1889 / 44 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Feb 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. Berger (Witten) verzichtete auf weitere Ausfüh⸗

een, da die Sache erschöpfend behandelt sei und die große

Mehrheit des Hauses sich in dem von ihm vertretenen Sinne

ausgesprochen habe. Abg. Bachem: Er habe im vorigen Jahre nicht prophezeit,

daß das gegen Conrad entscheiden werde, sondern nur gesagt, vielleicht fördere es die Schuld desselben zu Tage. Wenn von ihm eine Wiederholung der Angriffe in der Presse verlangt werde, so möge auch der Minister seine Bemerkungen über die „fragwürdigen Gestalten“ in Zeitungen wiederholen. Persönlich habe er Hrn. Conrad nicht angreifen wollen, son⸗ dern die Sache nur wegen ihrer prinzipiellen Bedeutung zur Sprache gebracht. Ihm würden solche persönliche Angriffe widerstreben. Das Kölner Gericht habe den Re⸗ dacteur freigesprochen, weil der Beweis der Wahr⸗ heit erbracht gewesen sei. Eigentlich sei also Conrad als der Gerichtete aus dem Prozeß hervorgegangen. Der Bürgermeister Conrad habe ja das ganze Material zu seiner Entlastung vorbringen können, der Ortsvorsteher Russel von Hönningen sei sogar vernommen worden. Auf die liebens⸗ würdigen persönlichen Ausdrücke des Abg. von Eynern ant⸗ worte er nicht. Es sei aber unrichtig, daß er im vorigen Jahre das Urtheil des Ehrengerichts habe abwarten wollen, es habe sich nur um die damals schwebende Koblenzer Ver⸗ handlung gehandelt. Dem Minister bemerke er, daß er (Redner) nicht dem ehrengerichtlichen Erkenntniß gegenüber den Conrad für bescholten erklärt habe, er habe das nur im vorigen Jahre auf Grund des Kölner Urtheils gethan.

Minister des Innern, Herrfurth:

Meine Herren! Das Wort noch einmal, aber zum letzten Male

n dieser Sache zu ergreifen, bin ich zunächst veranlaßt worden durch eine mir soeben zugegangene Depesche, welche mich auffordert, eine Berichtigung eintreten zu lassen. Das will ich hiermit thun. Die

Depesche lautet:

Ew. Excellenz haben in Sachen Conrad irrthümlich die „Koblenzer Zeitung“ angeführt. Klage war gegen die „Koblenzer Volkszeitung“ gerichtet.

Bitte dies baldmöglichst zu berichtigen.

Doetsch, Verleger der Koblenzer Zeitung.

Das will ich hiermit gethan haben.

Der zweite Punkt ist ein wichtigerer. Ich habe allerdings dem Hrn. Abg. Bachem gesagt, er habe sich in seiner heutigen Rede mit

em Wortlaut des ehrengerichtlichen Erkenntnisses in Widerspruch

esetzt. Er hat nämlich hier von der Tribüne und ich glaube, das nkorrigirte Stenogramm wird das nachweisen gesagt, der Bürger⸗ meister Conrad hat zweimal Gelder in Empfang genommen, die⸗ elren das eine Mal drei Monate, das andere Mal über

Jahr bei sich behalten; der Mann ist dadurch „bescholten“.

ch war nicht ganz sicher und habe meine Nachbarn gefragt, und die

aben mir dies bestätigt.

Demgegenüber habe ich nun den Wortlaut des ehrengerichtlichen

rkenntnisses, welches die Unbescholtenheit des Conrad kon⸗

statirt, ausdrücklich hier angeführt. Meine Herren, es liegt mir änzlich fern, Hrn. Abg. Bachem persönlich anzugreifen, und ich öchte ihn bitten, mein Originalstenogramm zu lesen, wenn er glaubt, in dem vorgestrigen stenographischen Bericht etwas Anderes stehe, ls was ich gesagt habe, und was die „Kölnische Zeitung“ in rich⸗ ger Fassung gebracht hat. Meine Herren, ich habe ihm nichts vor⸗ eworfen, was ihn perfönlich verletzen könnte, ich habe nur gesagt, daß er kein zuverlässiger Prophet gewesen sei, und das werden Sie unmög⸗ lich für einen persönlichen Angriff halten. Sie können mich doch nicht zwingen, den Hrn. Abg. Bachem, sei es unter die großen, sei es unter die kleinen Propheten zu rechnen. 8 Abg. Lehmann bemerkte, er habe nicht den Minister an⸗ gegriffen, sondern gewünscht, derselbe möge die Sache wegen b1n Nichtbestätigung des Kirchenbaus in Serrig nochmals prüfen.

Abg. Rickert: Die Rheinbrohler Sache habe er fachlich gar nicht berührt, sondern nur dagegen protestirt, wie man über die gerichtlichen Erkenntnisse gegenüber dem Ehrengericht gesprochen habe. Für die Erklärung des Ministers über die Ueberwachung der Versammlungen sei er demselben dankbar. Für die Vergehen der nachgeordneten Behörden mache er ihn nicht verantwortlich. Bezüglich der Kreisblätter habe der Minister ihn mißverstanden. Der Landrath habe den Verleger und den Redacteur in Kulm rektifizirt, weil diese den Wahl⸗ aufruf der freisinnigen Partei seiner Zeitung beigelegt hätten. Er wünsche nur, daß Licht und Sonne zu gleichen Theilen gespendet werde.

Abg. Dr. Enneccerus: Es handele sich durchaus nicht um die Abwägung eines richterlichen Urtheils gegen ein ehren⸗ gerichtliches. Die Integrität des Kölner Landgerichts und ihres Präsidenten habe Niemand angegriffen. Auf Grund des damals vorliegenden Materials habe gar nicht anders erkannt werden können. Jetzt sei die Sache aber völlig verändert. Es habe sich als unrichtig erwiesen, was das Kölner Gericht an⸗ genommen habe, die Zeugen hätten später ihre Aus⸗ sagen nicht mehr aufrecht erhalten können. Jetzt stehe das Haus vor der Frage, wie es über Conrad zu urtheilen habe. Diese Frage richte sich besonders scharf gegen den Abg. Bachem, der scharfe Ausdrücke gegen Conrad gebraucht habe. Diese sittliche Frage verneine der Abg. Bachem und halte sich nicht zu einer Ehrenerklärung für verpflichtet. Dabei habe der katholische Kirchenvorstand von Rheinbrohl selbst die Verleumdungen gegen Conrad ver⸗ urtheilt, er (Redner) hätte gewünscht, daß auch Hr. Bachem so geurtheilt hätte.

Abg. Sombart wies auf die mit der alten Landgemeinde⸗ ordnung verbundenen Unzuträglichkeiten hin und fragte den Minister, wann der Entwurf einer neuen Landgemeinde⸗ ordnung zu erwarten sei, resp. wie weit die Vorarbeiten z derselben gediehen seien. 8

Minister des Innern, Herrfurth: 8

Meine Herren! Ich glaube, ich würde nicht inkorrekt handeln, we ich in Erwiderung auf die Anregung des Hrn. Abg. Sombart mich meinerseits auf die Erklärung beschränkte, daß ich vorbereitende Schritte gethan, Einleitungen nach der von ihm bezeichneten Richtung getroffen, daß aber die Königliche Staatsregierung sich darüber, inwieweit und in welchen Beziehungen demnächn legislative Maßnahmen ins Auge zu fassen seien, noch nicht schlüssig gemacht habe. Und so weit ich Namens der Staatsregierung hier sprechen soll, muß ich mich thatsächlich auf diese Erklärung beschränken.

Ich bitte jedoch mir zu gestatten, mit Rücksicht darauf, daß die von mir eingeleiteten Schritte Mißdeutungen unterliegen können und zum Theil unterlegen haben, noch ein paar erläuternde Bemerkungen beifügen zu dürfen.

Als ich die Geschäfte des Ministeriums übernahm, fanden sich über die Verhältnisse der Landgemeinden und Gutsbezirke daselbst nur die statistischen Nachrichten vor, welche über Bevölkerung und Umfang derselben im Gemeindelexikon enthalten sind, und sodann bezüglich der Belastung dieser Gemeinden mit Kreis⸗, Provinzial⸗ und Kommunal⸗ abgaben das Material in den von mir selbst herausgegebenen kommunal⸗ Heaseefetstiscen Arbeiten, welches aber auch auf einer bereits ein

ahrzehnt zurückliegenden Erhebung beruht. Im Uebrigen waren seit

Amtsübernahme mich veranlaßt gesehen, eine Reihe statistischer Er⸗ mittelungen zu veranstalten, und habe ich zugleich die und Regierungs⸗Präsidenten zur Aeußerung darüber aufgefordert, ob und inwieweit ein Bedürfniß zu legislatorischem Vorgehen in dieser Richtung vorliege.

Nachdem dann im Laufe der Herbstmonate diese Berichte ein⸗ gegangen, zusammengestellt, und durchgesehen waren, habe ich dann Mitte Dezember eine erneute Verfügung erlassen, welche eine Vervollständigung des Materials verlangt, und außerdem die Ober⸗Präsiderten und Regierungspräsidenten zu einer gutachtlichen Aeußerung über eine ganze Zahl verschiedener Punkte veranlaßt. Es handelt sich dabei unter Anderem um die Frage wegen Beseitigung der Zweiggebilde in Gemeinden und Gutsbezirken, welche nicht in der Lage sind, den an sie zu stellenden kommunalen Anforderungen auch nur annähernd gerecht zu werden, dann um die Ueberführung von solchen Gutsbezirken, welche zersplittert sind und die Voraussetzung der Einheit des Besitzes verloren haben, oder welche sich zu vollstän⸗ digen Kolonien ausgebildet haben, in Landgemeinden, ferner um die Frage der Vereinigung von Landbezirken, bezw. Gutsbezirken, welche derartig in und miteinander verwachsen sind, daß eine Sonde⸗ rung ihrer kommunalen Interessen nicht mehr möglich ist; sodann ist die Frage wegen der gesetzlichen Regelung der Aufbringung der kommunalen Beduürfnisse, der Steuerbeträge, der Naturalleistung der Hand⸗ und Spanndienste ꝛc., ferner die Heranziehung der Nichteingesessenen zur Leistung der Gemeindeabgaben und ihre Betheiligung bei der Verwaltung der ESGemeinde⸗ angelegenheiten durch die Einräumung eines Stimmrechts und um Feststellung der Bedingungen für dasselbe zur Erörterung gezogen; ebenso die Frage wegen Erlaß obligatorischer Vorschriften bezüglich der Einführung einer gewählten Gemeindevertretung; endlich handelt es sich um die Bildung genossenschaftlicher Verbände von Guts⸗ bezirken und Landgemeinden behufs Tragung gemeinsamer Lasten und besonders behufs Lösung von solchen Aufgaben, welche die Kräfte der einzelnen Gemeinde oder des einzelnen Gutsbezirks übersteigen.

Parallel mit diesen Aufnahmen oder vielmehr in konvergirender Richtung dazu geht dann noch eine Enquete über das gesammte Armenwesen, namentlich über die Bildung von Gesammt⸗Armen⸗ verbänden und die Uebernahme der sogenannten außerordentlichen Armenlast auf den Kreisverband und endlich für die Provinz Hessen⸗ Nassau eine Erörterung über Unifikation des dort geltenden Gemeinde⸗ Verfassungsgesetzes.

Diese Provinz nämlich erfreut sich des Besitzes von 7 verschie⸗ denen Kommunal⸗Verfassungsgesetzen, die zum Theil durch die neuere Gesetzgebung im Reich und Staat ihre Basis verloren haben. Da gilt z. B. noch die bayerische Gesetzgebung, aber nicht, wie sie in Bayern heute gilt, sondern wie sie in Bayern gegolten hat im Jahre 1866. Meine Herren, erst wenn alle die Berichte über die soeben bezeichneten Fragen eingegangen sein werden, werde ich in der Lage sein, mich darüber schlüssig zu machen, inwieweit und nach welcher Richtung hin legislative Maßnahmen von mir in Aussicht zu nehmen sein werden; und erst dann bin ich in der Lage, mich insbesondere mit dem Königlichen Staats⸗Ministerium, dessen Zustimmung nicht nur zur Einbringung, sondern auch zur Ausarbeitung einer formulirten Vorlage erforderlich ist, in Verbindung setzen zu können und dann danach das Weitere zu veranlassen. Zu diesem „Weiteren“ rechne ich insbesondere, daß ich mit Vertrauensmännern mich in Verbindung setze, zunächst in den einzelnen Provinzen, deren Verhältnisse sehr wesent⸗ lich von einander abweichen und sich sehr viel verschiedener gestalten, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist, ferner mit Vertrauensmännern auch über die Gestaltung der ganzen Vorlage, namentlich über die hoch⸗ wichtige Frage, inwieweit nicht nur die Mitwirkung der Selbst⸗ verwaltungsbehörden für diese Regelung in Anspruch zu nehmen sein wird die ist ja selbstverständlich —, sondern inwieweit die Ent⸗ scheidung in die Hand dieser Selbstverwaltungsbehörden zu legen ist, und ob man dabei das Schwergewicht in die Kreis⸗, Bezirks⸗ oder Provinzialinstanz zu legen hat.

Meine Herren, alle diese Fragen bieten eine solche Masse von Schwierigkeiten, daß ich sehr erfreut sein würde, wenn es mir gelingen sollte, bis zum Anfang der nächsten Session wirklich schon eine diskutirbare Vorlage fertig zu stellen. Ich kann das aber nicht heute schon versprechen, denn ich weiß nicht bestimmt, ob ich in der Lage sein würde, das Wort einlösen zu können. Es mag das vielleicht auffällig erscheinen, und namentlich auf der Seite, die schon mit einem gewissen Achselzucken darauf hingewiesen hat, daß in der Thronrede für die diesjährige Session der Landgemeindeordnung keiner Erwähnung geschehen sei. Meine Herren, wer das hat erwarten können, der hat ht ehch keine Kenntniß von den Schwierigkeiten, die in dieser Sache iegen.

Und in noch viel höherem Grade gilt das von denjenigen, welche glauben, diese Schwierigkeiten dadurch lösen zu können, daß sie tabula rasa machen, daß sie in der Art und Weise von der Gemeinde⸗ ordnung vom Jahre 1850 durch die Aufhebung der Gutsbezirke, durch deren Vereinigung mit Landgemeinden einfach hier in mechanischer Weise die Lösung herbeiführen. Meine Herren, ich bin sehr zweifelhaft, wie ich in dieser Sache vorgehen werde; darüber bin ich aber nicht im Zweifel, daß ich auf diesem Wege niemals vorgehen werde. Meine Herren, ganz ab⸗ gesehen von den großen Bedenken, welche in wirthschaftlicher, in sozialer und in politischer Beziehung einem derartigen Vorgehen ent⸗ gegenstehen, würden wir auf diese Weise zu den allerschlimmsten kommunalen Mißbildungen gelangen. Meine Herren, eine solche Zwangskopulation würde tausend und abertausend unglückliche Ehen zur Folge haben, in denen dann jeder Theil nichts sehnlicher wünschen würde, als baldigste Scheidung. Nicht nach den vorgefaßten doktrinären Meinungen oder nach dem Rezepte einer bestimmten Partei in mechanischer Weise schablonenhaft Neubildungen schaffen, sondern da die bessernde Hand anlegen, wo ein Besserungsbedürfniß vorliegt, da zu regeln, wo die Regelung nothwendig oder zweckmäßig ist, durch Bildung genossen⸗ schaftlicher Verbände unter Aufrechterhaltung der Selbständigkeit der Einzelgemeinden und der Einzelgutsbezirke aber die Lösung gemein⸗ schaftlicher Aufgaben zu erleichtern, das ist ein Ziel, was ich mir in dieser Beziehung gesteckt habe. Aber, meine Herren, ich weiß, wie schon im Gesangbuch steht: Der Weg zum Ziele ist fast wild

Mit Dorn und Hecken angefüllt.

Jeder Fehltritt auf diesem Wege hat die bedenklichsten Folgen, und Sie werden es mir nicht verargen können, wenn ich nur mit größter Vorsicht und mit möglichster Umsicht diesen Weg beschreite.

Albg. von Meyer (Arnswalde): Der Abg. Rickert habe feierlich erklärt, er wolle nicht Unter⸗Staatssekretär werden. Er (Redner) gestehe also sein Mißverständniß ein, müsse aber die Erklärung des Abg. Rickert sehr bedauern. Er habe immer gehofft, ihn dort an der Ministerbank zu sehen, dann würde vielleicht seine Prophezeiung vor zwei Jahren in Erfüllung gegangen sein, daß der Abg. Rickert noch Excellenz werden würde. Dann aber habe der Abg. Rickert ihn (Redner) wieder gelobt; er sei ein sehr unabhängiger Mann gewesen, so lange er im Dienst gewesen, jetzt aber sei er es noch mehr. Das müsse er doch bestreiten. Er sei der Regierung Rererabes früher viel unabhängiger gewesen als heute. Wenn es aber doch den Anschein habe, als sei er unabhängiger ge⸗ worden, so liege dies daran, daß er nicht mehr im Fraktionsverbande stehe. Er habe jetzt nicht mehr die frühere zartere Rücksicht auf seine theueren Freunde zu nehmen. Einige Zeitungen hätten ihn gelegentlich llb⸗on etpagen ge⸗ nannt. Diesen Namen acceptire er hiermit für seine Fraktion. Derselbe entspreche zwar parlamentarischem Gebrauche eigent⸗ lich nicht. Die Fraktionen enthielten in dem ersten Theil ihres Doppelnamens gewöhnlich eine Entschuldigung für das,

30 Jahren über diese Verhältnisse irgend welche Ermittelungen nicht vorhanden. Da habe ich denn gleich in den ersten Wochen nach meiner

was hinterherkomme. Bei der Bezeichnung wild⸗konservativ

künftig so zu nennen und richte dieselbe Bitte an die Herren von der Presse.

Abg. Bachem: In Koblenz hätten keine Verhandlungen, sondern nur Vernehmungen stattgefunden. Diese Vernehmungen 5 er nicht für gleichberechttgt mit den kontradiktorischen

erhandlungen in Köln. Der Gemeinderath, welcher den dere gedeckt habe, sei außerdem nicht derselbe wie

er frühere.

„Abg. von Rauchhaupt: Er danke dem Minister im Namen seiner Freunde für seine Ausführungen, welche manche Be⸗ fürchtungen im Lande beseitigt hätten. Es werde nicht mög⸗ lich sein, eine Landgemeindeordnung für den ganzen preußi⸗ schen Staat zu erlassen, sondern es werde sich zunächst darum handeln, die Landgemeindeordnung von 1856 zu revidiren. Es habe sich gezeigt, daß diese Landgemeindeordnung nur da Mängel gezeigt habe, wo sie unverständig und allzu bureau⸗ kratisch gehandhabt worden sei.

Abg. Rickert: Niemand im Hause habe erwartet, daß der Minister sich an die alte Landgemeindeordnung halten werde. Seine Freunde seien auch mit dem Abg. von Rauchhaupt einverstanden, daß nicht über das ganze Land eine gleich⸗ mäßige Schablone gezogen werde. Gewisse grundsätzliche Punkte könnten sie aber doch, wie in der Kreisordnung, namentlich in Bezug auf das Wahrrecht aufstellen. Die Hauptsache werde immer die Bildung der Gemeinden bleiben und es werde kein ganz glücklicher Ausweg sein, wenn der Minister vor allen Dingen einen Gesammtverband für bestimmte

wecke unter Aufrechterhaltung der Spezialselbständigkeit der

emeinden in Aussicht nehme. Ob die Sache durchzuführen sein werde, wisse er nicht. Auch die Kreisordnung sei nicht so glatt abgegangen, aber sie sei nothwendig gewesen und habe sich im Großen und Ganzen bewährt. Die Rechte habe allerdings in der Wahlbewegung von der Landgemeindeordnung überhaupt nichts wissen wollen. Jedenfalls werde darüber ein Verständniß herrschen, daß an eine Kommunalsteuerreform und ein allgemeines Schulgesetz nicht herangegangen werden könne, wenn nicht vorher die Kommunalverhältnisse der Landgemeinden geändert worden seien. Er habe allerdings nicht erwartet, daß schon in dieser Session eine Landgemeindeordnung vorgelegt werden würde, aber er erinnere daran, daß 1869, 1870, 1871 Graf Eulen⸗ burg feierlich im Namen der Regierung versprochen habe, daß unmittelbar nach der Kreisordnung eine Landgemeindeordnung folgen solle. Er müsse sich nun wundern, daß jetzt erst die Vorarbeiten in Angriff genommen seien. Er hoffe, daß in dieser Frage eine Einigung leichter erzielt werde werden, als man allgemein annehme. „Abg. von Eynern: Er freue sich, daß der Abg. Rickert jetzt anerkenne, die Kreisordnung habe gut gewirkt. Soviel er wisse, habe die ganze freisinnige Partei gegen dieselbe ge⸗ stimmt. Der Abg. Bachem habe ihn auch aufgefordert, nicht über Sachen zu sprechen, von denen er nichts verstehe. Er sei über die Rheinbrohler Angelegenheit sehr genau unterrichtet. Sie sei vor Jahren schon im rheinischen Provinzial⸗Landtage von der ultramontanen Partei als Sturmbock gegen die Regie⸗ rung benutzt worden. Im Uebrigen würde der Abg. Bachem besser gethan haben, auch von dieser Sitzung fernzubleiben und im stillen Kämmerlein seine vorjährige Rede zu bereuen. Der Abg. Bachembleibe bei seinen Beschuldigungen und Beschimpfungen dieses Mannes und decke sich mit der Unverantwortlichkeit der ““ Das sei als Endergebniß dieser Debatte fest⸗ gestellt.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch sprach dem Minister auch den Dank seiner Partei für die Perspektive in Bezug auf die Landgemeindeordnung aus. Es sei unrichtig, daß die Konservativen, und speziell seine Partei, in ihren Wahlaufrufen eine neue Landgemeindeordnung nicht verlangt hätten. Mit besonderer Befriedigung werde im Lande die Erklärung des Ministers aufgenommen werden, daß man bei der Gesetzgebung nicht schablonenhaft, sondern unter Berück⸗ sichtigung der koönkreten Verhältnisse vorgehen werde.

Abg. Rickert: Der Abg. von Eynern kenne wiederum die Dinge nicht, über die er spreche. Die Fortschrittspartei habe für die Kreisordnung ebenso gut gestimmt wie die National⸗ liberalen. Bekanntlich seien der Abg. Hänel und noch einer sogar in dem Vertrauensmännercomité, welches der Graf Eulenburg zu den Vorarbeiten berufen habe, gewesen. Die Fortschrittspartei habe von vornherein sehr fleißig daran mit⸗ gearbeitet, und der Abg. Hänel habe in Bezug auf das Zu⸗ C der Kreisordnung ein wesentliches Verdienst gehabt.

Abg. Bachem: Er wolle dem Abg. von Eynern gern das letzte Wort gönnen und hoffe, daß von seinen Gegnern von dem letzten Worte stets derselbe Gebrauch gemacht werden möge.

Abg. von Eynern: Er bleibe dabei, daß die jetzige deutschfreisinnige, die frühere Fortschrittspartei, gegen die Ein⸗ führung der Kreisordnung in den verschiedenen Provinzen gestimmt habe. Sie habe gestimmt gegen das allgemeine Landesverwaltungsgesetz, gegen die Einführung der Kreis⸗ ordnung in Hannover, Hessen⸗Nassau und der Rhein⸗ provinz. Wenn der Abg. Rickert das nicht wisse, könne er ihm nicht helfen. Das sei eben das Unglück, daß der Abg. Rickert immer der Einzige sein wolle, der Etwas wisse.

Abg. Rickert: Er appellire an das Haus, ob der Abg. von Eynern nicht von vornherein von der Kreisordnung für die sechs östlichen Provinzen gesprochen habe. Für diese habe die Fortschrittspartei gestimmt. Vize⸗Präsident von Benda erklärt die Diskussion über den Minister für geschlossen. Der Titel wurde bewilligt. Für den Unter⸗Staatssekretär ist auch in diesem Etat eine Gehaltserhöhung von 15 000 auf 20 000 gefordert. Diese Mehrforderung wurde ohne Debatte gestrichen. Beim Kap. 84, statistisches Bureau, fragte der Abg. Sombart, wann das vollständige agrarstatistische Werk von Meitzen zu erwarten sei? Eine Antwort erfolgte vom Regierungstische nicht. „Abg. Dr. Arendt sprach sein Bedauern darüber aus, daß die Publikationen des statistischen Bureaus von Jahr zu Jahr immer weniger Abnehmer fänden. Dieser Rückgang werde darauf zurückgeführt, daß das Bureau nicht mehr in der früheren splendiden Weise seine Bekanntmachungen den Fach⸗ u. s. w. zur Verfügung stelle, wie dies namentlich Seitens Italiens qischehe Er bitte, daß dem Landtage das statistische Jahrbuch Preußens ebenso zugänglich gemacht werde, wie der Bericht des landwirthschaftlichen Ministers. Das Fekrdach enthalte auch interessante Mittheilungen über das bgeordnetenhaus. Es gehe aus der tabellarischen Uebersicht

enthalte der erste Theil einen Tadel für das, was hinterher⸗

8 8G .“

der Altersverhältnisse in den verschiedenen Parteien hervor,

komme, aber der Name sei ihm sympathisch. Er bitte, ihn

italienischen Ministerium des

s dem Freisinn an Nachwuchs fehle, während die frei⸗ bafh rvative Partei die jugendlichste des ganzen Hauses sei.

inister des Innern, Herrfurth:

8 8.den Denern, ge Werke werden bekanntlich nicht zu

m Zweck geschrieben, daß man sie liest, sondern lediglich zu dem Zweck, daß man sie nachschlägt, und das ist auch der Grund, weshalb

an statistische Werke nicht kauft, sondern weshalb man nur den Vrt aufsucht, wo man sie nachschlagen kann. Ich habe selbst in Hinsicht der Abfassung statistischer Werke gesündigt; ich glaube, ich kann deshalb aus Erfahrung sprechen. Meine Herren, daraus erklärt ich ja das finanziell sehr ungünstige Resultat, welches die Publikationen des statistischen Bureaus haben. Denn die Publikationen kosten, ganz abgesehen von der persönlichen Arbeit, die ja unter ganz anderen Titeln steckt, lediglich an Herstellungskosten 51 400 ℳ, während der Erlös sich nur auf 14 500 beziffert.

Nun ist das Statistische Bureau in 3 ehr übermäßig splendid gewesen mit der unentgeltlichen Abgabe derartiger Publikationen. Nicht nur, daß, was meines Erachtens vollständig gerechtfertigt ist, preußische Behörden, Universitäten, Bibliotheken u. s. w. in reicher Anzahl, und ich glaube in ziemlicher Vollständigkeit, diese Publikationen bekommen haben, sondern es sind andere Bebörden und sonstige Gratisempfänger über 171 ver⸗ zeichnet. Ich glaube, es ist eine ganze Reihe darunter, die ganz gut wegfallen können. Ich will mal irgend einen Fall aus dem mir vor⸗ liegenden Verzeichniß herausgreifen. Wenn 3. B. der Redaktion einer „Milchzeitung in Eutin“ und ähnlichen Empfängern ein Frei⸗ exemplar gegeben wird, so kann man doch nicht sagen, daß allzu kurz mit der Vertheilung verfabren wird. Im Gegentheil, man ist ebenso splendid gewesen, daß allerdings jetzt das Ministerium sich vor⸗ hehalten hat, die Genehmigung zur weiteren unentgeltlichen Abgabe 8 ich an, der Wunsch ist berechtigt, daß dieses hohe Haus und das andere Haus von Publikationen, die besonderes Interesse haben, eine größere Anzahl bekommen. Ich werde, wenn von dem jetzigen Jahrgang des Statistischen Jahrbuchs noch Exemplare disponibel sein sollten, dafuür Sorge tragen, daß die betreffende Zahl hierher ab⸗ gegeben wird, und ich werde auch in Zukunft bei Herausgabe eines neuen Jahrgangs des Statistischen Jahrbuchs für Ueberweisung einer entsprechenden Anzahl Sorge tragen. Von sämmtlichen Publikationen eine größere Zahl hierher zu Uüberweisen, das halte ich für bedenklich, namentlich bei den Nothständen, in denen sich jetzt schon die Bibliothek des Hauses befindet. Wenn Sie die sogenannten blauen Hefte“ ansehen, die das Statistische Bureau heraus⸗ giebt, so sind dieselben nur für den einzelnen Gelehrten, der sich mit so etwas speziell beschäftigt, von Werth, und es würde absolut keinen praktischen Zweck haben, wenn von diesen Publikationen auch eine größere Zahl abgegeben würde. L1“

Abg. Dr. Friedberg: Er habe als Universitäts⸗Dozent der ketios arvncec die Beitscheife Fhns ngffen,. 5

vom italienischen statistischen Bureau und a hrhe 8 derbaecn aus einer üheren Correspondenz derartige Publikationen stets zuge⸗ rüae bekomme. Er würde sich freuen, wenn der Minister veranlassen wollte, daß wenigstens den Angehörigen der Uni⸗ versitäten die Zeitschrift zugesendet werde.

Minister des Innern, Herrfurth: .

Meine Herren! Die sämmtlichen Universitäten, auch die Uni⸗ versität Halle, erhalten ein Gratisexemplar der Publikationen des Statistischen Bureaus, allerdings nicht sämmtliche Dozenten der Uni⸗ versität; das ist, glaube ich, unmöglich, denn Sie würden wenigstens den Betrag von 51 400 für die Publikationen sehr erheblich er⸗ höhen müssen, wenn sämmtliche Dozenten an sämmtlichen Universitäten die sämmtlichen Publikationen des Statistischen Bureaus erhalten sollten. 8 Abg. Dr. Friedberg: Die Zahl der Dozenten für Na⸗ tionalökonomie sei nicht so groß, daß eine Zusendung der Zeitschrift an diese erhebliche Mehrkosten machen würde.

Das Kapitel wurde bewilligt.

Bei dem Kapitel „Ober⸗Verwaltungsgericht bemerkte der Abg. von Meyer (Arnswalde): Die Vermehrung der Ausgaben veranlaßte ihn, einen kurzen Rückblick auf die finanzgeschicht⸗ liche Entwickelung des O er⸗Verwaltungsgerichts zu werfen. Als man noch romantische Auffassungen vom Ober⸗Verwal⸗ tungsgericht gehabt habe, sei er überzeugt gewesen, daß jene Angelegenheit sich weit bureaukratischer ‚gestalten werde, als man gedacht habe. Nach dem ursprünglichen Plan der Kreis⸗ ordnung hätten eigentlich die Bezirksausschüsse in zweiter Instanz endgültig Entscheidung btefsen sollen. Statt daß man nun die zweite Instanz aufgehoben und als eine andere Instanz das Ober⸗Verwaltungsgericht eingerichtet hätte, habe man eine dritte Instanz im Ober⸗ Verwaltungsgericht ohne Laien geschaffen, die sich rein bureau⸗ kratisch gestaltet habe. Die Kosten seien sehr erheblich gestiegen und diesmal sei wieder eine bedeutende Mehrforderung in den Etat eingestellt. Er könne sich nicht der Hoffnung hingeben, die in der Kommission ausgesprochen sei, daß in absehbarer

eit keine Neuforderung an uns herantreten werde. Er würde eigentlich bereit sein, dem Ober⸗Verwaltungsgericht noch eine weitere Thätigkeit zuzuweisen, nämlich die Prüfung der Ab⸗ geordnetenwahlen, die vom Hause gar nicht in richtiger Weise vollzogen werden könnten, schon weil das Haus unter dem Verdacht stehe, daß es dabei immer Partei sei. Die Gehalts⸗ erhöhung für den Präsidenten des Ober⸗Verwaltungsgerichts von 15 000 auf 20 werde motivirt mit dem Hinweis auf die ebenso für die Unter⸗Staatssekretäre beantragte Erhöhung. Man habe dem Kabinetsrath die Erhöhung auf 20 000 bewilligt; er wisse nicht, ob wegen seiner Hof⸗ beziehung? Weshalb solle aber der Präsident des Verwaltungs⸗ gerichts jetzt ähnlich gestellt werden? Er sei doch ein un⸗ abhängiger Beamter. Die Vergleichung des Ober⸗Verwal⸗ tungsgerichts⸗Präsidenten mit dem Kammergerichts⸗Präsidenten treffe vollständig zu; der Letztere erhalte aber nur 14 000 und 300 Wohnungsgeldzuschuß, während der Ober⸗Ver⸗ waltungsgerichts⸗Präsident 15000 Gehalt und 3000 Wohnungsgeldzuschuß erhalte. Er beantrage also, das vor⸗ geschlagene Gehalt des Ober⸗Verwaltungsgerichts⸗Präsidenten von 20 000 auf 15 000 herabzusetzen.

Minister des Innern, Herrfurth:

W“ 88 bin mit der gesammten Fraktion des Hrn. von Meyer insoweit aber auch nur insoweit einverstanden, als ich mit ihm bedaure, daß nicht auch die Zulage von 5000 den Herren Unter⸗Staatssekretären bewilligt worden ist, aber ich mag

früheren Jahren etwas

daraus nicht die Konsequenz ziehen, daß, weil nunmehr diese Erhöhung.

für die Unter⸗Staatssekretäre gestrichen ist, auch die Erhöhung für den Präsidenten des Ober⸗Verwaltungsgerichts gestrichen werden müsse.

Meine Herren, die Gründe, die meines Erachtens die Erhöhung unbedingt rechtfertigen, sind bereits von dem Herrn Referenten in klarer Weise dargelegt worden, und ich kann mich lediglich darauf beziehen. Als im Jahre 1876 das Ober⸗Verwaltungsgericht mit einem Mitglied im Hauptamt und fünf Mitgliedern im Nebenamt begründet wurde, konnte man Ferseng sagen, daß, trotzdem dieses Gericht die letztinstanzlichen Entscheidungen im er⸗ waltungsgerichtsverfahren fällt, ein Gehalt von 15 000 ℳ, wie es damals die Ministerial⸗Direktoren und Unter⸗Staatssekretäre bezogen, als ausreichend zu erachten sei. Nachdem inzwischen das

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über die gesammte Monarchie ausgebreitet haben wird, nachdem jetzt nicht mehr ein einzelner Senat, sondern vom nächsten April ab vier Senate in Thätigkeit treten werden, die Zahl der Räthe sich bis auf 18 vermehrt hat, da ist meines Erachtens das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht in ein solches Stadium der Entwickelung gelangt, daß Sie nunmehr dem Präsidenten das Gehalt, das ihm nach seiner Stellung zukommt, nicht länger versagen können. Ich, meine Herren, will mit meiner persönlichen Meinung gar nicht zurückhalten; ich hätte es für richtiger gefunden, wenn man den Präsidenten des Ober⸗Verwaltungs⸗ gerichts im Gehalt vollständig mit dem Präsidenten der Ober⸗Rechnungskammer und des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths gleich⸗ gestellt hätte, obwohl er nicht ganz dieselbe Immediatstellung wie Letzterer hat. Darüber aber kann, meine Herren, kein Zweifel ob⸗ walten, daß man ihm jetzt mit Rücksicht auf die Stellung als Chef des obersten Verwaltungsgerichtshofes und mit Rücksicht auf die Repräsentationspflichten, die ihm obliegen, mindestens das Gehalt von 20 000 gewähren muß. Dies ist meines Erachtens ernstlich nicht zu bestreiten. Ich möchte mir nur zwei Bemerkungen gestatten, die eine gegen⸗ über der Aeußerung des Herrn Referenten, er für seine Person und im Namen der Budgetkommission müsse die Hoffnung aussprechen, daß nunmehr die Vermehrung der Stellen beim Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht für absehbare Zeit abgeschlossen sei. Meine Herren, es ist nicht richtig, wie der Hr. Abg. von Meyer gesagt hat, daß sich die Thätigkeit des Ober⸗Verwaltungsgerichts bereits jetzt über die ganze Monarchie, auch auf Posen erstrecke. Sie erstreckt sich heute noch nicht einmal auf Schleswig⸗Holstein, in Schleswig⸗Holstein wird am 1. Juli das Landesverwaltungsgesetz und das Zuständigkeitsgesetz in Kraft treten, und in Posen wird es erst dann eingeführt werden, wenn die Vorlage, die ich jetzt dem Herrenhause gemacht habe, Ge⸗ setzeskraft erlangt hat. Ich kann immerhin das mit Bestimmtheit sagen: für faktisch abgeschlossen erachtet die Staatsregierung die Frage der Bildung der Zahl der Senate, nicht aber die Zahl der Rathsstellen; da kann es sich allerdings, und wird sich möglicher⸗ weise, ja voraussichtlicherweise ereignen, daß, wenn demnächst die ganze Monarchie der Jurisdiktion des Ober⸗Verwaltungsgerichts unterworfen ist, innerhalb der jetzt beschlossenen Senatsbildung eine Vermehrung der Stellen eintreten wird. 8

Da ich einmal das Wort habe, so möchte ich zu der vorhin be⸗ rührten, allerdings schon abgeschlossenen Angelegenheit noch kurz er⸗ wähnen, daß, wie ich in diesem Augenblick aus den Akten des Hauses ersehe, dem Wunsch des Hrn. Abg. Arndt in Betreff des Statistischen Jahrbuchs bereits im vorigen Jahre Rechnung getragen ist: es sind im vorigen Jahre dem Hause 100 Exemplare des Statistischen Jahr⸗ buchs zur beliebigen Verfügung vom Minister des Innern überwiesen worden.

Abg. Dr. Gneist: Die Gehaltserhöhung sei schon deshalb begründet, weil zu dieser Stelle nur immer Männer in hohem Alter herangezogen werden könnten. Früher habe der Präsident nur die Urtheile des ersten Senats gehabt, heute müsse er die von vier Senaten revidiren, da durch seine erson die Rechts⸗ einheit aufrecht erhalten werden müsse, denn gerade bei dem Ober⸗Verwaltungsgericht sei eine Verschiedenheit der Recht⸗ sprechung von den schwerwiegendsten Folgen. Die Verwaltungs⸗ gerichte der kleineren und Mittelstaaten verursachten auch be⸗ deutend mehr Kosten, als das preußische. Er bitte also, die Gehaltserhöhung nicht zu streichen.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Wenn man allein nach den Motiven der Regierungsvorlage gehe, müsse man die Er⸗ höhung allerdings ablehnen, da diejenige ür die Unter⸗ Staatssekretäre nicht bewilligt sei. Die Stellung des Ober⸗ Verwaltungsgerichts⸗Präsidenten sei aber eine ganz andere als die eines Unter⸗Staatssekretärs. Nachdem sich nach und nach die Kreisordnung überall! eingelebt habe, seien in Folge hiervon eine Reihe von Streitigkeiten entstanden, für die das Ober⸗Verwaltungsgericht die Instanz sei. Schon nach der Stellung, die das Ober⸗Verwaltungsgericht in der Oeffentlichkeit einnehme, ferner durch die Ausdehnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit über die ganze Monarchie sei der Präsident höher zu stellen, als der des Kammergerichts. Er bitte also, die Erhöhung zu bewilligen.

Der Antrag von Meyer, die Erhöhung zu streichen, wurde abgelehnt. Im Uebrigen wurden die Ausgaben für das Ober⸗ Verwaltungsgericht ohne Debatte unverändert bewilligt. Ebens die Ausgaben der Deputation für das Heimathwesen.

Darauf wurde die Stzüng vertagt.

Abg. von Eynern richtete an den Präsidenten die Frage, ob er gesonnen sei, den dem Hause zugegangenen Antrag Windthorst in den nächsten Tagen zur Berathung zu stellen. Der Antrag habe bereits in der vorigen Session vorgelegen, sei aber in Folge eigenthümlicher Umstände nicht zur Berathung gekommen. Er wolle nicht wünschen, daß dem Antrag diesmal ein ähnliches Schicksal widerfahre.

Nachdem Abg. Dr. Freiherr von Heereman darauf auf⸗ merksam gemacht hatte, daß der Abg. Dr. Windthorst nicht im Hause anwesend sei, erklärte der Präsident, daß vor dem An⸗ trag Windthorst noch zwei andere Anträge eingebracht seien, die zuerst zur Berathung kommen müßten. Es werde also wohl kaum möglich sein, den Antrag am nächsten Schwerins⸗ tage, dem Mittwoch nächster Woche, zur Verhandlung zu stellen. b Abg. Dr. Freiherr von Heereman bezeichnete es als eigen⸗ thümlich, daß Hr. von Eynern den Antrag zur Berathung gestellt wissen wolle, ohne daß der Antragsteller darüber be⸗ ragt werde. frcs Abg. von Eynern wies es zurück, das Verfahren eigen⸗ thümlich zu nennen. Er habe nur feststellen wollen, ob der Antrag wirklich materiell zur Berathung kommen solle oder ob es sich nur, wie in der vorigen Session, um einen Antrag

auf Lager handele. 1 Der Präsident erklärte nochmals, daß sich bei der Fest⸗ stellung der Tagesordnung für den nächsten Mittwoch die

rage erledigen werde. 8 gSchluß 1 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr.

Die von dem Minister des Innern, Herrfurth, in der vorgestrigen Sitzung des Hauses der Ab eord⸗ neten 8 veüösrbans der Aeußerungen des Abg. Bachem ge⸗ haltene Rede lautete: 8 Meine Herren! Ich hätte wohl gewünscht, daß der Abg. Bachem, der, wie er selber sagt, den stenographischen Bericht zur Hand gehabt hat, sich dennoch bei seinen Ausführungen nicht wesentlich auf ein mir nicht bekannt gewordenes anscheinend ungenaues Referat in der Kölner Zeitung gestüͤtzt hätte. Er würde sonst, glaube ich, nicht dazu gelangt sein, mir den Vorwurf haben machen zu können, daß ich persönlich gegen ihn vorgegangen sei. Ich bitte ihn, nochmals meine Rede durchzulesen. Ich habe ihn mit jenen fragwürdigen Gestalten, von denen die Angriffe, namentlich die berühmten 33 Anschuldigungs⸗ punkte gegen den Conrad erhoben worden sind, in keiner Weise identifizirt, und als der Hr. Abg. Dr. Windthorst in seiner Vertheidi⸗ gung des Abg. Bachem erklärte, es sei eine Philippika gegen denselben ehalten, habe ich ausdruͤcklich gesagt: jegliches Wort, was in dieser eife gedeutet werden könnte, nehme ich ausdrücklich zurück. bitte afso zunächst, was diesen persönlichen Punkt anlangt, sich an den stenographischen Bericht, der in dieser Hinsicht von mir in keinem

im vorigen Jahre die 1 1 Conrad nur nebenher als Incidenzpunkt in der Rheinbrohler Glockenangelegenheit zur Sprache gebracht; letztere sei ihm die Haupt⸗ sache, und der Bürgermeister Conrad Pebersacheh seh ahre durchgesehen, 1 sprochen hat, mehr wie 6 Spalten füllt, davon bezieht sich noch nicht eine halbe Spalte auf die Rheinbrohler Glockenangelegenheit und

der Hr. Abg. Bachem hat gesagt,

8 Meine Herren, 8 ganze Angelegenheit des Bürgermeisters

-7 dand I“ sei ihm Ich habe jetzt eben flüchtig seine Reden vom vorigen und 82 habe ich gefunden, daß das, was er ge⸗

5 ½ Spalte auf den „nebensächlichen Incidenzpunkt“ des Bürgermeisters Conrad. (Abg. Bachem: Im vorigen Jahre. Ich habe aber öfter davon gesprochen!) Die Rede des Hrn. Abg. Bachem, die ich citirt habe, ist vom 31. Januar v. J. Nun hat der Hr. Abg. Bachem die Rheinbrohler Glockenangelegenheit, die ich lediglich als einen Incidenzpunkt behandelt habe denn ich habe gesagt, es sei der Ausgangspunkt der Anklage gegen Conrad gewesen hier wieder angeregt und dabei behauptet: durch ein er⸗ gangenes Erkenntniß sei das gesetz⸗ und rechtswidrige Vorgehen der Verwaltungsbehörde in dieser Angelegenheit festgestellt. Zunächst ist das Erkenntniß, was er erwähnt, in einer ganz anderen Angelegen⸗ heit ergangen. 1 8 v

Ich bestreite, daß in der Rheinbrohler Kirchenglockenangelegenheit ein Erkenntniß ergangen sei, welches sich auf denselben Boden wie das vom Abg. Bachem angezogene gestellt habe. Meine Herren, in dieser Angelegenheit ist durch ein Erkenntniß I. Instanz von Neuwied der Gemeinde das Recht zur Benutzung der Glocken in bürger⸗ lichen Angelegenheiten zugesprochen, dabei aber angenommen worden, daß zu diesen bürgerlichen Angelegenheiten die Benutzung der Glocken bei Beerdigung von Altkatholiken nicht gehöre. Hiergegen ist aber die Berufung eingelegt, und es schwebt diese Angelegenheit seit verhältnißmäßig sehr langer Zeit seit 1 ½ Jahren beim Ober⸗Landesgericht in Frankfurt. Die Entscheidung ist bis heute noch nicht ergangen, und dem Hrn. Abg. Bachem, der einen so ganz besonderen Respekt vor der objektiven Wahrheit eines rechtskräftigen Erkenntnisses hat, kann ich nur bitten, zu warten, bis auch einmal das Erkenntniß dieser Rheinbrohler Glockenangelegen⸗ heit ergangen und rechtskräftig geworden ist. 1“ 1 Meine Herren, der Hr. Abg. Bachem hat mir hier wieder, viel⸗ leicht auf Grund des ungenauen Zeitungsreferats, Angriffe gegen das Kölner Gericht, welches dieses Erkenntniß gefällt hat, zur Last gelegt. In dem in seinen Händen befindlichen stenographischen Bericht steht aber ausdrücklich, daß ich erklärt habe, selbstverständlich habe das Kölner Gericht sein Urtheil bona fide gefällt, habe es aber gefällt auf Grund eines unvollständig festgestellten thatsächlichen Verhält⸗ nisses. Denn, meine Herren, es sind doch nur diejenigen Mitglieder des Gemeinderaths in Köln vernommen, die die angeklagte Zeitung als Entlastungszeugen benannt hat, nicht aber die anderen Mit⸗ glieder. In Koblenz sind sämmtliche noch am Leben befindlichen Mit⸗ glieder des Gemeinderaths, sowohl diejenigen, welche in Köln die Freisprechung der „Kölner Volkszeitung“ herbeigeführt haben, als auch die sämmtlichen übrigen, an ihrer Spih⸗ der Graf Westerfeldt⸗ Gysenberg, vernommen worden, und diese haben eben durch eidliche Zeugenaussagen die Sache klargestellt und daraus hat sich ergeben, daß auf Grund einer ungenauen und unrichtigen thatsächlichen Fest⸗ stellung die Freisprechung der genannten Zeitung in Köln erfolgt ist.

Meine Herren, was ist denn übrigens r echtskräftig festgestellt? Rechtskräftig festgestellt ist, daß die Zeitung sich keine Beleidigung hat zu Schulden kommen lassen, aber rechtskräftig festgestellt ist nicht, daß der Bürgermeister Conrad sich etwas hat zu Schulden kommen lassen, denn die Ausführungen hierüber stehen in den Gründen und diese werden nicht rechtskräftig. Wenn Jemand so formalistisch wie der Hr. Abg. Bachem die Sache behandelt, so darf ich mich wohl ihm gegenüber auf denselben Standpunkt stellen. Meine Herren, ich bedauere, daß der Hr. Abg. Bachem die Koblenzer Vernehmung nicht kennt. Ich weiß nicht, ob der Hr. Abg. Bachem sich bemüht hat, dieselbe kennen zu lernen. Ich meine, diese formalistische Auffassung, daß das rechtskräftige Erkenntniß objektive Wabhrheit schafft, ist unrichtig. Sie schafft inter partes, für diesen Fall, aber nr schafft keineswegs objektive Wahrheit. Die objektive Wahrheit kann durch vollständigere, bessere Feststellung des Verhältnisses allerdings auch einem rechtskräftigen Erkenntniß gegenüber in anderer Weise estgestellt werden. . 1 Ich habe den Rath, den Prozeß noch einmal aufzunehmen, wirklich nicht ironisch gemeint. Ich erkenne an, daß sich das ehrengerichtliche Erkenntniß und das rechtskräftige des Kölner Landgerichts nicht voll⸗ ständig direkt einander gegenüber stellen lassen, weil sie von zwei ver⸗ schiedenen Voraussetzungen ausgehen. Es würde mir sehr erwünscht sein, wenn noch einmal in der Weise, wie es in Köln geschehen ist, unter Vernehmung sämmtlicher Zeugen, unter Vorlegung des gesammten Beweismaterials die Sache erörtert werden könnte. Ich wünsche das im Interesse des Bürgermeisters Conrad, damit auch nicht einmal der Schein eines Verdachts mehr auf ihn geworfen werden kann, wie es heute doch wiederum versucht worden ist. Für mich ist es nicht nothwendig, mir genügt das ehrengerichtliche Erkenntniß.

Ja, meine Herren, wenn der Hr. Abg. Bachem sagt, man lauere nur darauf, daß er einen inkorrekten Ausdruck gebrauche über das ehrengerichtliche Urtheil, er werde sich wohl in Acht nehmen, so muß ich sagen, er hat sich doch nicht ganz in Acht genommen.

Meine Herren, ich habe vorgestern ausdrücklich erklärt, es ist richtig, der Bürgermeister Conrad hat zweimal Beträge von 80 und 89 bestimmungswidrig in Empfang genommen und längere Zeit bestimmungswidrig hinter sich gehalten; ich habe ausdrücklich erklärt, das sei formell rechtswidrig, und dafür habe er die Mißbilligun seiner vorgesetzten Behörde erfahren. Ich habe aber ausdrückli hervorgehoben, es sei nicht wahr, daß er das Geld erst abgeliefert habe, als er mit der Anzeige bei dem Gemeindeempfänger bedroht worden sei. Dadurch verliert die ganze Angelegenheit den Charakter, den der Abg. Bachem ihr beilegt, indem er sagt, ein Mann, der so etwas gethan hat, ist „bescholten“. Gegenüber dieser Aeußerung wiederhole ich den Wortlaut der Allerhöchsten Ordre, wonach aus⸗ drücklich ihm, wegen der Anschuldigung daß er wegen zweimaliger amtlicher Empfangnahme von Geldern in 8— Eigenschaft als Bürger⸗ meister und verspäteter Abführung derselben an die Gemeindekasse seine Unbescholtenheit gefährdet habe, ein Vorwurf nicht zu machen und er dieserhalb weder der Verletzung noch der Gefährdung der Standesehre für schuldig zu erachten sei.

Ich glaube, der Hr. Abg. Bachem hat sich nicht in Acht ge⸗ nommen, als er gegenüber dieser Allerhöchsten Kabinetsordre, welche die Unbescholtenheit des Mannes feststellte, ihn als bescholten erklärte.

Meine Herren, ich kann, was diesen Punkt anlangt, noch Eines erwähnen. Die Gemeinde soll ja angeblich geschädigt sein? Nun, der Gemeinderath hat diese Frage in einem ausdrücklichen Beschluß erörtert und erklärt: In der Sache Gülden und des Weidenverkaufs hat der Bürgermeister den Verbältnissen entsprechend gehandelt und dabei auch das Interesse der Gemeinde in keiner Weise verletzt.

Meine 236 ich wiederhole: ich würde es wirklich wünschen, daß, wenn Sie der Ansicht nicht sind, die Sache ist zu Ende ich bin der Ansicht —, Sie dann außerhalb dieses Hauses es nochmals wagen, diesen Vorwurf zu erheben. Ich verspreche Ihnen, es soll schleunigst wegen verleumderischer Beleidigung dann der Prozeß eingeleitet und zu Ende geführt werden. Wollen Sie das nicht, dann muß ich sagen, der Hydra der Verleumdung ist der Ko f abgeschlagen, der Hals ausgebrannt, Sie versuchen es umsonst, sie nstlich wieder zu beleben, nein, sagen Sie lieber mit mir und der Mehrheit d

Hauses: „requiescat in pace!“

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Deer soeben erschienene 35. Jahresbericht des Germanischen eAe in Nürnberg, für 1888, erstattet von dem Ersten Direktor A. von Essenwein, beklagt im Eingange den

n Ober⸗Verwaltungs ericht seinen Wirkungskreis fast über die ganze Monarchie ausgedehnt hat, und wenn es ihn, wie ich hoffe, demnächst

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Worte geändert worden ist, zu halten und nicht an ungenaue Zeitungs⸗ referate.

li Verlust zweier mächtiger Förderer und Beschützer, der eer .“ und Friedrich, wekche „seit Jahren in umfassender Für⸗