1889 / 14 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1889 18:00:01 GMT) scan diff

a ich in der englischen eistand sucht für diese legenbeit. Eine Zeitungsstimme findet dort oft mehr Gehör als die eines auswärtigen Gesandten, von dem man doch annimmt, daß er mehr

.die eigenen Landesinteressen als wie die englischen wahrnimmt. Aber es ist, wie ich Eingangs bereits bemerkte, ganz zweifellos, daß sehr viele Engländer, alle, die nicht der Niger⸗Company angehören, mit unseren Kameruner Ländern ein identisches Interesse haben, und wenn dort auf Grund kaufmännischer Beziehungen und Correspondenzen eine Gemeinschaft hergestellt werden könnte, so können deren Be⸗ mühungen auf die Beihülfe der deutschen Botschaft in England und des Auswärtigen Amts stets mit Sicherheit rechnen, und wir brauchen deshalb die Sache nicht von Neuem anzufangen. Es ist Gegenstaud langjähriger Correspondenzen und Beschwerden unsererseits gewesen, und ich bin dem Herrn Vorredner doch dankbar, daß er uns einen neuen Anstos in der Beziehung gegeben hat.

Staatssekretär Graf von Bismarck:

Meine Herren! Ich hatte in Bezug auf die Ausführungen des Hrn. Abg. Woermann nur noch einige kurze geschäftliche Mittheilungen machen wollen. Es ist zunächst ganz richtig, wie der Herr Abgeord⸗ nete uns erzählt hat, daß der Handelsstand in Lagos sich im Mai 1888 bei der eigenen Regierung beschwert hat über zu hohe Zölle. Die Schwierigkeit, die Sache anzufassen, liegt aber auch für die englische Regierung darin, daß die Niger⸗Company bisher alle An⸗ gaben bestreitet, welcher sowohl unser Handelsstand zuletzt durch eine Beschwerde, glaube ich, der Handelskammer von Hamburg im September an den Senat als auch die englischen Angesessenen dort machen. Unser Abkommen vom 2. Juni 1885 mit England, welches der Hr. Abg. auch kennen wird, bedingt Zollfreiheit auf dem Niger mit Ausnahme derjenigen Zölle, die erhoben werden dürfen, um die Ver⸗ waltungskosten zu decken. Es ist darin ausdrücklich gesagt; diese Zölle sollen so niedrig als möglich sein. Nun liegt es ja auf der Hand, daß dies immerhin eine allgemeine Angabe ist; „so niedrig als mög⸗ lich“ wird die Niger⸗Company ganz anders auslegen, als die übrigen Interessenten, und wir sind bei unserer umfangreichen Correspondenz mit der englischen Regierung, in der wir uns unferer Interessenten, wie schon das Datum unseres Abkommens, das Jahr 1885, zeigt, leb⸗ haft angenommen haben, auf den Punkt gediehen, daß unsere An⸗ gaben sowie die des Handelsstandes in Lagos, schließlich als einseitige, von der Niger⸗Company bestrittene Behauptungen dastehen, die, ob⸗ leich von englischen Unterthanen getheilt, doch von der Company in brede gestellt wurden.

Soweit die englische Regierung in Betracht kommt, kann ich nur sagen, daß dieselbe prinzipiell auf demselben Boden steht wie wir, insofern sie darin mit uns übereinstimmt, daß die Niger⸗Company zur strengen Beobachtung der internationalen Abkommen angehalten werden muß. Angesichts dieser Unmöglichkeit, die Angaben der dort Handeltreibenden jetzt amtlich zu bestätigen, haben wir uns ver⸗ anlaßt gesehen, einen Berufsbeamten nach Lagos zu schicken, damit wir die amtlichen Unterlagen bekommen, um die Reklamationen, die wir fortgesetzt im Interesse unserer Reichsangehörigen bei der englischen Regierung anbringen, sobald sie berechtigt sind, zu be⸗ gründen; und so viel ich gehört habe, beabsichtigt die englische Re⸗ gierung ebenfalls, einen Beamten von England dorthin zu schicken, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu prüfen Es ist also nach der ganzen bisherigen E Haltung, die die englische Regierung uns in allen Kolonialverhandlungen entgegenbringt, an⸗ zunehmen, daß, sobald wir die amtliche Unterlage von beiden Seiten haben, um zu ergänzen oder richtig zu stellen, was bisher außeramtlich vom Handelsstand angegeben ist daß wir dann zu einer befriedigenden Erledigung der Sache kommen werden.

Abg. Richter: Die Baseler Missionsgesellschaft, welcher Abg. Woermann neulich das Zeugniß ausgestellt habe, daß sie in ihrem bisherigen Wirkungskreise in Lagos eine segensreiche Thätigkeit entfaltet habe, beklage sich in einem kürzlich veröffentlichten Bericht über die von deutschen Firmen bewirkte Ueberschwvemmung der deutschen Schutzgebiete in Kamerun mit Branntwein; die Thätigkeit der Missionare werde dadurch ganz erheblich gehemmt; wenn sie versuchten, diesem Ueberhandnehmen des Genusses von Brannt⸗ wein zu steuern, so liefen sie Gefahr, daß ihre ganze junge Christengemeinde sich wieder auflöse; sie wünschten deshalb, daß der Reichstag und die Regierungen die Frage ins Auge faßten, wie dieser Branntweinpest in Kamerun, die namentlich von deutschen Firmen dort gefördert weerde, gesteuert werden möge. Man könne mit dem Reichs⸗ kanzler der Meinung sein, daß der Branntwein in Deutsch⸗ land ein nothwendiges Getränk des berühmten armen Mannes sei. Etwas Anderes aber sei es in Norddeutschland, als im tropischen Klima. Es werde jetzt so viel davon gesprochen, daß Deutschland den Beruf hätte, Gesittung nach Afrika zu tragen; der Abg. Woermann habe das neulich noch besonders ausgeführt. Nun gehöre es seines Erachtens nicht in erster Reihe zu den deutschen Aufgaben, dieses Kulturprodukt, den Branntweingenuß, in den tropischen Gegenden derart zu för⸗ dern. Er würde es vielmehr für ganz gerechtfertigt halten, wenn man dazu überginge, den Branntweingenuß zu beschränken oder die Einfuhr ganz zu verbieten. Nahe liege hier auch die

rage nach der Einfuhr von Waffen und Munition. Graf ismarck sei gegenwärtig mit großer Energie darauf bedacht, das Verbot dieser Einfuhr in Ost⸗Afrika mit den vereinigten Kräften der dort betheiligten Mächte durchzuführen; solche Einfuhrverbote würden auch für West⸗Afrika befürwortet, so weit das Congogebiet und die benachbarten französischen und portugiesischen Besitzungen in Frage kämen. Aber in Bezug auf die deutschen Gebiete in West⸗Afriku, Kamerun und Togo, ehe die Einfuhr von Waffen und Munition ganz ungehindert.

enn heute die Errichtung und Vertheidigung von Kolonien pesbene Schwierigkeiten finde als früher, so liege das daran, die Eingeborenen nicht blos mit Pfeilen und Waffen,

Woermann

sondern seien. abe die Reichsregierung von Anfang an ein Verbot der Waffeneinfuhr erlassen; andernfalls würde es der Deutschen Gesellschaft wohl schlecht ergangen sein. In Hst⸗Afrika kämen die Verbote vielleicht zu spät, wenn es wahr sei, daß über Zanzibar mehr als 30 000 Gewehre be⸗ reits in das Innere verkauft seien; aber in West⸗Afrika läge es im eigenen Interesse, gegen diese Einfuhr einzuschreiten. Wenn die Kolonialpolitik einmal weit über den Wunsch seiner Partei ausgedehnt werden solle, so habe sie das Interesse, daß das nicht mit allzu blutigen Opfern erkauft werde. Die Frage des Hinterlandes von Kamerun und Togo sei durch⸗ aus noch nicht gelöst; aber je mehr man die Eingeborenen mit Gewehren zu versorgen fortfahre, um so schwieriger werde es, das Handelsmonopol, das diese Völkerschaften der Küste gegenüber hätren, zu durchbrechen; schon bei den bisherigen Erforschungs⸗Expeditionen hätten die Lieutenants Kundt und Tappenbeck üble Erfahrungen aus diesem Grunde machen müssen. Es wäre interessant, einmal 2 erfahren, wie weit an der hnfaße in Kamerun und Togo rranntwein und Waffen betheiligt seien, und welchen Werih die üͤbrigen Artikel noch darstellten, wenn man jene abziehe. Zuruf des Abg. Woermann.) Hr. Woermann habe neulich interessante istische Daten mitgetheilt; nur bedauere er daß sie blos auf die englischen Gebiete von West⸗

bI“ sogar schon mit Hinterladern ausgerüstet in Neu⸗Guineah

ihm oder dem

habe in Bezug auf die Einfuhrverhältnisse in Kamerun oder Togo. Der Abg. Woermann habe neulich aus⸗ gfahre wie sich die Einfuhr nach den vier westafrika⸗ nischen Kolonien von 1882—87 gesteigert habe; er stelle die Verhältnisse in Kamerun gewissermaßen als Muster hin, um zu der Kolonialpolitik in Ost⸗Afrika zu ermuthigen; um so wichtiger sei es, die wirklichen Verhältnisse in Kamerun genau festzustellen. Hr. Woermann habe aus seinen Zuständen Fol⸗ gerungen zu ziehen versucht; er. habe sie aber selbst wieder entkräftet, indem er auf die Zunahme der deutschen Einfuhr in Lagos auf englischem Gebiet hingewiesen. Wenn also die Zu⸗ nahme deutscher Waaren in West⸗Afrika davon ganz unab⸗ hängig sei, ob die deutsche oder eine andere Flagge dort wehe, so hänge sie von der Entwicklung der Territorien ab und habe mit der Kolonialpolitik nichts zu thun. Der Abg. Woer⸗ mann beziffere die deutsche Firsa auf 50 Proz. der Gesammteinfuhr der dort etablirten Firmen. Die Deutschen trieben also dort erfolgreich Geschäfte, ohne daß es einer Kolonialregierung bedürfe. Der Abg. Woermann unter⸗ schätze auch, was Kamerun und Togo koste. Er weise darauf hin, daß die Zolleinnahmen gewisse Lokalkosten deckten. Wenn das auch der Fall wäre, so komme doch außerdem für Kamerun in Betracht der Etatposten von 56 000 für den Gouverneur, ein Posten von 40 000 im Marine⸗Etat zur Unterhaltung der Dampfbarkasse, und daß man ständig zwei Kriegsschiffe als westafrikanische Station dort unterhalte. Wenn man dies mitveranschlage, so sei es sehr zweifelhaft, ob der ganze Handels⸗ gewinn so groß sei, wie der Reichszuschuß für die dortige Kolonialregierung; ja, der Abg. Woermann sei noch weiter gegangen und habe diesen Handel, der doch unabhängig von der deutschen Kolonialregierung sei und schon vor der Flaggen⸗ hissung dort vorhanden gewesen, als einen Beweis dafür hin⸗ gestellt, wie überhaupt das Prestige der deutschen Kolonial⸗ politik auf den überseeischen Handel gewirkt habe. Den Nachweis sei er gänzlich schuldig geblieben. Der Handel, der in Ost⸗Afrika bestanden, habe vielmehr durch die Kolonialpolitik sehr gelitten, und es dürfte große Mühe kosten, ihn auch nur auf den Standpunkt vor dem Beginn der Thätigkeit der ostafrikanischen Gesellschaft zurückzuführen. Der Karo⸗ linenstreit allein habe den deutschen Handelsbeziehungen mehr geschadet, als die ganze Kolonialpolitik seit 1884 Nutzen geschaffen hat. Wenn die Herren in Hamburg wirklich so überzeugt seien von dem Nutzen einer energischen Kolonial⸗ volitik in Ost⸗Afrika, dann begreife er nicht, warum gerade ie die Taschen so absolut zuhielten. Hätten die Hamburger Großkaufleute das Vertrauen, das äußerlich bei ihnen hervor⸗ träte, warum gäben sie kein Geld dazu her? Sie hätten es ja dazu! Das Zahlen würde ihnen viel mehr imponiren, als die schönen Reden; im Inland müsse man sich sagen: wenn die Herren in Hamburg sich so zugeknöpft verhielten, dann müsse die Sache bedenklich sein. Er sei gespannt gewesen auf den Ham⸗ burger Handelskammerbericht, nachdem der Abg. Woermann den ganzen Handel mit der neuen Kolonialpolitik in Zusammen⸗ hang gebracht habe. Der Bericht spreche über alles Mögliche, habe aber nicht ein Sterbenswörtchen der Anerkennung über die Kolonialpolitik; ebensowenig der Bericht der Bremer Handelskammer. Man scheine also dort doch eine andere Anschauung von der Sache zu haben. Wie stehe es ferner mit den Sklavenverhältnissen in denjenigen Gebieten, wo die deutsche Flagge wehe? Der Abg. Woermann habe gerade diese westafrikanischen Verhältnisse gewissermaßen als Muster vor⸗ geführt. Es sei ja natürlich, daß dort bessere Verhanctist be⸗ ständen; denn nachdem Amerika die Sklaverei abgeschafft habe, habe auch die Nachfrage nach Sklaven in auf⸗ gehört. Der Abg. Woermann sage: Sklavenjagden fänden in West⸗Afrika nicht statt, füge aber dann einschränkend hinzu: wenigstens an der Küste nicht. An der Küste würden auch in Ost⸗Afrika nicht gerade die Sklavenjagden stattfinden. Seine

Feag⸗ gehe dahin: bestehe Sklaverei dort unmittelbar, wo die

eichsbeamten regierten, unter den Augen dieser Beamten und dort, wo unsere Kriegsschiffe stationirt seien? Nach Allem, was man höre, mache das Kamerungebiet gar keine Ausnahme. Die Häuptlinge Akwa und Bell hätten Nachbardörfer, in denen sie ihre Sklaven hielten. Wenn Streitigkeiten ent⸗ ständen, so würden sie ausgeglichen, indem man Ent⸗ schädigung zahle in Form von Sklaven oder Frauen; die Vielweiberei sei ja nur eine Form der Sklaverei, auf das weibliche Geschlecht angewendet. Vor Allem aber komme es darauf an: werde Sklavenarbeit in deutschen Faktoreien durch Sklaven verrichtet, die man miethsweise von den Sklavenbesitzern sich verschafft? Ehe man an die Lösung der Sklavenfrage gehe, müsse man hierüber in unseren eigenen Schutzgebieten klar sehen. Unter allen Verordnungen, die bisher für diese Gebiete erlassen worden seien, befinde sich keine einzige, die nur irgendwie einschränkend, mildernd in Bezug auf die Sklavenfrage spreche.

Reichskanzler Fürst von Bismarck:

Aus dem zuletzt von dem Herrn Vorredner berührten Thema entnehme ich die Neigung desselben, weit größere Ausgaben für die koloniale Politik zu machen, als das Reich bisher von dem Reichstage zu fordern gewagt hat. Er hat eine Frage berührt, die den Eng⸗ ländern seiner ft nur in Jamaika 20 Millionen Pfund Sterling, 400 Millionen Mark, gekostet hat, d. h. den Freikauf der Sklaven, die Aufhebung der bestehenden Sklaverei, des Eigenthums⸗ rechtes des Menschen am Menschen. Bei dem Gerechtig⸗ keitssinn, der den Herrn Abgeordneten in allen seinen Aeußerungen auszeichnet, kann ich mir doch nicht denken, daß er vor⸗ aussetzt, wir sollen per. Ukas, und ohne die Hand in die Tasche zu stecken, dieses Verhältniß plötzlich lösen. Damit würden wir alle die Hunderte von Millionen, die noch von und in der Sklaverei leben und beiderseits an ihr festhalten, weil der Sklave verhungert, wenn er aufhört, es zu sein, damit würden wir alle diese Hunderte von Millionen von Hause aus gegen uns in derselben Weise auf⸗ bringen, wie das heute mit den 1e08eer Sklavenhändlern auf der Ostküste der Fall ist. Wenn das die Absicht des Herrn Abgeord⸗ neten gewesen ist, den Zunder weiter hinein zu werfen in das Land durch die Anregung dieser Frage, durch die Aufstellung der Möglichkeit, daß durch einen solchen Gewaltstreich ein Verhältniß ge⸗ löst werden könnte, das seit Jahrtausenden dort einheimisch i⸗ ohne irgend eine Entschädigung, ja, dann begreife ich seine Rede. Aber ich kann mir nicht denken, daß der Herr Abgeordnete sympathisiren follte mit dem Aufhetzen alles Ausländischen gegen das Deutsche Reich und gegen unser deutsches Vaterland, wie wir es heutzutage in der Presse, die sonst ihn zu unterstützen pflegt, in der fort⸗ schrittlichen und freisinnigen Presse, nach allen Seiten hin zu spüren haben. Wo man irgend etwas ausfindig machen kann, einen Stein, den man in den Garten des Reichs werfen kann, wo man irgend einen fremden Intriguanten oder Reichsfeind bemerkt, den man unterstützen kann, so greift man mit beiden Händen zu und ist begeistert, wenn man einen Vorwurf findet, dem eigenen Vater⸗ lande irgendwie Unannehmlichkeiten und Verlegenheiten zu bereiten.

öbgen, man aber

scht irgend eine Zahl von

Von dieser Tendenz spreche ich den Herrn Abgrordneten ja ganz frei; . ätte er ja das Mand chötage nicht

aatssekretär des Auswärtigen erhalten um zwisch sen Presse eine breite Scheidewand zu ziehen, habe ich in diesem Sinne

sei dieses auch früher schon der Far gewe

ihm und dieser reichsfeindlichen, vaterlan das Wort ergriffen.

Abg. von Kardorff: Wenn gesagt sei, daß der Se. Handel eigentlich keine Vortheile von den Kolonien hätte, so seien gerade die Mittheilungen des Abg. Woermann über die englische Royal Niger⸗Company eine gute Illustration gegen jene Behauptungen. Auch die Perh sgisc in Ost⸗Indien sprächen für die einer deutschen Kolontalpolitik. Wenn man dieser ü das Deutsche Reich seiner ganzen Stellung als Weltreich nach beanspruchen könne, dann müsse noch viel mehr gethan werden. Seine Partei sei jedoch einverstanden mit der vorsichtigen Haltung in Kolonialfragen, denn so weit der Fürst Bismarck die Kolonien gefaße⸗ habe, werde ihm die ganze deutsche Nation mit Freuden folgen. Wenn Richter die Kosten der deutschen Kolonialpolitik heranziehe, so seien diese nichts gegen die Summen, die Frankreich dafür ausgebe. Ohne der Milliarden für den Panama⸗Kanal zu gedenken, verwende es für einen Kriegshafen an der ostafrikanischen Küste allein 80 Millionen Francs. Was sollten dagegen die 56 000 ℳ, die der Abg. Richter bemängele? Glaube er, daß die deutsche Nation so weit hinter der französischen zurückstehe, um nicht mindestens gleiche Mittel aufwenden zu können? Deutschland sei noch viel zu ängstlich in Kolonialsachen; das

Deutsche Reich sei stark genug, um in der Organisation und dem

Schutz von Kolonien noch viel weiter gehen zu können. Die Spiritusfrage betreffend, wünsche er auch, daß die Finfuhr eistiger Getränke in den Kolonien erschwert werde. In O frika spiele diese Frage aber keine Rolle, weil unter dem Einfluß der muhamedanischen Kultur auch nicht⸗ muhamedanische Völker in Genuß geistiger Getränke sehr enthaltsam seien. Der Abg. Richter glaube die deutschen Interessen in Ost⸗Afrika durch die letzten Vorgänge schwer geschädigt. Diese Schädigung hänge nur zusammen mit der Erschwerung der Einfuhr von Munition und Waffen. Deutsche Häuser in Zanzibar hätten sich auf diesen Handel ge⸗ worfen und bisher großen Vortheil daraus gezogen. Er hoffe, daß man die einmal begonnene Kolonialpolitik auch zu einem

glücklichen Ende führen werde. .

Abg. Woermann: Die Rede des Abg. Richter zeige zum Theil eine solche Fülle von Unkenntniß der thatsächlichen Ver⸗ hältnisse, daß er selbst nicht wisse, ob er lächeln solle oder sich wundern, daß ein Mann, wie der Abg. Richter, über Dinge sprechen könne, von denen er nichts wisse. Er meine, wenn man den Branntweinhandel nach Afrika verbiete, bliebe wenig von dem gesammten Handel übrig. Das sei durchaus nicht der Fall. Wenn man den gesammten Import in West⸗ Afrika mit dem Branntwein⸗Import vergleiche, sehe man, daß letzterer eine geringe Rolle spiele. Die Nothwendigkeit der Kolonien sei dadurch erwiesen. Der deutsche Handel müsse für den Import von Artikeln sorgen, die jetzt zum großen Theil aus England bezogen würden. Wolle man aber den Branntweinhandel verbieten, so sei das allein durch internationale Abmachungen möglich. So lange die Engländer damit handelten, könne man nicht hindern, daß auch die Deutschen diesen Uitshn nicht unglücklichen Handel betrieben. Der Branntweinhandel mache ungefähr den vierten Theil des deutschen Imports aus. Während für englische und französische Häuser fast nur Branntwein und Pulver gehandelt werde, könnte er durch sein Geschäftsjournal beweisen, daß in den deutschen Schutzgebieten noch viele andere Waaren Absatz fänden. Er könne aber Hrn. Richter zur Be⸗ ruhigung sagen, daß schon jetzt in den Kolonien ein hoher Einfuhrzoll bestehe, daß hier von vornherein das Verbot er⸗ lassen gewesen, Hinterlader einzuführen. Es sei nur erlaubt gewesen, ein dem Europäer ziemlich ungefähr⸗ liches Gewehr einzuführen. Hr. Richter hätte sich in dem Kamerun⸗Panorama überzeugen können, daß die Eingeborenen mit diesem zielten, indem sie das Gesicht abwendeten. Die Kosten der Kolonialpolitik betreffend, meine der Abg. Richter, daß sie durch Aus⸗ gaben für Marine und andere Dinge größere seien, als die Summen, die direkt für die Kolonien verlangt würden. Der westafrikanische Handel sei nun aber so bedeutend, daß es auch ohne Kolonien dort nöthig wäre, 8 zu halten. Es

en. Wie in Ost⸗ andels Schiffe nöthig seien, Der Abg. Richter liebe es nun ganz besonders, in der „Freisinnigen Zeitung“, ihn (Redner) mit seinen Hamburger Geschäftsfreunden in Widerspruch zu setzen. Er habe dies namentlich in der Frage des Zollanschlusses ge⸗ than, wo er ihn (Redner) in Widerspruch mit dem Vorsitzenden einer Versammlung gebracht habe. Dieser Vorsitzende habe nun einen Brief an die „Freisinnige Feitung geschrieben, worin er gebeten, zu berichtigen, daß er (Redner) persönlich als Mitvorsitzender die jer Versammlung präsidirt habe. Diese Be⸗ richtigung habe sich aber Hr. Richter gehütet aufzunehmen. Hr. Richter sage ferner, daß der Hamburger Handelskammer⸗ bericht nichts über Kolonialpolitik enthalte. Das sei erklärlich. Der Bericht enthalte immer nur Sachen, mit welchen die andelskammer im Laufe des Jahres Gelegenheit gehabt habe, sich zu 8 Vorlagen des Senats, über welche ihr Gutachten gefordert werde, Sachen, die aus ihrer Mitte heraus vorgebracht würden, die Angelegenheit der Royal Niger⸗Com⸗ pany. Es habe durchaus kein Anlaß vorgelegen, sich mit Kolonialpolitik zu beschäftigen, und es sei deshalb natürlich, daß der Bericht auch nichts davon enthalte. Hr. Richter sage nun, die Hamburger hielten in Kolonialsachen die Taschen zu. Richtig sei, daß in ganz Deutschland verhältnißmäßig ein geringer Theil sich wirklich an der Kolonialpolitik 8e Was die Hamburger veranlasse, die Taschen zuzuhalten sei der Umstand, daß sie nicht auch an der Verwaltung sich betheiligen wollten. Sie seien Handeltreibende, sie machten wirthschaftliche Unternehmungen, aber sie seien stets weniger ge⸗ neigt, da vorzugehen, wo es sich um eine Verwaltungsthätigkeit andele, die sie nicht kennten. Es liege in unserer ganzen olonialpolitik noch Vieles, was die Sache für Deutschland schwer mache. Es sei dieses nicht nur das Kapital. Ungefähr 6 Millionen Mark seien von Deutschland bis jetzt für kolonial⸗ politische Unternehmungen hergegeben. Man sei noch zurück⸗ haltend und vorsichtig. Er sei aber überzeugt, die Sache werde anders werden, wenn erst ein Erfolg vorliegen werde. Es liege auch in anderen Dingen begründet, daß die Hamburger urückhaltend seien. Sie sähen in Deutschland in den üiderfeeischen Fragen wesentlich Personenfragen. Es sei ihm immer vorgekommen, als wenn das Geld weit eher zu beschaffen sei, als die nöthigen Personen. Zur Noth fänden sich noch Personen, welche hin⸗ ausgehen wollten bei hohem Gehalt. Aber ebenso wenig, wie es wiele Kapitalisten gebe, welche große Summen in Dingen

Indien zum Schutz des deutschen so auch in West⸗Afrika.

erhaupt die Ausdehnung geben wolle, die

zufangen; wir halten es für richtig, dabei anzufangen, daß wir nach

riskirten, die sie noch nicht hinlänglish kennten, so seien auch die Personen zurückhaltend, wenn es gelte, ein Risiko zu über⸗ nehmen ohne großes Gehalt. Dieser Umstand erschwere unsere kolonialen Bestrebungen, er habe aber 1— Grund in der Natur der Deutschen. Ueberall, wo Personen hinausgeschickt werden sollten, begegne man Schwierigkeiten. Wenn erst einige Erfolge unserer Kolonialpolitik vorlägen, würden sich auch Personen und Kapital leicht finden. Wenn Deutsch⸗ land erst so lange wie die Engländer Kolonial⸗ politik triebe und nach 20 30 Jahren Erfolge zu verzeichnen hätte, würden die Bestrebungen mit Schritten vorwärts gehen. Gegenwärtig seien diese so schwer, weil in Deutschland von gewissen Seiten Alles aufgeboten werde, was geschehen könne, um von kolonialpolitischen Unter⸗ nehmungen abzuschrecken. Gewisse eeeege hinderten die⸗ saahan nicht nur, sondern freuten sich über jeden Mißerfolg. Auch in der Frage der Sklaverei wisse der Abg. Richter sehr wen Bescheid. In Kamerun gebe es nicht mehr wirklche Sklaven, sondern nur solche Arbeiter, die von nichtfreien Leuten abstammten, aber sonst selbst⸗ ständig arbeiteten. Sie seien nur noch dem Namen nach Sklaven, wie man in früheren Zeiten von Hörigen ge⸗ sprochen. An der ganzen Westküste von Afrika seien Arbeiter beschäftigt, welche an der Küste von Liberia engagirt seien. Von einer Verwendung von Sklaven sei hier nicht die Rede. Es werde immer leichter, hier Leute für die Arbeit anzuwerben. ohne daß von Sklavenarbeit die Rede sei. Der Abg. Richter sage, daß in den englischen Kolonien die Deutschen gerade so gut Absatz fänden wie in den deutschen, und daß man deshalb nicht nöthig hätte, Kolonien zu ründen. Gerade das Vorgehen der englischen Royal

iger⸗Company liefere den Beweis, wie es Saglhn mit der Oberhoheit halte. Die ganze Rede des Abg. Richter von dem ersten Punkte an, bei dem man nicht vorher ehe ver⸗ muthen können, daß er sich mit der Baseler Mission auf freundschaftlichen Fuß stelle und sie werde gewiß nicht erbaut sein, daß der Abg. Richter ihre öö ver⸗ theidige —, bis zuletzt sei die ganze Rede eine Reihe von Un⸗ richtigkeiten gewesen. Er möchte ihn bitten, daß er kolonial⸗ politische Fragen etwas gründlicher studire.

Abg. Richter: Er hätte gewünscht, daß der Vor⸗ redner zahlenmäßige Beweise brächte, was er aber leider nicht gethan. Er (Redner) habe auch erklärt, daß er über gewisse Verhältnisse im Unklaren sei. Ueber den Branntweinhandel in Kamerun, über Einfuhr von Waffen und Munition seien dem Hause die Zahlen vorenthalten worden, die der Abg. Woermann leicht hätte geben können. Er (Redner) würde gern von dem Abg. Woermann Belehrung angesmen, wenn jener unparteiisch wäre, was er aber als Geschäftsmann nicht sei. Er (Redner) würde es für eine Anmaßung halten, von der „Freisinnigen Zeitung“ hier zu sprechen, wie es der Abg. Woermann gethan habe, erst recht nicht über Artikel, die mit der gegenwärtigen Kolonialdebatte gar nicht in Verbindung ständen. Die Schilderung des Hrn. Woermann von Kamerun 8 im direkten Widerspruch mit dem, was der Reichskanzler sage. Die Schilderung des Herrn Reichs⸗ kanzlers sei dazu angethan, Wasser in den Wein der Kolonial⸗ schwärmer zu gießen. Der Reichskanzler habe dann von einer verleumderischen, vaterlandslosen Presse gesprochen. Er (Redner) sei nicht in der Lage, in der Diskussion als Ab⸗ geordneter über die Tagesordnung hinauszugehen, dürfe aber wohl dem Reichskanzler eine Bemerkung entgegensetzen. Die Freisinnigen seien stolz darauf, daß sie noch eine freie und unabhängige Presse in Deutschland hätten, sie seien stolz darauf, eine Presse zu besitzen, die auch dem mächtigsten Mann in Europa unabhängig gegenüberstehe und sich nicht scheue, ihm die Wahr⸗ heit zu sagen. Seine Partei würde bedauern, wenn in Deutsch⸗ land jemals ein Chauvinismus Platz griffe nach Art der schottischen Clans. Wenn hier ein Häuptling etwas 682 so sei der ganze Stamm verpflichtet, ihm blindlings zu folgen, möge er Recht haben oder nicht. Wenn der Reichskanzler, nach Berlin zuruͤckgekehrt, sich hier met der 1 zu beschäf⸗ tigen gedenke, so möge er auch seine Blicke auf die offiziöse Presse werfen, die sich die Mißachtung aller anständigen Leute zugezogen habe. 8

Reichskanzler Fürst von Bismarck:

Ich 85 säpon F Anfang bemerkt, daß es nicht meine Absicht ist, heute auf Diskussionen der kolonialen Fragen einzugehen, und ich bin nur incidenter genöthigt worden, einige auf diesem Gebiet lie⸗ gende Bemerkungen zu releviren und mich darüber zu äußern. wiederhole, daß eine Vorlage über die Kolonialsache im Bundesrath vielleicht in diesem Augenblick schon vorliegt oder morgen vorliegen wird, und daß Sie dort Gelegenheit haben werden, alle Ihre Ab⸗ neigungen gegen kolonisatorische Bestrebungen des Breiteren kund zu geben. Ich möchte ungern zwei Mal in dieselbe Debatte eingehen und lasse mich deshalb auf die eigentliche koloniale Seite der heutigen Diskussion nicht ein. G

Nur über die Sklavereifrage und die letzte die der

r. Abg. Richter darüber that, bemerke ich noch, daß wir es nicht ür richtig halten, wie er es für richtig erklärt, diese Frage bei der Freilassung der außerhalb unserer Gebiete in Sklaverei Lebenden an⸗

Möglichkeit verhindern, daß noch mehr freie Leute in den Stand der Sklaverei gebracht werden als bisher, daß der Stand der Freien sich icht vermindere, der Stand der Sklaven sich nicht vermehre. Das Ganze ist eine Frage, die nicht in einem Jahr, auch nicht in einem Jahrzehnt erledigt werden kann, und mit der unsere Nach⸗ folger sich noch beschäftigen werden. Ich erinnere Sie, daß die Frage

es eigentlichen Negerhandels im englischen Parlament wenn ich icht irre, von den Quäkern schon im Anfang des vorigen Jahr⸗ hunderts zur Sprache gebracht worden ist, daß Wilberforce und andere orces, jißt gerade vor einem Jahrhundert, zuerst die amtlichen An⸗ räge daruͤber im englischen Parlament gestellt haben. Seitdem sind lso hundert Jahre emsiger, wenigstens von englischer Seite recht msiger und aufrichtiger Arbeit nothwendig gewesen, um diese Frage,

igentlich doch nur um ein Mäßiges, vorwärts zu schieben. In Amerika⸗

at die Sklaverei nominell aufgehört, zuletzt auch in Brasilien. in Brasilien aber doch erst im vorigen Jahre, und so kann ja auch der Moment in Zukunft gedacht werden, wo sie in Afrika verschwunden ein wird, wenn dort erst Ruhe und Frieden auch im Innern einge⸗ reten sein werden. Aber wollte man dies vom Dienstag auf den Donnerstag herbeiführen oder gar schon als fertig vorhanden an⸗ ehen, dann würde man in denselben Feler verfallen, in den inige unserer Träger der kolonisatorischen Bestrebungen verfallen sind, ndem sie die Stellung von Distriktskommissarien an der Küste wilder Völkerschaften so angesehen haben, als wenn es sich dabei um etwas Aehnliches handelte, wie bei der Entsendung eines Landraths nach Brandenburg oder Teltow, als ob der Kommissar dort Alles vorfinden würde, was erforderlich wäre, um ihm Gehorsam zu verschaffen. Das enne ich eben die Woche mit dem Sonnabend anfangen, oder as Ziel und das Ergebniß, das durch mühsame und lang⸗ ährige Arbeit zu erreichen ist, vorwegnehmen wollen. So st die Sache nicht; unsere ganzen kolonialen Unternehmungen

eichen mit der Muthung eines Bergwerks, das man nicht sofort in vollen Angriff nehmen kann, für welches man aber doch dem Erben sichere Grenzen, die von anderen Mächten nicht mehr übertreten werden, übermacht; oder ein Beispiel, das uns näher liegt, wie wenn Jemand in Lichterfelde oder dort, wo die Baulust sich hinbegiebt, vor 30 Jahren sich ein Grundstück erworben hat und den Besitztitel liegen läßt, bis die Zeit kommt, wo er das Grundstück bebaut oder vortheilhaft verwerthet. 1 Wir sind und namentlich die öffentliche Erwartung ist in der ganzen Kolonialfroge vielleicht etwas zu rasch gegangen; aber n unwillkürlich hinein in das, was ich heute nicht agen will. 3 9 Was Hr. Richter über meine Stellung zur Presse bemerkte, so bin ich ja ganz seiner Meinung, daß wir eine freie und unabhängige Presse bei uns brauchen; aber ob die Presse, die ich meine, wirklich den Namen verdient, eine freie und unabhängige zu sein, das wird der Abg. Richter vielleicht genauer wissen als ich. Ich halte sie gerade für eine abhängige und in ihren Redaktionen von Furcht und Sorge, von anderen Einflüssen, als den kanzlerischen bis zu einem gewissen Grad geknechtete Presse; ich halte sie nicht für unabhängig und frei. Er verlangt, daß eine solche Presse immer im Stande sei, die Wahrheit zu sagen. Das ist aber gerade das, was ich ihr vor⸗ werfe, daß sie die Wahrheit nicht sagt. Abg. Stöcker: In Bezug auf die Sklavereifrage möchte er dem Abg. Woermann Recht geben. Man sei in der Sklavenfrage durch das Kreuzen der Schiffe bereits so weit gekommen, daß ein eigentlicher Sklavenhandel nicht mehr existire und deshalb auch keine Sklavenjagden. Aber auch in der Frage, wie Sklaven zur Ansiedelung verwandt werden könnten, sei man bereits weit gediehen. Abgesehen von Liberia, sei in Sierra Leone der Versuch gemacht, 60000 Sklaven an⸗ zusiedeln. Von diesen seien ungefähr 40 000 Christen und gute Bürger geworden. Bezüglich der Schnapseinfuhr sei er anderer Meinung als der Abg. Woermann. Die Regierung müsse dieser Frage die größte Aufmerksamkeit schenken, denn dieses Genußmittel ruinire ganze Völkerschaften. England habe die Schnapseinfuhr größtentheils abgeschafft, Deutschland habe in Neu⸗Guinea auch ein Schnapseinfuhrverbot. Bekannt sei die Aeußerung: „Die afrikanischen Völkerschaften werden entweder ohne Branntwein sein, oder sie werden nicht sein.“ Die Nichtkulturvölker gingen alle an diesem Uebel zu Grunde. Die Schnapsfrage sei nicht nur eine sittliche und religiöse, sondern auch eine eminent politische, da man jene Völker zur Arbeit erziehen wolle. Gegen den Tadel der freisinnigen Partei in Kolonialsachen müsse bemerkt werden, daß Jedermann von vornherein hätte einsehen müssen, daß solche Kolonialpolitik ohne Opfer an Geld und Blut nicht abgehen würde. Deutsche hätten auch nie vor großen Opfern dunhogeschrecs Die Ge⸗ schichte Deutschlands zeige, daß gerade in Zeiten der Noth die Fahne nicht verlassen worden sei. Wer aber in den letzten Monaten die Presse eifrig verfolgt habe, müsse sich sagen, daß auch in unserem Volke noch Viele lebten, die ein wirklich nationales Gefühl nicht theilten. Wenn der Abg. Richter sa e, daß er eine freie und unabhängige Presse vertrete, so müsse er (Redner) ihm sagen, sie sei frei von Rücksichten auf Vater⸗ land und Obrigkeit, nicht frei von Rücksichten auf Börse, Judenthum und Großkapital. Abg. Woermann: Er habe es keineswegs als unerhört bezeichnet, wenn in Ost⸗Afrika der Branntweinhandel abge⸗ schafft werde. Liberia sei nicht von Sklaven gegründet, sondern von Freigelassenen. Wenn Abg. Richter zahlenmäßige Beweise verlange, so könne er ihm doch nicht sein Geschäftsjournal vorlegen. Er (Redner) solle parteiisch handeln, da er Ge⸗ schäftsmann sei. Wer solle denn aber sprechen, nur immer Diejenigen, welche kein Interesse an der Sache hätten? Der Abg. Richter lebe von der „Freisinnigen Zeitung“, er (Redner) von seinem afrikanischen Geschäft. Die Diskussion wird geschlossen. 8 Die Ausgaben für die Schutzgebiete werden bewilligt. Bei dem „Archäologischen Institut in Rom“ wünscht der Abg. Kalle eine Erhöhung des Gehalts des Bibliothekars und der Totalsumme überhaupt. Bevollmächtigter, Wirklicher Geheimer Legations⸗Rath Humbert: 1““ Meine Herren! Es sind dem Auswärtigen Amt in ähnlichen Weise wie dem Herrn Vorredner in den beiden von ihm bezeichneten Richtungen Anträge zugegangen. Der mit der Neuordnung der Bibliothek betraute Professor Mau in Rom bezieht allerdings bis jetzt nur eine äußerst geringe Einnahme von 1200 und es liegt im Wunsche des Archäologischen Instituts und seiner Centraldirektion, ihm für diese erhebliche Mehrarbeit, welche ihm durch die Neu⸗ ordnung der Bibliothek erwächst, für die Zeit der Neuordnung eine etwas höhere Remuneration zuzuwenden. In ähnlicher Weise ist uns der Wunsch zu erkennen gegeben, es möchten die Einnahmen, welche das Institut früher aus den Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträgen hatte, und die jetzt in Folge der allgemeinen Beseitigung der Wittwen⸗ und Waisenbeiträge in Wegfall gekommen sind, weil die Institutsbeamten statutenmäßig den Charakter von Reichsbeamten haben, dem Institut vergütet werden. Ich bin zwar nicht in der Lage, erklären zu können, wie die verbündeten Regierungen sich zu der dankenswerthen Anregung des Herrn Vorredners stellen werden; jedoch glaube ich persönlich die Erklärung abgeben zu können, daß die von ihm angeregten beiden Punkte in eine ernste und wohl⸗ wollende Erwägung werden genommen werden. Der Titel wird bewilligt. Bei den außerordentlichen Ausgaben für Südwest⸗Afrika 102 000 (bisher 51 000 ℳ) erhielt das Wort der 8 Bamberger: Er setze sich nicht in Widerspruch mit dem Reichs⸗ kanzler, der gesagt habe, das Abthun der Sklaverei sei eine keines⸗ wegs einfache Sache. Aber während man hier im Begriff sei, demnächst weitgehende Verpflichtungen nach allen Richtungen 9 Gunsten der Ostafrikanischen Gesellschaft zu übernehmen, habe diese Gesellschaft gerade früher eine Stellung zur S lavenfrage eingenommen, welche nicht bloß eine gewisse Toleranz im⸗ plizire, sondern sich ziemlich bejahend und anerkennend für das Bedürfniß der Aufrechterhaltung der Sklaverei ausspreche. Im Hahre 1885 habe Dr. Peters einen Vortrag gehalten üͤber die ostafrikanische Kolonialpolitik, in welchem er sich auch über die Sklavenfrage ausgelassen. Diese Rede sei der Gegenstand der heftighhn Angriffe in einigen Blättern eworden. In Folge dessen habe derjenige Herr, dessen ame heute an erster Stelle unter den Eingaben der Ostafrikanischen Gesellschaft stehe, Hr. Graf Pfeil, eine sehr lange Erklärung in einem Bremer Blatt erlassen, in welcher er so ziemlich frank und frei für die Auf⸗ vecterbalcung der Sklaverei Partei ergreife. Wollte man nur dahin großen Handel treiben, wo man Kolonien habe, so würde man gar kein Absatzgebiet haben. Allerdings gebe Deutschland für Kolonien nicht so viel Geld aus wie etwa Frankreich. Aber es wolle es eben nicht machen wie Frank⸗ reich. Wenn die Franzosen ungezählte Millionen auswürfen für Hirngespinnste und Phantastereien, so könne das Deutsch⸗ land nur abschrecken. Hr. Woermann habe ganz un⸗

bürger in Schutz zu nehmen gegen die Vorwürfe des Abg. Richter, daß sie nicht in den eigenen Geldbeutel stiegen wegen dieser Kolonialpolitik. Er (Redner) rechne das den Hamburgern zur Ehre an, sie seien verständige Leute, die sich nicht leicht zu zweifelhaften Unternehmungen verführen ließen. Wenn die Sache so gut wäre, so würden die Hamburger erren sehr gern auch etwas wagen. Die großen Hamburger aufleute machten nicht bloß ganz sichere Geschäfte, aber Aussicht müsse vorhanden sein. Nur mit Verstand wage man, erst wägen, dann wagen. Sie machten aber nicht Geschäfte, die ihnen abenteuerliche Leute und ournalisten empföhlen. Was die Mehrausgabe für üdwest⸗Afrika betreffe, so glaube er mit Fug und Recht behaupten zu dürfen, es sei gar nicht klar, in welchem Zu⸗ stande die angeblich südwestafrikanische Kolonie sich zur Zeit besinde und welchen Grund das Deutsche Reich haben sollte, sie mit höheren Ausgaben als bisher zu unterstützen. Man habe seit drei Jahren von dieser südwestafrikanischen Kolonie nichts Näheres gehört. Man existire immer noch so zu sagen auf dem Papier. Man habe vor drei Jahren einen Bericht des Reichskommissars Dr. Göring und einen Bericht der Generalversammlung der Aktionäre erhalten. Er (Redner) habe damals vor schwach besetztem Hause ausführlich darüber ge⸗ sprochen. Die Gesellschaft habe aber abgewirthschaftet, es sei auch keine Aussicht, daß es besser werden könnte. In Angra Pequena sei gar keine Aussicht vorhanden. Es sei kein Wasser da, und der Versuch, artesische Brunnen zu graben, sei miß⸗ glückt. Eine Aussicht auf Viehzucht und Ackerbau sei gänzlich unbegründet. Die Company habe 1886 300 000 Kapital besessen, das hier in Berlin in preußischen Konsols angelegt gewesen sei. Sie habe sich ganz von dem Geschäft zurückgezogen und warte, ob Jemand kommen werde, der vielleicht Reigung hätte, das unterbrochene Geschäft wieder aufzunehmen. Es komme aber Niemand. Darauf habe der Reichskommissar Göring vorgeschlagen, weiter südlich im Damara⸗Land und endlich in Namaqua eine Niederlassung zu gründen. Dort sei mehr Aussicht auf Erfolg in der Viehzucht und im Bergbau zu erwarten. Es sei an das Haus das Ansinnen gestellt, in Otyimbinque für den Kommissar ein Haus für 50000 zu errichten. vr Göring sei gewiß ein tüchtiger und umsichtiger Mann, der sich von übertriebenen Phantastereien fernhalte. Aber es sei ihm nicht gelungen, aus der Sache etwas sa machen. Man wisse seit drei Jahren nicht, ob das Geringste geleistet sei. Die Company bi kaum noch 200 000 Unter diesen Umständen wäre es schon an sich angezeigt, zu fragen, solle man eine jährliche Ausgabe bewilligen für die Beaufsichtigung eines Landes, indem gar nichts mehr geschehe und einer Company gegenüber, die nur 200 000 Ver⸗ mögen besitze. Nun habe neulich das „Reuter'sche Bureau“ be⸗ richtet, daß zwischen unserer Reichsvertretung und dem dortigen Häuptling Kamaherero ein Misverständni, ein entstanden sei. Er habe alle Konzessionen, die er Deutschlan gegeben, für null und nichtig erklärt und behauptet, daß er alle Minenkonzessionen schon früher einem Engländer Lewis egeben habe. Er (Redner) wisse nicht, ob hier in der Ver⸗ hüedhhen Jemand darüber Auskunft geben könne, vielleicht sage die Regierung, was an diesen Dingen sei. Er nehme an, daß es bei den Verhandlungen zwischen diesem Häupt⸗ ling und den deutschen Bergwerklustigen nicht so aktenmäßig zugegangen sei. Er glaube, solche Rottenführer machten eute einen Vertrag mit Diesem, morgen mit Jenem. Es omme darauf an, ob man die Macht habe oder nicht. Das Recht sei dort schon so schwach, daß es noch wenig bedeute wenn man die Macht nicht habe. Es werde sich einfach darum andeln: unsere Landsleute seien im Recht und der Kama⸗ henh⸗ habe sie vielleicht hinter das Licht geführt. Sei nun mit Waffengewalt dort durchzukommen? Er wisse es nicht Er sei darüber gänzlich im Unklaren und würde sich freuen, wenn das Haus, ehe es diese Bewilligung beschließe nähere Erklärungen bekommen könnte. Wenn er si noch so sehr auf den kolonialen Standpunkt stellte, einer so verzweifelten Unternehmung gegenüber würde er Bedenken tragen, eine Mehrbewilligung auszusprechen, selbst auf die Gefahr hin, sich von Hrn. Stöcker einen Vorwurf zuzuzi der da meine, die Ehre der ganzen Nation sei verpfänd wenn irgend Jemand im Auslande die deutsche Flagge hisse Er (Redner) habe nie behauptet, daß diese Company aus Aben⸗ teurern besteht, nicht einmal von dem verstorbenen Lüderitz. Er sei nur ein waghalsiger Mann gewesen, der sich verrechnet habe. Wer Lhtscene atriotismus und Sinn für Deutschlands Ehre und Sicherheit habe, der habe in Europa genug zu thun, um diesen Patriotismus zu bewähren und alle Opfer zu bringen, vamit man unbehelligt und ruhig der ukunft entgegensehen könne. Man möge ja 8. für einen schlechten Mann erklären, der wegen solcher Unternehmungen nicht das Geld der Steuerzahler und das Blut unserer braven Marineleute opfern wolle, man möge es mit noch so hoch erhobener Stimme thun, aber vor dem Verstand und Gewissen beehe es nie und nimmer! 8 8

Reichskanzler Fürst von Bismarck Ich möchte dem Herrn Abgeordneten auf seine letzten Worte er⸗ widern: wer patriotischen Sinnes ist, der nimmt nicht gerade öffent⸗ lich gegen die Regierung seines Landes Partei in einer Frage, über die sie im Augenblick in entscheidenden Unterhandlungen mit der mit⸗ betheiligten ausländischen Regierung steht. Und der Herr Vorredner hat uns in den Verhandlungen, in denen wir augenblicklich mit Eng⸗ land über Südwest⸗Afrika stehen, auf das Erheblichste geschädigt, und wenn sie mißlingen, mache ich ihn dafür verantwortlich. . Der Herr Vorredner ist der Meinung gewesen, daß erst bei der ersten Uebernahme zur Zeit des Holländers, dessen Namen ich ver⸗ essen und den er eben nannte, der erste Muther dieser Konzession Zurufe), Lüderitz, daß es da in dem ersten Programm unserer Kolonialpolitik gelegen hätte, auf die Sache einzugehen und die Be⸗ mühungen dieses thätigen Reichsangehörigen er war kein Hollän⸗ der von Geburt; er sprach aber vorwiegend holländisch zu schützen und zu decken. Nun gut, wie haben sich denn seitdem die Dinge ge⸗ taltet? Ich will nicht, wie Hr. Woermann vorher dem Hrn. Abg. Richter o jetzt dem Abg. Bamberger Unbekanntschaft mit den Dingen, über die er gesprochen hat, vorwerfen und Unwissenheit in den Dingen, die er hier öffentlich verhandelt. Ich bin auch gar nicht im Stande, ihm vollständig, ohne die Interessen der Betheiligten zu schädigen, klar zu legen, wie die Sache liegt. Ich kann ihn darauf hinweisen, daß gerade diese Kolonie und ihre Hoffnungen sich in den letzten Jahren günstig und für die Zukunft versprechend entwickelt haben, und daß wir, wenn dies nicht der Fan gewesen wäre, diesen englischen vhbenh und die englische Rivalität gar nicht zu befürchten ge⸗ en. 8 Um Nichts, um eine Sandbüchse, wie das geschildert ist, laufen die Engländer nicht Hunderte von Meilen über Land mit Waffen und Pferden um Verabredungen anzufechten, die wir mit der en üisn

nd nicht auf einen Nutzen in 3 bis 4 Jahren berechnet, die seit dem ¹ A fang versofen nd, sondern Sie können sie allenfalls ver⸗

nöthige Anstrengungen gemacht, seine

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Hamburger Mit⸗

egierung früher getroffen haben; daß da etwas dahinterste 18 Larnheg des Reichs für unsere Pe en werth ist, das hätte der Herr Abgeordnete schon aus der Expedition von Lew die ihm

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