Verkehrs⸗Anstalten.
Kdo;blenz, 11. Januar. (W. T. B.) Heute Morgen wurde der Gesammtbetrieb bei den Trajekt⸗Anstalten Bingerbrück⸗ Rüdesheim und Bonn⸗Oberkassel wieder aufgenomme 8
1 1 Der Rheintrajekt
zwischen Griethausenund Welle, der Strecke Kleve⸗Zevenaar,
Krefeld, 12. Januar. (W. T. B.)
ist von heute ab wieder in Betrieb.
Hamburg, 11. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Moravia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Nach⸗
mittag auf der Elbe eingetroffen. 8 b
Theater und Musik. b
Im Deutschen Theater wurde gestern Abend das Werk eines Eine Lüge“, ein Schauspiel in drei Auf⸗ Die Novitaͤt fällt ihrem Charakter nach etwas aus dem Rahmen der Gattung von Stücken heraus, welche auf der Bühne des Deutschen Theaters im Allgemeinen gepflegt werden. Der Inhalt der Novität verweist dieselbe mehr in die Ka⸗ Fhor. der Sensations⸗ und Sittendramen, wie sie im Residenz⸗
eater Heimathsrecht erworben haben. Es handelt sich um ein
ungenannten Verfassers „ zügen, zum ersten Male aufgeführt.
T junges Mädchen, maligen Fehltritts
dem Bewußtsein eines
welches unter leiden hat. Der
schwer zu
haben. Das Problem ist also nicht neu, wenn auch die Lösung des⸗ selben insofern ein etwas verändertes Aussehen gewinnt, als der Tod
des Verführers, gleichviel ob derselbe auf natürliche oder gewaltsame
Weise geschieht, zur Grundbedingung, unter welcher ein Ehrenmann ein solches Mädchen heirathen kann, gemacht wird. In diesem Sinne läßt der unbekannte Verfasser sein Schauspiel enden; der bis dahin leichtfertige, nichtswürdige Paul von Ettingen bereut seine Misse⸗ that und erschießt sich, damit sein Bruder Otto die ver⸗ lassene Geliebte unbeanstandet heirathen kann. Der Gegen⸗ stand der Handlung ist, wie man schon hieraus erkennen kann, sehr peinlicher, heikler Natur und wird auch mit krassen Farben geschildert. Der Verfasser ist, wie besonders der erste Akt beweist, bei den modernen Realisten in die Schule gegangen, ohne aber über den dämonischen Reiz zu gebieten, welcher bei dem Meister derselben, bei Ibsen, selbst in den häßlichsten und widerwärtigsten Scenen den Zuschauer, wenigstens solange er unter dem unmittelbaren Einfluß der Vorgänge auf der Bühne steht, willenlos fesselt. Der Aufbau der andlung ist übrigens recht geschickt durchgeführt; besonders gewannen der zweite und dritte Akt eine spannende Wirkung auf das Publikum. Weniger zuverlässig zeigte sich der Verfasser der Charakterzeichnungg und in der Gesprächsführung. Nur einige der handelnd auftretenden Personen zeigen in ihrem Charakter Einheitlichkeit und Konsequenz, bei andern und namentlich ei dem Helden des Stücks, dem leichtsinnigen und später bußfertigen Paul von Ettingen erscheinen die seelischen Vorgänge unmotivirt und darum unklar und unglaubhaft. Der Zuschauer fühlt diesem rohen und ehrlosen Menschen gegenüber nichts als Abscheu und Verachtung; das Mitleid bleibt ihm auch bei den. zur Schau getragenen scheinbar großen Seelenqualen versagt, weil man ihm tiefere und ernstere Gemüthsbewegungen überhaupt nicht zutrauen kann. — Der knappe Erfolg, welcher Iö mit der Novität errungen wurde, ist zumeist der trefflichen Darstellung zuzuschreiben. Allen voran glänzte Frl. Pospischill als „Hedwig Reichardt“. Die natürliche Einfachheit ihres Auftretens, der bewegte Ausdruck ihres leidenschaftlichen Wehe⸗ und Rachegefühls, das lautlose Entsetzen beim Hereinbrechen der Kata⸗ strophe vereinigten sich zu einer fesselnden Gesammtleistung. Frl. Hausner war trotz einer kleinen Indisposition eine reizende Naive, welche mit ihrer schelmischen Koketterie Aller Herzen erfreute. Mit reizender Anmuth trug sie ihre Erklärungen der Blumensprache vor, welche ihr lauten Beifall eintrugen. Den wenig sympathischen Helden des Stücks „Paul v. Ettingen“ spielte Hr. Nissen mit Aufbietung aller Kräfte und erkennbarem, zuweilen geistvollem, aber doch vergeblichem Bemühen, der Gestalt Lebenswahrheit einzuflößen. Hr. Pittschau, der vor⸗ zügliche klassische Heldendarsteller, konnte sich in seiner modernen Rolle nicht zurechtfinden. Die Treue und Güte kamen in gewinnender Weise zur Geltung; aber für den Seelenschmerz des modernen Salon⸗ menschen fehlen ihm die Ausdrucksmittel. Dem schüchternen Forst⸗
ein⸗ — Verfasser behandelt die Frage, ob ein solches Mädchen durch die eheliche Liebe eines redlichen Mannes rehabilitirt werden kann, wie es schon fran⸗ zösische und nordische Dichter vor ihm, und theilweise geschickter, gethan
kandidaten des Hrn. Bolz fehlte es an der humoristischen Färbung, welche dem Charakter zur richtigen Wirkung verhilft; vielleicht hätte Hr. Bolz diesem Mangel abzuhelfen verstanden, wenn er über längere Zeit zur Einstudirung verfügt hätte; jedenfalls ist die Bereitwilligkeit, durch welche er die gefährdete Aufführung der Novität ermöglichte, indem er für Hrn. Kainz im letzten Moment eintrat, gebührend an⸗ zuerkennen. Hr. Friedmann gab einen deutsch radebrechenden Russen mit liebenswürdigster Laune und der ihm für diese Rolle eigenen Gewandtheit. Nach dem zweiten und dritten Akte veranlaßte der laute Beifall Hrn. Direktor L'Arronge, vor der Gardine zu erscheinen und im Namen des Dichters zu danken. b „Deutsches Theater. Morgen, Sonntag, findet die erste Wiederholung des dreiaktigen Schauspiels „Eine Lüge“ statt. Da sich das Stück bei der ersten Aufführung als für einen vollen Theater⸗ abend nicht ganz ausreichend erwiesen hat, so wird nach demselben noch das mit vielem Beifall aufgenommene ein⸗ aktige Lustspiel „Unter vier Augen“ von Ludwig Fulda gegeben. Am Montag geht „Götz von Berlichingen“ in Scene. Das weitere Repertoire der Woche ist folgendermaßen festgestellt: Dienstag, den 15. Januar: „Eine Lüge“. „Unter vier Augen“; Mittwoch, 16.: „Romeo und Julia“; Donnerstag, 17.: „Der Widerspänstigen Zähmung“; Freitag, 18.: „Faust“; Sonnabend, 19.: „Eine Lüge“. „Unter vier Augen“; Sonntag, 20.: „Der Wider⸗
spänstigen Zähmung“.
Berliner Theater. Das Wochen⸗Repertoire ist wie folgt festgesetzt: Sonntag, den 13. Januar: „Cornelius Voß“; Montag, 14.: „Cornelius Voß⸗; Dienstag, 15: „Die wilde Jagd“; Mittwoch, 16.: „Cornelius Voß“; Donnerstag, 17.: „Eva“*; Freitag, 18. (18. Abonnements⸗Vorstellung): „Cornelius Voß“; Sonnabend, 19.: „Cornelius Voß“.
Lessing⸗Theater. Am Mittwoch, den 16. d., gelangt zum ersten Mal das aus dem Englischen übersetzte vieraktige Schauspiel „Olivia“ von W. G. Wills, zur Aufführung, das Ernst Possart von seiner Amerikafahrt als Novität mit heimgebracht hat. Das eigenthümliche Werk, das in New⸗York mit Henry Irving und Miß Ellen Terry eine Serie von über dreihundert Auf⸗ führungen erlebt hat, ist aus Oliver Goldsmith's Roman „Der Vikar von Wakefield“ geschöpft und bringt somit eine der liebenswürdigsten und volksthümlichsten Gestalten der eng⸗ lischen Romanliteratur zum ersten Mal auf das Theater. Die Titel⸗ rolle wird von Lilli Petri und der würdige Vikar von Ernst Possart dar⸗ gestellt werden, der die Novität mit liebevollster Sorgfalt in Scene gesetzt hat. — Im Uebrigen bringt das Repertoire der Woche drei Wiederholungen von Sardou's übermüthigem Lustspiel „Cyprienne“, das in der Darstellung des Lessing⸗Theaters den Reiz und die Frische einer zugkräftigen Novität wiedergewonnen hat.
Mannigfaltiges.
Ein theoretischer Unterrichtsku rsus für Damen und Herren nachdem neuen vereinfachten Stolze'schen Stenographen⸗ syst em beginnt, wie uns Dr. Franz Stolze mittheilt, im Hörsaal der Königlichen Akademie der Künste, am Schinkelplatz 6, I., rechts (Bau⸗Akademie), am Dienstag, den 15. Januar, Abends 8 ½ Uhr, und zwar mit einem einleitenden Vortrag über die Geschichte und das Wesen der Stenographie, zu welchem der Eintritt unentgeltlich freisteht. Der Unterricht findet vom 18. Januar an, am Dienstag und Freitag, Abends von 8 ¾ bis 9 ½ Uhr, statt. Hr. L. Loepert, geprüfter Lehrer der Stenographie, welcher in 47 Unterrichtskursen bereits 1792 Theilnehmer in dem System unterrichtete, wird den Kursus leiten. Der Kursus umfaßt zwölf Unterrichts⸗ stunden, obgleich die Erlernung des Systems in der jetzigen Gestalt unter Voraussetzung der Arbeitsleistungen, welche in den bis⸗ herigen zwölfstündigen Kursen zu erfüllen waren, nur acht Lektionen erfordern würde. Die Anforderungen an die Lernenden werden also bedeutend geringer als bisher, die Ausbildung dagegen wird eine voll⸗ kommenere sein. Prospekte werden durch Hrn. L. Loepert, SW. Zos⸗ senerstr. 4, auf Verlangen gratis und franko versandt; Eintrittskarten (Kostenbeitrag 6 ℳ pränum.) sind bei Beginn im Unterrichtssaal, vorher im preußischen Abgeordnetenhause, Leipzigerstraße 75, beim Portier, und beim Hauswart der Bau⸗Akademie zu haben. Das System wird in der neuen Form bereits von den als Staatsbeamten angestellten Stenographen der preußischen Parlamente verwendet und im Abgeordnetenhause amtlich gelehrt.
Wetterbe bruch. Anfang 7 Uhr.
sp.
red. in Millim.
Temperatur 50 C. = 40 R
Bar. auf 0 Gr. 4. L=eeen in oCelstus
u. d. Meeres
wolkig bedeckt bedeckt Dunst Schnee bedeckt wolkenlos wolkenlos
Mullaghmore 751 Aberdeen. 757 Christiansund 762 Kopenhagen. 760 tockholm 766 aparanda. 776 t Petersburg 782 Moskau 4789 Cork, Queens⸗ towcwwm 7749 Cherbourg 745 elder 750 vlt 755 amburg 753 winemünde 757 Neufahrwasser 763 Memel 767 aris 7744 ünster 749 Karlsruhe. 749 Wiesbaden 739 München 749 Chemniz 753 Berlin 754 Wien 757 Breslau 757
Ile d'Nix .. 7245
Nizza 751 Feiest... 753
Uebersicht der Witterung.
Das barometrische Maximum hat im Innern Rußlands 789 mm überschritten, ein Minimum unter 745 mm liegt über Frankreich. Ueber Central⸗ Enuropa dauert bei trüber Witterung die östliche und füdöstliche Luftströmung fort und ist im Allgemeinen stärker hrden Die Temperatur ist im Osten meist gestiegen, im Westen etwad gesunken, so daß die Wärmevertheilung gleichmäßiger geworden ist. In Deutschland herrscht fast überall leichter Frost. Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Sonntag: Opern⸗ haus: 12. Vorstellung. Die Quitzows. Vater⸗
Prophet. tung nach dem
fang 7 ½ Uhr
wolkig bedeckt bedeckt Dunst Nebel bedeckt bedeckt bedeckt
bedeckt bedeckt bedeckt wolkig Dunst wolkig bedeckt
Anfang 7 Uhr.
lomini. Vorher:
de Najac. thal. Vorher:
Montag: Anfang 7 Uhr.
in 4 Akten von
ländisches Drama in 4 Akten von Ernst v. Wilden⸗ In Scene
Schauspielhaus. peter von Säkkingen. einem Vorspiel von Victor E. Neßler. Dichtung mit autorisirter theilweiser Benutzung der Idee und niger Original⸗Lieder aus J. Dichtung, von R. Bunge. Guillemin. Anfang 7 Uhr.
Montag: Opernhaus. Oper in 5 Akten von Meyerbeer. Dich⸗ ranzösischen des Scribe, deutsch be⸗ arbeitet von L. Rellstab. (Johann von Leyden: Hr. Sylva, als Gast.)
Schauspielhaus. 14. Vorstellung. Johannistrieb. Shaufpiel in 4 Akten von P. Lindau. Anfang r.
Dienstag: Opernhaus. 14. Vorstellung. Satanella. Phantastisches Ballet in von Paul Taglioni. Musik von Pugny und P. Hertel.
Schauspielhaus. 15. Vorstellung. Schauspiel in 5 Akten von Schiller. Wallenstein’s Lager. 1 Akt von Schiller.
Beutsches Theater. Sonntag: Eine Lüge. — Unter vier Augen.
Montag: Götz von Berlichingen.
Dienstag: Eine Lüge. — Unter vier Angen.
Die nächste Aufführung von „Romeo und Inlia“ findet am Mittwoch, den 16. Januar, statt.
Verliner Theater. Sonntag: Zum 2. Male: Cornelins Voß.
Montag: Cornelius Voß. Dienstag: Die wilde Jagd.
Tessing-Theater. Lustspiel in 3 Akten von Viectorien Sardou und E. Bühnenbearbeitung von Oscar Blumen⸗ Die Lerche. Lustspiel in 1 Akt von Edmond Gondinet und Albert Wolff. Cyprienne.
Mittwoch: Zum 1. Male: Olivia. Schauspiel
fmith's „Vi Wäcs.chgs. S
mi „Vicar von Wakefield. n Scene t Ernft Poffar “
gesetzt vom Direktor Anno.
13. Vorstellung. Der Trom⸗
Oper in 4 Akten nebst Neumann. Vorher:
Kopf. Posse in 1 Akt.
ictor von Scheffel's Uhr
Bakllet von Charles Der
Bonivard. Der dritte Kopf.
13. Vorstellung.
allet von Paul Taglioni. An⸗
3 Akten und 4 Bildern
Die Pieco⸗
zum 38. Male (in deutscher
Schauspiel in
Anfang 7 Uhr.
von A. Sullivan. Anfang 7 Uhr. Montag: Der Mikado.
Nervöse Frauen.
Zum 16. Male:
Anfang 7 ½ 1 Montag: Dieselbe Vorstellung.
Velle-Alliance-Theater.
Berschwender. von Ferdinand Raimund. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Cyprienne.
Durand. Anfang 7 ½ Uhr.
Vorher: Die Lerche.
(Nach O. Gold⸗ Leuchtkugeln.
Mannstädt. 7 ½ Uh
r. Montag: Dieselbe Vorstellung.
.
Anfang 7 U
Wallner-Theater. Sonntag: Zum 95. Male: Madame Bonivard. Schwank in 3 Akten von Alex Bisson und Antonie Mars. Deutsch von Emil Zum 95. Male; Der dritte Mit theilweiser Benutzung er englischen Idee von Franz Wallner.
Montag und die folgenden Tage:
Victoria-Theater. Sonntag: Zum 20. Male: Ali Baba. Ausstattungsstück mit großem Ballet in 3 Akten und 7 Bildern von Ch. Lecocq. von Vanloo und Busnach. Für das Victoria⸗Theater von Dr. Max Bauer (Rusticus). Anfang
r. Montag und die folgenden Tage: Ali Baba.
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Sonntag: Mit neuer hehenge Fasstattang, prache): Mikado, oder: Ein Tag in Titipn. Burleske Operette in 2 Akten von W. S. Gilbert. Musik
“ 8 Wachtmeister
Residenz-Theater. Sonntag: Zum 16. Male: öse (Les femmes nerveuses.) Lustspiel in 3 Akten von Ernest Blum und Raoul Tochs, bearbeitet von Franz Wallner. Am Telephon. 1 Akt 8 Französischen von Wilhelm Mejo.
Sonntag 2 Original⸗Zaubermärchen in 3 Akten Kassenöffnung 6 Uhr.
Montag: Zum 21. Male: Die Naupe. bain des dames.) Schwank in 3 Akten von E.
Central-Theater. Sonntag: Zum 21. Male:
Gesangsposse in 4 Akten von W. Musik von G. Steffens.
Am vorgestrigen Abend hielt Fräulein Olga Morgenst
im Hotel de Rome eine ihrer bekannten 8s selbe war diesmal vorzugsweise den Kindern gewidmet; schon ihr Titel „Märchen⸗Vorlesung“ kündigte diese Absicht an. Der Saal war in Folge dessen mit von Damen begleiteten Kindern dicht besetzt während Herren nur vereinzelt anwesend waren. Das Programm brachte eine sehr interessante, dem Zweck angepaßte und gefällige Aus⸗ wahl von Märchen, Kindergeschichten und Kindergedichten, welche zumeist wenig bekannt, aber durch ihren poetischen und humoristischen Gehalt für eine solche Vorlesung besonders geeignet waren. Unter den Autoren befanden sich viele bekannte Namen, wie Rudolf Baum⸗ bach, Julius Wolff, R. Reinick. R. Löwenstein, O. Roquette und R Leander. Auch aus dem Schwedischen war ein reizendes Märchen gewählt. „Das Theater im Walde“ von Gustafsson. Die gewandte Rezitatorin trug die duftigen Kleinigkeiten mit sympathischer, modulationsfähiger Stimme voll Anmuth und Frohsinn vor. Der Beifall von Groß und Klein ließ denn auch nicht auf sich warten; er erscholl namentlich von den Kindern, die sichtbar lebhaft angeregt waren, nach jedem vor⸗ getragenen Stück. Der Vorlesung schickte Frl. Morgenstern eine poetische Einleitung voraus, in welcher sie an das Weihnachtsfest anknüpfte und in sinniger Weise die Stimmung hervorrief, welche dem Märchenvortrag Gemüth und Seele der Hörer öffnet. 8
Das zuerst aus Konstanz gemeldete Erdbeben vom 7. Janvar wurde auch in der ganzen Ost⸗Schweiz mehr oder weniger stark Pübegenenansn. namentlich aber in den Kantonen Thurgau, St. Gallen,
New⸗York, 10. Januar. (A. C.) Die heute hier ein⸗ gegangenen Drahtmeldungen entwerfen traurige Schilderungen von den beklagenswerthen Wirkungen des (bereits telegraphisch ge⸗ meldeten) Wirbelsturms. Der bedeutendste Unfall ist unstreitig die Zerstörung der dem Niagarafall zunächst gelegenen Hänge⸗ brücke. Der Haupttheil der Brücke fiel in den Fluß, aber die Thürme und Ketten sind intakt geblieben. Die Brücke war im Jahre 1870 mit einem Kostenaufwand von 400 000 Dollars gänzlich aus Eisen und Stahl gebaut, und spätere Verbesserungen kosteten weitere 200 000 Doll. Der Sturm verursachte mehr oder weniger erheblichen Schaden in verschiedenen Ortschaften Pennsylvaniens, sowie in den Mittel⸗ und Weststaaten. Zahlreiche Personen wurden entweder getödtet oder verletzt. Der Verlust, den die Philadelphia and Reading Eisenbahn durch die Zerstörung ihrer großen, 130 Fuß langen und 60 Fuß breiten Werkstätte, wo die Waggons angestrichen wurden, erleidet, wird auf 75 000 Doll. veranschlagt. Jeder Waggon enthielt einen Gasbehälter, welche alle explodirten. Dies verursachte den Brand, durch welchen 4 Personen umkamen. 175 Personen, größtentheils Mädchen und Knaben, waren in der Seidenfabrik in Reading beschäftigt, welche mit so beklagenswerthen Folgen zerstört wurde. Es war ein großes, 300 Fuß langes und 150 Fuß breites Gebäude, welches der Wirbelwind in der Mitte packte, worauf es wie ein Kartenhaus einstürzte. Alle darin befindlichen Leute wurden verschüttet. Glücklicherweise wurde die Fabrik durch Dampf geheizt, sodaß kein Feuer ausbrechen konnte. Den neuesten Berichten zufolge sind 5 Leichen geborgen worden; 34 Personen wurden mehr oder weniger verletzt aus dem Schutt hervorgezogen und 78 werden noch vermißt; es ist leider zu viel Grund für die Befürchtung vorhanden, daß dieselben unter den Trümmern liegen. Der Bürgermeister von Reading fordert zu milden Gaben für die Verletzten und die Hinterbliebenen der Umge⸗ kommenen auf. Der Geldschaden wird auf 100 000 Doll. veranschlagt. Das Gebäude in Pittsburg, welches durch die furchtbare Gewalt des Sturmes umgeweht wurde, hatte 8 Stockwerke, eine Höhe von 80 Fuß und eine Breite von 30 Fuß. Den ganzen Tag über waren Rettungs⸗ mannschaften ununterbrochen mit dem Suchen nach den Verschütteten be chastige und jede Stunde lieferte neue Beweise von den schreck⸗ lichen Wirkungen des Einsturzes dieses mächtigen Neubaues. Soweit sich bis jetzt feststellen läßt, sind 14 Personen getödtet und 35 verletzt worden, einige lebensgefährlich. Doch sollen noch einige weitere Leichen unter dem Schutt liegen. ““
Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72.
Sonntag: Zum 155. Male: Die drei Grazien. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Görß. Musik von Franz Roth. Anfang 7 Uhr.
Montag: Dieselbe Vorstellung. Anfang 7 ½ Uhr.
QöLNéNéℛéNéNéNXTXNääJJ—— Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Therese Meyer mit Hrn. Oskar Ostwald (Rietberg —-Hagen i. W.). — Frl. Eusebia Blobel mit Hrn. Buchhändler P. Schmid (Breslau — Leipzig). — Frl. Klara Schulze mit Hrn. Chemiker Albert Hesse (Berlin). — Frl. Margarethe Conrad mit Hrn. Max Brucks (Berlin).
Verehelicht: Hr. Ger.⸗Assessor von Michels mit rl. Anna von Reichmeister (Bersenbrück). — Hr. oseph Porzberg mit Frl. Maria Duvivier
(Mülheim a. Rh. —Stolberg).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Frans Klein (Breslau). — Hrn. Fabrikanten Anton Fasig (Markröningen—Ludwigshafen), — Hrn. Biblio⸗ theks⸗Sekretär H. Müllendorff (Straßburg i. E.). — 8 Hans Beck (Berlin). — Eine Tochter:
rn. Dr. Plehn (Berlin). — Hrn. Rutger Grafen
(Trolle⸗Ljungby bei Gualöf, Schweden). — Hrn. Major Cordemann (Minden). — Hrn. Hauptmann Albrecht Pfeiffer (Magde⸗ 21 — Hr. Dr. med. Jehle (Friedrichshafen). — Hrn. Adolf Heinecke (Magdeburg). — Hrn. Pfarrer E. Hochstetten (Meßstetten).
Gestorben: Hr. Eisenbahn⸗Bau⸗ und Betriebs⸗ Inspektor Wilh. Becker (Berlin). — Hr. Kanzlei⸗ Rath Alexander Kusenack (Berlin). — Frau Hauptmann Elisabeth Wedel, geb. Poppe (Memel). — Frau Finanz⸗Rath Agnes Hallbauer, geb. Breithaupt (Dresden). — Frau Major Bertha Ulbrich, geb. Müller (Eberswalde). — Freiin
Der Marie von Tschammer⸗Osten (Mecg neee —
br Gutsbesitzer Andreas Borg (Biederitz). — rl. Ottilie Minameyer (Magdeburg). — Hr.
Eisenb.⸗Sekr. Ernst Paesler (Breslau).
Anfang
Madame
Text
Der
Vorher: Lustspiel in
(Le
Redacteur: J. V.: Siemenroth. Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Anfang
188
Deutsches Reich.
“
Zuckermengen,
welche im Monat Dezember 1888 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem ee. auf Steuervergütung abgefertigt und
aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den freien Verkehr zurückgebracht worden sind. [710: Rohzucker von mindestens 90 Proz. Polarisation und raffinirter Zucker von unter 98, aber mindestens
90 Proz. Polarisation.
711: Kandis und Zucker in weißen vollen harten Broden ꝛc., oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerkleinert,
sogenannte Krystalls ꝛc.
712: Aller übrige harte Zucker, sowie aller weiße trockene (nicht über 1 Proz. Wasser enthaltende) Zucker in
Krystall⸗, Krümel⸗ und Mehlform von mindestens 98 Proz. Polarisation.] -———ꝛ—ꝛ—̃—
Mit dem Anspruch auf Steuervergütung wurden abgefertigt:
Aus öffentlichen Niederlagen oder Peivgeni declagen unter
bezw. Verwaltungs⸗Bezirke
zur unmittelbaren Ausfuhr
amtlichem Mitverschluß wurden
gegen Erstattung der Vergü⸗
tung in den freien Verkehr zurückgebracht
zur Aufnahme in eine öffent⸗ liche Niederlage oder eine Privatniederlage unter amt⸗
lichem Mitverschluß
711 711 kg kg
7
Preußen.
Provinz Westpreußen. Brandenburg. Pommern. “ 1 000 000 1““ 217 500 Sachsen, einschl. der schwarzb.
Unterherrschaften.. 3 869 287 Schleswig⸗Holstein. 8 478 259 Eö . ö 4 653 077
estfalen. — . Rheinland. 12 045 1 453 563
751 095
8 236 501 452 848
79 891 340 852
9 284 642 230 476 304 399
14 877 1 429 526
1 083 458 182 707 185 003
5 267 —
47 500 781 587
308 366 335 829
6 588 755 930 000 2 799 939
5 570 728 2 299 081
— ̊
— 1 348 628 200 045 —
694] 1 645 6900 150 580 500 000
Sa. Preußen 19 217 764 12 180 851 Bavern .. 3 572 458 250
Sachsen Baden. 696 Mecklenburg. 99 998 Braunschweig 80 000 “ 4 963 579
Anhalt. 1“ ““ 2 797 795 450 000 34 719 900 1 236 337
1 240 172 700 000
2 897 538 32 338 201
1 724 — 64 525 —
249 461 49 300
49 992
2 799 535
1 623 862 20 000
1 104 233 208 682 —
5 219 606 350 008 349 895
149 800 200 022
IIIIIIIUIEeIHIIIIEZ 2 1
Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet. 61 883 304 16 331 859 96 713 164 33 199 651
3 246 291 38 607 532 4 169 675[80 042 839
4 965 660 719 178 832
1 104 233] 2 819 535 251 941 [15 808 261
1 832 544 3 816 724
Hierzu in den Monaten August bis No⸗ 158 596 468 49 531 510
vember 1888 Zusammen 172 774 107 47 155 553
In demselben Zeitraum des Vorjahres*)
7 415 966 118650371 3 088 181168 673 640 11 310 895
665 684 178 832 303 749 96
1 356 174 [18 627 796 701 613˙11 306 218
5 649 268
*) Die Abweichungen von der vorjährigen Uebersicht beruhen auf nachträglich eingegangenen Berichtigungen.
Berlin, im Januar 1889.
Kaiferliches Statissches Amt. 86
ecker.
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 12. Januar. In der gestrigen (18.) Sitzung des Reichstages stand auf der Tagesordnung der Bericht der Wahlprüfungs⸗Kommission über die Wahl des Abg. Dr. Websky in Waldenburg.
In fortgesetzter Debatte bemerkte der Abg. von Rheinbaben: Das Verfahren des Kreis⸗Schulinspektors in Waldenburg wolle er durchaus nicht Eens ed hect. Wer ein solches Amt besitze, sollte sich von der Wahlpolitik lieber zurückhalten. Der An⸗ trag aber, der daran geknüpft sei, sei überflüssig, soweit er verlange, daß Gregorovius als Zeuge darüber vernommen werden solle, ob das betreffende Cirkular von ihm herrühre, und unzulässig, soweit er verlange, daß Erhebungen über Vorgänge vor diesem Cirkular angestellt würden. Denn erstens sei es noctorisch, daß Gregorovius jenes Cirkular thatsächlich erlassen habe, und be⸗ züglich des zweiten Punkts sei der Reichskanzler gar nicht verpflichtet, die Neugier der Herren Hermes und Rickert zu befriedigen hinsichtlich dessen, was vor dem Erlaß des Cirkulars geschehen sei, denn der Reichskanzler könne nicht den Staats⸗ anwalt spielen. Wenn nun aber in dem Cirkular die Leser ersucht worden seien, für die Wahl der reichstreuen Kan⸗ didaten zu wirken, so sei doch durch nichts bewiesen, daß die Lehrer thatsächlich in diesem Sinne nach Maßgabe des Cir⸗ kulars thätig gewesen seien. Der Vorredner behaupte aller⸗ dings schlankweg, daß die Lehrer durch das Cirkular zu eifrigen Wahlagitatoren geworden seien, ein Beweis da⸗ für sei in dem Protest aber nicht erbracht worden, abgesehen von dem einen Fall, daß ein Lehrer Wahlzettel in die Häuser getragen habe. Daraus könne man wohl schließen, daß die übrigen Lehrer nicht im Sinne des Cirkulars gewirkt
ätten. Was den Einfluß der auf die Arbeiter n Kreise Waldenburg betreffe, so sei es eine längst fest⸗ stehende Thatsache, daß die wirthschaftlich Schwächeren bei den Wahlen immer fremdem Einfluß unterlägen. Es frage sich nur, welcher Einfluß der wünschenswerthe sei. Auch von sozialdemokratischer Seite würden die Arbeiter beeinflußt, indem man ihnen alle möglichen Vortheile aus einer sozialdemokra⸗ tischen Wahl einrede. Auch die Frauen halte man für einen nicht zu unterschätzenden Fahu zur Beeinflussung bei den Wahlen. Der bedeutendste Einfluß sei allerdings der der Arbeitgeber auf die Arbeiter. Der wirth chaftlich Selbständige abe eine bessere Einsicht in die Bedürfnisse des staatlichen
1 als der wirthschaftlich Unselbständige. Der Abg. Rickert habe früher selbst einmal einen gewissen Einfluß der Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer als legitim anerkannt. Wollte man nicht einen solchen legitimen Einfluß des Arbeitgebers auf die Arbeiter anerkennen, dann wäre das allgemeine gleiche Wahlrecht ja der größte Widersinn, den es geben könne. Die Frage sei nur, mit welchen Mitteln dieser legi⸗ time Einfluß ausgeübt werde, eine Grenze dafür sei sehr schwer zu finden. Der Antrag, die ungesetzlichen Wahlbeeinflussungen unter Strafe zu stellen, sei deshalb von vornherein ein todt⸗ geborenes ind gewesen. Wie wolle man nun einen wider⸗
rechtlichen, ungesetzlichen Zwang bei der Waldenburger Wahl beweisen? Einen Arbeiter zu entlassen, sei das vertragsmäßige Recht des Arbeitgebers, von dem er unter gewissen Umständen Gebrauch machen könne. Der Arbeitgeber habe auch ein moralisches Recht, solche Arbeiter zu entlassen, die gegen die reichsfreundlichen Kandidaten stimmten, denn kein Arbeitgeber brauche dies zu dulden, wenn er es für schäd⸗ lich für den Staat und verwerflich halte, oder wenn er wirth⸗ schaftlich und materiell dadurch geschädigt werde. Das wäre in diesem Fall eingetreten, denn die Septennatsfrage habe im Auslande für eine Kraftprobe darauf gegolten, ob der Boden bei uns schon so weit unterwühlt sei, daß Volks⸗ vertretung und Regiernng in Differenzen über diese Frage geriethen, oder ob Beide Hand in Hand gingen. Daß dies für die E .“ Interessen von größter Wichtigkeit ge⸗ wesen, liege auf der Hand. Deshalb hätten die Arbeit⸗ geber das Recht gehabt, solche Arbeiter zu entlassen, und es sei gerade noch human von ihnen gewesen, wenn sie den Arbeitern vorher diese Folgen ankündigten. Es sei ja immerhin bedauerlich, wenn dergleichen nothwendig sei, aber es sei eben von der anderen Seite ein großer Terrorismus bei den letzten Wahlen geübt worden. Zur Ungültigkeit der Wahl gäben aber diese Beeinflussungen keinen Grund ab. So lange von deutschfreisinniger und sozialdemokratischer Seite so agitirt werde, wie geschehen, lehne seine Partei es ab, ein solches Verfahren der Arbeitgeber vor das Forum zu ziehen. Sie wolle nicht die Rechte der Arbeitgeber beschränken zu dem Swec, daß die Gegenparteien der Arbeitgeber um so freieren pielraum hätten für ihre Agitation.
Abg. Rickert: Wenn diese Ausführungen die Grundlage für die Entscheidung der Majorität sein sollten, dann wäre es mit der Wahlfreiheit in Deutschland zu Ende. Ueber diese Klarheit könne er sich nur freuen. Schmerzlich berühre es ihn nur, daß ein großer Theil der Männer, die mit seiner Partei Jahr⸗ zehnte lang für die Aufrechterhaltung der Wahlfreiheit gekämpft hätten, es sich gefallen lassen müsse, daß der Beschluß, den sie heute mit fassen würden, in der Weise motivirt werden dürfe. Wenn der Vorredner gesagt habe, so lange die Agitation in der Weise betrieben werde, wiesie beispielsweise von deutschfreisinniger Seite notorisch betrieben werde, so lange müßten auch die Arbeitgeber und ihre Parteifreunde sich so verhalten, wie es geschehen sei, so fordere er ihn auf, doch die Beweise für diese Notorietät beizubringen. Hr. von Rheinbaben halte sogar einen gewissen Einfluß auf die Arbeiter für nothwendig und rufe die Freisinnigen dafür als Zeugen auf. (Abg. von Kar⸗ dorff: Sie machen das genau ebensol) Wo denn? Hr. von Kardorff wolle durchaus Komplicen haben. Das allgemeine geheime direkte Wahlrecht wäre in der That eine politische Heuchelei ersten Ranges, wenn dieser „legitime“ Einfluß der Arbeitgeber zulässig wäre. Es sei eine gesetzwidrige veranses und eine Verletzung des Wahlgeheimnisses, wenn die Arbeiter, wie die Thiere zur Schlachtbank, so zur Wahlschlacht geführt würden, wenn ihnen
ihres hohen Gebieters zur Wahlurne gehen müßten. Si seien es sich selbst und dem Grundsatz der Wahlfreiheit Uchuldig, daß wenigstens Erhebungen angestellt würden. In ã
Sie
nlichen Fällen habe der Reichstag dieselbe Praxis eübt. Er erinnere an die Fälle Haarmann und alkenberg. Es sei eine Erniedrigung der menschlichen Natur, wenn die Arbeiter wie Stimmvieh zum Wahltisch geschleppt würden, und es wäre sehr bebauerlich wenn dae auch nur stillschweigend geduldet würde. Schon dieser einzige Punkt würde das Resultat dieser Wahl alteriren. Dazu komme aber noch der Fall Bothe. Der Königliche Pau⸗Inspektor Bothe in Waldenburg habe einfach seine Unterbeamten im Wahllokale versammelt und von ihnen verlangt, daß sie Websky wählten. Die Mehrheit der Kommission habe eine nähere Angabe über den Inhalt dieser Unterredung vermißt. Die Auf⸗ forderung, für Hrn. Websky zu stimmen, sei doch der Inhalt Weiter werde gesagt, es sei nicht erwiesen, daß der auinspektor in seiner amtlichen Eigenschaft gesprochen habe. Wunderbarer Weise habe die Kommission nicht einmal in dem Falle Gregorovius Erhebungen für nothwendig gehalten. Wenn nun aber Hr. von Rheinbaben sage, der Reichs⸗ kanzler sei gar nicht verpflichtet, die Neugierde der Herren, welche wissen wollten, was der Kreis⸗Schulinspektor Grego⸗ rovius in seiner ersten Ansprache an die Lehrer gesagt habe, zu befriedigen, so sei das eine schöne subalterne Stellung eines Mitgliedes dieser Volksvertretung auf einem Gebiete, wo das Haus kraft der Verfassung allein souverän sei. Wenn wirklich, wie der Vorredner verlange, der Beweis erbracht werden solle, daß die einzelnen Lehrer auch wirklich beein⸗ flußt worden seien, dann wäre es dem Reichstage unmöglich, eine amtliche Wahlbeeinflussung zu verfolgen. Es habe eine Zeit gegeben, wo man über diese Dinge selbst in konserva⸗ tiven und gemäßigt liberalen Kreisen anders gedacht habe. Im Falle Eisenlohr habe als Vertreter der äußersten Rechten r. von Schöning für die Ungültigkeit der Wahl gesprochen, weil eine Gemeindebehörde eine Versammlung veranstaltet und der Ober⸗Bürgermeister sich für einen Kandidaten aus⸗ esprochen habe. Im Norddeutschen Reichstage habe der rühere Minister Graf Schwerin die Beanstandung einer Wahl verlangt, weil ein Landrath in mehreren lithographirten Briefen zur Wahlbetheiligung aufgefordert habe. Er habe dies für einen Amtsmißbrauch gehalten und es offen ausgesprochen, daß bei der Abhängigkeit vieler Wähler in einem solchen Falle die Wahl einfach für ungültig erklärt werden müßte. Das sei 1867 gewesen. Seitdem seien ver⸗ ö Jahre verflossen, aber es klängen ihm noch die
önen Worte in den Ohren, welche Hr. von Bennigsen zu wiederholten Malen gerade über einen derartigen vntena . brauch gesprochen habe. Er hoffe, daß sie seine und die köst⸗ lichen Worte des Grafen Schwerin beachten und eine Prüfung veranlassen würden, ob wirklich die unerhörten Behauptungen der Wahlproteste richtig seien oder nicht.
Abg. Schmidt (Eichstätt): Seine Partei stimme dem Antrage des Abg Rickert in den wesentlichsten Punkten bei. Die gegen⸗ wärtige Praxis der weiche allerdings von der Vergangenheit ab. In früherer Zeit möge manchmal zu viel erwogen worden sein. Das Zuviel schade aber in solchen Fällen nicht, namentlich nicht bei einer Wahl, wo es sich um eine Mehrheit von nur 161 Stimmen handele. Wahl⸗ beeinflussungen Seitens der Beamten in ihren amtlichen Stellungen hätten früher nicht selten zur Kassation der Wahl geführt. Solche Beeinflussungen lägen aber hier ent⸗ schieden vor in den Handlungen der Herren Gregorovius und Bothe. Ueber diese Punkte würden Erhebungen zu machen sein. Auch die Geheimhaltung des Wahlrechts sei nicht voll und ganz gewahrt worden. Deshalb bitte er, die Erhebung über die von dem Abg. Rickert beantragten einzelnen Fälle mit einigen Ausnahmen zu beschließen. 8 “
Abg. von Mar uardfen; Die Entscheidungen über die ein⸗ zelnen Punkte des Wahlprotestes seien in der Kommission mit solcher Majorität gefaßt worden, daß sie mit einer gewissen Autorität vor das Haus treten könnten. Abgesehen von den neuen Thatsachen, welche die Abgg. Hermes und Rickert heute vorgeführt hätten, liege nach der vorbereitenden Arbeit der Kommission das Material für die sofortige Entscheidung der Sache ausreichend vor. Auf den Gedanken des Abg. Rickert, lieber zu den Wahlprüfungen durch die Abthei⸗ lungen zurückzukehren, werde wohl Niemand eingehen, denn es werde dies Niemand für eine Rückkehr zum Besseren ansehen. Die Prüfungen durch die Abtheilungen seien nur Wahlprüfungen dem Namen nach. Was die Manipulationen bei der Stimmabgabe betreffe, wie sie in dem Protest geschildert seien, so gebe er zu, daß, wenn die Dinge sich so verhielten, wie im Falle Falkenberg, man ähnlich wie damals entscheiden müßte. Die Mehrheit habe aber eine analogen Fall in der gegenwärtigen Wahl nicht sehen können Das Verfaͤhren des Herrn Gregorovius sei in keiner Weise zu billigen, und er freue sich, daß auch der preußische Kultus Minister sich in diesem Sinne ausgesprochen habe. Man soll auch den bösen Schein meiden. Er bitte, nach dem Antrage der Kommission, welcher mit 10 gegen 3 Stimmen angenommen ei, zu beschließen, und nicht dem Antrage Rickert seine Zu timmung zu geben.
Abg. Bebel: Es sei gerade kein erhebendes Schauspiel daß, nachdem der Reichstag 22 Jahre seiner Thätigkeit hinte sich habe, über zwei Wahlproteste zwei lange Sitzungen aus zufüllen gewesen seien. Es hätten schon längst ganz bestimmt Grundsätze, die ein für alle Mal zu gelten hätten, aufgestell werden müssen. Wenn die Grundsätze, die in den ersten 5 Jahren festgestellt worden seien, auch heute noch maßgebend wären, so würde über disse Wahl kein Wort gesprochen worden sein, die rotestpunkte würden einstimmig dem Reichskanzler zur Prüfung überwiesen werden Bei den Grundsätzen, die gestern und heute ausgesprochen worden seien, sei die Wahlfreiheit einfach begraben; denn dann 8ö jeder Willkür Seitens der Unternehmer und staatlichen
rgane Thür und Thor geöffnet. * hauungen, wie man sie von Herrn von Rheinbaben gehört habe, besagten einfach
vor der Thür durch irgend einen Inspektor die Wahlzettel in
die Hand gedrückt wüͤrden und wenn sie unter den Augen
die große Masse bestehe aus Unmündigen, aus Leuten, die nicht wüßten, was sie wollten. Die besitzende Klasse fei es