1889 / 113 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 May 1889 18:00:01 GMT) scan diff

I. Abgesehen von den vorstehend aufgeführten Verspätungen und Anschlußversäumnissen sind in Folge von Schneeverwehungen und Ueberschwemmungen auf mehreren Bahnen Züge ausgefallen und An⸗

schlüsse versäumt, sowie Verspätungen von Zügen herbeigeführt worden, und zwar sind:

.1) auf der Alt⸗Damm⸗Colberger Bahn 2 Züge ganz und 13 Züge reckenweise ausgefallen;

2) auf der Halberstadt⸗Blankenburger Bahn 2 Züge ganz und 1 streckenweise ausgefallen, sowie 1 Anschluß verfehlt;

3) auf der Kiel Eckernförde⸗Flensburger Bahn 3 Anschlüsse ver⸗ ehlt; außerdem haben 8 Züge Verspätungen erlitten;

3 Züge Verspätungen erlitten;

streckenweise ausgefallen; 3 weise ausgefallen, sowie 29 Anschlüsse verfehlt; 14 Züge Verspätungen erlitten;

7) auf der Stargard⸗Küstriner Bahn 6 Züge ganz und 3 strecken⸗ weise ausgefallen, sowie 3 Anschlüsse verfehlt;

8) auf der Wismar⸗Rostocker Bahn 8 Züge streckenweise aus⸗

gefallen, sowie 3 Anschlüsse verfehlt;

9) auf den Königlich sächsischen Staatsbahnen 6 Züge ganz und 16 streckenweise ausgefallen, sowie 61 Anschlüsse verfehlt; außerdem haben 63 Züge Verspätungen erlitten;

streckenweise ausgefallen, sowie 3 Anschlüsse verfehlt; außerdem haben 5) auf der Marienburg⸗Mlawkaer Bahn 42 Züge ganz und 4

6) auf der v. Südbahn 37 Züge ganz unh 8 fhecen außerdem haben

10) im Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Altona 2 Züge streckenweise ausgefallen;

11) im Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Breslau 6 Züge streckenweise ausgefallen;

12) im Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Erfurt 1 Zug ganz und 11 Züge streckenweise ausgefallen, sowie 11 Anschlüsse verfehlt; außerdem haben 11 üge Verspätungen erlitten;

13) im Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Bromberg 248 Züge senn und 84 Züge streckenweise ausgefallen, sowie 280 An⸗ schlüsse verfehlt; außerdem haben 57 Züge Verspätungen erlitten;

14) im Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Berlin 6 Züge ganz und 5 Züge streckenweise ausgefallen.

II. Die Verwaltungen der unter Nr. 12, 19 und 31 aufgeführten

Eisenbahnen geben die Zahl der in den Spalten 31 und 32 nach⸗ gewiesenen Achskilometer nach annäherndem Ueberschlag an.

4) auf der Mecklenburgischen Südbahn 5 Züge ganz und 12

8 11“

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 11. Mai. Im weiteren Verlauf er gestrigen (64.) Sitzung des Reichstages wurde die zweite des Gesetzentwurfs, betreffend die Alters⸗ und Invaliditätsversicherung, bei den Para⸗ graphen 105, 106 fortgesett. Abg. Schrader: Wenn die Kontrolvorschriften bei dem Unfallversicherungsgesetz schon sehr unbequem seien, so würden 8 bei diesem Gesetz sas unerträglich werden, weil hier nicht allein jie kleinen Betriebsunternehmer der Kontrole unterworfen werden sollten, sondern jeder brave Deutsche, der auch nur ein Dienstmädchen oder eine Aufwärterfrau habe. Er müsse in diesem Falle Buch führen über die Anschaffung und Ver⸗ wendung der Marken, und das unterliege der Revision der Polizeibehörde. Es werde also jeder Deutsche unter Polizei⸗ aufsicht gestellt, und ob diese Polizeiaufsicht unter allen Umstän⸗ den so unparteitisch und vorsichtig geübt werde, wie man wünsche, bezweifle er. Er wisse nicht, ob es möglich sein werde, ohne olche Kontrolvorschriften auszukommen. Jedenfalls 8 es ihm lieber, daß eine nicht genügende Kontrole geübt, als daß eine so ausgedehnte und schädlich wirkende Macht in die Hände von Polizeiorganen gelegt werde. Ob die Strafverfügungen immer mit der nöthigen Gerechtigkeit getroffen würden, sei 85* zweifelhaft, und für den nöthigen Instanzenzug sei kaum gesorgt.

Staatssekretär von Boetticher:

Ich möchte demgegenüber dringend bitten, den §. 105 anzunehmen. Der §. 105 ist gar keine neue Bestimmung in unserer sozialpolitischen Geseboebung; Sie finden eine ähnliche Vorschrift im Unfallversicherungs⸗ gesetz, 1

Nun hat der Herr Vorredner ein sehr erschütterndes Bild von der polizeilichen Aufsicht und Kontrole entworfen, unter die jetzt das 95 Deutsche Reich gestellt werden soll. Allein, meine Herren, das st auch nichts Neues. Ich erinnere den Herrn Vorredner daran, daß jeder deutsche Haushaltungsvorstand alle Jahre eine Liste empfängt, in welche er Behufs der Steuerveranlagung sämmtliche Familien⸗ angehörige eintragen muß und die übrigen Mitglieder seines Haus⸗ standes auch, und da wird er ebenfalls, wenn er unrichtige Angaben macht oder dieselben unterläßt, in Strafe genommen. Also diese polizeiliche Kontrole ist nichts Neues, das haben wir schon. Dasselbe geschieht bei der Aufstellung der Wählerlisten, wobei eben⸗ falls Jeder gehalten ist, die nöthige Auskunft zu geben. Nun sind bei der Anwendung des §. 82 des Unfallversicherungsgesetzes nicht die mindesten Klagen bis jetzt laut geworden, daß die Kontrole, die dort angeordnet ist, irgend Jemand unbequem gewesen wäre, oder so un⸗ bequem, daß man um des willen die Kontrole aufzuheben Veranlassung hätte. So lange solche Klagen nicht vorgekommen sind, so lange muß ich annehmen, daß die Bestimmung eben mit der erforderlichen Rücksicht und Billigkeit ausgeübt wird, und ich sehe deshalb gar nicht ein, weshalb man hier das unterlassen soll, was man auf dem Ge⸗ biete der Unfallversicherung gemacht hat. Ohne Kontrole geht es

nun einmal nicht. Dem Herrn Vorredner würde es allerdings, da er ein prinzipieller Gegner des ganzen Gesetzes ist, außerordentlich passen, wenn wir den §. 105 ablehnten, und dann Mangels jeder Kontrol⸗ vorschrift die Durchführung des Gesetzes auch eine mangelhafte werden würde; aber weil wir das nicht wünschen, weil wir wünschen, daß das Gesetz vollständig wirksam werde, deshalb haben wir den §. 105 nach dem Vorbild des Unfallversicherungsgesetzes aufgenommen. Ohne diesen §. 105 geht es nicht, und davon wird sich die Majorität des Reichstages unschwer überzeugen.

Abg. Schrader: Das Bestehen ähnlicher Vorschriften sei kein Grund, an dieser Stelle noch eine neue einzuführen. Welche Kontrolvorschriften wolle man denn überhaupt erlassen? Darüber müßten doch die Verfasser des Gesetzes eine Idee haben. Bezögen sie sich auf die von ihm vorhin hervorgehobenen Punkte, so müßten sie für viele Per⸗ onen, insbesondere für das platte Land, außerordent⸗ lich unbequem sein. Der Landmann, der kleine Gewerbtreibende werde nicht im Stande sein, die Listen ordnungsmäßig zu führen, und habe dann eine ziemlich hohe Geldstrafe zu gewärtigen. Er befürchte, daß die Polizei sich auch in ganz andere Dinge mischen werde als in die, um welche es sich hier handele.

Abg. von Strombeck will als Beschwerdeinstanz gegen die Strafverfügungen der Versicherungsanstalt statt der unteren die obere Verwaltungsbehörde eingeführt wissen.

„Bei der Abstimmung über den §. 106 bezweifelt Abg. Virnich die Beschlußfähigkeit des Hauses. Da das Prä⸗ schium diesen Zweifel theilt, so wird zum Namensauruf ge⸗

ritten.

Der Namensaufruf ergiebt die Anwesenheit von 210 Mit⸗ gliedern; das Haus ist also beschlußfähig.

§. 106 wird unter Ablehnung des Antrags von Strombeck unverändert angenommen.

Die §§. 108 und 109 enthalten Vorschriften über die Vermögensverwaltung. Alle verfügbaren Gelder seien pupil⸗ larisch sicher verzinslich anzulegen. Nach der Regierungs⸗ vorlage sollte der Bundesrath den Versicherungsanstalten widerruflich gestatten können, einen Theil ihres Vermögens in anderen als der pupillarischen Sicherheit entsprechenden Papieren, in Grundstücken oder in Bergwerksantheilen anzu⸗ legen; mehr als der vierte Theil des Vermögens dürfe aber in dieser Weise nicht angelegt werden.

Nach den Kommissionsbeschlüssen kann der Kommunal⸗ verband, für den eine Landesversicherungsanstalt geschaffen ist, auf Antrag der letzteren widerruflich gestatten, daß ein Theil

es Anstaltsvermögens aber nicht mehr als ein Viertel

anderen als pupillarisch sicheren zinstragenden Papieren oder in Grundstücken angelegt werden kann.

Nach §. 109 sind die Anstalten verpflichtet, dem Reichs⸗ Versicherungsamt in näher vorzuschreibenden Fristen Ueber⸗ g über Geschäfts⸗ und Rechnungsergebnisse einzureichen. 18e. bg. Schrader: Durch Ansammlung der Versicherungs⸗

beiträge werden große Kapitalien im Laufe der Jayre der und der Arbeit entzogen werden. Noch wichtiger er sei, daß die Ersparnisse der Arbeiter zu Zwecken Ver⸗

Konsumvereinen u. s. w. bei uns seien diese Verhältnisse ohnehin

entwickelt, und nun nehme dieses Gesetz wiederum einen Theil der Ersparnisse zu anderen Zwecken weg. Das Interesse der Arbeiter werde dadurch in erheblicher Weise be⸗ Er möchte deshalb den Wunsch aussprechen, daß, wo die Anlegung der Gelder im Interesse der Arbeiter mög⸗ lich sei, das auch geschehe. Er denke im Besonderen an Arbeiterwohnungen, wenn solche von Genossenschaften, gemein⸗

angelegt;

von Häusern, in nicht

wendung finden würden, die nicht Zwecke der Arbeiter seien.

Revisionen ü

nützigen Gesellschaften u. s. w. gebaut würden, sollten Kapitalien in dem Umfange, wie dieser Paragraph es vorsehe, hergegeben werden, natürlich immer nur, wenn Sicherheit ge⸗ boten sei.

Staatssekretär von Boetticher: In Deutschland seien der⸗ artige gemeinnützige Bestrebungen nicht so vorbereitet, wie in England. Wenn aber und soweit sie vorhanden seien, gestatte auch §. 108, sie zu unterstützen unter der Voraussetzung, daß die Unternehmungen die Gewähr der vollen Sicherheit in sich trügen. Den Wunsch, daß, soweit solche Unternehmungen be⸗ en und Sicherheit böten, ihnen Gelder, von denen hier die Rede sei, zugewendet werden möchten, 18 er vollständig, und auch er würde sich freuen, wenn die hier angesammelten Kapitalien den Arbeitern in möglichst großem Umfange zu gute kämen.

Die §§. 108 und 109 werden unverändert angenommen.

Den Abschnitt V (§§. 110 115) Schutzvorschriften hat die Kommission gestrichen. Danach sollten die Versicherungs⸗ anstalten befugt sein, über die von den Arbeitgebern zum Schutz der Arbeiter gegen gesundheitsschädliche Einflüsse zu treffenden Einrichtungen und über das Seitens der Versicherten zur Verhütung von Krankheiten zu beobachtende Verhalten Vorschriften zu erlassen, deren Ausführung zu überwachen und deren Verletzung mit Strafen zu belegen.

Abg. Schrader: Es scheine ihm wünschenswerth, daß der Referent die Motive, aus denen die Kommission diesen Ab⸗ schnitt gestrichen hatte, vortrage, zumal der Bericht darüber sich sehr kurz fasse.

Berichterstatter Abg. Freiherr von Manteuffel verzichtet auf das Wort.

„Abg. Schrader: Dann werde er allerdings wohl ge⸗ nöthigt sein, selbst Referent zu spielen; er werde dabei so kurz als möglich sein. Man habe früher großen Werth darauf ge⸗ legt, diese Schutzvorschriften in das Gesetz auszunehmen; er erinnere auch daran mit wie lebhafter Begeisterung die Unfallver hütungs⸗Ausstellung aufgenommen worden sei. Es könnte deshalb sehr wunderbar erscheinen, daß die Schutzvorschriften in diesem Gesetz von der Kommission einmüthig und auch mit Zustimmung der verbündeten Regierungen gestrichen worden seien. Es handele sich aber bei diesen Bestimmungen um solche Vorschriften, welche mit der Einrichtung von Betrieben gar nichts zu thun hätten, sondern mit dem persönlichen Verhalten sowohl der Versicherer als der Versicherten. Solche Vorschriften würden außer⸗ ordentlich bedenklicher Natur sein und eine Kontrole noth⸗ wendig machen, die in jeder Beziehung mißlich wäre. Der Werth der Vorschriften wäre schon des⸗ halb sehr zweifelhaft, weil sie große Chikanen im Gefolge haben könnten. Es wäre auch schwer für die Versicherungsanstalten, zweckmäßig solche Vorschriften zu treffen. Zuͤdem biete unsere bestehende Gesetzgebung, nament⸗ lich die Gewerbeordnung, bereits die Handhabe, solche Vor⸗ schriften zu erlassen. Das Verfahren der Versicherungs⸗ anstalten ohne Mitwirkung der Betheiligten würde häufig ein bureaukratisches sein. Aus diesen Gründen sei die Kommission zur Ablehnung dieser Schutzbestimmungen gekommen. Im Interesse des Hauses und des Gesetzes habe er diese Aus⸗ führungen zu machen nicht er ftecen wollen.

Abg. Merbach: Es sei nicht bloß die Ansicht der Herren auf der linken Seite des Hauses, sondern auch die der Kon⸗ servativen, daß es sich empfehle, die Paragraphen über die Schutzvorschriften zu streichen. Das erstrebte Ziel sei auf anderem Wege sicherer und mit mehr Aussicht auf Erfolg zu erreichen.

Der Abschnitt wird gestrichen.

Abschnitt VI (§§. 116—119) handelt von der Aufsicht. Dieselbe steht dem Reichs⸗Versicherungsamt, und nur für die Landesversicherungsanstalten, die sich nicht über den Bezirk eines Bundesstaates, für welchen ein Landes⸗Versicherungsamt errichtet ist, hinaus erstrecken, dem letzteren zu.

„Abg. Gebhard beantragt, im Interesse der Rechtseinheit die Entscheidung über die Revision gegen der Schiedsgerichte dem Reichs⸗Versicherungsamt zu übertragen. Die Gefahr einer verschiedenen Rechtsprechung durch die einzelnen Landes⸗Versicherungsämter sei nicht so gering, wie man annehme; denn es sei bereits festgestellt, daß ein Landes⸗ Versicherungsamt sich bei der Unfallversicherung von anderen Grundsätzen leiten ließe, als sie das Reichs⸗Versicherungsamt aufgestellt habe.

Abg. von Strombeck erklärt sich gegen den Antrag Geb⸗ hard, da die Gefahr einer Rechtsungleichheit nicht vorliege; hnstat⸗ könne man abwarten, ob sich in der Praxis ein Be⸗ ürfniß zu dem Antrage Gebhard herausstelle.

Abg. Schrader hält die Gefahr einer Verschiedenheit der Rechtsprechung durch die einzelnen Landes⸗Versicherungsämter für vorliegend, zumal bei diesem Gesetz, das die Handhabung der rechtlichen Seite in die Hände so vieler Behörden lege. Die Landes⸗Versicherungsanstalten würden lediglich den Gewohnheiten ihrer Länder folgen. 5 die Erfahrungen in der Praxis könne man nicht warten. Bei den großen Schwierig⸗ keiten der Definitionen in diesem Gesetz, besonders über die Erwerbsunfähigkeit, müsse von vornherein für eine einheitliche Fehesweenß gesorgt werden. Ohne Einheitlichkeit hätten die

erhaupt keine große Bedeutung.

In England würden die Ersparnisse der Arbeiter im Bau

sehr

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Staatssekretär von Boettiche: Die Einkheitlichkeit der Rechtsprechung ist gewiß ein sehr schönes Ding und erstrebenswerth; es frägt sich nur, ob man diese Einheit⸗ lichkeit der Recht prechng auch da statuiren und erstreben soll, wo es sich nicht um sehr erhebliche Streitsachen handelt, und wo gegenüber dieser Einheitlichkeit der Rechtsprechung doch auch andere Gründe ins Gefecht geführt werden, die dafür sprechen, den Plan zu verfolgen, den die verbündeten Regierungen hier vorschlagen.

„Wirr sind gar keine Feinde der einheitlichen Rechtsprechung und sind sehr weit entfernt davon gewesen, auf diesem Gebiete der Alters⸗ und Invalidenversicherung einen Zustand herzustellen, welcher sich darin kennzeichnen würde, daß in den einzelnen Ländern ganz verschiedene Grundsätze bezüglich der Behandlung vorkommender Fragen beobachtet werden. Das hat uns durchaus fern gelegen.

Wenn wir gleichwohl nicht dazu übergegangen sind, dem Reichs⸗ Versicherungsamt in allen Fällen die Entscheidung über eingelegte Revisionen zu übertragen, so ist einmal der praktische Grund ent⸗ scheidend gewesen, dash wir nach der bisherigen Entwickelung alle Ursache haben, alle Geschäfte vom Reichs⸗Versicherungsamt fern zu halten, welche nicht absolut und aus inneren Gründen ihm zugewiesen werden müssen, weil zweitens die Streitigkeiten, um die es sich hier handelt, weitaus nicht die Bedeutung haben, wie auf dem Gebiete der Unfallversicherungsgesetzgebung, und weil endlich auch auf dem Gebiete der Unfallversicherungsgesetzgebung verschiedene höchste Instanzen ingeleffen 11 8. d

Auf dem Gebiete der Unfallversicherungsgesetzgebung sind die Streitigkeiten sehr viel zahlreicher und sehr viel süle gchehn als snß dem Gebiete der Alters⸗ und Invalidenversorgung. Dort handelt es sich beispielsweise in sehr vielen Fällen einmal um die außerordentlich wichtige und für die Entscheidung des konkreten Falles ganz wesentliche Frage, ob ein Betriebsunfall vorliegt oder nicht. Davon kann hier nicht die Rede sein. Sodann handelt es sich bei der Handhabung der Unfallversicherungsgesetze um die zweite sehr wesentliche und sehr intrikate Frage: welche Berufsgenossenschaft ist in casn concreto die verpflichtete? Diese r e kann dort außerordentlich streitig sein. Hier ist davon übera eine Rede; ein Streit zwischen den Ver⸗ sicherungsanstalten dieses Gesetzes ist absolut unmöglich, es kann keine Versicherungsanstalt ihre Verpflichtung ablehnen, sobald ihr die Karte präsentirt wird, aus der sich ergiebt, daß zu dieser Versicherungsanstalt Beiträge geflossen sind.

Die einzige Frage, um die es sich bei Durchführung dieses Ge⸗ setzes handeln kann und welche allein der schiedsrichterlichen und unter Umständen auch der Entscheidung des Reichs⸗Versicherungsamts bezw. der Landes⸗Versicherungsämter unterliegt, ist wohl diejenige: Ist der betreffende Antragsteller als erwerbsunfähig anzusehen oder nicht? Alles Andere, namentlich alle Daten, die sich auf den Umfang des Anspruchs beziehen, liegen klar zu Tage. Was nicht durch die Quittungskarte nachgewiesen wird, existirt nicht.

Also ich komme darauf zurück; die einzige Streitigkeit, um die es sich handeln kann, ist wohl die Frage: Ist der Mann invalid oder nicht? Nun gebe ich zu, daß auch diese Frage nach verschiedenen Grundsätzen beurtheilt werden kann, und daß es nicht wünschenswerth ist, wenn verschiedene Grundsätze bei der Beurtheilung dieser Frage in Anwendung kommen. Allein, meine Herren, auch hier liegt die ganze Handhabung des Gesetzes wieder wesentlich anders wie bei der Unfallversicherungsgesetzgebung. Bei letzterer haben Sie in der Regel ein äͤußeres Kennzeichen des Unfalls, ein äußeres Kennzeichen des Zustandes des Verunglückten. Ich kann bei der Unfallversicherung dazu kommen, zu sagen: Wer einen Arm verloren hat, und zwar den rechten, ist um so und soviel Prozent in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt; wer den linken Arm verloren hat, um so und soviel Prozent; wer ein Auge verloren hat, muß die und die Rente haben, wer einen Fuß verloren hbat, die und die Rente. Da sehen Sie sofort, wie sehr ungünstig es wirkt, wenn beispielsweise das Reichs⸗Versicherungsamt anders ent⸗ scheidet, wie die Landes⸗Versicherungsdämter. Bei der Invaliden⸗ versicherung ist die Sache ganz anders. Ein äußeres Kennzeichen der Invalidität haben Sie in den seltensten Fällen und die Beurtheilung darüber, ob die betreffende Person noch im Stande ist, ein bestimmtes Maß von Erwerb sich zu verschaffen, wird unter Umständen recht schwierig sein. Ob man dafür allgemeine Grundsätze aufstellen kann, ist mir in der That sehr zweifelhaft; wollte man sagen, wer eine Lungenentzündung durchgemacht hat, ist unter allen Um⸗ ständen erwerbsunfähig, so würde das entschieden zu weit führen. Man muß sich vielmehr bei der Invalidenversicherung in jedem Falle den Mann sehr genau ansehen, ihn sehr genau unter⸗ suchen, und es wird auf diesem Gebiet schwer sein, eine Parallele mit der Unfallversicherung mit aller Bestimmtheit zu ziehen. Aus allen diesen Gründen haben wir uns gesagt, daß die Revissonsentscheidungen, wie sie in diesem Gesetze vorgesehen sind, weitaus nicht die Bedeutung haben wie die Revisionsentscheidungen nach dem Unfallversicher ungs⸗ gesetz; und wenn wir nun weiter auch das praktische Moment, welches ich vorher schon erwähnt habe, in Betracht ziehen, daß nämlich in der That das Reichs⸗Versicherungsamt belastet ist, so haben wir um⸗ soweniger Anstand nehmen dürfen, auch auf diesem Gebiete denjenigen Instanzenzug einzuführen, welcher bei dem rücksichtlich der vorkommen⸗ den Entscheidungen weitaus schwierigeren Gesetze über die Unfallver⸗ sicherung bereits besteht.

Meine Herren, der Hr. Abg. Gebhard hat einen Grund ins Gefecht geführt, der prima vista außerordentlich plausibel ersche int. Er hat gesagt, bei der Unfallversicherung liegt die Sache um deshalb anders, weil dort das Landes⸗Versicherungsamt immer nur entscheiden würde über den Anspruch eines zur Zeit dem Bezirk des Landes⸗Versicherungsamts angehörenden Mannes gegenüber einer Berufsgenossenschaft, welche ebenfalls dem Bezirk dieses Landes⸗Versicherungsamts angehört. Es wird also damit gewissermaßen ein Streit unter den eigenen Landeskindern entschieden. Anders, sagt Hr. Gebhard, und zwar vollständig mit Recht, ist der Fall hier. Man kann den Fall konstruiren, daß Jemand, der 40 Jahre, ich will mal saßen in Preußen, gearbeitet hat, 14 Tage in Bayern arbeitet, dort seine Invalidität behauptet und daß ein mildthätiges Schiedsgericht resp. ein mildthätiges Landes⸗Versicherungsamt vielleicht nach laxeren Grundsätzen als es die entsprechenden Organe in Preußen thun würden, diesen Mann für einen Invaliden ansieht, während dieser Mann nach preußischer Auffassung oder nach Auffassung des Reichs⸗Versicherungsamts noch nicht als Invalide gelten würde. Hier würde also das Landes⸗Versicherungsamt in Bayern in der Hauptsache über einen Anspruch entscheiden, der sich gegen die preußischen Ver⸗ sicherungsanstalten richtet und bei dem die bayerischen Versicherungs⸗ anstalten in außerordentlich geringerem Grade betheiligt sind. Ich sage, meine Herren, dieser Grund hat ja etwas für sich; wenn man ihn aber genauer betrachtet, verfängt auch der nicht. Meine Herren, die Sache kann überhaupt nur in die Revisionsinstanz kommen, entweder wenn der Vorstand der Versicherungsanstalt resp. das Schiedsgericht den Anspruch des Mannes abgelehnt hat und dieser behauptet, er

werde zu Unrecht als erwerbsfähig angesehen, oder wenn das Schieds⸗

gericht der Meinung des Vorstandes der Versicherungsanstalt, daß der

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Mann noch erwerbsfähig sei, nicht beigetreten ist, sondern seine In⸗ validität anerkannt hat, und nun der Vorstand der Versicherungs⸗ anstalt die Revision gegenüber der Entscheidung des Schieds⸗ gerichtes einlegt. Meine Herren, es ist klar, daß in beiden Fällen gar wenig Aussicht dazu vorhanden sein wird, daß eine mildere oder andere Auffassung beim Landes⸗Versicherungsamt jemals zu einer Prägravirung der etwa betheiligten außerbayerischen Ver⸗ sicherungsanstalten führen könnte; denn der Mann, welcher zu Unrecht noch als erwerbsfähig angesehen wird, kann immer nur ein günstiges Ürtheil erstreiten, und die Versicherungsanstalt resp. das Schiedsgericht werden sehr viel mehr Anlaß haben, den Fall milder zu beurtheilen, als das Landes⸗Versicherungsamt, welches sich hüten wird, gegenüber der strengeren Auffassung des Schiedsgerichts eine mildere Ansicht zur Geltung zu bringen. Also, meine Herren, ich taxire auch diesen Grund

nicht sehr hoch. .

Ich resümire: Was uns bestimmt hat, das ist die Betrachtung, daß die Streitigkeiten, wie sie hier in die höchste Instanz kommen, von nicht so schwerwiegender Bedeutung sind, wie auf dem Gebiete des Unfallversicherungswesens, daß deshalb aus der Bedeutung dieser Streitigkeiten kein Grund abgeleitet werden kann, hier einen anderen Weg einzuschlagen, als man ihn bei der Unfallversiche⸗ rung eingeschlagen hat. Dazu kommt allerdings noch das bekenne ich ganz frei und offen, kommt auch der Wunsch, daß in den⸗ enigen Staaten, welche Landet⸗Versicherungsämter einrichten, diese Landes⸗Versicherungsämter nun auch möglichst voll mit allen Befug⸗ nissen ausgestattet werden mögen, die man dem Reichs⸗Versicherungs⸗ amt für das weitere Gebiet gegeben hat.

Das sind die Gründe, die uns bestimmt haben, dies zu empfehlen. Eine prinzipielle Bedeutung hat es nicht. Mögen Sie das eine be⸗ schließen, mögen sie das andere beschließen, ich sehe darin keinen Grund, an der Durchführung des Gesetzes, und zwar an der korrekten Durchführung des Gesetzes zu zweifeln. Ich meines Orts bin der Meinung, die Landes⸗Versicherungsämter können ebenso gut das Ge⸗ schäft machen, wie das Reichs⸗Versicherungsamt, und es wird sich Niemand darüber beschweren, wenn er vom Landes⸗Versicherungsamt eine Entscheidung bekommt, die vielleicht mit der Entscheidung des Reichs⸗Versicherungsamts nicht vollständig im Einklange zu stehen scheint. Ich kann deshalb nur empfehlen, daß Sie bet der durch die Kommission gebilligten Vorlage bleiben.

Bayerischer Bevollmächtigter, Geheimer Rath Landmann: Widersprüche zwischen dem bayerischen Landes⸗Versicherungs⸗ amt und dem Reichs⸗Versicherungsamt würden ebensowenig bei diesem Gesetz wie beim Unfallversicherungsgesetz eintreten, Das Interesse der Betheiligten spreche gleichfalls für die Landesanstalten, da dadurch eine Zeit⸗ und Kostenersparniß ermöglicht werde. B

Abg. Gebhard: Die Landes⸗Versicherungsämter seien Ge⸗ richte und müßten, wie jeder Richter, nach ihrer eigenen Ueber⸗ eugung urtheilen. Dadurch sei die Möglichkeit einer ver⸗ siederartigen Entscheidung gegeben. Da prinzipielle Bedenken nach der Aeußerung des Staats⸗ ekretärs nicht entgegenständen, bitte er, denselben an⸗ unehmen. Daß die Bestimmung der Erwerbsunfähigkeit eichter sei als ähnliche Fragen beim Unfallversicherungs⸗ gesetz, könne er nicht zugeben, denn in mehreren Sitzungen in der Kommission und im Plenum hätte man sich mit dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit eingehend beschäftigen müssen.

Die Paragraphen werden mit dem Antrage Gebhard an⸗ genommen.

Neu eingeschaltet hat die Kommission den Abschnitt VII: Rentensparkassen (§§. 119 a 119 k). Für jede Landes⸗ Versicherungsanstalt wird durch Nebenstatut eine Renten⸗ sparkasse errichtet mit getrennter Vermögensverwaltung. Jeder Versicherte kann bei derselben baare Einlagen oder Einzahlungen durch Sparmarken machen. Einleger, welche eine Alters⸗ oder Invalidenrente erhalten, haben Anspruch auf eine dem Leibrentenwerthe ihres Guthabens Feerher Zusatzrente. Verstirbt ein Einleger, ehe er in den Genuß der Zusatzrente gelangt ist, so fällt sein Guthaben seinen Erben zu. Dem Reichs⸗Versicherungsamt steht die Aufsicht auch über die Rentensparkassen zu, die übrigens für mehrere Anstalten gemeinsam errichtet werden können.

Abg. von Stumm beantragt, diesen ganzen Abschnitt zu streichen. Die Errichtung von Rentensparkassen sei überflüssig, denn es bestehe eine ganze Menge von Sparkassen, in welchen die Arbeiter ihre Einlagen machten und machen könnten; sie sei bedenklich, denn sie lenke den Sparsinn des Arbeiters in eine ganz bestimmte, einseitige Richtung und trage zur Kumu⸗ lirung großer Kapitalien in Berlin und anderen Centren bei. Diese Kapitalien kämen somit demjenigen Kreise, in welchem der betreffende Arbeiter wohne, nicht zu Gute. Durch diesen Vorschlag werde aber der Apparat dieses Gesetzes noch erheblich vermehrt, denn neben die bisherigen Marken trete noch eine Sparmarke. Das Haus bewege sich hier in einem merkwürdigen Widerspruch. Während es früher die Post⸗ sparkassen abgelehnt habe, habe die Kommission auf einmal die Rentensparkassen angenommen. Der Vorschlag sei aber auch gefährlich, denn er entziehe dem Arbeiter die Ersparnisse gerade in einem Augenblick, wo er sie am allernöthigsten brauche. Nach den bisherigen Beschlüssen werde der Arbeiter erst dann pensionirt, wenn er ⅛1 des Durchschnittslohns der betreffenden Lohnklasse und des dreihundertfachen Betrags des ortsüblichen Tage⸗ lohns nicht mehr verdiene. In der vierten Lohnklasse und bei den Lohnverhältnissen in seiner Gegend würde das zusammen etwa 250 betragen. So lange der Mann also noch mehr als 250 verdiene, erhalte er keine Rente, könne also auch seine Ersparnisse nicht flüssig machen. Sobald er aber nach em 50. Beitragsjahre eine Rente von 416 erhalte, die für seine Bedürfnisse als Rentner ausreiche, gelange er noch in den Besitz der Sehe aus seinen Ersparnissen. Nun liege es auf der Hand, daß er in diesem Alter, wo er für Kleidung und Nahrung nicht mehr so viel nöthig habe, auch diese Rente nicht so brauche, wie in jüngeren Jahren. Er bitte deshalb, den ganzen Abschnitt zu streichen.

Abg. Rickert: Er könne sich diesen Ausführungen nur anschließen. Für so besonders schädlich allerdings halte er diese Bestimmungen nicht, denn kein Arbeiter werde so thöricht sein, von ihnen Gebrauch zu machen. Was der Vorredner aber in Bezug auf die einseitige Richtung des Sparsinns der Arbeiter gesagt habe, sei ebenso scharf gegen das ganze Gesetz ins Gefecht zu führen. Uebrigens sei es auffallend, wie die ganze Sache verlaufen sei. Der Urheber dieses Vorschlags, ein hervorragender nationalliberaler Abgeordneter, stellte in der Kommission diese Idee als die Krönung des ganzen Gesetzes hin. Er deutete sogar an, daß er im Fall der Ab⸗ lehnung dieses Vorschlags gegen das ganze Gesetz stimmen würde. Die Freisinnigen glaubten, daß an dieser Frage das ganze Gesetz zum Scheitern kommen würde; die Vertreter der verbündeten Regierungen erklärten sich entschieden gegen den Antrag. Der große soflolpolittische orschlag sei nun sehr zusammengeschrumpft. Wo seien denn alle die Hoffnungen und Erwartungen geblieben? Er nehme an, daß heute einer der anderen Herren den abwesenden Antragsteller vertreten werde; jeden⸗

falls möchte er

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seinenn Antrage

bütten, den ganzen Abschnitt zu streichen. Er

se überzeugt, daß, wenn der im Seniorenkonvent nicht von reisinniger Seite gemachte Vorschlag zur Heessfahnns komme, wenn man die zweite Lesung abschließe und erst im Oktober mit frischen Kräften ur dritten Lesung zusammenkomme, nicht nur dieser ganze Abschnitt, sondern noch manches Andere ge⸗ strichen werden würde. Gerade weil die Regierungen wüßten, daß nach drei Monaten Manches scheitern könne, wollten sie das Gesetz jetzt zum Abschluß bringen.

Abg. Buhl: Die Befürchtung des g. von Stumm, daß diese Rentensparkassen eine bedenkliche Geldkonzentration herbeiführen würden, theile er nicht. Es sei den Versicherungs⸗ anstalten vollständig überlassen, das Geld auch in anderen Darlehen anzulegen. Die Frrsctun. von Rentenspar⸗ kassen sei aber für diejenigen Arbeiter von dem größten Vortheil, welche den Ortskrankenkassen, Innungs⸗ krankenkassen u. w. nicht angehörten und welche mit den Arbeitgebern auf freiwilligem Wege nicht über eine höhere Beitragsleistung sich verständigen könnten. Gerade die linke Seite des Hauses, welche auf die freie Bethätigung der Arbeiter bei jeder Gelegenheit Gewicht lege, müßte für diesen Vorschlag sein. Die Herren aus Sachsen aber möchte er bitten, den übrigen Einzelstaaten eine Einrichtung nicht zu ver⸗ sagen, die in ihrer Heimath bereits bestehe.

Abg. von Stumm: Er gtaube ebenfalls, daß von den Rentensparkassen nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht werden würde, aber wo es der Fall sein werde, werde es schädlich wirken. Sein gegenwärtiger Antrag befinde sich nicht in Widerspruch damit, daß er für das Grundprinzip des Gesetzes eintrete. Bei dem Gesetz handle es sich nicht um Sparen, sondern um Versicherung.

Abg. Hahn: Namens eines großen Theils seiner? reunde erkläre er, daß, wenn die Nationalliberalen sich auch gegen die Bedenken des Freiherrn von Stumm nicht absolut ver⸗ schlössen, sie dennoch in zweiter Lesung für die Kommissions⸗ Seee. stimmen wollten, sich aber vorbehielten, bis zur dritten Lesung in nähere Erwägung seines Vorschlages ein⸗ zutreten.

Abg. Rickert verzichtet nach dieser Erklärung zunächst auf weitere Ausführungen.

Der Abschnitt wird gegen die Stimmen des größeren Theils der Nationalliberalen, der und eines Theils des Centrums gestrichen, ebenso der folgende, die 89. umfassende Abschnitt „Reichs⸗ und Staats⸗ betriebe.“

Um 4 ½ Uhr wird die weitere Berathung auf Sonnabend 11 Uhr vertagt.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 20. Inhalt: Fehl und Steuerwesen: Zurückziehung der Befugniß einer Steuer⸗ telle. Konsulatwesen: Ernennungen. Ermaͤchtigung zur Vor⸗ nahme von Civilstands⸗Akten. Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende April 1889. Marine und Schiffahrt: Erscheinen. des 1. Nachtrags zur amtlichen Schiffsliste für 1889 Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 19. Inhalt: Verfügungen: vom 3. Mai 1889. Neue Ausgabe des Briefpost⸗ tarifs. Vom 3. Mai 1889. Behandlung der durch Vermittelung von Bahnposten mit Beamtenbegleitung zum Austausch gelangenden Geldkartenschlüsse.

Gewerbe und Handel.

Berlin, 10. Mai. Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz. Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia. 105 110 ℳ, IIa, 101.— 104 ℳ, IIIa. 96 100 ℳ, do. abfallende 93 ℳ, Land⸗, Preußische 92 95 ℳ, Netzbrücher 92 95 ℳ, Pommersche 92 95 ℳ, Polnische 92 95 ℳ, Bayerische Sennbutter ℳ, do. Landbutter ℳ, Schlesische 90 93 ℳ, Galizische 82 35 Margarine 45 70 Käse: Schweizer Emmenthaler 85 90 ℳ, Bayerischer 60 70 ℳ, do. Ost⸗ und West⸗ preußischer Ia. 55 65 ℳ, do. IIa. 45 55 ℳ, Hollaͤnder 75 85 ℳ, Limburger 32 38 ℳ, Quadratmagerkäse 15 23 Schmalz: Prima Western 17 % Ta. 44,50 ℳ, reines, in Deutsch⸗ land raffinirt 48,00 ℳ, Berliner Bratenschmalz 49,50 53,50 Fett, in Amerika raffinirt 44,00 ℳ, in Deutschland raffinirt 46,00 48,00 Tendenz: Butter: Durch erhöhten Bedarf wurden sämmtliche Ankünfte in Hofbutter bei 5 höheren Preisen schlank geräumt. Landbutter gleichfalls bei höheren Preisen gefragt. Schmalz: Bei steigenden Preisen lebhafte Kauflust. 3.

In der heutigen außerordentlichen Generalversammlung des Aktien⸗Bauvereins Passage war eine Beschlußfassung über die Fusion mit der Aktiengesellschaft Passage⸗Panoptikum nicht möglich, da die zur Gültigkeit der Beschlußfassung nöthigen zwei Drittel des Aktienkapitals nicht vertreten waren. Es wird daher eine zweite außerordentliche Generalversammlung mit derselben Tages⸗ ordnung auf den 1. Juni cr., Vormittags 9 Uhr, anberaumt, welche die betreffenden Beschlüsse gültig fassen kann, auch wenn weniger als zwei Drittel des Grundkapitals vertreten sind. 3

Ueber die Arbeitseinstellung im rheinisch⸗west⸗ fälischen Kohlenrevier liegen folgende neueren Telegramme des „W. T. B.“ vor:

Efsen a. R., Freitag, 10. Mai. Wie die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ meldet, sind den strikenden Bergleuten die Belegschaften der meisten Zechen aus dem Mülheimer und Duisburger Kreise hin⸗ zugetreten. Heute Nachmittag trafen in Dortmund der Minister des Innern, Herrfurth, der Ober⸗Präsident von Hagemeister und der Regierungs⸗Präsident von Rosen ein. Dieselben werden morgen eine Konferenz abhalten. Heute haben in Bochum Bevollmächtigte aller strikenden Bergleute beschlossen, an der achtstündigen Schicht festzuhalten, dagegen die Bestimmungen über die 15⸗ bis 20 prozentige Lohnerhöhung und die kleineren Forde⸗ rungen den einzelnen Belegschaften zu überlassen. Die Centralstelle der Strikenden ist jetzt Bochum. Die Firma Krupp erließ an ihre Arbeiter von der Zeche „Hannover“ bei Bochum einen Aufruf, in welchem dieselben energisch auf ihren Kontraktbruch und die Ungesetzlichkeit ihres Vorgehens aufmerksam gemacht werden. I

Aus Dortmund wird gemeldet, daß auf der Zeche „Schles⸗ wig“ in vergangener Nacht zwei Steiger von Strikenden schwer ver⸗ letzt worden sind. Gegen 6 Uhr Morgens schritt das Militär ein. Nach dreimaliger Aufforderung zur Räumung des Platzes und Trommelwirbel wurden 3 Personen getödtet, 2 schwer und mehrere leicht verwundet. Seitdem herrscht Rube. 8 1]

Essen a. R., 11. Mai. Laut der „Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung“ striken nunmehr auch die Grubenarbeiter auf Zeche „Mo⸗ nopol“ bei Kamen im Dortmunder Revier und sind auf den Zechen „Carl“, „Königsborn“ und dem „Massener Tiefbau“ Kürassiere eingerückt. Die gestrige Versammlung der Grubendirektoren der drei Dortmunder Reviere beschloß einstimmig, den Bochumer Beschluß, betreffend Rück⸗

weisung der alten Forderungen, so lange die Bergleute im Kontrakt⸗ bruch verharren, si

anzueignen. In Dortmund sind für den morgigen Sonntag alle öffentlichen Lustbarkeiten unter⸗ sagt. Der Minister des Innern, Herrfurth, ist schon gestern Abend nach Berlin abgereist; ebenso hahen der Ober⸗Präsident von EEE und der Regierungs⸗Präsident von Liebermann eute Morgen Dortmund verlassen.

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Gelsenkirchen, 11. Mai. Hier herrscht vollständige Ru he. alle a. S., 10. Mai. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der Riebeck'schen Montanwerke beschloß die Vertheilung einer Dividende von 11 %. Der Gewinn beträgt 1 907 179 ℳ, davon kommen auf Abschreibungen 520 000 ℳ, dem Reservefonds werden überwiesen 60 177 ℳ, ferner einem Extra⸗Reservefonds 100 000 für etwaige Grundstücksentwerthungen durch den Bergbau; 89 200 werden auf neue Rechnung vorgeschrieben. Frankfurt a. M., 9. Mai. (Getreidemarktbericht von Joseph Strauß.) Weizen hat durchaus feste Haltung behauptet, da der Bedarf allmählich zum Vorschein kommt. Ia. Wetterauer von den kleinen Provinzmühlen mit Vorliebe ge⸗ nommen 19 ½ ℳ, frei hier 19 ¼ ℳ, kurhessischer und norddeutscher, ebenso russischer und ungarischer 20 ½ —21 ½., In Roggen haben besondere Veränderungen nicht stattgefunden. Preise bleiben stetig, hiesiger 15 ½ ℳ, russische Sorten 151⁄10— 2⁄10 ℳ, vielleicht 15 gehandelt. Gerste, die noch immer an den Markt gelangenden Offerten blieben erfolglos, da kein Begehr vorhanden ist; Ried⸗, Franken⸗ und Wetterauer 14 ½¾ - 15 ½ nominell. Hafer erzielte Mangels genügender Zu⸗ fuhren nur beschränkte Fce, die Notiz 14 ¼ 15 ½ bleibt, exquisit viel darüber. Mais (m 5† Geschäftsgang schleppend, Tendenz matt, 11 ½ ½10 Cours. Chilisalpeter rahagun ohne nbschiüs in erster Hand; preiswürdige Offerten, selbst auf Lieferung per Früh⸗ jahr 1890, am Markt. In Mehl trug das Geschäft im Allge⸗ meinen einen sehr ruhigen Charakter und außer den Umsätzen, welche zur Deckung des Bedarfs geschehen, sind Abschlüsse von größerer Be⸗ deutung in keiner Weise zu verzeichnen. Berliner Roggenmehl be⸗ hauptet, frei Bahn Magdeburg 0 22 ½ ℳ, 0/1 21 ½ ℳ, 1 20 ½ va. User Mainz, Mannheim und Frankfurt a. M. ca. arüber; exquisite Marke 75 theurer. Hiesiges Weizen⸗ „mehl Nr. 0 31 ½ 33 ½ ℳ, Nr. 1 291 —31-1 ℳ, Nr. 2 26 ½ 27 ½ ℳ, Nr. 3 24 ½ 25 ½ ℳ, Nr. 4 21 ½ 22 ℳ, Nr. 5 18 19 Milchbrot⸗ und Brotmehl im Verbande 54 57 Norddeutsche und westfälische Weizenmehle Nr. 00 25 ¾- 26 ½ Hiesiges Roggenmehl Nr. 0 25 ½ ℳ, Nr. 0/1 23 ½ ℳ, Nr. 1 21 ½ ℳ, Nr. 2 18— 19 Roggenkleie 10 ℳ, Weizenklei 9,50 ℳ, Malzkeime 9,50 10 ℳ, Spelzspreu 3,80 4 Rüböl im Detail 63 64 Aachen, 10. Mai. (W. T. B.) Die heutige ordentliche Generalversammlung der Aachen⸗Höngener Bergwergsaktien⸗ gesellschaft war von 7 Aktionären, welche 223 Stimmen und 458 200 vertraten, besucht. Die Anträge des Aufsichtsraths wurden genehmigt und demselben und dem Vorstande Decharge ertheilt; außerdem wurde beschlossen, den Reingewinn von 34 051

nicht zu vertheilen.

Wien, 11. Mai. (W. T. B.) Ausweis der österreichisch⸗ ungarischen Staatsbahn in der Woche vom 30. April bis 6. Mai: 663 013 Fl., Mehreinnahme 56 914 fl.

London, 10. Mai. (W. T. B.) An der Küste 14 Weizen⸗ ladungen angeboten.

Manchester, 10. Mai. (W. T. B.) 12r Water Taylor 6 ½, 30r Water Taylor 9, 20r Water Leigh 8 ½, 30r Water Clayton 8 ⅛, 32r Mock Brooke 9, 40r Mayoll 9 ½, 40r Medio Wilkinson 10 ½, 32r Warpcops Lees 8 ¼, 36r Warpcops Rowland 2 40r Double Weston 10, 60r Double courante Qualität 13 ¼, 32“ 116 yds 16 % 16 zrey Printers aus 321/46 174. Stetig.

Lyon, 11. Mai. (W. T. B.) F. Thizy an der Rhone haben gestern 10 000 Weber die Arbeit eingestellt. Ruhestörungen sind bis jetzt nicht vorgekommen.

New⸗York, 10. Mai. (W. T. B.) Baumwollen⸗Wochen⸗ bericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 22 000 Ballen, Ausfuhr neoch Großbritannien 41 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent 20 000 Ballen, Vorrath 368 000 Ballen. v1X“X“

Tubmissionen im Auslande.

I. Rumänien.

Galatz: Comisiunea de administratie a divisiunec echipagelor, a scblelor si a deposituluc flotilec.

1) 27. Juni n. St. Im Lokal der Kaserne Tiglina Sub⸗ mission auf: 2400 Hemden aus Amerikaleinwand mit Marinekragen, 2400 Unterhosen von Amerikaleinwand, 3000 Paar Fußfetzen von grobfädigem Leinen, 1200 Handtücher, 1000 Necessaires, Nadeln, Zwirn, Scheeren, 500 Effekten⸗Säcke, 3396 schwarz⸗ feidene Bänder mit Aufschrift des Fahrzeugs oder der Compagnie, 2400 Eimer aus Leinwand, 1150 Paar Wollstrümpfe, 1000 Paar Wollhandschuhe, 1000 Paar baumwollene Handschuhe, 1000 Stück Stiefelbürsten, 1000 Stück Kleiderbürsten.

2) 28, Juni n. St. Dieselbe Behörde. 1500 m indigo⸗ blaues Tuch, 3000 m Flanell⸗Moleton, 3500 m grobfädiges Leinen für Hosen, 3500 m desgleichen für Marinehemden, 5000 m desgleichen für Effekten für Arbeitsmannschaften, 1000 m blaue Leinwand für Hemdenkragen und Manschetten, 2000 Marinemützen, 3000 baum⸗ wollene Flanelle, 2000 Pack Lustrin, 1500 Paar Stiefel, 1500 Paar zugeschnittene Vorschuhe, 1500 Paar Halbsohlen, 200 goldene Anker, 500 seidene Anker, 500 m goldene, 300 m silberne und 1000 m gelbwollene Galons.

Die Bedingnißhefte wie auch die Muster liegen an Ort und Stelle zur Einsicht auf. 10 % vom Lieferungswerth festgesetzt.

II. Spanien.

1) 31. Mai, Uhr Nachmittags. Impuestos de Madrid. 3000 Ries weißes Papier. bezw. 12 Pesetas per Ries. Kaution 2000 Pesetas.

2) 28. Mai. Ayuntamiento constitucional de Madrid. Kandelaber aus Gußeisen, zur Straßenbeleuchtung dienend. Voranschlag 58 Pesetas pro Kandelaber. Kaution 5 % des Gesammtbetrages = 3500 Pesetas.

Nähere Bedingungen in spanischer Sprache beim „Reichs⸗Anzeiger“.

3) 8. Juni, 2 Übr Nachmittags. Direccion general de Pro- piedades y Derechos del Estado. Negociado de Minas Madrid. 40 000 Flaschen aus leicht schmiedbarem Eisen, neu, zur Einfüllung von Quecksilber dienend, und 12 000 ebensolche Flaschen, gebraucht, für die Gruben von Almadén. Voranschlag 5 Pesetas für die neue und 3 Pesetas für die alte Flasche. Kaution 13 000 bezw. 1800 Pesetas.

4) Ohne Datum. Junta de Administraciön y. Trabajos del Arsenal de Cartagena. Matertalien für die 8. Abtheilung. Vor⸗ anschlag 3854,60 Pesetas. Kaution vorläufig 192, endgültig 384 Pesetas.

) Ohne Datum. Dieselbe Behörde. Materialien für die 3. Abtheilung. Voranschlag 100 661,82 Pesetas in 3 Loose eingetheilt. Kaution zusammen vorläufig 5032, endgültig 10 064 Pesetas.

Näheres an Ort und Stelle.

8

für diese Lieferungen Die Garantie ist auf

Direccion general de Voranschlag 16

Verkehrs⸗Anstalten. ““

(W. T. B.) Die Post von dem am 10. April aus Shanghai abgegangenen Reichs⸗Postdampfer „Preußen“ ist in Brindisi eingetroffen und gelangt für Berlin voraussichtlich am 13. Mai Vormittags zur Ausgabe 8

Hamburg, 11. Mai. (W. T. B.) Der 82eghekis⸗ „Gellert“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Abend 11 Uhr in New⸗Pork eingetroffen. 3

London, 10. Mai. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Athenian“ ist gestern auf der Ausreise in Capetomn und der Union⸗Dampfer „Durban“ ist heute auf der Hr se in Sonthampton angekommen. Der Union⸗Dandpfer „Ger⸗ man“ ist gestern auf der Ausreise von Southampton ab⸗ gegangen.

10. Mai. (W. T. B.) Die Castle⸗Dampfer „FEran⸗ tully⸗Castle“ und „Florence“ sind don Capetomn auf der

imreise, ersterer am Mittmwoch, deute —ö Der astle⸗Dampfer „Garth⸗Castle’* ist heute den Darthmonth

auf der Ausreise abgegangen.