teien stellen in jeder Session Anträge auf Arbeiterschut⸗ vor 180, 25 Jahren dachte man im Parlament anders darüber. Der Vorredner hob la, anknüpfend an
den großen Strike in Westfalen, hervor, wie noth⸗ we es sei, daß der Staat sich seiner flichten gegen
die Arbeiter bewußt werde und durch eformen die Sintfluth der Revolution verhindere. Hr. von Helldorff sagt, unnen seien die deutschen Sozialdemokraten nicht. Allen
enschen gleiche Rechte geben, ohne Rücksicht auf eburt und soziale Stellung, ist schon heute durch eine entsprechende Staats⸗ und Gesellschaftsorganisation möglige und wird noch leichter möglich werden durch den Gang der Entwickelung, den unsere ganze Kultur nimmt. Vaterlandsfeinde sind wir nicht. Die Sozialdemokraten seien Deutsche, so gut wie die Anderen und hingen an Deutschland mit ebensolcher Liebe wie jene, aber meinten, daß die Zustände in Deutschland nicht gerecht seien. In Deutschlands zweitausendjähriger Geschichte haben wesentliche Umwälzungen statt efunden, Monarchien sind ge⸗ kommen und gegangen, die taatsformen haben gewechselt und werden weiter wechseln. Auch jetzt kann man nicht sagen, man sei in der besten der Welten und brauche nicht weiter gehen. Die moderne sozialistische Bewegung unterscheidet sich von den früheren darin, daß sie auf dem Boden des Entwickelungs⸗ gesetzes stehe und es für nothwendig halte, daß die Gesellschaft als solche das Bedürfniß dazu anerkenne. Die Sozial⸗ demokraten suchen dieses Bedürfniß hervorzurufen, das sei kein Verbrechen, sondern das Recht eines jeden Staatsbürgers, und wir halten uns dabei in den Gesetzen. Wo die Sozialdemokraten einen Strike geleitet hätten, seien keine Gewaltthätigkeiten vorgekommen, weil sie wissen, daß das Zerstören von Maschinen und Fabriken ihrer Sache nur schadet. Sie sähen also frohen Muths der Zukunft entgegen, aber wahnwitzig wäre es, wenn sie glaubten, mit Ge⸗ waltthätigkeiten zu ihrem Ziel zu kommen. Sie ließen die Dinge ruhig gehen, wie sie gehen. Der Reichskanzler wirft die gesammte Opposition in einen Topf, und erklärt, auch die Konservativen hätten eine Neigung gegen das Gesetz, weil es der Sozialdemokratie Vorschub leiste. Dann müßte er in erster Linie gegen das Gesetz sein. Ist das Gesetz dagegen ut, so würden die Sozialdemokraten sich nur schaden, wenn ie gegen dasselbe stimmten. Die Gründe der verschiedenen Gegner des Gesetzes sind ganz verschieden. Die Freisinnigen sind gegen dasselbe, weil sie prinzipiell gegen die Lösung dieser Frage durch die Initiative des Staats sind. Die Sozial⸗ demokraten seien für die Initiative des Staats, das Gesetz ehe ihnen nur nicht weit genug darin. Die Herren aus der onservativen Partei haben das Gesetz für die Landwirthschaft als schädlich bezeichnet. Er theile diese Auffassung nicht, denn in der Zeit der Getreide⸗ und Viehzölle kann die Land⸗ wirthschaft die ihr hier zugemutheten Lasten sehr wohl tragen. Doch er wolle hoffen, daß jene Herren ihrer Anschauung treu bleiben und sich nicht durch Schreckschüsse des Reichskanzlers einschüchtern lassen. Die Herren vom Centrum hätten sich gegen das Gesetz erklärt, weil es die kleinen Bauern und Ge⸗ werbetreibenden zu sehr belaste. Er selbst habe früher dieses Bedenken anerkannt und vorgeschlagen, diese Klassen mit in die Versicherung einzubeziehen, damit sie für die Lasten, die sie für ihre Dienstboten und Gehabfen zu tragen haben, doch auch selbst wieder einen Vortheil hätten. Aus ähnlichen ätten sich die Herren aus dem Elsaß gegen das
Gründen
Gesetz erklärt. Die Gegner des Fescses seien es also ent⸗
die Freisinnigen, oder weil es zu große Lasten mit sich bringe. Die Sozialdemokraten jedoch seien gegen das Gesetz, weil es nicht weit genug gehe, weil es die Hoffnungen des Arbeiterstandes nicht erfülle. Nun sage man, sie möchten für das Gesetz stimmen, weil es ein in ihrem Sinne richtiges Prinzip enthalte und später nicht mehr abgeschafft, sondern nur verbessert werden könnte. Sie ständen aber nicht auf diesem Kompromißstand⸗ unkt. Sie sagten zwar nicht: Alles oder nichts, aber sie agten: Bedeutend mehr als dies oder nichts. Wenn ihnen vorgehalten sei, sie schädigten durch ihre ablehnende Haltung die Interessen der Arbeiter und selbst die ihrer Partei, so erwidere er: Zerbrechen Sie sich doch nicht unsere Köpfe! Die Arbeiter werden bei den nächsten Wahlen schon zu er⸗ kennen geben, ob die Sozialdemokraten in ihrem Interesse gehandelt hätten oder nicht. Der Reichskanzler wetterte am Sonnabend gegen sie, die sie jetzt nur hier 11 Mann stark seien, und vor vier Jahren habe er gewünscht, sie möchten 36 sein. Auch bei 1eare. des Unfallversicherungsgesetzes abe man den Sozialdemokraten gesagt, sie würden an Ein⸗ uß bei den Arbeitern verlieren. Die Unzufriedenheit über die Höhe der Rente zeige schon jetzt, daß das Gesetz nicht Zufriedenheit unter den Arbeitern schaffen werde. Die Un⸗ zulänglichkeit der Rente habe selbst der - von Stumm an⸗ erkannt, und die veriae en, unter welchen sie ausbezahlt wird, werden die Zufriedenheit wahrlich nicht erstellen. Der Rechtsschutz des Arbeiters ist auch in keiner eise genügend. Schon diese Gründe sind g. die Sozialdemokraten ausreichend, um mit der größten Kaltblütigkeit gegen das Gesetz zu immen. Der Abg. Bamberger meinte, eigentlich würde es ihnen leid thun, wenn das Gesetz nicht angenommen werden sollte. Durchaus nicht! Er (Redner) stehe dem Gesetz un⸗ geheuer kühl gegenüber. Werde es nicht angenommen, so würden die Sozialdemokraten für ein anderes mit allen Mitteln agitiren, und werde es angenommen, so würden sie beweisen, daß es nicht das erreicht, was es erreichen solle, und würden eine Verbesserung desselben verlangen. Einen Schaden für die Sozialdemokraten vermöge er darin nicht zu erblicken. Die Sozialdemokratie wachse, die Sozialdemokratie gedeihe, und sie werde schließlich siegen. Abg. Miquel: Wenn der Vorredner sagt, das Gesetz wird von den verschiedenen Parteien bemängelt und ange⸗ griffen, so hätte er noch hinzufügen können, die Freunde des Gesetzes stimmten auch aus verschiedenen Gründen für das⸗ selbe. Für uns, die wir für das Gesetz sind, ist das eine ute Vorbedeutung. Kaum ein Kollege wird nicht im privaten reise einzelne Bestimmungen für mangelhaft, für beventlice für verbesserungsbedürstig erklärt haben. Für seine Schluß⸗ abstimmung mache ihn das aber nicht bedenklich, denn es war bei keinem der neuen großen organischen Gesetze bisher anders; so bei der Berathung der Ve jastungen. und der füben esetze üͤber die deutsche Justizeinheit. Die Ver⸗ schiedenheit der Auffassung liegt bei so sehr in alle Ver⸗ tnisse eingreifenden Gesetzen in der Natur der Sache. Man t dieses Gesetz die Krönung der Ssstalscaaitt genannt. b2 ste b au 1 —2 unkt. eee 8— ma r die nung ersicherungsge ung der Arbeiter halten. Es ist ein großer Echre⸗ in einer groß⸗ artige Reformpolitik, von der K. nand unter uns das
weder aus Prinzip, wie
und das schließliche Resultat absehen kann. Wird das Gesetz die meeils befriedigen? Er antworte mit der größten Offen⸗ heit: Gewiß nicht! Denn diese haben noch viele andere Sachen zu verlangen, und das Haus ist auch bereit, den Arbeitern noch vieles Andere einzuräumen. Gesetze auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes, des Wohnungswesens, der besseren Vertretung der arbeitenden Klassen in wirthschaftlichen Fragen sind ebenso nothwendige Reformen, wie die in diesem Gesetz. Das hindert aber nicht, daß dieses Gesetz im Großen und Ganzen für die arbeitenden Klassen eine sehr bedeutende Wohlthat ist. Man hat gehofft, das Krankenkassengesetz würde die Armenlast ver⸗ mindern. Er sei froh, durch klare statistische Zahlen nach⸗ weisen zu können, daß das in der That nicht eingetreten ist. Es liegt das darin, weil die Pflege der armen und kranken Leute eine viel bessere geworden. Der Lebensstand der armen Leute ist durch die jüngste Gesetzgebung ganz erheblich gehoben. Es werden heute viel mehr arme Leute auf Kosten der Ver⸗ bände in die Hospitäler geschickt und dort weit besser verpflegt, als das in Ihren eigenen, meist höchst mangelhaften Woh⸗ nungen möglich ist. Auch diese Wohlthaten des Kranken⸗ kassengesetzes wären ohne Zwänß nicht möglich gewesen. Aehnlich liegt es beim nfallversicherungsgesetz. Das Krankenkassengesetz verpflegt den Kranken nur 13 Wochen lang, das reicht aber für ein Siechthum nicht immer aus. Die Noth wird im letzteren Falle viel größer sein, und da ist es ungerecht, den Kranken an die disk etionäre Armenpflege zu verweisen. Wenn das Gese nicht die Unzufriedenheit aus der Welt schaffen soll, so muß man fragen, wer ist denn schließlich überhaupt ganz zufrieden? Es handelt sich um Gradverschiedenheiten. Wenn ich eine arme Frau veranlassen will, ihren kranken Vater ins Haus zu nehmen, so ent⸗ gegnet sie mir, daß sie selbst drei oder vier Kinder zu verpflegen hat. Wenn sie aber für ihren Vater eine Rente erhält, wird sie ihn gewiß gern aufnehmen. Wenn das Gesetz berechtigt und nothwendig ist, so ist es das nur dann, wenn es alle Arbeiter umfaßt; es ist auch nur dann durchführbar. Die landwirthschaftlichen Arbeiter oder die kleinen Handwerker wegzulassen, ist nicht möglich. Der landwirthschaftliche Arbeiter von heute ist morgen Fabrik⸗ arbeiter. Der Schlosser, der heute in der Werkstatt arbeitet, arbeitet morgen im Kleingewerbe. Wo ist da die Grenze denkbar? Außerdem können wir doch unmöglich bloß einem Theil der Arbeiter die Wohlthaten des Gesetzes zukommen lassen. Eine freiwillige Versicherung der gesammten deutschen Arbeiter ist nicht möglich. Gewiß ist die Selbsthülfe etwas Vorzügliches, doch ist sie in diesem Falle keineswegs aus⸗ reichend. Für gewisse besondere Fälle, für die besser situirten Arbeiter, z. B. die Buchdrucker, wären kleine Ver⸗ einigungen zum Zweck der Versicherung vielleicht aus⸗ reichend. Den Reichszuschuß halte ich für nothwendig und berechtigt. Der Abg. Windthorst findet ihn bedenklich; wir opferten damit die Grundlage der heutigen Gesellschaft und beschritten eine gefährliche Bahn, wo es nicht Halt noch Grenze gebe. Ja, er hält es aber doch an und für sich nicht für wunderdar, daß in dem Etat aller deutschen Staaten Zuschüsse für gewisse wirthschaftliche und gewerbliche Zwecke geleistet werden. Was ist es Anderes, wenn der Staat Zuschüsse leistet, wo es sich um die Versicherung von 11 Millionen Ar⸗ beitern handelt? S en öffentliche Interesse kann gedacht werden, als die Versicherung von 11 Millionen Arbeitern gegen Krankheit, Invalidität und Alter? Der Abg. Barth, der gegen den Reichszuschuß sich hier erklärte, stimmte doch den Zuschüssen für die Hochseesischerei, für landwirth⸗
schaftliche und andere gewerbliche Interessen zu. Wir haben bei
dem Unterstützungswohnsitz⸗Gesetz den Satz acceptirt, daß jeder nothleidende Deutsche ein klagbares Recht auf Unterstützung, soweit seine Nothdurft reicht, Seitens der Gemeinden haben soll. Dieser Satz bedeutet noch etwas ganz Anderes, als der Reichszuschuß, ein prinzipieller Unterschied findet sich da nicht. Das ist eben altgermanische Anschauung. Die Königin Elisabeth von England hat diesen Grundsatz über das Armenwesen schon vor 300 Jahren de⸗ kretirt; und wenn wir ihn auch nicht proklamirten, er hat in Deutschland immer gegolten. Prinzipiell Bedenkliches liegt daher in dem Reichszuschuß nicht, wenn man die Sache un⸗ befangen prüft. Der Reichszuschuß ist aber nicht bloß die praktische Voraussetzung der Durchführbarkeit des Gesetzes, und deswegen, selbst wenn er etwas prinzipiell Bedenkliches hätte, zu acceptiren, sondern er ist auch eine Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit. Wir geben zum Beispiel den Frauen das Recht, bei der Verheirathung die Einlagen zurück⸗ zufordern, ebenso den Wittwen und Waisen, wenn der Vater vor Bezug der Rente stirbt; wir gewähren dem Siechen neben dem Jungen und Gesunden den Eintritt. Wenn das Gesetz so die ver⸗ schiedensten Personen und die verschiedensten gefährlichen Berufe in die Versicherung hineinzwingt, so muß es auch das Risiko auszugleichen und zu mindern suchen für Denjenigen, der am längsten zahlt und am spätesten zu bekommen Hoff⸗ nung hat. Diesen Ausgleich bietet der Reichszuschuß; ganz abgesehen davon, daß wir ohne Reichszuschuß das Gesetz nicht zur Verabschiedung bringen würden. Wie würden die Be⸗ denken der Landwirthschaft, des kleinen Gewerbes, ob sie die Lasten des Gesetzes tragen können, wachsen ohne den Reichs⸗ zuschuß! Würde der Widerstand in den besitzenden Klassen nicht noch weit größer werden und werden müssen? Diese Bedenken werden bei dem weiteren Fortschreiten der sozial⸗ politischen Gesetzgebung am Besten durch den Versuch gehoben werden, diese Fragen durch ein internationales Benehmen unter den Staaten zu schlichten, und gerade das Deutsche Reich, welches in deejer Gesetzgebung entschieden vorangegangen ist und noch weiter gehen wird, hat mit Rücksicht auf die Konkurrenz des Auslandes vielleicht ein größeres Interesse an dieser internationalen Vereinbarung als andere Staaten, die noch mehr auf dem Standpunkte des freien Gehenlassens und der Manchesterauffassung stehen. So viel ist gem daß, wenn das Gesetz fällt, Niemand von uns weiß, wann es wiederkommt. Die großen prinzipiellen und Interessengegen⸗ sätze, die hier wirklich oder vermeintlich vorhanden sind, bieten Schwierigkeiten, die ein solches Gesetz leicht auf unabsehbare
eit in den Papierkorb fallen lassen. Wenn es aber verab⸗ chiedet wird, so drängt es — ich spreche es offen aus, obwohl es vielleicht nicht klug ist für das, was ich hier vertrete, namentlich wenn ich Herrn indthorst ansehe — zu weiteren E“ ich dem Abg. Bamberger Recht. Wir werden es, sobald die Verhältnisse es gestatten, einmal ausdehnen müssen auf bestimmte Kreise des Klein⸗
ewerbes, namentlich des Hausgewerbes, welches den
ebergang bildet von der “ 8 den selbst⸗
ständigen Unternehmern, und ferner auf die Wittwen und Waisen persönli wäre es sog r lieber
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ewesen, wenn man mit der Versicherung der Wittwen und Walsen angefangen hätte. Das ist richtig, aber wir können es auch so , Das Gesetz wird auch demnächst eine andere Organisation erfordern. Aber was da bleibt, ist die Rente, und daß in vielen Fällen durch diese Rente Noth und Elend gelindert und Thränen getrocknet werden. Die Arbeiter, die Frauen, die Wittwen kümmern sich 5 um die Organi⸗ sation, sondern nur um die Rente. Das Nebeneinander der jetzigen Organisation, der Krankenkassen, der Berufsgenossen⸗ scha ten, der Anknüpfung an die kommunalen Verbände wird auf die Dauer nicht gehen, sondern eine einheitliche Regelung wird nothwendig werden. In dieser Beziehung sind uns die Knappschaftskassen ein gutes Vorbild. Wenn nun einerseits bei der Ablehnung des Gesetzes ein Rückschlag der sozialpolitischen Gesetzgebung hervorgerufen werden kann und die getäuschten Hoffnungen überall die Unzufriedenheit stärken müssen, andererseits das Gesetz, wenn auch mit einzel⸗ nen Mängeln, die verbessert werden können und müssen, zur Verabschiedung gelangen kann, so würde es eine schwere Ver⸗ antwortlichkeit sein, das Gesetz abzulehnen. Wenn man den Aweck will, muß man auch das Mittel wollen. Auf die ltersversicherung lege ich weniger Werth, als auf die In⸗ Was man darüber Geringschätziges gesagt hat, ist übertrieben. Die Zahl der über 70 Jahre Alten ist nicht so gering; und es ist traurig zu sehen, daß ein Ar⸗ beiter, der sein ganzes Leben hindurch treu und gewissenhaft gearbeitet hat, am Abend seines Lebens der Armenpflege anheimfällt. Es ist das ein Gefühl, das nicht erst jetzt bei uns lebendig wird, sondern stets lebendig war. Wir haben in Frankfurt eine Reihe Versorgungshäuser, welche solche Ar⸗ beiter aufzunehmen bestimmt sind. Sie bestehen au dem Lande und in vielen Städten von alter 8 her. Wir haben in Frankfurt gegen 400 Personen in diesen Häusern. Wenn nun diese alten Arbeiter eine sichere Rente haben, so wären Gemeindestiftungen, wohlthätige Menschen viel eher in der Lage, solche Etablissements zu schaffen. Wenn man jetzt ein⸗ mal nachfragt, wie die Alten behandelt werden, nicht der Regel nach, aber doch sehr häufig, und sich fragt, wie würden sie behandelt werden, wenn sie auch nur eine Rente von 50 ℳ mitbringen, so wird man finden, daß die Altersrente doch nicht so ohne Werth ist. Man muß ein Haus erst bauen, dann kann man es ausschmücken. Wenn Sie das Haus gar nicht erst entstehen lassen, so werden Sie nie zu seiner Vollendung kommen. 1 Abg. Dr. Windthorst: Der Fac ist gut, er muß erreicht werden, deswegen muß man auch das
validitätsversicherung.
ittel ergreifen, das dazu führt: das war der Syllogismus, auf dem die Rede des Abg. Miquel beruhte. Wenn dieser Syllogismus als richtig und zutreffend anerkannt wird, so muß auch die Moral auf neue Basis gestellt werden. Hr. Graf Stolberg hat die Be⸗ hauptung aufgestellt, ich sei die Seele der Opposition gegen dieses Gesetz. Wenn das wahr wäre, würde er (Redner) sich dieses Zeugniß durchaus zur Ehre rechnen. Denn diese Oppo⸗ sition hat eine breite Basis hier im Hause, und eine weit größere noch im Lande, und nicht etwa bei dieser oder jener Partei, sondern unter den Männern der allerverschiedensten Anschauungen ist nach Allem, was ich gesehen und gehört, die überwiegende Majorität dafür, daß das Gesetz, so wie es ist, nicht verabschiedet werden kann. Hr. Graf Stolberg wollte mit seinen Worten wohl nur sagen: folgt doch diesem Mann nicht, mit dem dürft Ihr nicht gehen, das ist ein Reichsfeind. Das war eigentlich der Sinn des Herrn Grafen. Aehnlich lautete eine Aeußerung des 888 von Kardorff. Der⸗ selbe knüpfte an an meine Aeußerung, daß, wer für dieses Gesetz stimme, ein Sozialdemokrat sei, bewußt oder unbewußt. Dieser Ausdruck ist aber von mir durchaus in der harmlosesten Weise gebraucht worden, und die Art und Weise, wie Hr. von Boetticher darauf geantwortet, hat genügend bewiesen, daß ihm der Sinn durchaus klar war, daß ich nur habe sagen wollen, wer für dieses Gesetz stimme, beträte damit unzweifelhaft den sozialistischen Boden. Daß ich außerdem diesen Herren damit nicht imputiren wollte, daß sie auch die übrigen Grundsätze der Sozialdemokratie theilten, habe ich wohl nicht nöthig hervorzuheben. Ich finde überhaupt, daß die Gegner, wo sie Sachliches nicht vorzutragen haben, Per⸗ sonen oder Parteien angreifen. Nach der Verfassung sind die Abgeordneten nicht gewählt auf Grund bestimmter Gesetze, und ich nehme für jeden Einzelnen das volle Recht der Meinungs⸗ freiheit in Anspruch, das jede der bevorzugten Parteien hat, — obwohl ich nicht recht weiß, wer diese Parteien sind. Nur sachliche, aber nicht persönliche Gründe sollten enischeiden. In der Presse wurde die Meinungsverschiedenheit innerhalb der Centrumsfraktion dahin interpretirt, daß wir jetzt zum Tode verurtheilt seien. Es freut mich, daß Sie im Voraus Kon⸗ dolenz beweisen. Die Annahme ist aber durchaus falsch, und es hat mich recht herzlich gefreut, daß der Abg. von Wendt, mit dem ich zu meinem Bedauern in dieser Sache nicht überein⸗ stimme, diese Illusion auch zerstört hat. Die gegenwärtige Meinungsverschiedenheit stört unser Parteiverhältniß nicht, und vor Allem nicht das Zusammengehen in allen anderen politischeen Fragen. In der nationalliberalen Partei bestanden ja auch sehr ernste Meinungsverschiedenheiten, vielleicht ist das heute anders; ist sie darum auseinander⸗ efallen? Wenn das der Fall wäre, würde Hr. von nigsen Appell halten und namentlich abstimmen lassen. Von der konservativen Partei, die nun, nach dem Reichskanzler, zu den gehört, glaube ich, daß sie auf ihrem Boden stehen bleiben wird. Ich wünschte nur, daß sie auf demselben recht fest, fest, fest stehen bleibe, dann wird ihre Reputation im Lande außerordentlich ge⸗ winnen. Was meine Partei anbetrifft, so kann ich Sie be⸗ ruhigen: wir werden nach eingenommener Sommerfrische wieder hier sein und die Schlacht fortschlagen; werden wir aufgelöst, so schlagen wir uns bei den Lahlen. Noch heute bin ich der Meinung, daß es am Besten wäre, dieses Gesetz bis zur nächsten Session zu vertagen. Diese Aufsassung müied auch in konservativen Kreisen fabe⸗ z. B. von der „ lesi⸗ schen Zeitung“, und die in München erscheinende „Allgemeine Zeitung“ hat gezeigt, daß die Berechnungen der Bei⸗ träge und Renten nicht zutreffend sind und einer Revision bedürsen. Hr. Miquel hat den Satz wiederholt, es gehe nicht anders, wir müßt es versuchen. -u Gesetze sollen nicht aus kür gemacht und du imente hafen werden. Sie sollen nur 22 nn wie im lsle die Verhältnisse naturgemä sich entwickelt haben. Durch Oktroyirung sch⸗ man Zustände, die den Körper ruiniren. r siehen hier vor einem unbe⸗ stimmten Etwas, und dieses sollen wir mit Geseheskraft be⸗ kleiden und das ganze deutsche Volk in eine Zwa sjacke bringen? Von einer Beruhigung der arbeiten lassen
durch dieses 9 kann gar keine Rede sein. Man erregt 58 eine Reihe von Hoffnungen, die sich nicht realisiren lassen. Man hat von einer Furcht vor den Massen gesprochen. Ich wünschte nichts mehr, als daß bei den nächsten Wahlen dieses Gesetz bereits ein Jahr funktionirt hätte, dann würden, glaube ich, die Kartellparteien in ein paar Droschken nach dem Reichs⸗ tage “ können. Man wird bei den Wahlen immer wieder fragen: Konnte es nicht mehr sein? Zu meinem Schrecken hat der Staatssekretär gesagt, die Sache ist ja noch nicht zu Ende. Ja, werden wir auch das Geld dazu haben? Wenn ich eine bestimmte Rente bezahlen soll, so muß ich be⸗ stimmte Groschen in der Tasche haben; habe ich sie nicht, dann mache ich lieber gar nichts und hüte mich vor einem babylonischen Thurmbau. Am Ende behalten wir sonst Niemanden, der die Wohlthaten ausüben kann. Der Staatssekretär hat wiederholt gesagt, es handelt sich hier nicht um die Armenpflege, sondern um die Schaffung des Rechts der Arbeiter auf Rente. Der Reichskanzler dagegen hat die Frage der Unterstützungsbedürftigkeit, und nur die ganz allein, in den Vordergrund gestellt; ich begreife dies, da der Herr Reichskanzler gesagt, bei seinen dringenden Geschäften 38 er den 1“”] dieses Gesetzes im Detail nicht olgen können. Wenn wir uns auf die Frage der Unter⸗ stützungsbedürftigkeit zurückzögen und uns lediglich auf eine Organisation der Armenpflege beschränkten, dann würden wir uns sehr bald einigen können. Auf diesem Wege aber geht es nicht. Dieses Gesetz giebt prinzipiell ech s Klassen Ver⸗ mögenstheile Anderer, gleichviel ob sie bedürftig sind oder nicht. So etwas ist bis zur Stunde in keinem unserer Gesetze 1e. worden. Wir bewegen uns hier ganz auf sozialisti⸗ schem Boden (die weitere Entwickelung dieses Gedankens bleibt auf der Journalistentribüne unverständlich, weil ihr der Redner den Rücken kehrt). Nicht Diejenigen, welche diesem Gesetz wider⸗ streben, machen „Sprünge“, sondern Diejenigen machen einen salto mortale, welche das Gesetz ohne Weiteres annehmen. Das Verhältniß der Mindersituirten zu ihren Arbeitgebern wird fundamental erschüttert. Schelte ich meine Köchin, weil sie mir immer wieder die Suppe verbrennt, und will ich sie nicht weiter behalten, so wird sie mir sagen, ich werde doch schon bald invalide und werde schon sehen, daß ich meine Invalidenrente bekomme, und da können Sie ja eine andere nehmen. Die Pietät der Arbeiter zu den Arbeitgebern wird durchaus gemindert werden. Die Leute haben ja nicht die Güte und Gnade der Herren zu erwarten, sondern nach der Erklärung des Herrn Staatssekretärs ihr Recht. Die Arbeiter⸗ kandidaten aber werden Jahr für Jahr für eine Erhöhung der Rente auftreten. Ist der Staat erst einmal auf diesem Gebiet der Brotherr oder „Brotvater“, so wird er auch mehr und mehr die anderen Gebiete an sich reißen. Wie soll dann neben diesem omnipotenten Staat mit einer ver⸗ weltlichten Armenpflege, mit absoluten Staatsschulen, mit verstaatlichten Eisenbahnen, wozu auch noch die ange⸗ kauften Bergwerke und Kohlenreviere gehören werden, das Indi⸗ viduum noch selbständig bleiben? Geheimer Rath Wagener hat in seinen Memoiren gesagt, mit einer solchen Gesetzgebung wird der Einfluß der Kirche auf die arbeitenden Klassen ge⸗ brochen, und der Philosoph Hartmann hat diesen Gedanken mit besonderer Liebe ausgeführt. Sie kommen immer von Neuem zurück auf die Kaiserliche Botschaft. Von diesen Dingen steht aber nichts darin. Sie wissen ja Alle, daß meine Fraktion bei den bisherigen sozialpolitischen Gesetzen mitgewirkt, dazu angetrieben, den Ausschlag gegeben, sie zu Stande gebracht hat, trotz aller Anfeindungen, die sie sonst zu erleiden gehabt hat. Wir haben auch einen weiteren Arbeiterschutz verlangt, und hätten wir die Schieds⸗ ämter, dann wären nicht die Unruhen zwischen Ar⸗ beitgeber und Arbeiter ausgebrochen, die wir in der letzten eit beklagt haben. Wir wollen aber auch selbst in
ezu a dieses Gesetz Alles thun, was möglich ist. Wir “ daß man zunächst mit der Großindustrie anfange, wo das Bedürfniß ein größeres ist als bei der Land⸗ wirthschaft. Namentlich der kleinere Grundbesitz und der Ge⸗ werbestand kann dieses Gesetz nicht erfüllen und würde sehr verstimmt werden. Bei den ungeheueren Schwierigkeiten dieses Gesetzes empfiehlt es sich, dasselbe noch liegen zu lassen bis zur nächsten Session, um dann nochmals eine ruhige Er⸗ wägung darüber eintreten zu lassen.
Abg. Fürst von Hatzfeldt: Es ist erklärlich, daß es kaum ein Mitglied im Hause giebt, das mit jeder Zeile der 140 Para⸗ graphen dieses Gecsgse einverstanden wäre; es handelt sich eben um eine vollständig neue Materie, um ein Problem, welches die Menschheit sei mehr als einem Jahrhundert be⸗ schäftigt und an dessen praktische Lösung zu gehen hisher noch kein Staat den Muth gehabt hat. Es kommt aber nicht so sehr darauf an, mit jedem einzelnen Paragraphen einverstanden zu sein wie mit dem Wesen und der Tendenz des Gesetzes. Wenn man wegen einzelner Bedenken das Ganze ablehnt, so ist das nicht Ueberzeugungs⸗ treue, sondern Starrsinn und Eigensinn. Wenn wir die Ent⸗ fcendung noch vertagen, glauben Sie denn wirklich, daß wir päter so viel klüger sind, oder daß neues Material beigebracht wird? Der Abg. Bebel hat sogar anerkannt, daß die Sache zur Entscheidung reif und die Berathung eine durchaus gründ⸗ liche gewesen sei. Nach der ernsten Berathung in 41 langen Kommissions⸗ und 24 Plenarsitzungen kann man nicht be⸗ haupten, die Sache sei nicht spruchreif. Verabschieden Sie das Gesetz nicht, so wird es von der Tagesordnung doch nicht verschwinden. Wie auch der neue Reichstag zusammengesetzt sein wird, er wird das Geles in irgend einer Form doch zu Stande bringen müssen. In dem Reichszuschuß sehe ich aller⸗ dings auch eine Gefahr, die Wähler werden bei den Wahlen für den Kandidaten stimmen, der o. den höchsten Reichs⸗ zuschuß verspricht. Wenn aber der Abg. ver z behauptet, eine solche necgs. Staatsunterstützung sei ohne Beispiel in unserem Staat, so wundert mich, daß ihm nicht die vielen Unterstützungen und Zuwendungen an Geistliche und Lehrer gegenwärtig sind. odurch wollen Sie den Reichszuschuß rfeten Die eeh der Arbeiterbeiträge ist vch möglich, und die Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge würde den Kampf des Kleinbetriebs gegen die Großindustrie erschweren. Die vor⸗ gesehene Organisation widerspricht nicht dem Sinne der
aiserlichen Botschaft von 1881, denn die darin erwähnten korporativen Verbände sonen nicht selbst Zweck, V.8-. Mittel 89 Zweck der Durchführung der Arbelterversicherung sein. uch bei dem Fasefftagebeges haben wir keine Berufs⸗ Pnöslen chaften. Daß durch dieses Gesetz kein Anreiz zur uswanderung gegeben werden wird, hat der Reichskanzler bereits gachnenen Die Leute im Osten werden nur duürch die höheren ve- im Westen zur Sachsengängerei veranlaßt. Die Landwirthschaft wird die Lasten tragen können,
sie hat kein
Recht, sie zurückzuweisen Angesichts der ihr in
den letzten hren durch die Gesetz⸗ gebung 5 Theil gewordenen Fürsorge. Kann die Land⸗ wirthschaft die Belastung wirklich nicht ertragen, so wird auf andere Mittel gesonnen werden müssen, dies möglich zu machen. Nöthig ist für die Landwirthschaft das Gesetz auch denn nicht überall besteht ein patriarchalisches Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeiter. Hr. Bamberger macht uns Angst vor der Belästigung durch das Gesetz, das alte Sprichwort würde in Zukunft heißen müssen: Kleben und kleben lassen. Das Kleben ist dem Deutschen gar keine unsympathische Gewohnheit. Sehen Sie nur, mit welcher Wuth unsere Kleinen sich auf die Briefmarken stürzen und sie in ihre Briefmarkenalbums einkleben. Die Kleberei wird keine Belästigung sein, später können wir die bessernde Hand an das Gesetz immer legen. Fragen Sie nur die Arbeiter, ob sie heute das Krankenkassen⸗ und Unfallversicherungsgesetz rückgängig gemacht haben wollen. Die Männer ver⸗ langen nur das, was wir ihnen bereits gegeben haben und im vegrif sind, weiter auszubauen. Wir besinden uns nicht, wie Hr. Bamberger meint, auf einer schiefen Ebene, die zum Abgrund führt, sondern auf einem steilen beschwerlichen Weg, der zum Wohle unseres Vaterlandes gereichen wird, und den alle anderen Nationen nachahmen müssen, wenn sie sich vor gewaltsamen Erschütterungen wollen. Die Behaup⸗ tung des Abg. Bebel, daß die französische Revolution das großartigste Ereigniß des vorigen Jahrhunderts sei, bedarf keiner Widerlegung, denn sie richtet sich von selbst. Durch das Stiften von Unzufriedenheit ist unsere deutsche Einheit nicht geschaffen, sondern durch den Krieg mit dem äußeren Feind. Die Agrarier haben bei den Zöllen die Unzufrieden⸗ heit nicht erregt, sondern ihre Forderungen nur gestellt, um die Unzufriedenheit zu beseitigen. Ich bin überzeugt, daß das Gesetz zum Frieden führen wird, und bitte Sie, dafür zu stimmen.
Abg. Rickert: Der Abg. Bebel hat mit Recht hervor⸗ gehoben, daß alle Parteien, wenn sie gewisse Reformen wünschen, die bestehenden Zustände als solche kennzeichnen, mit
welchen die Bevölkerung unzufrieden sein muß. Ich erinnere
an die Briefe des Reichskanzlers selbst, in denen er ausführt, daß die Bauern von den unproduktiven Ständen ausgebeutet werden, und jene auffordert, sich gegen diese Ausbeutung zu organisiren. Die konservative Aristokratie ist ebensowenig jener Methode abhold. Deshalb sollte man doch nicht die Freisinnigen beschuldigen, Unzufriedenheit zu erregen. Merk⸗ würdig war nur, daß bei der vorliegenden Fraße ie Deckung der Kosten in der ganzen Diskussion keine Rolle gespielt hat. Die Herren vom Bundesrath scheint das auch nicht zu geniren. Der Abg. Miquel hat das Verdienst, das vorliegende gigan⸗ tische Werk mit dem erforderlichen kleinen Maßstab gemessen zu haben. Für die Krönung der Sozialpolitik hält er das Gesetz nicht. Ich habe mir das Gesicht des Hrn. Staatssekretärs von Boetticher angesehen, als Hr. Miquel in großen Zügen die zukünftigen Aufgaben der Sozialpolitik ausmalte. Mir schien es, als ob der Herr Staatssekretär schon nach diesem Gesetz Muße haben wollte. Ich möchte ihm dann doch rathen, sich einen Kollegen zu nehmen, vielleicht den Abg. Mignel selbst. Die Frage aber, woher wir die Mittel für jene groß⸗ artigen Reformen hernehmen sollen, hat auch der Abg. Miquel nicht berübht. Es wäre mir lieb gewesen, wenn er sofort für seine Person eine nennenswerthe Beisteuer geleistet hätte. Eine Ausgleichung der gegenwärtig dem Reiche aufgelegten Lasten wird erst nach einem langen Kampfe möglich sein und Niemand weiß jetzt, wer eigentlich die Kosten zu tragen haben wird. Es hat mich gefreut, daß der Abg. Bebel gegen⸗ über den neulichen Ausführungen des Reichskanzlers, die ich auf das Schmerzlichste bedauere, wenn ich be⸗ denke, daß sie eine Partei von 700 000 Mitglieder treffen, die Absicht einer Revolution kurz zurückgewiesen hat. Wenn der erste Beamte des Deutschen Reichs innerhalb der Volksvertretung eine Partei, welche den zehnten Theil der Wählerschaft hinter sich hat, in eine Reihe stellt mit den Fran⸗ osen, welche losschlagen werden, sobald sie sich stark genug fahlen, so muß ich sagen: ich habe andere Anschauungen von unserem Patriotismus. Der Abg. Bebel aber hat behauptet, wir wünschten unter keinen Umständen ein Eingreifen des Staats. Schon der Abg. Schrader hat bei der ersten Lesung esagt, daß wir zu dem Gesetz in keiner Weise früher Stel⸗ ung nehmen werden, als bis es in allen seinen Einzelheiten vorliegt. Sie können doch nicht verlangen, daß wir sofort für ein Gesetz schwärmen, wenn es der Reichskanzler nur ein⸗ bringt. Ob auch die rechte Seite von vornherein für die Vorlage eingenommen war, wird sich vielleicht erst später zeigen. Ich selbst kehre mich, was das Eingreifen des Staats betrifft, an keine Doktrin oder Schule, wenn nur die Mittel, mit denen der Staat eingreift, gerecht⸗ fertigt und richtig sind. Wir sind Anhänger der allgemeinen Wehrpflicht und der allgemeinen Schulpflicht und würden auch hier das Eingreifen des Staats nicht scheuen. Gerade die Strikes der letzten Tage haben mich aber überzeugt, daß dieses Gesetz nicht der Stein der Weisen ist, sondern daß die Aufgaben des Staats auf einem ganz anderen Gebiet liegen. Der so nothwendigen Arbeiterschutzgesetzgebung aber steht der Bundesrath äußerst kühl gegenüber. Der gegenwärtige Strike zeigt, daß es eine unverantwortliche Unterlassung der Reichs⸗ regierung gewesen ist, diejenigen Organe nicht geschaffen zu haben, welche zwischen Arbeiter und Arbeitgeber vermittelnd wirken. Welche einfachen Mittel hier oft hinreichend sind, hat das dankenswerthe Vorgehen der Herren Baumbach und Schmidt gezeigt, das freilich auch wieder von der national⸗ liberalen Presse, besonders ihrem vornehmsten Organ, der „National⸗Zeitung“, in der härtesten Weise angegriffen ist. In der Generaldiskussion über dieses gigan⸗ tische Werk ist es doch wohl angebracht, diese Haupt⸗ aufgabe der Gesetzgebung zu berühren. Hier gerade hätten die Herren vom Bundesrathstisch Gelegenheit, eine dankenswerthe Aufgabe zu erfüllen. Die Sonnabendsitzung muß allen Patrioten, denen es um eine verfassungsmäßige Regierung des Deutschen Reichs zu thun ist, zu ernsten Be⸗ denken Veranlassung geben. Der Reichskanzler hat hier ein⸗ elne Parteien wie Schulknaben heruntergerissen, ohne auf die etails der Vorlage näher einzugehen. Wohin soll es dabei mit unserem konstitutionellen System kommen? Es ist immer leicht, große Gedanken und eine kühne Initiative auszusprechen, aber die eschichte aller Zeiten hat snei t, daß die Durch⸗ führung der Gedanken im Einzelnen die Vaupäsache ist. In einem Punkt hatte der Reichskanzler am Sonnabend 8 seine Rede hat auf uns absolut keinen Eindruck gemacht. Je ssße die Verdienste eines Staatsmannes sind, desto 88 müßte er es perschmähen, die einzelnen Parteien so verächtl
vielleicht hingenommen haben.
sn behandeln. Der Reichskanzler hat auf unsere Abstimmung ei der Wehrvorlage hingewiesen; ich selbst habe damals unsere einstimmige Zustimmung erklärt. Das Wort der Erwiderung erstirbt mir auf den Lippen, wenn ich sehe, mit welchen Ausfällen, mit welchen gehässigen nterstellungen — (Präsident von Levetzow: bitte 2 Redner, dem ersten Beamten des Reichs nicht gehässige Unterstellungen vorzuwerfen.) Ich glaube doch ant⸗ worten zu ‚dürfen, wenn der Herr Reichskanzler uns unter⸗ stellt, daß nicht die Liebe zum Reich, sondern eine Nothlage der Fraktion uns zu der Abstimmung veranlaßt hat. (Prä⸗ sident: Der Herr Reichskanzler hat nicht von einer gegen⸗ wärtig im Hause bestehenden Partei gesprochen.) Ich berufe mich da auf die stenographischen Aufzeichnungen des Olden⸗ berg'schen Berichts. (Redner verliest den betreffenden Passus im Wortlaut.) Auch der Abg. Bamberger hat diese Stelle enau so aufgefaßt, wie ich. Wenn der Reichskanzler in einer Angriffsweise weiter fortfährt, ist es nicht zu verwundern, daß auch kleine Geister allmählich seine Methode annehmen. Dann aber hört jede parla⸗ mentarische Diskussion auf. Die freisinnige Partei besteht aus den früheren Nationalliberalen und der Fortschrittspartei. Im gegenwärtigen Moment überwiegen die früheren Mit⸗ glieder der nationalliberalen Partei die andere sogar um zwei. Die Bezeichnung als konservative Partei Seitens des Reichs⸗ kanzlers würden sich frühere Mitglieder der nationalliberalen Partei wie der Abg. Füliherr von Stauffenberg wohl heute guch kaum haben gefallen lassen. Der Herr Reichskanzler scheine ihm nicht mehr zu wissen, daß damals die National⸗ liberalen wie ein großer Theil der Fortschrittspartei für die großen Verfassungsgesetze gestimmt hätten, die sicherlich weit wichtigere Grundlagen unseres Staatslebens seien, als die gegenwärtige sozialpolitische Vorlage. Daß wir aber die seit 1879 begonnene Steuerpolitik des Reichskanzlers nicht mit⸗ machen, verstehe sich von selbst. Es liege also eine histo⸗ rische Unrichtigkeit in der Darstellung des Reichskanzlers. Ebenso unzutreffend sei seine Ausführung, daß i dem Liberalismus eine Diktatur natürlich sei, daß jedes Mitglied mit der Peitsche der Rede so lange gezüchtigt werde, bis es der Fraktion folgt. Wenn der Herr Reichs⸗ kanzler sich die Mühe genommen hätte, eine Abstimmung unserer Fraktion zu kontroliren, würde er erfahren haben, daß selbst in der Sklavenfrage der Abg. Goldschmidt anders als die übrigen Mitglieder unserer Fraktion gestimmt hat, und Niemand hat ihm darob ein Haar gekrümmt. Auch die Vorwürfe des Reichskanzlers gegen die nicht für die Vorlage eingenommenen konservativen Mitglieder würden Andere icht 1 en. Eine Volksvertretung ist doch unmöglich, wenn sie auf die Worte eines Einzigen schwören soll. Wir selbst haben durchaus kein Bedürfniß, den Reichs⸗ kanzler zu hassen, und wünschten nur, wir könnten in allen Punkten mit ihm arbeiten. Es giebt aber eine Ueberzeugung, die stärker ist als die, dem Reichskanzler zu gefallen. Und wenn uns zehn Bismarck'’s gegenüberständen, wenn sie uns olle in Acht und Bann thun würden, kann uns das nicht abbringen, das Wohl des Vater⸗ landes nach unserer Weise im Auge zu behalten. Hr. von Boetticher meinte neulich: das Land kennt das Gesetz noch nicht. Lassen Sie doch die Preßkosaken einmal ruhen und ihre Angriffe gegen Elsässer, Welfen u. s. w. einstellen, um das Gesetz vom Standpunkt der Regierung dem Volk klar zu machen, und rufen Sie dann das Volk bei den Wahlen zur Entscheidung über das Gesetz auf. Die Herren wissen aber sehr gut, daß, wenn sie mit dem Gesetz vor die Wähler kommen, dasselbe nicht acceptirt wird. Die Petitionen gegen das Gesetz mehren sich von Tag zu Tag, und erst neulich ist uns ein Protest von 23 000 Bäckern gegen das Gesetz zu⸗ gegangen. Wo sind dagegen Ihre Petitionen? Niemand nimmt sich der armen verbündeten Regierungen an. Wir wollen sehen, ob die Bombe des Reichskanzlers am Sonnabend eingeschlagen hat. Wir werden die „robuste Konstitution“ der Gegner auf der rechten Seite bei der Abstimmung ja kennen lernen. Die Wirkung des Gesetzes wird nur eine verbesserte Armenpflege sein; Sie haben auch von diesem Gesichtspunkt bei der Gestaltung des Gesetzes operirt. Wer in der Praxis des Lebens gearbeitet hat, weiß, daß Sie mit diesen kleinen Renten die Armenpflege nicht beseitigen; und das Resultat wird nur sein, daß einzelne Leute künftig noch mehr leiden werden, weil die Armenverwaltung sie nicht selten unter Hinweis auf ihre Rente abweisen wird und diese Armen der Privatwohlthätigkeit anheimfallen werden. Der Abg. Gebhardt hat ja auch die Auffassung des Gesetzes als Armenpflegegesetz gewissermaßen acceptirt, indem er aussprach, die Armenpflege e sich bis jetzt nur mit den Wittwen und Waisen, nicht aber mit den Invaliden beschäftigt, dieses Gesetz werde denen zu Gute kommen, mit denen die Armenpflege sich bisher nicht befaßt habe. Lassen Sie die Anschauungen, die dem Gesetze zu Grunde liegen, erst 10 h in das Land sich einbohren, und nicht bloß die Kon⸗ equenzen der Wittwen⸗ und Waisenversorgung, der Ver⸗ sicherung gegen Arbeitslosigkeit sondern auch die Ansprü aller Versicherten werden ich erheblich steigern. Auch der Armen⸗Etat wird in Folge der gesteigerten Ansprüche überall wachsen, das ist die Meinung aller praktischen Männer. Und wie kommen die Millionen, die von dem Gesetz gar nichts haben, dazu, hineingezogen zu werden und Beiträge zu zahlen? Unter den 11 Millionen zu Versichernden befinden sich 3 ½ Millionen weibliche Personen, von denen nach der Statistik ungefähr 8' Millionen sich verheipathen. Es bleibt also etwa 1 Million so der üͤbrig, die die Vortheile der Versicherung genießen werden; die Andern müssen bezahlen, und wenn sie sich verheirathen, bekommen sie nur die Hälste der Beiträge ohne Verzinsung zurück. Auch in der Landwirthschaft werden Millionen trot ihrer Beiträge von dem Gesetze keinen Vortheil 8 2,9 Millionen kleiner Gewerbtreidender und 2 ½½ Millionen Frauen werden von Ihnen ungerecht behandelt. Anstatt diesen Leuten es zu erleichtern, daß sie sich selbständig machen, erschwert man es ihnen. Sie b agen damit der ganzen früheren Steuerpolitik ins Ge⸗ die darauf ausging, die ärmeren Klassen von der r zu de⸗ freien. Die Worte des Reichskanzlervs sind in Ihrer Uler Gedächtniß. Jetzt soll der kleine Mann, vdon dem man 3 ℳ Klassensteuer nicht erheden könne, 6—7 ℳ 8 r eine —2₰ von der *½ — beinen Aen Nenne man Gerech Neichskanzler uns Frankreich mit seinen 700 000 Nentenempfängern Vordid dingestellt. wir das gethan dätten! Mu Anhäaänglichkeit dieser —1 an die jeweilige Negierung sei es doch eine Sache. Das wäre ja aber⸗
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