der Rechtsanwalt Jaenisch in Groß⸗Wartenberg zum Notar für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Breslau, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Groß⸗Wartenberg, er⸗ nannt worden.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 28. Juni. Die Kaiserlichen Majestäten wohnten gestern Vormittag um 11 ¼ Uhr in der Pfarrkirche zu “ der Trauung Sr. Durchlaucht des Erbprinzen von Hohenzollern mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Maria Theresia von Bourbon bei und nahmen demnächst an dem aus Anlaß dieser Feier stattfindenden Gala⸗ diner im Schlosse Theil. Abends 10 Uhr traten Beide Kaiserlichen Majestäten, von der Fürstlich Hohenzollernschen Familie und den Höchsten Gästen auf den Bahnhof geleitet, die Rückreise von Sigmaringen an. 1
Heute früh um 8 Uhr verabschiedete Se. Majestät der Kaiser Sich auf der Station Ebenhausen von Ihrer Majestät der Kaiserin, Allerhöchstwelche Sich von dort zum Kurgebrauche nach Kissingen begab, während Se. Majestät die Reise über Erfurt und Magdeburg nach der Wildparkstation bei Potsdam fortsetzte, wo die Ankunft für heute Nachmittag 4 ¼ Uhr in Aussicht genommen ist.
— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin raf, wie „W. T. B.“ meldet, heute Morgen 8 Uhr 25 Minuten in Kissingen ein und wurde am Bahnhofe vom Regierungs⸗Präsidenten Grafen von Luxburg, sowie von den Spitzen der Behörden der Stadt empfangen. Ferner waren Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg und eine große Zahl der zur Zeit hier anwesenden Fremden gegenwärtig. Ihre Majestät fuhr alsbald unter Hochrufen der Spalier bildenden Menschenmenge durch die festlich geschmückte Stadt nach der Königlichen Saline.
V — Ihre Majestät die Kaiserin und König in Augusta ist gestern Abend mit Umgebung im Residenzschlosse zu Koblenz eingetroffen.
1 Den Kammerherrendienst hat der Königliche Kammer⸗ herr und Schloßhauptmann Graf von Merveldt übernommen.
— Die vereinigten Ausschüsse des Bur hs f das Landheer und die Festungen und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen hielten heute eine Sitzung.
— Durch die Bestimmung des Tarifs zu dem Reichs⸗ stempelabgabengesetz vom 29. Mai 1885 4 B. Anmerkung: „Kauf⸗ und sonstige Anschaffungsgeschäfte über im Inlande von einem der Kontrahenten erzeugte oder her⸗ gestellte Mengen von Sachen oder Waaren sind steuerfrei“ — sind nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civil⸗ senats, vom 15. April d. J., die darin bezeichneten Geschäfte von jeder Steuer, auch von der Landessteuer befreit. Sie unterliegen in diesem Falle insbesondere nicht dem preu⸗ ßischen Werthstempel für Lieferungsverträge und für die diesen Verträgen gleichstehenden Werkverdingungs verträge über die Herstellung beweglicher Sachen.
— Ein Bauschr einer, welcher als solcher Mitglied einer Holz⸗Berufsgenossens chaft ist, führt im Nebenbetriebe (ver⸗ gleiche §. 9 Absatz 3 des Unfallversicherungsgesetzes) Zimmer⸗ arbeiten aus. Die Frage, ob dieser Gewerbetreibende, welcher in seinem Gesammtbetriebe nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigt (vergleiche den Bescheid 721), mit Rücksicht darauf, daß die Zimmerer den Baugewerks⸗Berufs⸗ genossenschaften zugetheilt sind, wegen der Ausführung von Zimmerarbeiten von der örtlich zuständigen Baugewerks⸗ 8 rrusegenostanschaft zur Selbstversicherung nach §. 2 Absatz 2 des Bauunfallversicherungsgesetzes und beziehungsweise der auf Grund dieser Gesetzesstelle erlassenen statutarischen Bestimmung herangezogen werden könne, hat das Reichs⸗Versicherungs⸗ amt (Nr. 722) in verneinendem Sinne beantwortet (zu ver⸗ gleichen die Bescheide 536 und 652, „Amtliche Nachrichten“ des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 248 und 1889 Seite 119). Ein Gewerbetreibender der erwähnten Art, welcher mit seinem Hauptbetriebe einer anderen industriellen Berufs⸗ genossenschaft zugehört, ist für seine Person weder bei der letzteren, noch bei der Baugewerks⸗Berufsgenossenschaft ver⸗ sicherungspflichtig und nur dann und lissasect zur Selbst⸗ versicherung berechtigt, als das Statut derjenigen Berufs⸗ genossenschaft, bei welcher sein Gesammtbetrieb katastrirt ist, eine desfallsige Bestimmung enthält (zu vergleichen §. 2. Absatz 2 des Unfallversicherungsgesetzes).
— Ueber die Behandlung der von den Sektionen einer landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft für. die Heilung von Verletzten innerhalb der ersten dreizehn Wochen nach dem Unfall aufgewendeten Kosten hat sich das Reichs⸗Versicherungsamt unter dem 30. April d. J. (Nr. 723) dahin ausgesprochen, daß derartige Kosten, da sie durch die Sektionsverwaltung an sich nicht bedingt, vielmehr dazu bestimmt und im Allgemeinen auch geeignet sind, eine Ermäßigung der gesetzlich zu leistenden Entschädi⸗ gungen herbei vfüen, nicht als Verwaltungskosten, sondern nach den für die Aufbringung der Entschädigungsbeträge bestehenden statutarischen Bestimmungen 1e sind. Vergleiche Rundschreiben vom 18. März 1887 und vom 24. Oktober 1888, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887, Seite 55 und 1888 Seite 340). Nach §. 23 des Statuts der betreffenden Berufsgenossenschaft fallen die Entschädigungs⸗ beträge zu 50 Proz. derjenigen Sektion zur Last, in eeren Bezirk der Unfall eingetreten ist; Vernbnt Fee. muß auch die Vertheilung der in Rede stehenden Heilungskosten bewirkt werden, auf welche daher der §. 15 des Genossenschafts⸗ statuts, wonach die Sektionen ihre Verwaltungskosten allein u tragen haben, keine Anwendung findet. Wenn in dem undschreiben vom 18. März 1887 angeordnet ist, daß Auf⸗ wendungen der in Rede stehenden Art als „laufende Ver⸗ waltungskosten“ in den Rechnungsergebnissen zu „buchen“ sind, so kann durch diese formale Bestimmung die sachliche Natur der Aufwendungen nicht abgeändert werden. Uebrigens beruht jene Anordnung nur auf dem äußeren Grunde, daß die betreffenden Kosten der ersten dreizehn Wochen nicht in eine Spalte der Eö aufgenommen werden können, welche die Kosten nach Ablauf der ersten drei⸗ zehn Wochen nachweist.
— Der hiesige japanische Gesandte, Marquis Saronzi,
hat sich auf einige Wochen nach Brüssel begeben. Während
der Abwesenheit desselben von Berlin fungirt der erste Legations⸗Sekretär Inouye als interimistischer Geschäfts⸗ träger.
— Der Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗Division, General⸗Lieutenant von Kaltenborn⸗Stachau, ist aus dem Manöverterrain hierher zurückgekehrt.
— Der Remonte⸗Inspecteur, General⸗Lieutenant Freiherr von Troschke, hat sich auf Dienstreisen begeben.
— Das Ablösungs⸗Kommando für S. M. Kreuzer⸗ Korvette „Carola“ ist unter Führung des Kapitän⸗Lieute⸗ nants Hobein am 26. Juni cr. von Bremerhaven in See gegangen.
Kiel, 27. Juni. (W. T. B.) Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich begaben sich heute Abend mit dem jungen Prinzen Waldemar nach Mainz, von wo Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich am Sonntag hierher zurückkehren wird.
Sigmaringen, 27. Juni. (W. T. B.) Bei der heu⸗ tigen Galatafel brachte Se. Majestät der Kaiser das Hoch auf das neuvermählte hohe Paar aus. Se. Hoheit der Fürst von Hohenzollern dankte Sr. Majestät dem Kaiser für Sein und Allerhöchstseiner Gemahlin Erscheinen zu den Ver⸗ mählungsfeierlichkeiten. Als sich die hohe Tischgesellschaft nach Aufhebung der Tafel auf die Terrasse begab, brach ein starkes Gewitter los. Die Fürstlichkeiten zogen sich in Folge dessen zurück, blieben jedoch bei einander. Später machten Ihre Majestäten mit der Fürstin und der Erbprinzessin von Hohenzollern im offenen Waägen eine Rundfahrt durch die Stadt, von der Bevölkerung mit enthusiastischen Zurufen be⸗ grüßt. Nach der Abendtafel um 10 Uhr begaben Sich Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, von allen anwesenden Fürslichkeiten begleitet, nach dem Bahnhofe. Se. Majestät der Kaiser reist direkt nach Potsdam. Ihre Majestät die Kaiserin begleitet Allerhöchstdenselben bis nach Ebenhausen und geht von dort nach Kissingen.
Württemberg. Stuttgart, 27. Juni. Während Se. Majestät der Kaiser gestern Vormittag Vorträge entgegen⸗ nahm, besuchte Ihre Majestät die Kaiserin, geführt von Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Herzogin Wera, die Olga⸗Heil⸗ anstalt, die Krippe in der Kasernenstraße und die Diakonissen⸗ anstalt. Ihre Majestät legte das größte Interesse für die Einrichtungen an den Tag und erkundigte Sich aufs Ein⸗ gehendste nach allen Einzelheiten. Hierauf machten Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin Besuche bei den Mitgliedern der Königlichen Tamilie und anderen Fürstlichkeiten und nahmen sodann an der Tafel Theil, zu welcher Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Catharine von Württemberg die sämmt⸗ lichen Fürstlichen Besuche Sr. Majestät eingeladen hatte. Nachmittags fand im Park Rosenstein und in der Königlichen Wilhelma ein Gartenfest statt, zu welchem auf Befehl Sr. Majestät das Oberst⸗Hofmeisteramt gegen 4000 Einladungen an Personen in allen Theilen des Landes und Angehörige aller Stände und Berufsarten hatte ergehen lassen. Um 4 Uhr fuhren die Majestäten zum Feste, wiederum, wie bei der Parade, Se. Majestät der König mit Sr. Majestät dem Kaiser, Ihre Majestät die Königin mit Ihrer Majestät der Kaiserin: überall vom Volke mit end⸗ losem Jubel begrüßt. Ganz dem Charakter eines Garten⸗ festes entsprechend, verlief das Fest in einer durchaus zwang⸗ losen Weise. Unvermuthet erschienen die Majestäten da und dort unter der Gesellschaft, die sich rasch zu beiden Seiten der Gänge und Wege aufstellte. Es war wohl ersichtlich, daß es Ihre Majestäten sich angelegen sein ließen, an diesem Tage durch freundliche Ansprachen besonders auch solche auszuzeichnen, die nicht bei Hofe vorgestellt sind. Wo ganze Gruppen sich gebildet hatten, wie bei den bürger⸗ lichen Kollegien, bei den Angestellten des Hoftheaters u. A., verweilten die Majestäten in längerem Gespräch. In den großen Festsälen beider Schlösser spielten Kapellen zu dem Tanze, dem trotz des heißen Junitages eifrig gehuldigt wurde. Gegen 6 Uhr erfolgte der Aufbruch Ihrer Majestäten, der zugleich die Abreise der Hohen Kaiserlichen Besuche bedeutete. Wieder fuhren der König mit dem Kaiser, die Königin mit der Kaiserin durch die mit Tausenden besetzten An⸗ lagen unter nicht endenwollenden Hochrufen. Die Wagen fuhren am Bahnhof in Stuttgart vor, wo Ihre Majestät die Königin sich von dem Kaiserpaare verabschiedete, während Se. Majestät der König mit dem Erashersog von Baden und dem Prinzen von Weimar bis zur Abfahrt des Zuges bei dem Kaiserpaare verweilten. Im Laufe des Abends und der Nacht ist alsdann auch die Mehrzahl der anderen Fürstlichen Gäste abgereist.
Baden. Karlsruhe, 26. Juni. (Karlsr. Ztg.) Heute Vormittag traf Se. Hoheit der Erbprinz Friedrich von Anhalt hier ein.
Hessen. Mainz, 28. Juni. (W. T. B.) Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich sind mit dem Prinzen Waldemar heute Mittag ier eingetroffen und wurden auf dem Bahnhofe von
r. Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Hessen und Ihrer Großherzoglichen Hoheit der Prinzessin Alix empfangen. Auf der Fahrt nach dem Schlosse wurden die Herrschaften von dem zahlreichen Publikum freudigst be⸗ grüßt. Heute Abend findet großer Zapfenstreich statt.
1
Oesterreich⸗Ungarn.
(W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Ausschusses der unga⸗ rischen Delegation für auswärtige Angelegenheiten stellte der Referent Falk drei Fragen: „Wie verhält es sich mit
Wien, 27. Juni.
den Unruhen in Novibazar?“ „Welche Form hatten die in der Thronrede erwähnten Zusiche⸗ rungen der serbischen Regentschaft?“ „Dürfen die Bulgaren hoffen, daß mit der fortschreitenden Konsolidirung ihrer Verhältnisse der Zeitpunkt für die Anerkennung des Fürsten näher rückt?“ Nachdem sich verschiedene Redner über diese Punkte geäußert, ergriff Graf Kälnoky das Wort. Zunächst bemerkte er bezüglich der angeblichen Unruhen in Novibazar, das Ministerium habe keine direkte Nachricht aus dem Sandschak erhalten. Sofern die Nachricht von Ruhestörungen richtig sei, könne es sich in keinem Fall um eine serbische Bewegung handeln, allenfalls um eine muhammedanische, in Folge grund⸗
loser Gerüchte von der Abtretung des Sandschaks an Serbien. Der Minister trat weiter den jüngsten pessimistischen Auffassungen entgegen, Vergleiche zwischen der heutigen Stellung Oesterreich⸗Ungarns bezüglich der Balkan⸗Staaten und jener im ersten Jahre nach dem Berliner Kongreß könnten nur einen befriedigenden Unterschied ergeben. Die Politik Oesterreich Ungarns zu Gunsten einer stetigen Ent⸗ wickelung und Kräftigung der Balkanstaaten aus sich selbst, sowie die Fernhaltung jeder fremden Einmischung könne nur langsame Resultate ergeben. Die Nachgiebigkeit der Regierun
gegenüber wiederholten drängenden Impulsen hätte schwerli
bessere Erfolge erzielt. König Milan's lange gefaßter Ent⸗ schluß der Thronentsagung sei bei der Willensstärke des Königs nicht veman ahalden gewesen, die Regenten seien moralisch verpflichtet, das Land dem jungen König einst geordnet zu übergeben. Ristic vereine hohe Autorität mit Erfahrung und Klugheit. Was die Form der Zu⸗ sicherungen Serbiens betreffe, so handle es sich um feier⸗ liche Erklärungen, wie solche bei Thronwechseln und ähnlichen Anlässen vorzukommen pflegten. Die Zusicherungen hätten ungewöhnlich präzise gelautet und seien spontan erfolgt; dies flöße Vertrauen ein. Die Aufregung in Serbien werde sich hoffentlich bald legen. Was die Nachricht von einer serbisch⸗ russischen Konvention angehe, so schenke er dem kategorischen Widerspruche der serbischen Regierung Glauben. Die beifällige Aufnahme des Passus der Thronrede über Bulgarien flöße ihm Befriedigung ein; die Bulgaren be⸗ währten die erforderlichen Eigenschaften zur Be⸗ gründung eines geordneten vielversprechenden Staatswesens. Die ehrende Anerkennung ihrer Be⸗ strebungen möge die Bulgaren in der Hoffnung erhalten, durch Ruhe und Ausdauer schließlich aus der nicht ganz un⸗ verschuldeten schwierigen Lage herauszukommen. Ob die vor⸗ schnelle Wiederanregung einer schlummernden Frage den Bul⸗ garen Vortheil rbeggs werde, möge dahin gestellt bleiben. Oesterreich⸗Ungarn erhebe keinerleiSchwierigkeiten gegen die Rege⸗ lung der ostrumelischen Frage. Eine einseitige Anerkennung des Zustandes Bulgariens würde von problematischer Wirkung sein, ein prinzipielles Hinderniß sei hier nicht vorhanden. Auf welcher Seite die Schuld des Scheiterns der Verhandlungen über den rumänischen Handelsvertrag liege, sei schwer zu entscheiden; man müsse sich jedensalls vor Eng⸗ herzigkeit in den ökonomischen Fragen hüten; auch die Rührigkeit der kaufmännischen Welt sei erforderlich, um die durch die Regierung hergestellten Verbindungen auszu⸗ nützen. Daß in Rumänien eine theilweise Animosität herrsche, sei unbestreitbar und sehr bedauerlich, die Rumänen seien indessen kluge Leute, welche allseitige Unab⸗ hängigkeit wollten, was ja auch Oesterreich⸗Ungarn nur recht sein könne. Gleiches gelte von Serbien; das beste Mittel zur Zerstreuung der Oesterreich⸗Ungarn systematisch angedichteten Vergrößerungspläne sei strenges Festhalten an einer uneigennützigen und vertragstreuen Politik. Fluth und Ebbe wechselten im Orient; aber das End⸗ ergebniß des Entwickelungsprozesses werde zuverlässig die Gewinnung widerstandsfähiger Grundlagen für die Zukunft jener Staaten sein. Die bisherigen Ergebnisse in dieser Richtung seien befriedigend. In Bezug auf die Kriegs⸗ und Friedensfrage stehe er (der Minister) dort, wo der mög⸗ lichste Aufschub eines selbst für unvermeidlich geltenden Krieges gewünscht werde. Wer das tiefe Eingreifen heutiger Kriege in die Lebensinteressen der Familien kenne, wer auf die Resultate des menschlichen Geistes und des bürgerlichen Fleißes in den letzten Jahr⸗ hunderten blicke, wer den Bildungsgrad der Gegenwart in Erwägung ziehe, der müsse wünschen, daß die Weisheit der Regierenden und der Regierten den Krieg vermeide. Besser sei die Fruchtlosigkeit enormer Heeresausgaben als deren Verwendung zu einem Weltkriege. Gehe die große Politik gut, so würden auch die momentan wichtig erscheinenden Episoden im Balkan ohne erheblichen Schaden bleiben; ein vorschnelles Eingreifen im Kleinen könne zum Schaden im Großen gereichen. Die mitteleuropäische Lage der Monarchie müsse stets im Auge behalten werden. — Der ungarische Minister⸗Präsident Tisza versicherte, Jedermann in Ungarn wünsche den rumänischen Handelsvertrag, nur wolle Ungarn nicht materielle Opfer aus politischen Gründen bringen. Hierauf wurde das Budget des Aeußeren an⸗ genommen.
Großbritannien und Irland. London, 27. Juni. (Allg. Corr.) Ihre Majestät die Königin kehrte gestern, begleitet von Ihrer Königlichen Hoberf der Prinzessin Victoria von Preußen und der Prinzessin von Leiningen von Balmoral nach Windsor zurück.
— (W. T. B.) Die Königin hat ihre Einwilligung zur Verlobung der Prinzessin Louise, ältesten Tochter des Prinzen von Wales, mit dem Grafen Fife gegeben
— (Allg. Corr.) Großbritanniens Staatseinkünfte in der Zeit vom 1. April bis zum 22. Juni beliefen sich auf 18 949 358 Pfd. Sterl. gegen 18 792 380 Pfd. Sterl. im entsprechenden Zeitraum des vorhergehenden Finanzjahres. Die Ausgaben in der gleichen Zeit betrugen 17 678 386 Pfd. Sterl. gegen 17 985 921 Pfd. Sterl. in der Parallelperiode des Vorjahres.
Frankreich. Paris, 27. Juni. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer sprach sich heute Lamartinidre miß⸗ billigend über den häufigen Wechsel unter dem Beamten⸗ personal von Indochina aus und verlas einen Bericht des verstorbenen Gouverneurs von Saigun, Richaud, welcher die Verwaltung Constans' sehr scharf angriff. In Folge dessen entstand ein heftiger Zwischenfall zwischen Constans und Dela⸗ porte, dem früheren Unter⸗Staatssekretär der Kolonien. Constans warf Delaporte vor, Lamartinière den Bericht Richaud's mitge⸗ theilt zu haben. Millerand (radikal) beantragte, den Bericht Richaud's in vollem 3S. der Kammer mit⸗ zutheilen. Der Minister⸗Präsident Tirard bekämpfte diesen Antrag und erklärte, es sei nur darauf abgesehen, die repu⸗ blikanische Regierung durch Verleumdung in Mißkredit zu G aber die Regierung werde ihre Pflicht bis zu Ende
un. 258 St. abgelehnt. Im weiteren Verlaufe der Sitzung be⸗ schloß die Kammer morgen den Antrag Rouviers, be⸗ treffend die Unterstützung der Panamakanal⸗Gesell⸗ s 48, behufs Fortführung der begonnenen Arbeiten, zu be⸗ rathen.
durch welche ein Drittel der Generalräthe erneuert wird, auf den 28. Juli an.
Der Antrag Millerand's wurde darauf mit 304 gegen
Ein heute veröffentlichtes Dekret ordnet die Wahlen,
Rußland und Polen. St. Petersburg, 28. Juni. W. T. B.) Anläßlich der Kossowo⸗Feier fand in der iesigen Kasanschen Kathedrale gestern ein Gottesdienst tatt, welchem die serbische Gesandtschaft, die hier ansässigen Serben und Montenegriner und die Mitglieder des slavischen Wohlthätigkeitsvereins beiwohnten. Letztere richteten ein der Fisr “ Schreiben an den serbischen Metropoliten
ichael.
Schweiz. Bern, 27. Juni. (W. T. B.) Der National⸗ rath hat ohne Diskussion und einstimmig den Bundesrath ermäch⸗ tigt, im Bedürfnißfalle die für 1891 und 1892 vorgesehenen Anschaffungen von Kriegs⸗ und Verpflegungs⸗ material sofort vorzunehmen. — Auch der Ständerath hat nunmehr einstimmig die bereits vom Nationalrath genehmigte Vorlage, betreffend die Wiedererrichtung der ständigen Stelle eines eidgenössischen Generalanwalts, angenommen und zwar unter Beifügung eines Passus, be⸗ 8” die Pflicht zur Ueberwachung der Fremden⸗ polizei.
Belgien. Brüssel, 27. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer legte der Finanz⸗ Minister Beernaert den Gesetzentwurf vor, welcher die belgische Regierung ermächtigt, sich auf dem Wege der Sub⸗ skription am Bau einer Eisenbahn am Congo zu be⸗ theiligen, desgleichen auch einen Gesetzentwurf, durch welchen die Konvention mit einer deutschen Gesellschaft genehmigt wird, Behufs Einrichtung einer deutschen Dampf⸗ schiffslinie nach Australien mit Antwerpen als An⸗ laufshafen.
Schweden und Norwegen. Christiania, 27. Juni. (W. T. B.) Im Storthing brachte der Advokat Stange solgenden Antrag ein: Das Storthing hält es für seine Pflicht, vor seinem Auseinandergehen als seine Ansicht aus⸗ zusprechen, daß der gegenwärtigen Regierung das er⸗ forderliche Ansehen sowie die Unterstützung der Nationalver⸗ sammlung und der Bevölkerung fehle, um die Angelegen⸗ heiten des Landes in einer glückbringenden Weise wahrzunehmen. Ueber den Antrag wird morgen berathen werden.
Amerika. Washington, 27. Juni. (W. T. B.) Das Kriegsschiff „Adams“, welches gegenwärtig vor Honolulu liegt, ist zum Ersatz des Kriegsschiffes „Alert“ nach Samoa beoordert worden.
Afrika. Egypten. Kairo, 27. Juni. (W. T. B.) Das erste Bataillon der egyptischen Armee wird am 29. d. M. mit einer Batterie nach Wady⸗Halfa abgehen. In der nächsten Woche soll unter Maäjor Rundle ein Detache⸗ ment Artillerie und eine Schwadron Kavallerie folgen.
Zanzibar, 27. Juni. (W. T. B.) (Meldung des „Reuter’schen Bureaus“.) Der Dampfer „Neera“ ist hier mit der Mannschaft eines von der englischen Kriegs⸗ Schaluppe „Mariner“ weggenommenen Schiffes angekommen. Die Beschlagnahme des Dampfers „Neera“ fand bei Lamu statt. Die Maschine desselben wurde auf Befehl des englischen Admirals dienstunfähig gemacht.
8 9 Zeitungsstimmen.
Die „Conservative Corresponden;“ schreibt: „ Bezüglich der Ersatzwahl zum Reichstage in Halberstadt, die mehrfach den Gegenstand von Preßerörterungen gebildet hat, können wir auch unsererseits bestätigen, daß auf Grund einer Verständigung zwischen den Parteivorständen von konservativer Seite nach dem ge⸗ nannten Wahlkreise die Mittheilung ergangen ist, „daß es der ganzen politischen Lage entsprechend und für eine nicht abzuweisende Kon⸗ sequenz der für die Reichstagswahl von 1887 getroffenen Verabredungen erachtet werde, daß auch für diese Nachwahl thunlichst eine Verständigung mit den Nationalliberalen über einen dieser Partei angehörigen Ersatzmann für den verstorbenen Hrn. von Bernuth an⸗ gestrebt würde und daß, falls wider Verhoffen eine Einigung in diesem Sinne nicht zu erzielen wäre, die Konservativen und die Nationalliberalen sich auf alle Fälle gegenseitige Unterstützung bei einer eventuellen Stichwahl zusichern und im Wahlkampf einer ent⸗
sprechenden freundlichen Behandlung befleißigen sollten“.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt: „Man begegnet nicht selten der Meinung, daß die Entwickelung Personenverkehrs auf den Eisenbahnen hinter dem Auf⸗
schwunge, welchen der Güterverkehr genommen, erheblich zurückgeblieben sei, ja daß der erstere nahezu „stagnire“. Demgegenüber ist es nicht ohne Interesse, die Frequenz und die finanziellen Ergebnisse des Per⸗ sonen⸗ und Güterverkehrs auf den preußischen Staatsbahnen in dem zuletzt abgerechneten Jahre 1887/88 mit denjenigen Ziffern zu ver⸗ gleichen, welche auf den nämlichen, d. h. den das preußische Staats⸗ bahnnetz jetzt bildenden Eisenbahnen zehn Jahre zuvor, im Jahre 1878/79, erzielt worden sind. Darnach ergiebt sich für den zehnjährigen Zeitraum vom 1. April 1878 bis dahin 1888 eine Zunahme
der Personenkilom. der Tonnenkilom.
51 % um 55 %
auf 1 km Bahnlänge um. der Bruttoeinnahme aus dem aus dem Güter⸗ Personenverkehr um. . 33 % verkehr um 37 % und eine Abnahme des Fahrgeld⸗ bezw. des Frachtbetrages für ein Personenkilometer um 11,8 %, für ein Tonnenkilometer 11,7 %.
Es zeigt sich hiernach auf den vieet Staatsbahnen eine bemerkenswerthe Parallele sowohl in der Vermehrung der Frequenz und des Bruttoertrages, wie in der Verminderung des durchschnitt⸗ lichen Fahrgeld⸗ bezw. Frachtbetrages, sodaß sich wohl die Annahme rechtfertigen läßt, daß die bisher dort gewährten Verkehrserleichterungen dem Personen⸗ wie dem Güterverkehr nahezu in gleichem Verhältniß zu Gute gekommen sind.“.. b “
Statistische Nachrichten.
Die Bevölkerung des Großherzogthums Mecklenburg⸗Schwerin.
ze Das erste Heft des elften Bandes der „Beiträge zur Sta⸗ tistik Mecklenburgs“ behandelt die Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 für das Großherzogthum Mecklenburg⸗ Schwerin. Hiernach bezifferte sich am 1. Dezember 1885 die orts⸗ anwesende Feclgang gbecsegbufx. werthg auf 575 152 Personen, während dieselbe bei der 1880 er Zählung 577 055 betragen hatte. Für die fünfjährige Zwischenzeit ergab sich hiernach eine Bevölkerungs⸗ abnahme von 1903 Seelen oder von 0,33 % der mittleren Bevölkerung, und es belief sich also die jährliche Abnahme auf ungefähr 0,07 %. Diese Bevölkerungsabnahme hat ebenso wie die des Zeitraums 1871 bis 1875 ihren Grund in einem unverhältnißmäßig großen Wanderverlust. Es betrug nämlich für die Zeit vom 1. Dezember 1880 bis zum
Dezember 1885 die Anzahl der Geborenen 91 050, die der Ge⸗ storbenen 63 517, mithin der Eeburtenüberschuß 27 533, welchem ein
Wanderverlust von 29 436 Personen gegenüberstand. Dieser Wander⸗ verlust setzte sich aus 20 963 überseeischen und 8473 anderweitigen Auswanderern zusammen.
Unter den 26 Staaten des Deutschen Reichs nimmt das Groß⸗ herzogthum seiner Volkszahl nach die achte Stelle ein. Seine orts⸗ anwesende Bevölkerung machte 1871 1,36 %, 1875 1,30 %, 1880 1,28 % von derjenigen des Reichs aus. In Folge des Wachsthums der letztern, sowie ihres eigenen Rückgangs betrug die Bewohnerschaft Mecklenburg⸗Schwerins am 1. Dezember 1885 nur noch 1,23 % von jener. Dementsprechend hat auch die Dichtigkeit der Bevölkerung im Großherzogthum abgenommen. Sie be⸗ zifferte sich im Jahre 1880 auf 43,⸗ und im Jahre 1885 auf 43,7 Personen. Im Deutschen Reich entfielen dagegen auf die⸗ selbe Flächeneinheit im Jahre 1880 83,7 und im Jahre 1885 86,7 Personen. Die Volksdichtigkeit des Großherzogthums ist also nur halb so groß als die des Deutschen Reichs, und nimmt das⸗ selbe unter den Einzelstaaten des letzteren in Bezug auf Volks⸗ dichtigkeit die vorletzte Stelle ein. Hinter ihm folgt nur noch Mecklenburg⸗Strelitz, welches auf dem Quadrat⸗Kilometer nur 34,2 Einwohner aufzuweisen hat.
Die Bevölkerung im Großherzogthum Mecklenburg⸗Schwerin vertheilt sich ferner folgendermaßen: Gezählt wurden 1880 bezw. 1885 im Domanium (42,5 % der Gesammtfläche) 194 315 bezw. 191 726, in der Ritterschaft (46,0 %) 140 309 bezw. 134 053 und in den Städten (11,5 %) 242 431 bezw. 249 373 Personen. Mithin entfielen von der Gesammtbevölkerung 1880 bezw. 1885 auf das Domanium 33,7 bezw. 33,3 %, auf die Ritterschaft 24,3 bezw. 23,3 % und auf die Städte 42,0 bezw. 43,4 % Für den Zeitraum 1880 — 1885 betrug also die Bevölkerungsabnahme für das Domanium 1,33 %, für die Ritterschaft 4,46 %, die Bevölkerungszunahme für die Städte dagegen 2,86 %. Die ortsanwesende Bevölkerung des Groß⸗ herzogthums bestand 1880 aus 284 479 männlichen und 292 576 weiblichen Personen, 1885 aus 284 241 männlichen und 290 911 weiblichen Personen. Es kamen somit auf 100 männ⸗ liche Personen 1880 102,8, 1885 104,3 weibliche Personen, während im Deutschen Reich 1880 103,9 und 1885 104,3 weibliche Personen auf 100 männliche entfielen. Im Großherzogthum findet sich auf⸗ fälliger Weise beim weiblichen Geschlecht eine größere Abnahme als beim männlichen, wogegen im Deutschen Reich das erstere ein größeres Wachsthum als das letztere aufzuweisen hat.
Der Religion nach vertheilt sich die Gesammtbevölkerung des Großherzogthums am 1. Dezember 1885 folgendermaßen: 568 480 oder 98,8 % Evangelische, 3961 oder 0,7 % Katholiken, 289 oder 0,1 % sonstige Christen, 2347 oder 0,4 % Juden und 75 Bekenner anderer Religionen. Seit dem Jahre 1867 haben die Katholiken stets zu⸗, die Juden stets abgenommen. Die ersteren zählten damals 1195 oder 0,2 %, die letzteren 3064 oder 0,5 % der Gesammtbevölkerung.
Im Jahre 1880 bezw. 1885 waren dem Familienstande nach von der männlichen Bevölkerung: 16,23 bezw. 16,12 % ledig, 36,51 bezw. 36,72 % verheirathet, 3,00 bezw. 3,16 % verwittwet und 0,08 bezw. 0,07 % geschieden; von der weiblichen Bevölkerung: 20,71 bezw. 20,07 % ledig, 35,57 bezw. 35,87 % verheirathet, 9,03 bezw. 9,41 % verwittwet und 0,10 bezw. 0,13 % geschieden. 1
Die österreichischen Sparkassen im Jahre 1887.
Dem Märzheft der vom Bureau der K. K. statistischen Central⸗ Kommission herausgegebenen „Statistischen Monatsschrift“ entnehmen wir, daß es in Oesterreich Ende 1887 im Ganzen 397 Gemeinde⸗, Vereins⸗ und Bezirkssparkassen gab, bei welchen 2 089 924 Spar⸗ kassenbücher mit einem Einlagebestand von 1 091 201 620 Gulden im Umlauf waren. Schon diese wenigen Ziffern lassen einen der haupt⸗ sächlichsten Gegensätze der österreichischen gegen die preußischen Spar⸗ kassen erkennen, welch letztere Ende 1887 bezw. am 31. März 1888 sich auf 1340 beliefen und 4 742 009 Bücher mit einem Gesammt⸗ bestande von 2 672 597 422 ℳ im Umlauf hatten. Wäbrend nämlich hiernach in Oesterreich das Durchschnittsguthaben auf den Kopf der Gesammtbevölkerung nicht unerheblich geringer war, als gleichzeitig in Preußen, nämlich 46 54 Fl. gegenüber 93,01 ℳ, war das Konto eines Sparkassenbuchs im ersteren Lande mit durchschnitt⸗ lich 522,18 Fl. ungleich größer als in Preußen mit 563,60 ℳ Es zeigt sich also, daß in Oesterreich ein weit größerer Theil der Ein⸗ lagen aus Kapitalistenkreisen und von wohlhabenden Leuten herrührt als in Preußen, wo verhältnißmäßig die Zahl der Einleger sowohl wie der Antheil der kleinen Konten viel größer ist, indem in Oester⸗ reich auf die Konten von weniger als 100 Fl. 40,12 %, in Preußen schon auf die Konten bis zu dem erheblich niedrigeren Betrage von 150 ℳ 46,40 % srämmtlicher Sparkassenbücher, ferner auf diejenigen über 500 Fl. in Oesterreich 25,76, auf die⸗ jenigen über 600 ℳ in Preußen doch nur 23,05 % entfielen, obgleich diese höchste Kontenklasse der preußischen Statistik schon bei einem viel geringeren Ei lagebetrage einsetzt als jene der österreichi⸗ schen (100 Fl. = ca. 170 — 175 ℳ). Einen auffälligen Gegensatz bieten beide Staaten hinsichtlich der Einlagebewegung im Jahre 1887. Während dieselbe nämlich in Preußen die höchste bisher beobachtete Zunahme der Einlagen — 201 323 200 ℳ, wovon 69 296 478 ℳ auf Zuschreibung von Zinsen und 132 026 722 ℳ auf den Ueberschuß der Neueinlagen über die Rückzahlungen entfallen, — ergeben hat, sind in Oesterreich die Neu⸗ einlagen um 5 395 017 Fl. hinter den Rückzahlungen zurück⸗ geblieben, und lediglich durch Zuschreibung von Zinsen erfuhr der Einlagebestand einen Zuwachs, sodaß er im Ganzen um 37 179 718 Fl. = 3,53 % gegen das Vorjahr zunahm. Die Ursache dieser Erschei⸗ nung erblickt unser Gewährsmann weniger in ungünstigeren wirth⸗ schaftlichen Verhältnissen, als in den von einer Reihe von Sparkassen eingeführten Zinsherabsetzungen, namentlich für größere Einlagen, wodurch ein Theil derselben den Sparkassen entfremdet und anderweit untergebracht worden ist. So haben in der That die Einleger ins⸗ gesammt sich um 71 229 oder um 3,52 %, diejenigen mit weniger als 100 Fl. sogar um 6,42 % vermehrt, die Einleger mit 10 000 Fl. d darüber aber um 402 oder 6,90 % vermindert. (Stat. Corr.)
1“ ö1“ 1“ 1“ Die russische Industrie in den Jahren 1885—1887.
„Das Departement für Handel und Gewerbe in Rußland hat kürzlich eine statistische Zusammenstellung von „Daten über die Fabrikthätigkeit in den Jahren 1885 — 1887“ herausgegeben, die ein lehrreiches Bild der Entwickelung der russischen Industtte und gewerb⸗ lichen Produktion bietet. Der „Hamburgische Correspondent“ entnimmt dieser Zusammenstellung nachstehende Angaben:
Die Zahl der Fabriken und gewerblichen Anstalten im europäischen Rußland und im Czarthum Polen, welche der Oberaufsicht des Departements für Handel und Gewerbe unterstehen (zu denen also weder die dem Finanz⸗Ministerium zugezählten, Accise zahlenden E1“ Spiritusfabriken und Bierbrauereien, noch die dem
epartement für Bergwerke unterstellten Schachte und Minen ge⸗ hören), betrug: im Jahre 1885
Rubel
19 343 mit einer Gesammtproduktion für 999 529 000 1886 18 749 „ „ 6 „ 1 004 579 000 1887 18 963 „ „ 8 „ 1 074 967 000 Nimmt man hierzu für die zwei letztzenannten Jahre die Zahl der Fabriken und gewerblichen Anstalten im ganzen Reich, den Kau⸗ kasus, Sibirien und Turkestan mit eingeschlossen, so erhält man folgende Angaben:
Zahl der Fabriken: Summe der Gesammtproduktion:
1886 20 847 1 043 997 900 Rubel
1887 21 247 1 120 252 000 „ Im europäischen Rußland und in Polen hat sich, wie vorstehende Zahlen lehren, die Zahl der Fabriken und gewerblichen Anstalten im Vergleich zum Jahre 1885 vermindert, dafür ist aber die Summe der Gesammtproduktion in diesen Fabriken und gewerblichen Anstalten im Jahre 1886 um 0,6 % und im Jahre 1887 um 7,5 % gewachsen.
Die durchschnittliche Produktion einer Fabrik, welche 1885 den Werth von 51 674 Rubeln erreichte, stieg 1886 bis zu 53 580 Rbl, also um 3,6 %, und 1887 bis zu 56 687 Rbl,, also um 9,7 %. Betrachtet man die Daten für das gesammte Reich im Jahre 1887, so hat sowohl eine Vermehrung der Anzahl der vorhandenen Fabriken und gewerblichen Anstalten als auch ein Anwachsen der Gesammtproduktion um 7,3 % stattgefunden. Eine stetige Zunahme zeigt auch die Anzahl der in den Fabriken und gewerblichen Anstalten beschäftigten Arbeiter. Sie betrug im europäischen Rußland und in Polen 1 18855 7709 037 Köpfe 1““ —
G 1887 (764690 8 im ganzen Reich (d. h. mit Einschluß des asiatischen Rußland)
. 1886 759 495 Köpfe
1888 . ..
.Außer den bisher in Betracht gezogenen Fabriken und gewerb⸗ lichen Anstalten sind im gesammten Reich noch an kleinen in⸗ dustriellen und gewerblichen Unternehmungen mit einer durchschnitt⸗ lichen Jahresproduktion von weniger als 1000 Rubeln gezählt worden: i. J. 1886 44 882 mit 77 887 Arbeitern und i. J. 1887 54 468 mit 91 681 Arbeitern.
Es liegt nahe, aus vorstehenden Angaben den Schluß zu ziehen, daß einerseits sowohl das große als auch das kleine Fabrikgewerbe in Rußland in stetem Wachsen begriffen ist, und daß andererseits auch das Arbeiterelement, das sich von der landwirthschaftlichen zur Fabrik⸗
8
2 — -
—
—
—
-89eäS.S..— Sdobodo
—
thätigkeit wendet, von Jahr zu Jahr zunimmt. Nach Produkten geordnet, zeigt die russische Industrie in den Jahren 1886 und 1887 folgendes Bild: Produkte. Zahl der Fabriken u. gewerbl. Anstalten. “ 1886 1887 1) Nahrungsmittel 7 613 oder 36,5 % 7 869 oder 37 % 2) Verarbeitung thierischer 1616 88 3) Verarbeitung von Faser⸗ 5 1II1WI 14,4 „ 3 096 4) Kalk⸗, Glas⸗, Stein⸗ ꝛc. V111““ 115. 7 380 5) Gegenstände aus Metall 1 350 5 1171 6) Gegenstände aus Holz . 1 220 99 100 7) Chemische Produkte. . 566 . 588 8) Verschiedenes .383387 8 419 20 847 21 247 Interessant sind die Daten bezüglich des Geschlechts und des Alters der Fabrikarbeiter, die indessen nur für das Jahr 1887 an⸗ gegeben sind. Von der Gesammtzahl von 789 322 Arbeitern in dem genannten Jahre waren 1) erwachsene Männer 577 834 oder 73,2 % 2 . Weiber 184 144 „ 28,8 3) minder jährige Knaben 19 083 8586 4) Mädchen 8811
Weibliche Arbeiter waren am meisten in den Webereien (Ver⸗ arbeitung von Faserstoffen) mit 36,8 % von der Gesammtzahl aller in diesen Gewerben beschäftigten Arbeiter in Thätigkeit. Die Minder⸗ jährigen sind hauptsächlich in den E chemi Fabriken beschäftigt worden.
8 Für den achten internationalen Orientalisten⸗Kon⸗ greß, der vom 2. bis 13. September d. J. in Stockholm und Christiania abgehalten werden wird, sind bereits die umfassendsten Vorkehrungen getroffen worden. Die Seele des Unternehmens ist König Oskar von Schweden und Norwegen selbst, welchem Graf Carlo Land⸗ berg, der ausgezeichnete Kenner des Orients und der Orientstatistik, als gewandter General⸗Sekretär zur Seite steht. Für eine gastfreie Aufnahme, die sich auch auf die Eisenbahnfahrten und Kosten der Ausflüge erstreckt, sorgt der Protektor des Kongresses, König Oskar, in reichlichster Weise. 8
„— Am 24. Juni wurde auf der Sternwarte des Mount Ha⸗ milton (Lick Observatory) in Kalifornien von Herrn Barnard ein neuer Komet entdeckt. Nach der Beobachtung um 4 Uhr Mor⸗ gens, als es in Greenwich schon Mittag war, stand der als schwach bezeichnete Komet nahe in der Mitte zwischen den Sternen und „ der Andromeda. Seine tägliche Bewegung wird 10 6“ nach Osten und 0⁰0 34“ nordwärts angegeben.
aa““
Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien. Erster Band. Charlottenburg, Verlag von F. Mahler. — Der Herausgeber bezweckt mit diesem Handbuch die Anregung zu familien⸗ geschichtlichen Aufzeichnungen zu geben, ferner Sicherung dieser Auf⸗ zeichnungen gegen Verlorengehen zu bieten und die Stammesfolge, die Verzweigungen und die Gliederung der einzelnen Generationen er⸗ sichtlich zu machen. Ferner beabsichtigt er, zur Aufklärung und Aus⸗ füllung von Unklarheiten und Lücken in einem Stammbaume durch die Aufzeichnungen anderer in dem Buch aufgenommener Familien die Möglichkeit zu bieten, sowie den Nachweis zu ermöglichen für die Verwandtschaft mit einer anderen Familie, der bei Stiftungs⸗ und Erbansprüchen von Wichtigkeit sein kann. Ferner soll durch die Orts⸗ und Zeitangaben Erleichterung der so oft nothwendig werdenden Beschaffung von Familienpapieren ermöglicht werden, des⸗ gleichen leichte Fortfuͤhrung der Aufzeichnungen, durch welche jedem Familienmitgliede ein dauernderes Gedächtniß als durch irgend ein anderes Denkmal gesichert und den Forderungen der Pietät leichter entsprochen werden kann. Die wesentlichste Bedeutung des Buches soll aber darin liegen, eine Centralstelle für alle Familien⸗ aufzeichnungen und mit jedem Jahr mehr eine undstelle für weitere Forschungen, ein wirkliches Familien⸗Archiv zu werden, das nicht nur für bürgerliche Familien und den mit diesen vielfach verschwägerten Adel, sondern vielmehr einen allgemein historischen, heraldischen und genealogischen Werth haben würde. In dem vorliegenden Bande ist nur das von den Familien den Herausgebern direkt zugegangene, also als verbürgt geltende historische wie genealogische Material aufgenommen worden und zwar vollständig, wie es auch in Zukunft geschehen soll. Bei der Bearbeitung wurde besonders darauf gesehen, die Mannesfolge wie den Anschluß der einzelnen Zweige an die⸗ selbe hervorzuheben, im Uebrigen in den einzelnen Generationen die Anciennetätsfolge der einzelnen Glieder festzuhalten. Die Heraus⸗ geber haben ihre ursprüngliche Absicht, alljährlich nur einen Band erscheinen zu lassen, aufgegeben, da das reichlich eingehende Material sich auf diese Weise nicht würde bewältigen lassen. Es sollen nun die einzelnen Bände von annähernd gleichem Umfange und in der⸗ selben Ausstattung zu dem für den vorliegenden Band bestimmten vleile je nach dem Stande des Materials zwanglos erscheinen. Jeder olgende Band wird die früher aufgenommenen Familien unter Hin⸗ weis auf den betreffenden Band zusammenstellen; auch werden die in⸗ zwischen eingetretenen Personalveränderungen wie auch weitere genea⸗ logische und historische Zusätze, endlich auch etwaige Berichtigungen angegeben werden. Als Leiter der Redaktion fungirt der Königliche Bibliothekar und Lector im Handels⸗Ministerium G. A. Seyler.
„Der zoologische Garten.“ Zeitschrift für Beobachtung, Pflege und Zucht der Thiere. Organ der zoologischen Gaͤrten Deutschlands. Herausgegeben von der Neuen Zoologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M. Redigirt von Prof. Dr. F. C. Noll, Ober⸗ lehrer am Gymnasium. XXX. Jahrgang. Frankfurt a. M. Verlag von Mahlau u. Waldschmidt. — Die uns vorliegende Nummer hat folgenden Inhalt: O. von Loewis bringt Mittheilungen über die Kreuzotter. Ueber veetogfüedes und Zoologie läßt sich der Heraus⸗ geber aus und fügt 2 Abbildungen hinzu. — Von dem Aufsatz: Zur Geschichte der Mollusken, von Dr. med. Wilh. Stricker, erscheint Fort⸗ setzung und Schluß aus dem Jahrgang XXIX. Heft XI. Dr. F. Helm schreibt über die Verbreitung der Eiche durch den Eichelheher
—