1889 / 152 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Jun 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium des Innern.

Dem Ober⸗Regierungs⸗Rath Buhlers ist die Leitung

der Finanz⸗Abtheilung bei der Regierung in Danzig über⸗ tragen worden. Der Ober⸗Regierungs⸗Rath von Bischoffshausen ist

dem Regierungs⸗Präsidenten in Schleswig zugetheilt worden. 8 Der Ober⸗Regierungs⸗Rath Bodenstein ist dem Regie⸗ rungs⸗Präsidenten in Stade zugetheilt und zugleich mit der Leitung der Kirchen⸗ und Schul⸗Abtheilung bei der Regierung in Stade betraut worden. Der Ober⸗Regierungs⸗Rath Freiherr von Richthofen

ist dem Regierungs⸗Präsidenten in Potsdam zugetheilt worden.

Justiz⸗Ministerium.

Versetzt sind: der Landgerichts⸗Rath Dr. Kruttge in Oppeln als Amtsgerichts⸗Rath an das Amtsgericht in Breslau, der Amtsgerichts⸗Rath Sassen in Odenkirchen an das Amts⸗

ericht in Kempen a. Rh., der Amtsrichter Lehmann in Prüm an das Amtsgericht in Trier, der Amtsrichter Weck⸗ becker in Bitburg an das Amtsgericht in Mayen, der Amts⸗ richter Dr. Pollitz in Elberfeld als Landrichter an das Landgericht daselbst, der Amtsrichter Berger in Kosel an das Amtsgericht in Grottkau, der Amts⸗ richter Schmutter in Königshütte als Landrichter an das Landgericht in Beuthen O.⸗Schl., der Amtsrichter Fendel in . an das Amtsgericht in Schwelm, der Amtsrichter ilde in Strelno an das Amtsgericht in Thorn, der Amtsrichter Fleischmann in Schwarzenfels an das Amtsgericht in Kirchen, der Amtsrichter Brüning in Hattingen an das Amtsgericht in Dortmund und der Hypotheken⸗ ...h. Cramer in Berncastel an das Hypothekenamt in

rier.

Die nachgesuchte Dienstentlassung mit Pension ist ertheilt: em Amtsgerichts⸗Rath Strecker in Stendal und dem Land⸗ erichts⸗Rath Wendt in Magdeburg.

In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht: der Rechts⸗ nwalt, Justiz⸗Rath Meyen bei dem Landgericht I in Berlin, er Rechtsanwalt Kunau bei dem Amtsgericht in Osterburg, er Rechtsanwalt Hildebrand bei dem Amtsgericht in La⸗ ischin und der Rechtsanwalt Schildhaus bei dem Amts⸗ ericht in Olpe.

In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen: der

Rechtsanwalt, Justiz⸗Rath Sander bei dem Landgericht I in Berlin, der Gerichts⸗Assessor Higbesr bei dem Amtsgericht in Soldau, der Gerichts⸗Assessor Adolf Neumann bei dem Landgericht in Liegnitz und der Gerichts⸗Assessor Sauer bei dem Amtsgericht in Kanth.

Dem Notar, Justiz⸗Rath Nebe in Naumburg a. S.

Fnwa nachgesuchte Entlassung aus dem Amt als Notar rtheilt. 8 Der Landgerichts⸗Rath Hollmann in Berlin und der

Landgerichts⸗Rath von Gal in Aachen sind gestorben.

Se. Excellenz der Staats⸗ und Finanz⸗ ach Süddeut chland.

Königlich Preußische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen.

maktiven Heerec. Berlin, 22 Juni. v. Spitz, General⸗ Major und Abtheil. Chef im Kriegs⸗Ministerium, zum Direktor des Departements für das Invalidenwesen im Kriegs⸗Ministerium er⸗ nannt. v. Livonius, Oberst und Commandeur des Landwehr⸗ Bezirks I. Berlin, als Abtheil. Chef in das Kriegs⸗Ministerium ver⸗ setzt. v. Fragstein u. Niemsdorff, Oberst⸗Lieut. und etatsmäß. Stabsoffiz. des Füs. Regts. Prinz Heinrich von Preußen (Branden⸗

urg.) Nr. 35, unter Verleihung des Ranges eines Regts. Comman⸗

eurs zum Commandeur des Landw. Bezirks I. Berlin ernannt. Kamlah, Oberst⸗Lt. vom Inf. Regt. Graf Werder (4. Rhein.) Nr. 30, als etatsmäß. Stabsoffiz. in das Füs. Regt. Prinz Heinrich von Preußen (Brandenburg)) Nr. 35, Windt, Major vom 8. Rhein. Inf. Regt. Nr. 70, als Bats. Commandeur in das Inf. Regt. Graf Werder (4. Rhein.) Nr., 30. versetzt. Dieckmann, Major, aggreg. dem 8. Rhein. Inf. Regt. Nr. 70, in dieses Regt. wiedereinrangirt.

Aiichtamtliches. . Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 29. Juni. Die jungen Prinzen sind, wie „W. T. B.“ meldet, heute Vormittag um 10 Uhr in Kissingen eingetroffen. Fhre Majestät die Kaiserin

nd Königin holte Höchstdieselben vom Bahnhofe ab. Das zahlreich versammelte Publikum begrüßte Ihre Majestät und die Prinzen mit begeisterten Hochru

Der Ausschuß des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen.

In der Ersten Beilage des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ befindet sich eine Verfügung des Reichs⸗ kanzlers zur Ausführung der Kaiserlichen Ver⸗ ordnung vom 22. Juni 1889, betreffend den Eigen⸗ thumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke im Schutzgebiet der Marschall⸗Inseln.

Vom Beginn des Etatsjahres bis zum Scgeugf des Monats Mai wurden vereinnahmt in der Post⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung 34 453 712 ℳ, gegen 31 163 980 in demselben Zeitraum des Vorjahres, mithin im Etatsjahre 1889/90 mehr 3 289 732 ℳ; in der Reichs⸗ Eisenbahn⸗Verwaltung 8 279 000 gegen 8 220 000 ℳ, mithin mehr 59 000

„— Im Anschluß an den Bescheid 653 („Amtliche Nach⸗ richten des R⸗V.⸗A.“ 1889 Seite 119) hat das Reichs⸗ Vers ngsamt (Nr. 724) ausgesprochen, daß die Verpflichtung des Unternehmers eines bereits im Vorjahre ver⸗ sicherungspflichtig gewesenen Betriebes, welcher aber erst im laufen⸗

mit dem Tage der Zustellung des Mitgliedscheins ohne Weiteres eintritt, und daß daher, sofern gegen die Aufnahme in das Kataster eine Beschwerde gemäß §. 37 Absatz 4 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes innerhalb sechs Wochen nicht erhoben worden ist, die Berufsgenossenschaft jedenfalls dann die Löhne mit der Wirkung des §. Absatz 3 a. a. O. nach §. 71. Absatz 3 a. a. O. festzusetzen befugt ist, wenn der Betriebs⸗ unternehmer nicht innerhalb jener Frist nach der Zustellung des Mitgliedscheins die im §. 71 Absatz 2 a. a. O. vorge⸗ schriebene Nachweisung seinerseits eingereicht hat.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich belgischen Hofe, von Alvensleben, ist vom Urlaub nach Brüssel zurück⸗ gekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder üͤbernommen.

Der Archiv⸗Hülfsarbeiter Dr. phil. Emil Theuner ist von Düsseldorf an das Staats⸗Archiv in Magdeburg ver⸗ setzt worden.

Bayern. München, 27. Juni. Ueber die Ergebnisse der am 26. und 27. d. M. unter dem Vorsitz des General⸗ Direktors Schnorr von Carolsfeld abgehaltenen XX. Sitzung des bayerischen Eisenbahnrathes ist Folgendes zu berichten: Das Verzeichnis der in der Zeit vom 1. März bis 1. Juni l. J. mit ministerieller Genehmigung eingeführten, sowie der in dieser Zeit aufgehobenen Ausnahme⸗ tarife gab zu keiner Erinnerung Anlaß. Die von der General⸗ Direktion beabsichtigte Maßnahme, die Ausnahmetarifirung für Rohspiritus auf den bayerischen Staatsbahnen zu be⸗ seitigen und die Artikel Sprit und Rohspiritus gleichmäßig nach Wagenladungsklasse A1 und B. zu tarifiren, wurde einstimmig gebilligt. Von anderen Eisenbahnverwaltungen war der Wunsch geäußert worden, die Begünstigung der taxfreien Reexpedition für die⸗ jenigen Lagerhäuser, welche nicht die Eigenschaft eines Zoll⸗ transitlagers besitzen, auf Getreide zu beschränken. Der Eisenbahnrath, hierüber befragt, sprach sich mit allen gegen 2 Stimmen dafür aus, daß den in Bayern befindlichen der⸗ artigen Lagerhäusern die Reexpeditions⸗Befugniß wie seither auch für die Artikel Mühlenfabrikate (ausgenommen Kleie), Malz, Hülsenfrüchte und Oelsaaten zu ge⸗ währen sei, wenn auch eine Einlagerung dieser Artikel bisher nicht stattgefunden habe. Die Berathung des Entwurfs neuer Tarifvorschriften für den Güterverkehr auf den deutschen Eisenbahnen wurde bis zur nächsten Sitzung vertagt. Die Ermäßigung der Gütertarife der Königlich bayerischen Staats⸗ bahnen durch Annahme der für den Güterverkehr auf den Königlich preußischen Staatsbahnen gültigen Tarifgrundlagen wurde allseitig gutgeheißen.

Württemberg. Stuttgart, 27. Juni. Se. Kaiser⸗ liche Hoheit der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland, Se. Königliche Hoheit der Kronprinz der Hellenen, Herzog von Sparta, Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin Eugenie und Se. Hoheit Prinz Peter von Oldenburg sind heute Mittag wieder von hier abgereist. Ferner haben heute Stuttgart wieder verlassen: Se. Königliche Hoheit Prinz Ludwig von Bayern, Ihre Königlichen Hoheiten Herzog Wilhelm und Herzog Nikolaus von Württemberg, sowie Se. Königliche Hoheit der Herzog und Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin Philipp von Württemberg mit den durch⸗ lauchtigsten Kindern, Ihren Königlichen Hobeiten der Herzogin Maria und den Herzogen Robert und Ulrich.

Ihre Majestäten der König und die Königin wohnten heute Abend dem vom Verein für klassische Kirchen⸗ musik zur Feier des Regierungs⸗Jubiläums veranstalteten Festconcert in der Stifts⸗Kirche bei. 8

28. Juni. Der „St.⸗A. f. W.“ veröffentlicht das nachstehende Handschreiben Sr. Majestät des Königs:

„Mein lieber Präsident des Staats⸗Ministeriums Dr. Freiherr von Mittnacht! Nachdem nunmehr die aus Anlaß Unseres fünf⸗ undzwanzigjährigen Regierungs⸗Jubiläums veranstalteten Festlich⸗ keiten vorüber sind, drängt es Mich auszusprechen, wie im Innersten gerührt und beglückt Wir, die Königin und Ich, durch die Uns von Unserem geliebten Volke in so reichem Maße bewiesene Liebe und Ergebenheit sind.

Sprichwörtlich und in der ganzen Welt bekannt ist ja die Treue der Schwaben und ihre Anhänglichkeit an ihr angestammtes Herrscherhaus, aber schöner haben sich diese Eigenschaften gewiß noch selten bewährt als in den letzten festlichen Tagen, von denen einer um den andern Uns zahllose Beweise derselben brachte. Von allen Seiten und aus allen Kreisen der Bevölkerung, von Einzelnen und von Vereinen, von Gemeinden, Kor⸗ porationen und Behörden, auch von Unseren Landeskindern im Auslande, sind Uns die herzlichsten Glückwünsche, oft in schöner künstlerischer Form, zugegangen; Private und Ver⸗ eine haben ihre Theilnahme an Unserem Feste durch Schenkungen und Stiftungen für wohlthätige und gemeinnützige Zwecke, durch Gaben und durch Veranstaltungen bethätigt, die, wie die ver⸗ schiedenen zum Jubiläum veranstalteten Ausstellungen, zugleich Zeugniß ablegen von dem Fortschritte, welchen Wissenschaft und Kunst, Gewerbefleiß und Bodenkultur in Württemberg in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. In erster Linie gedenke J aber der großen von dem ganzen Lande dargebrachten Jubiläumsstiftung, durch die Mir eine bedeutende Summe für landwirthschaftliche und gewerbliche Zwecke zur Ver⸗ fügung gestellt worden ist und die auch spätere Geschlechter noch durch ihre wohlthätigen Wirkungen an Unseren Ehrentag er⸗ innern wird.

Glücklich und stolz sehen Wir auf die eben durchlebten Tage zurück, deren Gedächtniß nie aus Unserem Herzen schwinden wird.

Nur Wenigen konnten Wir diese Unsere Gefühle und Unsern Königlichen Dank selbst aussprechen. 3

ch beauftrage daher Sie, Mein lieber Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Dr. Freiherr von Mittnacht, öffentlich kundzugeben, wie Wir Allen für die Uns bewiesene Liebe und Treue innigst und herzlichst danken. 1“

Karl.“

Der Landtag wurde heute nach Erledigung seiner Ar⸗ beiten vertagt.

(N.) Die Abgeordnetenkammer setzte in ihrer Sitzung vom 13. d. M. die Berathung des Finanzgesetzes fort. An Steuer vom Kapital⸗, Renten⸗, Dienst⸗ und Berufs⸗ einkommen sind 4,4 Proz. des steuerbaren Jahresertrags (bisher 4,8 Proz.) beantragt, mit einem zu 4 581 400 an⸗ genommenen Reinertrag im ersten Finanzjahr. Der Bericht⸗ erstatter von Luz bemerkte, daß die Kommission die Steuer in dem von der Regierung verlangten Betrage in den Etat einzustellen vorschlage, aber weiter beantrage, die Re⸗ gierung zu bitten, es wolle von der nächsten Etats⸗ periode an das Kapitaleinkommen mit dem gleichen Prozentsatz besteuert werden, welcher für das Grund⸗, Ge⸗ bäude⸗ und Gewerbekataster bestimmt wird (derzeit 3,5 Proz.)

körperschaften und Gemeinden eine der Ermäßigung der Staatssteuer entsprechende höhere Besteuerung des Kapital⸗ Einkommens ermöglicht werden. Die Ermäßigung des staatlichen Antheils auf 3,5 Proz. des steuerbaren Ein⸗ kommens würde einen Ausfall von etwa 970 000 im Jahre ergeben. Weiter stelle die Kommission den Antrag, die Regierung um Einbringung eines Gesetzentwurfs zu bitten, wonach das Dienst⸗ und von der Einkom⸗ mensteuer frei zu bleiben habe, sofern es bei einer Person den Betrag von 500 nicht übersteige. Das bisherige Existenzminimum von 350 sei in der Kommission allseitig für zu nieder anerkannt worden, in Preußen seien bis zu 900 ℳ, in Baden bis zu 500 des Gesammteinkommens steuerfrei. Der Staatsminister der Finanzen, Dr. v. Renner, machte darauf aufmerksam, daß der Kommissions⸗ antrag auf gleichen Prozentsatz für die Besteuerung des Kapital⸗Einkommens und des Ertrags aus Grundeigenthum hauptsächlich den größeren Städten zu Gute käme, er würde dieselben erleichtern auf Rechnung des übrigen Landes. Ueber die Wirkungen des Antrags wegen Erhöhung des Eristenz⸗ minimums beim Dienst⸗ und Berufseinkommen theilte der Staats⸗Minister mit, daß hierdurch 33 000 Steuerpflichtige mit 15 Millionen Mark Einkommen betroffen werden. Deren durch⸗ schnittlicher Steuerbetreff betrage 1,87 für den Staat und 0,42 für die Gemeinde, eine Summe, die ein Mann mit 2,50 Tagesverdienst doch wohl bezahlen könne, ohne daß man sagen könne, seine Existenz sei bedroht. Nach der Berufs⸗ statistik von 1883 würden ohne Existenzminimum 492 000 Per⸗ sonen einkommenssteuerpflichtig sein. Da die Zahl der that⸗ sächlich Einkommenssteuer derzeit 100 000 betrage, so blieben schon jetzt 300 000 steuerfrei. Der Kommissions⸗ antrag wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.

Hessen. Mainz, 29. Juni. (W. T. B.) Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich ist in Begleitung der Prinzessinnen Töchter, des Königs und des Kron⸗ prinzen von Griechenland hier eingetroffen und wurde von den hier anwesenden Hohen Herrschaften empfangen.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 28. Juni. (Meckl. Nachr.) Der spanische Botschafter am Berliner Hofe, Graf Rascon, überreichte heute Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog in feierlicher Audienz seine Akkreditive als Gesandter sür Mecklenburg.

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 28. Juni. Ihre Hoheit die Frau Herzogin ist gestern Nachmittag um 4 Uhr 40 Minuten in Begleitung der Hofdame Frl. von Lindheim und des Ober⸗Hausmarschalls von Köthe zum Sommer⸗ aufenthalt nach Hummelshain abgereist. Se. Hoheit der Herzog hat Höchstdieselbe bis Gera begleitet und kehrte um 8 Uhr 50 Minuten wieder hierher zurück. Einer Einladung Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden folgend, wird Sich Se. Hoheit in Begleitung der persönlichen Adjutanten Major von der Schulenburg und Premier⸗Lieute⸗ nant von Sydow am 29. Abends über Lcipzig und Frankfurt nach Karlsruhe begeben zu der daselbst stattfindenden Ver⸗ mählung Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Marie von Baden mit Sr. Hoheit dem Erbprinzen Friedrich von Anhalt.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 27. Juni. (Cob. Ztg.) Der Landtag des Herzogthums Coburg erledigte in seiner gestrigen Sitzung zunächst die Wahl der Mitglieder des Kuratoriums für den Bezirksfonds und nahm dann die Spezial⸗Etats der Kasse des Landkrankenhauses, der Taubstummen⸗Anstalt, des Herzoglichen Ernst⸗Albert⸗ Schullehrer⸗Seminars, der Herzoglichen Realschule Ernestinum und des Herzoglichen Gymnasiums für die Finanzperiode 1889/93 an. ö

S

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Oesterreich⸗Ungarn.

(W. T. B. Kaiser Franz Joseph ist heute Abend nach Ischl abgereist.

Im Heeresausschuß der Ungarischen Delegation begründete der Kriegs⸗Minister die Position betreffend die Vermehrung der Artillerie um 14 schwere Batterien eingehend und erklärte, daß in dem geforderten Posten die

Wien, 28. Juni.

Beschaffung von Kanonen noch nicht enthalten sei. Die Posi⸗

tion wurde genehmigt.

Großbritannien und Irland. London, 27. Juni. Allg. Corr.) Der Marine⸗Minister, Lord George amilton, sprach sich gestern im konstitutionellen Klub

über die Marinepolitik der Regierung aus und be⸗ merkte: Lord Salisbury, welcher zugleich Premier und Minister des Auswärtigen wäre, sei längst zu der Erkenntniß gekommen, daß je stärker England sein Gewicht im Rathe Europas fühlbar mache, desto gesicherter der Friede sei; zugleich werde der Einfluß Englands steigen bei denjenigen Mächten, mit welchen es zusammenzugehen oder denen es mit Rath zur Seite zu sehen berufen wäre. Im August würde der Deutsche Kaiser die mächtigste Flotte, welche jemals beisammen gewesen sei, zu sehen bekommen. Die englische Marine sei nunmehr so schlagfertig, daß sie jeden Augenblick mobilisirt werden könne. Die Angriffe der Opposition richteten sich gegen die Verwaltung der Flotte. Einen richtigen Maßstab der Kritik geben nicht die verwendeten Ausgaben, sondern die erreichten Resultate. Geradezu lächerlich sei der Einwand der Opposition, daß die Verstärkung der englischen Flotte bei den fremden Mächten Anstoß erregen könne. Die britische Marine müsse durchaus den vereinigten Flotten zweier europäischer Mächte gewachsen sein.

28. Juni. (W. T. B.) Im Oberhause erklärte der Premier⸗Minister Lord Salisbury es für unzweifel⸗ haft, daß die Pforte Verpflichtungen gegen England und andere Mächte hinsichtlich Armeniens eingegangen sei; er könne aber nicht zugeben, daß England für die Erfüllung des Versprechens der Pforte verantwortlich gemacht werde, die englische Regierung könne solche Verantwortlichkeit nicht übernehmen. Der Einfluß Englands in der Türkei sei vor 1877 groß gewesen, weil die Türkei für die in der Krim geleisteten Dienste dankbar war; da aber im Kriege 1877 die Türkei von England nicht geschat, wurde, habe England jetzt keinen größeren Einfluß als andere Mächte. Salisbury erkennt im weiteren Verlauf seiner Rede die Pflicht Englands an, überall in seiner Machtsphäre die Verhältnisse der Christen und anderer Mitmenschen zu verbessern. Er glaube, daß die Berichte über die Zustände in Armenien übertrieben seien. Die Pforte stele die erwähnten Vorgänge in Abrede, könne aber nicht leugnen, daß in jenen Gebieten große Gesetz⸗

den Jahre in

enden Gesetzgebung den Amts⸗

losigkeit herrsche und dort Einfälle Seitens der Gebirgs⸗

bevölkerung vorkämen. Der Pforte könne der Vorwurf ge⸗ macht werden, daß sie keine wirksameren Mittel zur Ver⸗ hütung jener Gewaltthaten in Anwendung bringe; indeß sei zu bedenken, daß die Türkei schwach und arm sei. Der remier⸗Minister sagte die Vorlegung von Aktenstücken zu, welche das h einer großen Gesetzlosigkeit in Armenien, aber nicht eine Mitschuld der türkischen Regierung an den Vorgängen beweisen. Ein großer Uebelstand liege in dem Rassen⸗ und Religionshaß, und es empfehle sich, die Be⸗ sesftgung jenes Hasses der stillen Aktion der Zeit zu über⸗ assen.

Frankreich. Paris, 28. Juni. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer nahm heute mit 388 gegen 58 Stimmen den Gesetzentwurf an, durch welchen die Panama⸗Gesellschaft ermächtigt wird, Obligationen im Betrage von 34 Millionen Francs behufs Fortführung der begon⸗ nenen Arbeiten auszugeben. Maillard und Laur interpellirten dann die Regierung über die Verhältnisse des metallurgischen Hüttenwerks Cail und forderten die Regierung auf, das Unter⸗ nehmen zu erhalten. Der Finanz⸗Minister erklärte darauf, er sei amtlich bei gewissen Aktionären vermittelnd eingetreten, mehr gestatte das Gesetz nicht. Der Kriegs⸗Minister de Freycinet bemerkte, daß die Vertheidigungsmittel Frank⸗ reichs nicht allein von der Cail'’schen Anstalt abhängig seien, sondern vielmehr durch Staats⸗ wie Privat⸗Unternehmen gesichert würden. Die einfache Tagesordnung wurde hierauf angenommen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Juni. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ bespricht die Rede Käaͤlnoky's und bemerkt: Der Anspruch der Balkanstaaten auf Unabhängigkeit ist der Boden, auf welchen sich auch Rußland immer gestellt hat. Ohne daran zu denken, sich in die inneren Angelegenheiten Serbiens einzumischen, konstatirt Rußland mit Genugthuung, daß die Regierung der Regentschaft daran arbeitet, die schwierige Vergangenheit, die sie überkommen 8 zu liquidiren; sie ist bemüht, die Lage des Landes zu heben und dasselbe auf seine normalen und traditionellen Wege zurückzuführen. Umgeben von dem Vertrauen der Nation, weist sie jede ungesunde Agitation zurück, denn sie weiß, daß eine solche den höheren Interessen des Vaterlandes schaden könnte. Die Regentschaft selbst habe erklärt, wie es auch Kälnoky an⸗ erkenne, daß sie keinerlei feindselige Absichten gegen irgend eine Macht, namentlich nicht gegen Oesterreich hege; wenn sie aber unter ihren nationalen Ueberlieferungen auch diejenige intimer Verbindung mit Rußland finde, so stehe es ihr frei auf dieselbe zurück zu kommen; indem sie dies thue, widerspreche sie keineswegs ihrem Verlangen nach Unab⸗ hängigkeit, denn Rußland werde sicherlich dieselbe niemals antasten. Das Journal hebt alsdann besonders die Stelle in der Rede des Grafen Kälnoky hervor, daß Oesterreich freundschaftliche Beziehungen mit allen Mächten, namentlich auch mit Rußland unterhalte.

Italien. Rom, 28. Juni. (W. T. B.) Bei der Be⸗ rathung des Budgets des Ministeriums des Auswärtigen im Senat begründete der Minister⸗Präsident Crispi die Politik der Regierung in Betreff der italienischen Schulen im Auslande; er führte die gegen die Kongre⸗ gationisten sprechenden Thatsachen an und wies auf die anti⸗ nationale Gesinnung der italienischen Kongregationisten hin. In Bezug auf den Zwischenfall mit dem Schiff „Ida“ in den Gewässern bei Fiume erklärte der Minister, daß die Untersuchung eingeleitet sei. Ueber den Konflikt zwischen Deutschland und der Schweiz bemerkte der Minister, daß Italien durch denselben nicht berührt werde, aber es müsse erwähnt werden, daß die Verbannten von ehe⸗ mals mit den Verbannten von heute nicht zu verwechseln seien. Letztere greifen die Gesellschaft und den Staat an, negiren das Vaterland und das Eigen⸗ thum. Man sei somit berechtigt, sich gegen die⸗ selben zu schützen. Güstinammh.

In einer Besprechung der Erklärungen des Grafen Kälnoky bemerkt die „Risorma“, daß jene Aeußerungen immer präziser, inhaltsvoller und befriedigender würden; zuerst, weil sie im Allgemeinen der Sache des Frie⸗ dens günstig seien und ferner weil sie Ansichten aus⸗ drücken, welche die öffentliche Meinung in Italien am Besten zu würdigen in der Lage sei. Thatsächlich habe Italien immer das politische Ideal verfolgt, die freie Ent⸗ wickelung und gegenseitige Freundschaft der orientalischen Na⸗ tionalitäten zu achten. Das genannte Blatt stellt formell in Abrede, daß die Beziehungen Italiens zu Rußland gespannt seien.

Schweiz. Bern, 29. Juni. (W. T. B.) Der Stände⸗ rath hat gestern gleichfalls ohne Diskussion und einstimmig genehmigt, die für 1891 und 1892 vorgesehenen Anschaf⸗ iS en von Kriegs⸗ und Verpflegungsmaterial im Bedürfnißfalle sofort vorzunehmen. Heute wurden beide eidgenössischen Räthe ohne Rede von Seiten des Prä⸗ sidenten geschlossen. Der Beginn der nächsten ordentlichen Session ist auf den 25. November d. J. angesetzt.

Belgien. Brüssel, 29. Juni. (W. T. B.) Bei Gelegenheit des gestrigen Besuchs des Schahs von Persien und des Königs in der Fabrik Cockerill in Seraing erwiderte der König auf die Ansprache einer Abordnung von Arbeitern der Fabrik etwa Folgendes: „Sie arbeiten in

brer Sphäre, ich in der meinigen, alle Arbeiter bilden einen

heil 8 Familie und müssen sich die Hand reichen. Sagen Sie Ihren Kameraden, von welchen Gefühlen ich be⸗ seelt bin; auf Wiedersehn, meine guten Freunde!“ Der König gab jedem Arbeiter die Hand und äußerte den Wunsch, daß eine Worte in der Presse richtig wiedergegeben werden möchten; sie ergäben sich aus dem belgischen Wahlspruch: „Einigkeit macht stark.“

Türkei. Konstantinopel, 28. Juni. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ erfährt aus autoritativer türkischer Quelle, daß nach Telegrammen der türkischen Behörde in Novibazar an die Pforte in der gesammten Provinz nirgends Ruhestörungen vorgekommen sind.

Serbien. Krusewatz, 28. Juni. (W. T. B.) Gestern Nachmittag wurde die feierliche Grundsteinlegung des Denkmals für die Helden von Kossowo in Gegenwart des Königs, der Regenten und der Minister vom Metro⸗ politen Michael vollzogen. Eine unzählbare Menschenmenge wohnte der Einweihung bei. Minister⸗Präsident Gruitsch, Oberst Ragacewitsch und der frühere Minister Boskowitsch hielten Festreden. Unter langandauernden Hochrufen der Volks⸗

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menge that der König die drei üblichen Hammerschläge. Unter den 128 ben Grundsteic gelegten Gegenständen befindet sich mit Erlaubniß der türkischen Behörden u. A. auch ein auf „Kossowo Polje“ (Amselfeld) gepflücktes Bouquet Feldblumen.

Afrika. Egypten. Kairo, 27. Juni. (A. C.) Fau eenen des Hareau Reuter.) Hier und in Alexandrien herrscht große Gereiztheit gegen Frankreich, weil die französische Regierung sich weigert, dem Conver⸗ sionsplane beizustimmen, und dieses umsomehr deshalb, weil jetzt wichtige Wasserbauten und Bewässerungsanlagen nicht durchgeführt und die Steuern nicht ermäßigt werden können. Wad el Nejumi ist mit einer bedeutenden Truppenmacht in dem 20 Meilen südlich von Wady Halsa gelegenen Gomai angekommen. Er beabsichtigt, noch weiter

gegen Norden vorzurücken.

Zeitungsstimmen.

Aus Anlaß der Vorgänge in Halberstadt tritt die „Nationalliberale Correspondenz“ lebhaft für die Aufrechterhaltung des Kartells ein, indem sie schreibt:

„Als im Januar 1887 zwischen den Nationalliberalen, der Reichs⸗ partei und den Konservativen das sogenannte Kartell abgeschlossen wurde, hat man weder eine Verwischung der bestehenden Partei⸗ grenzen, noch eine gegenseitige Garantie des Besitzstandes für alle Zukunft beabsichtigt. Dergleichen würde auch im Interesse einer gesunden Entwickelung unseres öffentlichen Lebens in keiner Weise wünschenswerth sein. Eine Verwischung der Unter⸗ schiede wäre einfach deshalb nicht durchzuführen, weil sie der Wirklichkeit widersprechen würde. Was man auch über das Veraltetsein unserer Parteibezeichnungen sagen möge, sie entsprechen doch den auch heute noch bestehenden, auf einer mehr oder weniger

roßen Verschiedenheit der Anschauungen und Interessen beruhenden egensätzen. Die freie Entfaltung dieser Gegensätze und schließlich ihre Ausgleichung unter dem höheren Gesichtspunkt des Staats⸗ wohls ist recht eigentlich der Inhalt eines normalen kon⸗ stitutionellen Lebens. Das Wahlkartell von 1887 ist de auch ausdrücklich nur ad hoc geschlossen worden, in Rück⸗ sicht auf die abnormen politischen Verhältnisse, die damals obwalteten. Die Frage, vor welcher wir jetzt stehen, ist somit einfach die: Glaubt man in den nächsten Wahlen eine, kurz gesagt, nationale Mehrheit auch ohne Kartell erreichen zu können? Die Faktoren des Widerstandes gegen unsere nationale Politik sind im Grunde nicht verändert. Erwägt man nun die recht geringe Mehrheit, welche den Kartellparteien im gegenwärtigen Reichstage noch verblieben ist, so kann Niemand zweifelhaft sein, daß die außerordentliche Lage, gegen welche das Kartell abgeschlossen wurde, noch fortbesteht. Mancher möchte nun vielleicht meinen, daß man es auf die darin liegende Gefahr ruhig ankommen lassen solle, da ja ein antinationaler Reichstag je nach Bedürfniß aufgelöst werden könnte. Im Interesse der Stetigkeit unserer politischen Entwicke⸗ lung und Angesichts der sattsam bekannten europäischen Lage wäre eine solche Wendung aber gewiß nicht wünschenswerth. Eine andere Frage würde sein, ob man nicht vielleicht bei vollständig freiem Vorgehen der Konservativen und Nationalliberalen um so siccherer eine nationale Mehrheit erhoffen könnte. Bekanntlich fehlt es im konservativen Lager nicht an Leuten, welche ohne die Fessel des Kartells weit mehr erreichen zu können meinen, und auch nationalliberale Stimmen sind zu vernehmen, nach deren Ansicht die Zurückgewinnung zahlreicher Elemente, welche sich durch die ehemalige Sezession haben fortreißen lassen, nur durch die Verbindung der National⸗ liberalen mit den Konservativen verhindert wird. Allein derartigen zweifelhaften Experimenten gegenüber steht das Kartell mit seinem durchschlagenden Erfolge. Und darüber wenigstens kann man gewiß sein, daß in den eigentlich bedrohten Wahlkreisen, wie z. B. in Sachsen, ein solcher Erfolg anders, als durch den festen Zusammen⸗ schluß der Kartellparteien, gar nicht zu erreichen wäre. Gerade des⸗ halb aber sollte man sich nicht verhehlen, welche prinzipielle Be⸗ deutung es für die ganze Kartellfrage haben müßte, wenn die Kon⸗ servativen jetzt in einem altnationalliberalen Wahlkreise einen Kampf eröffnen wollen, der voraussichtlich der Sozialdemokratie zu Gute kommen würde.“

Die amtliche Verkündigung des Gesetzes, betreffend die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung, begleitet die „Deutsche volkswirthschaftliche Correspondenz“ mit folgenden Bemerkungen:

„Spätere Generationen werden es anerkennen, welche großartige Leistung an geistiger Arbeit mit dieser Gesetzesverkündigung von der unserigen in kaum Jahresfrist zum Abschluß gebracht wurde; denn gerade jetzt vor einem Jahre wurden diejenigen Beschlüsse der Bundesraths⸗ Ausschüsse gefaßt, welche dem Gesetz in den Hauptpunkten seine definitive Gestalt gaben, und noch im Anfange des Winters wagte kaum Jemand zu hoffen, daß im ersten Anlauf ein Gesetz zu Stande kommen würde. Unserer Generation wird es jedoch nicht beschieden sein, nunmehr auf dem errungenen Friedenslorbeer auszuruhen; so gewaltig die geistige Anstrengung war, welche bis zur Erlangung dieses Ziels geleistet wurde, die Ausführung des Gesetzes, an welche nunmehr unverzüglich heranzutreten ist, wird nicht minder ge⸗ waltige Anforderungen an die intellektuellen Kräfte der Nation stellen. Während jedoch die gesetzgeberische Arbeit einen immerhin nur begrenzten Kreis von Personen in Anspruch nahm, wird die nun⸗ mehr folgende organisatorische Arbeit viel weitere Kreise zur Mit⸗ wirkung heranziehen.“

Das Ergebniß des Deutschen Außenhandels im Jahre 1888, nach welchem die Ausfuhr hinter der Einfuhr zurück⸗ geblieben ist, wird von einigen Blättern dazu benutzt, um die Schutzzollpolitik dafür verantwortlich zu machen und zu verrche neg. Dem gegenüber schreibt die „Elberfelder Zeitung“:

„Es ist eine bekannte und oft besprochene Thatsache, daß der Welthandel allein einem Lande längst nicht mehr, selbst nicht dem am günstigsten gestellten, goldene Früchte liefert. Die zunehmende Konkurrenz der Industrielaͤnder unter sich, die unbefriedigenden Re⸗ sultate der Bodenkultur, die Veränderungen der Produktionsbedingun⸗ gen, die fortgesetzten Revisionen der Zolltarife, die Preisschwankungen u. s. w., alle diese Verhältnisse wirken zusammen, um den Werth des Umsatzes in hohem Maße zu beeinflussen. Hierzu kam im verflossenen Jahre speziell für Deutschland noch der Einfluß des Zollanschlusses der Hansestädte, wodurch plötzlich große Mengen fremder Waaren in das Zollgebiet einbezogen wurden; dann das Branntweinkonsumsteuergesetz in Spanien, welches den deutschen Spiritusabsatz nach jenem Lande wesentlich erschwerte; ferner schutzzöllnerische Maßregeln in England, Frankreich, Rußland, nachdem solche erst im Vorjahre in Oesterreich Ungarn und Italien vorangegangen waren kurz alle diese Thatsachen liegen so klar und unverkennbar vor Augen, sie sind in Parlament, Presse und sonst noch so oft und eingehend besprochen worden, daß man sich billig wundern darf, wie selbst die tendenziöse Presse jetzt derartige Vorkommnisse vollkom⸗ men übersieht und verschweigt und lediglich der herrschenden Wirthschafts⸗ politik alles behauptete Unglück und vermeintliche Elend aufbürden möchte. Demgegenüber wird jeder Einsichtige in verhältnißmäßig ungünstigen Ergebnissen auf dem Gebiete des auswärtigen Handels vor allem den Finerzeig erblicken, daß der Außenhandel, um als alleinige Säule der wirthschaftlichen Wohlfahrt eines Volkes zu dienen, keineswegs stark und sicher genug ist. Haben wir hierauf schon zur Genüge hingewiesen, so wäre es andererseits wieder cine große Thorheit,

denn

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schaft ohne Weiteres zu negiren; woran sicherlich auch Niemand denkt. Weisen aber unter diesen Umständen die schwankenden Ver⸗ hältnisse im auswärtigen Handel nicht deutlich darauf hin, daß vor Allem der heimische Markt und alles, was dazu gehört, in erster Linie gekräftigt werden muß? Und sind wir nicht durch die Er⸗ wägung, daß vor Allem die Produktion im Inlande auf einen ver⸗ hältnißmäßig großen Konsum muß rechnen können, zu dem Schußzoll⸗ system gelangt? Obgleich nun unsere Schutzzölle sich in bescheidenen Schranken halten namentlich auch den betreffenden Tarifen unserer Nachbarländer gegenüber so haben wir es durch sie doch erreicht, daß der Begehr der auf deutschem Boden mit deutscher Arbeit konkurrirenden fremden Fabrikate ganz bedeutend abgenommen hat; daß der inländische Konsum von heimischen Erzeugnissen ganz erheblich größer ge⸗ worden ist Der letztere Umstand aber bildet den Grund, daß unsere Ausfuhr im letzten Jahre in geringerem Grade gestiegen ist, und wenn wir auch hoffen müssen, daß demnächst der Absatz heimischer Erzeugnisse nach Außen wieder größere Dimensionen annehmen werde, so ist es doch eig sehr günstiges Resultat, daß unsere heimische Industrie in erster Linie auf Grund des heimischen Konsums sich eines großen Aufschwunges zu erfreuen hatte. Die Vor⸗ aussetzung einer ferneren glücklichen Entwickelung unseres auswärtigen Handels ist und bleibt stets die Pflege des einheimischen Marktes. Ueber ihn sind wir Herr, wenigstens so lange, als wir einer weisen Tarifpolitik huldigen. Wenn wir dafür sorgen, daß die deutsche Arbeit stets auf dem heimischen Markte günstigen Absatz findet, so werden gute Löhne, vermehrter Geld⸗ umlauf und in Folge dessen größerer Waarenkreislauf, vermehrter Konsum und allgemeine Wohlfahrt die Folge sein. Wenn dieses Fundament feststeht, dann können wir den Schwankungen und Veränderlichkeiten des auswärtigen Marktes, wenn auch keineswegs mit Gleichgültigkeit, so doch sicherlich mit Ruhe zusehen und darauf mit größerer Sicherheit einen lohnenden Absatz nach dem Auslande begründen, als wenn wir gezwungen sind, die Verluste, die unsere Industrie im Inlande erleidet, mit Hängen und Würgen im Auslande wieder einzubringen.“

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Wien, 28. Juni. (W. T. B.) Nach dem offiziellen Saaten⸗ standsbericht von Ende Juni sind die Ernteaussichten im All⸗ gemeinen schwankend, von ausgezeichnet bis zu sehr schlecht. In allen Alpenländern ist guter bis sehr guter, in Nord⸗Tirol und Vorarlberg geradezu ausgezeichneter Stand aller Getreidearten; in den Sudetenländern (namentlich Böhmen) einerseits und in den Karstländer andererseits ist der Stand schwankend zwischen vorzüglich und mittelmäßig; in Galizien meistens schlecht, zwischen mittelmäßig und sehr schlecht schwankend. Die Aussichten bezüglich der Weinlese sind in Böhmen, Mähren und Nieder⸗Oesterreich im Allgemeinen günstiger als in Süd⸗Tirol, in Istrien und Dal⸗ matien günstig.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

.u. Australien. 8

Lout Bekanntmachung des Kolonial⸗Sekretärs für West⸗Australien vom 4. April 1889 sollen in Folge des Ausbruchs der Cholera in Endeh auf der Insel Flores in Niederländisch⸗Indien alle von dort kommenden Schiffe in West⸗Australien in Quarantäne gelegt werden.

Gewerbe und Handel. 5

Berlin, 28. Juni. Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz. Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia. 97 100 ℳ, IIa. 93 96 ℳ, IIIa. 89 92 ℳ. do. abfallende 85 ℳ, Land⸗, Preußische 80 83 ℳ, Netzbrücher 80 83 ℳ, Pommersche 80 83 ℳ, Polnische 80 83 ℳ, Baverische Sennbutter ℳ, do. Landbutter ℳ, Schlesische 80 83 ℳ, Galizische 72 75 Margarine 45 70 Käse: Schweizer Emmenthaler 85 90 ℳ, Bayerischer 60 70 ℳ, do. Ost⸗ und West⸗ preußischer Ia. 60 65 ℳ, do. IIa. 45 60 ℳ, Holländer 75 85 ℳ, Limburger 32 38 ℳ, Quadratmagerkäse 16 24 Schmalz: Prima Western 17 % Ta. 43,50 ℳ, reines, in Deutsch⸗ land raffinirt 47,00 ℳ, Berliner Bratenschmalz 49,50 52,50 Fett, in Amerika raffinirt 43,00 ℳ, in Deutschland raffinirt 45,00— 47,00 Tendenz: Butter: Bei ruhigem Geschäft und mäßigen Einlieferungen blieben Preise behauptet. Schmalz: Der Markt erholte sich von den letztwöchentlichen Rückgängen und schließt in sehr fester Tendenz bei sehr lebhafter Nachfrage.

Das Börsenkommissariat der hiesigen Fondsbörse hat den Pro⸗ spekt, die Konvertirung der 5 % garantirten russischen Prioritäten betreffend, genehmigt.

In der gestrigen Generalversammlung der Aachener Dis⸗ conto⸗Gesellschaft wurde die Bilanz sowie die Gewinn⸗ und Verlustrechnung genehmigt und dem Aufsichtsrath sowie der Direktion. letzterer unter Ausschluß des früheren Direktors von Zuccalmaglio, Decharge ertheilt. Den Geschäftsverlauf im gegenwärtigen Jahre erklärte der Vorstand als zufriedenstellend.

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“: Der anhaltend flotte Betrieb der Hoh⸗ öfen bedingte eine ausreichende Zufuhr an einheimischen und fremden Erzen, und sucht man letztere in wachsenden Mengen heranzuziehen. An mehreren Stellen ist man mit dem Niederlegen älterer Hohöfen beschäftigt. Im Vordergrunde des Roheisenbedarfs stand Puddel⸗ roheisen; der Markt bewahrte seine feste Haltung, zumal für aus⸗ wärtigen Bedarf mehrere Entnahmen in Gießereiroheisen hinzutraten. Auf den Eisengießereien herrscht rege Beschäftigung, sowohl für laufende Aufträge als auch für Handelsguß, mit welchem die Läger ihre Vorräthe aus Besorgniß vor einem Anziehen der Preise zu ergänzen anscheinend bestrebt sind. Die größeren Werke waren mit der An⸗ fertigung schwererer Stücke für Bergwerks⸗ und Hütten⸗Anlagen stark in Anspruch genommen. Dem Walzwerksbetrieb scheinen behufs ausreichender Beschaffung von Halbprodukten die vorhandenen Puddelöfen nicht mehr zu genügen, weshalb man auf einigen Werken mit der Errichtung solcher Oefen neuen Systems vorging. Die Nach frage für Eisen⸗ und Stahlwalzfabrikate erweist sich als eine anhaltende und intensive, die Menge des dem Walzeisen⸗Syndikat verfügbaren Eisens ist für das III. Quartal nahezu verkauft, sodaß die Werke eingehenden Aufträgen nur in längeren Lieferung zugestehen können Großhändler und Ausfuhrhäuser gingen mit ferneren Anschaffungen vor, wie auch Maschinen⸗ und Kesselfabriken Käufe vornahmen, da für das kommende Quartal zweifellos weitere Preisheraufsetzungen bevorstehen. Nach Beschluß des Deutschen Walzeisenverbandes werden vom 1. Juli ab im gemeinsamen Absatz⸗ gebiet 14,75 —0 15 als Grundpreis für Stabeisen in Geltung treten, ferner für Eisenbleche 19 ℳ, im oberschlesischen Bezirk 19 50 ℳ, für das übrige Schlesien und Posen 19,25 Die Blechwalzwerke sind sehr reichlich und mit Anfertigung verschiedenster Bleche nach Qualität und äußerer Formgebung be⸗ schäftigt. Auf dem Zinkmarkt machte sich neben den regelmäßigen Ablieferungen von Rohzink an die Verbrauchsstätten eine äußerst rege Nachfrage für spätere Lieferungen sowohl wie nach prompter Waare bemerkbar, was a ein weiteres Anziehen der Preise zur Folge hatte. Dieselben Erscheinungen traten in England zu Tage. Auch für Blei zeigte sich günstiger Begehr. W. H. Zink wurde zuletzt mit 37,20 und darüber bezahlt, Schles Vereinsmarke mit 35,60 bis 36, Ia. Blockblei bis 26,50 und 27

Wien, 29. Juni. (W. T. B.) Ausweis der Oesterreichisch⸗ ungarischen Staatsbahn in der Woche vom 18. bis 24. Juni: 646 722 Fl., Mehreinnahme 42 577 Fl.

London, 28. Juni. (W. T. B.) Wollauktion. Wolle

die Bedeutung des auswärtigen Handels für die heimische Volkswirth⸗

fest. An der Küste 3 Weizenladungen angeboten.