1889 / 36 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Feb 1889 18:00:01 GMT) scan diff

3 Finanz⸗Ministerium. 1 Hauptverwaltung der Staatsschulden. Bekanntmachung. I”

Die nachstehend verzeichneten, zur baaren Rückzahlung ge⸗ kündigten tamm⸗Aktien und Prioritäts⸗Obli⸗ gationen der Münster⸗Hammer Eisenbahn welche zur Einlösung noch nicht eingereicht sind, werden hierdurch

wiederholt mit dem Bemerken aufgerufen, daß ihre Verzinsung mit dem betreffenden Kündigungstermin aufgehört hat. A. Stamm⸗Aktien über je 100 Thlr. = 300 1 11. Verloosung. Gekündigt zum 1. Januar 1881. Abzuliefern mit Zinsscheinen Reihe VII Nr. 5—8 und 8 Feellung zur Abhebung der Reihe VIII. r. .

14. Verloosung. 8

1 Gekündigt zum 1. Januar 1884. Abzuliefern mit Zinsscheinen Reihe VIII Nr. 3 8 8 weisungen zur Abhebung der Reihe IX. Nr. 787 788.

B. Prioritäts⸗Obligationen über je 100 Thlr. = 300

Restkündigung. Gekündigt zum 1. Januar 1887. Abzuliefern mit Zinsscheinen Reihe VII Nr. 3—8 und An⸗ 8 weisungen zur Abhebung der Reihe VIII. NNr. 64 1008 1331 1478 1480 1569 1627. Beerlin, den 2. Februar 1889. Hauptverwaltung der Staatsschulden. Sydow.

Zustiz⸗Ministerium.

8 Der Rechtsanwalt Loewenstein in Frankfurt a. O. ist zum Notar für den Bezirk des mit Anwei⸗ sung seines ahnsihes in Frankfurt a. O.,

8 der Rechtsanwalt Kremser in Neustadt O.⸗S. zum Notar für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Breslau, mit An⸗

weisung seines Wohnsitzes in Neustadt O.⸗S., und

8 der Rechtsanwalt Hruby in Krappitz zum Notar für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Breslau, mit Anwei⸗ sung seines Wohnsitzes in Krappitz, ernannt worden.

Verzeichniß der Vorlesungen

an der Königlichen Landwirthschaftlichen Hochschule zu Verkin, Invalidenstraße Nr. 42, 6

im Sommer⸗Semester 1889.

1) Landwirthschaft, Forstwirthschaft und Garten⸗ bau. Professor Dr. Orth: Spezieller Acker⸗ und Pflanzenbau. Bo⸗ nitirung des Bodens. Ueber Boden und Wasser. Uebungen im agronomisch⸗pedologischen Laboratorium. Leitung agronomischer und agrikulturtechnischer Untersnchungen. Landwirthschaftliche Erkursionen.

Professor Dr. Werner: Abriß der landwirthschaftlichen Produktions⸗ lehre, 2. Theil. Rindviehzucht. Repetitorium der Betriebslehre. rofessor Dr. Lehmann: Landwirthschaftliche Fütterungslehre, Theil II. Die spezielle Ernäbrung der einzelnen Nu thierklassen, Entwicklung

und Anwendung der Fütterungsnormen.) Molkereiwesen, mit Demon⸗

strationen der Milchuntersuchung. Pferdezucht. Ingenieur Schotte:

Landwirthschaftliche Maschinenkunde. Maschinen und bauliche Anlagen für den Betrieb landwirthschaftlicher Nebengewerbe: Zuckerfabri en, Brennereien ꝛc. Feldmessen und Nivelliren für Landwirthe; Vortrag und Uebungen. ê und Konstruktions⸗Uebungen. Forstmeister Krieger: Spezielle Holzkenntniß. Forstschut. Garteninspektor Lindemuth: Gemüsebau

2) Naturwissenschaften. a. Botanik und, Pflanzen physiologie. Professor Dr. Kny: Morphologie der Pflanzen.

Botanisch⸗mikroskopischer Kursus im botanischen Institut. Arbeiten für Fortgeschrittene im botanischen Institut. Professor Dr. Frank: Experimental⸗Phvsiologie der Pflanzen. Anleitung zu pflanzenphysio⸗ logischen Untersuchungen im Gebiete der Landwirthschaft. Arbeiten

für E11. im pflanzenphysiologischen Institut. Professor

Dr. Wittmack: Land⸗ und forstwirthschaftliche Botanik. Samenkunde.

Uebungen im Bestimmen der Pflanzen. ee Dr. Tschirch:

Botanisch⸗mikroskopische Uebungen mit spezieller Berücksichtigung

praktischer Fragen. Angewandte Pflanzen⸗Anatomie.

b. Chemie und Technologie. Geheimer Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Landolt: Organische Experimental⸗Chemie. Großes chemisches Praktikum. Kleines chemisches Praktikum. Dr. Degener: Grundzüge der allgemeinen Chemie. Praxis der Zuckerfabrikation. Professor Dr. Delbrück: Spiritusfabrikation nebst Uebungen. Dr. Herzfeld: Fabrikation des Rübenzuckers. Privatdocent Dr. Hayduck: Gährungs⸗Chemie.

c. Mineralogie, Geologie und Geognosie: Professor Dr. Gruner: Mineralogie und Gesteinslehre. Der Boden Nord⸗ Seane. Praktische Uebungen zur Bodenkunde. Geognostische

xkursionen.

d. Phpsik. Professor Dr. Börnstein: Experimental⸗Phpfik, 2. FWen. phebpfsralische Uebungen. Ausgewählte Kapitel der mathe⸗ matischen Physik.

e. Zoologieund Thierphysiologie. Professor Dr. Nehring: Büaloos⸗ und Geschichte der Hausthiere. Ueber Fischzucht. Fosgeiscen

olloguium. Dr. Karsch: Ueber die der Landwirthschaft nützlichen

und schädlichen Insekten, mit besonderer E der Bienen⸗ zucht und des Seidenbaues. Professor Dr. 1* Ueberblick der gesammten Thierphysiologie. Thierphysiologisches Praktikum.

3) Veterinärkunde. Professor Dr. Dieckerhoff: Die inneren Krankheiten der Hausthiere. Professor Dr. Möller: Die außeren Krankheiten der Hausthiere. Professor Müller: Anatomie der Hausthiere (Organe der Bewegung, Nervensystem, Sätmmesoro n.) Berunden mit Demonstrationen. Ober⸗Roßarzt Küttner: Huf⸗

eschlaglehre.

4) Rechts⸗ und Staatswissenschaft. Professor Dr. Schmoller; Theoretische oder allgemeine National⸗Oekonomie. Aus⸗

ewaͤhlte Fragen der Agrarpolitik. Fdammer ecge.Reulh Keyßner: eichs⸗ und v Recht, mit besonderer Rücksicht auf die für den Landwirth und Kulturtechniker wichtigen Rechtsverbältnisse.

5) Kulturtechnik und Baukunde. Meliorations⸗Bau⸗ 8. Sa2 Gerhardt: Kulturtechnik. Entwerfen von Ent⸗ und Be⸗

wässerungs⸗Anlagen. Professor Baukonstruktionslehre.

Erdbau. Wasserbau. Landwirthschaftliche Baulehre. Entwerfen von

Bauwerken des Wasser⸗, Wege⸗ und Brückenbaus.

6) Geodäsie und Mathematik. Professor Dr. Vogler: Traciren. Praktische Geometrie. ee len. Geodaͤtische Rechenübungen (mit dem Assistenten de-h, ebungen im Aus⸗ hessf (mst dem Assistenten Hegemann). Meßübungen im Freien.

rofessor Dr. Börnstein: Algebra. Mathematische Uebungen. rofessor Dr. Reichel: Analyptische Geometrie der Ebene und Diffe⸗ remtialrechnung. Geometrie. Mathematische Uebungen. Uebungen zur Analpsis (mit dem Assistenten Hegemann). as Sommer⸗Semester beginnt am 16. April 1889. Pro⸗ gramme sind durch das Sekretariat zu erhalten. Berlin, den 14. Januar 1889. Der Rektor der Königl. Landwirthschaftlichen Hochschule. Settegast.

u“ Bekanntmachung.

Dem Markscheider Carl Bonnemann aus Altenessen ist von uns heute die Konzession zur Verrichtung von Markscheider⸗ arbeiten für den Umfang des preußischen Staats ertheilt worden.

Klausthal, den 2. Februar 1889. 8 8u

Königliches Ober⸗Bergam Siiemens.

Richtamtliches. Deutsches Reich Berlin, 8. Februar. Se.

Preußen. Majestät

der Kaiser und König arbeiteten gestern Morgen von

8 ½ bis 10 ½ Uhr allein, hörten von 10 ½ bis 11 Uhr den Vortrag des Kriegs⸗Ministers, arbeiteten dann von 11 bis 12 ½ Uhr mit dem Chef des Militärkabinets und nahmen demnächst mehrere militärische Meldungen ntg gen

Um 1 Uhr ertheilten Se. Majestät dem Rektor der Tech⸗ nischen Hochschule, Professor Schlichting, und dem Abgeord⸗ neten, Freiherrn von Schorlemer⸗Alst, die nachgesuchte Audienz.

Zum Frühstück, um 1 ¼ Uhr, waren die Erbprinzlich meiningischen Herrschaften und der Graf York geladen.

Nach dem Frühstück verblieben Se. Majestät bis zum Diner im Arbeitszimmer.

Um 6 Uhr fand in der Bildergalerie des Königlichen Schlosses ein Diner zu Ehren der hier anwesenden außer⸗ ordentlichen marokkanischen Botschaft statt.

.— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta empfing gestern, umgeben von Allerhöchstihrem Hofstaat, im Königlichen Palais den außerordentlichen öGe Botschafter Sid Abdessalam ben Rechid el⸗Harisi in Audienz.

Nach derselben wurden der erste und zweite Sekretär der außerordentlichen Botschaft Ihrer Majestät vorgestellt, und nahm Allerhöchstdieselbe die Geschenke der Sultanin entgegen. Dem Botschafter wurden hierauf die von Ihrer Majestät für die Sultanin bestimmten Geschenke überreicht.

(W. T. B.) Der hiesigen Stadtverordneten⸗ Versammlung ist folgendes Schreiben Sr. Majestät des Kaisers und Königs zugegangen:

Die Berliner Bürgerschaft hat Mich zu Meinem Geburtstage durch die allgemeine Feier des Tages, wie sie sich in mannigfachster Art, insbesondere durch reiche Ausschmückung und glänzende Beleuch⸗ tung der Gebäude kundgegeben hat, aufrichtig erfreut. Die Mir hier⸗ mit bekundete treue Gesinnung und liebevolle Anhänglichkeit hat auch in der Adresse, welche Mir die Stadtverordneten Meiner Haupt⸗ und Residenzstadt aus demselben Anlaß dargebracht haben, beredten Aus⸗ druck gefunden. Bewegten Herzens gebe Ich Ihnen Meinen wärmsten Dank zu erkennen und hoffe mit Ihnen, daß Gottes Gnade Meine auf die Wohlfahrt Meines Reichs gerichteten Bestrebungen zum Ruhm und Segen des gesammten Vaterlandes gereichen lasse..

Berlin, den 1. Februar 1889. ö 111X1X“X“ Wilhelm.

Der vhendeerat h ertheilte in der am 7. d. M. ab ehaltagen Plenarsitzung dem Entwurf eines Gesetzes für Elfa Lothringen über das Hebammenwesen die Von dem Beschluß des Reichstages, durch welchen derselbe den Beschluß des Bundesraths in der Bekanntmachung, be⸗ treffend Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz über die Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß⸗Lothringen, soweit sich die Bekanntmachung auf den §. 16 der Gewerbeordnung stützt, genehmigt hat, nahm die ö Kenntniß und beschioß, der Eingabe der Vorstände der eber⸗, Wirker⸗, Raschmacher⸗ und Tuchmacher⸗Innung zu Berlin, be⸗ treffend die Ausführung von Weberei⸗Lohnarbeiten in Strafanstalten, die Nacht⸗, Sonntags⸗ und Frauen⸗ arbeit und die Besteuerung der mechanischen Webstühle, der Eingabe eines Rechtsanwalts in Darmstadt, betreffend die Anerkennung der schweizerischen Ehescheidungs⸗Urtheile im Großherzogthum Hessen, sowie zwei Gesuchen um den Erlaß von Zollabgaben eine Folge nicht zu geben. Der vom Reichstage angenommene Entwurf eines Gesetzes wegen Ausführung des internationalen Vertrags zur Unterdrückung des Branntwein⸗ handels unter den Nordseefischern auf hoher See oll ur Allerhöchsten Vollziehung vorgelegt werden. Als⸗ ann wurde die Wahl von drei Mitgliedern des Bundesraths zu dem Preisgericht für das Nationaldenkmal des Hochseligen Kaisers Wilhelm vorgenommen. Mit der vom Reichskanzler in Vorschlag gebrachten Verlängerung der Amtsperiode der nichtständigen Mitglieder der Reichs⸗Schul⸗ Kommission erklärte sich der Bundesrath einverstanden. Endlich wurde uͤber mehrere Eingaben, betreffend die Zoll⸗ behandlung verschiedener Gegenstände, über die Mindestmenge von Branntwein, für. wel hen bei der Ausfuhr eine Ver⸗ gütung der Maischbottich⸗ oder Materialsteuer gewährt werden rf, und über die Auslegung eines früheren Bundesraths⸗

beschlusses wegen der L“ eines Fabrikationszweiges

u einer Berufsgenossenschaft Beschluß gefaßt. Den Vorsitz fuͤhrie zunächst der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretär des Innern, von Boetticher, nach ein getretener Behinderung desselben der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Graf von Lerchenfeld⸗Köfering.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Bei age.

In der heutigen (37.) Sitzung des Reichs⸗ tages, welcher die Staatssekretäre von Boetticher, Dr. von Stephan, Freiherr von Maltzahn und andere Bevoll⸗ mächtigte zum Bundesrath beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die Fortsetzung der dritien Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feftstellung des Reichshaushalts⸗Etats für 1889/90, und zwar unächst der Etat der Reichsstempelabgaben, der ohne

ebatte definitiv bewilligt wurde.

Bei den Ausgaben für die Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung beantragte der Abg. Dr. Krufe, unter Kapitel 4 Titel 19: für Herstelung eines neuen Dienst⸗ gebäudes in Aurich als 1. Rate 70 000 zu bewilligen.

Nachdem der Abg. Dr. Kruse seinen ntrag befürwortet hatte, bemertte der Staatssekretär Dr. von Stephan, daß Anfangs

8

eabsich igt g sen sei, den Bau des Dienstgebäudes in Aurich vees 88 Jahr hinauszuschieben. Bei 8-- vortrefflichch

Balancirung des Etats aber und in Erwägung, daß durch

das Hinausschieben des Baues eine Vertheuerung eintreten 22

würde, erscheine der Bau schon jetzt wünschenswerth. Auch dem für den Fall der Annahme des Antrags Kruse ein⸗ gebrachten Antrage Bennigsen, in Kap. 3 Tit. 1 der Ein⸗ nahme „Porto und Telegraphengebühren“ im Etat der Post⸗ und Telegraphenverwaltung statt 183 800 000 zu setzen 183 870 000 ℳ, könne er nur zustimmen.

Der Abg. Bürklin sprach sich gegen den Antrag Kruse aus, da ein Bedürfniß für ein neues Dienstgebäude in Aurich noch nicht vorliege.

Nachdem noch die Abgg. Dr. Windthorst und Struckmann sich für den Antrag ausgesprochen hatten, wurde derselbe mit großer Majorität angenommen. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen 212)), Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Ar⸗ beiten, von Maybach, und der Finanz⸗Minister Dr. von Scholz beiwohnten, theilte der zunächst den Eingang der Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1886, betr. die eförderung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen im Jahre 1888, mit.

Das Haus trat darauf in die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erweiterung, Ver⸗ vollständigung und bessere Ausrüstung des Staats⸗ eisen bahnnetzes, ein. b

Abg. Bödiker wies auf die Thatsache hin, daß die Vor⸗ lage diesmal umfangreicher sei als sonst, indem statt 120 Millionen jetzt 156 Millionen gefordert würden. Trotzdem seien nur 32 Millionen Mark für Sekundärbahnen in Aus⸗ sicht genommen, während früher 60—70 Millionen für diesen Zweck Verwendung gefunden. Einzelne Provinzen seien gar nicht bedacht, z. B. Hannover. Im Besonderen bat Redner um eine Verbindung von Köln nach Kassel oder wenigstens von Kassel nach Arnsberg und dem R ein, ferner um eine

solche zwischen Hildesheim und Braunschweig.

Abg. Dr. Hammacher beantragte die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission und sprach seine Verwunde⸗ rung aus, daß in dem Gesetzentwurf für verschiedene Aus⸗ gaben Summen gefordert würden, die man sonst im Extra⸗ ordinarium des Eisenbahn⸗Etats zu finden gewohnt sei. Da der Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung nach Ab⸗ zug der Verzinsung der Eisenbahnkapitalschuld noch er⸗ heblich höher als in früheren Jahren sei, so empfehle es sich vielleicht, einige der im Gesetzentwurf enthaltenen Aus⸗ gaben in den Etat zu übernehmen. Redner machte sodann darauf aufmerksam, daß die in Folge der Neubauten von Bahnhöfen frei werdenden Grundstücke für Summen verkauft werden sollten, welche den Baukosten der neuen Bahnhöfe gleichkämen, und fragte, ob diese Summen in die Kasse der allgemeinen7 flössen und zur Schuldentilgung Verwendung finden würden. Wunderbar sei es, daß das so große Bedürfnisse nach Neubeschaffung von Betriebsmaterialien sich jetzt so plötzlich geltend gemacht hätten. Der Verkehr habe allerdings in dem letzten Jahre stark zugenommen; vielleicht empfehle es sich, einen Fonds in den Etat einzustellen, um so schnell und plötzlich eintretende Bedürfnisse zu befriedigen. (Schluß des Blattes.)

Eine Klage auf Schadenersatz mit dem Antrage, daß der Richter auf Grund der in der K ageschrift gegebenen thatsächlichen Unterlagen die Ersatzleistung der Höhe nach durch richterliches Ermessen schätze, ist, nach einem Urtheil des Kerichfg erichts, II. Civilsenats, vom 22. November v. J. zulässig.

Der General⸗Lieutenant von Wißman n, Comman⸗ deur der (25.) Großherzoglich Hessischen Division, hat Berlin wieder verlassen.

Die Regierungs⸗Referendare Nolda aus Münster, Bergius aus Marienwerder, Dr. jur. Schultz aus Frankfurt g. O., Dr. jur. Bausch aus Merseburg, Schlange aus Merseburg und Schwarz aus Köslin haben am 2. d. M. bir Sle Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst

estanden.

S. M. Kreuzer „Habicht“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Rittmeyer, ist am 6. Februar cr. in St. Paul de Loanda eingetroffen und beabsichtigt, am 12. dess. Monats wieder in See zu gehen.

Württemberg. Stuttgart, 7. Februar. (Schw. Merk.) In der heutigen gemeinschaftlichen Sitzung, beider Kammern der Ständeversammlung erfolgte die Wahl des ständischen Ausschusses. Nach Sch derselben wurden der Kammer der Abgeordneten noch mehrere geschäftliche Mittheilungen gemacht und sodann das tagungsprotokoll vorgelesen. Nach einer Mittheilung des Staats⸗Ministeriums der Finanzen wird spätestens b zum 18. d. M. der neue Etat zu erwarten sein.

Baden. Karlsruhe, 7. Februar. (W. T. B.) J der feierlich ausgeschmückten katholische h d heute VPormittag 11 Uhr ein

ür weiland den Kronprinzen Rudolph von Oester⸗ reich⸗Ungarn statt, der Großherzog in öster⸗ reichischer Uniform, die Prinzen Wilhelm und Carl, sämmtliche Minister, die Generalität, das diplomatische Corps, die obersten Hofchargen sowie ein überaus zablreiches Publikum beiwohnten.

Hessen. Darmstadt, 7. Februar. (Darmst. Ztg.) Der zweite Ausschuß der Zweiten Kammer der Stände hat über die beantragte Abänderung des Art. 84 der hessischen Verfassungsurkunde, welcher von der

mmunität der Abgeordneten handelt, Bericht erstattet.

er Ausschuß theilt sich in eine Majorität und eine Minorität; im Namen der ersteren wird beantragt, den Antrag des Abg. Arnold nebst Genossen in folgender Fassung zu genehmigen: „An Stelle des Art. 84 der Verfassungsurkunde vom 17. Dezember 1820 treten die nachstehenden gesetzlichen Bestimmungen: Mit⸗ er der Ständeversammlung können von der Einberufung es Landtages an (Art. 1 der e bis zu Schließung oder Auflösung desselben (Art. 57 und daselbst) ohne Sreengeng der Kammer, welcher sie Vngepönen. wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nicht zur ntersuchung gezogen oder in Untersuchungshaft genommen werden. Die Ge⸗ nehmigung der Kammer ist nich erforderlich, wenn ein Mitglied der Standeversammlung auf frischer That betroffen oder im Fa des nächstfolgenden Tages ergriffen 5v8 in welchem a

ört, g

aber alsbald der Kammer, zu welcher der erhaftete ge⸗

Bürgermeister mit:

in der Bezichung reichsgesetzliche Regelung nicht schon vorliegt. Auf Verlangen der Kammer wird jede gegen ein Mitglied nufe den eingeleitete Untersuchung und jede Untersuchungs⸗ oder Civilhaft für die obenerwähnte Zeit aufgehoben.“ Die Minorität beantragt im Falle der Annahme des Antrags Arnold und Genossen folgenden Zusatz: „Für die Dauer des Landtages kann die Vollziehung der gegen ein Mit⸗ glied desselben erkannten Freiheitsstrafe nur mit Ge⸗ nehmigung der Kammer erfolgen, welcher das Mitglied angehört, event.: „Für die Dauer des Landtages kann die eeehe der gegen ein Mitglied desselben wegen eines politischen Verbrechens oder Vergehens oder eines Preßvergehens erkannten Freiheitsstrafe nur mit Genehmigung der Kammer erfolgen, welcher das Mitglied angehört; über den Eintritt der Voraussetzungen entscheidet die Kammer.“ Ein weiterer bez. Antrag ist der des Abg. Wasserburg und Gen.; diese beantragen für den Fall der Annahme des An⸗ 9 des Abg. Arnold und Gen. folgenden usatz: „Im se e der Verurtheilung eines Abgeordneten zu einer Freiheits⸗ trafe erlischt das Mandat, doch bleibt derselbe wieder wähl⸗ bar, insoweit die Wählbarkeit nicht durch Art. 8 Pos. 2 des Wahlgesetzes eingeschränkt wird.“ Die Großherzogliche Regierung hat sich mit dem Antrage der Majorität des Ausschusses einverstanden erklärt.

Anhalt. Dessau, 6. Februar. (Anh. St.⸗A.) Der Landtag wählte in seiner heutigen zweiten Sitzung den bis⸗ herigen ersten Landtags⸗Vize⸗Präsidenten Lezius zum Präsi⸗ denten, sowie den bisherigen zweiten Landtags⸗Vize⸗Präsidenten von Biedersee zum ersten und den Abg. Frhrn. von Ende zum zweiten Vize⸗Präsidenten. Es folgten alsdann die ersten Lesungen des Abschlusses der Herzoglichen Staatsschurden⸗Ver⸗ waltungskasse für 1887/88 und des Haupt⸗Finanzabschlusses des Herzogthums Anhalt für 1887/88. Beide Gegenstände wurden ohne Diskussion auf Vorschlag des Präsidenten an die Finanzkommission zur Vorberathung überwiesen.

Lippe. Detmold, 6. Februar. (Hann. Cour.) Der Landtag wurde gestern Nachmittag eröffnet. Die Vorlage der Regierung, betreffend die Gewährung von Zuschüssen und Darlehen an einzelne Schulgemeinden, wurde an den Rechnungs⸗ ausschuß verwiesen und einige kleine Etatspositionen erledigt.

Slseh othringen. Straßburg, 6. Februar. (Lds.⸗ Ztg. f. El⸗ ceh.) Der Landes⸗Ausschuß berieth in seiner gestrigen Sitzung die Gesetzentwürfe, betreffend die Ausgaben für den Elementarunterricht und die Erb⸗ schaftssteuer. Beide Entwürfe wurden Kommissionen

überwiesen.

7. Februar. (W. T. B.) Heute Abend fand bei dem Statthalter, Fürsten Hohenlohe, zu Ehren des Landes⸗Ausschusses ein Festmahl statt, zu welchem außer den Mitgliedern des Landes⸗Ausschusses die Spitzen der Behörden, im Ganzen gegen 90 Personen,

geladen waren. Der Statthalter brachte das Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus, in welches die Versammelten, sich von ihren Plätzen erhebend, dreimal enthusiastisch einstimmten. Der Präsident des Landes⸗Ausschusses toastete auf den Statt⸗ halter, Fürsten Hohenlohe. Hesranf erhob sich der Statt⸗ halter zu folgendem Toast: „Ich trinke auf das Wohl von Elsaß⸗Lothringen und verbinde damit den unsch, daß es mir gelingen möge, mehr und mehr die Hindernisse zu besei⸗ tigen, die der Wohlfahrt des Landes und der Zufriedenheit seiner Bewohner entgegenstehen. Ich zähle dabei auf Ihre loyale und vertrauensvolle Mitwirkung. Elsaß⸗Lothringen und seine Vertreter im Landes⸗Ausschuß, sie leben hoch!“

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 7. Februar. (W. T. B.) Der Kaiser empfing heute Mittag die Präsidien der beiden 1 des Reichstages und dankte für deren Ausdruck des Beileids gleichzeitig im Namen der Kaiserin und der Kronprinzessin⸗Wittwe.

In der Abend⸗Sitzung des Abgeordnetenhauses schilderte der Präsident Smolka den Empfang als tief er⸗ greifend. Der Kaiser habe schluchzend gesagt: „Alle Völker

esterreichs haben mir aus diesem Anlaß so viel Liebe und

Treue, so viel echt österreichischen Patriotismus, so viel An⸗

hänglichkeit an die Dynastie ich betone nachdrücklich an die Dynastie bewiesen, daß mir dies, nächst dem Gedanken

an den Allmächtigen, der größte Trost in meinem schweren Leid ist. Ungeachtet des herben Schicksalsschlages werde

ich meine Regentenpflichten, nach wie vor, treu und gewissen⸗

haft erfüllen. Wie viel ich in diesen schweren Tagen meiner innigstgeliebten Gemahlin, der Kaiserin, zu danken habe, welch große Stütze sie mir gewesen, kann ich nicht beschreiben, nicht warm genug aussprechen. Ich kann dem Himmel nicht genug danken, daß er mir eine solche Lebensgefährtin gegeben hat. Sagen Sie dies nur weiter; je mehr Sie es verbreiten, um⸗ somehr werde ich Ihnen danken.“

Der ungarische Minister⸗Präsident von wurde heute Nachmittag von dem Kaiser in längerer udienz mpfangen und dinirte später bei dem Minister des Aus⸗

wärtigen, Grafen Kälnoky.

In der Sitzung des Gemeinderaths theilte der Vize⸗

1— der Kaiser habe Mittags den ürg ermeister Uhl mit den Stellvertretern empfangen, welche das Beileid der Stadt Wien zum Ausdruck brachten, und habe auf die Ansprache des Bürgermeisters mit von änen erstickter Stimme innigst auch im Namen der Kaiserin und der Schwiegertochter gedankt und erwidert: „Mein Sohn war ein guter Wiener Wir sind ja auch ein Volk, eine Familie!“ er ertreter des russischen Infanterie⸗Regiments Ssevski, Oberst Roschnow, legte heute im Namen des sevs ki⸗Regiments einen silbernen Lorbeerkranz mit einer Widmung des Regiments auf den Sarg des ronprinzen nieder.

Der König und die Königin von Belgien sind

heute Nachmittag 4 ¼ Uhr nach Brussel zuruckgereist. Auf ausdrückliche Bitie derselben begleltete kein Mit⸗ glied der Kaiserlichen Familie die Herrschaften nach

Bahnhof. Der Abschied von dem Kaiser,

Kaiserin und der Kronprinzessin⸗Wittwe erfolgte in der Hofburg. Prinz Philipp und Prinzessin Louise von Coburg begaben sich mit dem König und der Königin nach dem ahnhof, wo Letztere sich auf das Herzlichste von ihnen verabschiedete uch der belgische Gesandte, Graf

gemacht werden soll. Die vorerwähnte Genehmigung ist füͤr die bor angegebene Zeit auch bei der Civilhaft cherberlich soweit i

de Pongbe d'Ardoye, war mit seiner Gemahlin zur Verab⸗

schiedung auf dem ir.r 8” ienen. . 8. Februar. (W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht einen mit dem Armeebefehl des Kaisers, vom 6. d. M., vollkommen übereinstimmenden Flottenbefehl. Anläßlich der Aeußerungen des Kaisers über seine hohe Gemahlin bei dem gestrigen Empfange der Prã⸗ sidien der beiden Häuser des Reichsraths feiern die heutigen Morgenblätter die Kaiserin in begeisterten Artikeln. Die „Neue freie Presse“ sagt: die Rede des Kaisers sei ein Denkmal, welches er der Kaiserin in der Geschichte errichtet habe; ihr Bild werde den Völkern in der Gestalt vorschweben, welche aus der ergreifenden Schilderung ihres hohen Gemahls zu erkennen sei.

Großbritaännien und Irland. London, 7. Februar.

an C.) Die Dubliner Amtszeitung vom 5. d. M. ent⸗ ält Bekanntmachungen des Vizekönigs von Irland,

denen zufolge über gewisse Kreise der Grafschaft Sligo der Ausnahmezustand verhängt und die Nationalliga in shfolsfen Bezirken von Donegal unterdrückt wird, während gewisse andere Kreise der Grafschaften Louth und Sligo vom Ausnahmezustande befreit werden.

Zwischen der britischen und belgischen Regierung ist ein Abkommen, betreffend Ehen, die zwischen belgischen und britischen Unterthanen in England geschlossen werden, getroffen worden. Das Abkommen, welches in der vorgestrigen „London Gazette“ veröffentlicht ward, beseitigt alle Schwierig⸗ keiten, die bisher solchen Ehen entgegenstanden.

In der ersten G des Sessionsgerichts zu Edinburgh wurde gestern die Berufung Parnell's gegen das gestrige Erkenntniß in Sachen Parnell gegen die „Times“ deponirt. Nach Anhörung der Argumente ver⸗ schoben die Richter die Verhandlung des Gegenstandes bis zur Sommersession.

Der Unter⸗Staatssekretär für die Kolonien,

Baron de Worms, gab in einer gestern gehaltenen Ansprache an die Mitglieder der Handelskammer von Liverpool die wichtige Erklärung ab: die britische Regierung beab⸗ sichtige, auf dem Zam besi sowie auf den großen Handels⸗ routen nach dem Süden Afrikas freien Handel herzustellen und aufrechtzuerhalten. Gleichwohl habe sie nichts gegen Handelskonzessionen in ihren eigenen Besitzungen oder in ihrer Einflußsphäre einzuwenden, wenn dieselben in gesetz⸗ licher Weise und mit gehöriger Berücksichtigung der Rechte der Eingeborenen⸗Häuptlinge erlangt worden sind. Einem Telegramm aus Calcutta zufolge dürfte England, in Folge des Mißlingens der Unterhandlungen mit dem chine⸗ sischen Ampa betreffs der Zukunft Sikkims, einen neuen Feldzug gegen die Thibetaner vorzubereiten haben. Der Ober⸗Zesehlshaber wird Sikkim demnächst besuchen. Inzwischen wird gemeldet, daß die in Phari und Gulling stationirten thibetanischen Soldaten in großer Anzahl desertiren, weil sie Hunger leiden und ihre Lage überhaupt eine sehr üble sei. Eines sei jedoch gewiß: die Regierung Indiens habe endgültig entschieden, daß Sikkim ein Tributsstaat Indiens sei und bleiben müsse.

7. Februar. (W. T. B.) Nach einer Meldung aus Clonmel ist der parnellitische Deputirte Condon wegen Verletzung des irischen Ausnahmegesetzes zu 2 Monaten Gefängniß mit Zwangsarbeit verurtheilt worden.

Frankreich. Paris, 7. Februar. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer begründete heute der Deputirte Salis (radikal) seine Interpellation über die Verzöge⸗ rungen, die in seinem Prozeß gegen den Deputirten Numa Gilly vorgekommen seien. Der Justiz⸗Minister Guyot⸗ Dessaigne erklärte unter dem Beifall der Linken, es sei Zeit, daß der Skandal aufhöre; so lange er Minister sei, werde er die Gesetze niemals ungestraft verletzen lassen. Salis zog darauf seine Interpellation zurück.

(Telegramm der „Agence Havas“) Einer aus Hanoi an den arine⸗Minister gerichteten Depesche zufolge, griff General Desbordes am 2. d. M. die Dörfer Din⸗ be intong und Chochu an. Der Angriff erfolgte in einer Entfernung von 11 km von Chochu. Die Aufständischen gaben entmuthigt nach und nach ihre sämmtlichen Stellungen auf. Drei europäische Soldaten wurden leicht verwundet. Der Feldzug wird als beendet angesehen.

stalien. Rom, 7. Februar. (W. T. B.) Der Papst, die Mitglieder des diplomatischen Corps und zahlreiche Fremde wohnten heute dem Traueramt bei, welches anläßlich des ahrestages des Todes Pius IX. in der Sixtinischen apelle stattfand.

Belgien. Brüssel, 7. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Repräsentantenkammer er⸗ klärte auf eine Interpellation betreffs des neulichen Fafan Fhsnsen s zwischen Gendarmen und Striken⸗ den in Quenast der Minister des Innern: die Freiheit der Arbeit sei bedroht gewesen und die bewaffnete Macht

rovozirt worden. Die Untersuchung werde ergeben, wer die erantwortung für den Zusammenstoß trage.

Amerika. Washington, 7. Februar. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ meldet: Staatssekretär Bayard ersuchte den diesseitigen Konsul in Samoa, Sewell, seine Entlassung zu nehmen, da seine Ansichten 5 3 mit denen der Regierung der Vereinigten Staaten über⸗ einstimmen. 1

Zeitungsstimmen.

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt:

Der Reichstag hat Zeit gefunden, fast zwei seiner Sitzungen der ersten Lesung des von sozialdemokratischer Seite ausgehenden Antrages auf sofortige Aufhebung der Getreidezölle zu widmen. Dieser Antrag erfreute nch einer umfangreichen Eröͤrterung, obwohl Miemand dar⸗ über in Zweifel sein konnte, daß auf eine Annahme desselben nicht zu rechnen war; hat ja doch der Abg. Bebel, wenn auch erst in seinem Schlußwort, eingeräumt, man denke sozialdemokratischerseits nicht daran, andere als agitatorische Zwecke mit dem Antrage zu verfolgen, und haben doch auch die Redner der Freisinnigen, als der einzigen Partei, welche sich an den sozialdemokratischen Agitationswagen an⸗ spannen nieß. übereinstimmend erklärt, daß der Antrag, so wie er vor⸗ liege, gegenstandslos, weil garnicht praktisch durchführ ar, sei.

. In Avnbetracht dieser Umstände es kaum nothwendig, auf diese Verhandlungen zurückzugreifen; schon deshalb nicht, weil über die mißliche Lage unserer Landwirthschaft leider kein Zweifel besteht, wie das ja in den parlamentarischen Verhandlungen der letzten Wochen nach den verschiedensten Seiten hin festgestellt ist. Angesichts solcher Lage der Landwirthschaft kann von einer Aufhebung der Ge⸗

treidezölle um so weniger die Rede sein, als sich ohnehin von selbst versteht, daß, wenn man eine Politik des Schutzes der nationalen Arbeit betreibt, diese alle Zweige der Erwerbsthätigkeit begreifen muß, also auch die Landwirthschaft. 3 1

Was aber Anlaß giebt, trotzdem auf diese Verhandlungen zurück⸗ zukommen, ist die große Dürftigkeit jener Argumente, welche die Befürworter des Antrages vorzubringen wußten. Sozialdemokraten und Freisinnige waren darüber wie so oft, so auch in Fall einig, die in den letzten Monaten gemeldeten Brotpreiser öhungen wären lediglich auf die 1887 beschlossene Erböhung der Getreidezölle ursächlich zurückzuführen.

Diese Brotpreiserhöhung bildete das einzige Novum in der ganzen Befürwortung des Antrages, alles Aadere hat man schon früher gehört und ist schon früher widerlegt worden, und dieses Novum sollte denn auch mit genügender Wucht, nicht etwa auf den Reichstag, sondern auf Die da draußen wirken. Zu letzterem Zweck hatte Hr. Bebel seine Privat⸗Enquete veranstaltet, deren Erge nisse er vortrug, und seinen Rechnungen über die dem Arbeiter au erlegte unerhörte Belastung zu Grunde legte. Ein sonst gegen ziffermäßige Beweise so skeptisch veranlagter Mann, wie es der Herausgeber der „Freihandelscorrespondenz“, Hr. Broemel ist, bekannte sich zu der Ueberzeugung. Hr. Bebel hätte mit seiner Enquete den Beweis ge⸗ führt, „wie im Laufe der letzten Zeit der Brotpreis gestiegen ist“, wobei natürlich der Hörer und Leser an eine durch die Getreidezölle verursachte Steigerung denken soll.

Im Reichstage hat Hr. Bebel die Ergebnisse seiner Enquete nur auszugsweise vorgetragen, schon vorher wurden dieselben jedoch voll⸗ ständig im hiesigen sozialdemokratischen Organ veröffentlicht. Nach dieser Quelle lautete die Fragestellung, auf welche dee. s enehen a- naor Bebel ihm antworteten, betreffs der reissteigerung wörtlich:

„um wie viel ist das Pfund Brot in den letzten sechs Mo⸗ naten theurer geworden?“

Hr. Bebel selbst sagte im Reichstage, seine Umfrage habe be⸗ zweckt, festzustellen: 1

in welcher Höhe das Brot und Mehl in der Periode von letzter Ernte bis zu Anfang dieses Jahres im Preise sich ver⸗ ändert hat.“

Hrn. Bebel's Enquete umfaßt also die Preisbewegung vom Juli bis Dezember 1888; dahin lautet seine eigene Aussage und die des „Berliner Volksblatt“ übereinstimmend. 1

Nun sind aber die Getreidezölle, welche in Kraft stehen, seit dem 27. November 1887 in Geltung; also seit 7 Monaten vor dem Termin, von welchem die Bebel'sche Enquete ausgeht. Als damals Ende 1887 und Anfang 1888 die von den Freihändlern prophezeite

Steigerung der Getreide, Mehl⸗ und Brotpreise nicht eintrat, konnte

man von jener Seite hören, das sei ja ganz natürlich, denn die Spekulation hätte die Preiserhöhung bereits vor der Einführung des höheren Zollsatzes eskomptirt. Wenn also von einer Preissteigerung die Rede sein soll, die in ursächlichem Zusammenhang mit der Getreide⸗ zollerhöhung von 1887 steht, so kann dieselbe doch nur vor dem 27. November 1887 oder unmittelbar nach diesem Termin gesucht werden, und nicht sieben Monate später, wie es die Privat⸗Enquete“ des Hrn. Bebel that. Letztere beweist also in Bezug auf die Getreide⸗ zölle gar nichts.

Die Glaubwürdigkeit der von Hrn. Bebel gesammelten Angaben im Einzelnen zu untersuchen, sehen wir keine Veranlassung; meinte doch sogar die „Hartung'sche Zeitung“, eine sorgfältige Prüfung der Zuverlässigkeit derartiger Auskünfte sei geboten, falls der Fragesteller eine Autorität für die Befragten bildet; aber freilich in dem vor⸗ liegenden Fall hielt das freihändlerische Blatt solche Sorgfalt für entbehrlich. Dieser Meinung scheint auch der Abg. Broemel gewesen zu sein, denn, obwohl er vom Donnerstag bis zum Montag, also fünf Tage, Zeit hatte, so informirte er sich doch nicht über den Umstand, daß die Fragestellung sich auf ganz etwas Anderes richte, als was Hr. Bebel hatte beweisen wollen, und deshalb nahmen Hr. Broemel, der Deutschfreisinn und deren gesinnungstüchtige Presse die Ergebnisse der Bebel'schen Statistik als einen „Beweis“ hin, ohne zu merken, daß sie von Hrn. Bebel zwecks seiner agitatorischen Absichten an der Nase geführt worden waren.

Der „Schwäbische Merkur“ bemerkt zu der Reichs⸗ tagsdebatte vom 5. d. M.: Erst wünschten die „Freisinnigen“ nichts sehnlicher, als daß der Prozeß Geffcken vor dem Reichsgericht bis zu Ende durchgeführt würde, damit die Anklageschrift veröffentlicht werde und die Welt sich von der Unschuld des Lieblings der „Freisinnigen“ überzeugen könne; und nun, da die Anklageschrift auf Kaiserlichen Befehl veröffentlicht worden ist, schlagen sie Lärm über den „in der Rechtsgeschichte un⸗ erhörten Vorgang“. Diese Bemerkung allein genügt um das Ver⸗ fahren der „freisinnigen“ Fraktion in der gestrigen Reichstagssitzung für jeden, der sehen will, zu kennzeichnen. Mag man über die Veröffentlichung der Anklageschrift, namentlich aber über die Mittheilung von Briefen anderer Persönlichkeiten für den Bundes⸗ rath oder (inhaltsweise) für eine Zeitung denken, wie man will, so viel steht fest, die „Freisinnigen“, welche die grobe Taktlosigkeit der Veröffentlichung des Kronprinzlichen Tagebuchs durch Geffchen nicht nur nicht als solche anerkannt, sie vielmehr als eine politische That verherrlicht haben, entbehren jedes Rechtes, sich über „Indiskretionen“ anderer Leute zu beklagen. Daher waren die ganze Anregung der Geffcken'schen Sache durch Munckel, den gewiegten Rechtsanwalt der deutschfreisinnigen eee und die maßlosen Beschwerden Richter's in der gestrigen Reichstagssitzung von vornherein gänzlich haltlos. Es war einfach die Sucht, Aufsehen zu Gunsten der kleinlichsten Partrianffoffung zu machen, welche das Vorgehen der Linken am gestrigen Tage kennzeichnete. Das Stillschweigen aller anderen Par⸗ teien dazu, mit Ausnahme des Centrums, das durch Windthorst einige Mißbilligung des Regierungsvorgehens in matter Weise kundgab, war die richtige Antwort, die dem Angriff Munckel’'s neben der trockenen Abfertigung durch Minister von Schelling zu Theil wurde. Die Blätter der „Freisinnigen“ sind denn auch heute merkwürdi still und vermeiden es, sich eines Triumphes zu rühmen. Sie versachen sich in spöttischen Bemerkungen über das Fehlen des Reichskanzlers, das ist Alles. Dieses Fehlen bedeutet doch bloß, daß der Munckel'sche Angriff nicht werth war, eine große Debatte, an der der Kanzler theilgenommen hätte, zu entfachen.

Die „Berliner Politischen Nachrichten“ äußern:

Bei der Berathung des Nothstands⸗Etats hat der Minister für Landwirthschaft die Perspektive auf eine planmäßige Regulirung der⸗ jenigen schlesischen Gebirgsflüsse eröffnet, welche wiederholt und zuletzt im verflossenen Jahre so schwere Verheerungen verursacht haben Er hat dabei unter Ankündigung einer Denkschrift, in welcher di Materie insbesondere auch nach der technischen Seite erschöpfend be handelt wird, auf die Nothwendigkeit intensiven Zusammenwirken von Staat und Provinz zur Lösung der Aufgabe hingewiesen.

Die zweckmäßige Regulirung würde aber dauernd den beabsich tigten Zweck nicht erreichen, wenn nicht auch die entsprechende Unter haltung der regulirten Ströme sicher gestellt ist. Dazu wird es abe vor Allem der Konstituirung leistungsfähigerer Träger der Unter haltungspflicht bedürfen, als es die zur Zeit gesetzlich allein ver pflichteten Uferanlieger sind. Die Schwierigkeit der Fäahe liegt darin daß der sonst so oft mit gutem Erfol⸗ beschrittene Weg der Genossen schaftsbildung in dem vorliegenden Falle versagt. er freiwillig Anschluß aller nothwendig in Betracht zu ziehenden Elemente welche bisher von der Unterhaltungspflicht frei waren, ist nicht zu erwarten. Der Bildung einer Zwangsgenossenschaft abe steht das Hinderniß entscheidend im Wege, daß es an den erforder lichen Kriterien für die Feststellung der Voraussetzungen für die Aus⸗ übung des Zwanges fehlen würde. Es wird daher nothwendig au andere öffentliche mit gemeinwirthschaftlichen cebes betraute Körperschaften zurückgegriffen werden müssen. Dabei liegt es auf der Hand, daß hierfür zunächst die größeren Kommunalverbände in Be⸗ tracht kommen. Was immer aber in dieser Hinsicht als das Zweck⸗