stellung, Nachmittags Wilhelmshöhe. — Se. Durchlaucht der Prinz Friedrich von Hohenzollern ist behufs Ueber⸗ nahme des Kommandos der 22. Division hier angekommen.
3 Sigmaringen, 4. Juli. (W. T. B.) Ihre Majestäten der König und die Königin von Rumänien sind nach 1 bei Freiburg, dem Landsitze des Fürsten Leopold, abgereist.
Bayern. Kissingen, 5. Juli. (W. T. B.) Der Herzog von Edinburg ist heute Vormittag nach Coburg abgereist.
Württemberg. Stuttgart, 4. Juli. Ihre Majestäten der König und die Königin haben sich heute Vormitta 9 Uhr mittelst Extrazuns zum Sommeraufenhalt na Friedrichshafen begeben. Höchstdieselben sind begleitet von der Staatsdame Baronin von Massenbach, der Hofdame Fräulein von Krusenstiern, dem Kabinets⸗ Ehef Geheimen Rath Dr. von Griesinger, dem General⸗Adjutanten General⸗Lieutenant Freiherrn von Mols⸗
berg, dem Ersten Stallmeister Grafen von Gronsfeld, dem
Königlichen Reisemarschall Freiherrn von Brusselle, dem Ge⸗
heimen Hofrath von Jackson und den Königlichen Flügel⸗
Adjutanten Oberst⸗Lieutenant Grafen von Scheler und Oberst⸗
Lieutenant Freiherrn von Reischach.
6 — (M) In der Sitzung der Kammer der
Standesherrn vom 14. Juni wurde der Gesetz⸗ entwurf wegen Erhebung eines Zuschlags zur Hunde⸗
abgabe durch die Gemeinden in der aus der Berathung in der Abgeordnetenkammer hervorgegangenen Fassung an⸗ genommen. Die Abstimmung über den Kommissionsantrag, die Regierung zu bitten, einen Gesetzentwurf einzubringen, wonach die gesetzliche Hundeabgabe von 7 ℳ ganz den Gemeinden überlassen werden und der Staatskasse nur der Zuschlag von 1 ℳ
verbleiben solle, wurde bis zur Berathung des Steuergesetzes zurüͤck⸗ gestellt. Bei der hierauf folgenden Berathung über die Beschlüsse der Kammer der Abgeordneten zu dem Haupt⸗Finanz⸗ Etat sprach sich der Fürst zu Hohenlohe⸗Langenburg für eine größere Schuldentilgung, für feste, gesetzlich fixirte Zuwendungen an die Gemeinden statt der Staatsbeiträge, auf deren Wiederverwilligung im folgenden Jahre die Gemeinde⸗ verwaltungen nicht sicher rechnen könnten, und für eine sub⸗ sidiäre Einkommensteuer aus.
Am 14. und 15. Juni berieth die Abgeordneten⸗ kammer den Gesetzentwurf, betreffend die Be⸗ schaffung von Geldmitteln für den Eisenbahnbau
und für außerordentliche Bedürfnisse der Eisen⸗ bahnverwaltung in 1889/91. Durch Art. 1 werden gefordert zur Vollendung der im Bau begriffenen Bahn⸗ linien: Leutkirch bis zur württemberg⸗barferischen Grenze gegen Memmingen, Wangen bis zur vürttemberg⸗
bayerischen Grenze gegen Hergatz und Sigmaringen— Tutt⸗ lingen 3 078 840 ℳ und für eine normalspurige, 8,8 km lange Bahn von Schiltach nach Schramberg, für welche bereits 685 000 ℳ in voriger Etatsperiode verwilligt wurden
(wozu noch 80 000 ℳ Interessentenbeiträge kommen), wegen Aenderung des ursprünglichen Projekts der Führung auf der
bestehenden Staatsstraße in eine von dieser Straße unabhän⸗
gige Bahn, weitere 120 000 ℳ Der Artikel wurde angenommen.
ach Art. 2 werden gefordert für eine 15,5 km lange Bahn mit 1 m Spurweite von Nagold nach Altensteig 471 000 ℳ (weiter erforderliche 125 000 ℳ werden durch Interessenten⸗ beiträge gedeckt) und für die 10,7 km lange normalspurig zu bauende Strecke Reutlingen — Honau, einer Bahn von Reutlingen nach Münsingen 1 236 000 ℳ (die Amts⸗ korporation Reutlingen übernimmt die auf 264 000 ℳ ver⸗ anschlagten Grunderwerbungskosten). In der Begründung zu dem Artikel ist ausgeführt, daß bei der Besserung der Finanz⸗ lage es zulässig und angezeigt erscheine an die Ausführung von Bahnen von mehr lokaler und untergeordneter Be⸗ deutung heranzutreten. Bei dem in Württemberg be⸗ stehenden Staatsbahnsystem werde der Staat in der Regel den Bau und Betrieb solcher Bahnen zu übernehmen und die betheiligten Gemeinden zu Leistungen heranzuziehen haben. Des Weiteren ist als Grundsatz ausgesprochen, daß nur derjenige Theil des Anlagekapitals solcher Bahnen für den eine ent⸗ sprechende Verzinsung in Aussicht genommen werden kann, aus Anlehensmitteln bestritten werden dürfe, für den Mehr⸗ betrag aber seien neben Interessentenbeiträgen, die Mittel aus der Rest⸗ oder laufenden Verwaltung verfügbar zu machen. — Berichterstatter Leibbrand erklärte sich mit den aufgestellten Grundsätzen nicht einverstanden, der Bau von Lokalbahnen solle nicht stoßweise vor sich gehen; wenn keine Restmittel da seien, dürfe der Bau nicht stocken, man dürfe vor der Deckung der Kosten durch Anlehnsmittel nicht zurückschrecken, zumal der Zinssuß für Staatsanlehen ein niedriger, der staatliche Kredit ein sehr großer sei. Der Berichterstatter wies dabei auf dasjenige hin, was anderswo, besonders in Preußen, für den Bau solcher Bahnen geschehen sei, und sprach sich dafür aus, daß jährlich 1,5 Mill. Mark sür den Bau von Lokalbahnen verwendet würden, dann werde man in 20 Jahren 600 km Lokalbahnen haben. — Der Präsident des Staats⸗ Ministeriums Dr. Freiherr von Mittnacht gab in seiner Er⸗ widerung eine Vergleichung der Eisenbahnrente Württem⸗ bergs (1887/88 — 3,34 Proz.) mit derjenigen von Bayern (4,04 Proz.), Baden (4,10 Proz.), Sachsen (5,39 Proz.) und von Preußen (5,80 Proz.). Während Württemberg 1888/89 erstmals wieder einen Eisenbahnertrag über den Zinsenbedarf für die Eisenbahnschuld hatte von 790 000 ℳ, trat Preußen mit einem solchen Ueberschuß von über 130 Mill. Mark auf. Da sei es leicht, 50 bis 60 Millionen jährlich für Lokalbahnen auszugeben. Der Minister⸗Präsident machte weiter darauf aufmerksam, daß in den Jahren 1883/88 die Mehrablieferungen der Eisenbahnverwaltung über den Etatssatz 5,9 Mill. Mark betragen hätten, um welche Summe die Restmittel vermehrt worden seien, während von diesen Mitteln nur 560 000 ℳ für Zwecke der Eisenbahnverwaltung zurückflössen. Für 1888/89 werde die Eisenbahnverwaltung wieder gegen 3 Mill. Mark zum Restvermögen liefern. Im Staats⸗Ministerium herrsche Einverständniß darüber, daß die Restmittel aus 1888/89 in erster Linie zum Bau von Lokal⸗ bahnen zu verwenden seien, und zwar zur Fortsetzung des Bahnbaus von Honau nach Münsingen und zu einer Eisen⸗ bahnverbindung für Künzelsau. Der Berichterstatter sei damit nicht einverstanden, daß die Regierung in dieser Fee vornehmlich finanzielle Rücksichten als ausschlaggebend etrachte. Seiner — des Ministers — Meinung nach sei ein Eisenbahn⸗Minister, der solche Rücksichten nicht nehme,
halts. So lange er flott baue, sei er allerdings populär, aber nachher pflege sich das Blatt zu wenden. Der Bericht⸗ erstatter wünsche, daß in jeder Etatsperiode 3 Millionen Mark verbaut würden. Die Regierung fordere diesmal 2 507 000 ℳ und stelle im kommenden Winter die Einbringung eines Gesetz⸗ entwurfs in Aussicht, durch welchen 3 Millionen Mark verlangt werden sollen für den Weiterbau von Honau nach Münsingen und für eine HH— nach Künzelsau; in der laufenden Etatsperiode sollten also 5,5 Mill. Mark für Lokalbahnen verwendet werden. Der Berichterstatter könne wohl auch nicht geeee daß sein Bauplan 20 Jahre lang ohne Unter⸗ rechung und Störung ausgeführt werde. — Bei der Einzel⸗ berathung wurde der Bau der Lokalbahn Nagold-Alten⸗ steig mit 471 000 ℳ Staatsaufwand, wovon 221 000 ℳ durch Anlehnsmittel aufzubringen, 250 000 ℳ aus Restmitteln zu decken seien, genehmigt. — Bezüglich der Strecke Reutlingen —Honau einer Bahn Reutlingen — Münsingen beantragte die Kommission Genehmigung und die Bitte an die Regierung, zu erwägen, wie ohne unverhältniß⸗ mäßige Opfer Seitens des Staats die Nachtheile, welche der Privatbahn Metzingen—Urach (Ermsthalbahn) durch die Bahn Honau— Münsingen drohen, thunlichst beseitigt werden könnten. — Der Minister⸗Präsident machte darauf aufmerksam, daß die Ermsthalbahngesellschaft jedenfalls keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung für einen „Eingriff in ihr Verkehrsgebiet“ habe, daß über die Nachtheile für die betr. Bahn ein Urtheil erst gefällt werden könne, wenn beide Bahnen einige Zeit lang neben einander in Betrieb ständen, und daß er feststelle, daß vom Regierungstisch dem betr. Kommissionsantrage ein Vor⸗ schub nicht geleistet worden sei. — Der Kommissionsantrag wurde mit Stimmenmehrheit angenommen. — Nach An⸗ nahme der Regierungsforderungen für Erweiterungen und Verbesserungen an im Betriebe besindlichen Eisen⸗ bahnen (5,4 Mill. Mark) und für Vermehrung und Ver⸗ besserung des Fahrbetriebsmaterials (1,7 Mill. Mark) wurde der Gesetzentwurf mit allen abgegebenen Stimmen angenommen. Bei der folgenden Berathung von Petitionen in Eisenbahn⸗ sachen wurden der Regierung Eingaben um Erbauung einer Bahn von Neuenstein, bezw. Waldenburg nach Künzelsau zur Erwägung, und eine Eingabe um eine Bahn Ebingen — Thailfingen —Onstmettingen zur Kenntnißnahme mitgetheilt. Schließlich äußerte sich der Minister⸗Präsident noch über die von dem Abg. von Weber in Anregung gebrachte direkte Eisenbahnverbindung zwischen Tübingen und Stuttgart dahin, daß dieselbe wohl nicht in naher Zeit zur Ausführung kommen werde. Es würde aller⸗ dings bei einem Anschluß in Böblingen eine Abkürzung von 17 km erzielt und der Fahrpreis für die III. Klasse um 60 ₰ billiger werden; allein der Bauaufwand würde sich auf 7,6 Millionen Mark stellen, und die Bahn voraussichtlich nicht einmal die Betriebskosten decken. — Bei der folgenden Berathung über den Einnahme⸗Titel Antheilan dem Ertrag der Zölle, der Tabacksteuer, der Branntweinsteuer und der Reichs⸗Stempelabgaben im Voranschlag von 11 984530 ℳ im Jahr wurden Wünsche wegen Ermäßigung der Steuer aus Kirschen (zur Herstellung von Kirschengeist) und bezüglich Herabsetzung des Ausbeuteverhältnisses und des Steueransatzes bei den kleineren Brennern vorgebracht. Der Staats⸗Minister der Finanzen erklärte, daß er die ihm bekannt gewordenen Beschwerden habe untersuchen lassen, die⸗ selben hätten sich als unrichtig erwiesen und beruhten meist auf Unkenntniß des Gesetzes. Das Etats⸗Kapitel wurde ge⸗ nehmigt und die vorliegenden, die Branntweinsteuer be⸗ treffenden Eingaben der Regierung zur Kenntnißnahme mit⸗ getheilt. Anhalt. Ballenstedt, 3. Juli. (Anh. St.⸗A.) Se. Hoheit der Herzog ist heute Morgen aus Karlsruhe wieder hier eingetroffen.
—
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 4. Juli. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung nahm der Budget⸗Ausschuß der österreichischen Delegation die noch nicht erledigten Titel des Extra⸗Ordinariums des Heeres an. Hierauf begann die Berathung des Ordinarium der Armee; bei dem Titel betreffend Errichtung von vierzehn schweren Batterien erklärte der Kriegs⸗Minister, es sei nothwendig, die Zahl der Geschütze auf ein entsprechendes Höhenverhältniß mit der Artillerie anderer Länder zu bringen; gerade auf diesem Gebiete dürfte man ohne ernste Gefahr nicht zurückbleiben. Im Weiteren betont der Kriegs⸗Minister die Aufstellung eines dritten Bataillons beim Eisenbahn⸗Telegra⸗ phen-Regiment. Dies sei das Wenigste, was er verlangen müsse. Bei der Berathung der Mrlitär⸗Strafprozeß⸗ Ordnung beständen zwischen den Ministerien noch vielfach Meinungsverschiedenheiten, so daß der Kriegsminister nicht im Stande sei, eine Lösung dieser Frage für die nächste Zeit in Aussicht zu stellen. b
— 5. Juli. (W. T. B.) Die amtliche „Wiener Zeitung“ meldet, daß der Statthalter von Triest, von Pretis⸗ Cagnodo, auf seine Bitte unter voller Anerkennung seiner dem Staate in verschiedenen sehr wichtigen Stellungen mit treuer Hingebung geleisteten ausgezeichneten Dienste seines Postens enthoben und in den dauernden Ruhestand ver⸗ setzt und gleichzeitig auf Lebenszeit in das Herrenhaus berufen worden ist. Die Leitung der Statthalterei ist bis auf Weiteres dem Vize⸗Präsidenten der Statthalterei, Rinaldini, übertragen worden.
Laibach, 4. Juli. (W. T. B.) Sämmtliche von den Landgemeinden gewählten Landtags⸗Abgeordneten ge⸗ hören der slovenisch⸗nationalen Partei an.
Großbritannien und Irland. London, 4. Juli. (W. T. B.) Die Hochzeit der Prinzessin Louise von Wales wird am 27. d. M. in der Kapelle des Buckingham⸗ Palastes stattfinden.
Das Unterhaus erledigte in seiner gestrigen Sitzung die Einzelberathung der Paragraphen der Vorlage zur Ver⸗ hinderung einer grausamen Behandlung von Kindern. Ferner wurde die Vorlage, betreffend die Ab⸗ schaffung der Steuer auf die in London einge⸗ führten Kohlen, durch die Einzelberathung gefördert.
In der heutigen Sitzung erklärte der Unter⸗Staats⸗ sekretär Fergusson, daß bei der deutschen Regie⸗ rung Erkundigungen betreffs der Verhaftung des Königs Eyo durch ein deutsches Kriegsschiff in Alt⸗Calabar eingezogen worden seien. Die Correspondenz dauere noch fort. — Der Schatzsekretär Smith beantragte, die König⸗
eine Gefahr für die Ordnung und Solidität des Staatshaus⸗
lichen Botschaften, betreffend die Apanagen des Prinzen
Albert Victor und der Prinzessin Louise von Wales, einem Sonderausschuß zu überweisen zur Bericht⸗ erstattung über die allgemeinen Grundsätze, welche in Zu⸗ kunft betreffs solcher Dotationen zu befolgen seien. Bradlaugh beantragte ein Amendement, die Untersuchungen des Ausschusses auf die Königliche Civilliste auszudehnen. Das Amendement wurde mit 312 gegen 125 Stimmen verworfen und der Antrag Smith's ohne Abstimmung angenommen.
Frankreich. Paris, 4. Juli. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer wurde auf eine Anfrage wegen der Katastrophe in den Gruben bei St. Etienne Seitens der Regierung mitgetheilt, daß nach den zuletzt eingelaufenen Nachrichten die Zahl der dabei Umgekommenen sich auf 196 belaufe. Die Kammer setzte sodann die Berathung des Budgets fort und beschloß, morgen Vormittag eine Sitzung abzuhalten, um das Budget zu erledigen.
Die Minister Constans und Guyot haben sich heute Abend nach St. Etienne begeben.
Italien. Rom, 5. Juli. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer wurde von Cavalotti eine Interpellation darüber eingebracht, ob und welche Erklä⸗ rungen die Regierung über den Zwischenfall in Gabez (Tunis) und betreffs der von tunesischen Zollwächtern fetsggtt g Barke „Ida“ erhalten habe, ferner darüber, ob und welche Auskunft der Regierung ertheilt worden sei über die Verhaftung zweier italienischer Staatsangehörigen in Triest, von welchen einer ausgewiesen worden sei, während der andere sich noch in Haft und Untersuchung befinde, endlich darüber, welche Anschauungen und Absichten die Regierung betreffs sämmt⸗ licher jüngst in Triest, Fiume, Trient und anderen Orten vorgekommenen Zwischenfälle hege, ingleichen betreffs der österreichischen Kundgebungen über die Be⸗ ziehungen Italiens zu Oesterreich⸗Ungarn und über die vom Grafen Kälnoky in der Budgetkommission der österreichischen Delegation bezüglich Italiens abgegebe⸗ nen Erklärungen. Minister⸗Präsident Crispi erklärte, daß er die Interpellation am Dienstag beantworten werde.
Schweiz. Bern, 4. Juli. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Delegirten zur Berathung des Vorschlages wegen des Simplon⸗Tunnels wurde beschlossen, daß die italienischen Abgeordneten vor der Fortsetzung der Unterhandlungen neue Instruktionen wegen ihrer Stellung nahme zu den verschiedenen Traces einholen sollten.
Türkei. Konstantinopel, 4. Juli. (W. T. B.) Der Sultan empfing heute den neuernannten amerikanischen Gesandten Hirsch, welcher seine Kreditive überreichte. — Nachrichten aus Erzerum melden die Verhaftung einiger Armenier wegen Verdachtes der Betheiligung an Komplotten gegen die Regierung. Wie versichert wird, beabsichtigt die Pforte den in Armenien sehr populären und verehrten Erzbischof von Van, Krimian, nach Armenien zu senden, um die aufgeregten Gemüther zu beschwichtigen.
Rumänien. Bukarest, 4. Juli. (W. T. B.) In Abwesenheit des Königs richtete der Ministerrath durch den Minister des Auswärtigen die Bitte an die serbischen Regenten, anläßlich der Salbung des Königs den wärmsten Glückwünschen und aufrichtigsten Wünschen für das Gedeihen Serbiens sowie für die Aufrechterhaltung der aus⸗ gezeichneten Beziehungen beider Länder, deren Freundschaft niemals unterbrochen worden sei, Ausdruck zu geben. Der ehemalige Gesandte Balatchano ist zum rumänischen Delegirten bei der Donau⸗Kommission designirt.
ESerbien. Kraljewo, 5. Juli. (W. T. B.) Nach Mittheilung der „Politischen Correspondenz“ gab König Alexander von Serbien am Tage der Salbung ein Galadiner zu Ehren des russischen Gesandten Persiani und brachte hierbei folgenden Toast aus: „Ich erhebe das Glas auf das Wohl meines geliebten Pathen, des Kaisers Alexander III. von Rußland, der mir die besondere Ehre zu Theil werden ließ, sich bei meiner Salbung durch seinen Gesandten Persiani vertreten zu lassen. Hoch Kaiser Alexander!“ Persiani dankte hierauf, indem er den König der wohlwollendsten und freundschaftlichsten Gefühle des russischen Monarchen versicherte. — Der König reist morgen nach Tschatschak, um dann über Gornji Milanowatz, Takowo und Arandjelovatz nach Belgrad zurückzukehren, wo er am 9. Juli einzutreffen gedenkt.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 2. Juli⸗ König Oscar begiebt sich in Veranlassung der Minister⸗ krisis am Donnerstag nach Christianig; die Königin, Prinz Carl sowie der Herzog Adolf von Nassau und Prinz Wilhelm von Nassau werden ihn dorthin begleiten.
Christiania, 2. Juli. Die Zolleinnahmen in dem letzten, mit dem 30. Juni cr. endenden Finanzjahr haben 20 458 246 Kronen betragen gegen 20 547 970 Kronen und 19 495 270 Kronen in den beiden Vorjahren. Für jedes der drei letzten Finanzjahre waren diese Einnahmen zu 19300 000 Kronen veranschlagt. Der in vorstehenden Summen ein⸗ gerechnete Ausfuhrzoll auf Holz ergab gleichzeitig 410 355, 375 892 und 455 302 Kronen.
Dänemark. Kopenhagen, 3. Juli. Die Einnahmen der Staatseisenbahnen im Finanzjahre 1888/89 betrugen 14 845 098 Kronen gegen 13 436 117 Kronen im vorher⸗ gehenden Finanzjahre.
Afrika. Egypten. Kairo, 4. Juli. (W. T. B.) (Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“.) Laut eingegangenen Depeschen von Sberst Woodhouse sind die Derwische noch in den Bergen, wo sie gestern angegriffen wurden und große Verluste erlitten. Mehr als hundert derselben, welche den Fluß zu erreichen versuchten, um Wasser zu holen, wurden getödtet. Im englischen Lager angekommene Deserteure be⸗ kunden, daß die Derwische an großem Wassermangel leiden, da egyptische Infanterie und Kavallerie sie verhindert, Wasser zu holen.
Australien. Sydney, 5. Juli. (W. T. B.) Neuesten aus Apia vom 25. Juni eingetroffenen Nachrichten zufolge verhalten sich die Eingeborenen auf Samoa dauernd ruhig. Das deutsche Kanonenboot „Wolf“ hat Befehl erhalten, nach den Marschall⸗Inseln zu gehen und den früheren König Malietoa nach Apia zurückzubringen.
8
8 Zeitungsstimmen.
Die „Nationalliberale Correspondenz“ entnimmt dem Jahresbericht der Gewerbekammer für die Provinz Schleswig⸗Holstein folgende Mittheilungen über die Wirkung des Kranken⸗ und Unfallversicherungs⸗ gesetzes, insbesondere für die landwirthschaftlichen Arbeiter:
„Ein Grundbesitzer aus dem Kreise Hadersleben schreibt: „Die Erfahrungen, welche bisher mit der landwirthschaftlichen Unfall⸗ und Krankenversicherung gemacht werden konnten, sind nach meiner Meinung ganz besonders günstig. Erstaunte, frohe Blicke werden Einem zu Theil von der Mutter einer größeren Zahl kleiner Kinder, deren Vater durch einen schweren Unglücksfall aufs Lager geworfen ist, wenn man, wie es der Einsender Dieses zu erleben Gelegenheit gehabt, die schöne Pflicht hat, der Frau zu eröffnen: Die Kosten des Heilverfahrens übernimmt die Gemeinde, und Falls der Versorger für einen längeren Zeit⸗ raum arbeitsunfähig wird oder mit dem Tode abgeht, ist für sie und ihre Kinder gesorgt. Ein schöneres Denkmal als die Einführung der Unfall⸗ und Krankenversicherungsgesetzgebung hätte sich der große Wiederaufrichter des Deutschen Reichs am Abend seines Lebens im Herzen des deutschen Volks nicht setzen können.“ Aus dem Kreise Norderdithmarschen liegt folgende Einsendung vor: „Kranken⸗ und Unfallversicherung funktioniren wohl erst zu kurze Zeit, um ein beweisfähiges Urtheil daraus her⸗ zuleiten; daß damit indeß traurige Zustände unzähliger armer Haushaltungen beseitigt, jedenfalls gemildert werden, darf wohl als feststehend hinzustellen sein“. Aus dem Kreise Pinneberg schreibt man: „Mit der Krankenversicherung befreunden sich sowohl die Arbeitnehmer, als auch die Arbeitgeber mehr und mehr, nament⸗ lich da, wo von Seiten der Gemeindebebörden und der Aerzte eine vernünftige Kontrole ausgeübt wird. Die Unfallversicherung ist noch wenig zur Wirksamkeit gelangt. Jedenfalls werden die Beiträge der Betriebsunternehmer vorläufig sehr geringfügig sein. Es unter⸗ liegt keinem Zweifel, daß beide Gesetze sich auch für die landwirthschaftliche Bevölkerung als eine große Wohlthat erweisen werden.“ Diese günstigen Urtheile finden, wie der Gewerbekammerbericht hinzufügt, ihre Bestätigung und Ergänzung in einer Angabe des Berichts über die Verwaltung des Armenwesens in Kiel im Rechnungsjahre 1887/88. Darin wird nach⸗ gewiesen, daß trotz der sehr bedeutenden Vermehrung der Einwohner⸗ zahl die Armenlasten des Jahres nur um ein Geringes höher sind, als diejenigen des Jahres 1882/83 (derzeit 149 394 ℳ, jetzt 151 303 ℳ) und wörtlich hinzugefügt: „Die günstigen Resultate sind zum großen Theile die Wirkungen der Gesetze, betreffend die Kranken⸗ und Unfallversicherung der Arbeiter.“ Auch die auf einem verwandten Gebiete thätige Helferkommission der Gesellschaft frei⸗ williger Armenfreunde in Kiel hat die gleiche Beobachtung gemacht.“
Die gedachte Correspondenz bemerkt hierzu:
„Besonders erfreulich erscheint, daß nach und nach auch das Ver⸗ ständniß für den großen Werth der Sozialgesetzgebung in den arbeiten⸗ den Klassen Platz zu greifen scheint. Ganz unleugbar und von Beobachtern der praktischen Verhältnisse eft genug konstatirt ist die Thatsache, daß, wenngleich die industriellen Arbeiter, durch sozial⸗ demokratische Einflüsse beherrscht, in ihrer Mehrheit dieser Gesetzgebung anscheinend sehr kühl geßenüberstehen, sie in Wahrheit recht wohl wissen, welches Gut sie in derselben besitzen. Diese Thatsache kann gegenüber den häufigen unbegründeten Ver⸗ kleinerungen der Gesetzgebung nicht oft genug zum Ausdruck gebracht werden. Die Mängel der genannten Gesetze scheinen nicht derart schwerwiegend zu sein, daß sie nicht theils durch die Praxis, theils venes gelegentlich leicht auszuführende Aenderungen beseitigt werden önnten.“
Zu der gegenwärtig in der Presse vielfach ventilirten Frage des Arbeiterschutzes schreibt das „Kasseler Journal“:
„Wie schon früher bei den über diesen Gegenstand verhandelten Anträgen des Reichstages, so wird auch jetzt allenthalben der Auf⸗ fassung Vorschub zu leisten gesucht, daß sich die ablehnende Haltung der Regierung und ihre geringe Geneigtheit, sofort auf alle⸗möglichen und unmöglichen Vorschläge einzugehen, nur auf einen Mangel an — Arbeiterfreundlichkeit zuruckführen lasse. Mit einem solchen Stand⸗ punkt glaubt man eine höchst günstige Position gefunden und sich die Anwartschaft auf große politische Erfolge verschafft zu haben, und da dies von den Parteien immer als das höchste der Ziele an⸗ gesehen wird, so scheut man sich auch nicht, für einen solchen Zweck alle möglichen Mittel in Anwendung zu bringen. So sehen wir denn jetzt in der Presse wie in Versammlungen die Arbeiterschutzfrage besonders erörtern und zwar unter dem Gesichtspunkt, als ob in Deutschland in diesem Punkt noch nichts geschehen sei und noch Alles gethan werden müsse. Da wird über die völlige „Schutzlosigkeit“ des Arbeiters, zumal seit dem Kohlenarbeiter⸗Strike, geklagt, da wird „die Anerkennung des Rechts der Arbeiter auf eine menschen⸗ würdige Behandlung“ gefordert! Und das geschieht in Deutschland, dem Lande der sozialen Reform, in welchem in dieser Beziehung weit mehr als in irgend einem anderen Staat geleistet worden ist! Heute sucht man sogar die sozialpolitischen Reformgesetze, mit denen wir allen Ländern vorangegangen sind, als eine Kleinigkeit zu behandeln und nach Möglichkeit herabzusetzen, und vertritt die Meinung, daß erst dann von einer wirklichen Berücksichtigung der Interessen der Arbeiter die Rede sein könne, wenn endlich die große Frage des Ar⸗ beiterschutzes gelöst sei.
Einer solchen Agitation liegt, wenn nicht eine gewisse Unehrlich⸗ keit, so doch ein völliger Mangel an Verständniß zu Grunde. Eine so arbeiterfreundliche Regierung wie die unsrige bedarf wirklich nach dieser Richtung keinen Ansporn. Diejenigen aber, die dies für nöthig halten, scheinen sich keine Vorstellung über die Schwierigkeit zu machen, welche mit der Regelung solcher Fragen, sowie mit den daraus hervorgehenden Konsequenzen verbunden sind. Für sie hat eben nur die politische Parole als solche Werth, von einem Eingehen auf die praktische Durchführung der Einzelheiten ist nicht die Rede.“
Die „Kölnische Zeitung“ erinnert, ungeachtet der län⸗ geren Frist, die uns noch von den Neuwahlen trenne, daran, man solle sich bewußt bleiben, 8
„daß Wahlorganisationen von langer Hand vorbereitet sein müssen, wenn sie ordentlich wirken sollen, daß sie nicht erst in den letzten Wochen hastig und übereilt in Angriff genommen werden dürfen. Unsere Parteigenossen werden den besonderen Ernst der bevorstehenden Wahlen nicht verkennen und frübhzeitig die ent⸗ sprechenden Vorbereitungen treffen. um gute Erfolge zu erzielen. Gleichwohl muß stets von Neuem die Wichtigkeit der Aufgabe betont werden, namentlich die örtlichen Organisationen immer auf der Höhe der Leistungsfähigkeit zu erhalten, sie auszubilden und zu vervoll⸗ kommnen. In den kleinen örtlichen Verbänden liegt der Schwerpunkt der ganzen Wahltbätigkeit und die beste Gewähr des Erfolges viel mehr als in umfassenden Parteiveranstaltungen. Allein gerade diese Kleinarbeit einer Partei muß lange sorgsam und unverdrossen gepflegt werden, wenn sie in der entscheidenden Stunde ihre Früchte tragen soll. In diesem Sinne können wir uns auch die von einem konservativen Blatte aufgefrischte Erinnerung an einen Ausspruch Theodor Körner's aneignen: „Ich weiß wohl, daß ich den Ausschlag nicht geben würde; aber wenn Jeder so denkt, so muß das Ganze untergehen.“ Diese Worte, welche Theodor Körner an seinen Vater schrieb, bevor er in die Freiheitskriege zog, mögen den Wählern vorgehalten werden, welche meinen, an einer Stimme liege ja doch nichts, und diese Worte mögen dazu anspornen, das Netz der Vertrauensmänner auch in den jetzigen „Friedenszeiten“ zu verdichten und in steter Fühlung mit den Gesinnungsgenossen zu
bleiben.“
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 28. — Inkhbalt: Verfügung vom 30. Juni 1889: Ermäßigung der Wortgebühren für Telegramme nach Westindien, Mexiko, Mittel⸗ und Süd⸗Amerika.
Statistische Nachrichten. Genossenschaften in Deutschland
Ueber die und
Oesterreich sprach kürzlich der Anwalt Ziller der österreichischen
Genossenschaft. Er wies darauf hin, daß das Genossenschaftswesen in Oesterreich sich bedeutend langsamer entwickelt habe, als in Deutschland, daß Ende 1887 in Deutschland 4821, in Oesterreich nur 1737 Genossen⸗ schaften bestanden und daß im Verhältnisse zu der Bevölkerung die Zahl der Genossenschaften in Deutschland nahezu um die Hälfte größer sei, als in Oesterreich. Die Zahl der Vorschußvereine betrage zwar in Oesterreich 1312, in Deutschland 2200, sodaß verhältnißmäßig im Ver⸗ gleiche zur Bevölkerung in Oesterreich die Zahl dieser Vereine eine grö⸗ ßere sei, was hauptsächlich durch die stärkere Theilnahme der Land⸗ wirthe und die nationalen Verhältnisse bedingt sei. Dagegen besitzen die österreichischen Vereine eine geringere Mitgliederzahl und ein ge⸗ ringeres Betriebskapital. In Betreff der Konsumvereine wies der Anwalt darauf hin, daß sich Anfangs deren Zahl ungemein rasch ver⸗ mehrte, sodaß zu Anfang der siebziger Jahre etwa 500 Konsumvereine bestanden und Oesterreich dem Deutschen Reich in dieser Hinsicht weitaus voran war. Allein diese Vereine waren zum größten Theil schlecht organisirt und eben so schlecht verwaltet; der größte Theil sei eingegangen und es bestanden Ende 1887 trotz der nicht unbedeutenden Zahl neubegründeter nur 234, während Deutschland deren 712 auf⸗ weise. Gegenwärtig sei auf diesem Gebiete ein ziemlich reges Leben in Niederösterreich bemerkbar. Sodann besprach der Anwalt die gegenmwärtige heftige Befehdung der Konsumvereine und bezeichnete dieselben als eines der wichtigsten Glieder des genossenschaftlichen Systems, indem sie namentlich den ärmeren Klassen ermög⸗ lichen, ohne allzu große Opfer Ersparnisse zu erzielen; wenn aber der Sinn für Sparsamkeit mehr entwickelt würde, so könnten diese Vereine, wie andermwärts, so auch in Oesterreich die Grundlage für Produktiv⸗ und Wohnungsgenossenschaften abgeben. Am meisten zurück⸗ geblieben ist Oesterreich hinsichtlich der Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen, deren Zahl sich auf 190 beläuft, darunter etwa 50 bis 60 gewerbliche Produktivgenossenschaften; Rohstoff- und Magazin⸗ genossenschaften sind ganz wenig vertreten. Deutschland zählt 349 Eenossenschaften arf gewerblichem Gebiete, darunter 146 Produktiv⸗ genossenschaften. Auf dem landwirthschaftlichen Gebiete sind in Oester⸗ reich nur die ersten Anfänge bemerkbar, während für Deutschland der Jahresbericht für 1887: 688 Rohstoffgenossenschaften, 222 Werk⸗ genossenschaften, 8 Magazingenossenschaften und 532 Produktivgenossen⸗ schaften, zusammen also 1450 Genossenschaften, aufweist.
Kunst und Wissenschaft.
Der Staatssekretär des Innern und Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums von Boetticher ist, wie der „Hannov. Courier“ mit⸗ theilt, in Anerkennung seiner Verdienste um das Zustandekommen des Gesetzes der Alters⸗ und Invalidenversicherung von der juristischen Fakultät der Universität zu Marburg zum Doctor beider Rechte honoris causa promovirt worden.
— Die Akademie der Wissenschaften feierte gestern den Jahrestag ihres Stifters, des Philosophen Leibniz, durch eine Festsitzung im Rothen Saale des Akademiegebäudes. An der
ängswand prangte die Büste des Gefeierten, während an der Schmal⸗
wand zu Seiten des Portals vom Senatszimmer die Büsten des Großen Friedrich und Friedrich Wilhelm's III. ihren Platz ge⸗ funden hatten. Von den Akademikern waren unter anderen die ständigen Sekretäre Curtius, Mommsen und Dubois⸗Reymond sowie die Hrrn. Wattenbach, Schwendener, Tobler, von Helm⸗ holtz, Dümmler, Schmoller, Diels, Scherer, Fuchs, Weber, Kirchhoff, Brunner, von Bezold, Zandold, von Svybel, Möbius, Hirschfeld, Kronecker, Kundt, Beyrich, Weierstraß. Virchow und Andere erschienen In Vertretung der Regierung hatte sich der Staats⸗Minister von Goßler und Geheimer Rath Althoff eingefunden. Die Festrede auf Leibniz hielt der Geheime Regierungs⸗Rath Curtius, welcher an ihren Schluß einige allgemeine Gedanken über Geschichts⸗ forschung anknüpfte. Es folgten sodann die Antrittsreden der neu erwählten Akademiker. Der Physiker Kundt verwies einleitend auf die That⸗ sache, er seine wissenschaftliche Ausbildung vor Allem Berlin ver⸗ danke. r gab sodann einen Ueberblick über die Entwickelung seiner Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten. Die Beantwortung über⸗ nahm Prof. Dubois. Die Antrittsrede des Archäologen Ulrich Köhler beantwortete Prof. Curtius, die des Geschichtsforschers E. Dümmler Prof. Mommsen.
— Die Historische Kommission der Provinz Sachsen hielt ihre 15. Jahresversammlung am 1. und 2. Juni 1889 in Halle a. S. ab. An Stelle des Professors Dr. Dümmler, welcher seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt hat, jedoch in der Kommission verbleibt, wurde Professor Dr. Lindner von der Universität Halle zum Mitgliede und zugleich auch zum Vorsitzenden der Kommission ge⸗ wählt. Da Professor Dr. Schum das Schriftführeramt niedergelegt hat, wurde mit der Führung desselben Privatdozent Dr. L. von Heine⸗ mann betraut. Von den Geschichtsquellen ist in dem Jahre 1888/89 der zweite Band der Päpstlichen Urkunden und Regesten, die Gebiete der heutigen Provinz Sachsen und deren Umlande betreffend, erschienen. Gesammelt sind diese Urkunden und Regesten aus den Jahren 1353 — 1378 von Dr. Paul Kehr, bearbeitet von Gymnasial⸗ Direktor Dr. G. Schmidt. Binnen Kurzem wird sodann der erste Band des Erfurter Urkundenbuchs, herausgegeben von dem Stadt⸗ archivar Dr. Beyer, zur Ausgabe gelangen. Sogleich beginnen wird der Druck des Registers zu den Erfurter Matrikeln, welches Dr. Hortz⸗ schansky zusammengestellt hat, und demnächst der des Wernigeroder Ur⸗ kundenbuchs von Archiv⸗Rath Dr. Jacobs. Hoffentlich wird nun auch die von Dr. Gillert in Barmen verfaßte Einleitung zu der längst ge⸗ druckten Correspondenz Mutian's bald veröffentlicht werden können, und ebenso; ist bestimmte Aussicht vorhanden, daß noch im Laufe des Jahres die von Dr. Nikolaus Müller in Kiel bearbeitete Correspon⸗ denz Melanchthon's mit Camerarius und die vom Gymnasiallehrer Reiche in Königsberg N.⸗M. übernommene Erfurter Chronik des Hartung Kammermeister zum Abschluß gebracht werden. Auch andere Arbeiten, wie das Goslarer Urkundenbuch vom Staatsanwalt Bode in Polzminden, sind erheblich weiter gefördert worden. Von den Bau⸗ und Kunstdenkmälern ist die Beschreibung der Grafschaft Hohnstein von Dr. Julius Schmidt fast vollendet. Druckfertig ist die Darstellung des Kreises Oschersleben von Bau⸗ inspektor Sommer, während die Beschreibungen des Stadt⸗ und Landkreises Erfurt noch einiger Ergänzungen bedürfen. Die Auf⸗ nahmen der Magdeburger Kunst⸗ und Baudenkmäler durch den Archi⸗ tekten Modde schreiten vorwärts, doch steht ein Abschluß derselben für die nächste Zeit noch nicht zu erwarten. Die von Professor Dr. Klopffleisch und Sanitäts⸗Rath Dr. Friedrich übernommenen Arbeiten für die vorgeschichtlichen Alterthümer sind nicht bis zur Ver⸗ öffentlichung vorgeschritten. Dagegen beschloß die Kommission, eine Arbeit des Dr. med. Zschiesche aus Erfurt über die vorgeschichtlichen Wall⸗ burgen Thüringens in ihren Publikationen erscheinen zu lassen. Ueber die Verwaltung des Provinzial⸗Museums lag ein ausführ⸗ licher Jahresbericht des Direktors vom 15. Mai und das Protokoll der am 27. Mai abgehaltenen Sitzung des Verwaltungs⸗Ausschusses vor, welche die gedeihliche Weiterentwickelung des Museums bezeugen. An Geschenken sind eingegangen von 130 Personen 497 Nummern (über die schon früher in den Zeitungen Nachricht gegeben ist), durch Ankauf sind erworben 328, durch Ausgrabungen 112 Nummern; be⸗ sucht wurde das Museum im letzten Jahre von 854 Personen. Die Karten zu dem Geschichtsatlas der Provinz sind zu zwei Drittheilen vollendet. Die Kommission beschloß, das von ihr nach dieser Richtung gesammelte Material dem Verein für Landes⸗ kunde in Halle zur Verfügung zu stellen, um dasselbe durch örtliche Forschungen vervollständigen zu lassen. Zunächs der
Verein für Landeskunde, eine umfafsende Beschreibu
Saalkreises
und des Mansfeldschen Seekreises in Angriff zu nehmen. Schließlich wurde der Haushalt der Kommission für 1889/90 festgesetzt und als Ort der 16. Sitzung im Jahre 1890 Quedlinburg gewählt. Tegernsee, 3. Juli. (Allg Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Herzog Karl Theodor in Bavern hat heute Morgen seine 1000. Staar⸗Operation mit Erfolg vollzogen. Das Operationszimmer war zu diesem festlichen Akt von den Schwestern des Krankenhauses mit Blumen und Guirlanden geschmückt. — In der soeben eröffneten Jahres⸗Kunstausstellung in München findet die „Kunst für Alle“ (herausgegeben von Fr. Pecht, München, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vor⸗ mals Friedrich Bruckmann) eine willkommene Gelegenheit, um sich aufs Neue als gewissenhafte Berichterstatterin über alle hervorragenden Vorkommnisse auf dem Gebiete der Kunst zu bewähren. Sie eröffnet mit dem 1. Juli (§eft 19) wieder eine Reihe ron sog. „Aus⸗ stellungsheften“, welche sich schon äußerlich von den sonstigen Aus⸗ gaben unterscheiden, indem der Umschlag — welcher uns diesmal jedoch weder in Bezug auf Komposition noch Farbe gefällt — einen besonderen Titel aufweist. Diese Hefte werden ausführliche Berichte aus der Feder des Herausgebers Friedrich Pecht bringen, welchen die 100 bis 120 hauptsächlichsten Ausstellungskunstwerke in originalgetreuer Re⸗ produktion beigegeben werden sollen. Das erste dieser Ausstellungs⸗ hefte enthält einen einleitenden Bericht über die Münchener Aus⸗ stellung; die allmähliche Entwickelung der Ausstellungen in der Isar⸗ stadt wird hier von Fr. Pecht in enthusiastischer Form dargestellt und zugleich auf den Werth derselben für das gesammte künstlerische Leben des deutschen Vaterlandes hingewiesen. Für den Wettstreit, welcher gegenwärtig zwischen den einzel⸗ nen Akademien, wie Berlin, München, Düsseldorf u. s. w. entbrannt ist, wird die Münchener Ausstellung nicht ohne Bedeutung sein. Das Sonder⸗Abonnement auf die 10 Ausstellungs⸗ hefte beträgt 6 ℳ, der Preis auf das Abonnement der „Kunst für Alle“ vierteljährlich (6 Hefte) 3,60 ℳ — In der Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft erschien der illustrirte Katalog der Münchener Jahresausstellung; derselbe ist durch den Buchhandel zum Preis 2,60 ℳ zu beziehen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Ueber die Vernichtung der Maikäfer auf der Tucheler Heide wird berichtet: Die eigentliche Tucheler Heide umfaßt sechs⸗ zehn Forstbezirke. In jedem derselben sind nach angestellten Er⸗ mittelungen (in einigen weniger, in den meisten aber mehr) 30 000 1 Käfer gesammelt, also in der ganzen Heide 480 000 1 oder 9600 Neuscheffel. 1 1 enthält 450 Käfer und 480 000 l enthalten deren 216 Millionen. Die Gesammtkosten für die Vertilgung dieser ungeheuren Masse Käfer werden über 70 000 ℳ betragen, für jeden Käfer ë⁄0 Pfennig. Doch nicht eben der lebenden Maikäfer halber, sondern hauptsächlich wegen deren schädlicher Brut, d. h. der Engerlinge, hat der Vertilgungskrieg stattgefunden. Unter den ge⸗ sammelten Käfern befanden sich im Durchschnitt 50 % Weibchen. Kämen nun von den abgesetzten Eiern eines jeden Weibchens auch nur 40 Stück zur Reife, so entständen daraus 4 ¼ Milliarden Engerlinge. Diese Vielfresser leben bis zu ihrer Ausbildung vier Jahre in der Erde und zernagen die Wurzeln junger Kiefern. Daher würde denn auch der Schaden, den obige Anzahl in den Schonungen angerichtet haben würde, wohl einst bedeutender geworden sein, als jetzt die Un⸗ kosten betragen.
— Der zur Zeit sich seines schönsten Blüthenschmuckes erfreuende Oleander, d. i. die Lorberrose, ist von Indien durch ganz Vorder⸗ Asien, ebenso in allen Ländern der Mittelmeer⸗Region einheimisch und tritt dort in frischen Gründen als Vertreter unserer Weiden auf, denen das beliebte Ziergehölz in der ganzen Tracht, in den schlanken Trieben und lanzettlichen Blättern sehr ähnlich ist. In Griechenland findet sich der Oleander als 15 bis 20 m hoher Strauch oder Baum häufig an Flußufern, auch an Wasserriefen der Höhenrücken bis etwa 1000 Fuß hinauf. Er ist ein Glied der Familie Hundskohlen⸗ gewächse (Apocyneen), also ein Verwandter des Sinn⸗ oder Immer⸗ grüns, des in Staudensammlungen nirgends fehlenden Mückenfängers (Apocynum androsaemifolium), in dessen Blüthen man zaͤhlreiche, durch den Honigsaft betäubte kleinere Insekten antrifft, der Thanginia auf Madagaskar, der Thevetia Ahowai in Brasilien, der Cerbera in Westindien, Pflanzengattungen, die in allen ihren Theilen namentlich in dem Samen ein heftiges narkotisches Gift ent⸗ halten. Auch der an Milchsaft reiche Oleander ist ein Giftgewächs; der starke Geruch der Blüthen wirkt, wiederholt eingeathmet, als Narkose. In allen tropischen und subtropischen Ländern hat sich oft genug die Ausdünstung des ganzen Strauches als giftiger Hauch erwiesen. Es sei deshalb vor der Aufstellung üppig wachsender Oleander mit reichem Bluͤthenanhang in Wohnräumen, besonders in warmen Schlafzimmern, gewarnt.
Gewerbe und Handel.
Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis 20. Juni 1889 14 137 200 ℳ 3 ½ % ige, 20 592 300 ℳ 40 %ige, 44 874 300 ℳ 4 ½ % ige und 9 528 900 ℳ 5 % ige, zusammen 89 132 700 ℳ Pfandbriefe ausgegeben, wovon noch 13 850 700 ℳ 3 ½ % ige, 15 724 500 ℳ 4 % ige, 22 098 300 ℳ 4 ½ %oige und 3 625 200 ℳ 5 % ige, zusammen 55 298 700 ℳ Pfandbriefe Seitens der Grundstückseigenthümer verzinslich sind. — Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 319 800 ℳ, im Laufe des Monats Juni 1889 angemeldet 1 Grundstück mit einem Feuerversicherungswerth von 142 500 ℳ .
— Die Betriebseinnahmen der Ostpreußischen Südbahn pro Juni 1889 betrugen nach vorläufiger Feststellung im Personenverkehr 108 274 ℳ, im Güterverkehr 288 708 ℳ, an Extraordinarien 20 000 ℳ, zusammen 416 982 ℳ, darunter auf der Strecke Fischhausen — Palmnicken 8840 ℳ, im Monat Juni 1888 provisorisch 459 978 ℳ, mithin gegen den entsprechenden Monat des Vorjahres weniger 42 996 ℳ, im Ganzen vom 1. Januar bis 30. Juni 1889 2 565 537 ℳ (definitive Ein⸗ nahme aus russischem Verkehr nach russischem Stil), gegen provisorisch 2 536 478 ℳ im Vorjahre, mithin gegen den entsprechenden Zeitraum des Vorjahres mehr 29 059 ℳ, gegen definitive 2 626 9097 ℳ, mithin weniger 60 560 ℳ —
— Die Landschaft der Provinz Sachsen hatte nach dem Rechenschaftsbericht pro 1888 bis Ende 1887 5 994 975 ℳ Darlehne in 4 % Provinzial⸗Pfandbriefen, 62 781 300 ℳ in Central⸗Pfand⸗ briefen gewährt. Dazu treten vom Jahre 1888 4 995 000 ℳ (41483 000 ℳ in 3 ½ %, 512 000 ℳ in 3 % Central⸗Pfandbriefen), sodaß sich eine Gesammtsumme von 73 771 825 ℳ ergiebt. Durch Kündigungen Seitens der Darlehnsnehmer, die Guthaben derselben am Tilgungs⸗ und Sicherheitsfonds, ausgeführte Kon⸗ versionen ꝛc. haben sich diese Darlehne um 27 901 125 ℳ ermäßigt (u. A. um 25 673 900 ℳ 4 % Central⸗Pfandbriefe), sodaß Ende 1888 45 870 700 ℳ zu verzinsen waren. Dafür sind 143 Ritter⸗ und 533 Landgüter verpfändet, die zusammen 82 702 ha 97 a 12 qm Areal umfassen und zu einem Grundsteuer⸗Reinertrage von 2607 438 ℳ eingeschätzt sind. Der Hektar nutzbarer Fläche ist somit im Durchschnitt mit rund 554 ℳ, d. i. dem 17,59 fachen Grund⸗ steuer⸗Reinertrage, beliehen. Von der bezeichneten Darlehnssumme sind bis Ende 1888 amortisirt 1 250 250 ℳ, sodaß Ende 1888 noch eine Summe von 44 620 450 ℳ in Umlauf war. 1
— Die Einnahmen des Italienischen Mittelmeer⸗ Eisenbahnnetzes während der dritten Dekade des Monats Juni 1889 betrugen nach provisorischer Ermittelung: im Personenverkehr 1 375 096 Lire, im Güterverkehr 1 720 983 Lire, zusammen 3 096 079 Lire gegen 3 085 394 Lire in der gleichen Periode des Vor⸗ jahres, mithin mehr 10 685 Lire. 8
Frankfurt a. M., 4. Juli. Getreidemarktbericht von Joseph Strauß. An unserem Markt ist, in Folge der auswaͤrtigen Besserung, Weizen etwas fester geworden; die Umsätze haben indessen nur wenig an Umfang gewonnen, ab Umgegend 18 — ½ ℳ, frei hier 18 ½ ℳ, Kurhessischer 184½10 0, Norddeutscher soll mit 18 ⁄10 ℳ gebandelt sein, russische Sorte 19 ½ — 20 ½ ℳ