an Bord zurück. In die eingegangene Post und ließen Sich Vorträge halten.
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dder Ministerial⸗Direktor im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten, Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath de la Croix, nach Langeoog.
Richtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 15. Juli. Ueber die Reise Sr. Majestät des Kaisers und Königs erhalten wir weiter folgenden Bericht: Das Wetter hatte sich über Nacht bis zum frühen Morgen des Montag, 8. Juli, wenig geändert; noch immer standen mit südlichem Winde schwere Regenwolken am Himmel. Um 5 ½ Uhr verließ die Nacht Eid Fjord und dampfte nach Eide, wo um 7 ¾ Uhr geankert wurde. Mit Rück⸗ sicht auf die unsichere Witterung nahmen Se. Majestät, Allerhöchstwelcher mit dem Ankern im besten Wohlsein an Deck gekommen war, von der beabsichtigten Route nach Voß⸗ vangen Abstand und befahlen für 9 ½ Uhr Morgens, nach Expedition einiger Depeschen, die Weiterfahrt nach Bergen. Auf dem Wege dahin nahmen Allerhöchstdieselben mehrere Vorträge entgegen. Um 4 Uhr ankerte die Nacht in Bergen, woselbst Theile des englischen Kanalgeschwaders an⸗ getroffen wurden. Da Se. Majestät das Incognito gewahrt wissen wollten, fanden keinerlei Ceremoniels statt. Während Se. Majestät gestatteten, daß das Gefolge die Stadt in Augenschein nahm, setzten Allerhöchst⸗ dieselben Sich mit einigen Herren des Gefolges in die Dampfpinasse und umfuhren die Schiffe des englischen Geschwaders in nachstehender Reihenfolge: Panzerschiffe „Monarch“, „Anson“, Flaggschiff des Contre⸗Admirals Darcy⸗ Irwink „Northumberland“, Flaggschiff des Vize⸗Admirals Baird Aviso „Curlew“ und Panzerschiff „Iron Duke“. An Bord des Panzerschiffs „Northumberland“ fuhren Se. Majestät längsseit, um den Admiral zu sprechen, betraten jedoch das Schiff nicht, da der Admiral nicht an Bord war. Demnächst fuhren Se. Majestät mit der Dampfpinasse auch noch in den inneren Kriegshafen, besuchten den Handelshafen und kehrten nach 1 ½ stündiger Fahrt gegen 8 ½ Uhr wieder den Abendstunden erledigten Se. Majestät
Am folgenden Tage, Dienstag, den 9. Juli, erschienen Se. Majestät der Kaiser und König gegen 7 ½ Uhr im besten Wohlsein an Deck und befahlen zu 81⁄½ Uhr, nach Abfertigung des Couriers, die Weiterfahrt nach dem Sogne Fjord. Vor dem Abgange ließen Se. Majestät die Nacht noch um das englische Geschwader fahren, welches die preußische National⸗ hymne und die Wacht am Rhein beim Passiren auf den Admiralschiffen und dem Panzerschiff „Monarch“ spielte. Die Yacht dippte alsdann bei dem Panzerschiff „Northumberland“ auf Befehl Sr. Majestät die Flagge, welcher Gruß sofort er⸗ widert wurde, und dampfte mit hoher Fahrt nördlich. Auf der Reise nahmen Se. Majestät sowohl Vor⸗ wie Nachmittags Vorträge entgegen. Um 7 ¾ Uhr Abends ankerte die Nacht im Naerö Fjord bei Gudvangen. Se. Majestät begaben Sich in Marine⸗Uniform (Jacket) sogleich an Land und unternahmen mit Gefolge einen etwa 1 ½2stündigen Spaziergang ins Naerö⸗ Die Witterung war an diesem Tage andauernd schön.
— Se. Majestät der Kaiser und König besuchten, wie „W. T. B.“ aus Christiania meldet, am Freitag die „Färlands Fjorden“ und setzten sodann die Reise fort. Mittags kamen Allerhöchstdieselben in Molde an. Am Sonnabend Nachmittag 5 ½ Uhr sind Se. Majestät sodann von Molde direkt nach Trondhjem abgereist und Abends um 10 Uhr daselbst eingetroffen. Gestern früh um 6 Uhr beabsichtigten Se. Majestät Sich ans Land zu begeben.
— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta empfing in Koblenz den Fürsten und die Fürstin Salm Reiferscheidi Dyck sowie den Fürsten Hasseldt⸗llden⸗ urg.
Den Kammerherrndienst hat der Königliche Schloßhaupt⸗ mann Graf Westerholt übernommen.
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“ 1 8 v111
— Der Bundesrath hat in der Sitzung vom 5. v. M. — §. 295 der Protokolle — beschlossen, „daß die Versendungs⸗ scheine I die Branntweinsendungen, über welche sie ausgefer⸗ tigt sind, jederzeit zu begleiten haben und daß, falls der Branntwein mit Versendungsschein 1 ohne amtlichen Verschluß oder Beamtenbegleitung abgelassen worden ist, die ausgestellten Frachtbriefe oder Konnossamente dem Empfangsamt mit vorzulegen sind.“ Durch Verfügung des Finanz⸗Ministers vom 9. Juli sind die Provinzial⸗ Steuer⸗Direktoren, der General⸗Inspektor ꝛc. Grolig in Erfurt und die Königliche Regierung zu Sigmaringen veranlaßt worden, die Steuerbehörden demgemäß an uweisen und eine entsprechende Bekanntmachung durch di egierungs⸗Amts⸗ blätter zu erlassen, auch den Eisen ahnbehörden Mittheilung von der getroffenen Bestimmung zu machen.
— Die den Bewohnern der Grenzbezirke für Mühlenfabrikate in Mengen von nicht mehr als 3 kg gewährte Zollfreiheit (Zolltarif v. 24. Mai 1885 Anm. u Nr. 25 — 2: „vorbehaltlich der im Falle eines Miß⸗ rauchs örtlich anzuordnenden Aufhebung oder Beschränkung dieser Begünstigung“) ist, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, II. Strafsenats, vom 12. April d. J., eine unb edingte. Die Bewohner der Grenzbezirke können daher Mühlenfabrikate in Quantitäten von 3 kg oder weniger zoll⸗ frei einführen, ohne Unterschied, ob sie eine Verwendung für den eigenen Bedarf bezwecken oder nicht.
— Der Staats⸗Minister Dr. Freiherr Lucius von
Ballhausen ist zum Ehrenbürger der Stadt Erfurt er⸗ nannt worden.
— Der Königlich württembergische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Graf von Zeppelin, hat einen ihe⸗ von — bis Mitte September d. J. bewilligten Urlaub ngetreten.
— Der Königlich rumänische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe, Gregor J. Ghika, hat einen Urlaub an⸗ etreten. Hährend der Abwesenheit desselben fungirt der egations⸗Rath Demetrius J. hica als Geschäftsträger.
— Der General⸗Inspecteur der Fuß⸗Artillerie, General⸗ Lieutenant von Roerdansz, ist von einer Dienstreise
— Der Inspecteur der Feld⸗Artillerie, General⸗Lieutenant Jacobi, hat eine Dienstreise angetreten.
— Der —— s⸗Assessor Cosack ist der Königlichen Regierung zu Königsberg und der Regierungs⸗Assessor Graf von Sch lieffen dem Königlichen Polizei⸗Präsidium zu Berlin überwiesen worden.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. Müllerheim, Krakauer, Dr. van Ackeren, von Manger, Dr. Below, Ludw. Friedländer, sämmtlich in Berlin, Dr. Glitsch in Niesky, Dr. Feige in Rengersdorf, Dr. Eschweiler in Seidorf, Dr. Gottschalk in Wolkramshausen, Dr. Ebert in Suhl, Dr. Fichtel in Linden, Wehland in Ahlden, Dr. Sievers
in Uelzen.
Bayern. München, 12. Juli. (Allg. Ztg.) Prinz und Prinzessin Leopold sind gestern Nacht von ihrem mehrtägigen Ausfluge, welchen dieselben im strengsten Incognito über Lindau nach der Schweiz machten, zurück⸗ gekehrt und begaben sich heute zum Besuch der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich nach Feldafing. — Herzog Georg II. von Sachsen⸗Meiningen, welcher seit vorgestern hier weilte und der Kunstausstellung im Glaspalast einen längeren Besuch abstattete, begab sich gestern Nacht mit dem letzten Schnellzuge nach Berchtesgaden.
Württemberg. Stuttgart, 15. Juli. (W. T. B.) Bei dem Gewitter, welches sich am Sonnabend Nachmittag über Friedrichshafen entlud, schlug der Blitz in der Nähe des Königs ein, welcher sich auf der Veranda vor seinem Arbeitszimmer befand. Der König blieb glücklicher⸗ weise unversehrt.
Baden. Karlsruhe, 13. Juli. Die „Karlsruher Ztg.“ meldet: Gestern Abend fuhren Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin mittelst Extrazuges nach Baden⸗Baden, besuchten Ihre Großherzogliche Hoheit die Prinzessin Elisabeth, verweilten dann einige Zeit bei Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin⸗Wittwe von Genua und besuchten Se. Großherzogliche Hoheit den Prinzen Carl und Höchstdessen Gemahlin, Frau Gräfin Rhena, wo Höchstdieselben bis zur Abfahrtszeit des Eisenbahn⸗ zuges verblieben. Die Höchsten Herrschaften trafen um 12 Uhr Nachts hier wieder ein. — Auf dem Marktplatz an der Pyramide erwarteten Se. Königliche Hoheit den Groß⸗ herzog der Geheime Rath von Regenauer und der Ober⸗ Baurath Hemberger, unter deren Leitung die Oeff nung des Eingangs zum Gruftgewölbe ausgeführt ward. Se. Königliche Hoheit betrat mit diesen Herren das Innere der Pyramide, d. h. einen Raum, der sich über dem völlig ge⸗ schlossenen und unzugänglichen Gruftgewölbe befindet. Der Boden dieses Raumes ist ganz eben und mit feinen Sandstein⸗ platten belegt; auf der Mitte dieses Bodens befindet sich ein Sandsteinblock, der eine längliche Platte von weißem Marmor trägt, auf welcher ein Plan der Stadt Karlsruhe aus der Feit der Regierung des Großherzogs Ludwig eingegraben ist.
achdem die Unzugänglichkeit der Gruft, in welcher der Sarg mit der irdischen Hülle des Markgrafen Karl Wilhelm ruht, festgestellt worden war, verließ Se. Königliche Hoheit die Pyramide und ließ dieselbe in Höchstseiner Gegenwart wieder verschließen. Es ist nun erwiesen, daß die Gruft für weiland den Markgrafen Karl Wilhelm seit ihrer Erbauung nie wieder gebffnet wurde. Se. Königliche Hoheit kehrte gegen 1 ußr in das Großherzogliche Schloß zurück. — Die Höchsten Herrschaften beabsichtigen am Montag früh nach Schloß Mainau überzusiedeln. Se. Königliche Hoheit der Groß⸗ herzog hat in Aussicht genommen, auf dem Wege nach Schloß Mainau die Linie der neuen strategischen Bahn zu bereisen, während Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin unmittelbar dahin reisen wird.
— 15. Juli. (W. T. B.) Der Großherzog und die Großherzogin verschoben ihre Abreise nach der Mainau, um den Verlauf der Erkrankung des Erb⸗ großherzogs abzuwarten, der an katarrhalischer Erkältung 8. Entzündung der Luftröhre bei andauerndem Fieber eidet.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 12. Juli. (Cob. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg wird mit dem Prinzen Alfred und den Prinzessinnen⸗ Töchtern morgen nach Schloß Rosenau übersiedeln. — Die Gesetzsammlung für das Herzogthum Coburg veröffentlicht das Abgabengesetz für das Herzogthum Coburg auf die Etatsperiode vom 1. Juli 1889 bis 30. Juni 1893, vom 7. Juli 1889, sowie das Gesetz, den Voranschlag für den Staatshaushalt des Herzogthums Coburg auf die Zeit vom 1. Juli 1889 bis 30. Juni 1893 be⸗ treffend, vom I. lDJ..
B.) In der heutigen Plenarsitzung der u ngarischen Delegation
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 13. Juli. (W. T. ab der Reichs⸗Finanz⸗Minister Kallay nach Verlesung der anktionirten Beschlüsse im Namen und auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs dem Dank für die rasche Erledigung der Vorlagen und die neuerdings bethätigte Opferwilligkeit der Delegationen Ausdruck. Der Präsident Graf Zichy schloß hierauf die Session mit einer patrio⸗ 5 Rede, welche mit begeisterten Eljenrufen aufgenommen wurde.
Agram, 12. Juli. (Presse.) Das Staresevics'schee Partei⸗Organ „Hrvatska“ wurde wegen eines Artikels “ 88 Deutsche Reich mit Beschlag belegt und sus⸗ pendirt.
Großbritannien und Irland. London, 13. Juli. (Allg. Corr.) Der Schatzkanzler Goschen besprach gestern in der Jahresversammlung des konfervativen Vereins von St. George (London) die günstige Wandlung, welche seit einem Jahre in der inneren Politit eingetreten sei. Die Gegner hätten alle Leidenschaft⸗ lichkeit verloren und alle Gewaltthaten aufgegeben, sodaß die guten alten Zeiten zurückgekehrt seien. Sie ähen eben ein, daß das Land diesen Methoden keinen Geschmack abgewinnen könne. Auch die Wahlkreise stimmten jetzt wieder mehr für die Regierung. Die Durchführung der Konversion der dreiprozentigen Konsols zeuge von den reichen Hülfsquellen Englands.
Im Buckingham Palast werden gegenwärtig die Vorbereitungen bu der am 27. d. M. daselbst statt⸗
hierher zurückgekehrt.
“ 8 8 14“ sind Tag und Nacht mit der Ausschmückung und Erneuerung der kleinen seit mehreren Jahrzehnten nicht Schloßkapelle, welche kaum für 200 Personen Raum bietet, beschäftigt. Der Schah von Persien hat den besonderen Wunsch ausgedrückt, der Feier beiwohnen zu dürfen und wird zu dem Zweck eigens von Brighton nach London reisen.
Der Schah von Persien kam gestern in Sheffield an. Der Gemeinderath überreichte eine Willkommen⸗Adresse, worauf der Schah die Panzerplattenfabrik von John Brown & Co. besichtigte. Während seiner Anwesenheit in Sheffield ist der Schah Gast des Herzogs von Norfolk.
Mr. George Wyndham, ein Konservativer und Privat⸗ Sekretär des Ober⸗Sekretärs für Irland, Balfour, wurde gestern unbeanstandet zum Vertreter von Dover im “ an Stelle des verstorbenen Majors Dickson gewählt.
Frankreich. Paris, 13. Juli. (W. T. B) Der Senat nahm heute die Vorlage, betreffend den Rückkauf des Telephonnetzes, an.
In der Deputirtenkammer brachte der ehemalige Minister Viette einen Gesetzentwurf ein, welcher die Vielkandidaturen untersagt, und begründete denselben unter lebhaften Unterbrechungen Seitens der Rechten und der Boulangisten. Der Deputirte Cluseret (Intransigeant) bean⸗ tragte zur Tagesordnung überzugehen. Die Kammer verwarf mit 331 gegen 204 Stimmen diesen Antrag und erklärte die Dringlichkeit. Der Deputirte Joli bois (Bonapartist) er⸗ klärte, das allgemeine Stimmrecht werde schließlich entscheiden. Die Deputirten Jouvencel und Jaurès (Republikaner) bekämpften den von Viette eingebrachten Entwurf als un⸗ nöthig und unwirksam, und als einen Angriff auf das all⸗ gemeine Stimmrecht. Brisson sprach auch dagegen und sagte, das Land hätte sich nicht von dem Kaiserreiche be⸗ freien können; das Volk habe gestattet, daß die Republik gestürzt worden sei. Er fügte hinzu, es sei die Pflicht der Majorität, die Freiheit zu schützen, und wenn dies nicht auf gesetzlichem Wege gelänge, dann durch die Gewalt der Waffen. (Lauter Beifall links.) Artikel I des Entwurfs, wonach Niemand Kandidat in mehr als einem Wahlbezirk sein kann, wird mit 295 gegen 237 Stimmen angenommen. Schließ⸗ lich wurde der Gesetzentwurf im Ganzen mit 304 gegen 229 Stimmen genehmigt. In Folge eines durch Le Hérissé's Weigerung, die Tribüne zu verlassen, hervor⸗ gerufenen Zwischenfalls wurde die Censurmit zeitweiliger Ausschließung über Le Héërissé verhängt und die Sitzung auf kurze Zeit aufgehoben. Bei der Wiedereröffnung der Sitzung trat der Befehlshaber der Wache des Palais Bourbon mit einer Abtheilung Soldaten in den Sitzungssaal und forderte Le Hérissé auf, die Tribüne zu räumen. Le Hsrissé antwortete, er sei in der Kammer kraft des Mandats seiner Wähler und werde nur der Gewalt weichen. Der Offizier legte darauf seine Hand auf Le Hörissé's Schulter, worauf dieser ohne weiteren Widerstand von der Tribüne herabstieg und von Soldaten aus dem Palais ge⸗ führt wurde. Die von dem Senat vorgeschlagenen Abände⸗ rungen des Budgets kamen am Schlusse der Sitzung zur Be⸗ rathung. Die Debatte wurde auf Montag vertagt, trotz des Widerspruchs des Finanz⸗Ministers Rouvier, welcher er⸗ klärte, es wäre der Regierung sehr daran gelegen, die Session heute zum Abschluß zu bringen.
Die Budgetkommission hat einstimmig die Annahme
der von dem Senat vorgeschlagenen Abänderungen, sowie fast einstimmig einen Kredit zum Ankauf des Millet'schen Bildes „Angelus“ beschlossen. Wie das „Journal des Débats“ meldet, hat die Anklagekammer des obersten Gerichtshofs beschlossen, gegen den General Boulanger die Anklage zu erheben wegen Attentats gegen die Sicherheit des Staats, wegen Komplotts und wegen Unterschlagung einer Summe von 252 000 Fr. Wegen Theilnahme an dem Attentat und dem Komplott wird auch gegen Dillon und Rochefort die Anklage erhoben werden.
— 14. Juli. (W. T. B.) Der Senat genehmigte in seiner gestrigen Abendsitzung einen Kredit von 2 Millionen Francs für die durch die Ueberschwemmung heimgesuchten Departements.
Die vom Senat gewählte Kommission zur Vor⸗ berathung des Gesetzentwurfs über die Viel⸗ kandidaturen besteht aus Mitgliedern, welche für diese Vorlage stimmen.
— Die heutige Truppenrevue in Longchamps verlief trotz wiederholter hestiger Regengüsse glänzend. Prä⸗ sident Carnot wohnte derselben bei und wurde sowohl bei der Revue wie bei der Hinfahrt und Herfahrt mit Hochrufen auf die Republik und auf die Truppen begrüßt.
— Heute Vormittag fand vor der Statue der Stadt Straßburg auf der Place de la Concorde die von den Boulangisten veranstaltete Kundgebung statt. Den Theilnehmern war von dem anwesenden Polizeikommissär jede Rede und Aeußerung ausdrücklich untersagt worden, gleichwohl wurde von Déroulsède, der von den boulangistischen Depu⸗ tirten und einer größeren Menschenmenge umgeben war, laut ausgerufen: „Es lebe der General!“ Der Polizeikommissar wollte in Folge dessen Dérouléede verhaften, Letzterer leistete aber iderstand und erklärte, eine Verhaftung sei ungesetzlich. Als der Polizeikommissär darauf Dérouléde am Arme ergriff, stürzte sich die umstehende Menge auf den Polizeikommissär und entriß ihm seinen Gefangenen, der sofort einen Wagen bestieg und sich nach den Redaktionsbureaus der Zeitungen begab. Der Polizeikommissär wurde durch herbeigeeiltes Polizeipersonal aus den Händen der Menge befreit. Heute Mittag gaben die Mitglieder der Patriotenliga Dé⸗ roulede und Laguerre ein Festessen, das von etwa 100 Personen besucht war und ohne bemerkenswerthen Zwischenfall verlief. Bei einem gestern in Saint Fargeau stattgehabten Boulangistenbankett brachte Derou bebe einen Toast auf die Vielkandidaturen aus und ließ in seiner Rede er⸗ kennen, daß Boulanger sich in allen Arrondissements von Paris als Kandidat aufstellen lassen werde.
—. — 15. Juli. (W. T. B.) Gestern Abend fanden in allen Stadtvierteln von Paris zur Feier des Nationaltages Fest⸗ lichkeiten statt, welche heiter und ohne Störung verliefen. An den Fenstern der Bureaus der Patriotenliga auf dem Börsenplatze waren Transparente dngeees, welche den General Boulanger zu Pferde dar⸗ stellten in schwarzem Anzuge mit
Volksmenge wurden
findenden Vermählung der Prinzessin Louise von Wales mit dem Earl von Fife getroffen. Arbeiter
b dem Großkreuz der Ehrenlegion. Von der vorüberziehenden die Transparente mit Zischen, Pfeifen und höhnischen Rufen
ts National⸗
ist der gleichfalls
begrüßt. In den Departemen - Meldungen
feiertag nach den vorliegenden enthusiastisch begangen worden.
Schweiz. Bern, 13. Juli. (Bund.) Bundesrath Droz begiebt sich nächsten Sonntag in die üblichen Sommer⸗ ferien. Die Geschäfte des Departements des Aeußern besorgt unterdessen sein Stellvertreter, Bundes⸗Präsident Hammer.
Afrika. Egypten. Kairo, 14. Juli. (W. T. B.) (Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“) Die Streitmacht der Derwische befindet sich bei Abu⸗Simbel noch in der⸗ selben Stellung, welche sie am “ inne hatten. Die egyptischen Truppen hatten gestern mehrere kleine Schar⸗ mützel mit den Derwischen, wobei letztere etwa 90 Mann verloren. General Grenfell ist in Assuan eingetroffen und beabsichtigt, sofort nach Abu⸗Simbel abzugehen. Zwei Bataillone egyptischer Truppen, sowie einige Ar⸗ tillerie⸗ und Kavallerie⸗Abtheilungen, welche fch gegenwärtig in Assuan befinden, haben Befehl erhalten, na Korosko zu marschiren. In Sarras ist eine weitere etwa 1500 Mann zählende Streitmacht der Derwische angekommen. Gerüchtweise verlautet, für den Herbst sei ein Vormarsch der englischen und egyptischen Armee bis Dongola beabsichtigt.
Zeitungsstimmen.
Die „Berliner Börsen⸗Zeitung“ widmet der bis⸗ herigen Thätigkeit des Reichstages während der gegen⸗ wärtigen Gesetzgebungsperiode folgende Worte der Anerkennung:
„Dem Reichstage, dessen Wirksamkeit mit der bevorstehenden kurzen Wintersession zu Ende gehen wird, kann Freund und Feind wenigstens das nicht absprechen, daß er eine ungemein fruchtbare Thäligkeit entwickelt hat und Schöpfungen hinterläßt, die unsere Reichseinrichtungen in der folgenreichsten Weise auszubilden und zu befestigen geeignet sind, ganz im Gegensatz zu den vorangegangen Hemmschuh⸗Reichstagen, unter denen die Maschine der Reichsgesetzzebung oft kaum mehr nothdürftig arbeiten zu können schien. Es wird diesem Reichstage in der Geschichte unvergessen bleiben, daß er unsere Wehreinrichtungen der durch die gegenwärtige bedrohliche Zeitlage gebotenen Vervollkommnung zugeführt, daß er das Reich finanziell genügend ausgestattet und befestigt und es in den Stand gesetzt hat, nicht nur seine eigenen erhöhten Bedürfnisse zu befriedigen, sondern auch der Finanznoth in den Einzelstaaten abzu⸗ helfen, daß er durch das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ gesetz eine sozialreformatorische That gethan hat, für die noch späte Geschlechter uns danken werden, daß er für die Entwickelung unseres Kolonialwesens die nothwendigen Rechtsformen geschaffen und wirksamen Schutz gewährt, daß er unser Genossen⸗ schaftsrecht den neuen Bedürfnissen entsprechend reformirt hat.. .. Das sind alles Thaten ersten Ranges, die sich an Bedeutung mit den grundlegenden Schöpfungen aus der ersten Zeit nach der Errichtung des Reichs messen können. Und es wird auch den Gegnern außer⸗ ordentlich schwer, diese große erfolgreiche schöpferische Wirksamkeit einfach mit den abgedroschenen Redensarten von der herrschenden Reaktion abzuthun. Das findet nachgerade bei den schlichtesten Wählern Widerspruch und Zurückweisung. Ein Vergleich der Leistungen des demnächst zu Ende gehenden Reichstages mit der Taktlosigkeit und Schaffensunfähigkeit der vorangegan⸗ genen muß aufs Ueberzeugendste lehren, daß nur eine Volts⸗ vertretung wie die gegenwärtige, in welcher die positiven, zugleich erhaltenden und fortschreitenden und vor allen Dingen schöpferischer Reformen fähigen Elemente das Uebergewicht besitzen, die Gewähr bietet, daß unsere Reichseinrichtungen sich in gedeihlicher Weise ent⸗ wickeln, anstatt einer unheilvollen Stagnation anheimzufallen. Das werden sich auch wohl die meisten Wähler sagen, wenn sie berufen werden, einen neuen Reichstag zu bilden.“
Auch der „Hamburgische Correspondent“ faßt die nächsten Reichstagswahlen ins Auge und lenkt insbesondere die Aufmerksamkeit auf die schon jetzt im Gange befind⸗ lichen Vorbereitungen und Anstrengungen der Sozial⸗ demokratie: 1
„In dem für den Sozialismus im Vergleich zu den Wahlergeb⸗ nissen von 1884 überaus ungünstigen Ausfall der Septennatswahlen liegt augenscheinlich ein starker Antrieb, das nächste Mal alle Kräfte anzuspannen, um wenigstens wieder auf die Zahl der Mandate zu ge⸗ langen, welche die Sozialdemokraten vor dem 21. Februar 1887 be⸗ saßen. Betheiligen sich die sozialdemokratischen Abgeordneten auch an den positiven Arbeiten der Gesetzgebung möglichst wenig und ist es für die agitatorische Verwerthung der Reichstagssitzungen ziemlich userheblich, ob ein halbes oder ein ganzes Dutzend Sozialdemokraten im Reichs⸗ tage sitzen, so ist doch ein Rückgang in der Zahl der Mandate für das Ansehen und damit den Erfolg der Partei nichts weniger als förderlich. Außerdem mögen insbesondere zwei Momente den Leitern der sozialdemokratischen Partei erfolgversprechend erscheinen.
Der Lohnstreit, mit welchem zumeist Bestrebungen verknüpft waren, die zum Theil direkt an sozialdemokratische Tendenzen, und zwar in Bezug auf andere Seiten des Arbeitsverhältnisses, namentlich auf die Arbeitszeit anklingen, hat weite Kreise der deutschen Arbeiter⸗ schaft in lebhafte Bewegung und Erregung versetzt. Die Ausstände, obwohl in der Hauptsache beendet, wirken sowohl auf die wirthschaft⸗ lichen Verhältnisse im Allgemeinen, wie der Arbeiter im Besonderen empfindlich nach. Ebenso sind ihre Rückwirkungen auf die Be⸗ ziehungen zu den Arbeitgebern noch weitaus nicht überwunden. Der Boden ist für die sozialdemokratische Saat sonach nicht ungeeignet, und es ist wohl nicht völlig ohne Grund, wenn vielfach angenommen wird, daß wenigstens ein Theil der Ausstände von der Sozial⸗ demokratie oder vielleicht anderen gleich oppositionellen Richtungen im Wahlinteresse angestiftet sei.
Der leidenschaftliche Haß der Deutschfreisinnigen gegen den Fürsten Bismarck und das Kartell, welcher sie schon jetzt zu den giftigsten Mitteln der Agitation greifen läßt, eröffnet ferner die Aus⸗ sicht auf eine planmäßige Aufwühlung der Leidenschaften und ins⸗ besondere der schlechten Leidenschaften der Massen gegen das bestehende Regierungssystem, welche den Boden in ähnlicher Weise für die sozial⸗ demokratische Saat vorbereitet, wie die Lohnkämpfe. Zugleich läßt diese Parteiverbissenheit eine weitgehende Kooperation zwischen der Sozialdemokratie und dem Freisinn möglich erscheinen
Um so energischer werden die Glieder der (Kartell⸗) Vereinigung, welche gleich heftiger Bekämpfung sicher sind, mögen sie sich trennen oder 1an dessen eingedenk sein müssen, daß in dem ge⸗ treulichen Zusammenwirken bei den Wahlen von 1887 eine der wesent⸗ lichsten Ursachen der gemeinsamen Wahlerfolge lag. Hr. von Hell⸗ dorff hat in dem Echreiben, mittelst dessen er die Wochen⸗ ausgabe der „Cons. Corr.“ eingeleitet hat, in erfreulicher Weise bestätigt, daß die Konservativen fest zum Kartell stehen. Auch in der nationalliberalen Partei befestigt sich die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit und Nützlichkeit seiner Ernenerung mehr und mehr; selbst Fübrer. welche bei den letzten Landtagswahlen einer weit⸗ gehenden Bekämpfung der Konservativen zuneigten, sprechen sich jetzt auf das Entschiedenste in jenem Sinne aus. Möge die Rührigkeit und Energie der Sozialdemokraten auch außerhalb Sachsens den festen Zusammenschluß der nationalen Parteien bewirken! Dann wird, ebenso wie dort, ihrer Bedeutung die Spitze abgebrochen sein.
Die Münchener „Allgemeine Zeitung“ schreibt:
„Der erschienene Jahresbericht der Handels⸗ und Ge⸗ werbekammer für Oberbayern spricht sich über den Geschäftsgang im Jahre 1888 im Allgemeinen befriedigt aus. Die Epoche wirth⸗
8 .““ 8 1“ 11“ schaftlichen Aufschwungs, dessen sich seit mehreren Jahren Deutsch⸗ lands Handel und Industrie zu erfreuen gehabt, konnte sich unter den Segnungen eines anhaltenden Friedens im Berichtsjahre S
Wie die geschäftliche und industrielle Thätigkeit, fährt der Bericht fort, im Innern Deutschlands selbst einen gesteigerten Verkehr und Absatz fand, so hat auch im Auslande der deutsche Kaufmann die rühmlichst erworbene Stellung behauptet und gefestigt, und die Berichte unserer Konsuln lassen die erfreuliche Thatsache erkennen, daß die deutschen Erzeugnisse auch in der Ferne immer neue Ab⸗ nehmer und Anerkenner fanden. Die günstigen wirthschaftlichen Resultate erhöhten die Kaufkraft und Unternehmungslust weiter Kreise und gaben damit zu neuen Aufträgen und erhöhter Thätigkeit Anlaß: so gestalteten sich die Wechselbeziehungen zwischen Produktion und Konsum immer reger und vortheilhafter.
Diese allgemeine Schilderung der Wirthschaftslage trifft nach dem Bericht auch insonderheit für den Kreis Oberbayern zu. Die Mehrzahl der Geschäfte kann auf ein gutes Jahr zurückblicken. Als besonders gut wird der Geschäftsgang in der Montanindustrie be⸗ zeichnet, auch die Kohlenproduktion und der Kohlengroßhandel haben bedeutend größere Umsätze als im Vorjahre erzielt. Die landwirth⸗ schaftlichen Verhältnisse sind von wesentlich ungünstigen Einflüssen verschont geblieben, wenn auch in einzelnen Theilen Bayerns die Ernte durch die Ungunst der Witterung gelitten hatte.“
Statistische Nachricten. Waldbrände in Bayern im Jahre 1888.
Nach einer in der Forstabtheilung des baperischen Finanz⸗ Ministeriums aufgestellten Uebersicht haben im Jahre 1888 in den Staatswaldungen 64 Waldbrände stattgefunden (gegen 95 im Jahre 1887). Hiervon trafen der Zeit nach auf den Monat Mai 43, Juni 11, April 6, August 2, Juli und September je 1. Von den einzelnen Landestheilen waren die Pfalz mit 16, Mittelfranken mit 15, Unterfranken mit 12, Oberfranken mit 8, Schwaben mit 6, Niederbayern und Oberpfalz mit je 3, Oberbayern mit 1 be⸗ theiligt. Der Oertlichkeit nach fielen 47 Brände auf Hochwald, je 6 auf Mittel⸗ und Niederwald, 5 auf Torfmoore, Filze, Blößen, Straßenlichtungen ꝛec. Der Art nach bandelte es sich in 45 Fällen um Boden“⸗ oder Lauffeuer, in 10 Fällen um Bodenfeuer in Verbin⸗ dung mit Gipfel⸗ oder Flugfeuer, in 4 Fällen um reines Erdfeuer, in 3 Fällen um reines Stammfeuer, in 2 Fällen um Bodenfeuer. Die Entstehungsursachen waren nach sicherer Feststellung 1 mal Blitz⸗ schlag, 1 mal Funken aus Lokomotiven, 6 mal Fahrlässigkeit und Spielerei, 2 mal böswillige Brandstiftung. Muthmaßlich waren Fahrlässigkeit und Unachtsamkeit in 39 Fällen, böswillige Brandstiftung in 14 Fällen die Ursache von Bränden; in einem Falle mangelte jeder Anhalt für die Entstebung. Die Brandfläche betrug 31,114 ha, der verursachte Schaden nach An⸗ schlag des zu Verlust gegangenen Materials 4400 ℳ Zdie erwachsenen Baarauslagen beliefen sich auf 377 ℳ Da sich die Staatswaldfläche des Königreichs Bavern im Mittel des Jahres 1888 auf 936 654 ha bezifferte so entfiel auf 30 104 ha Staatswaldfläche 1 ha Brand⸗ fläche (gegen 24 404 ha im Vorjahre).
Kunst und Wissenschaft.
Von dem Direktor der Sternwarte, Geheimen Regierungs⸗Rath Professor Dr. Foerster, erhalten wir folgende Zuschrift: 8
„In der Nacht vom 11. zum 12. Juli sind auf der hiesigen Könislichen Sternwarte von Herrn Dr. A Marcuse zwischen 11 Uhr 27 Minuten und 11 Uhr 53 Minuten an zwei von Nord nach Süd gerichteten Wasserwaagen Wellenbewegungen ‚des Erdbodens von ähnlicher Art beobachtet worden wie sie schon früher auf anderen Sternwarten und zuletzt am 2. August 1885 von Herrn Professor Albrecht auf der Berliner und von zwei anderen Beobachtern auf der Breslauer und Königsberger Sternwarte wahrgenommen worden waren.
Derartige Wellenbewegungen des Erdbodens sind nichts Anderes als die Fernwirkungen von Erdbeben. Die Wellen ver⸗ laufen, ganz ähnlich den großen Wellen der Ozeane, mit einer Schwingungsdauer von einigen Sekunden derartig, daß während der einen Hälfte der Schwingungsdauer ein großes Stück des Erdbodens, vielleicht der Baugrund einer ganzen Stadt mit allen Häusern und Thürmen, eine Neigung nach der einen Seite und während der anderen Hälfte der I1 tungs faner 85 Neigung nach der entgegengesetzten Seite erleidet, ganz wie ein große Zaig 28 den breiten Belehnvenen. Daß hierbei die Erdschichten und die Gebäude keine Zerreißungen und Zertrümmerungen „erfahren, wird nur durch die Kleinheit dieser Fernwirkungen, die überhaupt nur durch sehr feine Winkelmessungs⸗Mittel wahrnehmbar sind, in Verbindung mit der Elastizität des Materials bedingt.
Um die Größe dieser Schwankungen anschaulich zu machen, sei bemerkt, daß dieselben die Spitze eines Thurmes von 100 m Höhe noch nicht um ein Centimeter hin⸗ und herbewegen würden. Bekannt⸗ lich verursacht der bloße Winddruck viel stärkere Schwankungen hoher Gebäude. u““
Ob nun die in der Nacht vom 11. zum 12. Juli hier beob⸗ achtete Wellenbewegung eine Fernwirkung des am 12. Juli telegraphisch gemeldeten Erdbebens in der Nähe von Taschkent in Mittel⸗Asien oder eines anderen fernen Erdbebens gewesen ist, bleibt abzuwarten.
Am 2. August 1885 war die auf der Berliner, Breslauer und Königsberger Sternwarte beobachtete Wellenbewegung in der That durch ein Erdbeben in der Nähe von Taschkent verursacht worden, dessen Wirkungen zur Fortpflanzung nach Berlin durch eine Strecke von rund 4500 km nahezu eine halbe Stunde bedurft hatten. Wäre auch diesmal ein Erdbeben in Turkestan die Ursache der hier beobachteten Erscheinung gewesen, so müßte der Hauptstoß des⸗ selben nach Obigem am 11. Juli etwa um 11 Uhr Abends, Berliner Zeit, stattgefunden haben, welcher Zeitpunkt der Ortszeit 2¾ Uhr am Morgen des 12. Juli in Taschkent entspricht.
Nähere Mittheilungen hierüber, soweit sie allgemeineres In⸗ teresse bieten, behalten wir uns vor.
Noch einige Worte über das nahe Zusammenfallen des Zeitpunktes der beobachteten Erdbeben⸗Erscheinung mit dem Tage einer Mond⸗ finsterniß und einer besonderen Mondnähe.
Das vorerwähnte große Erdbeben in Turkestan vom 2. August 1885 war nicht mit einem dieser sogenannten „kritischen“ Tage, sondern nahezu mit einem letzten Mondviertel und keineswegs mit einer besonderen Mondnähe zusammengefallen. Zur Zeit der Mond⸗ viertel finden bekanntlich die geringsten Gesammtwirkungen der Anziehungen der ee im Sinne kleiner Gestalt⸗ änderungen des rdkörpers und der auf demselben vor⸗ handenen Flüssigkeitsoberflkächen statt, weil alsdann die beiden für die Erde in wesentlichen Betracht kommenden Wirkungen dieser Art, nämlich die des Mondes und der Sonne, einander zum Theil aufheben, wogegen sie zur Vollmonds⸗ und Neumondszeit an der S von 1 „kritischen“ Umständen (siehe Spring⸗
uthen) zusammenarbeiten. 3 1 8 1
Auf diese Umstände und Beziehungen ist die Wissenschaft bereits seit längerer Zeit aufmerksam gewesen, und sie hat bereits festgestellt, daß ein starker und wesentlicher Einfluß der Stellungen dieser Himmelskörper auf die Entstehung von Erdbeben und Wetter. kataftrophen nicht nachgewiesen ist, wenn man ordentliche Statistik treibt und sich nicht das Gedaͤchtniß und das Urtheil durch den sensationellen Eindruck vereinzelten auffallenden Eintreffens trüben gr. 88 eine n WEE und gefährlichsten
wächen menschlichen Urtheilens ist. “
Indessen hat vielleicht Hr. Rudolf Falb, dem die Wissenschaft
neuerdings eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die bezüglichen Fragen
verdankt, darin Recht, daß bei der Prüfung einer sehr großen Anzah von Erscheinungen der in Rede stehenden Art ein kleiner Ueber schuß von solchen Fällen hervortritt, in denen Erdbeben mit den Zeitpunkten eines gesteigerten Zusammenwirkens der An⸗ ziehungen von Mond und Sonne nahe zusammengefallen sind, sodaß, wie es scheint, die Steigerungen dieser Wir⸗ kungen einen zwar nicht wesentlichen. aber auch nicht verschwindend kleinen Antheil an der Hervorrufung oder Auslösung solcher Erschei⸗ nungen haben. 1
Von da bis zu einer praktisch werthvollen Voraussagung der Erdbebenerscheinungen für bestimmte Orte und Tage ist aber noch eine enorme Strecke, zu deren Zurücklegung die Menschheit noch sehr lange Zeit brauchen wird. b 8 Hr. Rudolf Falb würde die Annäherung an dieses Ziel nicht fördern, sondern schädigend wirken, wenn er nicht bestrebt wäre, von seinen öffentlichen Hervorhebungen kritischer Tage das Mißverständniß fernzuhalten, als ob dieselben für Erdbeben⸗ und Wettererscheinungen bereits an sich geeignet seien, im praktischen Leben als Anhalt für vorsorgliche Entschließungen zu dienen während sie lediglich zur um fassendsten Beobachtung und Aufzeichnung der wirklichen Vorgäng anregen helfen sollten. 1u6“
Bei der großen Unbestimmtheit der „kritischen“ Ansagen nach Ort und Zeit würden sie sonst auf die Dauer viel mehr Schadern und Unruhe anstiften als verlhüten.
Die Zeitungen würden gut thun, in diesem Sinne, welcher, wenn ich nicht irre, den tieferen Absichten meines früheren engeren Fach- genossen Hrn. Falb entspricht, zu wirken, als bloß die Fälle des Ein⸗- treffens hervorzuheben. Da aber solche Bitten meistens ganz wirkungslos verhallen, kann man nur darauf hoffen, daß das Uebel schließlich selbe die erforderlichen Gegenwirkungen hervorbringen wird. Man wird nämlich, auf dem bisherigen Wege weiter gehend, durch die ver schiedensten Theorien, u. a. auch durch die Zenger'sche Theorie von dem maßgebenden Einflusse, den die Erscheinungen auf der Sonne in Verbindung mit der Drehung der Sonne auf die irdischen Vorgänge 8 ausüben sollen, allmählich soviel kritische Tage bekommen, daß ihre Wirkung auf die Gemüther von selber verblassen wird. 8
Man wird alsdann auch bei uns auf die gegenwärtige, völlig unnöthige Erregung unseres großen Publikums über diese Dinge mit demselben Humor zurückblicken, mit welchem die übrigen Kulturvölker, obwohl sie andere mindestens ebenso wunderliche Erscheinungen bei sich selber finden könnten, diese Vorgänge in Deutschland jetzt be⸗ trachten. W. Foerster.“
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Graz, 13. Juli. Der Dichter Robert Hamerling ist am heute Vormittag im sechzigsten Lebensjahre nach längerem Leiden gestorben. Nachdem er den Winter unter heftigen Schmerzen in Graz verbracht hatte, ohne auch nur ein einziges Mal ausgehen zu können, übersiedelte er am 7. Juni in seine Landwohnung im Stiftingthale, wo er sofort bettlägerig wurde. Das Leiden, welches den Dichter seit nahezu dreißig Jahren quälte, trat allmählich in ein Stadium, wo alle ärzt⸗ liche Kunst scheitern mußte. Seit zehn Tagen hatte Hamerling keine Nahrung mehr zu sich genommen. Hamerling war am 24. März 1830 zu Kirchberg am Wald in Niederösterreich als Sohn armer Eltern ge⸗ boren, siedelte mit ihnen nach Wien über und besuchte dort das Gymnasium. In einem Alter, in welchem er kaum eine nähere Be⸗ kanntschaft mit Fenophon und Homer gemacht haben konnte, schrieb er bereits mehrere Dramen. Während des Aufstandes im Jahre 1848 trat er in die akademische Legion ein, war während der Belagerung Wiens durch Windischgrätz in der Stadt und mußte sich nach dem Einzug der Truppen längere Zeit versteckt halten. Seinen Studien zurückgegeben, widmete er sich nun mit Eifer der Philologie und den 8 Naturwissenschaften, versah zugleich eine Hülfslehrerstelle am aka⸗- demischen Gymnasium in Wien, später an dem zu Graz und wurde im Jahre 1855 zum Professor am Gymnasium in Triest ernannt. Zunehmende Kränklichkeit bewog ihn, später um seine Entlassung einzukommen, die ihm im Jahre 1866 gewährt wurde. Seitdem lebte er, ganz seiner dichterischen Thätigkeit hingegeben, wieder in Graz. Die ersten Dichtungen, mit welchen Hamerling an die Oeffentlichkeit trat, waren „Ein Sangesgruß vom Strande der Adria“ (1857) und das lyrische Epos „Venus im Exil“ (1858). Später erschienen „Sinnen und Minnen“, das elegisch⸗schöne „Schwanenlied der Ro⸗ mantik“, die Canzone „Germanenzug“ u. a. Die Haupterfolge des Dichters knüpften sich an die epischen Dichtungen „Ahasver in Rom (1867), „Der König von Sion“ (1869) und den farbenprächtigen Roman „Aspasia“ (1878). Weniger glücklich war Hamerling in seinen Dramen „Danton und Robespierre“, „Teut“ und „Lord Luzifer“. 8
Gewerbe und Handel.
Nach einem in der „Gaceta de Madrid“ vom 10. d. M. ver⸗ öffentlichten Gesetz vom 9. d. M. sollen die kraft Art. 75 des Grubengesetzes vom 6. Juli 1859 dem spanischen Staat vorbehaltenen Steinkohlengruben in dem vereinigten Bezirk der Flecken Riosa und Morein (LTrovinz Oviedo) und die Eisengrube „Castaniedo del Monte“ in dem Bezirk von Santo Adriano (Provinz Oviedo) durch öffentliches Aus⸗ schreiben verkauft werden. Nach den noch von den betreffenden Grubenverwaltungen festzusetzenden Verkaufsbedingungen ist der Kauf⸗ preis innerhalb von 4 Jahren in 5 Raten baar zu erlegen.
Berlin, 13. Juli. Wochenbericht für Stärke, Stärke⸗ fabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersky. la. Kar⸗ toffelmehl 20 ½ — 22 ℳ, Ia. Kartoffelstärke 20 — 21 ℳ, IIa. Kar⸗ toffelstärke und Mehl 17 ½ — 19 ℳ, feuchte Kartoffelstärke loco und Parität Berlin — ℳ, gelber Syrup 25 — 25 ½ ℳ, Capillair⸗ Export 25 ½ — 27 ½ ℳ, Capillair Syrup 26 — 27 ℳ, Kartoffel⸗ zucker Capillair 25 — 26 ℳ, do. gelber 24 — 24 ½ ℳ, Rum⸗Couleur 37 — 40 ℳ, Bier⸗Couleur 37 — 40 ℳ, Derxtrin, gelb und weiß, Ia. 32 — 33 ½ ℳ. do. sekunda 30 — 31 ℳ, Weizen⸗ stärke (kleinft.) 37 — 38 ℳ, Weizenstärke (großstück.) 40 — 41 ℳ, Hallesche und Schlesische 40 — 41 ℳ, Schabe⸗Stärke 32 — 33 ℳ, Mais⸗ Stärke 31 — 32 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 45 ½ — 47 ℳ, do. (Stücken) 43 — 44 ℳ, Victoria⸗Erbsen 16 — 19 ℳ, Kocherbsen 16 — 20 ℳ, grüne Erbsen 18 — 20 ℳ, Futtererbsen 15 — 16 ℳ, Leinsaat 22 — 24 ℳ, Linsen, große 36 — 46 ℳ, do. mittel 26 — 36 ℳ, do. kleine 16 — 26 ℳ, gelber Senf 16 — 21 ℳ, Kümmel 40 — 46 ℳ, Mais loco 12 — 12 ⅛½ ℳ, Buch⸗ weizen 14 — 16 ℳ, inländische weiße Bohnen 21 — 23 ℳ, breite Flachbohnen 23— 28 ℳ, ungarische Bohnen 21 — 22 ℳ, galizische und russische Bohnen 18 — 20 ℳ, Hanfkörner 16 — 17 ℳ, Leinkuchen 15 — 16 ½ ℳ, Weizenschale 9 — 10 ℳ, Roggenkleie 9 — 10 ℳ, Raps⸗ kuchen 16 — 16 ½ ℳ, Mohn weißer 36 — 40 ℳ, do. blauer 34 — 38 ℳ, Hirse, weiße 18 — 21 ℳ Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg. 1
Wien, 13. Juli (W. T. B.) Ausweis der Karl⸗Ludwigs⸗ bahn (gesammtes Netz) vom 1. bis 10. Juli 268 119 Fl.: Mehr⸗ einnahme 17 851 Fl., die Einnahmen des alten Netzes betrugen in derselben Zeit 202 003 Fl., Mehreinnahme 11 708 Fl. 1
London, 13. Juli. (A. C.) In einer gestern in Manchester abgehaltenen Versammlung der bedeutendsten Baumwoll⸗ spinnereibesitzer von YVorkshire, Chesbhire und Derby⸗ shire wurde beschlossen, vom nächsten Montag ab für vier Wochen nur „halbe Zeit“ zu arbeiten, und zwar in der Weise, daß die an drei Tagen in der Woche gänzlich geschlossen bleiben.
London, 13. Juli. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen⸗ ladungen angeboten.
— 15. Juli. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 6. Juli bis zum 12. Juli: englischer Weizen 1638, fremder 45 372, englische Gerste 1366, fremde 16 457, englische Malzgerste 19 329, fremde —, englischer Hafer 240, fremder 85 632 Orts. Englisches Mehl 15 301, fremdes 47 849 Sack und
75 Faß. 13. Juli. (W. T. B.) Die Einnahmen der
Warschau⸗Wiener Eisenbahn⸗Gesellschaft betrugen im