Erledigung der Geschäfte nicht ausreichten. Ferner sei ihm geklagt worden, daß die Kassenbeamten während ihres Sommer⸗ Urlaubs für ihre Stellvertreter mit ihrer eigenen Kaution aften müßten. Darin liege eine Härte, welche die diesen eamten nothwendige Erholung während des Urlaubs beein⸗ trächtigen müsse.
Staatssekretär von Boetticher:
Was die erste Bitte des Herrn Vorredners anlangt, daß eine ver⸗ gleichende Zusammenstellung der Ergebnisse der Geschäftsthaͤtigkeit der Reichsbank in den Jahresberichten gegeben werden möge, so bin ich sehr gern bereit, zu prüfen, ob diesem Wunsche irgendwelche Bedenken entgegen⸗ stehen. Ich möchte auf den ersten Blick annehmen, daß solche Be⸗ denken nicht entgegenstehen und daß es sich also wohl wird herstellen lassen, eine solche vergleichende Uebersicht in der Zukunft zu geben, von der ich ja anerkennen kann, daß sie ein großes Interesse besitzt.
Was sodann die Ueberbürdung der Beamten der Reichsbank an⸗ langt, und was die Klagen betrifft, die dem Herrn Vorredner von einzelnen Beamten zugegangen sind, so sind bei dem Reichsamt des Innern respektive bei dem Herrn Reichskanzler irgend welche Klagen nach dieser Richtung bisher nicht erhoben. Ich möchte glauben, daß es besser wäre, wenn die Beamten, die irgend welche berechtigte Ursache zur Unzufriedenheit haben, sich zunächst vertrauensvoll an die vorgesetzte Behörde wenden. Das scheint mir ein richtigerer Weg zu sein, als wie der, die Herren Abgeordneten damit zu überlaufen und hier Gegenstände zur Sprache bringen zu lassen, auf die vom Regie⸗ rungstisch Mangels jeder Vorbereitung darauf eine Antwort nicht er⸗ theilt werden kann.
Abg. von Strombeck hält es auch seinerseits für wünschens⸗ werth, daß die Beamten ihre Klagen direkt aussprächen, meint aber, daß auch Anregungen aus dem Reichstage heraus Ver⸗ anlassung zur Prüfung geben könnten.
Der Titel wird bewilligt.
Die Matrikularbeiträge im Betrage von 218 648 079 ℳ werden ohne Debatte bewilligt.
Nach den Beschlüssen der dritten Lesung stellen sich nun⸗ mehr die Gesammtausgaben des Etats auf 946 181 699 ℳ, davon entfallen auf die fortdauernden Ausgaben 806 425 340 ℳ, auf die einmaligen Aus⸗ gaben des ordentlichen Etats 56 232 477 ℳ und auf die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats 83 523 882 ℳ Die Einnahmen betragen ins⸗
esammt 946 181 699 ℳ, so daß Ausgaben und Einnahmen alanciren.
Mit diesen Ziffern wird das Etatsgesetz in seinen ein⸗ zelnen Paragraphen und dann gegen die Stimmen der beiden anwesenden Sozialdemokraten Singer und Meister und des Dänen Johannsen im Ganzen angenommen, desgleichen auch das Anleihegesetz.
Eine Reihe von Petitionen wird als zur Erörterung im Plenum ungeeignet erachtet.
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Geschäftssprache der gerichtlichen Be⸗ hörden in Elsaß⸗Lothringen.
Abg. Johannsen: Es wäre ihm lieb, wenn das Wort des Hrn. Staatssekretärs von Boetticher: „Liebet die Brüder!“ auch auf die nicht deutsch redenden Brüder Anwendung fände. In der Legislaturperiode 1885/86 habe sein Landsmann und
eeund Junggreen dargelegt, wie ungerecht es sei, einen voll⸗ ommenen Gebrauch der Muttersprache vor Gericht für unzu⸗ lässig zu erklären. Das Haus habe damals seinen Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Gleichberechtigung der dänischen und deutschen Sprache, abgelehnt, obgleich doch jedes Volk ein Recht darauf habe, daß ihm in seiner eigenen Sprache Recht gesprochen werde. Es werde, wie überall, so auch in Elsaß⸗Lothringen zu preußisch regiert. Versuche man es doch einmal, deutsch und nicht preußisch zu regieren. Es werde dann hoffentlich besser gehen. Die Begründung des Gesetzentwurfs sei überaus mangelhaͤft; sie gebe zu, daß in den siebziger Jahren wenig Deutsch in Elsaß⸗Lothringen gesprochen sei, und doch glaube man, daß eitdem die Bevölkerung hinreichend Deutsch gelernt habe.
chleswig⸗Holstein sei aber seit längerer Zeit deutsch und doch würden selbst Verfügungen der Landräthe an die Ge⸗ meindevorsteher von diesen erst Uebersetzern gegeben. Er bitte, seiner Fraktion, die einstimmig den 1a; ablehne, zu folgen⸗ und in Wahrheit das Wort: Liebet die Brüder! zu befolgen.
Abg. Hartmann: Der letzten Aufforderung zu folgen, sei seine Partei bereit: wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Noth uns trennen und Gefahr! Aber damit wir dies sein könnten, müßten wir uns verstehen, und damit wir uns verständen, müßten wir die Bruchtheile fremder Nationalität, welche der Ehre theilhaftig seien, dem Deutschen Reiche anzugehören, auch für die deutsche Sprache gewinnen. Da der Schritt, der hier gethan werden solle, die Einheit der Gerichtssprache im ganzen Reiche einzuführen, nothwendig sei und der Zeitpunkt hierfür bereits gekommen sei, bitte er, den Gesetzentwurf, ohne ihn an eine Kommission zu verweisen, anzunehmen.
Damit schließt die Diskussion; die zweite Berathung wird im Plenum stattfinden.
Es folgt die erste Berathung des von dem Abg. Rickert eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Militär⸗Strafgerichtsordnung. Nach dem Ent⸗ wurf sollen die verabschiedeten Offiziere der Militärgerichts⸗ barkeit nicht mehr unterworfen sein.
Abg. Rickert: Dieser Entwurf sei eigentlich schon seit vier Jahren gesetzesreif, da bereits 1884 der Kriegs⸗Minister er⸗ klärt einen dahingehenden Antrag anzunehmen. Auch in dieser Session habe auf eine Interpellation von ihm der Kriegs⸗Minister sich ähnlich ausgesprochen; es sei aber Namens der verbündeten Regierungen, einen dahingehenden Gesetzentwurf einzubringen, für nicht angebracht erklärt worden, weil er vielleicht als nicht weit genug gehend abgelehnt werden koͤnnte. Der Kriegs⸗Minister habe nur den Wunsch ausgesprochen, daß die zur Disposition gestellten Offiziere nicht in das Gesetz aufgenommen würden. Der Gesetzentwurf betreffe deshalb nur die verabschiedeten Offiziere. Wenn vielleicht auch mit Inaktivitätsgehalt entlassene Offiziere jetzt nicht mehr zu finden sein sollten, seien sie doch für alle Fälle mit in den Gesetz⸗ d. aufgenommen.
Abg. Hartmann: Der im Jahre 1884 vom Abg. Richter eingebrachte Gesetzentwurf sei nur deshalb nicht genehmigt, weil in dem Gesetzentwurf unter verabschiedeten Offizieren auch die zur Disposition gestellten gemeint sein sollten. Im Uebrigen sei die Stimmung dem Antrage günstig gewesen. Der Antragsteller erkläre, daß unter dem jetzt wieder ge⸗ brauchten Ausdruck „verabschiedete Offiziere“ diesmal die zur Disposition gestellten nicht einbegriffen seien. Die Konser⸗ vativen könnten deshalb dem Gesetzentwurf zustimmen, und er empfehle, die zweite Lesung im Plenum stattfinden zu lassen.
Abg. Dr. Meyer Hhaz. Er sei materiell mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs einverstanden und habe nur gegen die
Formulirung des §. 1 einzuwenden, daß unter die aufzuheben⸗ den entgegenstehenden Bestimmungen auch diejenigen der Militärgerichtsordnungen von Württemberg und Bayern fallen sollten. Er behalte sich vor, für die zweite Lesung einen Antrag einzubringen, der diese Unebenheit beseitige.
„Die Diskussion wird geschlossen; die zweite Lesung wird im Plenum stattfinden. b1“
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Präsident von Levetzow: Das Haus befinde sich in einem Stadium der Verhandlungen, in dem Material für Plenar⸗ sitzungen nicht mehr vorliege. Der Zeitpunkt, bis zu welchem die Kommissionen solches in SIn Umfange für das Plenum vorbereitet haben würden, lasse sich nicht absehen. Unter diesen Umständen erbitte er sich vom Hause die Er⸗ mächtigung, Termin und Tagesordnung der nächsten Sitzung nach eigenem Ermessen ansetzen zu dürfen. Die Kommission für das Alters⸗ und Invalidenversiche⸗ rungsgesetz und für das Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossen⸗ schaftsgesetz, ferner die Wahlprüfungskommission und die Rechnungskommission würden fleißig zu arbeiten haben. Im Falle des Ausscheidens eines Kommissionsmitgliedes, wozu nach der Geschäftsordnung ein Plenarbeschluß nothwendig sei, bitte er von dieser Bestimmung der Geschäftsordnung abzu⸗ sehen und ihn zu ermächtigen, ein solches Ausscheiden einfach zu genehmigen und das Weitere bezüglich eines Ersatzmitgliedes veranlassen zu dürfen.
Schluß 2 ¾ Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt.
— In der gestrigen (12.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten ergriff bei der weiteren Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erweiterung, Ver⸗ vollständigung und bessere Ausrüstung des Staats⸗ eisen bahnnetzes, das Wort der Minister der öffentlichen Arbeiten, von Maybach:
Wenn ich mich nicht täusche, so werden wir heute, wie in früheren Jahren, bei dem ersten Theil der Vorlage sehr viel mehr sprechen hören über das, was nicht in der Vorlage steht, als über das, was darin steht. Die Zahl der Neubauprojekte, die wir Ihnen vorschlagen, ist in diesem Jahre eine geringere als früher. Die Regierung bedauert dies wie Jeder, dessen Erwartung getäuscht ist; sie hat in den Mo⸗ tiven im allgemeinen Theil bereits angedeutet, aus welchen Gründen eine weitere Ausdehnung der Projekte jetzt nicht stattfinden kann. Ich darf diesen Gründen, die zum Theil in der technischen Unreife des be⸗ treffenden Projekts, zum Theil in der nicht genügenden Willfährigkeit der Interessenten liegen, hinzufügen noch den anderen Grund, daß die Verwaltung infolge der schmerzlichen Ereignisse, die das vorige Jahr uns gebracht hat, bei den großen Aufgaben, die uns die Verwüstungen durch die Elemente gebracht haben, besonders stark in Anspruch ge⸗ nommen war, und daß neben allem Diesem es kaum möglich war, noch Alles reif zu machen für eine Vorlage in der jetzigen Session, wie es der Wunsch der Regierung gewesen wäre. Hoffen wir, meine Herren, daß die Regierung in der Lage ist, Ihnen im nächsten Winter ein etwas reichlicheres Bouquet vorzulegen, als es jetzt der Fall gewesen ist.
Seien Sie uüberzeugt, daß wir auf alle Theile des Landes un⸗ ausgesetzt unser Augenmerk gerichtet haben, daß wir die Bedürfnisse der einzelnen Landestheile kennen, auch ohne daß sie uns besonders ans Herz gelegt werden, und daß wir bemüht sind, diesen Bedürf⸗ nissen entgegenzukommen, sobald und soweit es nur irgend möglich ist.
Sie werden begreifen, daß ich mich ebenso wie früher enthalte, mich über einzelne Anregungen, welche gegeben werden, und welche be⸗ sonders auch der Hr. Abg. Bödiker in einem ziemlich reichen Bouquet gegeben hat, auszusprechen. Ich bin auch nicht in der Lage, das Ma⸗ terial sofort zu übersehen, welches zu einer solchen Beantwor⸗ tung nothwendig ist — es steht mir nicht zur Verfügung. — Ich darf mir deshalb wohl heute versagen, bei dem ersten Theil der Vorlage auf diese Neubauten, ich meine die projektirten neuen Bahnen, mich im Einzelnen ausdrücklich einzulassen. Es ist von anderer Seite, vom Hrn. Abg. Dr. Hammacher, der zweite Theil der Vorlage, die Erweiterung einzelner Bahnanlagen und einzelner Bahnhöfe insoweit kritisirt worden, als er der Meinung war, es würde besser sein, Manches in das Extraordinarium des Etats zu bringen. Damit könnte man einverstanden sein von Seiten der Eisen⸗ bahnverwaltung, für diese ist es bekanntlich nach Lage des Garantie⸗ gesetzes von 1882 gleichgültig, ob im Extraordinarium des Etats oder
urch ein besonderes Anleihegesetz die Summen bewilligt werden, welche
nothwendig sind. Beide Summen wachsen dem Anlagekapital der Staatseisenbahnen zu und unterliegen denjenigen Bedingungen, welche das Garantiegesetz von 1882 in Bezug auf Verzinsung und Abschrei⸗ bungen vorschreibt. Wir haben seither uns, das ist auch schon früher gesagt worden, von dem Gesichtspunkt leiten lassen, daß wir in das Extra⸗ ordinarium des Etats einstellen, was bis zu der Zeit, wo der Entwurf des Extraordinariums fertig gestellt sein muß, reif ist für eine Vorlage, aber dasjenige, was wir bis dahin nicht fertig stellen konnten, in die be⸗ sondere Kreditvorlage bringen. Ich kann also sagen, daß gewisser⸗ maßen die Kreditvorlage in diesem Theil eine Art von Nachtrags⸗ Etat ist zu dem Extraordinarium des Haupt⸗Etats. Ich wiederhole aber, daß es sür die Eisenbahnverwaltung gleichgültig ist, ob die Summe im Extraordinarium oder Anleihegesetz steht. In beiden Fällen wachsen die Summen dem Anlagekapital zu.
Wenn der Hr. Abg. Hammacher der Meinung ist, daß wir bei früheren großen Bahnhofsbauten die Summe immer oder in der Regel in das Extraordinarium gebracht hatten, so muß ich ihn be⸗ richtigen. Er hat insbesondere den Kölner und den Düsseldorfer Bahnhof genannt. Gerade für diese Bahnhöfe, auch für Duisburg, sind besondere Anleihen bewilligt. Der einzige große Bau, welcher im Extraordinarium bewilligt wurde, das ist der Bahnhof Frank⸗ furt a. M., und für diesen werden die betreffenden Summen, die aus den Veräußerungen von Grundstücken wieder gewonnen werden sollen, zurückgeführt, und dem Staatskapital abgeschrieben. Ich glaube, der Herr Finanz⸗Minister wird das bestätigen, und vielleicht die näheren Auseinandersetzungen zu machen die Guͤte haben.
Wenn dann die Meinung ausgesprochen ist, wir würden sehr er⸗ hebliche Summen durch den Rückerlös von Grundstücken gewinnen, so ist das zum Theil richtig, aber nicht in dem Maße, wie das an⸗ gedeutet wurde. Beim Bahnhof Frankfurt darf man hoffen, von den 28 Millionen Baukapital, welche die Bahnhofsanlage bedingt, vielleicht 18 Millionen durch Rückerlös zu gewinnen. Beim Bahnhof Köln wird das nicht annähernd so viel sein. Bei dem Bahnhof Düsseldorf scheint es etwas mehr als ein Drittel zu sein.
Ich möchte nun von diesem Punkt übergehen auf einen anderen, der auch in anderen Kreisen große Aufmerksamkeit erregt hat, und, da er einen breiten Raum in der Vorlage einnimmt, einer besonderen Besprechung auch bedürfte. — das ist die Anforderung für die Be⸗ triebsmittel, und im Zusammenhange damit diejenige Summe, welche nothwendig ist, um Wagenschuppen, Werkstätten, Lokomotiv⸗ schuppen, Geleise und was dazu gehört, zu erweitern und zu vermehren. Die Frage, ob der gegenwärtige Wagenpark für den Güterverkehr — ich will zunächst von diesem sprechen — genüge, müssen wir nach den bisherigen Erfahrungen verneinen. Ich will das, was in der Presse und sonst wo gesagt worden ist über den Wagenmangel, aller der Uebertreibungen, die da gemacht sind aus spekulativen oder politischen Gründen, entkleiden, auch das vielleicht noch abziehen, was an Ueber⸗ bestellungen zurückzurechnen ist aus der Absicht, wenigstens das zu be⸗ kommen, was man wirklich haben will, auch das abziehen, was erfah⸗ rungsmäßig darauf zu rechnen ist, daß der Wagenmangel als Vorwand benutzt wird, wenn man Lieferungsverträgen mit unguͤnstigeren Preisen wenigstens für einige Zeit ausweichen will; aber das Faktum, daß der Wagenpark der Staatseisenbahn für den Verkehr nicht ausgereicht hat, steht fest, und es steht ein Gleiches fest in Bezug auf den Wagenmangel
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That eine starke Reserve besaßen.
für fast alle unsere Nachbarstaaten. Wenn Sie die Verhandlungen verfolgt haben, die in den Parlamenten in Oesterreich, Italien und an anderen Orten stattgefunden haben, so werden Sie gefunden haben, daß dort ein gleicher Mangel und vielleicht ein noch stärkerer vorhanden ist.
„Aber worin liegt das? Wenn man behauptet: ihr habt nicht für genügende Reserven gesorgt, — wenn man daraus der Verwaltung einen Vorwurf machen will, so kann ich diesen Vorwurf nicht anerkennen, wenigstens nicht subjektiv, denn wie stand die Sache ? Als wir im vorigen Winter einem aufsteigenden Verkehr entgegengingen, haben wir uns gefragt: wird es nothwendig sein, den Wagenpark zu verstärken? Bei der Verhandlung im vorigen Winter über eine ähnliche Nebenbahnvorlage habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir für den Personenverkehr eine Summe von 8 Millionen Mark begehren, daß wir aber für den Güterverkehr neben den Summen für die betreffenden Bahnen, die wir in der Vorlage verlangten, auch noch Kredite zur Verfügung hätten. Diese Kredite haben wir, sobald wir das Bedürfniß wachsen sahen, realisirt. Sie finden in der Anlage der Hauptvorlage ausdrücklich mitgetheilt auf S. 8, daß eine Anschaffung stattgefunden hat bis zum 1. Oktober 1888 von 333 Lokomotiven, 898 Personenwagen und 6790 Gepäck⸗ und Güterwagen. Von den letzteren ist jetzt der größte Theil abgeliefert; ein kleinerer ist noch zurück. Hätten wir bisher, was der Hr. Abg. Hammacher hervorhob — und ich könnte meinerseits ja damit ein⸗ verstanden sein — einen großen Dispositionsfonds für ausreichende Vermehrung von Betriebsmitteln gehabt, so würden wir kaum in der Lage gewesen sein, davon Gebrauch zu machen; denn was zu haben war, das haben wir beschafft, und wir würden sehr dankbar gewesen sein, wenn man uns einen Laden hätte bezeichnen können, in dem wir noch mehr Wagen zu angemessenen Preisen hätten kaufen können. Er war aber nicht zu finden Es ist also in Bezug auf die Ver⸗ mehrung des Betriebs von der Verwaltung Vorsorge getroffen, soweit es möglich war. Das hat jedoch noch nicht gereicht, und das liegt zum Theil darin, daß zwar nicht wir so schlecht ausgerüstet sind, aber andere schlechter. Wenn Sie die Reichsstatistik verfolgen, so finden Sie, daß die preußischen Staatsbahnen im Jahre 1887/88 nicht weniger als fast 524 Millionen Achskilometer auf fremden. Bahnen mehr geleistet haben, als fremde Bahnen bei uns. Das ist ein nicht gering anzuschlagendes Quantum, wenn Sie berücksichtigen, daß die gesammten Wagen der württembergischen Staatsbahnen 147 Millionen Achskilometer geleistet haben. Wir haben also mit unseren Bahnen ein Defizit für andere Bahnen über⸗ nommen und übernehmen müssen für unseren starken Export über die trockenen Grenzen, und weil wir unseren Verkehr nicht darunter leiden lassen wollten, daß andere Verwaltungen nicht die nöthigen Betriebs⸗ mittel bestritten. Ich habe aber auch gern Veranlassung genommen, — und bin dabei auf Entgegenkommen gestoßen, das ich dankbarst anerkenne —, andere deutsche Regierungen aufmerksam zu machen, ob sie nicht auch auf eine entsprechende Vermehrung des Fuhrparks Bedacht nehmen wollten. Die Einleitungen sind, wie Sie gelesen haben werden, in Bayern und Württemberg bereits getroffen; hoffen wir, daß wir im Verein mit unseren Nachbarn in der Lage sein werden, den Verkehr auch in Zukunft so zu bewältigen, wie wir es wünschen.
Nun möchte ich aber noch darauf hinweisen, daß wir in der t Wir haben eine Einrichtung, die im Jahre 1882 getroffen war, vermöge deren wir uns auch im Frühjahr vorigen Jahres mit den hauptsächlichsten Transportinteressenten, ins⸗ besondere mit den Industriellen darüber vernommen, welche Ver⸗ kehrsrermehrung wohl etwa in Aussicht sein könnte. Das ist ge⸗ schehen im Ruhrkohlengebiet, in Rheinland, Westfalen und ebenso in Oberschlesien, denn ich nehme an, daß die Gewerkschaften, Gruben⸗ besitzer, Aktiengesellschaften auch ihrerfeits einen Oekonomieplan auf⸗ stellen für ihren Haushalt; damals wurde angenommen, daß eine Mehrforderung, ein Mehrtransport etwa von 5 % stattfinden würde. Meine Herren, wie hat sich nun aber die Sache gestaltet? Nicht 5, nicht 7 ½, nein 12 % sind etwa mehr befördert worden; Sie sehen das auch an den Einnahmen. Stellenweise, zeitweise haben wir einen Mehrtransport und eine Mehrförderung erlebt von über 33, ja sogar 42 %. Der Verkehr ist, möchte ich sagen, mit einer Sturzwelle über uns gekommen, nicht etwa zu unserer Freude, denn eine langsamere und ruhigere Entwickelung würden wir vielleicht als gesunde bezeichnen können, aber ich freue mich nichtsdestoweniger über diese Verkehrs⸗ entwickelung. Wir haben also nicht etwa 5 %, sondern mehr als 10 % geleistet. Wir hatten also eine Reserve. Wenn man uns nun vorwirft: ihr habt euch nicht genügend ausgerüstet, habt diskreter jetzt gerechnet gegen früher zur Zeit der Privatbahnen, so trifft das nicht zu. Denn die Kilometervermehrung, die wir vorgenommen haben, trifft fast ausschließlich Nebenbahnen mit einem schwachen Verkehr. Wir können doch nicht für die Nebenbahnen mit einem schwachen Verkehr dieselbe Ausrüstung vorsehen, wie für die Haupt⸗ bahnen, die Arterien des Verkehrs, wie der Hr. Abg. Hammacher sie richtig gekennzeichnet hat.
Der Vorwurf ist also nicht zutreffend, ebenso wenig der Vorwurf, der uns auch an einer anderen Stelle gemacht ist, wir sollten etwa 25 % des gesammten Fuhrparks als Reserve bereit halten, damit, wenn der Bedarf plötzlich eintritt, wir in der Lage wären, allen Anforderungen gerecht zu werden! 25 % des Fuhr⸗ parks mit dem, was dazu nothwendig wäre, würde eine Ausgabe von etwa 300 Millionen bedingen und diese 300 Millionen würden der Regel nach rentlos, und nicht bloß das, sondern als fressendes Kapital daliegen. Das wäre mit einer wirthschaftlichen Verwaltung absolut unvereinbar und am allerwenigsten vereinbar mit den fortwährend auf⸗ tauchenden Forderungen nach Tarifermäßigungen für Personen⸗ und Güterverkehr. Wenn in Oberschlesien — das ist vorhin erwähnt worden — ein Mangel eingetreten ist, den ich sehr beklage, so liegt das nicht daran, weil ein Wagenamt nicht existirt; ein Wagenamt war vorhanden, es ist inzwischen nur von Gleiwitz nach Kattowitz verlegt worden und etwas anders eingerichtet worden. Der Wagen⸗ mangel ist dort plötzlich sehr stark aufgetreten und konnte nicht befriedigt werden, weil ein Theil des Verkehrs, der nach Oesterreich hinüber Pbt von uns mit bedient werden mußte, indem die österreichischen Bahnen nicht dasjenige QOuantum an Wagen beistellten, welches sie beistellen mußten. Dafür sind wir eben auf⸗ gekommen, um den Verkehr nicht stocken zu lassen. Wir haben ja — wie die Einrichtung beschaffen ist in Bezug auf die Wagenvertheilung, ersehen Sie aus den Anlagen zu dem Gesetzentwurf —, wir haben vielleicht damals die Demarkationslinie für das Zuführungsgebiet in Oberschlesien zu weit nach Osten gelegt. Sie ist inzwischen weiter nach Westen gelegt worden, und ich hoffe, daß dadurch jetzt ein Wagenmangel für lange Zeit, soweit wir es überblicken können, ver⸗ hütet wird.
Daß Nachtheile durch den Wagenmangel eingetreten sind für die Interessenten, wer wollte das bestreiten? Wir wünschen — das werden wir auch in Zukunft in Anspruch nehmen müssen —, daß die Interessenten uns bei der Bewältigung der großen Schwierigkeiten, die dort bestehen, möglichst helfen, daß sie, wenn es nicht zu vermeiden ist, auch eine Verkürzung der Ladefristen, die aber jetzt nur ausnahmsweise, nicht, wie früher, der Regel nach stattfindet, und mit einer gewissen Mil⸗ derung gehandhabt wird, nicht so übel aufnehmen. Es ist — der Hr. Abg. Dr. Hammacher hat bereits die Güte gehabt, das zu bemerken — das Aeußerste geschehen, um den Umschlag der Wagen zu beschleunigen und zu verstärken; es ist Nachtdienst eingerichtet worden auf weiten Strecken, Leerzüge sind eingerichtet, lediglich um Leermaterial rasch zurückführen zu können; es hat eine doppelte Besetzung der Lokomo⸗ tiven stattgefunden, um Alles rasch fortbringen zu können, u. s. w.: senug, es ist ein Umschlag, wie er früher gar nicht hätte stattfinden önnen, eingetreten, der uns eine Mehrleistung von etwa 20 % ein⸗ ebracht hat. Wie man da an anderer Stelle hat sagen können, die
taatseisenbahnverwaltung habe bei dieser Gelegenheit ihre Leistungs⸗ unfähigkeit bewiesen, ist mir unerfindlich. Der Herr, der das gesagt hat, hat jedenfalls die Verhältnisse nicht Fenas übersehen können.
Wir müssen, meine Herren, in der Lage sein, und deshalb sind die Anforderungen in diesem Fall so hoch gegriffen, uns für unseren Verkehr vollständig leistungsfähig zu halten. Wenn wir auf der einen
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Seite dazu übergehen — und ich hoffe, daß wir das weiter können —, Feite dane aichterungen eintreten zu lassen, so müssen wir auch in der Lage sein, den Verkehr fördern zu können; denn wenn wir jetzt dazu übergingen, große Verkehrserleichterungen einzuführen und hinterher den Verkehr nicht befördern könnten, so würde man mit Recht sagen: das ist ein schlechter Fuhrherr, der Bestellungen an⸗ nimmt, die er hinterher nicht ausführen kann. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen, daß unser Export — ich meine nicht den über die Wässer, sondern den über die trockene Grenze — sich mehrt und ver⸗ stärkt. Das bedingt aber, daß unsere Wagen sehr viel weiter laufen, als es bisher der Fall war. Unsere Wagen gehen bis an die äußerste Spitze von Italien; sie werden auch in die Balkanstaaten übergehen, deshalb müssen wir mehr Güter⸗ und Gepäckwagen haben, und ebenso mehr Lokomotiven; aber wir müssen auch noch mehr Personenwagen haben: wir wollen auch in Bezug auf den Personenverkehr bessere Einrichtungen treffen. Es werden hie und da Schnellzüge vermißt. Wir wollen auch in dieser Beziehung den wirklichen Be⸗ dürfnissen nach Möglichkeit entgegenkommen und die Staatseisen⸗ bahnverwaltung so leistungsfähig machen, wie wir es erwarteten, als wir mit Ihrer Zustimmung das Staatsbahnsystem einführten.
Finanz⸗Minister Dr. von Scholz:
Nur weil ich ausdrücklich von verschiedenen Seiten dazu auf⸗ gefordert bin, möchte ich im an das, was der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten schon ausgeführt, über den einen Punkt, den der Hr. Abg. Dr. Hammacher zunäͤchst in Betracht gezogen hat, kurz mich äußern, nämlich über die Frage, ob nicht ein Theil der Aus⸗ gaben, welche nach dem vorliegenden Gesetzentwurf auf An⸗ leihe zu nehmen vorgeschlagen wird, richtiger in das Extraordinarium des Staatshaushalts⸗Etats zu bringen ist. Ich kann dem, was von dem Herrn Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten in dieser Beziehung gesagt worden ist, für die Ver⸗ gangenheit nur hinzufügen, daß in all den Jahren, wo der Staats⸗ haushalts⸗Etat mit einem Deftzit abschloß, mit einer Anleihe nur zu balanciren war, es auch für die Finanzverwaltung ganz gleichgültig war, ob eine Ausgabe der hier in Rede stehenden Art in das Extra⸗ ordinarium des Etats, oder ob sie in das Anleihegesetz kam, denn in dem einen wie in dem anderen Falle vermehrte sich eben die Summe, die durch eine Anleihe aufgebracht werden mußte. Ich kann also auch zugeben, daß in den Jahren, wo vorauszusehen war, daß der Abschluß des Etats nur mit Anleihe zu machen war, unter besonderen Umständen, vielleicht auch aus sonstigen sachlichen Rücksichten, mal eine Ausgabe, die ihrer Natur nach in das Anleihegesetz gehört hätte, in das Extraordinarium genommen ist oder umgekehrt, weil eben ein finanzielles Interesse daber nicht im Spiel war. Abgesehen aber von diesen Jahren und abgesehen von solchen besonderen Fällen, ist das Prinzip immer gewesen, daß in das Extraordinarium des Staatshaushalts⸗ Etats bei der Staatsbahnverwaltung solche Ausgaben traten, welche auch bei der Privat⸗Eisenbahnverwaltung aus den laufenden Ein⸗ nahmen zu bestreiten sein würden, daß dagegen in eine besondere Kreditvorlage diejenigen Ausgaben aufzunehmen seien, welche auch bei einer Privatverwaltung zum Gegenstand einer besonderen Kapital⸗ beschaffung gemacht werden würden.
In diesem Sinne ist, wie ich sagte, mit gewissen Ausnahmen, seit Jahren verfahren worden, innerhalb der Finanzverwaltnng auch prinzipiell immer thunlichst dahin eingewirkt worden, in diesem Sinne zu verfahren. Und, meine Herren, ich glaube, es ist auch richtig, daß wir weiterhin so verfahren, weil wir sonst das Bild, wie sich die Verhältnisse der Staats⸗Eisenbahnverwaltung gestalten, wiederum ver⸗ dunkeln würden, und den Vergleich gegen früher wesentlich alteriren würden.
Wenn ich nun aber die weiteren finanziellen Ausführungen des Abg. Hammacher noch mit ein paar Worten berühren darf — ich will gleich vorweg bemerken, daß es nicht meine Absicht ist, heute bei dieser Gelegenheit die Frage zu retardiren, zumal der Herr Abgeord⸗ nete selbst sich vorbehalten hat, künftighin die Sache noch einmal bei einer anderen Gelegenheit ausführlich zur Sprache zu bringen —, so kann ich ja hervorheben, daß, wie er selbst anerkennen wird, die Staatsregierung in voller Uebereinstimmung der Tendenz mit ihm sich befindet, immer befunden hat, und daß aus dieser Uebereinstimmung schon mehrere praktische Folgerungen auch für unseren Etat gezogen worden sind. Ich bin auch überzeugt, daß der Herr Abgeordnete nicht zweifeln wird, daß die neue Etatsvorlage von diesem überein⸗ stimmenden Bestreben ein beredtes Zeugniß abgelegt hat, indem sich die Staatsregierung, sobald die Möglichkeit geboten ist, nichts drin⸗ gender angelegen sein läßt, als auch zu effektiver Staatsschulden⸗ tilgung die MNätel bereit zu stellen. Aber ich möchte nun auch ihn bitten, andererseits nicht von der Meinung auszugehen, daß die hervorgeho⸗ benen Ueberschüsse der Staats⸗Eisenbahnen lediglich für den Staatsdienst, für die Staatsbedürfnisse in Anspruch genommen würden, soweit sie nicht zur Schuldentilgung verwendet werden. Meine Herren, die Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung sind ja mit das Mittel, was uns in den Stand setzt, Steuererleichterungen im Lande. Erleichte⸗ rungen der Volksschullasten herbeizuführen. Das ist doch nirgendwo gesagt, daß die Eisenbahnüberschüsse gerade auf dem Gebiet des Eisen⸗ bahnverkehrs den Interessenten zur Erleichterung gereichen müssen. Wenn wir die Ueberzeugung gewinnen, daß in einem noch allgemeineren Wege noch viel besser dem Volk geholfen werden kann, so wird man doch nicht sagen: die Eisenbahnüberschüsse finden keine angemessene Verwendung; das Volk wird auf dem Gebiet der Schullasten und der Gemeindelasten entlastet, aber wo bleiben die Verkehrsbeziehungen? Ich muß doch sagen, das, was wir in dem Etat zur Erleichterung des Volks allgemein in der Richtung, wie sie hier immer am dring⸗ lichsten bezeichnet worden ist, vorschlagen, das ist mit a conto der besten Verwendung der Eisenbahnüberschüsse zu buchen.
Im Uebrigen möchte ich nur noch die Frage bezüglich der großen Einkünfte von Grundstücksveräußerungen kurz berühren.
Daß wir in Frankfurt a. M. aus den Verkäufen der Bahnhofs⸗ terrains einige erhebliche Einnahmen haben würden, ist nicht etwas, was sich erst neuerdings herausgestellt hat, das ist z. B. in der Denk⸗ schrift, die dem Etat von 1879/80 besonders beigelegt worden ist, schon mit Ziffern vorgeführt worden Es ist damals berechnet worden, daß sich ein Ergebniß von 19 500 000 ℳ etwa für die betheiligten drei Bahnen bei dem Verkauf der Frankfurter Bahnhöfe herausstellen würde. Es ist mir im Augenblick nicht mit Sicherheit bekannt, ob über diese Einnahme und deren Verrechnung irgendwo schon eine be⸗ sondere Bestimmung gegeben ist: ich werde danach nachsehen, es wäre nicht unmöglich. Ich erinnere z. B. daran, daß wir eine solche Bestimmung haben bezüglich aller Veräuße⸗ rungen der Berliner Stadtbahnparzellen, daß wir in Folge dessen sogar eben erst wegen 60 000 oder 70 000 ℳ eine besondere Vorlage zu machen die Ehre gehabt haben, um deren Verwendung nachzuweisen. Ich kann im Augenblick also nicht sagen, ob bezüglich jener voraus⸗ zusehenden Einnahme irgend eine solche bindende Vorschrift schon be⸗ steht, oder wie es sonst mit ihr zu halten sein würde. In Bezug auf die Tendenz der Behandlung solcher Einnahmen, die auf Schulden gemachten Ausgaben gegenüberstehen, bin ich mit dem Herrn Ab⸗ geordneten ganz einverstanden, daß, wenn es irgend möglich und zu⸗ lässig ist, wir nichts Dringenderes zu thun haben, als die Einnahmen nicht bloß abzuschreiben, sondern sie auch effektiv zur Tilgung von Schulden zu verwenden. Ich behalte mir vor, auf diesen Punkt dem⸗ nächst wieder zurückzukommen.
Abg. Graf Strachwitz empfahl die Bewilligung der für die Neubeschaffung von Betriebsmitteln geforderten 50 Millionen Mark, weil Oberschlesien nicht genügend mit Wagen habe versorgt werden können und Kuch gegenüber dem Ruhrgebiet zurückgesetzt worden sei, so daß sogar für die oberschlesischen Gruben Verluste entstanden seien, weil wegen der Unmöglich⸗ keit zu liefern vielfach Bestellungen zurückgenommen worden wären.
Abg. Wirth sprach seine Freude darüber aus, daß die Bahn Wiesbaden —Langenschwalbach in Angriff genommen sei und b deren Fortführung das Lahnthal abwärts nach
dem Zollhaus. Ferner wünschte er eine Bahn zum Aufschluß des hohen Taunus, um für die Bewohner der um das Dasein kämpfenden armen Gebirgsdörfer eine Verbindung nach Frank⸗ furt a. M. hin zu schaffen. “ —
Abg. Ludowieg dankte dem Minister für die in Aussicht genommene neue Bahnhofsanlage in Harburg.
Abg. Dr. Lotichius trat ebenfalls für die Linie Langen⸗ schwalbach —Zollhaus ein.
Abg. Dr. Grimm empfahl die Erschließung des östlichen Oberwesterwaldes, damit die dortigen Eisenstein⸗, Kalk⸗ und Braunkohlengruben nutzbar gemacht würden.
Abg. Halberstadt sprach seine Verwunderung darüber aus, daß die Bahn Altdamm —Gollnow —Wollin— Kammin, zu deren Bau die Freiburg⸗Schweidnitzer Bahn als Privatbahn sich verpflichtet gehabt habe, noch immer nicht in Angriff genommen sei. Außerdem bitte er um Fortführung der Bahn von Gold⸗ berg vunch den Schönauer Kreis zum Anschluß an die Ge⸗
irgsbahn.
Abg. vom Heede schloß sich den Ausführungen des Abg. Dr. Hammacher an, weil es nicht gleichgültig sei, ob die Bauten im Extraordinarium oder in der Anleihe ständen; denn durch Uebernahme auf die Anleihe stiegen die Ueber⸗ schüsse, und damit stiege die Verleitung zur Bewilligung für allgemeine Ausgaben aus den Eisenbahnüberschüssen.
Abg. Goldschmidt: Er bedauere, daß die Forderung für die Betriebsmittel erst jetzt komme; die Industrie habe schwer darunter gelitten, daß ihr die Kohlen nicht rechtzeitig genug geliefert worden seien und daß neue Güterwagen erst bestellt worden seien, als das Feuer bereits auf den Nägeln gebrannt habe. Er sei niemals ein Freund der Staatsbahnen gewesen, und es sei begreiflich, daß er es auch jetzt noch nicht sei. Er habe in den Staatsbahnen stets eine Gefeßh für die entche erkannt, und noch mehr eine Gefahr für unsere
inanzen; denn die großen Ueberschüsse könnten leicht schwinden und einmal ebenso großen Fehlbeträgen Platz machen. Er erkenne an, daß die Befürchtung nicht erfüllt sei, daß nämlich die Wasserstraßen vernachlässigt würden; auch für den Per⸗ sonenverkehr sei gesorgt worden, aber in Bezug auf den Güter⸗ verkehr hätten die Verwaltungen sich nicht genügend über die Bedürfnisse der Industrie informirt. ie Steigerung des Verkehrs sei auch nicht so unerwartet gekommen, wie aus den Berichten der Handelskammern zu ersehen; entsprechend der Zunahme des Verkehrs habe man nicht genügend an Neu⸗ beschaffungen für den Wagenpark gedacht. Auffallen daß im Ruhrgebiet ein Ueberfluß an Wagen gewesen sei, während in Oberschlesien Mangel geherrscht habe. Es solle das kein Vorwurf gegen den Minister sein, an dessen gutem Willen nicht zu zweifeln sei, aber eine so umfangreiche Ver⸗ waltung sei nicht im Stande, allen örtlichen Bedürfnissen ge⸗ recht zu werden. Der nächste Herbst werde wahrscheinlich, trotz der Vermehrung der Gepäck⸗ und Güterwagen, dieselbe Nothlage zeigen, die man im verflossenen Herbst erlebt habe.
Minister der öffentlichen Arbeiten, von Maybach:
Den Herrn Vorredner zu einem Anhänger des Staatseisenbahn⸗ systems zu machen, darauf muß ich wohl verzichten, ich glaube nicht, daß mir das gelingt; aber ich kann doch Einzelnes aus seinen Aus⸗ führungen nicht unwidersprochen hingehen lassen.
Insbesondere sagt er, seit zwei Jahren sei Seitens der Handels⸗ kammern in ihren Berichten darauf aufmerksam gemacht worden, daß ein starker Verkehr kommen werde, man möge sich darauf ein⸗ richten. Nun, die Handelskammerberichte werden in meinem Ministerium auch gelesen; aber seit zwei Jahren bin ich einer solchen Aufforderung nicht begegnet; wohl aber kann ich gegen diese Be⸗ hauptung einen Auszug aus dem Jahresberichte der Handelskammer zu Baargrücken für 1887, der erst 1888 ausgegeben ist, mittheilen. Es heißt dort:
Wie wir bereits in unserem vorjährigen Berichte feststellen konnten, trat in den beiden letzten Monaten des Jahres 1886 eine Besserung in der Eisenindustrie sowohl hinsichtlich des Absatzes, wie auch in Bezug auf die Verkaufspreise ein.
Noch im Frühjahr 1887 war nicht zu übersehen, ob die eingetretene Beflerung nur ein vorübergehendes Auf⸗ flackern, eine Ergänzung des allernothwendigsten Bedarfs sei, oder ob sie eine längere Dauer annehmen und den Beginn eines allgemeinen wirthschaftlichen Aufschwungs bezeichnen werde.
Die unverhüllten Bestrebungen der deutschen Regierungen, Alles an die Erhaltung des Friedens daranzusetzen, die Bereit⸗ willigkeit des Deutschen Reichstages, der Regierung die hierzu erforderlichen Mittel in die Hand zu geben, hoben die Friedens⸗ aussichten und stärkten das Vertrauen der Ges äftswelt auf eine andauernde Besserung der wirthschaftlichen Lage. Insbesondere die vom Reichstage genehmigte Ausführung der s. g. strategischen Eisenbahnen verschaffen den Eisenhütten eine erhöhte Thätigkeit.
Also, meine Herren, erst die Friedenszuversicht war es, die den Verkehr neuerdings gehoben hat. 1 8
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß man selbst in den nächst betheiligten Kreisen nicht der Ansicht gewesen sei, es würde eine folche Verkehrssteigerung eintreten, wie es thatsächlich der „Fall gewesen ist.
Noch ein anderes Zeugniß könnte ich dafür anführen, von dessen Feinfühligkeit Sie wohl überzeugt sein werden. Betrachten Sie ein⸗ mal den Courszettel der Börse, vergleichen Sie die Course im ersten Quartal des vorigen Jahres mit denen am Schluß desselben und jetzt, und dann werden Sie unmöglich annehmen können, daß man Seitens der Interessenten damals schon eine so bedeutende Verkehrssteigerung in Aussicht nahm; im Gegentheil, es scheint damals noch starker Zweifel geherrscht zu haben. Ich erlaube mir einige Zahlen vorzulesen.
Der Cours der Bismarckhütte betrug im ersten Quartal 1888 128,50, der neueste Cours beträgt 185,25; Bochumer Gußstahl 135,40, jetzt 202; Bonifacius 60,25, jetzt 108,50; konsolidirte Redenhütte Stammprioritäten 79,50, jetzt 142; Donnersmarckhütte 45,25, jetzt 73; Königs⸗ und Laurahütte 90,50, jetzt 144,60; Dortmunder Union Litt. A. 66,90, jetzt 102,70; Gelsenkirchener Bergwerke 118,40, jetzt 149,50; Harpener Bergwerke 73, jetzt 150; Hibernia 89,50, jetzt 152. Ich könnte dieses Register noch fortsetzen, meine Herren. Ich glaube, daß, wenn die Verwaltungen dieser Werke, die doch auch in die Zukunft sehen, keine bessere Ansicht über die Entwickelung des Verkehrs hatten, man der Eisenbahn⸗ verwaltung, welche diese Werke wesentlich zu bedienen hat, nicht mal zum Vorwurf machen kann, daß sie nicht weiter sah als die Interessenten selbst. b 1 “
Wenn dann weiter die Besorgniß gehegt wird, wir würden im Herbst, wo hoffentlich eine Steigerung des Verkehrs kommen werde, namentlich der Verkehr der Industrie und der Landwirthschaft sich steigern werde, nicht in der Lage sein, diesen Verkehr zu bewältigen, so, glaube ich, werden wir diese Besorgniß Lügen strafen. Wir haben uns darauf eingerichtet, auch einen stärkeren Verkehr bewältigen zu können, als wir ihn bisher gehabt haben, und ich glaube dann gerade dem Herrn Abgeordneten den Be⸗ weis liefern zu können, daß die Staatseisenbahnverwaltung etwas ganz Anderes leisten kann, als die kleinen in vereinzelten Be⸗ strebungen sich verzettelnden Privatbahnen.
Es ist noch ein Punkt, der mich bewegt, das Wort hier zu er⸗ greifen. Der Hr. Abg. vom Heede hat vorhin auf die Bemerkung des Hrn. Abg. Dr. Hammacher die Frage der Schmalspurbahnen gestreift. Es ist gesagt worden, es bestehe die Meinung, es wäre meinerseits ein Vorurtheil gegen Schmalspurbahnen vorhanden. Ich
habe mich in diesem hohen Hause schon früher einmal ausgesprochen
über meine Stellung zu den Schmalspurbahnen und gesagt, daß ich kein prinzipieller Gegner derselben sei, daß aber die Frage, ob ei Schmalspurbahn oder eine Normalspurbahn am Orte, sich nich im Allgemeinen entscheiden läßt, sondern nach 1b
kreten Fall entschieden werden muß. Neben verschiebenen anderen Interesien, die dabei zu berücksichtigen sind, sind es auch die militärischen, für welche wichtige Rücksichten in Betracht kommen. Die Schmalspurbahn hat für die Militärverwaltung bekanntlich num einen geringen, in vielen Fällen vielleicht gar keinen Werth, für die Industrie aber mitunter einen sehr hohen. Daß wir einer solche Einrichtung nicht grundsätzlich abgeneigt sind, beweist das Exempel,
welches Hr. vom Heede die Güte hatte anzuführen, wonach wir für die Kreis Altenaer Schmalspurbahn nicht allein unser Wohlwollen, sondern auch eine ganze Menge Geld hingegeben haben, und ich meine, in Zukunft werden wir die Sache wiederum so behandeln, — praktisch, — nach der Beschaffenheit des einzelnen Falles und unter Berücksich⸗ tigung aller übrigen Interessen, welche zur Sprache kommen. Daß eine Normalspurbahn, wenn sie überhaupt ausführbar ist, bessere Dienste leisten wird als eine Schmalspurbahn, glaube ich im Allgemeinen sagen zu können. Ich will hinzufügen, daß diese Bahnen dritter Ordnung — als solche könnte ich sie ja wohl bezeichnen — bisher nicht nach festen Grundsätzen behandelt worden sind, die Staatsregierung aber der Meinung ist, daß in dieser Beziehung Wandel geschaffen werden muüsse. Es ist unsere Absicht, mit einem Gesetzentwurf hervorzutreten, der für diese Bahnen und Unter⸗ nehmungen eine feste Basis schafft. Bei einem solchen Entwurf ist indeß eine Menge von Interessen zu berücksichtigen, auch Reichs⸗ interessen kommen zur Sprache neben den Interessen der verschiedence: Ressorts. Diese Erwägungen sind ziemlich zu Ende geführt, es müssen noch die Provinzialbehörden gehört werden, und dann hoffe ich, daß wenn irgend möglich wir Ihnen im nächsten Winter eine Vorlage machen können über die grundsätzliche Behandlung derartiger Bahnen, damit das Willkürliche, was vielleicht bisher in denselben darin gelegen hat, künftig entfällt.
Abg. Mooren bat um einen besseren Anschluß de preußischen Bahnen an die belgischen; bie bisher vorhanden einzige Linie Aachen —Herbesthal —Lüttich genüge den Verkehrs bedürfnissen nicht; es empfehle sich die Linie Schipperke — Namur-Lüttich. “““ G
Abg. Dr. Avenarius vermißte in der Vorlage eine Linie von Goldberg nach Löwenberg und wünschte eine Erweiterung des Bahnhofs in Greiffenberg, die dringend nothwendig sei.
Abg. von Below⸗Saleske meinte, daß Diejenigen, die kein Vertrauen zu der Regierung hätten, aus staatspolitischen Gründen gegen die Verstaatlichung der Eisenbahnen sein könnten; unbegreiflich aber sei es Angesichts der Thätigkeit der preußischen Staatsbahnverwaltung, aus technischen Rücksichten Bedenken gegen die Staatsbahnen zu haben. Es sei doch höchst zweifelhaft, ob die Privatbahnen so gesteigerten Verkehrsbedürfnissen überhaupt hätten gerecht we den können. Daß die Vertheilung der Wagen keine gleich⸗ mäßige gewesen sei, müsse man zugeben; ein Theil der Schuld falle auf diejenigen Industriellen, die auf die Anfrage des Ministeriums ihren Bedarf zu hoch angegeben hätten; dies Herren sollten künftig weniger „vorschlagen“. In Bezug auf die Nebenbahnen sei zu wünschen, daß die Rentabilitäts⸗ frage nicht eine zu große Rolle spiele. Die Bahn hofsbauten sollten möglichst zweckentsprechend und ein⸗ fach hergestellt werden; man könne in dieser Beziehung von England lernen, wo die betreffenden Bauten zwar nicht den Schönheitssinn stärkten, aber überaus praktisch seien. Endlich sei zu empfehlen, bei der Forderung für Ersatzmaterial in dem Etat schon der Steigerung des Verkehrs Rechnung zu tragen und Mittel für die Erweiterung des Materials zu verlangen. Das würde auch die Folge haben, daß der Eisenbahn⸗Etat weniger günstig aussehen und die Begehrlichkeit, an dem Gewinn der Bahnen Theil zu haben, nicht so stark hervor⸗ treten werde. 8
Abg. von Christen bemerkte, daß die Provinz Hessen in der Vorlage zu wenig berücksichtigt sei; insbesondere sei ein Anschluß der Bahn Eschwede — Wanfried — Treffurt an Brokerode, Kreis Schmalkalden, nothwendig.
Abg. Bork bat um eine
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Verbindung zwischen dem nassauischen Westerwald und Westfalen. 8 Abg. Broemel betonte, daß die Gegner des Staatsbah systems sich nunmehr auf den Boden der Thatsachen stellen müßten und ihre Aufgabe nur darin bestehen könne, ehr⸗ lich mitzuarbeiten, hervortretende Schäden zu beseitigen.
Der Courszettel könne nicht beweisen, daß der Ver⸗ kehrsaufschcvung von keiner Seite habe vorher 8. werden können; bei den betreffenden Coursen müsse der Faktor der Spekulation mit in Betracht gezogen werden; außerdem wirke auf den Coursstand der Preis des Fabrikats mehr ein, als die Ausdehnung der Produktion. — In dem Bestreben, den Wagenpark möglichst auszunutzen, sei für die Ausdehnung desselben nicht genügend Sorge getragen. In Oberschlesien sei die Gestellung der Güterwagen 1888 sogar erheblich EEE11 hinter der von 1887; täglich seien nahezu Wagen 1888 weniger gestellt worden als 1887; da die Anforderungen der Industriellen aber noch viel höher gewesen, sei zuweilen ein Manco von 1200 Waggons pro Tag eingetreten. Einen großen Reservepark von etwa 25 Proz. des gesammten Materials zu halten, wäre vüinne enc Die starke Ausnutzung des Parks verlange indessen, mehr als bisher nothwendig gewesen, den Reservepark zu verstärken. Eine Folge davon würde freilich sein, daß die Ausnutzung der einzelnen Güterwaggons, auf welche die Staatsregierung heute so stolz sei, wieder etwas herabgedrückt werde; aber egenüber dee finanziellen “ der Staatsverwaltung tehe der Vortheil für unsere gesammte Produktion. Die Herstellung der Wagen könne dann auch gleichmäßiger auf die verschiedenen Jahre vertheilt werden; es würde sonst ein Aufschwung in die Wagenbau⸗Industrie hineingetragen, der auf die Dauer nicht zu halten sei. Bei Personenwagen sei gegenwärtig das Reserveverhältniß stärker als bei den Güter⸗ wagen.
g Regierungskommissar, Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath leck wies darauf hin, daß der Zuführungsrayon in berschlesien im vergangenen Jahre erweitert worden sei. Die Zahlen des Abg. Broemel seien nicht zutreffend; nur in einem Monat sei die Gestellung der Wagen 1888 hinter 1887 zurückgeblieben; im Ganzen sei sie 1888 um 13,2 Proz. stärker gewesen als 1887. Nur dadurch, daß die Anforderungen sprungweise in exorbitanter Weise semacht seien, habe sich der Wagenmangel so schwer fühlbar emacht. 8 Abg. Berger (Witten) bemerkte, daß die Behauptung des Abg. von Below, die Privatbahnen wären überhaupt nicht im Stande gewesen, so viel Güter zu befördern, wie die Staats⸗ verwaltung thatsächlich befördert habe, der Begründung ent⸗ behre. Wenn man gerecht sein wolle, müsse man sagen, die Staatsbahnen wie die Privatbahnen kochten beide mit Wasser;
ihre Mittel seien dieselben. Bezüglich der Vorlage möchte er be⸗