22. Dezember 1869 (Gesetz⸗Samml. von 1870 S. 1). 19. Juni 1889. Beerlin, den 9. Juli 1889. Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt.
“
„Abgereist: 1 2 Minister für Landwirthschaft, Domänen und Freiherr Lucius von Ballhausen, nach Schlesien;
Se. Excellenz der Minister des Innern, Herrfurth,
nach dem Regierungsbezirk Gumbinnen.
Vom
Se. Excellenz der Staats⸗Minister und orsten, Dr. er Provinz
Richtamtliches.
eutsches Reich.
Preußen. Berlin, 9. Juli. Auf Majestät des Kaisers und Königs
der
eordert, bei
ahmen eine etwa 1 1stündige Spazierfahrt
Allerhöchstselbst die Direktion des rachte einige Depeschen.
Nach einer sehr guten Nacht begaben Sich Se. Maäajestät orgens ans Land, be⸗ stiegen daselbst mit dem Dr. Güßfeld und dem General Grafen Waldersee je ein Kariol und begaben Sich wieder nach dem
andven⸗See, woselbst das Gefolge bereits zu Fuß angelangt
am Freitag, den 5., um 7 ¼ Uhr
war. Nachdem bereit gestellte nordische Jollen Se. Majestät mit Gefolge über den See gebracht hatten, wurde von Jordal aus gegen 8 ¼ Uhr Morgens der Marsch nach dem Buar Brä angetreten. Der Weg führte über Steingeröll und auf leidlichem Fuß⸗ pfade durch ein auf allen Seiten von hohen Felswänden ein⸗ geschlossenes 589. ohne nennenswerthe Steigung. Birken und Ulmen gaben einigen Schutz gegen die heiße Sonne. Gegen 10 ½ Uhr wurde der Fuß des Gletschers erreicht, in Nähe desselben das bereit gestellte Frühstück eingenommen und dann noch längere Zeit an dem Gletscher verweilt. Während der Anwesenheit lösten sich Theile der Eismassen und fielen mit großem Getöse in den reißenden Fluß. Gegen 1 Uhr traten Se. Majestät sehr befriedigt von dem Ausfluge den Rückweg an und langten gegen 3 Uhr an Bord zurück. Nach dem um 5 Uhr eingenommenen Mahle schossen Se. Majestät nach der Scheibe mit der Büchse und mit der Pistole. „Greif“ war auf Allerhöchsten Befehl Morgens nach Stavanger abgegangen, um die Post von dort abzuholen und sie am Sonnabend nach Odde zu bringen.
Weiter berichtet „W. T. B.“: „Se. Majestät der Kaiser besuchte am Sonntag den Wasserfall von Wöringsfos. An Stelle des prachtvollen Wetters, welches Se. Majestät während des zweitägigen Aufenthalts in Odde und auch noch am Freitag beim Besuch des Buar⸗Gletschers begleitet hatte, war am Sonntag Regen eingetreten.“
Aus Bergen, 8. Juli, Abends, berichtet „W. T. B.“: „Se. Majestät der Kaiser ist Nachmittags 4 Uhr hier ein⸗ getroffen/ bis jetzt aber an Bord der „Hohenzollern“ ver⸗ blieben.“
— Nach §. 129 des Strafgesetzbuchs ist die Theil⸗ nahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, mit Gefängniß zu bestrafen. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, I. Strafsenat, durch Urtheil vom 28. März d. J., ausge⸗ sprochen, daß unter ungesetzlichen Mitteln nicht nur straf⸗ bare, sondern überhaupt gegen ein Gesetz verstoßende Mittel zu verstehen sind.
—, Der Kaiserliche Gesandte am Königlich schwedisch⸗ norwegischen Hofe, Wirkliche Geheime Legations⸗Rath Busch, ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaube nach Stockholm zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder übernommen.
— Der Gesandte der Republik Costa⸗Rica am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Don Manuel Peralta, hat Berlin auf einige Zeit verlassen.
— Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich bayerischer Ministerial⸗Rath Heller und Königlich sächsischer Geheimer Regierungs⸗Rath Vodel sind von hier abgereist.
— Der Präses der General⸗Ordens⸗Kommission, General der Kavallerie von Rauch, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, hat sich mit fünfwöchentlichem Urlaub nach der Schweiz begeben.
— In der Ersten Beilage des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ befinden sich „Mittheilungen über den gegen⸗ wärtigen Stand der Saaten und die Ernte⸗Aussichten in der preußischen Monarchie“, . ein „Bericht über die Thätig⸗ keit der Geologischen Landesanstalt im Jahre 1888“.
— S. M. Kbt. „Hyäne“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Zeye, ist am 8. Juli in Kapstadteingetroffen und beabsichtigt, am 9. August cr. wieder in See zu gehen.
Fahrt durch den Hardanger word am Donnerstag, den 4. Juli, wurde „Greif“ er Telegraphenstation von Utne, kurz vor dem Ein⸗
gange in den Sörfjord zurück zu bleiben, um die bis zum Abend einkommenden Depeschen der Nacht nachzubringen. Nachdem die Yacht vor Odde im Sörfjord gegen 4 Uhr geankert hatte, egaben Se. Majestät Sich im Jagdanzuge ans Land, unter⸗ im Kariol, welches von Sandven auf der Nacht mitgeführt war, bis an en See Sandven, und kehrten zur Tafel um 6 Uhr sehr be⸗ riedigt an Bord zurück. Während der Abendstunden ließen ajestät die elektrischen Scheinwerfer der Nacht in Thätigkeit setzen, welche eine Lichtstärke von je 40 000 Kerzen repräsentiren und beobachteten die Wirkung derselben, indem Se. Majestät einen Apparats leiteten. Greif“ war mittlerweile nach Odde nachgekommen und über⸗
bezirk Göppingen war daß die Wahlzettel des Gewählten ein äußeres Kennzeichen, einen Falz, getragen hätten. Der Antrag der Kommissionsmehrheit ging auf Uebergang zur Tagesordnung, da durch die gemachten Erhebungen der Beweis erbracht sei, daß der Falz auf einem
wahlen. Der Abg. Klaus berichtete über die Anfechtung der Abgeordnetenwahl für den Landbezirk Heilbronn. Hier ist der Gemeinde⸗Rath Wagner von Großgartach mit 2085 von 3860 abgegebenen Stimmen gewählt worden. Der Einspruch wurde damit begründet, daß der Gegenkandidat Dr. Lipp durch Verschulden der zuständigen Behörden erst am Tage vor der Wahl in den Besitz der Urkunde über die Ertheilung des württembergischen Staatsbürgerrechts gekommen sei, ferner wurden Wahlbeeinflussungen von Seiten mehrerer Schultheißen behauptet und soll durch Spenden von Cigarren, Bier und Wein die Wahlfreiheit verletzt worden sein. Der einstimmige Antrag der Legitimationskommission geht auf Uebergang zur Tages⸗ ordnung bezüglich der angefochtenen Wahl. Der Abg. von egs Hammer wünschte gegenüber den Anfeindungen und Beschuldigungen, welche von gewisser Seite gegenüber den Gemeinde⸗ und Staatsbeamten fortwährend verbreitet würden, klargestellt zu sehen, daß es ein Recht der Beamten sei, sich außeramtlich am politischen Leben zu betheiligen. Es liege im Interesse des Staats, daß nicht durch den Terrorismus der Volkspartei und ihrer Presse die Beamten so eingeschüchtert würden, daß sie sich vom politischen Leben zurückzögen. Sonst kämen die radikalsten Elemente, die demagogischen Streber allein noch zum Wort in der Volksvertretung. Der Abg. Hauß⸗ mann erkannte an, daß die Beamten von ihren bürgerlichen Rechten Gebrauch machen dürften, aber es sei nothwendig, daß sie dabei genau die Grenzen der Unparteilichkeit einhielten und nicht den Einfluß, den ihnen ihr Amt gebe, gebrauchten, um für politische Ansichten Propaganda zu machen. Da diese Grenzen schwer zu finden seien, sollten sie sich lieber eine Reserve auferlegen, als sich in die Wahl mischen; die Stellung des Beamten leide andernfalls Noth. Der Redner führte einige Fälle von Beeinflussungen durch Beamte an, insbesondere einen Brief des früheren Ober⸗Amtmanns von Künzelsau. Der Staats⸗ Minister des Innern, von Schmid, stellte als Grundsatz und politische Maxime der Regierung fest, daß sie wünsche, daß bei den Wahlen die Willensmeinung des Volks in thun⸗ lichster Reinheit zum Ausdruck gelange, und daß sie es als ihre Aufgabe betrachte, zu verhindern, daß von irgend einer Seite eine amtliche Beeinflussung der Wahl sich vollziehe. Aber das werde man zugestehen müssen, daß der Beamte nicht bloß der ideal passive Zuschauer bei den Wahlen sein solle, sondern daß er an seinem Theil auch Rechte, wie Pflichten, nicht etwa bloß der Regierung, son⸗ dern auch dem Staatswesen und seiner gedeihlichen Entwicke⸗ lung gegenüber habe. Der Minister wies sodann nach, daß Dr. Lipp selbst Schuld daran trage, wenn seine Auf⸗ nahme in das württembergische Staatsbürgerrecht so spät erfolgt sei. Was das Schreiben des Ober⸗Amtmanns von Künzelsau betreffe, so habe dieser Ober⸗Amt⸗ mann mit seinem Schreiben die ihm gezogenen Grenzen überschritten, allein die Regierung sei für dieses Schreiben in keiner Weise verantwortlich. Schließlich kam der Minister auf die eigenthümliche Erscheinung zu sprechen, daß in ein⸗ zelnen Bezirken, insbesondere auch im Amt Heilbronn, die Demokratie mit der Sozialdemokratie sich verbunden habe. Der Kommissionsantrag wurde hierauf angenommen. — UMeber die angefochtene Wahl für den Ober⸗Amtsbezirk Eßlingen berichtete der Abg. Sachs. Derselbe beantragte, über die Anfechtung zur Tagesordnung überzugehen, welcher Antrag auch angenommen wurde. Bezüglich der angefochtenen Wahlen für Backnang und Neuenburg wurde gleichfalls zur Tagesordnung übergegangen, mit dem Antrage, die Regierung zu ersuchen, über die behaupteten Ordnungswidrigkeiten Er⸗ hebungen zu machen. Bei der Wahl für den Ober⸗Amts⸗ die Anfechtung darauf gegründet,
.u. (YN.) Die Abgeordnetenkammer verhandelte in der Sitzung vom 18. Juni über beanstandete Abgeordneten⸗
Theil der Wahlzettel aus zufälligen, zunächst nicht beachteten Umständen beim Zerschneiden der Wahlzettel entstanden sei. Der Kommissionsantrag wurde mit 63 gegen 15 Stimmen angenommen.
In der Sitzung vom 19. Juni wurde auf ; der Kommission über die gegen die Wahl für den Ober⸗Amtsbezirk Weinsberg erhobenen Einwendungen zur Tagesordnung über⸗ gegangen und die von Wählern des genannten Bezirks vor⸗ getragene Bitte um Wiedereinführung von Wahlcouvapnts der staatsrechtlichen Kommission überwiesen. Der Abg. Probst und 21 Genossen stellten den Antrag, die Regierung um Einbrin⸗ gung eines Gesetzentwurfs, nach welchem die Entscheidung über
die Gültigkeit der Abgeordnetenwahlen kammer anheimgegeben werden solle, und um Verweisung dieses Antrages an die staatsrechtliche Kommission zu bitten. Der letztere Antrag wurde angenommen. forderungen zum Haupt⸗ und wurden genehmigt 255 unterirdischen württembergisch⸗ badische 200 000 ℳ Beiträge
gehalten und Schulhausbauten; der Bohrversuche auf Steinkohlen bei Sulz; für Verbesserungsbauten 311 874 ℳ Mehrbedarf für den Matritularbeitrag; 24 562 ℳ für Erhöhung der Alterszulagen der Volksschullehrer. Dagegen wurde von einer Forderung von 23 400 ℳ für Arbeits⸗ aushülfe bei den Kameralämtern gehenden Kommissionsantrag, bei namentlicher Abstimmung gegen 33 Stimmen nur der Betrag von 6000 ℳ ewilligt.
Hoheit der Großherzog begab sich gestern früh mit dem 7
uͤber Freiburg, wo der Erbgroßherzog den Reisenden sich anschloß, nach Zell im Wieß
er wohnen. heim zurück, wo neuen evangelischen kehrte.
Ztg.) Se. Hoheit der Herzog traf heute aus der Schweiz
der Abgeordneten⸗
An Nachtrags⸗ inanz⸗Etat sind eingebracht ℳ für Herstellung einer Telegraphenleitung von Stuttgart an die Landesgrenze bei forzheim; an Gemeinden zu Schullehrer⸗ 80 000 ℳ zu Fortsetzung 13 600 ℳ
an den ständischen Gebäuden;
entgegen dem auf Bewilligung
Baden. Karlsruhe, 7. Juli. (Allg. Zt.) Se. Königliche inanz⸗Minister und dem General⸗Direktor der Eisenbahnen
enthal, um der Eröffnung Bahnstrecke Zell — Schönau — Todtnau beizu⸗ Abends fuhr Se. Königliche Hoheit nach Schopf⸗ Fehüderselh. heute der Einweihung der
irche beiwohnte und dann hierher zurück⸗
Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 7. Juli. (Magdb.
Württemberg. “ 6. Juli. Die am 6. d. M. ausgegebene Nummer des „Regierungsblatts für das König⸗ reich Württemberg“ enthält das sinanszge etz für die Finanz⸗ periode vom 1. April 1889 bis 31. März 1891.
8
hier wieder ein und begab sich nach Liebenstein.
6
Großbritannien und Irland. London, 8. Juli. (Allg. Corr.) Der Schah begah sich gestern Nachmittag zu einem Besuch des Marquis von Salisbury nach Hatsield. In den nächsten Tagen wird der Schah noch einigen Peers Besuche abstatten und dann nach Birmingham, Sheffield, Liverpool und Manchester gehen, von wo er nach Paris abzureisen gedenkt. Der persische Premier⸗Minister, Amin⸗us⸗Sultan, erschien gestern in Marlborough House und überreichte dem Prinzen von Wales Namens des Schahs den Kaiserlichen Akdas⸗ Orden und den Prinzen Albert Victor und George von Wales die Insignien des persischen Timsul Humaiom⸗ Ordens mit dem Bildniß des Schahs.
— (W. T. B.) Nach hier eingetroffenen amtlichen Mel⸗ dungen aus Kairo wird die Streitmacht der Derwische von Oberst Woodhouse auf 5000 Mann mit 300 Kameelen veranschlagt; die egyptischen Streitkräfte seien nicht stark ser nug, um die Derwische anzugreifen. Oberst Woodhouse folgt denselben in Dampfern und empfiehlt, eine starke Streitmacht in Assuan zusammenzubringen. Die erforderlichen Vor⸗ bereitungen hierzu seien bereits im Gange.
Frankreich. Paris, 8. Juli. (W. T. B.) Der Marine⸗Minister Krantz hat sich damit einverstanden erklärt, daß die Berathung der Interpellation de Lanessan's über den ungenügenden Zustand des Marine⸗Materials mor⸗ gen stattfinde.
Dem Senat ist der allgemeine Bericht über das Budget vorgelegt.
Vor dem Assisen⸗Gerichtshofe der Seine wurde heute gegen die Journale „Intransigeant“ und „La Presse“ wegen verleumderischer Beleidigung des General⸗ Prokurators Beaurepaire verhandelt; der verantwortliche Herausgeber des „Intransigeant“ wurde zu einem Monat Gefängniß, 1000 Fr. Geldbuße und zu einer Entschädigung von 2000 Fr. verurtheilt, dem Drucker der „Presse“ wurden 300 Fr. Geldbuße und 1000 Fr. Entschädigung auferlegt.
— 9. Juli. (W. T. B.) Im Departement Dordogne haben am Sonntag und Montag anläßlich einer von
aguerre und Déroulsède dahin unternommenen Reise Seitens der Anhänger wie Seitens der Gegner derselben öffentliche Kundgebungen stattgefunden; in Nontron kam es zwischen den Boulangisten und den Anti⸗ boulangisten zu stürmischen Auftritten. In
Italien. Nom, 8. Juli. (W. T. B.) der Deputirtenkammer bemerkte der Minister⸗Präsident Crispi bei der Beantwortung der von Cavallotti am 4. d. M. eingebrachten Interpellation, er habe in Folge der Meinungsverschiedenheiten in der Affaire von Gabez (Tunis) eine Untersuchung angeordnet, welche jedoch ebensowenig, wie die von dem fran⸗ zösischen Vertreter angeordnete bis jetzt beendigt sei. In Betreff des in den istrischen Gewässern vorge⸗ kommenen Zwischenfalls erklärte Crispi, daß der öster⸗ reichische Schiffskommandant, welcher übrigens in die Luft und nicht auf das italienische Schiff „Ida“ geschossen habe, seines Postens enthoben worden sei. Die Verhaftung der beiden Bürger, von denen der eine nicht italienischer Nationalität, der andere ein Deserteur, sei vollkommen gesetzlich, ebenso seien auch die gegen Ausflügler in Triest und in Riva und Trento ergriffenen Maßregeln gerechtfertigt, da gelegent⸗ lich des Ausfluges irredentistische Kundgebungen vorgekommen wären. Die Erklärungen des österreichischen Ministers des Aeußern, Grafen Kälnoky, in den Delegationen seien würdig, klug und weise; Cavallotti selbst hätte in der Stellung Kälnoky's nicht anders sprechen können, denn Würde und Klugheit er⸗ heischten die Aufrechterhaltung der Bündnisse. Der Minister⸗ Präsident erklärte sodann noch hinsichtlich des Katholiken⸗ kongresses, derselbe habe ohne Betheiligung der öster⸗ reichischen Regierung stattgefunden, und verwies in dieser Be⸗ ziehung auf die Erklärungen des Grafen Taaffe gelegentlich der Beantwortung einer Interpellation, worin derselbe die Aufrechterhaltung der Freundschaft mit Italien als Haupt⸗ zweck bezeichnete. — Cavallotti erklärte, von der Antwort des Ministers nicht befriedigt zu sein, stellte jedoch keinen Antrag. Feren beschloß die Kammer die Vertagung bis zum
erbst.
Türkei. Konstantinopel, 8. Juli. (W. T. B.) (Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“.) Nachdem der türkische Spezialbevollmächtigte auf Creta, Mahmud, die Forderungen der unzufriedenen Partei abge⸗
chlagen, de die Bauern in den westlichen Distrikten die Auszahlung des Zehnten verweigert. Die Truppen und die Gendarmerie, welche bei der Einsammlung des Zehnten helfen sollten, haben sich, um Blutvergießen zu vermeiden, vor der Bevölkerung zurückziehen müssen.
Schweden und Norwegen. Christiania, 8. Juli. (W. T. B.) Der Advokat Stang (Rechte) erhielt heute den Auftrag, ein neues Ministerium zu bilden.
Zeitungsstimmen.
Die Sozialdemokraten betrachten bekanntlich das Sparen des Arbeiters als einen volkswirthschaftlichen Fehler. Dem⸗ gegenüber bemerkt die von Dr. Victor Böhmert herausgegebene „Sozial⸗Correspondenz“: 3 Die besten Waffen gegen derartige Lehren sind Hinweise auf solche Fabriken, deren Arbeiter alle ohne Ausnahme sparen und sich freiwillig einen Zwang zum Sparen auferlegt haben. Bei David Peters in Neviges z. B. ist der Sparzwang auch für Erwachsene durch einstimmigen Beschluß der Arbeitervertretung eingeführt; mehrere Male hatten die Arbeiter eine allgemeine Abstimmung über die Frage der Fortdauer dieses Zwanges: sie erklärten sich einstimmig dafür. Ihre Erfahrung muß ihnen wohl gelehrt haben, daß das Sparen kein Fehler ist.
Ein anderes Beispiel gewährt uns der eben erschienene 25. Rechen⸗ schaftsbericht des Spar⸗, Konsum⸗ und Bauvereins der Fabrikgenossen⸗ schaft von P. C. Turck Wwe. in Lüdenscheid. Die Mitglieder dieses Vereins, welche sich freiwillig verpflichten, mindestens 5 % ihres Lohnes zu ind von 93 i. J. 1864 auf 649 angechnchern deren Guthaben betrug am 1. Januar 1889 einschließlich Dividenden und Prämien 192 690 ℳ So haben z. B. 8 Wittwen Guthaben zwischen 728 und 1704 ℳ, 6 Jungfrauen zwischen 538 und 763 ℳ, 4 Jüng⸗ linge zwischen 951 und 1547 ℳ, 5 Mädchen konnten zu ihrer Hochzeit zwischen 200 und 450 ℳ Sparkapital erheben; ein Mitglied sparte 88 130 ℳ, ein zweites 156, ein drittes 165, ein viertes gar Wenn die sozialistischen Lehrer die Sparsamkeit aus eigener Praxis ebenso gut kennten, wie diese Arbeiter, so würden sie anders
darüber schreiben. Oder was noch wahrscheinlicher ist, sie würden
“
keine Sozialdemokraten mehr sein, nicht mehr in Phantasiegebilden suchen, was in der gegenwärtigen Welt bereits zu finden ist. Bluntschli sagt: „Eine Spareinlage ist ein Damm gegen kummunistische Ge⸗ lüste. Keiner der nach Schluß der Pariser Nationalwerkstätten gefangenen und gefallenen Arbeiter hatte ein Sparbuch.“
Der „Düsseldorfer Anzeiger“ wirft aus Anlaß des Zustandekommens des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ Gesetzes einen Rückblick auf die zehn Jahre Sozial⸗ politik, welche nunmehr hinter uns liegen. Einleitend schreibt er in einem ersten Artikel:
„Den Ausgangspunkt unserer Sozialpolitik bildet das Jahr 1878. Die sozialistische Bewegung hatte damals so weit um sich gegriffen, batte einen so hohen Grad erreicht, daß die preußische Regierung sich zu gesetzgeberischen Maßnahmen gegen den gemeingefährlichen Charakter dieser Bestrebungen genöthigt sah. Bei den hierauf ge⸗ richteten Erwägungen brach sich zugleich die Erkenntniß Bahn, daß die Repression allein keine genügende Abhülfe darstellen könne, sondern daß die letztere vorzugsweise auf dem Gebiet positiven Schaffens zu suchen sei. Die Mordversuche gegen den Hochseligen Kaiser Wilhelm bezeichneten den Höhepunkt jener Bewegung. Sie öffneten der Nation die Augen und ließen sie in den Abgrund blicken, an dessen Rand man gelangt war. Ward daher einerseits das Verlangen allgemein, die bedrohte Gesellschaftsordnung mit hinreichendem Schutz gegen die ihr nahenden Gefahren umgeben zu sehen, so gewann andererseits die Ueberzeugung mehr und mehr Boden, daß eine Aussöhnung der entstandenen Gegen⸗ sätze angestrebt werden und auf eine Ausfüllung der Kluft Bedacht genommen werden müsse, die zwischen Besitzenden und Besitzlosen, zwischen Arbeitern und Arbeitgebern sich geöffnet hatte. Dies konnte nur dadurch bewirkt werden, daß eine Hauptquelle der Armuth und Verarmung, die Erwerbslosigkeit, verstopft wurde.“
Weiter wird auf die dasselbe Ziel verfolgenden Versuche einer weiteren Ausgestaltung des Haftpflichtgesetzes hingewiesen und dann bemerkt: 3
„Aber diese Anläufe erwiesen sich bald als aussichtslos. Auf dem gewöhnlichen Rechtswege war eine so große Aufgabe wie die, welcher Staat und Gesellschaft sich gegenüber gestellt sahen, nicht zu lösen: es war vielmehr ein neues soziales Recht zu schaffen, welches einen allgemeinen Versicherungszwang be⸗ gründete und das Prinzip der öffentlich⸗rechtlichen Versicherung als wirksamstes Vorbeugungsmittel gegen die Erwerbslosigkeit einführte. Es war damit ein neuer Kreis von Rechten und Pflichten eröffnet, der die gesammten arbeitenden Klassen der Nation in seinen Rahmen einschloß. Im März 1881 gelangte die erste derartige Vorlage an den Reichstag, welche den Wohlfahrtszweckdes Staats den bisherigen Staatszwecken einreihte und auf den ihm gebührenden Platz erhob. Die damalige Vorlage, welche eine Reichs⸗Versicherungsanstalt und einen Reichs⸗ zuschuß einführen wollte, ward vom Reichstage zwar in einer Form angenommen, welche die Zustimmung des Bundesraths nicht finden konnte, aber immerhin war über den Grundsatz des Versicherungs⸗ zwangs volle Uebereinstimmung erzielt und damit die wesentlichste Grundlage der ganzen Gesetzgebung, die Ersetzuns der Haftpflicht durch öffentlich⸗rechtliche Versicherung, sichergestellt. Dem nächsten Reichs⸗ tage, im November desselben Jahres, ging dann die Kaiserliche Botschaft zu, welche einen Markstein in der Entwickelung nicht nur des Deutschen Reichs, sondern der gesammten Kulturarbeit unserer Zeit bezeichnet und als einer der hellsten Sterne im Ruhmeskranze unseres Königs⸗ bauses durch die Jahrhunderte leuchten wird. In Erfüllung dieser Botschaft ward dem Reichstage ein Unfallversicherungsgesetz und ein Krankenversicherungsgesetz vorgelegt. Der Reichstag ging nur langsam an die so folgenschwere Arbeit, welche durch das Ueberwiegen oppositioneller Elemente nicht unerheblich verzögert wurde. Erst am 15. April 1883 konnte das Krankenversicherungs⸗ gesetz verkündet werden, welches in den 6 Jahren seines Bestehens sich so eingelebt hat, daß, wie noch kürzlich ein Redner im Reichs⸗
tage hervorgehoben, heute Niemand es entbehren möchte. Die Er⸗ ledigung des Unfallversicherungsgesetzes wurde von dem greisen Kaiser durch eine besondere Botschaft an den Reichstag vom 14. April 1883 dem letzteren nochmals nachdrücklich an das Herz gelegt, doch entschboß die Regierung sich zu einer erneuten Um⸗ arbeitung der Vorlage, welche im März 1884 vorgelegt wurde und am 11. Juni 1884 als Gesetz verkündet werden
konnte. Aber mit der schwierigen Gesetzgebungsarbeit war es nicht
gethan. An dieselbe schloß sich die fast noch schwierigere Ausführungs⸗ und Organisationsarbeit, durch welche den Arbeitern die Wohlthaten namentlich der Unfallversicherung zugewendet werden konnten, „sie machte eine Reihe weiterer Gesetze und Ausführungsverordnungen er⸗ forderlich.“
Ueber den Einfluß der deutschen sozialpolitischen Gesetzgebung auf andere Staaten schreibt die „Kölnische Zeitung“: 1“ 8
„Unter dem unabweisbaren Einfluß der sozialpolitischen Gesetz⸗ gebung des Deutschen Reichs beginnt auch in den nichtdeutschen Staaten die Erkenntniß durchzudringen, daß der Staat berechtigt sei, zu wirthschaftlichen Zwecken von seiner Zwangsgewalt Gebrauch zu machen. Die französischen Kammern haben in den letzten Tagen einem Gesetzentwurf ihre Zustimmung gegeben, welcher die Kranken⸗ und Altersversicherung der in Bergwerken beschäftigten Arbeiter von dem Standpunkt des Versicherungs⸗ zwangs aus durchführt. Für ein Land, in welchem die Abneigung gegen die staatliche Regelung der wirthschaftlichen Verhältnisse noch so groß ist wie in Frankreich, dessen tonangebende Wirthschafts⸗ politiker sich noch immer in den ausgefahrenen Geleisen der Lehre von dem freien Wettbewerb der Kräfte bewegen, ist diese erste An⸗ erkennung des Zwangs als Erziehungsmittels ein sehr bedeutsamer Vorgang, der mit Nothwendigkeit früher oder später zu weiteren Maßregeln dieses Inhalts führen wird und muß. Man hat sich auch in der französischen Kammer grundsätzlich gegen die Berechti⸗ gung des Versicherungszwangs erklärt und vor den bedenklichen Folgen gewarnt, die hieraus entstehen würden. Allein die Stimme dieser Prediger des „freien Spiels der Kräfte“ verhallte ungehört und die Mehrheit der Abgeordneten stimmte der Einführung des Versicherungszwangs zu. Bekanntlich ist auch in England in den letzten Jahren die grundsätzliche Abneigung gegen den Zwang sehr merklich in den Hintergrund getreten. Wenn aber in den beiden Staaten, die man mit Fug und Recht noch heute als die Hoch⸗ burgen der Manchesterlehre bezeichnen kann, der Grundgedanke, auf welchem die deutsche sozialpolitische Gesetzgebung beruht, mehr und mehr Beifall findet, wenn sich die öffentliche Meinung und die Ge⸗ setzgebung mit ihm zu befreunden beginnt, so darf dies wohl als ein zwar nicht nothwendiger, aber doch immerhin nicht zu verwerfender Beweis für die Richtigkeit und Nützlichkeit derselben angesehen werden. Dem winzigen, je länger je stärker zusammenschmelzenden 8 der n des Versicherungszwangs in Deutschland, die in bochtönenden Worten von einem „logischen Nihilismus“ und ähn⸗ lichen Dingen sprechen, sollten diese Vorgänge in Frankreich doch wohl zu denken geben!“
Statistische Nachricten.
““
Sterblichkeitz⸗ und Gesundheitgverhältnisse. Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗
8
heitsamts sind in der Zeit vom 23. bis 29. Juni cr. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gest orben gemeldet: in Berlin 32,8, in Breslau 34,3, in Königs⸗ erg 35,4, in Köln 43,0, in Frankfurt a. M. 26,1, in Wiesbaden 19,3, in Hannover 26,0, in Kassel 25,9, in Magdeburg 52,1, in Stettin 44,5, in Altona 22,2, in Straßburg 20,8, in Metz 23,7, in München 28,7, in Nürnberg 35,9, in Augsburg 32,3, in Dresden 25,6, in Leipzig 29,8, in Stuttgart 18,7, in Karlsruhe 22,7, in Braun⸗ schweig 27,0, in Hamburg 27,1, in Wien 23,6, in Pest 28,8, in rag 24,8, in Triest 18,4, in Krakau 32,5, in Amsterdam 25,2, in rüssel 21,0, in Paris 20,2, in Basel —, in London 15,2, in
Glasgow 21,6, in Liverpool 20,5, in Dublin 23,2, in Edinburg 14,3, in Kopenhagen 21,7, in Stockholm 21,0, in Christiania 32,0, in St. Petersburg 29,5, in Warschau 37,3, in Odessa 26,9, in Rom —, in Turin —, in Venedig 26,0, in Alexandria —. — Ferner in der Zeit vom 2. bis 8. Juni cr. in New⸗York 23,2, in Se 19,4, in Baltimore 14,0, in Kalkutta 25,1, in Bombay ,5, in Madras 48,5. b b
Die Sterblichkeitsverhältnisse blieben auch in dieser Berichtswoche in den meisten Großstädten Europas, namentlich in den deutschen, keine günstigen, wenn auch in einer Anzahl der letzteren (wie in Berlin, München, Breslau, Königsberg, Danzig, Braunschweig u. a. O.) die Sterblichkeit etwas kleiner als in der Vorwoche wurde Einer sehr geringen Sterblichkeit (bis 15,0 pr. M.) erfreuten sich nur Lübeck, Mainz und Edinburg. Günstig (bis 20,0 pr. M.) war die Sterb⸗ lichkeit in Wiesbaden, Stuttgart, Bremen, Triest, London. Auch in Altona, Karlsruhe, Straßburg, Brüssel, Paris, Kopenhagen, Stock⸗ holm, Glasgow, Liverpool war die Sterblichkeit eine mäßig hohe (etwas über 20,0 pro Mille). Aus Köln, Königsberg, Magdeburg, Stettin, Nürnberg, Feere. Charlottenburg, Potsdam, Halle wurden von den deutschen Städten sehr hobe (über 35,0 pro Mille) Sterblich⸗ keitsziffern berichtet. — Die hohe Sterblichkeit wurde auch in dieser Woche durch die zahlreichen Todesfälle an Darm⸗ katarrhen und Brechdurchfällen hervorgerufen, welche, wenn sie auch in einigen Städten (wie in Berlin, Breslau, Königsberg, Straßburg) abzunehmen beginnen, doch noch immer fast in allen größeren Orten, außer den bereits genannten, in Köln, Magde⸗ burg, Muͤnchen, Hamburg, Dresden, Leipzig, Stettin. Braunschweig, Wien, St. Petersburg, Warschau, London, Paris u. a. ungemein zahlreiche Opfer dahinrafften. — Der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb ein hoher, doch wurde er in Berlin und München ein kleinerer. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 207, in München 131 Sänglinge. Dagegen führten akute Entzündungen der Athmungsorgane seltener zum Tode. — Von den Infektionskrankheiten gelangten Todesfälle an Keuchhusten, Unterleibstyphus und Pocken häufiger, an Masern, Scharlach und Diphtherie weniger zur Mittheilung. — So baben Todesfälle an Masern in Breslau, Frankfurt a. M., München, Nürnberg, Wien abgenommen, während sie aus Köln, Paris, London, St. Petersburg etwas häufiger zur Anzeige kamen; auch neue Erkrankungen wurden aus Breslau, Wien, St. Petersburg und aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf in geringerer, aus Pest und Christiania in etwas gesteigerter Zahl berichtet. — Das Scharlachfieber wurde in Königsberg und St. Petersburg häufiger, in London seltener Todesursache. Erkrankungen kamen aus Berlin, Wien, Kopenhacen etwas zahlreicher, aus St. Petersburg seltener, aus Hamburg und Edinburg in fast gleicher Zahl wie in der Vorwoche zur Berichterstattung. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Wien, Pest und St. Petersburg eine etwas gesteigerte, dagegen in Breslau, Königsberg, Magdeburg, Hannover, Stettin, Braunschweig, Kopen⸗ hagen, London eine verminderte, in Paris fast die gleich hohe, wie in der Vorwoche. Erkrankungen wurden aber aus Berlin, Breslau, Hamburg, Nürnberg, dem Regierungsbezirk Schleswig, Pest und St. Petersburg in größerer, aus Kopenhagen in wenig gegen die Vorwoche verminderter Zahl gemeldet. Sterbefälle an Unter⸗ leibstyphus waren in London, Paris und St. Peters⸗ burg gesteigert, auch neue Erkrankungen wurden aus Berlin und Pest in größerer, aus St. Petersburg in etwas verminderter Zahl zur Anzeige gebracht. An Flecktyphus kamen aus Danzig, Warschau je 1, aus St. Petersburg und Odessa je 2 Todesfälle, aus Edinburg und St Petersburg auch je 1 Erkrankung zur Mittheilung. Epidemische Genickstarre veranlaßte in Breslau 1 Todesfall, im Reg.⸗ Bezirk Aurich eine Erkrankung. — Der Keuchhusten forderte in Berlin und St. Petersburg weniger, in London, Liverpool, Paris mehr Opfer. — Vereinzelte Todesfälle an Pocken kamen aus Berlin, Wien und seinen Vororten, aus Brünn, Lemberg, Lyon, mehrfache aus St. Petersburg, Prag, Venedig und Warschau zur Anzeige; Erkrankungen aus Breslau 1, aus Berlin 2, aus Wien 3, aus Pest 4.
Der Gesundheitszustand in Berlin war auch in dieser Berichts⸗ woche kein günstiger und die Sterblichkeit eine hohe, wenn auch eine gegen die letzten Vorwochen verminderte. Noch immer war die Zahl der zum Vorschein kommenden uund tödtlich endenden Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder eine bedeutende, wenn auch die Zahl der Sterbefälle von 679 der Vorwoche auf 408 zurückging. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb eine hohe, wenngleich auch sie erheblich geringer war, als in den Vorwochen. Akute Entzündungen der Athmungsorgane riefen weniger Erkrankungen hervor. Unter den Infektionskrankheiten haben Masern, Scharlach, Diphtherie und typhöse Fieber etwas mehr Erkrankungen als in der Vorwoche veranlaßt, doch kamen sie in keinem Stadttheile in nennenswerther Zahl zum Vorschein, nur die Diphtherie zeigte sich in der jenseitigen Luisenstadt und in Moabit häufiger. Rosenartige Ent⸗ zündungen des Zellgewebes der Haut veranlaßten etwas mehr Er⸗ krankungen; Erkrankungen im Wochenbett kamen nur wenige zur An⸗ zeige; dagegen wurden 2 Erkrankungen und 1 Todesfall an Pocken gemeldet. Das Vorkommen von Keuchhusten blieb ein beschränktes, der Verlauf überwiegend ein milder. Rheumatische Beschwerden aller Art zeigten gegen die Vorwoche keine wesentliche Veränderung.
Kunst und Wissenschaft.
Gegenwärtig ist das von dem Münchener Künstler v. Miller angefertigee Modell zu dem auf der Esplanade in Metz zu errichtenden Denkmal für Kaiser Wilhelm I. in einem Saale des Bezirkspräsidiums zur allgemeinen Ansicht aufgestellt. Das mit allem Zuhebör an 1,50 m hohe Modell zeigt, auf kräftig ausschreitendem Pferde mit starker Mähne und langem Schweife, die verehrte Gestalt weiland unseres Kaisers in späteren Lebensjahren, doch in voller Rüstigkeit, mit dem vorne offenen Feldmantel bekleidet, zur Uniform die Pickelhaube auf dem Haupte, letzteres etwas nach links gerichtet, der rechte Arm mit der halbgeöffneten Hand ausgestreckt nach der Ferne weisend, keine gebieterische oder herrische, sondern eine unge⸗ mein freie und natürliche Bewegung, wie die der ganzen Kaiserlichen Gestalt. Alles Einzelne bei sprechend ähnlichen Gesichtszügen ist meisterhaft gearbeitet und durchgeführt, namentlich ist auch dem Falten⸗ wurf des Mantels, von rückwärts gesehen, eine der Körperform folgende, ganz vortreffliche Form gegeben. Das in abgerundeten
ormen erscheinende Piedestal des Erzbildes, für die Aus⸗ ührung in auserlesenem Gestein zu denken, wird auf der Vorderseite durch zwei Knabengestalten (in antiker Wapp⸗ nung) sehr angemessen verziert, welche über einem sehr schön wirkenden Renaissance⸗Wappenschilde die Kaiserkrone halten, auf dem Schilde die Inschrift „Wilhelm I.“ Die entsprechende Rückseite ist der Widmungsinschrift vorbehalten. Dazu sind an den Längsseiten des Sockels links und rechts in länglich viereckigen Rahmen Relief⸗ Gußbilder vorgesehen: der „Kronprinz“ (Kaiser Friedrich III) bei seinem letzten Besuch in Metz,, Volksscene auf dem Kaiser⸗ Wilhelm⸗Platz 1886), und zweitens Prinz Friedrich Carl zu Pieaze an der Spitze seiner Truppen zum Angriff vorgehend. ie Ausführung des Modells, das hier allgemein Anklang findet, erfordert einen Kostenaufwand von 150 000 ℳ Bis jetzt haben die Sammlungen bereits gegen 120 000 ℳ ergeben. G
— In Sparta, unweit des alten Amypklai, hat nach der „Berl. Phil. Wochenschr.“ der griechische Gelehrte Tsonntas ein altes Grab aufgedeckt, das ungewöhnlich reiche Ernte schon geliefert hat und noch weiter verheißt. Das Grab bestand, ähnlich wie das Grab bei Mykenai, welches unter dem Namen „Schatzhaus des Atreus“ bekannt ist, aus einem durch Ueberragen der ein⸗ zelnen Steine gebildeten bienenkorbförmigen unterirdischen Kuppelbau, zu dessen Eingang ein langer, gleichfalls ge⸗ mauerter Gang, Dromos genannt, führte. Diesen Gang hat Tsonntas bereits aufgedeckt und er ist in das Kuppelgrab vor⸗ gedrungen, dessen Wölbung zwar eingestürzt sein, dessen Inhalt aber sonst unberührt ausbewahrt sein soll. Nach dem, was bis jetzt darüber gemeldet wird, scheint es das von den
bisher ausgegrabenen Denkmälern seiner Art zu sein, was mit der Vermuthung Otfried Müller's zusammenpaßt, daß hier ein achäisches Fürstengrab vorliegt (bekanntlich saßen vor dem Ein⸗ dringen der Dorier in den Peloponnes überall Achäer dort; das Königsgeschlecht der in Sparta wohnenden Achäer hatte seinen Sitz in Ampklai). Die großen Gräber von Mykenai werden freilich mindestens eben so reich gewesen sein, allein den gol⸗ denen Inhalt des größten hat Veli Pascha, der glückliche Finder, ein⸗ schmelzen lassen, und die Steindenkmale hat er nach England an Lord North verkauft. Tsonntas fand im Innern des Grabes gleich in den ersten Tagen zwei goldene Becher mit Reliefs, gegen 30 geschnittene Steine, einige Amethyste, drei goldene Ringe, Schwerter, Messer, eine Axt und verschiedene kleine Gegenstände. Die Schalen sollen allein mehr als 400 g Goldgewicht haben. Man kann auf weitere Nachrichten sehr gespannt sein. 1 — Ueber neue Ausgrabungen in Eleusis schreibt im letzten Heft der „Athenischen Mittheilungen“ der erste Sekretär vom Archäologischen Institut in Athen, Dr. Dörpfeld: „Nachdem die ältere griechische Grenzmauer des heiligen Bezirks (aus ungebrannten Lehmziegeln auf einem Fundament und Sockel von Kalkstein bestehend) aufgedeckt war, galt es, zu untersuchen, ob noch Reste eines griechischen Thores erhalten seien. In der That fanden sich bei Tiefgrabungen unter dem römischen, von Appius Clau⸗ dius Pulcher errichteten Propylon noch wohlerhaltene Reste eines großen Thurmes, welcher den älteren, nicht als Prachtthor, sondern als Festungsthor ausgebildeten Eingang zum heiligen Bezirk flankirte. Außerhalb der großen Propyläen wurde ein sehr geräumiger, mit Steinplatten gerflasterter Vorhof aufgefunden, von dem vorläufig nur ein Theil aufgedeckt werden konnte. An der Grenze dieses Vorhofes stehen einander gegenüber die Reste zweier Triumphbogen, welche die Gesammtheit der Griechen dem Kaiser und den beiden Göttinnen geweiht hatte. Es befindet sich neben dem östlichen dieser Triumphbogen ein Wasserbehälter, welcher mit einer größeren Anzahl von Ausgüssen und entsprechenden Wasser⸗ becken versehen war. Diese Anlage erinnert lebhaft an ähnliche Einrichtungen in den Vorhöfen der modernen türkischen Moscheen. Die alten eleusinischen Mysten werden sich wohl in ähnlicher Weise wie die Türken einer Waschung haben unterziehen müssen, bevor sie das Heilig⸗ thum betreten durften. In der Mitte des Vorhofes liegen die längst bekannten Fundamente eines Tempels der Artemis Propylaia. Süd⸗ westlich von den großen Propyläen fanden sich wohlerhaltene Reste von Privatwohnungen mit interessanten Wandmalereien aus römischer Zeit. Bei den Tiefergrabungen im südlichen Theil des Bezirks wurden mehrere sehr alte Mauern aufgedeckt. Außerdem ergab sich, daß dieser ganze Theil, welcher das Buleuterion und ene Säulenhalle enthielt, ursprünglich nicht zum Bezirk gehörte. Letzterer schloß vielmehr im Süden schon mit dem mittleren der drei runden Thürme an der Ostmauer ab. Die Erweiterung des Bezirks und die Erbauung des dritten, südlichen Rundthurmes, sowie der anstoßenden Festungsmauer fällt aber noch in griechische Zeit, vielleicht ins vierte Jahrhundert. Schließlich wurde noch außer⸗ halb des heiligen Bezirks bei der Kapelle des heiligen Zacharias ge⸗ graben, wo man seit der Auffindung des berühmten eleusinischen Reliefs einen Tempel des Triptolemus anzusetzen pflegte. Anstatt eines alten Tempels kamen nur geringe Reste eines römischen Privathauses und die Fundamente einer großen bpzantinischen Kirche ans Licht. Als Fuß⸗ boden dieser Kirche hat das bekannte Relief mit vielen anderen Marmorplatten gedient. Es wird aus dem heiligen Bezirk dorthin verschleppt worden sein. Die Ansetzung des Triptolemustempels bei der Zacharioskapelle ist demnach unrichtig. — Eine Ausstellung von Alphabeten wird in nächster Zeit im Londoner British Museum stattfinden, die den Ursprung und allmähliche Entwickelung der verschiedenen Schreibsysteme nach⸗ weisen soll. In einem großen Kasten sind in drei über einander liegenden Abtheilungen chronologisch die Alphabete geordnet. Zuerst die verschiedenen egyptischen Schreibweisen, die hieroglyphische, die priesterliche und die volksthümliche, diesen folgen die egyptisch⸗phöni⸗ zischen, welche beweisen, wie von Egypten über Phönizien das Alphabet nach Griechenland gelangte; dann kommen chal⸗ däische und assyrische, die Keilschrift der Perser und die verschiedenen Schreibformen der Chinesen. In einer der letzte⸗ ren ist eine Inschrift vorhanden, die 1400 v. Chr., entstanden ist. Nun folgen die Alphabete der Sprachen, die aus dem Chinesischen her⸗ geleitet sind, wie annamitisch, japanesisch u. s. w. Eines derselben, unter der Bezeichnung Niuchi bekannt, ist äußerst eigenthümlich und verdankt einem der Vorfahren der Manchu⸗Dynastie, die jetzt in China berrscht, sein Enistehen, ist jedoch ganz ausgestorben. Alphabete verschiedener semitischer Sprachen sind dann zu sebhen, die umfassende Klasse indischer Handschriften, darunter die von Holländisch⸗Ostindien, attische Systeme, einschließlich einer altgriechischen Inschrift, die aus dem Jahre 600 v. Chr. stammt. Lateinische Schriftformen, unter denen sich der Ravenna⸗ Papyrus und andere alte Schriftproben befinden, runische und schließ⸗ lich koptische: alle diese füllen die obersten beiden Abtheilungen des Kastens. In der untersten befinden sich berühmte Beispiele für die verschiedenen Systeme, wie eine Wiedergabe des großen egyptischen Rituals „Das Buch der Todten“, ein wahrecs „oeuvre de luxe“, das vor Kurzem in einem egyptischen Grabe gefunden wurde; eine
Nebukadnezar in der priesterlichen Schreibweise und viele andere.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Im Regierungsbeziik Marienwerder hat sich die Lage der ländlichen Grundbesitzer in der letzten Zeit keineswegs günstiger ge⸗ staltet. Zwar haben die Landwirthe ihre Erzeugnisse zu höheren Preisen wie früher verwerthen können, dafür waren aber die geernteten Mengen geringer.
Land entfallende Veranlagungssoll wiederum um 2700 ℳ zurück⸗
2 Güter von 500 — 1000 ha. ück gingen von Polen auf Deutsche, 2 Grundstücke mit 43 ha 97 a 20 qm
Besitzstand unverändert blieb.
für die landwirthschaftlichen Erzeugnisse hauptet, der gute Stand der Winterfrucht hat nur einen geringen
Gerste hat sich gehalten, dagegen ist der Vieh 1 worden, und die Preise sind namentlich für Jungvieh und Milchkühe
dauern fort.
bringt das von der Generaldirektion der Königlich italienischen eingehender Angaben. Die „Stat. Corr.“ entnimmt Quelle, daß im Durchschnitt der Jahre 1879—83,
lichen Früchten in Italien die größte Fläche dem Anbau des Weizens eingeräumt ward. Die Fläche wurde nämlich in jenem Zeitraum auf 4 433 741 ha geschätzt, während mit Roggen nur 160 686 ha besäet waren. Nächst dem Weizen beanspruchte der Mais die größte Anbaufläche (1 893 117 ha).
periode die übrigen Halm⸗ und Hülsenfrüchte angebaut, indem geschätzt Gerste auf 346 782 ha, beim Reis auf 201 807 ha, bei den Hülsen⸗
früchten (Erbsen, Bohnen, Lupinen u. s. w.) auf 720 619 ha, beim
mit diesem letzteren bestandene
In verhältnißmäßig geringerem Umfange wurden in der Berichts⸗
wurde die betreffende Fläche: beim Hafer auf 444 960 ha, bei der
Abschrift von dem Rofetta⸗Stein, Inschriften von Sennaherib und
Ein Syvmptom für den Rückgang der landwirth- schaftlichen Verhältnisse bildet die Thatsache, daß bei der Einkommen-⸗ steuerveranlagung für das Steuerjahr 1889/90 das auf das platte
gegangen ist, wogegen sich dasselbe bezüglich der Städte um 9936 ℳ ehoben hat. In den Monaten Februar, März und April kamen zur wangsversteigerung 43 landwirthschaftlich benutzte Grundstücke mit
3610 ha 80 a 38 qm Fläche; hiervon waren 35 Besitzungen unter
100 ha, 4 Güter von 100 — 200 ha, 2 Güter von 200 — 500 ha und
3 Grundstücke mit 84 ha 19 a 50 am
von Deutschen auf Polen über, während im Uebrigen der nationale
— In dem Regierungsbezirk Kassel haben sich die Preise im Allgemeinen be⸗-
Rückgang für Weizen und Roggen zur Fiolge behese Hafer und andel ein regerer ge⸗-⸗
gestiegen. Im Uebrigen ist die Lage der Landwirthschaft unverändert 8 geblieben, die Klagen über die Höhe der Arbeits⸗ und Dienstlöhne
— Ueber Italiens Anbauflächen und Ernte⸗Erträge
Statistik herausgegebene „Annuario statistico italiano, e dieser „ der jüngsten Periode, für welche desfallsige Erhebungen vorliegen, von sämmt⸗
88
8