1888 / 308 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 Dec 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Blureau“ aus Brisbane meldet, der Premier der Kolonie,

Bezirksschulaufsicht ausgeübt haben, zwei Fachmänner ge⸗ wählt werden sollen, welche mit der Volksschulaufsicht betraut werden. Der zweite Gesetzentwurf befaßt sich mit der Zu⸗ sammensetzung der Volksschulinspektion. Dieselbe wird von nun an aus dem Landrath und dem Bezirks⸗Schulinspektor der, in Ausnahmefällen, aus einer anderen geeigneten Per⸗ sönlichkeit, welche der Bezirks⸗Schulinspektor zu bestimmen hat, zusammengesetzt werden. Ferner hat der Landtag das Gesetz über die Heranziehung der Eisenbahnen zu den Gemeindesteuern angenommen.

Reuß ä. L. Greiz, 4. Dezember. (Greiz. Tgbl.) Die Finanzlage des Fürstenthums ist eine günstige, denn seit Ende 1884 hat sich der Vermögensstand in drei Jahren um 322 686 ℳ, seit dem Jahre 1875 aber um 735 995 gehoben. Dabei hat sich im Jahre 1888 durch die Ueber⸗ weisungen vom Reiche die Vermögenslage noch weiter um ein Beträchtliches gebessert und wird dies im Jahre 1889 weiter thun. Unter diesen Umständen hat der Abg. Henning zu dem vorgelegten Landes⸗Etat für die Jahre 1889/1891 beantragt: den Gemeinden nach der Kopfzahl der Bevölkerung zur Erleichterung ihrer Schul⸗ lasten in den Jahren 1889, 1890, 1891 jedes Jahr 35000 zu überweisen, also rund 65 auf den Kopf der Be⸗ völkerung. Weiter wird beantragt, vom Jahre 1890 an, dem Beispiel der Nachbarstaaten solgend, das Chaussee⸗ und Brückengeld, welches rund 20 000 ergiebt, in Legfall zu bringen.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 4. Dezember. (Wien. Abdp.) Im Abgeordnetenhause des Reichsraths wurde heute die Spezialdebatte über den Gesetzentwurf, betreffend die Erbtheilungsvorschriften für landwirthschaftliche Besitzungen mittlerer Größe, zu Ende geführt. Sodann wurden die Regierungsvorlagen, betreffend die Eröffnung eines Nachtragskredits für das Jahr 1888 zum Zwecke der Inangriffnahme eines Neubaues für die Hof⸗ und Staatsdruckerei, und das Budget⸗Provisorium in zweiter Lesung erledigt.

5. Dezember. (W. T. B.) Der „Pol. Corr.“ zusolge erhielt der Kaiser anläßlich seines Jubiläums auch vom Kaiser von Rußland und dessen Familie, von der Königin Victoria von England, sowie von dem Sultan aufs Wärmste abgefaßte GZlückwunschtelegramme, welche derselbe in ebenso herzlichem Tone erwiderte.

Pest, 4. Dezember. (Wien. Abdp.) Im Abgeord⸗ netenhause führte in fortgesetzter Debatte über den §. 11 der Regalien⸗Ablösungs⸗Vorlage Beöthy aus, daß dem Staat wohl die Expropriation des Privateigenthums zu⸗ stehe, er aber dafür volle Entschädigung zu leisten habe, und daß die daraus entstehenden Streitfragen der richterlichen Kompetenz nicht entzogen werden dürfen. Er stimmt deshalb für den Antrag Unger's.

Großbritannien und Irland. London, 5. Dezember. (W. T. B.) Das Unterhaus genehmigte in seiner heutigen Sitzung das Ausgaben⸗Budget in Betreff Irlands.

(A. C.) Der neue Polizei⸗Präsident von London, Monro, hat vorgestern formell seinen Posten übernommen.

Zum Gouverneur von Queensland ist nunmehr der bisherige Gouverneur von Jamaica, General Sir Henry W. Norman, ernannt worden. Inzwischen hat, wie „Reuter's

Sir Thomas Me Illwraith, seine Aemter als General⸗ sekretär und Kolonial⸗Schatzmeister niedergelegt, um eine mehrmonatliche Reise nach China und Japan antreten zu können. Er behält indeß die Stellung des Vize⸗Präsidenten

des Vollzugsraths.

zur Entscheidung über das Er

üngsten Flottenübungen von der Regi Sonderausschuß von Sachverständigen schreibt dem Admiral Sir George Tryon, welcher mit Erfolg die Blokade Ad⸗

miral Baird's durchbrach, den Sieg zu. Der Marine⸗Minister, Lord George Hamilton, erklärte in einer kürzlich in EFaling gehaltenen Rede, daß er im Laufe weniger Monate dem Lande ein neues Ma rine⸗Programm vorzulegen gedenke, welches hoffentlich die Zustimmung der Mehrheit der Nation finden werde.

Die 50 000 Mann zählende englische Armee⸗Reserve soll im nächsten Jahre probeweise mobilisirt werden. Von der Einberufung sollen jedoch Polizisten sowie Gefängniß⸗ und Irrenwärter ausgeschlossen sein.

Thomas Sexton, der parnellitische Lordmayor von⸗ Dublin, ist einstimmig für ein weiteres Jahr zum Lord⸗ mayor wiedergewählt worden.

Aus Durban, vom 2. Dezember, meldet „Reuter's Bureau“:

Die in Etshowe geführte Prozeßverhandlung gegen Somkeli und 4 andere Zuluhäuptlinge wegen Hochverraths, Rebellion und öffentlicher Gewaltthätigkeit hat ihren Abschluß damit gefunden, daß die Angeklagten des letzteren Vergehens für schuldig befunden und zu 5 Jahren Zwangsarbeit verurtheilt wurden.

Frankreich. Paris, 5. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer genehmigte die für die Pflege der schönen Künste geforderten Budgetposten und nahm die fünf ersten Artikel des Budgets für die Kulte an, nachdem die auf eine Reduktion der Zahl der Bisthümer ge⸗ richteten Anträge abgelehnt waren. Der Justiz⸗Minister erklärte, die Regierung bekenne sich zu der Trennung von Staat und Kirche, so lange aber das Konkordat bestehe, müsse man es ausführen.

Die betreffende Kommission der Kammer hat die Ermächtigung zu gerichtlichem Einschreiten gegen Wilson ertheilt. Zur Prüfung des von dem Finanz⸗Minister eingebrachten Gesetzentwurfs betreffks einer Einkommen⸗ steuer ist eine Kommission ernannt worden. Die große Majorität der Kommission ist gegen den Entwurf.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 6. Dezember. (W. T. B.) Der Kaiser hat dem Unterrichts⸗Minister Deljanow anläßlich seines fünfzigjährigen Dienst⸗ jubiläums mittelst huldvollen Reskripts die Grafenwürde ““

er Finanz⸗Minister hat angeordnet, 15 Millionen Rubel der durch Gold siergehatten Kreditbillets aus dem Verkehr zu ziehen.

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Italien. Rom, 5. Dezember. (W. T. B.) Fehe

Vernehmen nach wird das nächste Konsistorium in Folge der Schwierigkeiten, die sich wegen Ernennung von Bischöfen Fischen Frankreich ünd dem Vatikan resp. Rußland und dem

atikan erhoben haben, bis zum Monat März k. J. ver⸗ schoben werden.

Schweiz. Bern, 5. Dezember. Wie der „Bund“ meldet, ist die Sitzung der vereinigten Bundesver⸗ sammlung zur Wab eines neuen Mitgliedes des Bundes⸗

raths und eines Suppleanten des Bundesgerichts, sowie des Bundes⸗Präsidenten und des Vize⸗Präsidenten des Bundesraths für das Jahr 1889 und des Präsidenten und Vize⸗Präsidenten des Bundesgerichts für die Jahre 1889 der Tag jedoch

und 1890 auf die nächste Woche angesetzt, noch nicht bestimmt. 8

Zeitungsstimmen.

Das „Deutsche Tageblatt“ schreibt

Immer deutlicher zeigt sich im Reichstage die auf inniger Ideen⸗ und Interessengemeinschaft beruhende Intimität zwischen Freisinn und Sozialdemokratie. Macht Hr. Liebknecht einen Vorstoß, so springen ihm die Hrrn. Richter und Rickert als Sekundanten bei, und halten die freisinnigen Wortführer es für angezeigt, von der Tribüne des Reichsparlaments aus Parteipropaganda zu treiben und die Wähler⸗ massen aufzuregen, so stellen auch die sozialdemokratischen Brandreden ebenso pünktlich sich ein, wie das Amen in der Kirche. Nun aber ist die freisinnig⸗sozialdemokratische Koalition vom Reden zum Handeln übergegangen. Arm in Arm sind die Hrrn. Bebel, Liebknecht, Virchow, Munckel und tutti quanti am Tisch des Reichstages erschienen, um einen die sofortige Aufhebung aller Getreidezölle fordernden Antrag auf demselben niederzulegen. Daß dieser Antrag nun und nimmermehr Gesetz werden kann und werden wird, wissen die Antrag⸗ steller sehr wohl. Mögen sie in blindem Parteifanatismus die realen Verhältnisse noch so sehr mißachten, so können sie sich doch der Erkenntniß nicht verschließen, daß der Einnahme⸗Ausfall, welcher bei Berücksichtigung ihres Begehrens eintreten müßte, nicht allein das Reichsbudget, sondern auch die Etats der mit den Ueberweisungen aus Reichsmitteln rechnenden Einzelstaaten, ja Dank der lex Huene selbst die Finanzen der kommunalen Verbände in bedenklichster Weise beeinflussen würde. Aber an dieser Unmsöglichkeit stoßen sich die Herren durchaus nicht; sie ist ihnen im Gegentheil hochwillkommen.

Je lebhafter und entschiedener der pflichtmäßige Widerstand der verbündeten Regierungen und der regierungsfreundlichen Parteien, der „Kartellbrüder“, sich geltend machen wird, um so besser läßt dieser Antrag als ein zur Bethörung der Massen bestimmtes Agitations⸗ mittel sich verwenden, um so lauter und dreister können die sozial⸗ demokratisch⸗freisinnigen Volksbeglücker über die Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel, über künstliches Hinaufschrauben der Getreidepreise zu Gunsten des Großgrundbesitzes und wie ihre Tiraden sonst lauten mögen in sittlicher Entrüstung sich ergehen. In dieienigen Volkskreise, auf deren Bethörung sie spekuliren, wird der vom Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts ge⸗ führte ziffermäßige Nachweis, daß sich trotz des Zolles der abnorm gesunkene Getreidepreis bisher kaum auf die Durchschnitts⸗ höhe gehoben hat, auf der er vor der Revision des Zolltarifs sich be⸗ fand, ja doch nicht dringen. Im Hinblick auf eine so gewissenlose Agitation, wie sie in dem freisinnig⸗sozialdemokratischen Begehren nach unverzüglicher Wiederabschaffung der Getreidezölle zu Tage tritt, möchte man es beklagen, daß absolut keine Aussicht vorhanden ist, den Antragstellern ein: „Hic Rhodus, hic salta!“ zurufen und sie ein⸗ laden zu können, in verantwortlicher Stellung ihre volks⸗ und finanz⸗ wirthschaftlichen Theorien zur praktischen Geliung zu bringen. Steht es doch außer Zweifel, daß sie in diesem Fall ein Fiasko erleben würden, das ihrem agitatorischen Treiben auf lange Jahre hinaus den Stachel nehmen müßte. Es würde ihnen nicht besser ergehen, als ihren zur Zeit am Ruder befindlichen Gesinnungegenossen jenseit der Vo⸗ gesen, die es glücklich dahin .. haben, das parlamentarisch⸗demo⸗ kratische Regime bei den Massen ber Wäͤhler gründlich zu diskredi⸗ tiren. Da aber die sozialdemokratisch⸗freisinnigen Größen vor der Eventualität, die Probe auf das Exempel machen zu müssen, bei uns vorerst noch bewahrt bleiben dürften, so tritt an die Führer und Ver⸗ treter der übrigen Parteien um so mehr die Verpflichtung heran, der mit allen Mitteln der Agitation und mit allen Kräften der Verfüh⸗ rung arbeitenden demokratischen Agitation der bourgeois⸗ wie der sozialdemokratischen innerhalb und außerhalb des Reichstages in Wort und Schrift mit äußerster Energie entgegenzutreten. Gerade in dieser Hinsicht bleibt noch viel, sehr viel zu thun.

—. In der „Danziger Allgemeinen Zeitung“

lesen wir:

Bei der Etatsberathung ist auch die Frage, in welchem Maße die Tilgung der Reichsschulden dringlich erscheint, und welcher Weg bei dieser Aufgabe am besten eingeschlagen würde, von verschiedenen Rednern gestreift. Es ist nun nicht zu leugnen, daß die Höhe der Reichsschuld, die gegenwärtig mit rund 37 Millionen verzinst wird, an sich sehr erheblich ist; die Bedeutung dieser Ziffer wird aber doch nur richtig gewürdigt, wenn sie im Rahmen unserer Gesammtverhält⸗ nisse beurtheilt wird. Und so betrachtet, verliert sie an Gewicht; denn wir sehen, daß der Betrag der Reichsschuld in Höhe von an⸗ nähernd einer Milliarde nur um weniges die Generalsumme eines einjährigen Reichshaushalts⸗Etats üͤbereigt. Auch wenn wir bei der Beurtheilung des Umfangs, in welchem der Staatskredit in Deutschland angespannt ist, die Schulden der Einzelstaaten mit heran⸗ ziehen.é wird immer inbetracht zu nehmen sein, daß dieser Belastung eine Werthziffer in nutzbarem Stantsbehit (Domänen, Eisenbahnen ꝛc.) gegenüber steht, wie nirgends sonst. Jedenfalls ist Deutschland von allen europäischen Großstaaten derjenige, der sich der gesichertsten Finanzlage erfreut. Auch kann nicht übersehen werden, daß die Frage einer Amortisation der Reichsschulden aus dem Grunde im Augenblick einen verhältnißmäßig geringen praktischen Werth besitzt und der Versuch ihrer Lösung verfrüht erscheinen kann, weil die ersten Ein⸗ richtungen des Reichs eine Reihe von Ausgaben erforderlich machten, deren Aufbringung auf längere Zeitabschnitte zu vertheilen war⸗ Von einzelnen Rednern, so von Herrn von Bennigsen, ist ferner darauf hingewiesen, daß eine schärfere Unterscheidung zwischen den Positionen, die dem ordentlichen Etat zugewiesen werden können, d. h. aus den Jahreseinnahmen zu bestreiten sind, und folchen Aus⸗ gaben, die durch Anleihen gedeckt werden müssen, wünschenswerth wäre, und einer sorgsamen Prüfung, wieweit in dieser Richtung von dem bisherigen Gebrauch abgewichen werden kann, möchten auch wir das Wort reden. Andererseits kann man aber doch nicht so weit gehen, die nun einmal bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse zwischen dem Reich und den Einzelstaaten alteriren und etwa die Ueberweisungen der Einnahmen aus Zöllen und Steuern, welche den Einzelstaaten zukommen, verringern zu wollen, nur um die Notb⸗ wendigkeit von Anleihen zu vermeiden. Ein Verfahren dieser Art könnte schwere Verwirrungen in die Finanzverhältnisse der Einzel⸗ staaten tragen.

Gegenüber der der Sozialdemokraten, daß die Alters⸗ und Invaliditätsversicherung weiter, nichts sei, als eine Armenpflege, führt der „Hamburgische Corre⸗ spondent“ aus:

Daß die Sozialreform mehr sei, als die damalige Armenpflege, daß sie nicht bloß Almosen, sondern Rechte gewähre, führte Fürst Bismarck schon in der Sitzung vom 2. April 1881 aus, indem er sagte: einerseits schaffe das Unfallgesetz nicht ausschließlich neue Lasten, es übertrage Lasten aus den Armenverbänden auf staatliche

Arbeiters vor dem Verhungern genüge aber nicht; „es liegt in diesen Gesetz die Tendenz, das Gefühl menschlicher Würde, welches auch der ärmste Deutsche meinem Willen nach behalten soll, wach zu er⸗ halten, daß er nicht rechtlos als reiner Almosenempfänger dasteht sondern, daß er ein Pekulium an sich trägt, über das Niemand außer ihm verfügen und das ihm auch nicht entfremdet werden kann.“ Bessere und würdigere Behandlung der Erwerblosen praktisches Christenthum, das waren die sich anschließenden Worte, mit denen der Sozialreform Inhalt und Ziel gegeben wurden. Bei den Ver⸗ handlungen über die Verlängerung des Sozialistengesetzes im März 1884 sprach Fürst von Bismarck mit den Worten: „schon jedes Armenpflegegesetz ist Sozialismus“ ganz dasselbe aus wie die Mo⸗ tive zum ersten Unfallgesetz, nicht ohne zugleich zwischen Armen⸗ pflege im weitesten Sinne als der Fürsorge für die Besitzlosen und der „ordinären Armenpflege, die sich wohl des völliger Armuth Verfallenen annimmt“, wohl zu unterscheiden. Es war das in Erwiderung auf Reden wie diejenige des Abg. Bamberger, welcher die Unfallversicherung als „sozialistische Schrulle“ und den Plan einer Alters⸗Invalidenversorgung als „chimärische Unternehmung“ bezeichnet hatte. Es ist inzwischen Manches anders geworden, insbesondere auch in der freisinnigen Partei, welche heut zu Tage erklären läßt, an der „chimärischen Unternehmung“ mitarbeiten zu wollen; die Tendenz der staatlichen Sozialreform aber ist die alte geblieben, ebenso freilich auch die geflissentliche Herabsetzung derselben durch die Sozial⸗ demokratie, welche nach Ansicht der Zielbewußten“ vom Schlage des Schusters Baginski, der den letzten Schuhmacherstrike mit angestiftet hatte und neulich gegen Singer auftrat, von diesem Staat wirkliche Verbesserungen der Lage der Arbeiter nicht nur nicht erwarten, sondern auch nicht einmal verlangen darf.

Unter der Ueberschrift „Agitatorische Initiativanträge“ bemerkt die „Deutsche volkswirthschaftliche Cor⸗ respondenz“:

Es ist nicht zu verkennen, daß sich die Reichstagsmitglieder falls sie im Sinne des Artikels 23 der Reichsverfassung den Reichstag veranlassen wollen, von der gesetzgeberischen Initiative Gebrauch zu machen, in wesentlich ungünstigerer Lage befinden als die verbündeten Regierungen; indem letztere über ein wohlgeschultes Personal zur Aufstellung von Gesetzentwürfen und über das in die Gebiete der Reichsgesetzgebung einschlagende Material verfügen, was erstere keines⸗ wegs in gleicher Weise können. Schon aus diesem Grunde werden Vorlagen der verbündeten Regierungen der Regel nach besser vor⸗

bereitet an den Reichstag gelangen, als Initiativanträ e, und daher wird es auch stets leichter sein, Vorlagen des Bundesraths durch die varlamentarische Behandlung hindurchzuführen als gesetzgeberische Vorschläge der Reichstagsmitglieder

So wenig aber verfassungsmäßig dagegen eingewendet werden kann, daß die indirekte Initiative von Reichstagsmitgliedern und Parteien ergriffen wird, sobald eine auf Herbeiführung gesetzgeberischer Maßnahmen gerichtete Absicht wirklich vorhanden ist, so sehr muß es als Mißbrauch bezeichnet werden, wenn diese indirekte Initiative zu agitatorischen Zwecken benutzt wird. Indem nämlich die für Initiativanträge obwaltenden chwierigkeiten immer mehr erkannt wurden, fingen die Parteien an, von ihnen protegirte Ideen so früh⸗ zeitig als irgend möglich in Anträgen vorzulegen und zwar in der Absicht, daß, da den zuerst eingebrachten Anträgen durch die Geschäfts⸗ ordnung die Priorität vor den späteren gesichert ist, die eigenen An⸗ träge denen anderer Parteien zuvorkommen und so möglichst weit in der parlamentarischen Behandlung gefördert werden möchten. Auch gegen diesen Wettlauf der Parteien ließe sich nicht viel einwenden, wenn die gestellten Anträge wirklich gesetzgeberische Absichten ver⸗ folgen. Anders ist es jedoch, falls lediglich agitatorische Manöver im Spiel sind.

Die deutschfreisinnige Partei hat sofort bei Zusammentritt des Reichstages nicht weniger als drei Initiativanträge eingebracht, von denen Niemand im Ernst bezweifeln wird, daß sie agitatorischen Zwecken dienen sollen. Zwei derselben beziehen sich auf die Gewerbe⸗ ordnung, einer auf den Schutz des Wahlrechts. Letzterer ist bereits im Reichstage verhandelt; aber die Art, in welcher Hr. Rickert den⸗ selben zu begründen versuchte, zeigt deutlich genug, daß das ganze Vorgehen als ein der Sozialdemokratie hingeworfener Wahlköder ge⸗ dacht ist. Alle Beschwerden, die Hr. Rickert vortrug, bezogen sich nämlich auf sozialdemokratische Schmerzen, auf, seiner Meinung nach, zu weit gehende Auslegung des Sozialistengesetzes ꝛc.; kaum eine Silbe hatte er über Verletzungen des Wahlrechts selbst vorzubringen. „Noch mehr tritt aber die Natur dieser Anträge als Wahlköder für die Sozialdemokratie bei den beiden anderen hervor. Die einzige Partei im Reichstage, welche sich zu manchesterlichen Prinzipien be⸗ kennt, begeistert sich plötzlich für Arbeiterschutz! Liegt schon bierin eine Ironie des Schicksals für die Antragsteller, so tritt die unschulds⸗ volle Naivität dieses Vorgehens erst recht zu Tage, wenn man sich an M. früheren Verhandlungen des Reichstages über Arbeiterschutz erinnert.

Der Reichskanzler hat bekanntlich einmal, wie dies auch kürzlich von der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ in einem denselben Gegenstand behandelnden Artikel hervorgehoben wurde, im Reichstage erklärt, er sei im Prinzip für soviel Arbeiterschutz wie nur immer möglich, aber es köͤnne ihm nichts helfen, wenn sich der Reichstag über die ig der Sache liegenden Schwierigkeiten hinwegsetze, indem er beschließt: Wir wollen mehr Arbeiterschutz und du, Bundesrath, mußt wissen, wie das zu machen ist. Genau nach dieser Formel ver⸗ fahren aber die beiden freisinnigen Anträge: Der Bundesrath soll dem Reichstage „noch im Laufe dieser Session“ oder „baldthunlichst“ Gesetzentwürfe vorlegen, welche eine „weitere Ausbildung der Arbeiter⸗ schutzgesetzgebung in Ansehung der Frauen⸗ und Kinderarbeit“ ent⸗ halten und welche Gewerbegerichte mit der Maßgabe einführen, „daß die Beisitzer derselben zu gleichen Theilen von Arbeitgebern und von den Arbeitern in getrennten Wahlkörpern und in unmittelbarer gleicher und geheimer Abstimmung gewählt werden“.

Was in diesen von den Freisinnigen so dringend verlangten Gesetzentwürfen stehen soll, davon sagen sie keine Silbe, aber der Bundesrath soll es wissen, wie dasjenige, was die Freisinnigen als Wahlköder für die Sozialdemokraten verlangen, zu machen wäre. Nun hat aber bekanntlich der Reichstag schon früher Anträge anderer, zu solchen Vorschlägen fürwahr besser als die Freisinnigen legitimirter Parteien angenommen, der Bundesrath hat jedoch diese Vorschläge verworfen, wie genugsam bekannt, weil sie eine praktisch brauchbare Lösung der Arbeiterschutzfrage nicht enthielten.

So wünschenswerth gewiß eine solche Lösung dieser Frage wäre, durch vage Resolutionen, wie die Freisinnigen sie vorschlagen, wird diese Lösung gewiß nicht gefunden, dazu gehören mit den vorhandenen Schwierigkeiten sich abfindende praktisch brauchbare, ins Einzelne durchgearbeitete Vorschläge, und es genügt bei Weitem nicht, dem Bundesrath zu sagen: Du mußt wissen, wie wir die Sache gemacht woger 1 gesehen aber davon, daß durch derartige nur zu agitatorischen als Wahlköder, eingebrachte Initiativanträge ein praktisches efultat gar nicht erzielt werden kann, leidet unter denselben das Ansehen und die Würde des Reichstages; denn der Mißbrauch eines jeden Rechts schädigt die Autorität derjenigen Instanz, welcher der Gebrauch des fraglichen Rechts zusteht. Es möchte daher in Er⸗ wägung zu nehmen sein, ob nicht in die Geschäftsordnung zunächst ein Arbeitsschutz für den Reichstag gegen agitatorischen Mißbrauch seiner gesetzgeberischen Initiative aufzunehmen angezeigt und nothwendig wäre.

Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts. Nr. 49. Inhalt: Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Volkskrankheiten und Sterblichkeit im Oktober. Sterbefälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Er⸗ krankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen

Der italienische Botschafter Marochetti ist von seinem Urlaub ruaanith 8 1 is gestern

Leistungen; der landrechtliche und armengesetzliche Schutz des invaliden

Stadt⸗ und Landbezirken. Krankenberichte der Königli is Armee ꝛc. für das erste Halbjahr 1888 üe erufssche⸗

seuchen in Belgien im 3. Vierteljahr. Klauenseuche in den Nieder⸗

Wasserstandsverhältnisse auf der Elbe, bezw. dem Rhein und Neckar

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach bringt die

. Thierseuchen in Ungarn vom 3. Juli bis 2. Oktober. Ansteckende Lungen⸗Darmentzündung in Frankreich. Lungenseuche in Egypten. Zeitweilige Maßregeln ꝛc. Veterinärpolizeiliche Maß⸗ regeln. Medizinal⸗Gesetzgebung ꝛc. (Deutsches Reich.) Prüfung und Beglaubigung von Thermometern. (Preußen.) Aerztliche Vor⸗ prüfung. Zulassung zur ärztlichen Prüfung. Verbreitung der Tuberkulose des Rindviehs. (Berlin.) Benutzung öffentlicher Ver⸗ kehrsmittel durch Kranke. (Reg.⸗Bez. Bromberg.) Viebtransport. Führung von Kontrollbüchern beim gewerbsmäßigen Betriebe des

ferdehandels. Reinigung und Desinfektion von Gastställen. Baden.) Verschleppung von

Statistische Nachrichten.

Ueber das Salz im deutschen Zollgebiet (Produktion und Konsumtion, Besteuerung und steuerfreie Ablassung, sowie Ein⸗ fuhr und Ausfuhr von Salz) im Ctatsjahre 1887/88 veröffentlicht das neueste Monatsheft zur Statistik des Deutschen Reichs eine Reihe von Uebersichten und Tabellen, aus welchen Folgendes mitgetheilt wird: Salzproduktionsstätten waren innerhalb des deutschen Zoll⸗ gebiets während des Etatsjahres 1887/88 zusammen 85 im Betrieb, darunter 11 Bergwerke (wovon 7 im Staatsbesitz), 64 Salinen (21 im Staatsbesitz) und 10 Fabriken mit Salznebengewinnung. Diese Werke haben 1887/88 produzirt 51 385 t Krystallsalz (61 195 t im Vorjahr und 59 938 t im Durchschnitt der 10 Jabhre 1878/79 bis 1887/88), 334 944 t anderes Steinsalz (362 969 t im Vorjahre und 251 334 t im Durchschnitt der gedachten 10 Jahre) und 486 460 t Siedesalz (493 396 t im Vorjahre und 464521 t im 10jährigen Durchschnitt). An inlän⸗ dischem Salz wurden innerhalb des Zollgebiets zu Speisezwecken abgelassen 338 408 t (1886/87 335 980 t) und zu anderen als Speisezwecken steuerfrei verabfolgt 383 906 t (1886/87 380 358 t), zusammen also n den freien Verkehr gesetzt 722 314 t. Aus dem deutschen Zollgebiet ausgeführt wurden 126 884 t Salz (1886/87 167 616 t), und zwar nach den deutschen Zollausschlüssen 36 623 t, Belgien 22 712 t, Oesterreich 22 206 t, den Niederlanden 13 819 t, Britisch⸗Indien 10 280 t, Schweden und Norwegen 8090 t, Dänemark 3961 t und Rußland 3402 t. Die Ausfuhr nach dem letztgenannten Land ist seit 882/83, in welchem Jahre sie auf beinahe 60 000 t sich be⸗ aufen hatte, beträchtlich im Rückgange in Folge des Auf⸗ Lchwungs der russischen Salzindustrie. Auch war im letzten Jahre im Vergleich zum Vorjahre der Salzexvort nach Hamburg⸗Altona und den Niederlanden wegen der ungünstigen

ein geringer. Die Salzeinfuhr in das deutsche Zollgebiet ist schon seit iner längeren Reihe von Jahren ununterbrochen in der Abnahme und etrug 1887/88 nur noch 26 112 t, wovon 24 072 t aus Groß⸗ ritannien eingegangen sind. Einschließlich des ausländischen Salzes urden 1887/88 an Speisesalz verbraucht 360 341 t oder 7,7 kg auf en Kopf der Bevölkerung, an anderem (steuerfreiem) Salz 388 035 t oder 8,2 kg auf den Kopf. Von der letztgedachten Salzmenge sind 220 810 t in Soda⸗ und Glaubersalzfabriken verarbeitet, 108 498 t zur Viehfütterung gebraucht, 21 100 t in chemischen und Farben⸗ fabriken, 12 232 t in der Lederindustrie, 8825 t in der Metallwaaren⸗ indastrie und 6781 t zur Seifen⸗ und Kerzenfabrikation verwendet worden. Ueberi das Volksschulwesen im Großherzogthum V Statistik der dem Ministerial⸗Departement des Großherzoglichen Hauses und des Kultus nterstellten Unterrichts⸗ und Erziehungsanstalten im Großberzogthum Sachsen für die Schuljahre von Ostern 1886—1888 folgende Mit⸗ heilungen: Von 626 Gemeindebezirken waren 458 Schulorte. Die Faß der Schulstellen belief sich im letzten Schuljahr auf 838. An Schulbauten wurden in dem Zeitraum von 1878—188s fertiggestellt 45 Schulbäuser, 55 Schulsäle, 8 Lehrerwohnungen. Die Volksschulen wurden nach Abzug von 81 bezw. 68 Sekundärschuüͤlern in Eisenach bezw. Neustadt im Jahre 1877/78 besucht von 47 196 Kindern, und es be⸗ standen zu dieser Zeit 753 Lehrerstellen; demnach kamen damals auf eine Lehrerstelle im Durchschnitt 62,68, dagegen im letzten Schuljahre 887/88 64,48 Schüler. Die Anzahl der Rektoren ist unverändert eblieben; die der ersten Lehrer, welche mit der Ortsschulaufsicht etraut sind, war in den Jahren 1877/78 6 und beträgt jetzt 8. Die Anzahl der geistlichen Ortsschulaufseher belief sich im ersten Jahre auf 225, war am kleinsten im Schuljahre 1884/85, wo sie 213 betrug, und beläuft sich gegenwärtig auf 238. Dementsprechend ist die Anzahl der sonstigen mit der Ortsschulaufsicht be⸗ trauten Personen, welche im ersten Jahre 45 betrug, im Ganzen zurückgegangen auf 34 im Schuljahre 1887 —88. Da die Besetzung der erledigten Schulstellen durch die von den Seminaren entlassenen Schulamtskandidaten regelmäßig im Anfange des Schuljahres statt⸗ zufinden pflegt, die Erledigung der Schulstellen aber auch, z. B. durch Todesfall, im Laufe des Jahres Platz greift, erreicht die Anzahl der am Jahresschlusse thätigen Lehrkräfte selbstverständlich nicht die der Schulstellen. Die erstere war am kleinsten in den Jahren 1878 bis 1880 und betrug an Lehrern und Lehrerinnen 1878/79 719 Lehrer und 14 Lehrerinnen, im Jahre 1879/80 720 Lehrer und 16 Lehrerinnen bei 24 bez. 25 am Jahres⸗ schluß unbesetzten Lehrerstellen und bei einer Gesammtzahl von 757 bez. 761 Lehrerstellen, einschließlich der von Lebrerinnen besetzten. Infolge des Abgangs von älteren Lehrern und des starken Zugangs von jüngeren Lehrkräften wuchs der Prozentsatz der provisorischen Lehrer im Verhältniß zu der Anzahl sämmtlicher angestellten von 6,46 % im Jahre 1877/78 bez. 4,31 % im Jahre 1878/79, in welchem von 719 Lehrern überhaupt 31 sich in provisorischer Stellung befanden, auf 14,11 % im Jahre 1884/85, in welchem auf 794 Lebrer im Ganzen 112 provisorische kamen. Von da an nimmt das in Rede stehende Verbältniß wieder ab und beträgt 8,63 % im Jahre 1887/88 bei 71 provisorischen und 752 definitiven, also zusammen 823 Lehrern. Die Lehrerinnen befinden sich sämmtlich nur in provisorischer Stellung. Ihre Anzahl war mit 9 am größten im Jahre 1880/81 und ist gegenwärtig 10. Während des 11jährigen Zeitraums von Ostern 1877 bis dahin 1888 wurden entlassen 112 Lehrer, im jährlichen Mittel 10,18, pensionirt 115, im jährlichen Mittel 10,45, und sind gestorben 68, im jährlichen Mittel 6,18. Von den in den Jahren 1877 bis 2888 in den Volks⸗ schuldienst des Großherzogthums eingetretenen inländischen Be⸗ werbern sind später 9,68 %, von den aus dem Auslande aufgenommenen aber 41,51 % wieder entlassen worden. Die Fortbildungsschulen erreichten ihren größten Bestand im Jahre 1882/83 mit 5137 Schülern. Die Anzahl der Privatanstalten, welche im Jahre 1877/78 im Ganzen 17 betrug, ist gegenwärtig 19. Betreffs der Zuschüsse, welche aus der Volksschulkasse zu dem von den Gemeinden bestrittenen Aufwand für die Volksschulen geleistet werden, ist zu bemerken, daß die Gesammt⸗ ausgabe der Volksschulkasse von 281 100,03 im Jahre 1877 auf 368 427,93 im Jahre 1887, folglich in 10 Jahren um 31,07 % oder jährlich um 3,11 % gestiegen ist. Im Einzelnen wurden gezahlt als Zuschüsse 1877 zu Mindesthesoldungen 44 655,54 ℳ, 1887 54 073,87 ℳ, zu Alterszulagen 1877 132 964,42 ℳ, 1887 135 055,43 ℳ; an Pensionen und Wartegeldern 1877 66 016,94 ℳ, 1887 122570,70 Außerdem wurden verwilligt an „Ortszulagen für Lehrer an besonders entbehrungtreichen Orten jährlich 3000 ℳ; ferner an Zu⸗ schüssen zu Schulbauten in den früheren Etatsperioden jährlich 6000 ℳ, in der letzten 1887/89 jährlich 12 000 ℳ; sodann an Zu⸗ schüssen zur Lehrer⸗Wittwenkasse früher jährlich 9000 ℳ, seit dem Jahre 1884 aber 12 000 ℳ; endlich erhielten im Jahre 1887 181 Lehrer in solchen Stellen, mit denen besonders beschwerlicher und umfänglicher Kirchendienst verbunden ist, einmalige Zulagen im

2 Von der „Zeitschrift des Königlich baperischen Statistischen Bureaus“, redigirt von dem Vorstande des Statistischen Bureaus, Königlichem Regierungas⸗Assessor Carl Rasp,

erschien soeben des zwanzigsten Jahrgangs, 1888, Nr. 3 mit folgendem

Inhalt: Statistische Nachweisungen über die Armenpflege im König⸗ reich Bavern für das Jahr 1886. Von Dr. Krieg, Königlicher Be⸗ zirksamts⸗Assessor. Die Bewegung der Gewerbe in Bayern im Jahre 1887.— Ergebnisse des Militär⸗Ersatzgeschäfts des Jahres 1887 in Bayern. (Nach den Mitheilungen der Militär⸗Medizinal⸗ Abtheilung des Königlichen Kriegs⸗Ministeriums.) Zusammen⸗ stellung der von den zuständigen Behörden getroffenen Festsetzungen des durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes und des Werthes der Naturalbezüge land⸗ und forstwirthschaftlicher Arbeiter, dann des ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Arbeiter. Von Carl Rasp, Vorstand des Königlichen statistischen Bureau. Ueber die Ver⸗ breitung ansteckender Thierkrankheiten in Bayern für die Zeit vom 1. Juli bis inkl. 30. September 1888 vom Königlichen Landes⸗ thierarzt Göring. Geburts⸗ und Sterblichkeitsverhältnisse in einer Anzahl bayerischer⸗Städte im dritten Vierteljahr 1888. Literatur.

Das Wachsthum Indiens. (A. C.) Im Jahre 1842 hatten die britischen Besitzungen in Indien einen Flächeninhalt von 626 000 Quadratmeilen; 1844 stieg derselbe auf 675 000, 1847 auf 694 000, 1848 auf 699 000, 1855 auf 832 000 und 1856 auf 856 000 Quadratmeilen. Bis 1865 blieb der Flächen⸗ inhalt stationär; alsdann vergrößerte er sich auf 860 000 und stieg dann allmählich, bis er 1886 sich auf 947 887 Quadratmeilen belief. Britisch⸗Indien war folglich 1886 halbmal größer als 1842. Dieser außerordentliche Gebietszuwachs wird vielleicht besser verstanden werden, wenn er wie folgt veranschaulicht wird: Seit 1842 wurde Britisch⸗Indien, d. h. dem britischen Terri⸗ torium in Indien, ausschließlich der Eingeborenen⸗Staaten, ein Flächeninhalt zugefügt, der so groß ist wie Frankreich, Italien und Belgien zusammengenommen. Im Jahre 1842 hatte Britisch⸗Indien einen Flächenraum, der sich dem Frankreichs, Spaniens und des Deutschen Reichs zusammengenommen gleichstellt; 1852 wurde demselben ein

lächenraum so groß wie Italien und Portugal zusammengenommen inzugefügt; 1862 wurde ein weiterer Flächenraum, so groß wie Ungarn, binzugefügt; 1882 wurde das Reich durch den Flächeninhalt von Holland und 1886 durch einen Flächeninhalt gleich dem des ganzen Deutschen Reichs, ausschließlich des Königreichs Preußen, ver⸗ größert. Der Flächenrqum der unter britischem Schutz stehenden Hindu⸗Staaten ist etwa so groß wie Oesterreich⸗Ungarn, Spanien, Portugal und Italien zusammengenommen.

Sterblichkeit in Moskau im Jahre 1887. In der zweiten Hauptstadt des rufsischen Reichs sind im verflossenen Jahre ausschließlich der Todtgeborenen 25 650 Personen, davon 13 978 männlichen und 11 672 weiblichen Geschlechts, gestorben, das sind bei einer mittleren Bevölkerung von 751 000 Köpfen durchschnittlich aufs Jahr und 1000 Einwohner 34,15 Sterbefälle gegen 38,14 im Jahre 1886. Sowohl hinsichtlich der Höhe der Sterblichkeitsziffer, wie namentlich bezüglich der Todesursachen unterscheidet sich Moskau wesentlich von den deutschen und anderen europäischen Großstädten des Westens. Es starben nach den „Tableaux internationals“:

in den Jahren 1887 1886

gCbebHbRthen 6 243 272 11111414X*X“ 441 417 Diphtberie und Croupb . . . . . . . 612 592 Unterleibstyphus einschließlich gastrischen und Nervenfiebers 111A““ 311 965 Flecktyphus 264 822 Ruhr .. 184 372 Kindbettfieber. 108 149 Lungenschwindsucht . 3 016 3 501 akuten Erkrankungen der Athmungsorgane. 4 618 5 204 allen übrigen Krankheiten . . . . . . . 15 491 15 797 Verunglückung oder nicht festgestellter gewalt⸗ samer Einwirkung . . .. .. 221 198 Fobeblag (Morb). . . .. 10 10 Selbstmord 1““ 79 88 Gegenüber der verhältnißmäßig geringen Zahl gewaltsamer Todesfälle (Verunglückungen, Morde und Todtschläge, Selbstmorde) treten die Infektionskrankheiten mit erschreckender Heftigkeit auf und unter diesen besonders solche, welche in Deutschland und West⸗Europa nur noch wenige Opfer fordern, wie Pocken, Unterleibstyphus u. s. w, lecktpphus, Ruhr und Kindbettfieber. Sie beweisen, daß die vgienischen und sanitären Verhältnisse Moskaus noch mancher Ver⸗ besserung bedürfen, bevor sie den westeuropäischen gleichkommen. London, 4. Dezember. (A. C.) Den Aufzeichnungen des „Bureau Veritas“ zufolge sind im Oktober 76 Segelschiffe, darunter 10 deutsche, 3 russi sche und ein österreichisches, sowie 18 Dampfer, unter denselben ein deutscher und ein russischer, zu Grunde gegangen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der Rheinisch⸗Westfälische Kunstverein hat die Düsseldorf und der Düsseldorfer Schule angehörenden Maler zu einem Wettbewerb mit dem Preise von 7000 eingeladen. Es soll der Stadtrathsaal zu München⸗Gladbach mit Wandgemälden geschmückt werden, auf denen bedeutende Ereignisse aus der Geschichte der Rbein⸗ provinz und des preußischen Staates besonders während der Regierung Wilhelm's I. zur Darstellung gelangen. Die Entwürfe sind bis 1. Februar 1889 bei dem Kunstverein einzureichen. 8

Ueber einen Ersatz für Holzschnitt berichtet die „Kunst für Alle“: Die Firma Chédiac u. Co. in Paris erhielt ein deutsches Patent auf folgendes Verfahren zur Anfertigung von Hochdruckplatten, welche den Holzschnitt ersetzen sollen: Ein Papierbogen wird mit einem Teige aus Blanc fixe oder Bleiweiß, Gelatine, Glycerin und Eiweiß überzogen, und zwar wird dieser Teig mit einem Pinsel aufgetragen. Nach Trocknen der Schicht wird dieselbe mit einem Klebstoff überzogen. Hierauf entwirft man die zu vervielfältigende Zeichnung auf dem Papier mit einem Bleistift und in leichten Linien, und überzieht die Zeichnung schließlich mit einem aus Harz, Fett, Seife, Wachs und Terpentin bestehenden Firniß. Aus diesem Firniß kratzt man nunmehr die weiß zu lassenden Stellen mit einem Grab⸗ stichel oder einer Feder weg. Auf diese Weise erhält man eine Hoch⸗ druckmatrize, welche man mittels des bekannten Verfahrens auf Stein oder hauptsächlich auf Zink überträgt. Der Zink wird schließlich geätzt. Nach Angabe des Erfinders erhält man auf diese Weise Zinkätzungen, welche es mit den besten Holzschnitten aufnehmen können. Proben liegen nicht vor, bemerkt der Berichterstatter der „Kunst für Alle“, und wir vermögen somit die Richtigkeit der An⸗ gaben nicht zu prüfen. Das Verfahren dürfte sich indessen dem An⸗ scheine nach nur für einfache Zeichnungen in Linienmanier eignen und vielleicht die gewöhnlichen Zinkätzungen mit Vortheil ersetzen. Die Schönheit der mittelst Photographie hergestellten Platten werden die Chédiac'schen Platten schwerlich je erreichen.

Im Verlage von Gustav Elkan (Franck u. Spaethen) zu Harburg a. d. Elbe ist soeben der II. Theil des von dem Steuer⸗ Rath und Dirigenten des Haupt⸗Steueramts zu Prenzlau, Troje, herausgegebenen Handbuchs: „Die Besteuerung des Brannt⸗ weins im Deutschen Reich“ erschienen. Derselbe umfaßt die Ausführungsbestimmungen zu den Reichsgesetzen, betreffend die Be⸗ steuerung des Branntweins, vom 24. Juni 1887 und vom 8. Juli 1868, und betreffend die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerb⸗ lichen Zwecken, vom 19. Juli 1879. Inhaltsangabe: Erster Ab⸗ schnitt. Bestimmungen über die Höhe, Art, den Erlaß und die Ver⸗

ütung der Verbrauchsabgabe, Material⸗ und Zus Fweiter Abschnitt. Bestimmungen über Erhebung und Kontrolirung der Verbrauchsabgabe, der Maischbottich⸗, Material⸗ und Zuschlags⸗ steuer. Dritter Abschnitt. Regulative. Vierter Abschnitt. Uebergangsabgaben von Branntwein. Fünfter Abschnitt. Wichtige

Gesammtbetrage von 5450 ausgezahlt, und es ist auch für die Folge die gleiche Verwilligung in Aussicht genommen.

Erkenntnisse des Reichsgerichts und des frühern preußischen Ober⸗

““

Tribunals in Branntweinsteuer⸗Kontraventionssachen. Beilagen. Der Subskriptionspreis von 8 gilt nur bis zum 1. Januar 1889. Proposch, W.: „Humor und Ernst aus dem Leben Kaiser Friedrich's8“. Eine Sammlung von Erinnerungen, Episoden, Anekdoten u. s. w. Verlag der Hofbuchhandlung von Reinhold Kühn in Berlin W., Leipzigerstraße 115/116. (Pr. 1 ℳ) Die Unzahl von Erinnerungen an Kaiser Friedrich, welche seit Monaten auftauchen, boten dem Sammler ein überreiches Material. Aber diesen Stoff zu sichten, Unbeglaubigtes, Parteiisches und Tendenziöses fernzuhalten, das Ganze in EWWN1A6““ Ordnung zu bringen, kurzum ein Buch für das Volk zu schaffen, das Denkmal, das der Verewigte sich selbst schuf, dem deutschen Herzen zugänglich zu machen dies ist mit nicht zu unterschätzender Mühe hier gethan„ In solcher Form muß das ungetrübte Lebensbild des Kaisers, das ihn von früher Jugend bis an das schmerzensreiche Ende zeigt, Jung und 8 Alt gleich erfreuen. Der Verleger gab auch dem Aeußeren eine hübsche Gestalt. 3 Kadettenlust, Kadettenleid Humoristisches Tage⸗ buch von von Enzberg. 2. Aufl. Verlag von Robert Lutz in 1 Stuttgart, 1888. 138 S. (kart. Preis 1 ℳ; in Leinwand geb. 8 1,50 ℳ) Von der Einkleidung zum Kadetten bis zum wohl⸗ bestandenen Fähnrichsexamen verfolgt der Verfasser all die kleinen, für ein Kadettenherz aber so großen und wichtigen Erlebnisse beim Morgenkaffee, Appell, Unterricht, in Spiel⸗ und Arbeitsstunde, beim Exerzieren, beim Baden, Fechten, Schwimmen, bei Vergnügungs⸗ partien, bei kleinen Ausschreitungen u. s. w. bis zu dem endlich be-⸗ freienden Examen. Das Büchlein, von einem ebemaligen Kadetten geschrieben, der in Bensberg, Berlin und Lichterfelde Kadettenlust und ⸗Leid in allen ihren Abwechslungen kosten gelernt hat, wird 8 dem jüngsten Kadetten wie dem ältesten Offizier Freude machen und v als kleines Weihnachtsgeschenk diesen Kreisen warm empfohlen werden. „Der Frauenstruwelpeter“ von M. Reymond. Mit zahl⸗ reichen Abbildungen. Verlag von Rob. Lutz in Stuttgart (Pr. 1 ℳ). Der bekannte Humorist und Satiriker führt in dieser kleinen Schöpfung seiner Phantasie die Porträts von sieben Musterfrauen vor Augen, wie sie nicht sein sollen: Frau Trude, die Abergläubige, Frau Rosa, die Kosmetische, Frau Julia, die Modische, Frau Portiun⸗ kula, die Wirthschaftliche, Frau Siglinde, die Stilvolle, Frau Emma, die Häusliche, Frau Eugenia, die Schöngeistige. Die Absicht des Verfassers ist, gerade so, wie es der Kinderstruwelpeter will, in heiterer Weise zu belehren und die Grundsätze des Vernunftgemäßen, Schönen und Gesunden zu verbreiten. Der Reymond'sche Struwelpeter, in leicht fließenden Versen geschrieben sei allen Freunden des Humors beiderlei Geschlechts empfohlen. Ein Ritt ins Gelobte Land. Land und Leute in W.“ vor 3000 Jahren. Von A. Thoma, Professor in arlsruhe. 10 Bogen 80° mit 8 Vollbildern und 5 in den Text ge⸗ druckten Abbildungen. In Halbleinwandband gebunden, Pr. 2 Das Buch schildert in Form einer Reisebeschreibung mit eingeflochtenen Erzählungen das altisraelitische Land und Volk in seinem Alltags⸗ gewande. Während die Bibel fast nur die religiöse Seite des Volkes 8 zeichnet, wird uns hier das gewöhnliche Werktagsleben der zwölf Stämme in Dorf und Stadt, in Berg und Thal mit den Lebens⸗ gewohnheiten und Lebensanschauungen der verschiedenen Stände vor⸗ geführt. Dies geschieht vollständig im Kolorit der orientalischen Sprache und Anschauung mit eingehender Verwendung der Lieder⸗ und Spruchpoesie, der historischen und prophetischen Literatur der Hebräer, aber ohne Künstelei, in frischem, flottem Stil, so daß das Ganze einen originellen und lebenswarmen Eindruck macht. Der als volksthümlicher Erzähler weitbekannte Verfasser hat durch anziehende Darstellungsweise des vorliegenden Buches reizende, einheitlich gezeich⸗ nete Kulturbilder geschaffen, die Alt und Jung, Schule und Familie Genuß bereiten werden. Die feine äußere Ausstattung gereicht dem Buche besonders zur Zierde.

In Julius Groos' Verlag zu Heidelberg ist soeben erschienen: „Kleine Niederländische Sprachlehre“ für den Gebrauch in Schulen und zum Selbstunterricht von T. G. G. Valette, Lehrer an den höheren Lehranstalten in Gouda (Niederlande). Die vorliegende, nach der Methode Gaspey⸗Otto⸗Sauer bearbeitete Sprach⸗ lehre, welche weniger für den gewöhnlichen Schulunterricht als für das Selbststudium bestimmt ist, hat zunächst Diejenigen im Auge, welche sich mit den Anfangsgründen der niederländischen Sprache vertraut machen wollen. Besonders der Kaufmann, dem es nicht um ein eingehendes Studium der fremden Sprache zu thun ist, sondern der lediglich praktische Zwecke verfolgt, wird in derselben ein für ihn hinreichendes Material finden.

Die am 8. d. M. erscheinende Nr. 2371 der „Illustrirten Zeitung“ enthält folgende Abbildungen: Der Pifferaro Bemaltes Standbild von Euno von Uechtritz Der neue sephardische Tempel in Wien. Originalzeichnung von Joh. Nep. Geller. Großfürst

aul Alexandrowitsch von Rußland und seine Verlobte, Prinzessin lexandra von Griechenland. Die neue Infanterie⸗Ausrüstung der österreichisch⸗ungarischen Armee. Originalzeichnung von F. Schlegel. Medaille zum Gedäͤchtniß der Vereinigung Hamburgs mit dem Zollgebiet des Deutschen Reichs. (Vorder⸗ und Rückseite.) Der Brand Roms unter Nero. Dioramenbild von Edmund Berninger und Hermann Schneider im Krystallpalast zu Leipzig. (Zweiseitig.) Von der deutschen Kriegsmarine: Neues Torpedo⸗Divisionsboot, mit Torpedobooten manövrirend. Originalzeichnung von H. Penner. Nikolaus Delius am 18. November. Dora d'Istria am 17., November. Der neue Saal der Philharmonie in Berlin. Originalzeichnung von G. Theuerkauf. Das Riesenfernrohr für die Lick⸗Sternwarte auf dem Hamiltonberge in Kalifornien.

Gewerbe und Handel.

Die Reichsbank hat heute den Diskont auf 4 ½ %, den Lom⸗ bardzinsfuß für Darlehne gegen ausschließliche Verpfändung von Schuldverschreibungen des Reichs oder eines deutschen Staats auf 5behsgegen Verpfändung sonstiger Effekten und Waaren auf 5 ½ % erhöht.

Die staatlichen Kohlenwerke im Regierungs⸗ bezirk Trier haben im dritten Quartal eine Gesammtförderung von 1 581 603 t gehabt, während diejenige des gleichen vorjährigen Zeitraums um 84 256 t (gleich 6 %) geringer war. Die erfreuliche Zunahme des in gleichem Maße gestiegenen Absatzes entfällt ganz auf die Eisenbahnabfuhr, welche sich auf 1 026 921 t belief, während der Kanalabsatz 378 839 t betrug. In den Kohlen⸗ preisen traten am 1. Juli d. J. allgemeine Erhöhungen ein, welche namentlich für Kokskohlen nicht unerheblich waren. Der Nachfrage entsprechend ist auf sämmtlichen Saargruben die För⸗ derung erböht und zur Einstellung neuer Arbeiter geschritten worden. Die materielle Lage der Grubenarbeiter ist durch diese Ver⸗ hältnisse günstig beeinflußt worden, indem mit der Verstärkung der Belegschaften auch die Löhne der Arbeiter eine Erhöhung erfuhren. Auf den Privatkohlenbergwerken haben sich die Verhältnisse in gleicher Weise gebessert. 1 8

Bericht über den Handel mit Stärke, zusammengestellt nach Mittheilungen der Vertrauensmänner des Vereins der Stärke⸗ Interessenten in Deutschland. (Woche vom 28. November bis 4. De⸗ zember 1888.) Die Preise für Kartoffelmehl und trockene Ia Stärke haben sich im Großen und Ganzen in der Berichtswoche auf der Höhe der in der Vorwoche gezahlten erhalten. In Prima Kar⸗ toffelmehl wurden zu Anfang dieser Woche Verkäufe von 300 Sack zu 29 und von 500 Sack zu 28,50 ab Station im Lüneburgi⸗ schen, von 100 Sack zu 29 frei Station im Regierungsbezirk

erseburg, ferner von 500 Sack zu 28,50 lieferbar Dezember⸗April und 200 Sack zu 29 lieferbar Dezember⸗Februar frei Station in der Altmark, späterhin von 600 Sack zu 29 ebenfalls ab Station in der Altmark, lieferbar Dezember⸗März. mitgetheilt. An trockener Kartoffelstärke wurden verkauft 100 Sack zu 27,75 frei Station in Niederschlesien, 500 Sack zu 30 frrei

Hamburg (sofortige Abnahme) und 1500 Sack zu 28,50 ab Sta⸗ tion der Potsdamer Bahn = 29,25 Parität Hamburg, lieferbar