einstellung der Summen geführt haben, wie sie im Etat aufgeführt sind, Summen, welche gegen den Etat des letzten Jahres eine Steigerung von etwas über 25 Millionen repräsentiren. Ich glaube nicht, daß die Generaldiskussion des Etats, ich glaube nicht, daß die einleitenden Worte des Schatzsekretärs der⸗ jenige Ort sind, wo auf diese Berechnungen genauer einzugehen sein wird.

Die Zuckersteuer ist veranschlagt auf Grund des am 1. August 1888 in Kraft getretenen neuen Gesetzes. * Es ist dabei insbesondere bei der Veranschlagung der Einnahmen aus der Verbrauchsabgabe davon ausgegangen, daß diejenige Schätzung des inländischen Zucker⸗ verbrauchs richtig sein werde, welche beim Gesetz über Besteuerung des Zuckers zu Grunde gelegt worden war. Mit einiger Wahrschein⸗ lichkeit läßt sich annehmen, daß die Zahlen des Ertrags der Zucker⸗ steuer, wie sie der jetzige Etat aufstellt, der Wirklichkeit entsprechen, daß wir nunmehr am Ende derjenigen Periode angelangt sind, in welcher die Zuckersteuer gegen den Etat im Schlußresultat einen Minderertrag ergab. Die Londoner Konvention hat auf die Gestal⸗ tung des Etats für 1889/90 noch keinen Einfluß; ihr Abschluß ist daher bei den Abschätzungen auch noch nicht berücksichtigt worden.

Was die Branntweinsteuer betrifft, so wirkt sie auf den Haus⸗ halt des Reichs nur in der Maischbottich⸗ und Materialsteuer, welche mit 24 700 000 eingestellt ist. Die hierin enthaltene Mehrein⸗ nahme von 2 358 000 ist eingestellt mit Rücksicht auf die Er⸗ gebnisse des ersten Jahres der Geltung des neuen Gesetzes, des Jahres vom 1. Oktober 1887 bis 1. Oktober 1888. Aus den dem Zoll⸗ gebiet jetzt angeschlossenen Gebieten sind für die Maischbottich⸗ und Materialsteuer Einnahmen nicht zu erwarten. Nicht zu über⸗ sehen ist allerdings, daß eine vorsichtige Schätzung dieser Steuer sich im gegenwärtigen Jahre auch um deswillen jedenfalls empfiehlt, weil die Kartoffelernte des laufenden Jahres, soviel man übersehen kann, in Deutschland eine geringe ist. Die Verbrauchsabgabe mit dem Zuschlage ist, wie ich bereits vorher hervorgehoben habe, auf Grund derselben Annahmen eingestellt, welche bei der Berathung des Brannt⸗ weinsteuergesetzes der Berechnung der voraussichtlichen Einnahme zu Grunde gelegt sind. Ob und in wie weit die Wirklichkeit mit den damaligen Annahmen übereinstimmen wird, wird sich im Laufe des Etatsjahres 1889/90 wohl mit Sicherheit herausstellen. Der gegen⸗ wärtige Moment giebt aber noch nicht die Möglichkeit, irgend eine bessere Grundlage für die Schätzung zu gewinnen, als sie damals vorhanden war.

Die Matrikularbeiträge sind, wie ich im Eingange meiner Aus⸗ führungen erwähnte, mit 221 140 567 in den Etat eingestellt. Wenn man davon abzieht die Aequivalente für die nicht allen Staaten ge⸗ meinsame Einnahme an Brausteuer, Postüberschüssen und Einnahme aus der Verwaltung des Reichsheeres mit 10 763 819 ℳ, so bleibt eine wirkliche Matrikularbelastung von 210 376 748 Und wenn man dieser letzteren Zahl gegenüberstellt die Ueberweisungen an die Bundesstaaten, wie sie die Etatvorlage in Aussicht nimmt, so ergiebt sich, daß die Bundesstaaten nach Erfüllung ihrer Verpflichtungen vom Reich rund 71 Millionen Mark zu empfangen haben werden. Sie empfangen also voraussichtlich etwa so viel baar, wie si- im Jahre 1878/79 baar an das Reich zu zahlen hatten. s hat sich das Ver⸗ hälmiß der Einzelstaaten zum Reich selbstverständlich auf Grund der neuen Steuergesetze von Jahr zu Jahr günstiger gestaltet.

Nun, meine Herren, komme ich noch auf die Anleibe und auf die Mehrausgaben an Zinsen für die Reichsschuld. Wir sind auch in diesem Jahre gezwungen, eine Reihe von Ausgaben aus Anleihemitteln zu bestreiten. Bei der Scheidung dieser Ausgaben von den übrigen ist nach den bisher befolgten Grundsätzen auch im Laufe des Jahres verfahren worden. Durch diese neue Anleihe und ebenso durch die gesteigerten Anleihebeträge aus den letzten Jahren steigt naturgemäß die Ausgabe des Reichs für die Verzinsung der Schuld. In diesem Augenblicke hat man es Seitens der verbündeten Regierungen nicht für angezeigt gehalten, die Frage der Amortisation ich erwähne sie, weil sie bei früheren Etatberathungen hier im Reichstage wiederholt erwähnt worden ist diese Frage zur Ent⸗ scheidung zu bringen oder in Angriff zu nehmen; man hat vielmehr im Großen und Ganzen dieselben Grundsätze walten lassen, wie sie in früheren Jahren innegehalten sind. Das aber kann ich bezeugen, daß bei der Scheidung derjenigen Ausgaben, welche man auf die Anleihe⸗ mittel verwiesen hat, mit peinlicher Gewissenhaftigkeit vorgegangen ist, und es wird auch nothwendig sein, in Zukunft hier mit peinlicher Gewissenhaftigkeit in der Richtung vorzugehen, daß, sobald man zweifel⸗ haft ist, ob eine Ausgzabe auf die Anleihemittel oder auf die Mittel des ordentlichen Jahres⸗Etats zu verweisen ist, man sich dafür wird ent⸗ scheiden müssen, sie auf die Mittel des ordentlichen Jahres⸗Etats zu übernehmen. Dazu zwingt uns meiner Auffassung nach die durch die Bedürfnisse des Reichs mit Nothwendigkeit herbeigeführte Steigerung unserer Schuldenlast, dazu zwingt uns doppelt der Ausblick auf die Zukunft, auf diejenige Zukunft, welche in der Alters⸗ und Invaliden⸗ versorgung dem Reich neue, im Interesse der ärmsten Bevölkerung nothwendige, aber jedenfalls für die Reichsfinanzen belastende Aus⸗ gaben zuweisen wird

Meine Herren, ich kann Sie zum Schlusse meiner Ausführungen nur bitten, den Ekat, wie er Ihnen vorgelegt ist, einer sorgfältigen, F und ich bitte: wohlwollenden Prüfung zu unter⸗ ziehen.

Der Abg. Richter führte hierauf Folgendes aus: Einem alten Brauch dieses Hauses folgend, werde er bei der ersten allgemeinen Besprechung des Etats auch der Thronrede in einigen Abschnitten zu gedenken haben. Zunächst habe er der allgemeinen Befriedigung Ausdruck zu geben, welche die Aeußerung der Thronrede über die friedliche Lage der aus⸗ wärtigen Mächte mit sich bringe. Diese Aeußerungen stächen wohlthuend ab von der etwas nervösen Art, wie die aus⸗ wärtigen Angelegenheiten in den letzten Wochen in der offiziösen Presse behandelt worden seien. Man wisse ja, daß seit Jahr und Tag die auswärtige Lage Deutschlands eine prekäre sei, und darin werde auch der Thronwechsel und die Kaiserrede nichts Erhebliches ändern; aber während die offiziöse Presse in den Monaten Juli, August und September die auswärtige Lage nicht optimistisch genug habe darstellen können, habe sie in den letzten Wochen gewechselt in Bildern bald optimistischer, bald pessimistischer Art, ohne daß man zu erkennen vermocht hätte, was thatsächlich Neues sich ereignet habe. Wenn das eine bloße Unterhaltung für diplo⸗ matische Kreise wäre, so wäre dagegen kein Wort zu verlieren; aber nach dem Umfang und der Art, wie die offiziöse Presse in Deutschland 8 sei, leide das ganze Erwerbsleben schwer darunter. Der vorliegende Etat habe eine Hauptüberraschung bereitet durch die Denkschrift zu dem Marine⸗Etat, die finanziell allerdings erst für die nächstfolgenden Jahre Bedeutung habe. Die Aus⸗ führungen dieser Denkschrift ständen in direktem Widerspruch mit den Denkschriften der Admiralität aus den Jahren 1877/78, 1884, ja selbst mit den Erklärungen vom 18. Januar d. J. im Reichstage. Noch im vorigen Jahre sei es für angemessen gehalten worden, für fünf Jahre jährlich 8 Millionen zu ver⸗ wenden und so innerhalb fünf Jahren die Marine zu etwa zu erneuern. Nunmehr seien für die nächsten fünf Jahre aus diesen 8 Millionen im Durchschnitt 24 Millionen ge⸗ worden, und es solle innerhalb fünf Jahren eine Erneuerung von etwa %f stattfinden. Die Schiffe hätten bisher überhaupt ungefähr 200 Millionen gekostet, nunmehr solle man inner⸗ halb fünf Jahren 117 Millionen zu Neubauten aufwenden;

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zerstreuen, dann s nicht die Kolonialpolitik schon jetzt den Rahmen überschritten habe, der sich nach deutschen Verhältnissen und im Besonderen

nach dem Werthe deutscher Schutzgebiete rechtfertigen lasse.

gegenüber etwa 48 größeren Schiffen, die man besitze, unter 28 neuen 24 größere Schiffe her⸗ stellen; ja man empfange fast den Eindruck, als ob die Marine gegenwärtig bis auf 6 oder 7 Schiffe über⸗ haupt nichts mehr werth sei, als ob sie wesentlich nur aus altem Eisen und altem Holz bestände und so rasch wie mög⸗ lich durch neue Schiffe ersetzt werden müßte. Aehnliche Aus⸗ führungen, wie sie sich jetzt in der Denkschrift fänden, hätten zu Anfang dieses Jahres allerdings in mehreren Blättern ge⸗ standen. Damals habe aber auf eine Interpellation des Abg. Rickert der damalige Chef der Admiralität im Reichstage ver⸗ sichert, daß die Admiralität derartigen Ansichten durchaus fern stehe, er begreife eine solche melancholische Auffassung der Lage der Marine nicht, die Marine sei ihrer Aufgabe voll⸗ ständig gewachsen; und diese Erklärung habe der Chef der Admiralität nicht blos im eigenen, sondern auch im Namen des Reichskanzlers abgegeben. Solle man nun, weil ein Wechsel in der Person des Chefs stattgefunden, auch in den Ansichten und Eutschließungen einen Wechsel vornehmen, undzwar auf Grund einer Denkschrift, die so wenig Ueberzeugungskraft an sich habe? Man erfahre übrigens gar nicht, welches der Umfang dieses neuen Flottengründungsplans eigentlich sei; er erscheine geradezu uferlos; vor der Hand solle man diese 28 neuen Schiffe bauen; was noch dahinter stehe, sei vollständig im Dunkeln. Man erfahre mit keiner Silbe, wie sich der laufende Friedens⸗Etat, der von 27 auf 36 Millionen in den letzten Jahren bereits gestiegen sei, nach Vollendung auch nur dieser Bauten stellen könne; ebensowenig, wie nach vollständiger Erneuerung des Materials das Personal der Marine gedeckt werden solle, und wie überhaupt in diesem Umfang in so kurzer Zeit Schiffsbauten in Deutschland auszuführen seien. Gegenüber dem Bau von großen Panzerschiffen werde nicht gesagt, warum jenes Wort, daß das Reich sich den Luxus von fehlerhaften Experimenten nicht gönnen könnte, nicht mehr berechtigt sei. Für den Bau des Nord⸗ Ostseekanals sei seiner Zeit ausgeführt worden, daß die Her⸗ stellung dieses Kanals an sich schon eine Verdoppelung der deutschen Marine bedeute; in der Denkschrift vermisse man eine Darlegung, in welchem Verhältniß dieser Kanalbau zum Flottenbedürfniß stehe. In den Tabellen der Denkschrift werde wiederholt auf die französische Marine hingewiesen. Noch am 10. Januar 1885 habe aber der Reichskanzler erklärt, daß nicht davon die Rede sein könne, daß Deutschland in Bezug auf die Marine nach deutschen Verhältnissen sich mit Frank⸗ reich vergleichen könnte. Zehn Panzerfahrzeuge sollten schon nach der früheren Denkschrift, aber innerhalb zehn Jahren, ebaut werden; jetzt solle es schon innerhalb fünf Jahren geschehen, obwohl von den zehn Schiffen damals seche für den Schutz der Elbe nach Herstellung des Nord⸗Ostseekanals bestimmt gewesen seien. Diese Herstellung der Vertheidigungsschiffe der Elbmündung solle also jetzt Eile haben, obwohl von allen Seiten stets versichert worden sei, daß es in Bezug auf Küstenvertheidigung mit der Marine auf das Beste bestellt sei. Wie die geschützten Kreuzer die eigene Marine, die über den ganzen Erdball zerstreut sei, schützen sollten, sei ihm nicht verständlich; und ebenso wenig, wie der sekundäre Zweck derselben, die Kaperei während des Krieges, die Hast im Bau dieser Schiffe veranlassen könne. Wenn es aber wahr sei, daß der maritime Schutz der deutschen Küsten und heimischen Gewässer jetzt größere Anforderungen erheische als bis vor Kurzem, dann habe man um so mehr Veranlassung, zu erwägen, ob es richtig sei, zu kolonialen Zwecken so viele Kräfte der Marine über den ganzen Erdball zu 1 sei es um so mehr angezeigt, zu prüfen, ob

man solle

Man habe ja über diesen Werth in den letzten vier Jahren genug praktische Erfahrungen gemacht. Man habe bald da, bald dort einen Konflikt, und bald hier bald dort müsse ein Geschwader erscheinen. Das bischen Handel sei durch diese Konflikte vielfach verkümmert und zurückgedrängt. Die Dinge, die die Eingeborenen verlangten, Branntwein, Waffen und Munition, könnten die Deutschen ihnen zu verkaufen am wenigsten bereit sein. Daß sich Deutsche in den Kolonien niederlassen könnten, behaupte schon Niemand; man habe in

jenen Schutzgebieten schon mehr Deutsche am Fieber verloren,

als sich Deutsche jetzt dort überhaupt aufhielten. Auch wenn man die Kolonialpolitik wesentlich einschränke, so brauchten die Deutschen deshalb noch nicht zu Hause hinter dem Ofen zu hocken. Der deutsche Unternehmungsgeist habe nicht gewartet auf die Aufhissung deutscher Flaggen in jenen Schutzgebieten, er habe vorher den ganzen Erdball durchwandert, um Vortheile da zu gewinnen, wo mwirklich etwas zu holen sei. Was deutscher Handel und Rhederei leiste, dem gegenüber erscheine die Lei⸗ stung in den überseeischen Schutzgebieten nur als Spielerei. Wenn man durchaus kolonisatorisch wirken wolle, so habe man dafür in den östlichen Provinzen ein großes Gebiet, wo die künstliche Stütze des Großgrundbesitzes der Entwickelung eines kräftigen Bauernstandes entgegenstehe. Es möge immer⸗ hin sein, daß das, was die deutschen Schutzgebiete in den letzten vier Jahren gekostet hätten, als Lehrgeld nicht weggeworfen sei für die Ernüchterung, die in weiten Kreisen über überseeische Politik stattgefunden habe, aber es würde überaus bedenklich sein, wenn Deutschland sich jetzt hinreißen ließe zu einer Politik, wie sie Italien nach Massovah, Frankreich nach Tongking, England nach dem Süden geführt und wahrlich nicht zur Vermehrung des Ruhmes und der Ehre jener Staaten und auch nicht zu ihrem Vortheil gedient 58* Was die Ostafrikanische Gesellschaft betreffe, so sei es eines Erachtens von vornherein ein Fehler gewesen, dieser Gesellschaft, die aller soliden Grundlagen entbehre, auch nur in beschränktem Umfang den Schutzbrief zu ertheilen. Was die jungen Lieutenants, Assessoren, Doktoren der Philosophie durch Schneidigkeit und Abenteuerlust leisteten, könne ihre völlige Unbekanntschaft mit den Verhältnissen nicht aus⸗ gleichen. In dem Augenblick, wo die Gesellschaft ihre Hoheitsrechte zur Anerkennung habe bringen wollen, sei sie zusammengebrochen. Er bedauere die Personen, welche zum Opfer gefallen seien, aber er möchte nicht, daß jene Vor⸗ gänge zum Ausgangspunkt größerer Unternehmungen würden, die mittelbar oder unmittelbar von Reichswegen Unterstützung fünhe Er wisse bis jetzt nicht, ob die Regierung sich mit olchen Absichten trage, es scheine nicht so, aber gewisse Ver⸗ sammlungen unter Mitwirkung hochstehendfe Beamten seien nur zu sehr geneigt, die Regierung au solche abenteuerliche Bahnen zu drängen, möge es sich um die Entsetzung von Emin Pascha, der übrigens gar nicht entsetzt sein wolle, oder um die Bekämpfung der Sklaverei handeln. Solle die bezüg⸗ liche Stelle der Thronrede einen Kreuzzug gegen den Muha⸗

medanismus bedeuten?

ähnlichem Anlaß in Bosnien und Bulgarien habe sich der Reichskanzler kühl bis ins Herz hinein verhalten. Daß man mit England ein Abkommen getroffen, um zur See Sklaven⸗ ausfuhr und Waffeneinfuhr zu verhindern, billige er vor⸗ behaltlich der näheren Prüfung der betreffenden Verträge. Gerade der Umstand, daß man sich mit anderen Mächten zu⸗ sammenschließe, gewähre eine gewisse Sicherheit für die Be⸗ schränkung der Aufgaben, die man sich dort stelle. Er habe mit Freuden die Anerkennung in der Thronrede für Englands Plan zur Bekämßfung der Sklaverei vernommen, aber die englische Regierung habe gerade erklärt, sie sei nicht geneigt, die englische Ostafrikanische Gesellschaft irgendwie zu unter⸗ stützen; Sklavenarbeit dürfe nicht für englische Zwecke aus⸗ genützt werden. Um ähnliche Bestimmungen möchte er auch für Deutschland bitten. Nirgends sei in deutschen Gebieten die Sklaverei beschränkt worden. Selbst in deut⸗ schen Faktoreien und Plantagen werde Sklavenarbeit be⸗ nutzt, indem die Deutschen von Sklavenhaltern Sklaven für ihre Arbeit entnähmen. Freilich hätten die Mitglieder der Ost⸗ afrikanischen Gesellschaft bei jeder Gelegenheit erklärt, daß ohne Zwangsarbeitereinfuhr, d. h. ohne Sklaverei, überhaupt der Plantagenbau keine Zukunft habe. Dann habe man aber erst recht auf jede Ausbeutung des Landes in jenen Breiten⸗ graden zu verzichten. Die Mittel zur Bekämpfung der Sklaverei seien im Uebrigen für die deutsche Macht nach deut⸗ schen Verhältnissen immer beschränkter Natur. Wenn die Re⸗ gierung aber freiheitlichen Bestrebungen huldigen wolle, so habe sie noch ein großes Feld, wenn sie auf politischem und wirthschaftlichem Gebiet das beseitigen wollte, was als menschenunwürdig anzusehen sei. Heute werde es schon als positive Thätigkeit betrachtet, neue Steuern auszudenken und einzuführen, und als ein Mangel an dem Ausbau des Deutschen Reichs, wenn irgendwo eine Steuer bestehe, die Deutschland noch nicht habe. So sei man in den letzten zehn Jahren dahin gelangt, daß, während 1879,80 die Einnahmen aus Steuern und Zöllen 260 Mil⸗ lionen netto betragen hätten, sie heute 554 Millionen betrügen, sich also mehr als verdeppelt hätten. Im Jahre 1887 habe man jeden Zweifel von der linken Seite gegen das Bedürfniß neuer Steuern in solchem Umfang damit abgefertigt, es sei notorisch, daß das Reich für die erhöhte Friedenspräsenzstärke und die Einzelstaaten zur Deckung ihres Defizits Mittel be⸗ dürfe. Heute, wo man die näheren Ausweise über die Finanz⸗ gebahrung jener Zeit habe, sei das Gegentheil notorisch. Das beweise gerade der Abschluß des preußischen Etats von 1887/88. Aus den bisher darüber bekannt gegebenen Zahlen ergebe sich, daß, wenn man alles außer Acht lasse, was Preußen aus den 1887 im Reiche neu bewilligten Steuern zugeflossen sei, Preußen, ohne eine Anleihe nöthig zu haben, mit einem Ueber⸗ schuß von 45 Millionen abschließe. Die Abschlüsse Preußens im laufenden Jahre würden sich voraussichtlich ebenso günstig stellen. Die Einnahmen der Staatsbahnen in den ersten sechs Monaten hätten das Vorjahr um 28 Millionen überstiegen, während der Etat sie um 14 Millionen niedriger veranschlagt habe als im vorigen Jahre. Die neuen Steuern, welche dauernd bewilligt seien, bemesse man so, als wenn eine dauernde Stagnazion des Verkehrs eingetreten wäre. Der Aufschwung des Erwerbslebens, der naturgemäß erfolgt sei, würde übrigens noch beträchtlicher sein, wenn nicht in Folge der Verstaatlichung der Eisenbahnen die Ver⸗ waltung in dem Maße unfähig sich erwiesen hätte, den ge⸗ steigerten Bedürfnissen des Verkehrs gerecht zu werden, wenn nicht der Wagenmangel eine Kalamität wäre, wie nie zuvor. Dadurch werde die Produktion in hohem Maße gestört. Auch der jetzige Etat zeige wieder, daß das Reich keine neuen Ein⸗ nahmen gebraucht hätte. Der Hinweis auf den Ausfall bei der Zuckersteuer von 14 Millionen könne ihn in dieser Ansicht nicht beirren, denn dieser Ausfall sei nur die letzte Nach⸗

wirkung des früheren Zuckersteuergesetzes, und derselbe sei der mmer mehr Unzufrieden vo Signatur der Zeit sei eine sich fortwährend steigernde Ver⸗

schon um 9 Millionen Mark geringer als der Ausfall im diesjährigen Etat. Bei der Branntweinsteuer sei ein sicherer Voranschlag der Einnahmen allerdings noch nicht zu geben, weil vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes aus Speku⸗ lation so viel Vorräthe gebrannt und in das erste Jahr der Herrschaft des neuen Gesetzes übertragen seien, daß sich nicht übersehen lasse, inwieweit die jetzige Produktion seit dem Erlaß des Gesetzes eine nor⸗ male sei und wieweit sie durch die künstlich geschaffenen Vor⸗ räthe beeinflußt sei. Eine Reihe von Steuern in diesem Etat seien nach dem Durchschnitt der drei letzten Jahre geschätzt, obgleich ja schon die Vermehrung der Bevölkerung um 1 Proz. an sich einen vermehrten Verbrauch nach sich ziehe, und ob⸗ gleich die Einnahmen des laufenden Jahres bei einer Reihe von Steuern erhöhte Erträge gehabt hätten. Er zweifle nicht daran, daß, wie man fertig geworden sei mit den 5 Milliar⸗ den, und wie man nach diesem Verbrauch noch 1200 Millionen Anleihen aufgenommen habe, man auch mit den Einnahmen aus den neuen Steuererhöhungen fertig werden würde; die Ausgabe⸗Etats seien sehr elastischer Natur. Seien erst die Ein⸗ nahmen da, so schmiegten sich die Ausgaben den erhöhten Einnahmen rasch an. Selbst die parlamentarische Kritik müsse erschlaffen, wenn das Geld schon da sei und es sich nur noch darum handle, ob eine neue Ausgabe nothwendig oder nützlich sei; angenehm sei sie in den meisten Fällen. Charakteristisch für das Bild dieses Etats sei es, 8 in so vielen Posten in der Militär⸗ und Civilverwaltung ein Bedürfniß nach erhöhter Repräsen⸗ tation sich geltend mache. Hier solle ein neues Dienstgebäude gebaut, dort neues Inventar beschafft werden, dort eine Summe zu Repräsentationszwecken gebraucht werden. Die Summen seien im Einzelnen klein, sie summirten sich aber und seien vor allen Dingen charakteristisch. Wenn die Unter⸗ behörden sähen, wie man oben das Bedürfniß nach erhöhter Repräsentation empfinde, so werde man sich überall bemühen, splendider zu wirthschaften. Jetzt stehe man auf dem Punkt, daß die erhöhten Einnahmen für die erhöhten Ausgaben reichten, bald werde man soweit sein, daß die Einnahmen für die erhöhten Ausgaben nicht ausreichen, und dann wür⸗ den weitere Steuererhöhungen verlangt werden. In diesem Augenblick sollte man sich überlegen, ob der Kreislauf nicht zu unterbrechen und ob nicht, da die Möglichkeit vorhanden sei, mit Steuererlassen im Rei felbst vorzugehen sei. Man verweise reußen seien nur ganz der Klassensteuer

auf die Einzelstaaten. Die Erlasse in Pr gering und durch Erlaß ganzer Stufen würde das Kommunalsteuersystem in Frage gestellt sein. Und die Ueberweisungen an die Kommunen kämen gerade Denen, die es am nöthigsten hätten, in Folge des Vert eilungsmaßstabes

am wenigsten zu Gute. Eine erhebliche Entlastung könne nur im Reich stattfinden. Gegenüber der Branntweinvertheuerung sollten die Mehrheitsparteien wenigstens ein anderes Getränk

ohlfeilern durch Aufhebung des Kaffeezolles. Hr. Miquel habe hervorgehoben, wie gerade gegenüber der Einschränkung des Branntweingenusses der möglichst gefördert werden müsse; oder nehme man die Salzsteuer, deren Erlaß Denen zu Gute kommen würde, deren Nahrung aus trockenem Brot, Kartoffeln und Salz bestehe. Auch die Zuckerprämien könnten aufgehoben werden, damit der Zuckerpreis im Inlande ermäßigt werde. Auch die Frage müsse das Haus beschäftigen, ob in der That nach den Erfahrungen des neuen Branntwein⸗ steuergesetzes die Maischraumsteuer noch aufrecht zu erhalten sei. Damals habe Hr. Miquel eine neue Aera für die kleinen Brenner im Westen prophezeit. In Hessen, Baden, Württemberg sei die Enttäuschung und Erbitte⸗ rung jetzt groß, jetzt seien sie geradezu dem Kartoffelsprit des preußischen Ostens überliefert trotz aller Versprechungen. Das ganze Gesetz sei allein auf die Vortheile der Gutsbrenne⸗ reien im preußischen Osten zugeschnitten. Auch die Kontingen⸗ tirung diene wesentlich zum Vortheil der östlichen Brennereien, welche die 40 Millionen Mark in ihre eigene Tasche steckten. Das gestehe auch die Regierung selbst zu, indem sie die Ueber⸗ weisungen auf die Bonifikation für baar Geld ansehe. Man sage, die Brennereien müßten entschädigt werden für den Rückgang der Produktion. Was aber in diesem Jahre weniger ebrannt sei, sei jedenfalls in dem Jahre vor dem neuen Ge⸗ etz zu viel gebrannt worden in Folge der Spekulation auf das neue Gesetz. Fürst Bismarck schätze den Brutto⸗ gewinn des Kartoffelbaues für den Hektoliter Brannt⸗ wein auf 9 ℳ. Davon seien noch die Kulturkosten der Kartoffel in Abzug zu bringen. Die bebauten Lände⸗ reien seien aber doch nicht Oedländer, sie würden wieder in Benutzung genommen, so daß es sich also nur um einige Mark handle. Wie habe man dann die anderen Klassen, die an der Spiritusindustrie betheiligt seien, die Händler und Ausschänker, entschädigt für den Abbruch in ihrem Gewerbe durch den verminderten Absatz. Das seien eben kleine Leute und nicht Besitzer und große Herren. Heute könne man die Wirkung der Erhöhung der Kornzölle nicht mehr bestreiten wie noch im vorigen Jahre. Damals habe man sich damit ge⸗ tröstet, daß die Preise niedrig seien, also die Kornzölle keine nachtheilige Wirkung ausübten. Damals seien eben mehrere günstige Ernten gewesen, bei einer ungünstigen sei jetzt die Wirkung der Steigerung der Preise noch verschärft. Es sei eine Preiserhöhung von 35 bis 40 Proz. gegen den vorjährigen Preis eingetreten. Heute seien die Deduktionen, daß das Ausland ganz den Zoll zahle und daß der Kornzoll auf die Brotpreise keine Wirkung ausübe, absolut unmöglich. An den Grenzen zeige sich das Schauspiel, daß jenseits der Grenze das Brot billiger sei und man deshalb Stunden weit aus dem Inlande über die Grenze gehe, um den Vortheil der niedrigen Preise zu genießen. Die Thronrede sage, daß durch gesetzgeberische Maßnahmen die Noth der Zeit, das menschliche Elend nicht aus der Welt ge⸗ schafft werden könnte. Das sei richtig. Aber deshalb solle es auch nicht Aufgabe gesetzgeberischer Maßnahmen sein, die Noth der Zeit zu verschärfen, wie es durch die Kornzölle geschehen sei. Deshalb solle die Gesetzgebung nicht darauf angelegt sein, Denen, die schon elend genug sind, noch die kärgliche Nahrung künstlich zu vertheuern. So lange noch Kornzölle beständen, sollte man nicht so mit den Absichten der Alters⸗ und In⸗ validenversicherung paradiren. Das sei ein schreiender Wider⸗ spruch, wenn man auf der einen Seite den täglichen Unter⸗ halt des Arbeiters vertheuere und es ihm dadurch erschwere, in jungen, gesunden Jahren etwas vor sich zu bringen für das Alter; wenn man es ihm erschwere, sich derartig zu er⸗ nähren, daß er sich gegen einen frühen Verfall seiner Kräfte schütze. So lange die Kornzölle beständen, auf deren Besei⸗ tigung die Arbeiter ein natürliches Recht hätten, werde das unleugbare Mißverhältniß zwischen den stolzen Worten der Kaiserlichen Botschaft über die Fürsorge für den Arbeiter und der Wirklichkeit immer mehr Unzufriedenheit hervorrufen. Die

mehrung der sozialdemokratischen Partei, das heißt, der Partei, die überhaupt auf der Grundlage der bestehenden Ver⸗ hältnisse an eine Besserung zweifele, und man könne zweifelhaft sein, ob verkehrte gesetzgeberische oder regressive Maßregeln mehr die Schuld an der Vermehrung der Sozialdemokratie trügen. In solcher Situation gebe es Manche, die es für eine große Staatsweisheit erachteten, wenn sie die freisinnige Partei mit allen Mitteln, aller Autorität niederzuhalten und zu ver⸗ vehmen suchten, ja, es gebe Männer, die es als vortrefflich bezeichneten, wenn mit den verzweifeltsten Mitteln, selbst der Judenhetze, es gelinge, der freisinnigen Partei ein paar Man⸗ date abzunehmen. Es werde selbst die einfachste Voraus⸗ setzung des Konstitutionalismus in Frage gestellt, je mehr es gelinge, die Krone in den politischen Parteikampf herabzuziehen und das Gefallen oder Mißfallen der Krone als Richtschnur bei den Wahlen zu nehmen. Die Freisinnigen würden sich wie die alte liberale Minorität nicht beirren lassen; sie würden ihrer Ueberzeugung frei einem jeden Manne gegenüber Ausdruck geben, wie bisher, auch in dieser Session.

Abg. von Wedell⸗Malchow: Im Großen und Ganzen könne man mit diesem Etat zufrieden sein. Wenn man auch jetzt einen Fehlbetrag von 3 ½ Millionen habe, so seien das, Gott sei Dank voruͤbergehende Zustände, und man habe in nicht zu langer Zeit zu erwarten, daß man ohne solchen Fehl⸗ betrag den Etat aufstellen könne und doch in der Lage sein werde, für die Bedürfnisse des Reichs zu sorgen und namhafte Ueberschüsse an die Einzelstaaten abzu⸗ liefern. Wenn dies nicht eingetreten wäre durch die Politik der Regierung, in welcher finanziellen Lage würde man dann jetzt sein? Allerdings sei man durch die Verhältnisse gezwungen, mehrere Anleihen auf⸗ zunehmen, und es sei auch nicht möglich, an eine Schulden⸗ tilgung heranzugehen, aber es sei von seiner Partei und von der Regierung diese wichtige Frage nicht außer Augen zu lassen. Er empfehle auch, indirekten Weg der Verminde⸗ rung der Schulden zu verfolgen, der darin liege, daß möglichst wenig auf den außerordentlichen Etat gesetzt werde. Bei einer Durchsicht des Etats, namentlich des Marine⸗Etats, würden sich noch Punkte finden, wo diese Grundsätze mit gewissem Erfolg angewendet werden könnten. Seine Freunde würden den meisten Forderungen der Regierung ihre Zustimmung geben. Der Abg. Richter beschuldige die offiziöse Presse, daß sie ge⸗ legentlich die Verhältnisse bald optimistisch, bald pessimistisch darstelle und das Publikum beunruhige. Was sei aber offizibs? Man halte oft Notizen für offiziös, die es nicht seien. Aber auch durch Artikel im „Berliner Tageblatt“ und in der „Freisinnigen S könne das Publikum beängstigt werden. Am Besten kümmere man sich so wenig als möglich um die Presse, sowohl als politischer wie als Geschäftsmann.