1889 / 58 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Mar 1889 18:00:01 GMT) scan diff

und doch darauf hinzuweisen, daß es in der That nicht eines Drängens von oben nach unten bedurft hat, um dieses Herbeiströmen zu ermög⸗ lichen, sondern es ist umgekehrt noch niemals ein Professor gewesen, welcher nicht das Mehrfache von den Anmeldungen zu den Kursen hätte zurückweisen müssen.

Wir hier in Berlin und ebenso auf den anderen Universitäten sind meines Erachtens auch verpflichtet gewesen, nicht bloß die Lehr⸗ thätigkeit ich habe das gestern schon ausgeführt in Aussicht zu nehmen, sondern auch daran festzuhalten, daß im Interesse der Weiterentwickelung der Wissenschaft und im Interesse der Medizinal⸗ verwaltung und der öffentlichen Gesundheitspflege auch für wissen⸗ scaftliche Untersuchungen Raum, Zeit und Stätte geboten werden muß Hier bei den glücklichen Verhältnissen Berlins, wo fortwährend 20 30 Praktikanten, darunter mehrere Militärärzte und eine Reihe von Ausländern, Pe tacla die Plätze inne haben, ist es natürlich möglich gewesen, eine große Zahl von wissenschaftlichen Untersuchungen abzuschließen. Diese Untersuchungen, deren Titel ich mir habe ausziehen lassen sie liegen leßt vor mir beweisen ebenfalls, daß nur ein verhältnißmäßig bescheidener Theil auf dem Boden der Bakteriologie erwächst, und daß die meisten Arbeiten sich auf alle Zweige der Hygiene beziehen, von der Kleidung an bis zur Ventilation der Eisenbahnwagen Das sind scheinbar Alles sehr kleine Sachen, aber abgeschlossene Untersuchungen. Wir haben hier sehr wichtige Untersuchungen z. B. über Oefen; eine ganze Reihe von Oefen werden in Folge dessen ausgeschaltet aus dem praktischen Gebrauch, und so gehen solche Untersuchungen, durch⸗ aus anschließend an die praktischen Bedürfnisse, weiter. Diese Welilatisnen sind meistens in der Zeitschrift für Hygiene erfolgt, aben aber auch in anderen Zeitschriften eine Stätte gefunden.

Außerdem haben wir, wie ich schon im Jahre 1884 gesagt habe, einen großen Werth darauf gelegt, daß die Kommunen in jedem hygienischen Institut einen tüchtigen Berather finden. Das ist hier in Berlin im vollen Maße der Fall; es handelt sich in Berlin nicht bloß um eine einmalige Auskunftertheilung, wie sie an der Hand der von mir stets vervollständigten Bibliothek geboten wird, sondern zum Theil auch um sehr erhebliche, mit Experimenten per⸗ sehene Untersuchungen. Namentlich hat die Stadt Berlin hier Wasseruntersuchungen machen lassen, ebenso Potsdam und Posen; von diesen sehr wissenschaftlichen Untersuchungen hängt nachher das Wohl und Wehe von Millionen unter Umständen ab, jedenfalls hängen auch große Summen davon ab, ob die Untersuchungen zweckmäßig und richtig ausgeführt werden. Ebenso habe ich und der Kriegs⸗Minister in allen schwierigen Fragen, welche mit Experimen⸗ ten verbunden waren, mich des Raths des hiesigen Instituts bedient. In Göttingen und Breslau liegen die Sachen im Wesentlichen ebenso natürlich in bescheideneren Verhältnissen, aber auch dort kann i konstatiren, daß in dem öffentlichen Leben diese Institute bereits als ein wahres Bedürfniß empfunden werden. Beispielsweise in Mar⸗ burg hat der Herr Landes⸗Direktor jetzt keine Gelegenheit versäumt, wo es sich um Ventilation, Heizung, Beleuchtung, Abwässerung und ähnliche Fragen handelte, sich bei dem dortigen Professor Raths zu erholen, äͤhnlich ist es in Göttingen, ähnlich in Breslau.

In Ergänzung der Ausführungen des Abg. Hrn. Dr.“*Drechsler kann ich auch namentlich darauf hinweisen, daß sich unter den Hygienikern jeder Gelehrte und Forscher, zufällig oder aus einer mehr programmatischen Gedankenkette heraus, mit besonderen praktischen Aufgaben beschäftigt. So haben sich Marburg und Breslau nament⸗ lich den Milchuntersuchungen zugewandt und gerade diese Universitäten was ich hier jetzt sagen will, betrifft allerdings mehr Breslau haben eine Reihe von Methoden gefunden, namentlich Breslau eine Methode für die Konservirung der Milch, welche einen ganz neuen Blick in die Versorgung der Großstädte mit Milch thun läßt, und welche der Landwirthschaft, wie ich voffe, einen ganz außerordentlichen Vortheil zuführen wird. Man ist jetzt bereits so weit, daß man mit Sicherheit sagen kann, daß mit verhältnißmäßig gexingen Kosten nun Milch auf mehrere 100 Kilometer transportfähig wird. Das machen alles unsere hygienischen Institute.

Ueberall aber ist die Beobachtung zu machen, daß der Andrang der Studirenden ein ganz außerordentlich erfreulicher ist und daß nicht bloß Mediziner, sondern auch Verwaltungsbeamte und selbst Philo⸗ logen in Göttingen sich gemeldet haben, um die Vorlesungen mitzu⸗ machen, oder sich besondere Pripatkollegia zu erbitten. Und ferner Pht auch die Beobachtung durch, daß der medizinische Student im

Ugemeinen recht wenig für chemische und ähnliche Untersuchungen vorbereitet ist. Unsere Universitäten haben nicht mehr die Plätze. Sie können hier einen Studenten sprechen, welchen Sie wollen: er läuft von der Dorotheenstraße nach Charlottenburg und findet hier und dort sehr selten einen Platz, wo er die nöthige Kenntniß zu Selbst⸗ arbeit durch Beobachtungen erwirbt. Hier ist die Thatsache jedenfalls zu konstatiren, daß es eine wahre Errettung und Erlösung für einen Studirenden ist, wenn er sehen und arbeiten lernt in den hypyygienischen Laboratorien. Die Hoffnung, welche Ausdruck fand, daß die jungen Leute wohl vorbereitet mit chemischen Kenntnissen und Methoden in den Unterricht kommen, ist in den überwiegenden Fällen als leider nicht zutreffend zu erachten.

Nun will ich mich jetzt nicht weiter vertiefen das würde mir nicht besonders zustehen in wie weit die Hygiene als eine Wissenschaft zu betrachten ist. Ich halte sie dafür, andere halten sie nicht dafür. Die Männer treten dafür ein, die, wie ich, die großen Vorträge von Pettenkofer und Flügge darüber gehört haben; ich empfehle Ihnen auch die Vorträge von dem Rektor der Universität Leipzig, Professor Hofmann, der im vorigen Jahre diese Fenge sehr eingehend, nach meiner Meinung überzeugend, erörtert hat. ISch bin auch nicht so einseitig, daß ich mir einbildete, daß die Hgpygieniker allein darüber das Wort zu führen hätten; ich habe mir Nauch Gutachten von preußischen Professoren, die nicht hygienische Lehr⸗ stühle bekleiden, verschafft, und ich kann versichern, daß es darunter recht ausgezeichnete renommirte Forscher giebt, die voll davon durch⸗ drungen sind, daß die Hygiene durch ihr Auftreten in den letzten 20 Jahren das Recht auf den Namen einer Wissenschaft und auf eine selbständige Stellung in den Disziplinen der Universitäten ent⸗ schieden erworben hat.

„Ahber auf eines möchte ich hierbei zurückkommen, weil es wichtig ist, um das Verfahren, nach welchem ich versuche die Ver⸗ waltung auf diesem Gebiet zu leiten, in das richtige Licht zu stellen.

Das ist die vom Hrn. Grafen Limburg⸗Stirum und auch vom Hrn. Abg. Virchow berührte Frage nach der differenten Stellung zwischen den Hrrn. Pettenkofer und Koch. Meine Herren, ich habe mich mit der Frage vielfach beschäftigt. Nach meiner Meinung liegt zwischen ihnen kein Widerspruch vor, sondern sie ergänzen sich gegen⸗ seitig. Ich habe deshalb, weil beide Herren sich in Beziehung auf die gesammte Auffassung der Hygiene wenn auch etwas geeinigt oder genähert, gleichwohl in ihren Lieblingsbeschäftigungen etwas getrennt gehalten haben, gar keine Bedenken gehabt, im vollen Einvernehmen, wie ich glaube, mit beiden Herren, meine Berufungen so einzurichten, daß jeder der Herren zu seinem vollen Recht kommt. Darin hat Hr. Abg. Virchow Recht: Das Gebiet der Hygiene ist heute, bereits so 8es daß nicht Jeder Alles auf diesem Gebiet leisten kann. Ich habe deshalb für Breslau den früheren Göttinger Hygieniker genommen, der selbständig zu dem geworden ist, was er geleistet hat, wesentlich aber auf Koch'schem Boden steht. Der jetzige Lehrer in Göttingen ist aus der Pettenkofer'schen Professorenschule hervorgegangen, hat sich aber wesentlich auch mit den Koch'schen Methoden vertraut gemacht.

n Kiel und Greikswald sind Koch'sche Schüler, in Marburg ein

ettenkofer scher Schüler bonqe stels für Halle habe ich auch einen

ettenkofer schen Schüler in Aussicht genommen. Sie sehen daraus, daß für die preußische Unterrichts⸗ und Medizinalverwaltung hier irgendwie erkennbare und greifbare Differenzen nicht existiren.

Wenn ich nun zum Schluß komme, so muß ich mir darüber klar werden: was peabsichtige ich denn mit der Einrichtung von hygienischen Fselelipgen und hygienischen In⸗ stituten? Da habe ich mir die Sache so zurecht gelegt, was die

betrachtet, daß der Zweck desselben ist, junge Leute juristisch denken zu lehren. Sie sollen die Umgebung, in die sie treten, unter das Schema pon Rechtsverhältnissen bringen, sei es, daß die Verhältnisse so sind. wie sie liegen sollen, oder daß sie durch irgend etwas gestört werden. Ebenso habe ich mir gedacht, und darin bestärkten mich die Eindrücke, die ich aus vielfachen Unterhaltungen mit praktischen Medizinern gehabr habe, daß es eine edle und wichtige Aufgabe ist, junge Leute, die praktische Aerzte werden wollen, hygienisch denken zu lehren. Sie sollen den Blick geöffnet erhalten für die Umgebung des Menschen. Der Mensch soll nicht erst für sie anfangen, wenn er krank ist, sondern vor allen Dingen, wenn er gesund ist. Ich glaube, es ist die Hauptaufgabe unserer jetzigen Medizin und unserer jetzigen Medizinalverwaltung, dafür zu sorgen, daß der Mensch nicht erst krank wird. Dies ist heut, wo unser Gewerbebetrieb, unser Tageszusammenwohnen, und vo⸗ Fee Ereignisse schädigend eintreten, in der That eine sehr schwere ufgabe. )

Ich gehe nun nicht so weit, daß jeder junge Mann mit allen Methoden ausgerüstet sein soll, wenn er ins praktische Leben tritt; aber der An⸗ schauungs⸗Unterricht, der ihm zu Theil wird, wird ihn befähigen, in der Praxis die Erscheinungen sich richtig zurecht zu legen. Wenn er selbst die 1. nicht beherrscht, um vielleicht Wasserunter⸗ suchungen, Luftuntersuchungen oder eine Untersuchung von Aus⸗ scheidungen des Menschen zu machen, so wird er sich jedenfalls zu helfen wissen. Er wird wissen: hier ist etwas, das von Wichtigkeit ist für die Beurtheilung hygienischer Verhältnisse, etwas, was du selbst nicht ergründen kannst; wende dich an die richtige Stelle. So geht es auf allen Gebieten des Wissens. Die Zahl derer, welche Alles wissen, ist Gott sei Dank sehr gering.

Meine Herren, ich gehe auch noch weiter. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß wir dahin kommen können und vielleicht auch kommen müssen, daß in einer auf den Anschauungsunterricht begrün⸗ deten Weise auch die Verwaltungsbeamten und Lehrer einen hygie⸗ nischen Unterricht empfangen. Wir haben in der guten alten Zeit bei den cameralia Studirenden vielfach die erfreuliche Erscheinung gehabt, daß sie sich um Sachen des Gewerbewesens, der Technologie bekümmert haben. Wir haben heute sehr viele im praktischen Leben Stehende und ich bitte, daß Sie bei Ihrer Umgebung nach⸗ fragen —, die keine Ahnung haben, wie z. B. aus einer Kartoffel Spiritus oder Stärke gemacht wird oder wie ein Verhüttungsprozeß verläuft, und doch sind sie nachher in der Praxis dazu berufen und ver⸗ pflichtet, über gewerbliche Anlagen und vieles Andere, welches tief in das pekuniäre Verhältniß der Mitbürger eingreift, zu entscheiden. Ganz dasselbe, vielleicht auch noch Wichtigeres gilt auf dem Gebiet der Hogiene. Der Verwaltungsbeamte ist berufen, zu entscheiden, ob Kanalisation, ob Abfuhr, ob Rieselfeld und Klärungsanlage und Alles, was dahin gehört; er muß entscheiden, ob eine industrielle Anlage genehmigt werden kann, er muß eine Ahnung haben, wie die Schutz⸗ vorrichtung ist, die Ventilationseinrichtung. Alle diese Fragen kann er meines Erachtens nur lösen, wenn er wenigstens einen Anschauungsunterricht auf diesem Gebiete gehabt hat. Unsere sozialpolitische Entwickelung drängt dahin, immer mehr diesem Gegenstande die Aufmerksamkeit zu widmen. Wir haben früher Knappschaftsärzte gehabt. Fragen Sie einen solchen Knapp⸗ schaftsarzt; er wird Ihnen sagen: ich habe schwer gelitten, daß ich auf ein Lehrbuch angewiesen war und keinen offenen Blick gehabt habe für die großen Aufgaben, die mir als Knapvpschaftsarzt zugetheilt sind. Wenn Sie die Genossenschaftsärzte, die Kassenärzte fragen, diese sind in derselben Lage. Ich wünsche dringend, daß nicht erst die an Tuberkulose erkrankten Arbeiter das Interesse des Arztes erwecken, sondern daß der Kassenarzt schon mit der Frage be⸗ schäftigt wird: wie kannst du die Entstehung der Tuberkulose bei den Arbeitern verhindern? Das ist aber ohne einen geregelten Unterricht schwer möglich. Ich weiß wohl, daß in allen Fragen das Poly⸗ bistorische eine gewisse Gefahr in sich birgt; ich verlange aber keine polyhistorische Bildung. Ich halte daran fest, daß jeder Mensch, der durch Anschauungsunterricht einiges lernt, vor Allem die Grenzen seines Wissens erkennt. Das betrachte ich über⸗ haupt als Aufgabe der wahren Bildung, die Grenzen des Wissens 1n sie sind vielleicht etwas enger, als die meisten Menschen glauben.

Um das Bild abzuschließen, halte ich daran fest, daß auch bei der Ausbildung der Baumeister und Ingenieure nicht genug die ange⸗ wandte Hvsiene getrieben werden kann. Wir klagen mit Recht über viele kostbare Anlagen in öffentlichen und Privatgebäuden, über Ventilation und Heizung, wir klagen über vieles Andere mit Recht, was sich auf dem Gebiet der Gewerbehygiene befindet, und ich glaube, es ist durchaus nothwendig und nützlich, im Interesse des Staats namentlich, auch diesen wichtigen Kategorien eine etwas gesichtetere deildung, zuzuführen. Wir sind da meiner Meinung nach auf dem esten Wege

Ich will schließen: das bitte ich in erster Linie festzuhalten, daß die Bestimmungen des Deutschen Reichs uns nöthigen, einen Lehrstuhl für Hygiene zu errichten. Ich wüßte nicht, wie ich als preußischer Unterrichts⸗Minister meinen anderen Kollegen gegenüberstehen soll, wenn ich sagen würde: Preußen will nicht, oder hat kein Geld, um auszuführen, was das Reich bestimmt hat. Die Frage kann sich nur darum drehen, ob Institute mit diesem Lehrstuhl zu verbinden sind. Im Allgemeinen wird man diese Frage zu bejahen geneigt sein, wenn man sich gegenwärtig hält, daß ein Institut nach unseren Begriffen schon vorhanden ist, wenn es mit Anschauungs⸗ material versehen ist. Dazu gehören natürlich ganz außerordentlich wenig Vorrichtungen, und ich denke nicht daran, die großartigen Ein⸗ richtungen Berlins übertragen zu wollen auf andere Universitäten. Das wäre ein Mißgriff und würde innerhalb der Staats⸗ regierung auch zurückgewiesen werden. Aber ich bestreite, daß, wenn Sie die Verhältnisse von Breslau und Göttingen ansehen es handelt sich da nur um wenige tausend Mark die dort auf⸗ gewendeten Ausgaben unnütze sind oder daß Sie erwarten können, größere Ausgaben aufwenden zu müssen. Sie werden, wenn Sie die Güte haben, die Erläuterungen bei Halle, Seite 115 des Etats⸗ entwurfs, anzusehen, ausdrücklich finden, daß in Halle gar keine Bauten nothwendig sind. Dort ist es durch Verschiebung möglich, das Institut in einer angemessenen Weise unterzubringen; es ist mit sehr wenigen Seee und verhältnißmäßig sehr wenig Instrumenten ins Leben zu rufen.

Ich glaube, daß, wenn Hr. Graf Limburg⸗Stirum die Güte hat, heute oder später meine Ausführungen im Zusammenhange zu be⸗ trachten, er zu der Auffassung kommen wird, daß es sich bei der Hygiene um ein grundlegendes Fach handelt. Dann wird er auch seinem Versprechen gemäß wohl dahin kommen, jetzt oder demnächst die Mittel zu bewilligen. Ich will jetzt nicht über den Begriff des angewandten Faches polemisiren, aber wir müssen jedenfalls daran festhalten, daß die Hygiene selbst ein grundlegendes Fach ist, weil es einen wesentlichen Theil des Prüfungspensums bildet. Wer in der Hygiene nicht besteht, kann nicht voller Arzt werden. Er muß diese Abtheilung nochmals durch⸗ machen, und in diesem Sinne, glaube ich, habe ich Recht, die Hygiene ig befets als grundlegendes Fach für die ärztliche Prüfung an⸗ erkannt.

Ich weiß nicht, meine Herren, ob es mir gelungen ist, an der Hand dieser mehr einfachen Darlegungen, die ich versucht habe, nicht polemisch zu gestalten, Ihnen klar zu machen, daß wir hier eine Sache betreiben, die weit über den Rahmen und den Kreis der Herren, die hier versammelt sind, hinausgeht eine Sache, die, soweit ich es verstehe, für die Entwickelung unseres Staats und Volks in Zukunft von außerordentlicher Bedeutung sein wird. Ich bin der Meinung, daß die hygienischen Institute die Brenn⸗ und Centralpunkte sind, wo alle auf die Gesundheit des Menschen und auf die Verhältnisse eines gesunden Menschen bezüg⸗ lichen Angelegenheiten ihre wissenschaftliche Bearbeitung finden müssen, und zwar in der Weise, daß die Erfolge, sei es für den Unterricht, sei es für die wissenschaftliche Forschung, unmittelbar dem praktischen Leben zu Gute kommen.

Aerzte anbetrifft, daß die Sache ungefähr ebensov liegt wie mit den Juristen. Ich habe es immer als Aufgabe des jurist chen Unterrichts

Ich glaube, ich gehe nicht zu weit, wenn ich sa e: bewilligen

Sie die Mittel, meine Herren, die Zukunft wird es Ihnen danken.

Sg 8 8 *

Abg. Dr. Seelig: Die Hygiene sei allerdings eine aus verschiedenen Spezialfächern zusammengesetzte Wissenschaft, aber an kleinen Universitäten seien die Lehrstühle in diesen Spezialfächern nur einfach besetzt, sodaß auf die für die Hogiene speziel in Betracht kommenden Dinge nicht Rücksicht genommen werden könne. Man müsse also, um dort den Studenten zum Studium der Hygiene Gelegenheit zu geben, alle diese Lehrstühle doppelt besetzen und das würde mehr kosten, als ein Lehrstuhl für Hygiene besonders. Selbst wenn sich die hygienischen Institute nur mit bakteriologischen Forschungen beschäftigten, um Krankheiten vorzubeugen, so würde dieser Zweck schon genügen, um die paar Tausend Mark jährlich auszugeben. Das Haus möge also die neuen Professuren und die Institute bewilligen.

Der Antrag der Abgg. Graf Douglas und Genossen wurde darauf angenommen, ebenso wurden die einmaligen Ausgaben für die Einrichtung des hygienischen Instituts in Halle genehmigt. 8

Der Zuschuß für die Universität Kiel, ist auf 557 206 (13 492 mehr als im laufenden Etat) angesetzt.

Abg. Graf Kanitz beantragte, die sur Errichtung einer

außerordentlichen Professur für englische Philologie geforderten 3060 abzulehnen.

Nachdem dieser Antrag zurückgezogen worden war, wurde der Titel unverändert bewilligt.

Der Staatszuschuß für die Universität Göttingen ist auf 363 2n oder 22 428 höher als im laufenden Etat angesetzt.

Die Budgetkommission beantragt, die zur Gewährung einer Miethsentschädigung für den Universitätskurator gefor⸗ derten 300 nicht zu bewilligen.

Das Haus stimmte diesem Antrage ohne Debatte zu.

Der Zuschuß für die Universität Marburg beträgt 555 037 (18 874 mehr als im laufenden Etat).

Die Budgetkommission beantragt, 1080 zur Mieths⸗ entschädigung für den Kurator, 2400 zur Umwandlung der außerordentlichen Professur für Staatsarzneikunde in eine ordentliche Professur für Hygiene und Staatsarzneikunde und 4274 für das hygienische Institut nicht zu bewilligen, den Staatszuschuß also auf 547 283 hera disseren.

Die Abgg. Graf Douglas, Dr. Graf (Elberfeld) und Dr. Weber (Höxter) beantragen, die 2400 für die Pro⸗ fessur der Hygiene und 4274 für das hygienische Institut zu bewilligen.

Abg. von Schenckendorff begrüßte dankbar die Erklärung des Ministers, daß nach und nach auf allen Universitäten hygienische Institute eingerichtet werden sollten, namentlich, weil davon auch eine Weiterentwickelung der Schulhygiene zu er⸗ warten sei; erst dann werde die allgemeine Ausbildung und Einführung der Schulärzte möglich sein.

Der Antrag der Abgg. Graf Douglas und Gen. wurde angenommen, in den übrigen Punkten des Titels der Antrag der Budgetkommission. Die einmaligen Ausgaben für die Einrichtung des Instituts wurden ebenfalls bewilligt.

Bei dem Titel „Zuschuß für die Universität Bonn brachte der Abg. Dr. Friedberg den Mangel der Kenntniß der neueren Sprachen bei den Studirenden zur Sprache, der nur durch Anstellung geeigneter Lehrkräfte beseitigt werden könne.

Die italienische Sprache im Besonderen sei an den Universitäten

absolut nicht vertreten, was bei dem Aufschwung der italieni⸗ schen Literatur und neuerer Zeit bedauert werden müsse. Der Titel wurde bewilligt. Im Titel 15a sind 160 000

und Waisen⸗Versorgungsanstalten von Iben. sowie zur Unterstützung von Hinterbliebenen von Lehrern an den Universitäten.

Die Budgetkommission beantragt, diese Neuforderung nicht zu bewilligen.

Die Abgg. Hobrecht und Genossen beantragen die Be⸗

willigung.

Berichterstatter Abg. Mithoff: Die Kassen für die Relikten der Professoren zeigten auf den verschiedenen Universitäten sehr große Ungleichheiten, die sich hauptsächlich nach den Beständen der Kassen richteten. mögen würden auch die Wittwen und Waisen verschieden ver⸗ sorgt. In Marburg, dessen Kasse 123 281 im Vermögen habe, erhalte die Wittwe 500 jährlich, in Göttingen, dessen Kasse 1 119 333 besitzt, bekomme sie 1250 Diese Ungleichheiten wolle die Regierung durch Aufwendung der hier geforderten 160 000 beseitigen. Sie wolle im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit den Professoren die Staatszuschüsse zu ihren Reliktenkasfen gewähren wie den anderen Staatsbeamten nach dem Pensionsgesetz, nämlich 3 Proz. ihrer Gehälter. Die Neuordnung des Reliktenwesens auf dem

Boden der bestehenden Kassen empfehle sich nach Ansicht der G Regierung auch zur Förderung des korporativen Geistes unter Diese Bewilligungen habe die Regierung

den Professoren. an die Bedingung geknüpft, daß das Statut der Kassen nach einem bestimmten Normativ⸗Statut umgeändert werde.

In der Kommission habe man beklagt, daß die Regierung ihre Forderung nicht näher, etwa durch eine Denkschrift, motivirt

habe, daß ferner die Bestimmungen des Pensionsgesetzes von 1882 nicht auch auf die Professoren ausgedehnt seien. Dagegen sei auf die Verschiedenheit der Professorengehälter hingewiesen worden und darauf, daß die Prosessoren überhaupt nicht pen⸗ sionirt würden. Andererseits habe man gefunden, daß die Pro⸗ fessoren nach der neuen Etatsposition zu hohe Zuwendungen erhalten würden. Der Haupteinwand aber sei der gewesen, daß die Erledigung dieses Gegenstandes auf dem Wege des Etats, nicht auf dem des Gesetzes geregelt werden solle, und wenn die Kommission auch einstimmig der Ansicht gewesen sei, daß hier eine Neuregelung nöthig sei, so richte sich die Ablehnung lediglich auf die Form einer Etatsforderung. Der Regierungsvertreter habe auf die großen Schwierig⸗ keiten eines solchen Gesetzes hingewiesen. gierung könne sich nicht entschließen, auf dem des Gesetzes in bestehende Rechte einzugreifen. Die Wittwen und Waisen hätten schon jetzt ein Recht, wenn auch nicht gegenüber dem Staate, so doch gegenüber den Kassen, und dieses würde durch neue gesetzliche Bestimmungen verletzt werden. Die Kommission habe aus den angeführten Grün⸗ den die Forderung abgesetzt und erwarte ein Gesetz über diesen Gegenstand.

Abg. Hobrecht: Die Kommission habe nur deshalb An⸗ stand genommen, die Bewilligung zu empfehlen, weil sie für eine so wichtige Sache eine gesetzliche Regelung beanspruche. Die gesetzliche Regelung würde sich ach das Verhältniß zwischen den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen und den

stehe, bei den Lehrern demnächst eingeführt werden solle, ge⸗

namentlich der Nationalökonomie in

tel 1 )000 neu ausgeworfen zu Zuschüssen für die an den Universitäten bestehenden Wittwen⸗ für die Hinterbliebenen

Je nach diesem Kassenver⸗

flichteten Kassen, dann auch auf das Verhältniß der Kassen em Staate zu erstrecken haben. Die Ungleichheiten der

esoldungen der Professoren, die bei den unmittelbaren Staatsbeamten nirgends zu finden seien, erforderten eine Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse. Eine gesetzliche ixirung des Verhältnisses der Kassen zum Staat würde sehr schwierig sein, aber doch vielleicht später erfolgen können, was aber nicht gegen die Bewilligung der Position spreche. Für die beiden katholischen Anstalten Münster und Braunsberg

ve u

würde im Interesse der korporativen Selbständigkeit und der widerwillige Inanspruchnahme der Reliktenkassen aufgefaßt werden

Sicherstellung der Wittwen und Waisen allerdings eine gesetz⸗ liche Regelung das beste sein. Dennoch bitte er, auch in diesem Punkte, dem Antrage der Budgetkommission entgegen, den Titel zu bewilligen.

Abg. Imwalle: Die Kommission habe nicht entfernt daran gedacht, die Zwecke der Regierung zu bemängeln, sondern nur eine gesetzliche Regelung, wie sie bei den Beamten bereits be⸗

wünscht. Unüberwindliche Schwierigkeiten werde eine gesetz⸗ liche Regelung nicht bieten, und der bisherige Zustand könne bis dahin ohne großen Nachtheil für die Betroffenen noch fortbestehen. Wenn die 160 000 im Etat genehmigt würden, so schaffe man damit nur einen neuen Dispositions⸗ fonds, auf dessen Verwendung das Haus keinen Einfluß aben würde. Gesetzlich würde sich die Materie besser regeln assen, als durch eine kurze Notiz im Etat. Es sei auch nicht einzusehen, warum die Dinge gerade so, wie vorgeschlagen werde, geregelt werden müßten. Durch die Ordnung der Sache im Wege des Etats würde auch das Herrenhaus in eine gewisse Zwangslage gebracht werden, da es den Etat nur im Ganzen annehmen oder ablehnen könne, während es einen besonderen Gesetzentwurf im Einzelnen prüfen und ändern könne.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, Dr. von

Goßler:

Meire Herren! Die Debatte ist insofern sehr erfreulich verflossen, als von allen Seiten, auch von dem letzten Herrn Redner anerkannt worden ist, daß jedenfalls materiell der Antrag der Regierung auch bei den Herren, welche sich in der Opposition halten, alle Billigung findet. Aber ich möchte, was die formelle Seite dieser Angelegenheit betrifft, doch bitten, den Anträgen, welche die Hrrn. Hobrecht und Genossen gestellt haben, zu folgen und der Regierungsvorlage Ihre

ustimmung ꝛu gewähren. 3 8 stimm bsetztiche Regelung der Wittwen⸗ und Waisen⸗ gelder für die Hinterblieben en der Universitäts⸗

rofessoren würde nach Auffassung der Regierung tief in die orporative Existenz der bestehenden Kassen eingreifen müssen. Die Kassen haben juristische Persönlichkeit, sie sind historisch erwachsen. haben besondere Stiftungen und Vermächtnisse, beruhen auf Beiträgen, haben zum Theil ganz eigenartige Statuten. Es würde Ihren wohl⸗ wollenden und guten Absichten unter Umständen widersprechen, wenn Sie zu einer Gesetzgebung wider Willen der Vertreter dieser Kassen schreiten und damit vielleicht sehr wohl erworbene historische und sonstige Rechte verletzen würden. Jetzt ist es zu unserer großen Freude gelungen, im vollen Einverständniß mit den Universitätskorporationen und Vertretern dieser Kassen die recht schwierige Frage zu regeln. Ich kann hier im usammenhang wohl erklären, daß die Vertreter der in Betracht ommenden neun Universitäten in der That eines besonderen Lobes würdig sind, weil sie auch in jenen Universitäten, wo sehr hohe Be⸗ träge angesammelt sind, sich sehr gern bereit erklärt haben, auf geringe Staatszuschüsse sich zu beschränken, um ihren schlechter situirten Schwesteranstalten den höheren Staatsbeitrag zuzuführen. Ich kann hervorheben, daß in den neun Universitäten im Dezember 1887 über 4 700 000 als Fonds angesammelt waren; die Fonds schwanken zwischen 123 000 und 1 119 000 Sie sehen daraus, daß es in der That eines sehr freundlichen kollegialischen Entgegenkommens Seitens der besser Situirten bedurft hat, um zu unserer Freude das jetzt an⸗ gebahnte Verhältniß herbeizuführen. .

Nun möchte ich noch anführen wenigstens ist die Regierung vollständig davon überzeugt daß, wenn Sie nach dem Vorschlage der Regierung den Etatstitel bewilligen, die Regierung vollkommen daran gebunden ist, mit aller Macht, welche ein Versprechen ihrerseits in sich schließt, das zu erfüllen, was sie in der Kolonne „Bemerkungen“ in Aussicht gestellt hat. Außerdem darf ich daran erinnern, daß der Vorgang absolut nichts Neues enthält, und daß das Verfahren, welches wir Ihnen einzuschlagen empfehlen, auch bei anderen Gelegenheiten von Ihnen uns bewilligt worden ist, sowie daß diese Form vollkommen unserem Budget, und dem inneren Staatsrechte entspricht. Ich darf nur erinnern an die Staatszuschüsse für Gymnasien und andere höhere Anstalten. Wir haben im dis⸗ positiven Theil des Etats nichts Anderes als die Aufführung der

Namen dieser Anstalten, während erst die Anlagen zu dem Etat das Nähere ergeben. Trotzdem hat nicht eine Korporation in dem preußischen Staat einen Augenblick darüber in Zweifel sein können, daß derjensge Zuschuß, der hier in der Anlage in Aussicht gestellt ist, zu zahlen ist.

Ich möchte also dringend bitten, meine Herren, daß Sie uns nicht, bei allem Wohlwollen, welches Sie der Sache entgegentragen, entweder in die Lage bringen, mit den Universitätskorporationen neu zu verhandeln oder daß wir den Weg der Gesetzgebung beschreiten müssen, der mehr oder minder als eine Konfiskation oder eine ähnliche

würde. Ich bitte dringend, über diese formellen Fragen den guten Zweck nicht zu vergessen und dem Antrage der Hrrn. Hobrecht und Genossen Statt zu geben.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Die Regierung könne die Gelder verständiger Weise nicht ausgeben, ohne sich mit den Kassen zu vereinbaren; man könne also eine willkürliche Verwendung des Dispositionsfonds nicht mit Grund befürchten. Da die Vertreter der Professoren, zu deren Gunsten die Materie geregelt werden solle, mit dem Vorschlage der Regie⸗ rung einverstanden seien, so sehe er nicht ein, warum das Haus an der formalen Frage Anstoß nehmen und durchaus eine gesetzliche Regelung erstreben wolle.

Abg. Rickert: Den Antrag Hobrecht könne seine Partei nicht annehmen. Die Ausführungen des Kultus⸗Ministers über das Budgetrecht seien sehr bedenklich und den Thatsachen widersprechend. Gerade nach dieser Rede könne man nicht so verfahren, wie der Minister vorschlage. Die Erläuterungen, welche hier zum Etat gemacht würden, hätten für die Ober⸗ Rechnungskammer und für das Herrenhaus gar keine Bedeutung. Auch die, welche den Zweck wollten, müßten dem Budgetrecht Geltung verschaffen. Man könne jetzt diese Position absetzen und in der dritten Lesun ein Dispositiv in den Etat selbst hineinbringen, soda dasselbe auch dem Herrenhaus zur Berathung vorliegen und die Ober⸗Rechnungskammer dasselbe prüfen könne. Daß die Regierung eine moralische Verpflichtung habe, die Sache so zu ordnen, wie die Bemerkung besage, bestreite er. Selbst feierlich abgegebene Erklärungen der Regierung seien nicht'bindend für den Nachfolger. Der Minister Friedenthal habe früher aus⸗ drücklich erklärt, daß die feierlich abgegebenen Erklärungen der Re⸗ gierung bezüglich der Landgemeindeordnung nur für denjeweiligen Minister bindend sein könnten. Der ganze Kultus⸗Etat werde nach dieser Richtung einer sorgsamen Durchsicht bedürfen. Gerade jetzt wo das Haus dabei sei⸗ sich den Kultus⸗Etat mit Bezug auf Dispositionsfonds näher anzusehen, würde es auffallend sein, wenn es einen neuen Dispositionsfonds schaffe, der keine bindende Verpflichtung für die Regierung habe. Das Haus möge die Position bis zur dritten Lesung aussetzen. Es habe alle Veranlassung, das formelle Budgetrecht peinlich aufrecht zu erhalten.

Regierungs⸗Kommissar, Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Germar: Wenn in den Bemerkungen ein Verwendungs⸗ zweck angegeben werde, so werde die Regierung nach diesen Bemerkungen nach Möglichkeit verfahren, ebenso wie sie z. B. bei den Bewilligungen unter den ein⸗ maligen Ausgaben lediglich den Plan ausführen werde, den sie dem Hause zur Beschlußfassung unterbreitet habe. Wenn das Haus den Inhalt der Bemerkung in das Dispositiv über⸗ nehme, zwinge es die Regierung, nur so zu verfahren; solche Bestimmungen gehörten aber dann in ein Gesetz, denn nach der Verfassung liege die vollziehende Gewalt allein bei Sr. Majestät dem Könige; sie sei nur beschränkt durch die Vor⸗ schriften des Gesetzes und des Etats.

Die Abgg. Rickert und Freiherr von Huene beantragten die Vertagung der Diskussion, weil die Erklärungen des Regierungsvertreters von großer budgetrechtlicher Bedeu⸗ tung seien.

Der Vertagungsantrag wurde abgelehnt. 1

Die Abgg. Graf Limburg⸗Stirum und Hobrecht wiesen darauf hin, daß es dem Abgeordnetenhause gar nicht daran liegen könne, hier irgend welche Rechte der Relikten festzulegen, sondern das Abgeordnetenhaus könne nur den Wunsch haben, daß ein bestimmtes Verhältniß zwischen den betreffenden Wittwen⸗ und Waisenkassen und dem Staat herbeigeführt werde.

Regierungs⸗Kommissar, Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Germar bemerkte, daß in den siebziger Fehen bei einer Neuregelung der Statuten der Berliner Professoren⸗Wittwen⸗

und Waisenkassen und in ür 18 1 Neuregelung des Pensionswesens für die Eisenbahnarbeiter eine ähnliche Einrichtung getroffen sei. . Abg. Rickert wies darauf hin, daß die Bemerkungen zum Etat für die Regierung keine rechtliche Verpflichtung ent⸗ hielten. Also habe auch die Ober⸗Rechnungskammer kein Recht, in dieser Beziehung die richtige Verwendung der bewilligten Gelder zu kontroliren. Deswegen werde es nothwendig sein, jetzt oder bei der dritten Lesung in das Dispositiv des Etats einen entsprechenden Vermerk aufzunehmen.

Abg. Hobrecht: Er bitte den Abg. Rickert, genau zu sagen, was er eigentlich in den Vermerk aufgenommen wünsche.

Abg. Rickert: Wenn der Titel ohne weiteren Vermerk be⸗ willigt werde, gebe die Mehrheit lediglich dem Minister einen Dispositionsfonds zur beliebigen Verwendung.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, Dr. von

Goßler:

Meine Herren! Dieses freundliche Anerbieten des Hrn. Abg. Rickert nehme ich nicht an. Wenn Sie den Etatsentwurf nach den Vorschlägen der Regierung bewilligen, so halte ich mich nicht für be⸗ rechtigt, die 160 000 nach den allgemein angedeuteten Zwecken 8 nach meinem freien Ermessen zu verwenden, sondern ich halte daran fest, daß die Regierung, wenn sie Ihnen genau sagt, was sie will, hieran gewissermaßen gebunden ist, 8 wenn Sie darauf hin die erbetenen Mittel bewilligen. Ich sage „gewissermaßen“, denn darin liegt, glaube ich, das, was der Hr. Abg. Rickert nicht ausreichend begründet hält in den Erklärungen des Kommissars des Herrn Finanz⸗Ministers. Darüber mögen wir uns verständigen. Mögen Sie den Vermerk lassen an der Stelle, wo er sich jetzt befindet, oder ihn in den anderen Theil des Etats hinein⸗ setzen, so hat nach unserer Auffassung die Regierung die Verpflichtung die bewilligte Summe zu keinem anderen Zweck zu verwenden, als zu dem vorher genannten. Wenn aber der Herr Kommissar des Finanz⸗ Ministers andeutete, daß die Regierung nicht die Verpflichtung über⸗ nehmen könne, unter allen Umständen die Summe voll zu dem Zweck der Bewilligung zu verwenden, so ist dies durchaus zutreffend. In der Bewilligung liegt nur eine Vollmacht zur Verwendung. Denn wir brauchen vorerst noch eine neue Organisation der bestehenden Kassen. Dieselben müssen ihren Mitgliedern gegenüber ganz andere neue Vervpflichtungen übernehmen, und müssen mit dem Staat ein Abkommen oder ei Quasi⸗Abkommen treffen, welches die Kassen dahin sichert, daß sie im Stande sein werden, unter Hinzutreten des Stäaats die zu über nehmenden weiteren Verpflichtungen zu erfüllen. So ist es sehr woh möglich, daß trotz aller Freundlichkeit, in welcher wir bisher mi diesen Verwaltungen die Verhandlungen geführt haben, doch Differenze eintreten, namenklich auf dem Gebiet der Ueberganssbestimmungen Dann würden wir, wie der Herr Regierungskommissarius vorhin an gedeutet hat, nichts Anderes thun können, als die Vollmacht, die Sie uns gegeben haben, nicht ausführen und würden Ihnen ganz offenherzig sagen: mit der oder jener Kasse sind wir nicht zu einem Einvernehmen gelangt; lassen Sie uns die entsprechende Summe vom Etat absetzen oder irgend etwas Anderes thun, was ich heute noch nicht vorschlagen kann. 8 8

Ich glaube, daß diese Worte wohl dazu führen können, einen Punkt, der vielleicht zu Mißverständnissen führen kann, auszugleichen.

Es ist gefährlich, Beispiele anzuführen; aber ich glaube, wir haben noch in Erinnerung, daß vorhin nach Nummern über Bemerkun⸗

en zum Etat abgestimmt worden ist; es ist bei den Universitäten

arburg und Halle so abgestimmt worden. Es war das wohl mehr eine Bequemlichkeit, wenn ich so sagen darf, aber es hat der Vorgang doch immerhin einen gewissen Werth. Sie haben für die einzelnen Universitäten die vollen Summen bewilligt, Zuschüsse für Marburg und Halle, aber ich halte es doch für ganz unmöglich, daß die Regie⸗ rung die Zuschüsse, die Sie bewilligt haben, zu anderen Zwecken ver⸗ wenden könnte, als zu den Zwecken, die in der Kolonne „Bemerkun⸗ gen“ angeführt worden sind; also insofern paßt doch einigermaßen diese Parallele. Aber der Hauptpunkt ist doch immer der, welchen der Hr. Abg. Hobrecht angeführt hat, und das zweite ist dasjenige, was ich Ihnen vorhin gesagt habe, daß hier die Verhältnisse so liegen, wie Hr. Hobrecht klar gestellt hat. Die Regierung hält sich gebunden, die Gelder, die Sie ihr anvertrauen, in keiner anderen Weise und zu keinen anderen Zwecken zu verwenden, als sie vorgeschlagen hat; kann sie diese Zwecke nicht erreichen, so kann sie die Gelder selbstverständlich nicht verwenden.

Abg. Freiherr von Huene widersprach der Auffassung des Ministers, daß eine Analogie mit den Bewilligungen für Mar⸗ burg und Halle vorliege. 8

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen und die Position nach dem Antrage Hobrecht, der Regierungsvorlage entsprechend, mit geringer Majorität bewilligt.

Der Rest des Universitäts⸗Etats wurde ohne Debatte ge⸗ nehmigt.

Hierauf vertagte sich das Haus. Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 12 Uhr.

1. Steckbriefe und Untersuchungs⸗Sachen.

2. Zwangsvollstreckungen, Agsceite orladungen u. dergl. 3. Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen ꝛc.

4. Verloosung, Zinszahlung ꝛc. von öffentlichen Papieren.

Oeffentlicher

Anzeiger.

5. Kommandit⸗Gesellschaften auf Aktien u. Aktien⸗Gesellsch. 6. Berufs⸗Genossenschaften.

7. Wochen⸗Ausweise der deutschen Zettelbanken.

8. Verschiedene Bekanntmachungen.

Brandenburg a. H. auf den 15. April 1889, Vormittags 10 Uhr. Zum Zwecke der öffent⸗

den Rechtsanwalt Knobloch zu gegen

öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage

Dobrilugk, klagt bekannt gemacht.

Die Re⸗ Wege

2) Zwangsvollstreckungen, Aufgebote, Vorladungen u. dgl.

[64005] Oeffentliche Zustellung.

Der Kaufmann Julius Brietz zu Branden⸗ burg a. H, Kurstr. 66, vertreten durch Rechtsanwalt Flaminius daselbst, klagt gegen den Bäckermeister C. Ruck, bisber zu Brandenburg a. H., jetzt un⸗ bekannten Aufenthalts, wegen eines am 5. Januar 1889 gewährten baaren Darlehns von 400 ℳ, mit dem Antrage, Beklagten kostenpflichtig zur Zahlung eines Theilbetrages von 100 nebst 6 % Zinsen seit dem 15. Januar 1889 zu verurtheilen, auch das Urtheil für vorlänfig vollstreckbar zu erklären, und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor das Königliche Amtsgericht zu Brandenburg a. H. auf den 15. April 1889, Vormittags 10 Uhr. Zum Zwecke der öfzent⸗ lichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage be⸗ kannt gemacht.

Brandenburg a. H., den 28. Februar 1889. 8 Pinczakowski, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.

164006] Oeffentliche Zustellung.

Der Kaufmann Julius Brietz zu Brandenburg a. H., Kurstraße 66, vertreten durch Rechtsanwalt Feegrüeüns daselbst, klagt gegen den Bäckermeister

.Ruck, bisher zu Brandenburg a. H., jetzt un⸗ bekannten Aufenthalts, wegen eines am 5. Januar 1889 gewährten baaren Darlehns von 400 mit dem Antrage, Beklagten Pfhenpftichih zur Zahlung eines Theilbetrages von 300 nebst 6 % Zinsen seit 15. Januar 1889 z verurtheilen, auch das Urtheil für vorläufig vollstreckbar zu erklären und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor das Königliche Amtsgericht zu

lichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage be⸗ kannt gemacht. Brandenburg a. H., den 28. Februar 1889. Pinczakowski, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.

[62618] K. Württb. Amtsgericht Heidenheim. Oeffentliche Zustellung.

Der Fabrikant Friedrich Kraus in Giengen a. Br., Theilhaber der offenen Handelsgesellschaft „Mousselin⸗ glasfabrik von Gebrüder Kraus zu Giengen a. Br.“ vertreten durch Rechtsanwalt Freisleben in Heiden⸗ heim, ladet in seiner Rechtssache gegen seinen Bruder und Mittheilhaber der genannten Firma, Josef Kraus, mit unbekanntem Aufenthalt abwesend, An⸗ spruch aus Gesellschaft betreffend, den Beklagten in den auf Freitag, den 12. April 1889, Vor⸗ mittags 9 Uhr, neu anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor das K. Amtsgericht hierselbst, in welchem er den Klagantrag nunmehr dahin stellen wird: durch vorläufig vollstreckbares Urtheil zu erkennen, daß die von dem Beklagten mit dem Kläger eingegangene offene Handelsgesellschaft zum Betrieb einer Mousselineglasfabrik am 11. De⸗ zember 1887 ihre Auflösung gefunden habe. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Klag⸗ auszug bekannt gemacht. Den 25. Februar 1889.

6 Weigand, 1 Geerrichtsschreiber des K. Amtsgerichts.

[63897] Oeffentliche Zustellung. Die Wittwe Christiane Schulze, geborene Engel⸗ mann, zu Schönborn bei Dobrilugk, vertreten durch

1) den Herrn Richard Echtermeyer aus Riesen⸗ burg, jetzt in Australien, 1 2) den Herrn Bruno Echtermeyer aus Riesen⸗ burg, jetzt unbekannten Aufenthalts,

wegen Bewilligung der Löschung der auf dem der Klägerin gehörigen, zu Schönborn belegenen, im Grundbuche von Schönborn Band I. Nr. 47 ver⸗ zeichneten Grundstücke in der dritten Abtheilung Nr 12 für den Erblasser der Beklagten, den Rechts⸗ anwalt Echtermeyer zu Herzberg a./Elster einge⸗ tragenen 20 Thaler 3 Silbergroschen 6 Pfennig mit dem Antrage, die Beklagten als Erben des am 10. Juni 1871 zu Marienburg in Preußen ver⸗ storbenen Rechtsanwalts Ernst Bruno Echtermeyer kostenpflichtig zu verurtheilen: 1 . 1. die Löschung der auf dem zu Schönborn bei Dobri⸗ lugk belegenen, im Grundbuche von Schönborn Band I. Nr. 47 verzeichneten Grundstücke in der drilten Ab⸗ theilung Nr. 12 für den Rechtsanwalt Echtermeyer zu Herzberg a./Elster auf Antrag des Prozeßrichters im Wege der Exekution eingetragenen zwanzig Thaler drei Silbergroschen sechs Pfennig = sechszig Mark fünf und dreißig Pfennig aus dem rechtskräftigen Mandate vom 3. November 1850 in Sachen Echter⸗ meyer wider Seehaus, und zwar an ö und den hinzugerechneten Auegagen, owie mit den Kosten der Eintragung und künftigen Einziehung zu bewilligen, *

II. anzuerkennen, daß sie den über die vorstehend beschriebene Post gebildeten Hypothekenschein weder besitzen, noch gefährlicherweise abhanden gebracht haben, auch nicht wissen, wo derselbe sich befindet,

und das Urtheil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und ladet die Beklagten zur münd⸗ lichen Verhandlung des Rechtsstreits vor das König⸗ liche Amtsgericht zu Dobrilugk auf den 2. Mai 1889, Vormittags 11 Uhr.

Zum Zwecke der

Schulz, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.

[64010] Bekanntmachung.

Die durch Rechtsanwalt Hünerbein in Elberfeld vertretene, zum Armenrechte zugelassene geschäftslose Johanna Elisabeth, geb. Roth, zu Elberfeld, Ehe⸗ frau des Delikateßwaarenhändlers Heinrich Gaum daselbst, hat gegen diesen beim Königlichen Land⸗ gerichte zu Erberfeld Klage erhoben mit dem Antrage auf Gütertrennung.

Zur mündlichen Verhandlung ist Termin auf den 26. April 1889, Vormittags 9 Uhr, im Sitzungssaale der I. Civilkammer des Königlichen Landgerichts zu Elberfeld anberaumt.

Eblowski, Assistent, b

Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

[64012] Bekanntmachung. b

Die durch Rechtsanwalt Justizrath König I. in Elberfeld vertretene, zum Armenrechte zugelassene geschäftslose Helene, geborne Bohres, zu Solingen, Ehefrau des Schaalenpressers und Wirthen Fried⸗ rich Lungenstraß daselbst, hat gegen diesen beim Königlichen Landgerichte zu Elberfeld Klage er⸗ hoben mit dem Antrage auf Gütertrennung.

Zur mündlichen Verhandlung ist Termin auf den 26. April 1889, Vormittags 9 Uhr, im Sitzungssaale der I. Civilkammer des Königlichen Landgerichts zu Elberfeld anberaumt.

Eblowski, Assistent

Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

[64011] Bekanntmachung.

Durch Urtheil der I. Civilkammer des König⸗ lichen Landgerichts zu Elberfeld vom 29. Januar 1889 ist die zwischen den Eheleuten Spezereiwaaren⸗