Entscheidung gefällt, welcher folgender Sachverhalt zu Grunde lag: Der Fruchthändler B. ließ durch den Gerichts⸗ vollzieher K. zu Düren wegen einer rechts kräftigen Forderung eine Pfändung der Fahrnisse des Schuldners vornehmen. Die Versteigerung ergab einen Erlös von 507 ℳ — B. erhob hierauf Klage gegen den Gerichtsvollzieher beim Landgericht zu Aachen auf Zahlung von 350 ℳ, indem er geltend machte: Beklagter habe mit der Versteigerung bereits eine Stunde vor dem ihm mitgetheilten Termin be⸗ gonnen und ein Klavier sowie eine Nähmaschine unter dem
Taxwerth verkauft, ehe B., welcher sich zu der ihm festgesetzten
Zeit in dem Versteigerungslokal einfand, gekommen war. B. habe selbst beabsichtigt, jene Gegenstände zu einem höheren Preise anzukaufen und er habe durch das Verhalten des Gerichtsvollziehers den eingeklagten Schaden erlitten. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Das Berufungs⸗ gericht nahm an, daß der Beklagte als bezahlter Man⸗ datar nach Art. 1992 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für den durch ein geringes Versehen verursachten Schaden hafte, daß aber vorliegend dem Gerichts⸗ vollzieher ein Verfehen nicht zur Last falle, da er von dem Kläger um Mittheilung des Verkaufstermins nicht ersucht worden, Kläger, welcher weit entfernt von der Verkaufsstelle wohnte, auch gar nicht die Absicht zu erkennen gegeben hatte, sich bei dem Verkauf einzufinden und daran durch Mitbieten zu betheiligen. Auf die Revision des Klägers hob das Reichsgericht das Berufungsurtheil auf, indem es be⸗ gründend ausführte: „Da der mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher in der Doppelstellung eines Be⸗ auftragten des Gläubigers und eines staatlichen Beamten handelt, enthält die Klagebegründung einen zwiefachen Rechts⸗ grund für die behauptete Entschädigungspflicht, das in der Ausübung des Amts angeblich durch Nichtbeobachtung des §. 61 der Geschäftsanweisung begangene Versehen, also eine négligence im Sinne des Art. 1383 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und eine Verletzung der dem Beauftragten nach den Grund⸗ sätzen des Bevollmächtigunssvertrages obktegenden Verbind⸗ lichkeiten (Art. 1992). — Ob der Entscheidungsgrund des Be⸗ rufungsrichters als genügend zu erachten wäre, um die dem Beauftragten nach den Grundsätzen des Mandats gemäß Art. 1992 des Bürgerlichen Gesetzbuchs obliegende Entschädigungspflicht zu beseitigen, kann dahingestellt bleiben, denn es handelt sich für die Revision nur um den weiteren Klagegrund, nämlich die behauptete Verletzung einer Amtspflicht. Von diesem Ge⸗ sichtspunkt aus ist nach Art. 1383 B.⸗G.⸗B. nur zu prüfen, ob dem Beklagten eine Unvorsichtigkeit oder Nachlässigkeit zur Last fällt, und ob der schädigende Erfolg damit im ursächlichen Zusammenhang steht; dagegen wird nicht vorausgesetzt, daß der eingetretene Schaden vorausgesehen werden konnte. Die Frage, ob den Beamten ein Verschulden treffe und Kläger dadurch zu Schaden gekommen sei, ist aber in der Berufs⸗ Instanz nicht beantwortet.
— Nachdem in einer Berufungssache nach der Auffassung des Schiedsgerichts die Gegenschrift der Berufsgenossenschaft verspätet eingegangen war, wurde über die Berufung ausweislich des betreffenden Sitzungsprotokolls in vermeint⸗ licher Nachachtung der Bestimmung des §. 8 Abs. 1 der kaiserlichen Verordnung vom 2. November 1885 „in Ab⸗ esenheit der nicht geladenen Parteien“ nach Lage der Akten verhandelt und entschieden. Auf den Rekurs der be⸗ klagten Berufsgenossenschaft hob das Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamt durch Entscheidung vom 19. No⸗ vember d. J. (Nr. 637) das schiedsgerichtliche Urtheil auf nd verwies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung in die Vorinstanz zurück. Die im §. 8 Absatz 1 a. a. O. angeordnete Verwarnung, daß im Falle der Nichtinnehaltung der Frist zur Einreichung der Gegenschrift die Entscheidung „nach Lage der Akten“ erfolgen werde, ver⸗ mag ein Abweichen von dem Grundsatze der Mündlichkeit und effentlichkeit des Verfahrens vor den Schiedsgerichten nicht u rechtfertigen. Sie ist vielmehr lediglich als eine Ordnungs⸗ orschrift zwecks Förderung des Ganges des Verfahrens nzusehen, welches sich sonst durch das Zögern einer Partei ngebührlich in die Länge ziehen könnte. Die Regel aber, daß die Entscheidung im Interesse thunlichst erschöpfender Er⸗ rterung der Sache „auf Grund mündlicher Verhandlung“ zu erfolgen habe (§. 10 Absatz 1 der Verordnung vom 2. No⸗ vember 1885 beziehungsweise §. 13 erster Satz der Verordnung vom 5. August 1885, vergleiche §. 127 der Civilprozeßordnung), erleidet nur in dem Falle eine Ausnahme, daß beide Parteien über den Fortfall der mündlichen Verhandlung sich ausdrücklich einigen (§. 19 beziehungsweise §. 21 a. a. O.).
— Der Kaiserliche Botschafter in London, Staats⸗Minister Graf von Hatzfeldt⸗Wildenburg, hat einen ihm Aller⸗ höchst bewilligten Urlaub angetreten. Während der Dauer
er Abwesenheit desselben von seinem Posten fungirt der Legations⸗Rath Graf von Leyden als Geschäftsträger.
8 — Der Herzoglich braunschweigische Gesandte am hiesigen
Allerhöchsten Hofe, Freiherr von Cramm⸗Burgdorf, ist
von kurzem Urlaub hierher zurückgekehrt und hat die Geschäfte er Gesandtschaft wieder übernommen.
— S. M. Aviso „Pfeil“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Herbing, ist am 25. d. M. in Aden eingetroffen und beab⸗ sichtigt, am 27. d. M. die Reise fortzusetzen.
Bayern. München, 26. Dezember. (W. T. B.) Die Kaiserin von Oesterreich ist heute Abend zum Besuch ihrer Tochter, der Erzherzogin Gisela, Gemahlin des Prinzen Leopold, hier eingetroffen. — Der Minister⸗Präsident Freiherr von Lutz ist an Bronchitis erkrankt.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 26. Dezember. (Th. C.) Die Erbgroßherzogin, welche vor einigen Tagen anscheinend unerheblich erkrankte, leidet, wie seit Montag Abend verlautet, an einem gastrisch⸗nervösen Fieber von ernstem Charakter. Die hochgradigen Fiebererscheinungen sind sehr hartnäckig und bewirken, daß die hohe Patientin sich Tag und Nacht in einem Zustand großer Unruhe befindet, doch ist, wie das Bulletin von heute Morgen besagt, der Kräftestand vorläufig nicht besorgnißerregend. In das Kirchengebet ist eine Fürbitte für die hohe Kranke eingelegt.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 26. Dezember. Die heute ausgegebene Nummer 25 von dem „Gesetzblatt für Elsaß⸗Lothringen“ veröffentlicht die Verordnung, ö die Einführung der Gewerbeordnung, vom 24. Dezember 1888, auf Grund des Reichsgesetzes, betreffend
die Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß⸗Lothringen, vom 27. Februar 1888.
8
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 24. Dezember. (Wien. Abdp.) Das Herrenhaus des Reichsraths wird vor Neujahr keine rn. mehr abhalten. Einzelne Kommissionen dieses Hauses setzen jedoch ihre Thätigkeit auch während der Weih⸗ nachtsferien fort.
— (W. T. B.) Dem „Armee⸗Verordnungsblatt“ zufolge sind ernannt: zum General der Kavallerie der bisher beurlaubte FML. Graf Julius Andrassy unter Belassung in seinem gegenwärtigen Verhältniß; zu Feldzeugmeistern: Baron Teuchert und der Generalstabs⸗Chef Baron
Das loyale Verhalten der Führer der Radikalen lasse eine günstige Lösung der noch schwebenden Fragen in kürzester Frist erwarten.
— 26. Dezember. (W. T. B.) Gestern Mittag erschien eine Deputation von 120 der hervorragendsten Mitglieder des radikalen Klubs im Palais, um dem König im Namen der radikalen Partei den wärmsten Dank dafür auszusprechen, daß derselbe aus eigenem Antriebe das serbische Volk mit einer liberalen Verfassung beschenkt habe; sie könnten dem König die Versicherung geben, daß die radikale Partei jest zu Thron und Vaterland stehe,
Pest, 24. Dezember. (Prag. Abdbl.) Das Abgeord⸗
netenhaus tritt Anfangs Januar zur Berathung des Wehr⸗ gesetzes zusammen.
Frankreich. Paris, 24. Dezember. (W. T. B.) Der Senat nahm in seiner heutigen Vormittagssitzung ohne be⸗ merkenswerthen Zwischenfall die Budgets der Finanzen, der Justiz, der Kulte, der Posten und Telegraphen, sowie des Auswärtigen in der von der Kammer be⸗ schlossenen Fassung an. In der Nachmittagssitzung wurden die Budgets für das Innere, für die Marine, für den Unterricht und ein Theil des Budgets für die schönen Künste genehmigt und dabei die von der Kammer gestrichene Subvention von 50 000 Fr. für die Große Oper wieder hergestellt. Hierauf vertagte sich der Senat bis nächsten Mittwoch.
— 25. Dezember. (W. T. B.) Boulanger hat eine Erklärung erlassen, nach welcher er bei der Ersatzwahl für den verstorbenen Deputirten des Seine⸗Departements, Hude, dem ministeriellen Kandidaten gegenüber als Gegenkandidat auftreten wird.
— 26. Dezember. (W. T. B.) Der Senat nahm in der heute Vormittag abgehaltenen Sitzung den Rest des Budgets des Ministeriums der schönen Künste an. Der Kultus⸗Minister bekämpfte den Antrag, betreffend die Erhebung von Eintrittsgeld für die Museen, und erklärte, die Museen bildeten einen Theil der zu allgemeinen Unter⸗ richtszwecken vorhandenen Anstalten und müßten deshalb auch für Jedermann zugänglich sein. In der Nachmittagssitzung genehmigte der Senat die Etats des Krieges und der Kolonien.
In einer gestern stattgehabten Versammlung von Senatoren und Deputirten verschiedener republi⸗ kanischer Richtungen wurde in Aussicht genommen, die Kandidatur Pierre Baudin's an Stelle des verstorbenen Hude gegenüber der Kandidatur Boulanger's zu unterstützen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 26. Dezember. (W. T. B.) Am 1. Oktober d. J. betrugen die gesammten RNeichseinnahmen 596 100 000 Rbl. gegen 521 200 000 Rbl. im Vorjahre, die gesammten Reichsausgaben 561 500 000 Rbl. gegen 537 400 000 Rbl. im Vorjahre.
talien. Rom, 24. Dezember. (W. T. B.) Der Papst empfing heute das Kardinalskollegium und die Prälaten, welche ihre Weihnachts⸗Glückwünsche dar⸗ brachten, und erwiderte auf die von dem ältesten der Kardinäle, Sacconi, verlesene Adresse, nachdem er den Kardinälen gedankt »hatte: Während es Gott gefallen habe, ihm die Gunst der Feier seines Jubiläums zu ge⸗ währen, habe die schwere Lage des Papstthums keine Er⸗ leicht'rung erfahren. Die Lage habe sich vielmehr noch ver⸗ schlimmert durch den systematischen Krieg gegen alles Katho⸗ lische und durch administrative wie legislative Verfügungen. Selbst fromme Stiftungen, wie das asiatische Kollegium, würden nicht geschont und die würdigsten Unternehmungen, wie diejenige gegen die Sklaverei, würden gehindert, weil die Kirche die Initiative dazu ergriffen habe. Man erlaube sich Beschimpfungen und drohende Kundgebungen gegen den Papst, man bediene sich aller und jeder Waffen, um ihm zu schaden und, als ob dies noch nicht genug sei, mache man noch neue dem Papstthum feindliche Gesetze. Der Papst werde beschuldigt, daß er ein Feind Italiens sei, weil er zur Wahrung seines geistlichen Amts auf der Revindizirung der wirklichen Souveränetät beharre. Er habe diese An⸗ schuldigung, mit der man die Italiener vom Papstthum abwendig machen wolle, schon oft widerlegt; jene Re⸗ vindizirung bedeute nur Ruhe und Wohlfahrt für Italien. Der Papst sei nach den ruhmwürdigen Traditionen des Papstthums kein Feind Italiens, sondern nur bestrebt, dessen moralische Macht zu heben. Die italienischen Katholiken, welche die Souveränetät des Papstes zurückforderten, liebten ihr Vaterland mehr als die anderen Katholiken, die dies nicht thäten. Die Bischöfe und die Katholiken der ganzen Welt erhöben ihre Stimmen zur Vertheidigung der Rechte des Papstes; es handle sich um moralische und soziale Inter⸗ essen. Auch Italien sei, wie die Pilgerfahrten bewiesen, mit dem desfallsigen Verlangen nicht zurückgeblieben; die Regierung habe aber diese Stimme durch neue Gesetze unterdrücken wollen. Am Schluß seiner Rede ertheilte der Papst den er⸗ schienenen hohen geistlichen Würdenträgern seinen Segen.
— 26. Dezember. (W. T. B.) Eine Depesche der „Agenzia Stefani“ aus Massovah dementirt die in Zilah und Massovah verbreiteten Gerüchte, wonach Graf Antonelli durch den Sultan von Aussa gefangen genommen worden wäre, und meldet, daß die Reise des Grafen Antonelli ohne jede Schwierigkeit von Statten gegangen sei. — Daß die Beziehungen zwischen dem König Menelik und dem Negus ab gebrochen sind, bestätigt sich.
Neapel, 26. Dezember. (W. T. B.) Der Deputirte Mancini, im letzten Ministerium Depretis Leiter der Aus⸗ wärtigen Angelegenheiten, ist heute auf der Villa Capodimonte gestorben.
Rumänien. Bukarest, 24. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beschloß, die Vorlage betreffend die Eröffnung eines Kredits von 26 Millionen Francs zum Zweck der Zurückziehung der Hypotheken⸗ billets der Nationalbank, in Erwägung zu nehmen.
Serbien. Belgrad, 24. Dezember. (W. T. B.) In der gestrigen ersten Sitzung der großen Skupschtina wurde Paja Vukovics (radikal) zum provisorischen Präsi⸗ denten und Rista Popovic (gemäßigt radikal) zum Präsidenten des Verifications⸗Ausschusses ae
Eine Mittheilung der „Polit. Korresp.“ aus Belgrad tritt den auswärts verbreiteten beunruhigenden Gerüchten mit der Versicherung entgegen, daß im ganzen Lande die vollste Ruhe und Ordnung herrsche. Die Annahme des Verfassungsentwurfs scheine jetzt schon gesichert, die Eröffnung der Skupschtina solle aber erst dann erfolgen, wenn die Enbloc⸗Annahme des Verfassungsentwurfs ganz zweifellos sei
und bälen Se. Mäjestät, von der Loyalität und sinbder⸗
brüchlichen Treue und Hingebung der radikalen Partei überzeugt zu sein. Der König erwiderte: er sei von der Loyalität und Treue der Partei überzeugt, und zog sodann eine Parallele zwischen der alten Verfassung und dem jetzt vorliegenden Verfassungsentwurf, wobei er die Vorzüge des letzteren sowie die damit gewährte große Verbesserung der verfassungsmäßigen Zustände hervorhob. Gleichzeitig legte der König die Gründe dar, aus denen er bei seinem bereits dem Verfassungs⸗Ausschuß gegebenen Worte, seinerseits keine weiteren Konzessionen machen zu wollen, und bei der unveränderten Annahme des Entwurfs durch die Skupsch⸗ tina beharren müsse. Die Rede des Königs, welche eine Stunde währte, wurde mit stürmischen anhaltenden Zivio⸗Rufen aufgenommen. Der Führer der Deputation gab wiederholt die Versicherung, daß die Anwesenden Alles aufbieten würden, um sich durch Erfüllung des Königlichen Wunsches des großen Vertrauens ihres angestammten Herrschers würdig zu erweisen. Dem Empfange wohnten die Minister und Regie⸗ rungskommissäre bei.
Das Organ der radikalen Partei, „Odjek“, bringt einen Leitartikel, in welchem es die Vorzüge des Ver⸗ fassungsentwurfs hervorhebt und denselben zur Annahme empfiehlt.
Bulgarien. Sofia, 24. Dezember. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet: Sallbaschewo (Rumeliote) habe das Portefeuille der Finanzen und der bisherige Präsident Goutschew dasjenige der Justiz über⸗ nommen. Mit beiden Ernennungen sei die Kabinets⸗ krisis abgeschlossen, da nur Natschewitsch und Stoilow
demissionirt hätten.
— 25. Dezember. (W. T. B.) Stoianow, Kandidat der Regierungspartei, ist mit 165 Stimmen zum Prä⸗ sidenten der Sobranje gewählt worden. Der Kandidat
der Gegenpartei, Stoilow, erhielt 83 Stimmen.
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Der „Düsseldorfer Anzeiger“ schreibt:
Wer, der die Schwelle der Kindheit überschritten, könnte die Weihnacht des Jahres 1888 begehen ohne das Gefühl tiefsten Ergriffenseins beim Zurückdenken an Alles das, was unserem Vaterlande in der kurzen Spanne der letzten zwölf Monate zu erleben beschieden war! Wohl leuchteten auch am selben Abend vor Jahres⸗ frist die Weihnachtskerzen im traulichen Kreise, aber ihr Widerschein spiegelte sich in ernsten Blicken, in bekümmerten Mienen, denn immer und immer wieder schweiften die Gedanken fernab, dahin, wo ein allgeliebter, allverehrter Held, des Deutschen Reichs Thronfolger, der Stolz seiner Nation, den hoffnungslosen Kampf gegen das unerbittliche Schicksal kämpfte, immer und immer wieder blieben sie, rückkehrend, haften an dem historischen Eckfenster, hinter welchem der greise Herrscher, Kaiser Wilhelm, Sorge und Leid trug um den fernen, einzigen Sohn! Die Weihnachtskerzen, soviel ihrer auch angezündet waren, vermochten nicht, das Dunkel aufzuhellen, welches über der Zukunft brütete 8
Zwölf Monate sind seitdem verflossen. Wir Alle wissen, was sie uns gekostet, doch auch, welchen Ersatz sie uns geleistet haben. — und wir zögern nicht, die Pforten unseres Herzens in voller Weite dem Heilsgruße der Weihnachtsbotschaft aufzutbun. Ist uns doch auch im Laufe dieses Jahres bewahrt geblieben, was ron jedem Vaterlandsfreunde gleichmäßig theuer und werth gehalten wird: der Friede auf Erden! Wenn es einen Umstand gab, der den Schmerz des Volks um den Hintritt des greisen Kaisers Wilhelm und um das Leiden und Sterben des edlen Dulders Friedrich noch zu vertiefen vermochte, so war es die Sorge, ob der Friede Eurovas der Wucht solchen Doppelstoßes wohl gewachsen sein werde. Dank der früh gereiften Regententugenden Kaiser Wilhelm’s II., unterstützt durch das staatsmännische Genie des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck, sind die Machenschaften der Feinde Deutschlands und des Friedens nach wie vor zur Ohnmacht verurtheilt geblieben, konnte unser Volk unangefochten seinem arbeitsvollen Tagewerk nachgehen, konnte schaffen, auf daß überall in deutschen Landen am heiligen Abend der Weihnachtsbaum einen Kreis zufriedener, festgemuther Menschen⸗ kinder um sich versammelt sehe.
Was immer auch im Leben des Volks, in der Entwickelung des Staats noch zu wünschen übrig bleiben mag — und allen Gebrechen wird auch die denkbar weiseste Gesetzgebung, die denkbar glücklichste Verkettung der Umstände niemals abzuhelfen im Stande sein —, man darf mit frischer Thatkraft, mit ungebeugter Zuversicht Hand an das Werk der Besserung, der Reform legen, wenn nur das kostbare Gut des Friedens nach Außen, aber nicht minder auch nach Innen, ge⸗ wahrt bleibt. 1u“
Um den Frieden nach Außen zu sichern, hat die Nation schwere Opfer gebracht, und würde um desselben Zwecks willen, wenn es sein muß, noch größere Opfer bringen. Den Frieden nach Innen, die Eintracht zwischen den Einzelgliedern des vielgestaltigen Organismus der Gegenwart zu sichern und auf dauerhaftere Grundlagen zu stellen, ist das zweite große Problem des Tages, dessen Lösung der Ausbau unserer nationalen Institutionen angepaßt wird
— In einem Weihnachts⸗Artikel der „Staatsbürger⸗ Zeitung“ lesen wir: 8 1
Durch wie wundersame Schicksale hat doch die Vorsehung unser deutsches Volk seit dem letzten Weihnachtsfest hingeführt! Vor Jahresfrist schauten wir noch voll stolzer ehrfurchtsvoller Bewunde⸗ rung auf den herrlichen kaiserlichen Greis, durch welchen es unserer Generation beschieden worden, des Baues deutscher Einheit, von welchem unsere Väter nur wehmüthig hoffend und wünschend zu sprechen und zu singen wagten, in schöner Vollendung sich zu er⸗ freuen: „viele Könige und Propheten“, so lautet ein biblisches Wort, „wollten sehen, das Ihr sehet, und haben es nicht gesehen! Der Naturnothwendigkeit fast zum Trotz mochte Niemand si mit dem Gedanken vertraut machen, daß das unabweis⸗ bare Geschick uns unseren Kaiser Wilhelm rauben könnte, zumal da an den Schmerz um seinen endlichen Hintritt sich die bange Sorge um den FErben der Krone, den geliebten Kaisersohn knüpfte, der, von tückischem Leiden beschlichen, fern von der Heimath für seine Lieben, treu deutschem Brauch, den Weihnachtsbaum erleuchtete. Unzählige Wünsche und Seufzer noch nicht völlig erstorbener Hoffnung sind damals am Weihnachtsabend vergangenen Jahres, aus dem schlichten Kaiserhause am Denkmal des Großen Friedrich, aber ͤnicht weniger warm und innig aus Millionen Herzen vom Memel⸗ bis zum Donau⸗ strand nach San Remos Gestade über die Alpen geflogen.
Und um so ernster, um so schwerer mußte zu Weihnachten ver⸗ gangenen Jahres eine solche Betrachtung auaf den Gemüthern deutscher
retzʒag de ewtschen Vse-
Menschen lasten, als die Besorgniß nicht unbegründet schien, daß der Friede des Vaterlandes von außen her gefährdet werden 5 Namentlich unser politischer Horizont zeigte düstere Gewitterwolken, und wer mochte die Bürgschaft dafür übernehmen, daß aus dem Zucken im Westen der Vogesen sich doch nicht etwas Anderes entladen möchte als ein harmloses Wetterleuchten. Zwar hat sich bald die erprobte Ehrlichkeit zusammen mit der energischen Stetigkeit der deutschen Politik unter der altbewährten Leitung unseres großen Staatsmanns als vortrefflicher Blitzableiter gegen die drohenden Unwetter erwiesen: „wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts in der Welt“; in patriotischer Einmüthigkeit, des leidigen Parteihaders einen Augenblick vergessend, erhob sich die Ver⸗
die Mittel für die Vertheidigung des Vaterlandes zur Verfügun stellte, und starke EEEE trugen nicht minder dans ben friedensstörerische elüste stutzig zu machen und im Zaum zu halten, aber zu Weihnachten 1887 waren zumal für den Fernerstehenden solche Wandlungen noch kaum erkennbar.
Wir haben dann die tieftraurigen Tage des Märzmonats durch⸗ lebt, in denen das Verhängniß so drückend auf unserem Volke lag, als der große Kaiser, der Deutschlands Einheit geschaffen hatte, dahin⸗ sank. Es kamen die Wochen bangen Zweifels und bangen Zagens um das theure Haupt, das, obschon gebeugt und müde zum Tode, in unerschütterlichem Pflichtgefühl doch keinen Augenblick gezögert hatte, die unter solchen Umständen doppelt schwere Bürde auf sich zu nehmen. Dumpfer Schmerz durchwogte die Nation, als die Nach⸗ richten aus Charlottenburg und Potsdam immer trüber lauteten, bis das lange befürchtete Schreckensereigniß jenes Mittsommertages eintrat. Aber mit diesem Schlage trat auch die Wendung zum Besseren in der schweren Tragödie ein, welche seit Weihnachten 1887 unserem Volk zu durchleben beschieden war. „Gott verläßt keinen Deutschen“ — ob Kaiser Wilhelm II. wohl an den alten Trostesspruch gedacht hat, da er, von Deutschlands Fürsten umgeben, für den feierlichen Akt der Regierungsübernahme den Festchoral bestimmte: „Der Herr ist nun und nimmer noch von seinem Volk gewichen“. Sicher⸗ heit und Beruhigung ist von Tag zu Tag gewachsen, als wir den Ernst, die Ruhe und Besonnenheit gewahrten, mit welcher der jugendliche Herrscher von Anfang an seines hohen Amtes waltet, ein wahrer Völkerapostel ist er unlängst von der Newa bis zum Vesuv als willkommener Träger der Friedenspalme gezogen, mit Würde und Festigkeit wies er im Innern die Absichten und Bestrebungen einer unpatriotischen, unmoralischen Partei in ihre Schlupfwinkel zurück. Das Testament Wilhelm's I., die Sorge für die Armen und Gedrückten des Volks, ist unter Wilhelm II. rüstig zur ferneren Ausführung in Angriff genommen; ein erhabener, welt⸗ umfassender Gedanke, die Aufhebung des Menschenhandels, soll unter Deutschlands Aegide zur That werden: von Osten kam der Menschheit einst das Licht, nach Osten bringt die civilisirte Menschheit nunmehr die Freiheit, ein schönerer Kreuzzug wahrlich als die Abenteuer früherer Jahrhunderte!
— Ueber die parlamentarische Lage „Nationalliberale Correspondenz“: „Die beiden entscheidendsten Angelegenheiten, mit denen sich der Reichstag nach Wiederaufnahme seiner Sitzungen zu beschäftigen haben wird, sind der kolonialpolitische und der sozialpolitische Gesetzentwurf. In beider Hinsicht wird man den Verhandlungen des Reichstages mit dem Bertrauen entgegensehen dürfen, daß sie zu einem guten Ende führen. Sollte die Altersversicherung in dieser Session nicht mehr zu Stande kommen, so würde es schwerlich an der inneren Unverein⸗ barkeit der Anschauungen der Regierung und der auf dem Boden der Sozialreform stehenden Parteien liegen, sondern daran, daß ein so roßes, neues und schwieriges Werk naturgemäß einer längeren Zeit zur Reife und Klärung bedarf, und daß eine einzige Session vielleicht hierfür sich nicht als ganz ausreichend erweist. Sollte das Gesetz in der gegenwärtigen Session nicht zur Vollendung gelangen, was wir aber noch keineswegs als wahrscheinlich bezeichnen wollen, so würde es in der nächsten Session mit um so besseren Aussichten des Ge⸗ lingens in Angriff genommen werden. Daß das Gesetz in naher Zeit zu Stande kommen wird und muß, daran zweifelt wohl Nie⸗ mand ernstlich, und es ist auch alle Aussicht, daß es sich auf eine er⸗ freulich große Mehrheit des Reichstages zu stützen vermögen wird. An der Sozialreform⸗Gesetzgebung haben bekanntlich nicht nur Konservative und Nationalliberale, sondern auch das Centrum mitgearbeitet, und diese bedeutende Mehrheit wird sich, wie man sicher hoffen darf, auch bei der vorliegenden „Krönung des Gebäudes“ wieder zusammenfinden, so daß allein die Deutschfreisinnigen und Sozial⸗ demokraten widersprechen werden. Und nicht anders wird es bei den kolonialpolitischen Vorschlägen gehen. Das Centrum mag sich immer⸗ hin der Freiheit seiner Bewegung rühmen und versichern, daß es sich durch den Antrag Windthorst zu nichts verpflichtet habe. Das haben auch andere Parteien nicht gethan. Aber der Zwang der realen Thatsachen und der logischen Konsequenz wird auch das Centrum dahin führen, den kolonialpolitischen Vorschlägen zuzustimmen, als dem einzig praktischen Weg, der auch die Erreichung der humanitären Ziele in Aussicht stellt. Es ist selbstverständlich nur mit Befriedigung zu begrüßen, wenn in diesen beiden großen Anliegen die Reichstagsmehrheit eine so gewaltige ist, wie es durch das Zu⸗ sammenwirken von Konservpativen, Nationalliberalen und Centrum in Aussicht steht. Nur im Einvernehmen mit einer ansehnlichen Mehr⸗ heit der Volksvertretuns können so große Unternehmungen erfolgreich in Angriff genommen werden.
— Die „Staaten⸗Correspondenz“emerkt:
Aus Paris wird uns geschrieben: Der Niedergang des Klein⸗ gewerbes hat hier eine solche Ausdehnung angenommen, daß die ernstesten Besorgnisse hinsichtlich dieses Nährstandes nicht mehr zurück⸗ zuhalten sind. Vornehmlich beklagt sich der Pariser Kleinhandel bitterlich über die Monopolisirung des ganzen Handels zum Vortheil der großen Bazare, wie des Louvre, Printemps, Bon Marchs, welche sich mehr und mehr zu einem Stapelplatz aller Waaren⸗ ausbilden, in welchem man Alles findet, was man nur begehren könnte: Hüte und Schuhe, Blumen und Spiel⸗ sachen, Kleider und Galanteriewaaren, Parfüms und Spitzen, Nipp⸗ gegenstände, Spazierstöcke ꝛc. Die kleineren, nur in einer Branche Geschäfte machenden Gewerbtreibenden verlieren ihre ganze Kundschaft, welche die Reichhaltigkeit und Billigkeit der großen Etablissements anzieht. Da diese genannten Bazare Waaren in großen Quantitäten und bei passenden vortheilhaften Gelegenheiten aufkaufen, und es denselben an Geldmitteln nicht gebricht, so können sie zu billigeren Preisen die Waaren abgeben, als dies der auf sein eigenes kleines Betriebskapital angewiesene Kaufmann fertig zu bringen vermag. Für die Kundschaft ist es aber außer⸗ dem bequemer, in den Bazaren alle dringlichen Gegenstände ein⸗ zukausen, das heißt, nicht genöthigt zu sein, verschiedene Läden zu besuchen. Der Kleinhandel kann gegen diese Konkurrenz nicht auf⸗ kommen, er verkommt, schwindet dahin und geht schließlich unter; in allen Häusern von Paris sieht man in rascher Folge die Miether von Geschäftslokalen erscheinen und nach kurzer Zeit ruinirt, wenn nicht bankerott verschwinden. Man hat in den Kaufmanns⸗ kreisen eine Liga gegen die Bazare gebildet, auch hält man von Zeit zu Zeit Monstremeetings gegen die bestebende Ordnung der Dinge ab, aber weder die Protestationen noch die an die Kammer oder den Pariser Gemeinderath gerichteten Petitionen des Kleinhandels können oder werden Abhülfe schaffen. Gesetzlich kann der Staat gegen die großen Bazare nicht einschreiten, er müßte dann die alten Ordonnanzen wieder zur Geltung bringen, daß der Bäcker nur Brot, der Schuhmacher nur Stiefel u. s. w. ver⸗ kaufen darf. Mag dem sein, wie ihm wolle, die jetzige Uebergangszeit, welche der Organisation einer noch zu findenden Harmonie der Inter⸗ essen von Groß⸗ und Kleinhandel vorhergeht, ist ungemein hart für zahlreiche Familien von bürgerlichen Gewerben, welche langsam dem Verfall entgegengehen. 8
äußert die
Ju- ver- Höke-hrer Aafzabe; indem sie-
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 53. — Inbalt. Verfügungen: Vom 13. Dezember 1888: Abänderung der Post⸗ ordnung vom 8. März 1879 und der Telegraphenordnung vom 13. Auaust 1880. — Vom 18. Dezember 1888: Einziehung von Privat⸗Banknoten. — Vom 20. Dezember 1888;: Mißbräuchliche Verwendung von Spielmarken bei Zahlungen in Gold.
„Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 51 A — Inhalt: Nichtamtliches: Zur Berechnung der Schienenlaschen (Schluß). — Bücherschau.
Statistische Nachrichten.
FErurüß den Veröffentlichunger Aes KircrAaich en- Grc⸗de †
heitsamts sind in der Zeit vom 9. bis 15. Dezember cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 17,8, in Breslau 26,7, in Königs⸗ berg 26,3, in Köln 20,2, in Frankfurt a. M. 18,1, in Wiesbaden 16,1, in Hannover 20,7, in Kassel 12,4, in Magdeburg 22,2, in Stettin 24,6, in Altona 13,5, in Straßburg 22,4, in Metz —, in München 30,6, in Nürnberg 25,4, in Augsburg 27,4, in Fresden 17,5, in Leipzig 14,9, in Stuttgart 17,6, in Karlsruhe 22,4, in Braun⸗ schweig 22,4, in Hamburg 25,1, in Wien 24,3, in Pest 28,1, in Prag 32,0, in Triest 21,0, in Krakau 26,0, in Amsterdam 21,2, in Brüssel 23,5, in Paris 22,6, in Basel —, in London 17,7, in Glasgow 20,9, in Liverpool 24,0, in Dublin 26,6, in Edinburg 14,1, in Kopenhagen 19,6, in Stockholm 20,6, in Christiania 17,5, in St. Petersburg 23,9, in Warschau 26,0, in Odessa 23,5, in Turin 21,1, in Rom —, in Venedig 15,6, in Alexandria 42,4. — Ferner in der Zeit vom 18. bis 24. November cr. in New⸗York 21,7, in Philadelphia 17,7, in Baltimore 15,8, in Bombay 22,1, in Kal⸗ kutta 30,8, in Madras 33,5.
Auch in dieser Berichtswoche waren die Sterblichkeitsverhältnisse
in den meisten Großstädten Europas sehr günstige, wenn auch aus einem größeren Theil derselben ein wenig höhere Sterblichkeitsziffern als in der Vorwoche gemeldet wurden. Einer sehr günstigen Sterb⸗ lichkeit (bis 15,0 pro Mille und Jahr) erfreuten sich Kassel, Altona, Leipzig, Essen, Potsdam und Edinburg. Recht günstig (bis 2010 pro Mille) war die Sterblichkeit auch in Berlin, Dresden, Frankfurt a. M., Wiesbaden, Bremen, Stuttgart, Barmen, Aachen, Düsseldorf, Mannheim, Darmstadt, Kopenhagen, London, Christiania, Venedig u. a. Mäßig hoch (etwas über 20,0 pro Mille) -Konz Hannover, Magdeburg, Chemnitz, Triest, Amsterdam, Stock⸗ holm, Turin u. a. O. Sehr hohe Sterblichkeitsziffern (über 35,0 pro Mille) wurden aus deutschen Städten nicht gemeldet. — Unter den Todesursachen kamen Darmkatarrhe und Brechdurchfälle im Allgemeinen noch seltener als in der Vorwoche zum Vorschein, nur in Berlin, Ham⸗ burg, München. Königsberg, Wien, Pest. Paris, St. Petersburg war die Zahl der durch sie bedingten Sterbefälle noch eine nennenswerthe. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war im Allgemeinen eine verminderte, in München eine größere. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 54, in München 133 Säuglinge. — Unter den Infektionskrankheiten haben Masern, Scharlach, Diphtherie, Keuchhusten und Pocken etwas mehr, typhöse Fieber etwas weniger Sterbefälle hervorgerufen als in der Vorwoche. So waren Todesfälle an Masern in Berlin, Köln, Magdeburg, Düsseldorf, Brüssel, Liverpool vermindert oder nicht vermehrt, während sie in München, Bremen, Karlsruhe, Prag, Paris, London, Amsterdam zahlreicher vorkamen. Erkrankungen haben jedoch in den meisten Orten, aus denen Berichte vor⸗ liegen, zugenommen, nur in Berlin, Wien und in dem Regierungsbezirk Schleswig war eine Abnahme derselben ersichtlich. — Scharlach hat in Berlin, Breslau, München, Wien, Prag, Kopenhagen etwas mehr, dagegen in Danzig, London, Liverpool, Warschau, St. Petersburg weniger Opfer gefordert. Erkrankungen wurden jedoch aus fast allen Orten, aus denen Berichte eingingen, in größerer Zahl gemeldet. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Breslau, Dresden, Halle, Magdeburg. Nürn⸗ berg, Pest, Prag, Warschau, St. Petersburg, Christiania eine ge⸗ ringere, dagegen in München, Leipzig, Königsberg, Frankfurt a. M., Hannover, Danzig, Stuttgart, Stettin, Braunschweig, Wien, Lond on, Kopenhagen eine größere als in der vorangegangenen Woche. Auch Erkrankungen wurden meist in größerer, nur aus Kopenhagen, Stockholm, Christiania und St. Petersburg in vermin⸗ derter Zahl mitgetheilt. — Typhöse Fieber führten in Ham⸗ burg, Königsberg, London etwas mehr, in Pest, Paris, St. Peters⸗ burg etwas seltener zum Tode. — Erkrankungen kamen in Berlin und St. Petersburg seltener, in Hamburg und Pest zahlreicher zur Berichterstattung. — An Flecktyphus wurden aus Krakau 1 Todes⸗ fall, aus dem Regierungsbezirk Hannover und aus St. Petersburg je 1 Erkrankung, aus Kopenhagen auch 1 Todesfall an epidemischer Genickstarre zur Anzeige gebracht. — Der Keuchhusten hat in London, Liverpool und Kopenhagen ein wenig mehr, in Paris etwas weniger Todesfälle veranlaßt Erkrankungen waren aber in Hamburg, Nürn⸗ berg und Kopenhagen vermindert, in Wien vermehrt. Erkrankungen an rosenartigen Entzündungen des Zellgewebes der Haut zeigten sich in Wien etwas seltener. — Vereinzelte Todesfälle an Pocken wurden aus Wien, Pest, St. Petersburg und Odessa ge⸗ meldet, mehrfache aus Paris (2), Triest (3), Warschau (10), Prag (17). Erkrankungen kamen aus dem Regierungsbezirk Schleswig und aus Wien und Christiania je 1, aus Pest und St. Petersburg je 7 zur Kenntniß. Deer Gesundheitszustand in Berlin war auch in dieser Woche ein günstiger und die Sterblichkeit eine geringe. Etwas häufiger als in der Vorwoche führten Darmkatarrhe und Brechdurchfälle zum Tode. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb aber eine sehr mäßige. Auch akute Entzündungen der Ath⸗ mungsorgane waren zahlreich und endeten in vielen Fällen tödtlich, doch war im Vergleich zur Vorwoche eine erhebliche Abnahme der Er⸗ krankungen ersichtlich. — Von den Infektionskrankheiten kamen Erkran⸗ kungen an Masern erheblich weniger zur Meldung als in der Vorwoche, sie waren besonders im Stralauer Viertel, in der Oranienburger Vorstadt und auf dem Wedding noch immer häufig. Erkrankungen an Scharlach und an Diphtherie zeigten gegen die Vorwoche keine wesentliche Veränderungerstere waren im Stralauer Viertel und auf dem Wedding, letztere auch in den westlichen und südwestlichen Stadttheilen nicht selten. Typhöse Fieber und rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut blieben selten; Erkrankungen an Keuchhusten waren wohl zahlreich, nahmen jedoch meist einen gutartigen Verlauf. Rheumatische Beschwerden der Muskeln sowohl, wie akute Gelenkrheumatismen gelangten in erheblich gegen die Vorwoche verminderter Zahl zur ärztlichen Behandlung.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Kunstanstalt von G. Freytag & Berndt in Wien, Schottenfeldgasse 69, welche als eine Spezialität ihrer Thätigkeit die Herstellung lebensgroßer, in Photographie und Lichtdruck nach Zeich⸗ nungen angefertigter Porträts betreibt, hat soeben wieder zwei Proben ihrer Kunstfertigkeit geliefert, welche als wohlgelungen zu betrachten sind. Dieselben stellen Ihre Majestäten den Kaiser Wilhelm II. und die Kaiserin Augusta Victoria in en face gehaltenen Brustbildern dar. Kaiser Wilhelm erscheint in großer Generalsuniform, die Kaiserin in Gesellschaftstoilette. Beide Bilder, welche von Th. Mavyerhofer entworfen sind, zeichnen sich durch große Porträtähnlichkeit aus und empfehlen sich als preis⸗ würdiger Zimmerschmuck.
— „Vom Fels zum Meer.“ Zum 27. Januar. Festschrift zum Geburtstage Sr. Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen. Für Schule, Volk und Heer von A. G. M. Ueber⸗ schaer. Berlin SW. (Adolf Klein’s Verlag), Friedrichstraße 225. In dem vorliegenden Heft bietet der Verfasser eine patriotische Gabe, welche bestimmt ist, die Liebe zu Kaiser und Vaterland im Volk zu pflegen und zu stärken. Den Inhalt bilden ein Festchoral, ein Gebet, eine Rede, ein Aufsatz: „Zum 27. Januar“, eine Reihe von Gedichten und im Anhang die von Sr. Majestät an die Armee und die Marine erlassenen Kundgebungen vom 15. Juni 1888S. “
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— „Die Jungfrau von Oldenwörd“ betitelt Jean Bernard (Muschi) eine in Versen geschriebene kleine Novelle, welche im Verlage von E. Pierson, Dresden und Leipzig, erschien. Der Verfasser versetzt uns in das Land der Dithmarsen, jener Leute, welche einst mit kräftiger Hand die Heimath gegen die Angriffe von außen zu schützen wußten. Else ist die Heldin der Handlung: sie hat hervorragenden Antheil an dem Gelingen der patriotischen That. Die Dichtung ist hübsch erzählt und gefällt durch die schlichte Darstellung; sie wird den Lesern eine angenehme Unterhaltung bieten.
— Die Norddeutsche Buchdruckerei und Verlags⸗ anstalt, Berlin SW., hat auch in diesem Jahre wieder verschiedene Wandkalender herausgegeben, welche für ihre Leistungsfähigkeit Im Züt Ree Zagniß-ablesen— Der stattlichste—und größte dieser auf feinem Kartonpapier gedruckten Kalender repräsentirt sich in sauberer Ausführung: der in Gold und Roth gehaltene hübsch gemusterte Rand, den kleine allegorische Figuren schmücken, umschließt das schwarz gedruckte Kalendarium, welches auf weißem Grunde den Reichsadler in matter hellgrüner Färbung auf⸗ weist. In kleiner Medaillonform wird am Fuße des Blattes eine Ansicht des Gebäudes, in welchem die Norddeutsche Verlagsanstalt ihr Heim hat, geboten. Im Kalendarium besonders vermerkt sind die Todestage der beiden im vorigen Jahre ver⸗ storbenen Deutschen Kaiser. — Das zweite, etwas kleinere Exemplar ist ähnlich gehalten, wenn auch bedeutend einfacher. Der Rand zeigt weiß ausgelassene Ornamente auf hell⸗ grünem Grunde; im Kalendarium, das gleichfalls mit dem Reichsadler geschmückt ist, sind die wichtigsten Fest⸗ und Sonntage durch rothen Druck besonders hervorgehoben. In den Fuß⸗ leisten der Umrahmung sind die wichtigsten Messen und die jüdischen Feiertage verzeichnet. — Eignen sich diese beiden Kalender mehr für den eleganten Schreibtisch, so ist der dritte kleinste vermöge seines gerin⸗ gen Umfangs und der handlichen Form halber für das Pult des Comtoirs und Bureaus trefflich verwendbar; er ist einfach ausgestattet und genügt den Ansprüchen, welche man an das Monats⸗ und Tages⸗ verzeichniß eines Kalendariums zu stellen gewohnt ist.
München, 27. Dezember. (W. T. B.) In der heute statt⸗ gehabten Festsitzung der Akademie der Wissenschaften wurden die Professoren Virchow und Weizsäcker in Berlin, der Pro⸗ fessor der Philologie Usener in Bonn, der Professor Wimmer in Kopen⸗ hagen, der Botaniker Staatsrath von Regel in St. Petersburg, der Pro⸗ fessor Stokes in Cambridge und der Direktor Essenwein in Nürnberg zu auswärtigen Mitgliedern, die Professoren Kelle in Prag, Kaufmanmn in Münster, der Professor der Geschichte Mueller in Gießen, der Professor der Astronomie Dr. Hylden in Stockholm und Eugen Muentz, Konservator on der „Ecole des beaux Arts“ in Paris zu correspon⸗ direnden Mitgliedern gewählt.
Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.
11““ Die Gesundheits⸗Kommission zu Montevideo hat mit Rück⸗ sicht auf das Auftreten des gelben Fiebers auf den Kanarischen Inseln durch Verordnung vom 17. November 1888 eine 48 stündige Beobachtungs⸗Quarantäne für die Provenienzen aus jenen Inseln eingeführt.
Gewerbe und Handel. k“
Der Einlösungscours für die hier zahlbaren Oesterreichischen Silbercoupons ist auf 168,25 ℳ für 100 Fl. Oesterreichisches Silber erhöht worden.
—. In der außerordentlichen Generalversammlung der Näh⸗ maschinenfabrik vorm. Frister u. Roßmann Aktien⸗ Gesellschaft wurde der Aufsichtsrath ermächtigt, das Aktienkapital bis auf höchstens 975 000 ℳ in der Weise herabzusetzen, daß entweder von je 4 von einem Aktionär eingereichten Aktien 3 Stück vernichtet und das vierte Stück, als über 300 ℳ geltend, zurückgegeben wird oder von je 2 von einem Aktionär bei gleichzeitiger Zahlung von 150 ℳ nebst 5 % Zinsen vom 1. Januar 1889 eingereichten Aktien ein Stück vernichtet und das andere Stück, als über 300 ℳ geltend, zurückgegeben wird. Der Aufsichtsrath ist zugleich ermächtigt, die durch 4 nicht theilbare Zahl der eingereichten Aktien best⸗ möglich an der Börse zu verkaufen und den Erlos unter die Einreicher dieser Aktien verhältnißmäßig zu vertheilen. Zur Ausführung dieser Herabsetzung ist der Aufsichtsrath berechtigt, die Einlieferung sämmtlicher Aktien und die Erklärung, ob von dem Rechte der Zuzahlung von 150 ℳ für je 2 Aktien Gebrauch gemacht werde oder nicht, binnen einer auf mindestens 1 und höchstens 3 Monat betragenden Frist zu verlangen. Die Aktionäre, welche ihre Aktien nicht einliefern, gehen ihres Aktienrechts verlustig und haben sonach nach Ablauf der Frist weder Stimmrecht, noch einen Antheil am Vermögen oder Gewinn der Gesellschaft. Ueber die Form und Zahl der Aufforderungen, die Dauer der Frist und die Art der Ab⸗ stempelung beschließt der Aufsichtsrath. Derselbe ist ermächtigt, die obige Art der Herabsetzung abzuändern, sofern eine Abänderung zur Erlangung der Eintragung in das Gesellschaftsregister erforderlich sein sollte, ferner mit verbindlicher Kraft alle Abänderungen und Zusätze zum Statut zu beschließen, welche die Herabsetzung erforderlich macht. Ferner wurde beschlossen, falls nicht genügende Zuzahlungen ent⸗ sprechend dem Antrag baar eingehen sollten, das auf 975 000 ℳ reduzirte Kapital durch Ausgabe von 500 000 ℳ Aktien zu erhöhen; diese Aktien werden al pari den alten Aktionären offerirt, und soweit dieselben nicht bezogen werden, vom Vorstande bestmöglich an der hiesigen Börse verkauft. Diese Aktien sind ab 1. Januar n. J. divi⸗ dendenberechtigt und haben je 1 Stück drei Stimmen.
— Die nächste Börsenversammlung zu Essen findet am 31. Dezember im „Berliner Hof“ statt.
— Die Einlösung der am 1. Januar 1889 fälligen Zinscoupons er Königl. ungarischen 4 % in Gold verzinslichen
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ts⸗Rentenanleihe erfolgt in Berlin bei der Direktion
der Diskonto⸗Gesellschaft und bei Herrn S. Bleichröder zum Course 5
n ℳ 20,38 ½ für 1 Pfd. Sterl.
Wien, 26. Dezember. (W. T. B.) Von den theils im eigenen Betriebe, theils im Staatsbetriebe befindlichen 177 km der Oester⸗ reichischen Lokal⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft betrugen pro November d. J. die provisorischen Brutto⸗Einnahmen 129 665 Fl. gegenüber einer provisorischen Brutto⸗Einnahme von 121 480 Fl. und einer definitiven von 130 4833 Fl. im Vorjahr. — Für die Zeit vom 1. Januar bis Ende November 1888 be⸗ trugen die prorisorischen Einnahmen des Vorjahres von 822 154 Fl. und den definitiven Einnahmen von 869 879 Fl. — Die provisorisch ermittelten Einnahmen der am 26. Februar cr. eröffneten 27 km langen Theil⸗ strecke Niederlindewiese —Ziegenhals und der am 1. Oktober cr. er⸗ öffneten 30 km langen Theilstrecke Hannsdorf- Niederlindewiese, welche in obenerwähnten 177 km nicht inbegriffen sind, betragen bis Ende November 79 585 Fl.
Wien, 27. Dezember. (W. T. B.) Ausweis der öster⸗ reichisch⸗ungarischen Staatsbahn in der Woche vom 16. bis 22. Dezember 1888 871 245 Fl., Mehreinnahme 186 367 Fl. — Ausweis der Südbahn vom 17. bis 23. Dezember 1888 792 354 Fl., Mehreinnahme 24 614 Fl.
London, 24. Dezember. (W. T. B.) An der Küste 6 Weizen⸗ ladungen angeboten.
Glasgow, 24. Dezember. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 6700 Tons gegen 5300 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres. Bradford, 24. Dezember. (W. T. B.) Wolle ruhig, aber stetig, feine fest, Garne ruhig.
Mailand, 26. Dezember. (W T. B.) Die Einnahmen des Italienischen Mittelmeer⸗Eisenbahnnetzes während der zweiten Dekade des Monats Dezember 1888 betrugen nach proviso⸗ rischer Ermittelung: im Personenverkehr 1 152 490 Lire, im Güter⸗ verkehr 1 907 089 Lire, zusammen 3 059 579 Lire gegen 3 315 065 Lire in der gleichen Periode des Vorjahres, also mehr 255 486 Lire.
New⸗York, 24. Dezember. (W. T. B) Visible Supply an Weizen 38 036 000 Bushels, do. an Mais 7 270 000 Bushels.
provisorischen Einnahmen 880 212—- Fre gegenüber dene—