1889 / 14 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1889 18:00:01 GMT) scan diff

bekannt zu sein scheint, entnehmen können. Er scheint aber anzunehmen, daß die Engländer und Aventuriers, wie dieser Lewis, dumm genug sind, um dieser Sandbüchse nachzu aufen, vor deren Besitz er das Deutsche Reich warnt und davon abzuschrecken sucht. Das ist ein Mangel an Kombinationsgabe und Ueberlegung, wie ich solchen bei dem Herrn Vorredner bis jetzt nicht gewohnt bin. Um nichts reiten die Leute nicht viele Meilen über Land mit Gewehren und suchen da in Widerspruch mit internationalen Abmachungen alte angebliche wieder heraus, um sie den Deurschen wieder streitig zu machen. Der Herr Abgeordnete hat gesagt: mit der Gewalt und mit der Exekution des Gesetzes ist dort nichts zu machen. Das mag ja aller⸗ dings richtig sein, obschon ich das doch nicht so unbedingt zugeben möchte. Wenn sich die Aussichten bestätigen, welche diese und andere Gesellschaften dort haben, so weiß ich nicht, warum sie nicht die 17 bewaffneten Leute von Lewis mit 170 bewaffneten Eingeborenen, die sie dort miethen und organisiren, und mit dem Bündniß derjenigen Stämme, die dem wandelbaren Kamaherero nicht ganz wohl⸗ wollend gesonnen sind, wieder herauswerfen sollten. Das kommt ja in den Kolonien oft vor. werde unwill⸗ Kärlich trotz meiner wiederholten Weigerung genöthigt, auf diese Kolonialdebatte, in der wir heute nicht stehen, einzugehen, weil ich Unwahrheiten und Irrthümern, wie sie in der Rede des Herrn Vor⸗ redners zu finden sind, nicht 3 bis 4 Wochen Vorsprung oder auch nur 14 Tage in der Diskussion, in der öffentlichen Meinung lassen will. Glaubt denn der Abgeordnete, daß wir im Auswärtigen Amt so einfältig und so verschwenderisch sind, daß, wenn wir uns überzeugt Fätten es sei wirklich nichts Anderes als die Sandbüchse da, daß wir dann dem Reichstage zumuthen sollten, in dieser Wüste noch einen Beamten festzunageln und dort noch ich weiß nicht gleich, wie groß die Summe ist aber auch nur 10 weiter hinauszuwerfen. Das ist doch eine Gering⸗ schätzung unserer Einsicht und unserer Ehrlichkeit, die wir in der That nicht verdienen in der mühseligen Arbeit, die wir uns in diesen Kolonialfragen machen. Was hat denn das Auswärtige Amt, was haben wir denn davon, ob dort Kolonien sind oder nicht? 5000 Nummern alle Jahre mehr, die mir allein auf den Leib geschrieben werden, die ich allein zu erledigen habe! Etwas Anderes habe ich nicht von der Sache, und dann redet man hier in der Voraus⸗ setzung, als hätten wir in Leichtfertigkeit und ich weiß nicht aus welchen Gründen gehandelt. Der Hr. Abg. Richter hat den Schnaps berührt. Ich habe mich gefreut, daß er jetzt mit einem Male theuren Schnap; für eine Wohlthat für die Bevölkerung hält allerdings nur für die Neger; warum will er denn diese Wohlthat nicht auf seine eigenen Landeleute anwenden? auf den Schnaps des armen Mannes; „den kann er nicht billig genug bekommen“. Und auch die Unmäßigkeit in Bier, wie sie in unserer nächsten Umgebung nicht selten ist, verdient die gleiche Aufmerksamkeit, wie die der Neger in Kamerun. 1 Ich begreife nicht, wie man seine Wohlthaten so weit nach Afrika verschleppen kann, wenn man hier unmittelbar vor dem Halleschen Thor die beste Anwendung davon machen könnte. In Bezug auf die Kamahererofrage möchte ich nur mittheilen, daß wir mit England früher durch einen Notenaustausch „eine Ab⸗ machung getroffen haben, nach welcher England den 20. Längengrad als die Grenze seiner Kapbesitzungen ansah: will retend to the 20 hh meridian of East longitude and will be bounded on the North by the 22 nd parallel of South Latitude. Aehnliche Noten haben wir geschrieben. Wir haben also die Hoffnung, bei dem uns befreundeten England Beistand gegen die In⸗ vasion dieses räuberischen Einfalles von Lewis zu finden. Das wird langsam wirken; ehe man in London den Einfluß geltend machen kann, ehe von dort auf die Kapregterung und von der Kapregierung auf Lewis eingewirkt wird aber mit dem Telephon lassen sich diese Dinge überhaupt nicht abmachen in den entlegenen Kolonien. Das wird Zeit gebrauchen; wir sind jedoch des festen Ver⸗ trauens, daß die englische Regierung das Unternehmen von Lewis nicht billigen und unterstützen werde. Er mag in der Zwischenzeit, die wir nicht abkürzen können, dort wohnen und siedeln, wie er will, es bleibt nominell und rechtlich deutsches Gebiet. auf das wir dem⸗ nächst doch die Rechte haben werden. Die Sache entscheidet sich aber nicht an Ort und Stelle, weil die Gesellschaft nicht im Stande ist, sie zur Entscheidung zu bringen, sondern sie wird in freundschaft⸗ lichen Verhandlungen zwischen uns und England zur Entscheidung gebracht werden müssen. Wenn aber hier von hervorragenden Ab⸗ geordneten im Deutschen Reichstage unsere ganze Existenz dort als werthlos, die Verträge als sehr zweifelhaft geschildert werden, die überhaupt abgeschlossen sind, mit welcher Wirkung foll ich dann den englischen Unterhändlern gegenübertreten? Die Engländer halten das Land nicht für werthlos, aber sie werden das Zeugniß des Hrn. Abg. Bamberger anführen, daß davon gar nichts zu halten ist, und daß selbst dieser deutsche Patriot schon zur Sprache gebracht hat, daß der Besitz sehr zweifelhafter Natur sei und auf sehr anfechtbaren Verträgen ruhe. Meine Herren, wenn Sie dem Vaterlande durch Ihre Reden im Reichstage keine

wirksamere Unterstützung gewähren, als diejenige, welche ich für die

schwebenden Unterhandlungen aus den Aeußerungen des Hrn. Abg. Bamberger schöpfen kann, dann würde ich Ihnen wirklich sehr dankbar sein, wenn Sie sich in solchen Fragen vorher mit mir be⸗ sprächen; ich würde vielleicht Ihnen ein Rendezvous geben auf spätere Zeit, wenn unsere Verhandlungen mit England zu Ende sind, oder abgeschlossen sind, vielleicht würden Sie dann äußerlich mir zugeben, daß die Landesinteressen augenblicklich Schweigen erfordern, und Sie würden das, was Sie an Feindschaft gegen die Regierung anzubringen haben, vielleicht auf anderem Gebiet als auf parlamentarischem an⸗ bringen; das traue ich Ihnen zu.

Abg. Bamberger: (Ohol rechts). Die Konservativen wollten wohl, daß ein Abgeordneter gar nicht einmal mehr antworte wenn er angegriffen werde? Der Reichskanzler müsse wirklich ein sehr starkes Bedürfniß fühlen, heute Jeden ins Unrecht zu setzen, der von der Linken das Wort ergreife. Er (Redner) rufe die ganze Versammlung und den steno⸗ graphischen Bericht zu Zeugen 88 daß er auch nicht ein einziges verletzendes Wort gegen die Regierung oder gegen die Betheiligten gesagt habe. Der Kanzler werfe ihm aber vor, er hätte seine diplomatischen Cirkel gestört, er habe Geheimnisse verrathen. Ja, er habe furchtbare Geheim⸗ nisse verrathen, nämlich 1) solche, die in Aktenstücken ständen, die vor drei Jahren mitgetheilt eien, 2) solche, die in einem Rechenschaftsbericht der südwestafrikanischen „Gesellschaft ständen, 3) solche, die neulich in allen Zeitungen ge⸗ standen. Ja, wenn das die größten Leistungen des Reichs⸗ kanzlers seien, die aus den Zeitungen längst bekannt eewesen, dann bekomme er eine neue Ansicht von den Ge⸗ Ferise der Diplomatie. Er (Redner) habe erzählt, was Jedermann wisse, und gefragt, ob die Regierung im Stande wäre, etwas mehr zu sagen. Das sei in allen Parlamenten ein altes Herkommen, das mit Wohlwollen von den Re⸗ Ffethn ven entgegengenommen werde. Wenn aber der eichskanzler sage, man hätte ihn privatim in Kenntniß setzen sollen, so sage er, derselbe habe sich mit den Freisinnigen nicht auf so urbanen Fuß gesetzt, um dies zu thun. Die Zeiten seien vorüͤber, wo er Redner) seine Ehre und seine Persoönlichen Verhältnisse ihm hätte anvertrauen mögen. Er sei nicht sicher, welches Entgegenkommen er sinden wurde wenn er jenem jetzt gegenübertrete. Er beschränke sich auf den amtlichen Verkehr hier im Reichstage, wo er sich ver⸗ treten und vertheidigen könne, wenn er mit Unrecht an⸗ gegriffen sei. Der Reichskanzler werfe ihm vor, er hätte ge⸗ Fogr, mit Gewalt wäre hier nichts zu machen.

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brechungen). Ich berufe mich auf den

Nein, er habe

gefragt, ob hier vielleicht mit Gewalt etwas zu thun wäre, um die bestrittenen Rechte zu erwerben. Statt der Antwort werde ihm entgegengehalten, er hätte diese Gewalt von vorn⸗ erein geleugnet. Dann solle er Unwahrheiten und Unrichtig⸗ eiten in Fülle gesagt haben. Er möchte nun an einen ab⸗ wesenden Mann appelliren, nämlich den Doctor theologiae von Gießen, den Fürsten Bismarck, der die berühmten Worte ge⸗ schrieben habe, je älter er werde, um so mehr achte er die Ansicht derjenigen Leute, die nicht derselben Ansicht seien, wie er. Er möchte den Herrn Reichskanzler bitten, sich einmal mit diesem Doctor theologiae zu unterhalten, ob man sein Vaterland schände, wenn man in diesen kolonial⸗ politischen Dingen nicht mit ihm gehe. Wenn er von Unwissenheit spreche, so wolle er ihm darauf nicht in demselben Tone antworten. Der Reichskanzler habe auch ge⸗ fragt, was die Regierung davon habe, wenn sie diese mühe⸗ vollen Geschäfte mit ihren 5000 Nummern bearbeiten müsse. Es wäre wirklich besser, wenn es nur 2500 wären. Damit im⸗ ponire man ihm nicht. Aber was habe er davon, eine von allen Seiten verfolgte, mit dem Bannstrahl belegte kleine Minorität u vertreten? Es wäre bequemer, die Majorität zu vertreten und ich, auch wie früher, des Beifalls des E u erfreuen. Wenn man ihm vorwerfe, er verstehe nichts von diesen Dingen, so sage er, das was seit fünf Jahren, wo er diese Kolonial⸗ politik inaugurirt habe, geschehen sei, gebe ihm viel mehr Recht als Jenem. b

Reichskanzler Fürst von Bismarck: 8

Der Herr Vorredner hat die Gewohnheit, durch eine kleine Ver⸗ schiebung dessen, was ich gesagt habe, sich meine Aeußerungen schuß⸗ gerecht zu bringen, Dinge zu widerlegen, die ich nicht gesagt habe, und Dinge mit Emphase zu behaupten, die ich gar nicht bestritten habe. Das ist die gewöhnliche Taktik, auf die ich mich mit ihm be⸗ reits seit Jahren habe einlassen müssen.

Er hat an, meine Duldsamkeit als Gießener Doktor der Theologie appellirt und hat gesagt, ich behauptete, je älter ich würde, desto besser verstände ich die abweichenden Meinungen. Ja, ich verstehe auch die des Herrn Abgeordneten, und die Gründe, aus denen er und seine so sprechen, ich verstehe sie vollkommen und durchschaue sie

is auf den Grund der Seele, daran fehlt es nicht. Soll ich nun egen Sie duldsam sein, wenn ich finde, daß Sie die Interessen des

andes, zu dessen Vertretung ich an erster Stelle berufen bin, hier schädigen? Das können Sie nicht verlangen; sonst würde ich als Doktor der Theologie mit meiner Ehre und mit meinem Gewissen zu kurz kommen. Soweit kann meine Duldsamkeit nicht gehen, daß ich zulasse, daß unwiderlegt in einem Augenblick, wo wir mit dem Auslande verhandeln, die Rechtstitel, auf die wir uns berufen, als zweifelhaft und dürftig von einem Parlamentsredner öffentlich dargestellt werden. Nota bene ron einem deutschen Iöö nicht von einem englischen. Das hat der

err Abgeordnete in seiner Erwiderung vollständig ver⸗ Er hat eine Masse sarkastischer und bitterer Be⸗ merkungen über die diplomatische Geheimnißkrämerei gemacht; da hat er einen Feind an die Wand gemalt, der ich nicht war und der mir nicht ähnlich sah, er hat auf einen gemalten Grenadier nach der Scheibe geschossen und nicht nach mir, ich habe la gar keine Geheimnißkrämerei gemacht; ich habe nur gesagt, ich bin an dieser Stelle und heute nicht berechtigt, das große Interesse kundzugeben, das die deutschen Unternehmer an dieser Sache haben. Mir ist nun inzwischen ein Novissimum zugefertigt worden, worin dieses Interesse schon in dem öffentlichen Druck bekundet wird. Diese Rück⸗ sicht fällt also für mich, und ich werde Ihnen mittheilen, was hier steht. Aber dem Herrn Abgeordneten möchte ich doch zu erwägen geben, daß er trotz seiner sonstigen Sagacität und Scharfsichtigkeit darüber andere Leute nicht in einen Irrthum induciren wird, daß wenn er in einem Augenblick, wo wir mit England verhandeln und behaupten, wir haben einen gültigen und guten Vertrag mit Kama⸗ herero, das war der sachkundige Abg. Hr. Bamberger, der von den Kolonien, wie der Erfolg gezeigt hat, mehr versteht, als die ganze Reichsregierung, öffentlich behauptet, das sei ein ganz dürftiges und ganz zweifelhaftes Aktenstück (Unter⸗ stenographischen Bericht, wenn er nicht inzwischen geändert wird, daß der Herr Ab⸗ geordnete das Aktenstück, in dem alle unsere Ansprüche in England verfochten werden, hier vilipendirt und als null und nichtig hingestellt hat, das gar keinen Werth hätte. Wenn das richtig ist, wenn das von deutschen Advokaten anerkannt wird, dann kann ich dem deutschen Botschafter in England gleich telegraphiren: „Lassen Sie die Sache fallen, der Abg. Bamberger will sie nicht, also lassen Sie es sein.“ Der Hr. Abg. Bamberger hat ferner das ganze Obijekt als ein werth⸗ loses wiederholt dargestellt; dadurch macht er die Gesellschaft ja kreditlos,

schwiegen.

und das ist doch auch keine nützliche und patriotische Bestrebung,

wenn er hier lediglich, um zu zeigen, daß er vor vier Jahren Recht gehabt hat, jetzt den Kredit dieser Gesellschaft und ihre Hoffnungen, nach Allem, was er dazu beitragen kann, gänzlich zu zerstören und zu vernichten sucht. Das, sage ich, ist unpatriotisch. Ich würde mich durch keine Leidenschaft des Hasses gegen irgend einen Minister fort⸗ reißen lassen, unter höflichen, honigsüßen Phrasen dergleichen Bos⸗ heiten in die Welt zu schicken.

Also mir ist hier ein Bericht der südwest⸗afrikanischen Kolonial⸗ gesellschaft als gedruckt übergeben, von dem ich glaubte, er existirte bisher nur in unseren Akten. Da ist gesagt: 1 .“

Das Syndikat hat Ende März I. J. eine unter Führung des Hrn. Dr. Gürich aus Breslau stehende bergmännische Expedition nach Südwest⸗Afrika ausgesandt, welche gleichzeitig mit unseren damals abgereisten Beamten in Walfischbai angelangt ist und sich von da in das Innere des Landes begeben hat.

Auch von anderer Seite sind Unternehmungen, welche die Aus⸗ beutung der Mineralschätze des südafrikanischen Schutzgebiets zum Zweck haben, ins Leben gerufen worden. Das Mitglied unseres Verwaltungsraths, Hr. L. von Lilienthal, hat, wie uns berichret wird, von der australischen Diggers und A. Ohlson in Kapstadt einige Antheile an dem obenerwähnten Australian⸗Prospecting⸗ Syndicate erworben, und mehrere Personen zur Vertretung seiner Interessen nach Südwest⸗Afrika geschickt.

Der Bergingenieur Hr. Scheidtweiler aus Köln hat sich eben⸗ falls nach dem Schutzgebiet begeben und zwar, Zeitungsnachrichten zufolge, als Vertreter eines in Köln angeblich gebildeten Syndikats.

Wie durch die Zeitungen ferner bekannt geworden, ist unter dem Namen Deutsch⸗Afrikanische Minengesellschaft“ ein Unter⸗ nehmen gegründet worden, welches eine Expedition unter Führung bes vrg Dr. Bernhardt Schwarz nach Südwest⸗Afrika abgesandt aben soll.

Wir können nur wünschen, daß das gleichzeitige Auftreten dieser verschiedenen Unternehmungen im südwestafrikanischen Schutzgebiet eine gründliche und möglichst erfolgreiche Durch⸗ forschung des Bodens nach werthvollen Mineralien zur Folge hat.

Diese Durchforschungen haben stattgefunden und haben so gün⸗ stige Ergebnisse geliefert, daß der Unternehmungsgeist der betbeiligten Herren dadurch wesentlich belebt ist. Das kann ja ein Irrthum sein, es können IIvbö eintreten; nehmen Sie aber an, daß die Spekulation richtig ist: hat das Deutsche Reich, hat Hr. Bamberger irgend ein Interesse sachlicher oder politischer Natur, die Leute in der Entwickelung ihrer Hoffymngen zu hindern und unsere Stellung bei der Vertretung dieser Hoffnungen dem Auslande, England gegen⸗ über, zu erschweren durch seine Rede, durch die Anfe ötungen der ö gen, auf denen sich das Recht dieser Leute gründet?

eiter heißt es:

Die Aufnahme in den Weltpostverein wird gewünscht. Die in Folge des Berggesetzes getroffenen neuen Einrichtungen einer Bergbehörde und einer Fußtrfe legen der Gesellschaft außer⸗ ordentliche Aufwendungen auf. Die

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Kosten sind für die Zeit bis

zum 31. März k. J. für die Bergbehörde auf ca. 80 000 ℳ, für

die Schutztruppe auf ca. 70 000 veranschlagt.

Also für diese werthlose Sandwüste des Hrn. Bamberger wende die Gesellschaft tüchtige Summen Geldes auf, viel erheblichere, als hier vom Reich dafür gefordert werden. Es sind kaufmännische Unternehmer. Daß die so ganz leichtfertig dabei verfahren, kann ich doch nicht annehmen! Keinenfalls ist es Aufgabe des Reichs, sie in der Verfolgung ihrer Aufgaben zu stören und zu hindern. 3

Ein Urtheil darüber, ob diese Voraussetzungen zutreffen, läßt

sich heute mit diesem Bericht noch nicht gewinnen. 3

Hr. Bamberger hat es schon gewonnen, aber die Unternehmer selbst noch nicht. 8

„Das wird genügen. Diese Sache existirt im Druck. Ich will Sie mit der weiteren Verlesung nicht ermüden. Aber die Hoffnungen, die die Leute haben, schneiden wir ihnen vollständig ab, wenn bei uns von so gewichtiger und amtlicher Seite, wie bei einer Debatte des Reichstages, die Rechtsansprüche, die die Reichsregierung in London geltend machen will, als hinfäͤllig und zweifelhaft und unbedeutend dargestellt werden. 8

Ich glaube damit doch die von mir angefochtenen Aeußerungen aus der ersten Rede des Hrn. Bamberger so weit festgenagelt zu haben, daß sie für die Dauer erkennbar sein werden, und auch di Schädigung, die uns daraus erwachsen wird.

All der Nebel über die Sache, den die zweite Rede verbreitet hat,

alle die Invektiven über die diplomatische Geheimnißkrämerei und

alle Behauptungen, die mir in den Mund geschoben worden sind, ohne daß ich sie gemacht habe, will ich übergehen, ich habe mir einige 1 davon notirt, aber es ist zu spät, um Sie mit der Wiederholung und einer weiteren Breittretung dieser silbenstechenden Diskussion zu er⸗ müden, und deshalb schweige ich. Abg. von Kardorff: Der Abg. Bamberger warne immer vor kolonialen Unternehmungen, weil sie das Geld der Steuer zaͤhler und das Blut unserer deutschen Mitbürger kosteten. Er (Redner) sei sehr froh über diese Haltung der deutsch freisinnigen Partei zu unserer Kolonialpolitik, denn sie wider⸗ spreche unserem deutschen Nationalcharakter. Deutschland habe

sich von jeher auf ein bischen Abenteuer eingelassen Das

habe es groß gemacht! Etwa 200 000 Deutsche verließen

jährlich ihr Vaterland.

Sei es da nicht besser, wenn man zum Ruhm der deutschen Nation für die Auswanderer Kalonien gründe, anstatt die

selben in allen Welttheilen elend untergehen zu lassen? Wenn Hr. Bamberger die Samoavorlage damals nicht so behandelt

hätte, so hätte das Blutvergießen auf Samoa jetzt nicht statt gefunden. Das könne er also auf sein Konto schreiben. Abg. Bamberger:

unterhalten. er damals mit Hülfe der Mehrheit des Reichstages davon⸗

getragen habe. Hätte man dieselben Anschauungen von damals nur beibehalten, so wäre man heute manchen Verlegenheiten ent⸗ gangen. Hr. von Kardorff appellire an sein (des Redners) Gefühl, wie schlimm es wäre, wenn 200 000 Deutsche im Auslande 8 zu Grunde gingen. Gewiß habe er ein Gefühl dafür. So elend aber, wie sie in Öst⸗ und West⸗Afrika zu G nicht Der Reichskanzler habe sich darüber be⸗ ihm Behauptungen, die Das scheine eine oratorische Uebung zu sein, in die Jeder einmal verfalle. Aber berechtigt sei jener dazu nicht. Er habe seine Aus⸗

gegangen gingen sie in Amerika doch zu Grunde. schwert, er (Redner)

jener nicht gemacht

wären,

hätte

habe, untergeschoben.

führungen darauf begründet, daß er (Redner) von England gesprochen habe.

lungen mit England habe er keine Silbe gesprochen. Er werde die stenographischen Protokolle nachsehen, und Hr. von Unruhe werde

ihm bestätigen, daßer nicht darin korrigire; der Reichskanzler werde in denselben finden, daß von England und englischer Diplo⸗ Er (Redner) habe nur die

matie nicht die Rede gewesen.

Fälle erzählt, wie sie in den Zeitungen gestanden hätten.

Publikum von 45 Millkonen Deutschen und namentlich all die reichen Leute, die Großgrundbesitzer, die reichen Kaufherren,

die nur gutkonservative und regierungstreue Zeitungen läsen,

ihr Geld zu geben für die Kolonialpolitik. Wenn die Freisinnigen nicht wären, und Hr. Richter nicht die Zeitung“ schriebe, dann würden all die reichen Herren im Deutschen Reiche von Nord nach Süd und die Kolonialschwärmer am Rhein, die doch nur die „Kölnische Zeitung“ läsen, Geld dafür eben. Nun solle er den Kredit der Gesellschaft geschädigt aben! Sein Einfluß fiee dem des Reichskanzlers gegenüber, und jener thue ihm zuviel Ehre an. Ein Wort von jenem

genüge, um gegen Tausende von ihm (Redner) Begeisterung

zu entzünden.

der Dritten Beilage.)

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vpoorgeworfen. Ich habe von England in keinem anderen

Der Abg. Bamberger sei ja im Ausland gewesen und habe sich selbst überzeugen können, wie 8 viele daran elend zu Grunde gingen: es sei vielleicht der dritte Theil. Er sollte doch für diese Unglücklichen Mitgefühl haben.

Ueber Samoa sei er gern bereit, wenn Zeit dazu, sich nicht nur mit Hrn. von Kardorff, sondern auch mit jedem anderen Mitgliede und mit der Regierung zu Er freue sich noch heute über den Erfolg, den

(Reichskanzler Fürst von Bismarck: Nein! Unwahr!) Von England und von diplomatischen Verhand⸗

Hr. Woermann meine nun, die Freisinnigen hinderten das große

ohne jede

zum Deutschen Reichs⸗An

Berlin, Mittwoch, den 16. Januar

zeiger und Königlich Preußi

—.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Reichskanzler Fürst von Bismarck:

—— HE1 . Der Herr Abgeordnete hat mir diesmal untergeschoben, ich hätte ihm vorgeworfen, er hätte von England geredet. Ich babe gar nicht gehört, daß er von England geredet hat, und habe es ihm Giich nicht 86 in k inne ge⸗ sprochen, als daß ich von dem Gerechtigkeitssinn und der Freundschaft Englands boffte, daß wir diese Sache ruhig beilegen würden, die er mit unzarter Hand berührt hatte, ohne sie zu kennen, und ohne davon u wissen. . 3 Das einzige punctum saliens meiner Aeußerungen und Vormürfe, das ich scharf accentuirt hatte, hat er sorgfältiger Weise auch dieses Mal umgangen und ist ihm ausgewichen; das ist die Thatsache, daß er die Besitztitel unserer Landsleute als werthlos und zweifelhaft be⸗ handelt und dadurch ihre Beweiskraft in den Verhandlungen, in denen wir mit England stehen, abgeschwächt, wenn nicht vollständig ver⸗ nichtet hat. Sie werden mir in England sagen: Ihr Landsmann, Ibr Freund, der patriotische Abg. Bamberger hat ja selbst gesagt, das Papier sei nichts werth; warum wollen Sie das vertreten? Warum ist der Herr Abgeordnete bei seinem dreimaligen Wieder⸗ wortergreifen auf diesen Vorwurf gar nicht zurückgekommen? Das möchte ich ihm doch zu Gemüthe führen.

Er bat außerdem das ganze Objekt als ein so werthloses be⸗ handelt, daß die Engländer sagen werden: mein Gott, wenn Sie um solche Sandbüchse, wie Hr. Bamberger sie ja kennt, mit uns streiten

wollen, dann ist uns Ihre Freundschaft auch nicht viel werth; um g gans werthlosen Sachen wollen Sie von uns noch Konzessionen rpressen! Er hat außerdem in Aussicht gestellt, daß unsere ganzen kolonsalen nternehmungen überhaupt so gut wie mißlungen waren, daß wir das Fiasko gemacht hätten, das er vorausgesagt hätte. Ja, meine Herren, so leicht eingeschüchtert ist, Gott sei Dank, der deutsche Narional⸗ Garakter im Ganzen nicht, daß er durch einzelne Mißgriffe, Irrungen, Opfer in den einmal begonnenen Kolonialbestrebungen sich abschrecken läßt. Aber es ist doch nicht nützlich, den Englaäͤndern einzureden, daß wir so leicht abzuschrecken wären, und daß wir nun ermüdet und ab⸗ geschreckt waͤren durch das, was wir seit vier Jahren überhaupt unter⸗ nommen haben. Ich halte es nicht für nützlich, das in der Oeffent⸗ lichkeit und namentlich England gegenüber zu behaupten. Denken Sie doch an die Geschichte der holländischen Kolonien! Wie groß sind die gewesen! Welche upsand downs haben die gehabt; Sie haben Ost⸗Indien gehabt sie haben Brasilien gehabt und haben es verloren; sie haben auch heute noch eine Kolonialmacht, die viel werer wiegt an Einwohnerzahl und an Ausdehnung, als das ganze nigreich der Niederlande Da sehen Sie, daß germanische Zaäͤbig⸗ eit doch zum richtigen Ziele kommt, auch wenn sie inzwischen Ceylon, Ost⸗Indien vnd Brasilsen und die Kapstadt verloren hat; mancher ehrliche Holländer ist dabei erschossen und erschlagen worden von en Wilden sowie von den auslaͤndischen Feinden, mit denen sie zu kämpfen hatten. Setzen nun die Herren, die Gesinnungsgenossen des Hrn. Bam⸗

berger, bei der oberdeutschen Nation weniger Zaͤhigkeit, weniger

Tapferkeit, weniger Beharrlichkeit voraus als bei der niederdeutschen, dann haben sie ganz recht, wenn sie nach den vier Jahren wie heißt es in dem Maͤrchen? von dem Manne, der über Land gehen wollte und, nachdem er vor's Dorf gekommen ist, findet er es kalt und windig, und er kehrt um und kriecht wieder bei Muttern unter. Das ist das, was Sie dem deutschen Volk als Prognostikon in seinen kolonialen Bestrebungen aufstellen.

Aber ich kann da nur mit Genugthuung meine Sicherbeit aus⸗ sprechen, daß die große Majorität des Reichstages vom deutschen Volk und seiner Bebharrlichkeit und seinen Bestrebungen seinen nationalen eine höhere, und ich meine, bessere Meinung bat, als die Minderheit, die uns gegenüber steht.

Abg. Richter: Beiläufig möchte er dem Reichskanzler bemerken, daß die Schnapspolitik sich ganz anders stelle, ob man in Norddeutschland bei kaltem Klima den Schnaps für ein Bedürfniß erkläre oder ob man im tropischen Klima die Ausfuhr befördere, wie es ge enwärtig der Fall sei. Südwest⸗Afrika mit den holländischen Kolonien zu ver⸗ gleichen, ein unglücklicherer Vergleich sei nicht denkbar. Die holländischen Kolonien seien unter ganz anderen Bedingungen geschaffen worden und beständen auch heute nur unter harten Krisen, wie gegenwärtig gerade von Java und Sumatra gemeldet werde. Was wolle das Alles aber sagen gegenüber Südwest⸗Afrika, wo nichts als Nomaden⸗ stämme sich befänden, der Boden absolut keinen Acker trage und des Wassers und Holzes entbehre. Es habe auf ihn einen großen Eindruck gemacht, als der Reichskanzler 1885 den 119 Bamberger wegen seiner Bedenken beruhigt Vs Der Abg. Bamberger meinte damals, wenn jene

aufleute Mißerfolg hätten, werde das Haus von Reichs⸗ wegen aufgesordert werden, für sie einzutreten. Da habe der Reichskanzler gesagt, wie könne man das nur von ihm an⸗ nehmen, daß er dann mit der dem Deutschen eigenthümlichen Schwerfälligkeit eine solche Frage als eine nationale erklären werde? „Wenn Sie jemals einen solchen Reichskanzler hätten, so müßten Sie ihn fortjagen!“ Er (Redner) führe das an Rebenbebeutung, ohne jeden Nebensinn. Er wolle durchaus dem Reichskanzler daraus keinen Vor⸗ wurf machen, sondern nur zeigen, daß er selbst solche Fragen, ehe sie akut würden, viel ruhiger angesehen, als es heute der Fall sei. Ihm scheine in der That, er sage das zur Erklärung seines Verhaltens, daß der Kanzler in dieser Frage nicht genügend unterrichtet sei. Das, was er als neue Information vortrage, seien ja ganz altbekannte Ge⸗ chichten aus dem vorigen Frühjahr. Jene Expeditionen seien amals durch die neuen Goldfunde hinausgelockt worden; sie hätten aber alle noch keinen Erfolg gehabt, und zwar seien die Mißersolge nicht wegen äußerer Hindernisse eingerreten, sondern weil man gefunden habe, daß die Ausbeute den Ab⸗ bau nicht lohne. Das sei eine ganz bekannte That⸗ sache. In den dortigen Verhältnissen sei nun in den letzten Wochen eine Neuerung eingetreten, die die Hanze Motivirung in dem Etat hinfällig mach

eshalb berechtige zu fragen, auf Grund welcher Motivirung man nun den Posten bewilligen solle? Wenn es genügte, bloß an gute Absichten des Auswärtigen Amts fuür das Reich zu glauben, dann wäre es überhaupt richtig, 88 diese Dinge ein Pauschquantum zu bewilligen und der Regierung allein die Verantwortlichkeit für die Geldausgaben zu überlassen. Solle man einen Theil der Verantwortlichkeit tragen, so müsse man im Stande sein, sich Aufklärung über die 1 atsächlichen Verhältnisse zu verschaffen. Es sei ganz außer Frage, daß der Vertrag Kamahereros mit Deutschland

e und die

rechtsgüͤltig gi

sei; es komme nur auf die thatsächliche Frage an, ob der Vor⸗ behalt früherer Uebertragung von Bedeutung sei. Es sei ja ganz naturgemäß, daß über diese Frage der Reichskanzler mit den Engländern in Verhandlung trete; es sei das eine ein⸗ fache Frage, wie sie ferigeseht in dem diplomatischen Verkehr auftauche, geprüft und entschieden werden müsse nach recht⸗ lichen Grundsätzen. Der Abg. Bamberger habe ihr in keiner Weise präjudizirt. Wenn der Reichskanzler diese Frage für so bedeutungsvoll hielte, dann hätte er erklären sollen, daß, da die Motivirung der Forderung von 80 000 nicht mehr passe, er aber andererseits vorläufig Erklärungen nicht abgeben könne, die Berathung dieser Frage bis an das Ende der Budgetberathung vertagt werden möge. Dann würde jeder bereit gewesen sein, über diese Sache zu schweigen. Aber daß das Haus, wienn plötzlich neue Geldforderungen an dasselbe heranträten, nicht weitere Erklärungen solle fordern könne, sei von dem Parlamentarismus zu viel verlangt. Ein Parlament, das hierauf verzichte, würde nicht werth sein zu besiehen. Der erregte Ton in der Debatte greife in dem Augenblick Platz, wo der Reichskanzler erscheine. Seine Partei verarge es dem Reichskanzler gar nicht, wenn er ihr sachlich schneidig gegenübertrete, aber daß er ihr Mangel an Patriotismus, an Vaterlandsliebe vorwerfe und so einen häßlichen Ton in die Debatte hineintrage, dafür habe man ihn verantwortlich gemacht. Er (Redner) finde es übrigens erklärlich, wenn der Reichskanzler nach den Vorgängen in der letzten Zeit in ge⸗ wisser Erregung sich befinde. Es möge auch dem Reichskanzler ungewohnt sein, da er den Reichstag in den letzten zwei Jahren so selten beehre, ihm, dem großen mächtigen Manne, der in der Hauptsache mit Untergebenen zu verkehren gewohnt sei, hier im Parlament seine Ansicht vertheidigen zu sollen. Man sähe ihm das nach, wie man dem großen verdienten Manne Vieles nachgesehen. Was Samoa anbetreffe, so wünsche er Ge net, daß auch darüber ein Weißbuch vorgelegt werde, nachdem so und so viel Mannschaften dort ihr Leben verloren hätten. Aber zu sagen, daß, wenn die Garantie damals bewilligt worden wäre, das Gefecht nicht entstanden wäre, sei eine willkürliche Kombination. Seitdem Deutsch⸗ land Kolonialpolitik treibe, habe er so viel von fortgesetzten Streitigkeiten mit Eingeborenen und von Verlusten gehört, wie früher nicht in 100 Sachen in Deutschland. Und alle diese Streitigkeiten und Verluste beträfen zum großen Theil die Verhältnisse in den deutschen Schutz⸗ gebieten. In Samoa sei Alles so gegangen, wie der Abg. Bamberger und der nationalliberale Abg. H. H. Meier vorher⸗ gesagt hätten; die Gesellschaft habe in 10 Jahren 20 Millionen verloren, die das Reich hätte decken müssen. Diesen Verlust habe Bamberger verhindert. Für Auswanderer könnten die Schutzgebiete kein Ziel sein; nur eine Anzahl von Beamten und Großhändlern habe daran ein Interesse. Man habe schon mehr Deutsche am Fieber verloren, als sich Deutsche in jenen Gegenden befänden. Der Abg. von Kardorff meinte, auf ein Bischen Abenteuer seien Deutsche immer versessen gewesen. Die Freisinnigen wollten nicht zu den Sorgen, die man in Europa habe, noch solche in Schutz⸗ gebieten. Gewiß, Abenteuer seien immer vorgekommen, auch in Deutschland, aber wenn man darauf ausgehen wolle, möge man sie auf eigene Gefahr und aus eigenen Tasch in⸗ gehen, und nicht auf Kosten des deutschen Volks. 5

Reichskanzler Fürst von Bismarck:

Der Hr. Abg. Richter hat sich über meine Erregtheit gewundert und hat sie mit anderweitigen Vorgängen in Verbindung gebracht. Mir sind solche nicht bekannt, die mich hätten aufregen können; aber ich kann dem Herrn Abgeordneren versichern, daß diese Verwunderung eine vollkommen gegenseitige ist. Ich habe mich über die Erregtheit des Hrn. Abg. Richter noch viel mehr gewundert, und ich glaube, mit viel mehr Grund; denn wenn wir unsere beiderseitigen Beschäfti⸗ gungen vergleichen: der Hr. Abg. Richter hat nichts weiter auf der Welt zu tbun, als die Kritik an der Regierung und meiner Person; mir liegen eine ganze Menge verantwortlicher Geschäfte in meinem vier⸗ undsiebzigsten Jahre seit 26 Jahren ob, die mich wohl aufregen können, um so gewissenbafter ich sie betreibe, und um so mehr mir an einem für das Land und für meinen Kaiser günstigen Ausfall dieser Geschäfte liegt. Der Hr. Abg. Richter ist niemals verantwortlich; ich begreife nicht, warum er sich so aufregt übereine Vermehrung der Polizeimacht in Südwest⸗Afrika. Ist das wirklich der Grund für einen so berühmten Mann, großen Redner und Selbstherrscher der demokratischen Partei, sich in eine solche Aufregung zu bringen, daß er sagt, und das mit einer Tonart, die das Maß der inneren Erregung noch mehr bekundet, als die Worte, in denen er sich ausdrückt: wenn das Parlament das Recht nicht mehr haben sollte, darüber auf die unbequemste Weise und ohne Rücksicht auf auswärtige schwebende Verhandlungen zu interpelliren, dann ich weiß nicht, was er sagte dann sind wir überhaupt nicht mehr werth, zu existiren. Also so gering schlägt er den Reichstag an. Wenn man dem Reichskage zumuthet, die mäßige Schonung der Regierung gegenüber zu beobachten, die selbst die schärfste Opposition in anderen Ländern beobachtet in England genügt es, wenn Jemand sagt: wir ver⸗ handeln augenblicklich über die Sache, und ich lehne es ab, mich über die Sache auszusprechen; dann ist für den Augenblick die Sache todt, und man würde Denjenigen für einen Feind Englands erklären, wenigstens halten, der dann den Angriff, auch wenn er der irischen Opposition angehörte, fortsetzte.

„Wenn der Hr. Abg. Richter damit das Verhalten seiner Partei hier vergleicht, so kann er sich doch wobhl darüber nicht beklagen, wenn von anderer Seite, und namentlich wenn von meiner Seite, der ich verantwortlich bin für die Ergebnisse unserer Politik, sein Pstriotiemus, seine Reichsfreundschaft mindestens nicht so hoch an⸗ geschlegen wird, wie die der Mehrzahl seiner Kollegen hier will ich sagen. Das ist ja ein sehr relatives Urtheil, und kann ihn guch nicht verletzen; denn ich schlage den Patriotismus der Mehrzahl sehr hoch an und den des Hrn. Abg. Richter nicht ganz so hoch, namentlich wenn er in Konflikt kommt mit der Abneigung, die er meiner Person, meinem Ministerium, meiner Regierungsleitung seit 20 Jahren hier an dieser Stehle gewidmet hat. Dann streiten in ihm zwei dämonische Gewalten, die eine die leidenschaftliche Liebe zum Vaterlande und die andere die Abneigung gegen den Reichs⸗ kanzler. Da trägt die erstere doch nicht immer den & ieg davon.

In jedem anderen Lande würde die Diskussion über diesen Punkt fallen gelassen worden sein; aber seitdem ich erklärt habe, daß mich das genirt, seitdem ich dem Hrn. Abg. Bamberger vorgehalten habe, daß das mir unbequem war, da haben die Herren gefunden: aha da hat die Regierung einen wunden Punkt, da wollen wir darauf reiben, das kann den Ausländern sehr günstig sein, da kann die Re⸗

d das wird uns einen unerhörten Spaß

machen. Dann wird triumphirt in allen freisinnigen Blättem: vollständige Niederlage des Fürsten Bismarck. Kurz und gut, voll⸗ ständig nach der französischen Schablone, wie das in Paris und auch in gewissen russischen Blättern so Mode ist. Aber ich gönne Ihnem das Vergnügen; ich würde mich auch nach der Urfache der Aufregung des Hrn. Abg. Richter nicht erkundigt haben, wenn er nicht bei mir dasselbe Leiden vorausgesetzt hätte. Ich kann ihm versichern, daß es bei mir nicht vorhanden ist; ich befinde mich in volllommener Ruhe; es ist mir angenehm, mich mit ihm zu unterhalten.

Er hat ein Weißbuch über Samoa vermißt. Ja, meine Herren, das sind wir ganz bereit, Ihnen vorzulegen, wenn nur erst die Be⸗ richte eingegangen find. Telegramme bringen nur Bruchstücke von dem, was gescheben ist; Telegramme sind sedr theuer und gehen doch mit den Seefahrten, die sie durchmachen müssen, glaube ich, 14 Tage oder 3 Wochen. Die Berichte haben wir also nicht, und sobald wir sie haben, werden wir ja unsere Maßregeln treffen können; auf Fragmente von Telegrammen hin kann man politische Entschließungen nicht treffen. Aber dann sollen Sie auch Ihr Weißbuch haben, und vann wird Hr. Richter vielleicht noch eine hübsche Blumenlese von Kritik der Handlungen der Regierung und der Kolonialbestrebungen über⸗ haupt daraus machen können. Jeder hat eben sein Geschäft.

Nun, für eins bin ich dem Hrn. Abg. Richter dankbar, als er seinem politischen Freunde, dem Hrn. Akg Bamberger einiger⸗ maßen zu Hülfe gekommen ist. Es ist dem ja sehr schwer ge⸗ worden, und er hat deshalb nach dreimaligem Wortergreifen nicht darauf zurückkommen wollen, offen zu sagen: ja, ich habe leider die deutschen Rechtstitel, die in England geltend gemacht werden können, vollständig als zweifelhaft und werthlos bezeichnet. Hr. Richter ist ihm gegenübergetreten und hat gesagt: die Tiꝛel sind rechtgültig unbedingt. Wir sind also in der angenehmen Lage, wenn die Eng⸗ länder uns den Hen Abg. Bamberger vorhalten als Autorität, Hrn. Richter, gegen Hrn. Bamberger geltend zu machen. Hr Richter ist b“ C. die Engländer werden ja entscheiden, wer der größere

urist ist.

Wenn es richtig ist, was der Hr. Abg. Richter anführt, daß Alles, was wir über die Aussichten dieser Gesellschaft wissen, schon vorher bekannt war, ja, dann ist mir das Auftreten des Hrn. Abg. Bamberger noch viel unbegreiflicher. Wenn er das wußte, daß es bei uns Landsleute giebt, die Hoffnungen haben und große Auf⸗ wendungen dafür machen, wenn er das seit Jahr und Tag wußte was ich nicht wußte; ich habe meine anderen Geschäfte, ich kann nicht in alle Details eingehen, die hier zur Berathung kommen —, dann hätte der Herr Abgeordnete doch um so mehr Anstand nehmen sollen, die Dokumente, die die Basis der Existenz der Gesellschaft und ihre Hoffnungen bilden, auf diese Weise geringschätzig vor der Oeffent⸗ lichkeit zu behandeln. Dann muß ich fast sagen, daß sein Mangel an Beistand für Landsleute und für Regierungsbemübungen ein wobl⸗ überlegter gewesen sein muß. Denn daß wir Angesichts dieser ihm bekannten Aussichten der Gesellschaften gegen die Expedition Lewis reklamiren würden in London, das konnte er sich doch bei seiner Sagacität, die er sonst in politischen Dingen und namentlich in kolo⸗ nialen immer bewaͤhrt hat, selbst sagen. Also ich muß dem Hrn. Abg. Bamberger hier Schuld geben, daß er in wohlüberlegter Weise die Interessen der Gesellschaft und die der Regierung in ihren diplo⸗ matischen Verhandlungen mit England wesentlich geschädigt hat.

„Hr. Richter hat gesagt, daß alle die Gründe, die ihn davon hätten abhalten sollen, ihm seit Jahr und Tag alle bekannt waren, ja, das ist etwas ganz Anderes; dadurch erscheint mir Hr. Bamberger noch in viel weniger günstigem Lichte als früher. 21 ch kann übrigens hinzufügen, daß mir doch noch außer dem, was ich ver⸗ lesen habe ich kannte es nicht, ehe ich es las —, noch andere und günstigere Berichte bekannt sind, „noch begründetere, und auf wissenschaftlichen Prüfungen der höchsten Bergautoritäten in Deutschland beruhend. Ob nun Pochwerke nöthig sind oder nicht, das möchte ich Hrn. Richter bitten, doch der Gesellschaft zu überlassen. Er ist aber ein Freund von Unabhängigkeit und Freiheit nur für sich selbst; sonst hat er eine gewisse Neigung, selbst diese harmlose Gesell⸗ schaft zu tyrannisiren, als ob sie zu seiner Partei gehörte.

Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird abgelehnt.

Abg. Simonis erklärt, daß er auf eine andere Seite der Schutzgebietangelegenheit einzugehen die Absicht gehabt habe, für heute aber darauf verzichte; er werde die Sache bei Ge⸗ legenheit der ostafrikanischen Vorlage vorbringen. 8

Ein erneuter Schlußantrag gelangt nunmehr zur An⸗ nahme.

Nach einigen persönlich berger und Ri

nehmigt, ebenso die Einnahmen. Schluß 5 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr.

Amtliche Nachrichten des Reicho⸗ Versicherungs amts. Nr. 2. Inbalt: Amtlicher Theil. Unfallverhütungs⸗ vorschriften der Ostreutschen Binnen chiffahrts⸗Berufsgenossenschaft. Bekanntmachung, betreffend die bei den Berufsgenossenschaften an⸗ gestellten Beauftragten. Vom 24. Dezember 1888. Bescheide und Beschlüsse.

Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gefundheits⸗ amts. Nr. 3. Inhalt: Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Gesundheitsstand in Rußland 1884 und 1885. Sterbefälle in deutschen Stadten von 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgleichen in deutschen Stadt, und Landbezirken. Ueber die Thätigkeit des brasilianischen General⸗Gesundbeits⸗Inspektorats. Witterung. Zeitweilige Maßregeln ꝛc. Thierseuchen in Italien, 2. Juli bis 2. September 1888. Desgleichen in der Schweiz, September und Oktober 1888. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. Medizinal⸗ Gesehgebung ꝛc. (Preußen.) Arznei⸗Taxe für 1889. Einfuhr amerikanischer Schweinedärme. (Berlin) Die durch das Reichs⸗ hel vom 25. Juni 1887, betreffend den Verkehr mit blei⸗ und zink⸗ altigen Gegenstäͤnden, betroffenen Erzengnisse und Gewerbe. Ungarn.) Regelung des Veterinärwesens. —— Recht⸗ sprechung. (Reichsgericht.) Butter mit 40 % Wasß ergehalt in Folge ungenügenden Ausknetens des Wassers. (Landgericht Koblenz.) Herstellung von Kumstwein. Klären und Schönen des zum Verkoau Ffimmhe⸗ Weins. Vermischtes. (Berlin.) Geheimmittel.

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