1889 / 169 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Jul 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Sachsen „Weimar⸗Eisenach. Weimar, 18. Juli. (Th. C.) Ihre Königliche Hoeheit die Großherzogin ge⸗ denkt, nach den bis jetzt getroffenen Bestimmungen, Anfang August sich zum Kurgebrauch nach Gastein zu begeben.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 18. Juli. (W. T. B.) Der Statthalter, Hohenlohe, hat heute einen vierwöchentlichen Urlaub angetreten und begiebt sich zunächst nach Kassel zum Besuch der Ausstellung und von dort nach Alt⸗Aussee.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Juli. (W. T. B.) Nach den nunmehr getroffenen Dispositionen wird Se. Ma⸗ jestät der Kaiser Franz Joseph am 10. August Abends mit großem Gefolge von Wien aus die Reise nach Berlin über Dresden antreten. In Dresden erfolgt die Ankunft am 11. August Vormittags; der Kaiser wird dort dem Könige einen Besuch abstatten und um 2 Uhr die Reise vach Berlin fortsetzen. Die Ankunft in Berlin findet um 4 Uhr Nachmittags statt. Der Aufenthalt in Berlin ist auf vier Tage bemessen. Am 15. August wird der Kaiser über Passau nach Ischl zurückreisen.

Laibach, 16. Juli. (Pr.) Bei den Landtagswahlen in Krain sind 25 Slovenen und 11 Deutsche gewählt worden, den nationalen Verhältnissen des Landes entsprechendes

esultat.

Großbritannien und Irland. London, 18. Juli. (A. C.) Der Rücktritt der Parnelliten von der Unter⸗ suchung der wider sie von der ‚Times“ erhobenen Anklagen wird von den unionistischen Zeitungen als ein falscher Schritt bezeichnet. So schreibt der „Standard“: „Parnell's Rücktritt, jetzt in der elften Stunde, wird nicht als ein Protest gegen die beschränkte Natur der Untersuchung gedeutet worden, sondern als eine zornige Einräumung der Erfolglosigkeit der eifrigen Anstren⸗ gungen, die er gemacht hat, sich rein zu waschen.“ Die „Daily News“ glaubt jedoch, daß die irischen Abgeordneten eine gesunde Diskretion ausgeübt haben, welche sie mit Vor⸗ theil schon eher ausgeübt haben dürften. 18 1 Der Schah von Persien brachte gestern seinen Besuch in Manchester zum Abschluß und reiste nach Schottland weiter, wo er für die nächsten Tage Gast des Herzogs von Montrose auf Schloß Buchanan ist. Heute nimmt er die Sehenswürdigkeiten von Glasgow in Augenschein. Aus Kairo, vom 17. Juli, wird berichtet: General Sir F. W. Grenfell, der Sirdar, verließ heute as Lager in Bellana und reiste nach dem Norden ab. General⸗Major Dormer, der Oberbefehlshaber der englischen Okkupations⸗ armee in Egypten, ist von Brindisi hier angekommen. Ueber den Feldzug am Nil sind heute Abend einige weitere Depeschen eingegangen. Lieutenant Beech nahm heute mit einer Abtheilung Kavallerie eine Rekognoszirung in der Riichtung auf das feindliche Lager vor, und es gelang ihm, 22 Der⸗ vwische abzuschneiden. Wad⸗el⸗Njumi's Antwort auf die Auf⸗ forderung des Sirdars, die Waffen zu strecken, steht noch aus (s. u.). Die Kriegsgefangenen, welche heute eingebracht wurden, erklären, daß viele seiner Emirs ihn drängen, die Feindseligkeiten einzustellen, aber daß er niemals nachgeben werde. Das zweite egyp⸗ ttische Bataillon ist in Toski angelangt und versetzt das Dorf in Vertheidigungszustand. Das erste Bataillon mar⸗ schirt nach dem nämlichen Ort und wird dort am Freitag ankommen. Die Stellung des Feindes ist unverändert. Betreffs der Absichten und Pläne desselben sind verschiedene Gerüchte im Umlauf. Einige sagen, Njumi warte Verstärkungen ab, Andere, er habe so viele Kameele verloren, daß er nicht hinreichende Transport⸗ mittel besitze, während wieder Andere erklären, daß er den nächsten Wüstenmarsch nach Toski, der vier Tage in Anspruch nehmen wird, fürchte. In militärischen Kreisen herrscht übereinstim⸗ mend die Meinung vor, daß die Derwisch⸗Horde zuerst unterschätzt wurde, und daß Njumi, als er Matuka verließ, eine Gefolgschaft von 12 000 Personen einschließlich der Weiber und Sklaven hatte, von welcher Zahl er aber joßt 4000 an Todten, Verwundeten und Gefangenen verloren hat. Man glaubt, er könne unmöglich Bimban erreichen, aber, weng er vordringe, müsse ein Entscheidungstreffen an irgend einem Punkte am Nil, südlich von Korosko, stattfinden. Der Nil stieg heute in Bellana um 40 cm. Das rasche Steigen des Flusses wird die Operationen in der Richtung auf Korosko wesentlich

erleichtern.

18. Juli. (W. T. B.) In der heutigen Unterhaus⸗ sitzung theilte der Staatssekretär des Krieges, Stanhope, mit: General Grenfell habe telegraphisch angezeigt, auf seine Proklamation an die Derwische, mit der Auf⸗ forderung, sich zu ergeben, habe Wad⸗el⸗Njumi geant⸗ wortet: „Euere Streitmacht gilt mir nichts, ich bin gesandt, die Welt zu erobern, ich fordere euch auf, euch zu ergeben, und werde euch schützen. Erinnert euch an Hicks und Gordon!“

19. Juli. (W. T. B.) Nach einer offiziellen Meldung wird der Earl of Fife gelegentlich seiner Vermählung mit der Prinzessin Louise von Wales zum Herzog ernannt werden. Bei der Berathung der Dotations⸗ frage vor der Kommission des Unterhauses nahm die Regierung unter Vorbehalt den von den Führern der Opposition gemachten Vorschlag an, nach welchem die Apanage des Prinzen von Wales um 40 000 Pfd. Sterl. jährlich vermehrt werden soll, anstatt eine besondere Dotation für jedes seiner Kinder auszusetzen. Die Frage der Dotirun der anderen Enkelkinder der Königin bleibt no unerledigt. Wie verlautet, wird die Opposition dieselbe absolut verweigern.

Frankreich. Paris, 18. Juli. Präsident Carnot hat den Kaiser von Brasilien telegraphisch beglückwünscht, anläßlich des glücklichen Ausgangs des auf ihn ausgeführten Attentates.

Der Ankunft des Königs von Griechenland sirr⸗

selbst wird zum nächsten Montag entgegen gesehen; derselbe wird an einem vom Präsidenten Carnot gegebenen Diner thag. 2,— Das gestern erschienene „Journal officiel“ veröffent⸗ licht das Gesetz gegen die Vielkandidaturen. Nach demselben soll jeder Kandidat, der in mehr als einem Wahl⸗ bezirke auftritt, mit einer Strafe von 10 000 Fr., ein Jeder, der Wahlaufrufe, Wahlzettel u. dergl. zu Junsten eines solchen Kandidaten unterzeichnet bezw. verbreitet, mit einer Strafe von 1000 bis 5000 Fr. belegt werden.

Der sehr ausführlichen Anklageakte gegen Boulanger entnimmt der „Hann. Cour.“ Folgendes:

Der Staatsanwalt schildert darin die ehrgeizigen Umtriebe des Generals seit 1882. Boulanger, damals zum General ernannt, ließ eine populäre Biographie mit Bild erscheinen und durch Agenten im Heere verbreiten; er knüpfte Beziehungen mit Politikern aller Farben an. 1884 wurde er Divisions⸗General in

1

(W. T. B.) Der

Tunis, warb Geheimagenten, intriguirte gegen den Residenten, schickte Hetzartikel an Pariser Blaͤtter. Um Geld für seine Wühlerei zu beschaffen, verabredete er mit einem Agenten ein Trinkgeld von 210 000 Fr. dafür, daß er in seiner Division Kaffee in Täfel⸗ chen versuchen ließ, desgleichen traf er eine Abmachung auf ein Trinkgeld von 20 Cent. für jede Epaulette von einem protegirten Fabrikanten. Briefliche Beweise dieser Durchstechereien liegen vor. Boulanger als Kriegs⸗Minister betrieb die Kabalen und die Propaganda im Großen. 44 verschiedene Porträts sind in den Akten gesammelt, mehrere von populären „Heldensagen“ begleitet, theilweise wurden sie in Wandsbeck bei Hamburg gedruckt. 8

Boulanger wendete in 17 Monaten seines Ministeriums 242 693 Fr. für Zeitungsreklamen auf, warb neue Gebeimagenten an, durchweg vielbestraftes Gesindel; einen derselben, der vor die Ficftpoltaei kam, empfahl er dringend den Richtern. Dieses Subjekt zog seine Informationen durch Frauenzimmer ein. Dann heißt es weiter: 8

Boulanger verbrauchte nicht nur die Geheimfonds des laufenden Jahres, sondern theilweise auch die von seinen Vorgängern für den Kriegsfall gesparten Fonds, ohne dem Präsidenten der Republik den Zweck anzugeben. 279 000 Fr. verschwanden dieserseits, 140 000 Fr. gab er für einen Offiziersklub, welcher als Mittel der politischen Propaganda dienen sollte. Beim Verlassen des Ministeriums steckte er noch 30000 Fr. ein; man weiß, daß er 60 000 Fr. Schulden abtrug, sich zwei Woh⸗ nungen möblirte, seine Kreaturen gut bezahlte. Der Anklageakt er⸗ wähnt dies nur zur Information, denn die Entwendungen im Ministerium, sewie die Trinkgelder für Kaffee und Epauletten sollen nicht vor dem Senatsgericht, sondern noch vor einem anderen Gerichtshofe zur Klage kommen. Als Boulanger das Ministerium verließ, war das Komplot gegen die Staatsgewalt fertig. Sein Helfershelfer Dillon, ein Abenteurer, der sich fälschlich „Graf“ nennt und während des Krieges nicht bei dem Regiment erschien, wo er Offizier war, sondern sich an der Küste versteckt hielt, hat eine Reihe unsauberer Händel auf dem Kerbholz. Rochefort, als journalistischer Spießgeselle, soll 100 000 Fr. von Boulanger erhalten haben; dieses ist aber nicht be⸗ wiesen. Fernere Genossen, die jedoch aus Mangel an Beweisen un⸗ beklagt blieben, waren die Anatchisten Soudey und Morphy

Boulanger nahm Geld vom Auslande an und wollte die Diktatur aufrichten und sich zum „Konsul auf Lebenszeit“ ernennen lassen. Er fragte bei den Kanzleien des Auslandes an, ob man ihn als Herrscher anerkennen würde. Er dankte den Korrespondenten, welche von einem künftigen Staatsstreich schrieben, und empfing Briefe von Geistlichen, die sich seine getreuesten Unterthanen nannten.

Nach dem Rücktritt vom Ministerium begann Boulanger die Meuterei zu schüren. Am 28. Mai und 31. Mai und 21. Juni waren Straßenkrawalle, wobei man die Hand seiner Agenten ent⸗ deckte, obwohl er selbst die Verantwortung ablehnte. Er sagte, daß er, wenn er jemals einen Gewaltstreich gewollt, ihn während seines Ministeriums ausgeführt hätte. Doch ist dies falsch, damals konnte er dies nicht, weil der Gouverneur von Paris, General Saussier, unbestechlich die Republik behütete. Boulanger versuchte umsonst, ihn von diesem Posten zu entfernen. Nach Ansicht des Staatsan valts liegen drei ausgesproene Versuche des Attentats auf die Sicherheit des Staates vor: Erstens am Tage der Abreise Boulanger’'s nach Clermont, 8. Juli 1887. Der Krawall auf dem Lyoner Bahnhof war von Agenten des Generals veranstaltet, 20 000 Menschen schrien: Er soll nicht abreisen, auf zum Elysée! Boulanger ermuthigte die Meuterer; einer seiner Agenten leitete die Bewegungen gedungener Banden, mehrere Hunderte zogen auf⸗ rührerisch zum Elysée. Die Untersuchung beweist angeblich, daß die Ausführung des Attentats nur an der Abtrünnigkeit der Anarchisten scheiterte. Boulanger reiste erst ab, als durch orrücken der Polizei seine Hoffnung, sich im Triumph zum Elysée tragen zu lassen, vernichtet war Zweitens: Attentat vom 14. Juli 1887. Die Pariser Truppen waren eifrig bearbeitet worden, bei der Revue am Nationalfest sollten sie durch Volksgeschrei für Boulanger hingerissen werden, der Wagen⸗ zug des Präsidenten der Republik wurde Angesichts der Armee be⸗ schimpft und mit Steinen beworfen. Doroulede leitete die Meuterei. Boulanger war im Geheimen nach Paris gekommen und wartete den Ausgang der Meuterei bei einem Agenten ab. Der Streich mißlang. Doch nun trieb der General von Clermont aus seine Agenten zu neuen Thaten; seine chiffrirten Depeschen liegen entziffert vor. Boulanger nannte sich in denselben: Spes, Crimée, Jeanne oder Emile. Déroulède bieß Mademoiselle Prudence. Damals unternahm Boulanger verkappt auch eine Reise nach Lyon und fuhr in der Richtung der Schweiz wahr⸗ scheinlich nach Prangins zu Prinz Jéerome Bonaparte. Zugleich ließ er seine Kandidaturen bei den Wahlen aufstellen. Er leugnete die Mitschuld, doch die Depeschen bewiesen seine Worte als Lüge. Hierauf erfolgte die Aüschung Inzwischen war bei dem dritten Attentatsversuch, geschehen Ende November, die Krisis der Prä⸗ sidentschaft eingetreten. Boulanger war in Paris anwesend und weigerte sich, dem Befehl des Kriegs⸗Ministers zu gehorchen und nach Clermont zurückzukehren. Er arbeitete einen Plan mit seinen Spießgesellen aus; einer seiner geheimen Freunde sollte ein Ministerium bilden, Laguerre Post⸗Minister werden. Vom Elysée und Palais Bourbon sollten Soldaten und Polizei entfernt werden, die Menge sollte stürmen und den Präsidenten fortjagen. Boulanger wollte dann auf den „Wunsch des Volkes“ die Regierung übernehmen. Die Sache kam anders. Aber die Losung war im besagten Sinre aus⸗ gegeben, raher Déroulède's auffallende Bemühung, Grery im letzten Augenblick zum Bleiben zu bewegen.

Zum Schluß der Anklageakte wird ausgeführt, daß Boulanger vom 25. März 1888 an an die Spitze der Koalition der Feinde der Republik trat. Woher er das Geld bekam, ist noch nicht klar. Die Anklage erwähnt das Gerücht, daß ein Prinz⸗Prätendent ihn sub⸗ ventionirt habe und gewisse Finanzleute und Aristokraten ausgeholfen hätten. Nach amtticher Statistik empfing Boulanger seit Anfang 1888 1275 Werthbriefe, davon 118 aus dem Auslande, 14 aus Italien, 3 aus Oesterreich, 1 aus Deutschland. Boulanger versuchte fortwährend das Militär zum Treubruch zu verleiten. Beispieleweise luden Agenten von ihm zwei Soldaten ins Wirthshaus ein, tranken mit ihnen, gaben jedem 20 Fr. und sagten: „Schießt nicht, wenn es eine Revolution ciebt“. Boulanger persönlich versuchte, den Chef der Staatspolizei zu bestechen. Die Untersuchung ergab einen Haufen von Wiiefen Staatsbeamter, welche ihm ihre Dienste zusagten. Boulanger sammelte und ordnete fleißig auch leere Complimente, gröbste Schmeicheleien. Ein Brief fängt an: „Ave Caesar Imperator!“

g- vns und Polen. St. Petersburg, 18. Juli. W. T. B.) Der österreichisch⸗ungarische Botschafter, Graf

olkenstein⸗Trostburg ist heute von hier ins Ausland abgereist.

„— Die „St. Petersb. Ztg.“ schreibt: „In der Organi⸗ sation unserer sibidschen Militärbezirke sind einige nicht unwesentliche Veränderungen vorgenommen worden, aus welchen, wie aus vielen vorhergehenden Maßregeln, das Bestreben ersichtlich ist, den dortigen Truppentheilen ein festeres Gefüge zu geben. In den Militärbezirken Omsk und Irkutsk wurden die Reserve⸗ und Lokaltruppen, ganz wie es im europäi⸗ schen Rußland der Fall, unter den gemeinsamen Befehl von Brigade⸗Commandeuren gestellt und zu diesem Zwecke im Militärbezirk Omsk die 28., in dem von Iirne die 27. Platz⸗ brigade errichtet. Die eee ge dieser Brigaden haben den Rang und die Machtbefugniß der Divisions⸗Commandeure; die ihnen unterstellten Truppen bilden ja auch thatsächlich für den Kriegsfall den Stamm sür mindestens eine Division. Zur 26. Platzbrigade (Omsk) gehören alle Reserve⸗ und Lokal⸗ truppen der Gouvernements Tobolsk, Tomsk und des Be⸗ zirks Akmolinsk sowie die gleichfalls neugebildeten Militär⸗

bezirkskommandos in Omsk, Ssemipalatinsk und Wjerny. Zur 27. Platzbrigade in Irkutsk gehören alle Reserve⸗ und Lokal⸗

truppen der Gouvernements Irkutsk und Jenisseisk wie die des Bezirks Jakutsk und die neuerrichteten Militärbezirks⸗ kommandos in Irkutsk, Nishneudinsk, Krassnojarsk, Atshinsk und Kirensk. Die Ernennungen der über jene Bezirke be⸗ fehligenden Kreismilitärchefs sind noch nicht erfolgt.“

19. Juli. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hätte der Reichsrath die Berathung des Vorschlages des ver⸗ storbenen Ministers Tolstoi, betreffend die Einrichtung von Chefstellen für die einzelnen Fernise Distrikte, nunmehr beendet, und stände die Kaiserliche Ge⸗ nehmigung demnächst zu erwarten.

Italien. Rom, 18. Juli. (W. T. B.) Der König ist heute Abend nach San Rossore abgereist und begiebt sich zu Anfang August mit dem Kronprinzen nach Apulien. König Humbert hat dem Kaiser von Brasilien anläßlich des glücklichen Ausgangs des Attentats seine Glückwünsche zugehen lassen; ebenso beglückwünschte der Papst den Kaiser. Der Kardinal⸗Staatssekretär Ram⸗ polla stattete dem brasilianischen Gesandten bei dem Päpstlichen Stuhle einen Besuch ab, um demselben persönlich seine Glückwünsche auszusprechen.

Spaunien. Madrid, 18. Juli. (W. T. B.) In Folge von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Herzoge von Medina⸗Sidonia und dem Herzoge von Sesto, Kämmerern der Königin, haben dieselben ihre Ent⸗ lassung eingereicht. Die Königin hat nur die Entlassung des Letzteren angenommen.

Schweiz. Zürich, 17. Juli. Die „N. Zürcher Ztg.“ berichtet über den Fortgang der Arbeiten zur Landes⸗ befestigung: „Der Tunnel von der Schöllenen zum Fort⸗ bühl ist nun, wie wir dem „Urner Wochenblatt“ entnehmen, durchgeschlagen, und am Urnerloch haben die Arbeiten für das große neschtecc begonnen. Ebenso sind auf Furka und Oberalp die Arbeiten für die Festungswerke bereits in Angriff genommen. Indessen ist die Zahl der Arbeiter nicht so groß, wie man gemeiniglich meint und gelegentlich ausgiebt. In Andermatt sind es ihrer 130, auf der Oberalp 20 und Furka 16. Sobald die beiden Werke auf dem Bätzberg und Bühl ausgeführt werden, was bald einmal der Fall sein dürfte, soll die Zahl der Arbeiter um 200 vermehrt werden. Es werden Baracken hergestellt, um sie unterzubringen. Letzten Dienstag, Mittwoch und Donnerstag fand die Besichtigung der Werke und der zu befestigenden Stellen durch die beiden Kommissionen der Bundesversamm⸗ lung statt, welche über den Gotthard kamen, von Andermatt aus auf den Bätzberg, in die Schöllenen, auf die Oberalp, den Calmot und die Furka gingen. Die Kommissionen haben die Ueberzeugung gewonnen, es seien die Summen, welche für die Landesbefestigung bereits ausgegeben oder doch bewilligt worden, gut angewendet, und es verdienen die bezüglichen An⸗ dge der schweizerischen Behörden das volle Vertrauen es Volkes.“

Türkei. Konstantinopel, 18. Juli. (W. T. B.) Aziz Pascha ist an Stelle Raouf Paschas zum Gouverneur von Beyrut ernannt worden. n der hiesigen britischen Botschaft fand am Dienstag Abend ein Empfangsdiner zu Ehren des Königs Milan statt.

19. Juli. (W. T. B.) Der bisherige Gouverneur von Beyrut, Raouf Pascha, ist zum Gouverneur von Bidliß im Vilajet Erzerum ernannt worden.

ELerbien. Belgrad, 17. Juli. Der „Pol. Corr.“ zufolge hat König Milan seine Abreise von Konstantinopel auf nächsten Montag verschoben.

Afrika. Egypten. Kairo, 18. Juli. (Reuter's Bureau.) Der Finanz⸗Minister Riaz Pascha richtete abermals eine Note an die französische Regierung, in welcher er dieselbe dringend aufforderte, der beabsichtigten Konvertirung zuzustimmen, da ein definitives Ablehnen der Zustimmung eine jährliche Einbuße von 200 000 Pfd. Sterl

n für Egypten zur Folge haben würde. 1.X.“

Zeitungsstimmen.

Ueber den Anarchismus und die Sozialdemokratie schreibt der „Hamburgische Correspondent“: ‚Nach den Berichten über die zweite Sitzung des Marristen⸗ Kongresses in Paris befinden sich unter den fremden Delegirten auch solche, welche beauftragt sind, den Anarchismus zu vertreten Das kann nicht weiter Wunder nehmen; der Unterschied zwischen beiden Richtungen ist ja, wie man vom St. Gallener Tage her authentisch weiß, nur rein theoretisch und betrifft bloß die Frage der Taktik. Selbst auf dem Londoner Gewerkschaftskongreß der Trades Unions (November 1888) hatten sich halbe Anarchisten eingefunden, und ein solcher sagte damals, internationaler Arbeiterschutz, gesetzlicher Normalarbeitstag und der⸗ gleichen sei alles Quacksalberei; nur internationale Revolution könne helfen Ein französischer Sczialist, André Eelv, setzte es durch, daß gegen die Stimmen der Engländer beschlossen wurde, die Organisation der Arbeiter müsse eine politische sein, eine Organisation des Klassen⸗ kampfes gegen das Kapital. Derselbe Grundton klingt durch die letzte Pariser Rede Liebknecht's hindurch, wo er von der politischen Macht des Proletariats und dem letzten Verzweiflungskampf der alten Ge⸗ sellschaft spricht, ganz wie es sein Meister Marx schon vor 20 und 30 Jahren gethan hat.“

Die wirthschaftliche Schädlichkeit der Fachvereine be⸗ leuchtet die „Hallische Zeitung“ an folgendem Beispiel:

„In Bremerhaven legten am 11. d. M. die von den Fachvereinlern aufgehetzten Arbeiter des Norddeutschen Lloyd ohne stichhaltigen Grund die Arbeit nieder aber nur, um schon nach kaum zwei Tagen zu der Erkenntniß zu kom⸗ men, daß sie gewissenlosen Agitatoren in die Hände ge⸗ fallen waren. Gleich nach dem Ausbruch des Strikes meldeten sich etwa 100 Arbeiter aus der naächften Umgebung, welche vereint mit den Nichtvereinlern das Löschen und Laden der Lloyddampfer bewerk⸗ stelligten und dies, wie Augenzeugen berichten, rascher noch wie bisher die eingearbeiteten Schauer⸗ und Stauerleute. Eine Stockung im Betriebe des Norddeutschen Lloyd konnte aber auch schen deshalb nicht leicht eintreten, weil der Verkehr zur Zeit nicht sehr lebhaft ist und man sich mit den vorhandenen Arbeitskräften gut helfen konnte. Die Ausständigen sahen dies alles wohl ein und gaben daher nach; fast Alle erklärten ihren sofortigen Austritt aus dem Fachverein, viele aber haben sich trotzdem um die lohnende un sichere Arbeit gebracht, da der Lloyd jetzt nur die tüchtigsten feiner früheren Arbeiter wieder aufnimmt und vor allem Andern keine der leitenden und treibenden Kräfte des Fachvereins in die Reihen seiner Leute treten lassen will. Wie der „Weserzeitung“ von unterrichteter Seite mitgetheilt wird, werden die bisherigen Löhne vorläufig bei⸗ behalten und sollen sich später dann nach dem jeweiligen Stande des Betriebes richten. Fest entschlossen aber sei der Norddeutsche Llopd, gegen jeden ferneren Versuch einer Bevormundung durch Fachvereine und dergl. energisch Stellung zu nehmen, ohne Rücksicht auf etwaige ihm dadurch erwachsende materielle Schäden.“

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Eine Ausführung über die Mittel gegen Arbeits⸗ einstelungen schließen die „Hamburger Nachrichten“ mit folgendem Rathschlag: G b

„Ein gründliches Mittel gegen die Strikes giebt es bei der beutigen Stimmung der deutschen Arbeiter überhaupt nicht. Zu einer Einschränkung des Uebels aber dürfte neben der Bereitwillig⸗ keit der Arbeitgeber, begründete Forderungen freiwillig zu erfüllen, eine systematische Feststellung und Bekanntmachung der schädlichen

olgen, welche Strikes selbst bei einem gewissen äußeren Erfolge ho die Arbeiter haben, erheblich beitragen können. In dieser Be⸗ ziebung geschieht jetzt fast nichts zur Bekämpfung der Agitatoren; die wirklichen oder angeblichen im Strike errungenen „Siege“ werden ausposaunt; die Kriegskosten aber, die in der Gestalt oft aussichts⸗ loser Verschuldung zahlreicher Familien und sonstigen ökonomischen Verfalls getragen werden, bleiben geheim. Auch hier ist ein Feld für die überhaupt viel zu sehr vernachlässigte unmittelbare Gegenagitation wider die Sozialdemokratie unter den Arbeitern.“

In einem die ‚wirklichen“ Ursachen der Verbrechen überschriebenen Artikel weist die „Danziger Allgemeine Zeitung“ an der Hand eines amerikanischen Blattes auf die Theorie der Sozialdemokraten hin, wonach die Menschen von Haus aus gut seien und nur durch die schlechten sozialen Verhältnisse zur Verletzung der Gesetze getrieben würden:

„Für diese heillos verblendete Theorie ist natürlich ein Beweis willkommen, aus dem sich ergiebt, daß ein Zusammenhang zwischen der Sträflingszahl und den wirthschaftlichen Krisen besteht. In der That ist ja auch ein solcher Zusammenhang vorhanden, und folgende Beispiele aus der Philadelphiaer Gefangenenstatistik sind immerhin lehrreich: „Im Jahre 1857 brach der allgemeine Bankkrach aus, dem ein großer geschäftlicher Niedergang folgte. Die Zahl der Sträflinge stieg binnen drei Jahren von 210 auf 260. Der Krieg brach aus und rerschlang eine Menge Menschen. Der Bestand des Gefängnisses sank im Jahre 1863 auf 135. Aber dann geht es mit einem Riesensvrung in die Höhe. Die vom Kriege zurück⸗ kehrenden Soldaten konnten so schnell keine Beschäftigung finden; der Arbeitsmarkt war überfüllt, und die Zahl der Sträflinge stieg binnen zwei Jabren auf 360 Vom Jahre 1886 an sinkt die Ziffer beständig bis 1873, da sie 225 beträgt Dann kam der große Krach, und mit noch größerem Ruck als in der früheren Krisis schnellte die Zahl der Gefangenen in die Höhe, bis sie im Jahre 1877 auf 560 angekommen ist. Dann hoben sich die Geschäfte wieder, der Bestand des Gefängnisses sinkt im Jahre 1882 auf 420 Da kam abermals eine Wendung nach abwärts im industriellen Leben, die ungefähr mit dem Attentat auf Garfield begann und mit den New⸗Yorker Bankbrüchen ihren tiefsten Stand erreichte. Die Zahl der Sträflinge folgte der Krisis ganz genau, sie erreichte in der Mitte des Jahrzehnts die Ziffer von 560. Im letzten Jahre scheint ein kleiner Abfall stattgefunden zu haben.“ 8

Gewiß gebt hieraus hervor, daß der Stand der Erwerbsverhält⸗ nisse auf die Zahl der Verbrechen von Einfluß ist. Ist damit aber die schlechthin soziale Natur des Verbrechens überhaupt im mindesten bewiesen? Nach dem amerikanischen Blatte hatte in den sogenannten schlechten Zeiten die Zahl der Vermögensvergehen sich beträchtlich erhöht, und beruht fast ausschließlich hierauf der Zuwachs in der Gesammtzahl der Gefangenen. Die Verleitung zu Diebstählen ist naturgemäß in

iten von Verdienstnoth viel größer; allein das erklärt nur das Mehr oder Weniger in der Gesammtzahl der Diebstahlsfälle, nicht aber auch, daß Diebstähle überhaupt vorkommen und daß Menschen, die keine Nahrungssorgen haben, verbrecherischer Habgier verfallen. Wie steht es ferner mit den Verbrechen wider Staat, Religion, Sitt⸗ lichkeit, Leib und Leben? Hier offenbart sich ein verbrecherischer Trieb, der vom wirthschaftlichen Leben unberührt bleibt, sodaß selbst in Feiten gesteigerter industrieller Thätigkeit eine Vermehrung der Ver⸗ rechen wider die Person und wider Staat, Religion und öffentliche Ordrung vorkommen kann. Die Sozialdemokraten brauchen nicht bis Amerika zu gehen, um

die Beobachtung eines gewissen Husammenhanges zwischen der Zahl

er Vermögensverbrechen und dem Stande der ökonomischen Verhält⸗

nisse bestätigt zu finden. Im Deutschen Reich ist in jener Klasse von

Vergehen von 1882—1888 die Zahl der Verurtheilungen von 169 300 auf 154 700 zurückgegangen; allein die Diebffahlsfälle ver⸗ minderten sich von 79 000 auf 65 000 Wohl ist diese erfreuliche Erscheinung mit eine Folge der reicheren Entfaltung der industriellen Thätigkeit und des gewerblichen Verdienstes. Aber sie paßt der Sozialdemokratie nicht, weil sie ihren Klagen von der steizenden Verdienstnoth der Arbeiter widerspricht und sich zur Erregung von Unzufriedenheit nicht verwerthen läßt. Leider sind in derselben Zeit die Verbrechen, deren Triebfedern Uebermuth, Gewaltthätigkeit, sitt⸗ liche Entartung sind, nicht zurückgegangen, sondern gestiegen. Möchte doch die sozialistische Presse die Ursachen hierfür einmal un⸗ befangen untersuchen! Aber es ist eben kein bequemes Thema für eine Partei, welche in einer nur der Erde und ihren Gütern zugewandten Theorie die bestehenden staatlichen und religiösen Ordnungen miß⸗ achtet und mit dem Versuche, die sittliche Verschuldung des Einzelnen auf äußere Verhältnisse abzuwälzen, selbst zur Verwilderung der Ge⸗ sinnung beiträgt.“

Statistik und Volkswirthschaft.

Ueber die Lage des Handels und der Industrie

liegen uns heute zwei wesentlich mit einander übereinstimmende Aeuße⸗ rungen von Handelskammern vor. Der Jahresbericht der Handelskammer von Wiesbaden äußert sich in seinem allgemeinen Theile wie folgt: 8 BBereits in der letzten Hälfte des Vorjahres (1887) machte sich eine langsam steigende Besserung der allgemeinen wirthschaftlichen Lage bemerklich; aber der Aufschwung war kein allgemeiner, die Geschäfts⸗ ergebnisse noch zu wenig befriedigende. Die politischen Verhältnisse, die sich zwar klärten, waren nicht derartig, daß sie die Friedens⸗ zuversicht festigten, und so fehlte noch die erste Vorbedingung zu einer durchgehenden Aufbesserung der Handels⸗ und Industriethätigkeit. Auch zu Anfang des Berichtsjahres (1888) war die Weltlage noch unsicher, und die traurigen bistorischen Ereignisse warfen so manchen Schatten auf das erste Halbjahr. Trauer und Schmerz erfüllte das deutsche Volk, zwei Kaiser, zu deren Heldengestalten es mit Stolz und vollstem Vertrauen aufblickte, sah es hinscheiden. Besorgniß und Zweifel an dem Fortbestehen des Friedens lähmte die Arbeit und die Unternehmungslust. Als der jugendliche Kaiser Wilhelm II mit kräftiger Hand das Szepter ergriff und durch Wort und That das Gelöbniß gab, ein Schirmer und Lbs des Friedens zu sein, kehrte das Vertrauen und die Zu⸗ versicht auf die Erhaltung des Friedens zurück, überall zeigte sich rege Thätigkeit, Handel und Industrie nahmen einen bedeutenden Auf⸗ schwung. Wenn auch die erzielten Gewinne oft noch erheblich hinter den Erwartungen zurückbleiben und nicht im Verhältniß zur auf⸗ gewendeten Arbeit stehen, wenn noch viele Klagen über allzu ge⸗ ringen Nutzen und kleinen Unternehmergewinn laut werden, so ist doch im Allgemeinen das Ergebniß ein zufriedenstellendes, und es ist die Heffnung berechtigt, daß die gesunde Lage, die sich in so erfreulicher Veise angebahnt hat, von Bestand sein wird und sich weiter fort⸗ bildet. Klagen werden nie verschwinden; geringer Nutzen, schmale Rente sehen wir bei allen Kapitalverwendungen, die sich nicht nur auf Deutschland und nicht auf bestimmte Gebiete beschränken. Der Ausfuhrhandel Deutschlands hebt sich mehr und mehr; in allen Meeren kreuzen deutsche Schiffe, in allen Ländern finden wir deutsche Niederlassungen, die bestrebt sind, den deutschen Erzeugnissen immer weitere Absatzgebiete zu verschaffen. Nach der Reichsstatistik verzeichnen die Eisen⸗ und Textilwaaren einen erheblichen Ausfall, der aber kaum seine Begründung in einem Rückgang dieser großen Gewerbs⸗ wfige hat, da ja die Fabriken flott beschäftigt waren und nirgends über rbeitsmangel geklagt wurde. Reben der sich unverkennbarbessern⸗

1 zwei Drittel aller Arbeiterau

den Kaufkraft des Inlandes mag vor Allem die abschließende See der fremden Staaten jenen Ausfall herbeigeführt haben.... n dankbarer Anerkennung wollen wir erwähnen, daß Seitens der Reichsregierung alles geschieht, um Handel und Gewerbe in ihrer ge⸗ deihlichen Entwickelung zu fördern. Durch Vervollständigung und weiteren Ausbau des Konsulatswesens ist sie bestrebt, Deutschlands Handelsbeziehungen zu fremden Staaten zu festigen und dieselben auf immer weitere Gebiete auszudehnen. Sie ist bemüht, durch Verbesse⸗ rung der Verkehrsmittel der gewerblichen Thätigkeit die geeignetste Stütze zu geben, wodurch Schwierigkeiten, wie sie sich im verflossenen Jahre bei Gestellung von Wagen für die Eisenbahnverwaltungen ergaben, vermieden werden.“ 8 2 1 Der Jahresbericht der Handelskammer für Elberfeld beginnt mit folgenden Betrachtungen: - . 8 „Bei einem Rückblick auf das Jahr 1888 ist es unmöglich, die

schmerzlichen Schicksalsschläge unerwähnt zu lassen, welche in der ersten Hälfte desselben in rascher Folge unser Kaiserhaus trafen. Riefen doch der Heimgang Kaiser Wilhelm's I., des ehrwürdigen Neubegrün⸗ ders unserer Reichseinheit, des Förderers unserer wirthschaftlichen und sozialen Wohlfahrt, des mächtigen Schützers des Weltfriedens, sowie der kaum 3 Monate später sich vollziehende tragische Abschluß der einst mit den höchsten Hoffnungen begrüßten Herrscherlaufbahn Kaiser Friedrich's III., des hochsinnigen Dulders, eine tiefgehende und nach⸗ altige Bewegung nicht nur im gesammten deutschen Volke, sondern auch in allen übrigen Nationen des Erdkreises hervor. Die Ruhe, mit der sich dieser von so erschütternden Verhältnissen begleitete zweimalige Thronwechsel vollzog, die Festigkeit, welche unser verhält⸗ nißmäßig noch so junges Reichsgefüge bei diesen ersten schweren Proben zeigte, die sichere Entschlossenheit, mit welcher Kaiser Wilhelm II. das große Friedenserbe seiner Vorgänger angetreten und trotz der kurzen Zeit seiner bisherigen Regierung bereits weiter ausgekaut hat, sind von wohlthuendster Wirkung auf die Gestaltung der allgemeinen politischen und damit auch der wirthschaftlichen Ver⸗ hältnisse gewesen. Die Spannung, welche noch zu Anfang des Jahres 1888 über ganz Europa lag, erscheint gemindert, und an die Stelle derselben ist die Hoffnung auf längere Dauer der gegenwärtigen Friedensperiode getreten. Unter diesen Umständen konnte eine weitere Belebung von Handel und Industrie in Deutschland nicht ausbleiben, und auch für unseren Bezirk ist eine solche im Allgemeinen wahrzunehmen gewesen, wenn auch manche Industrien zu lohnenden Abschlüssen nicht gelangt sind.“

Die Güterbewegung auf deutschen Eisenbahnen im Jahre 1888,

verglichen mit den drei vorhergehenden Jahren, bezifferte sich, nach einer im neuesten Heft 4 (Juli und August 1889) des „Archivs

Eisenbahnwesen“ veröffentlichten Arbeit von C. Thamer folgender⸗ maßen: Der gesammte Güterverkehr umfaßte (die Zahlen in Millionen Tonnen abgekürzt) 1888 134,9 gegen 122,2 im Jahre 1887, 113,6 im Jahre 1886 und 111,2 im Jahre 1885, hat sich also seit 1885 um 23,7 Millionen Tonnen vermehrt. Auf den Verkehr im Inlande kamen davon im Jahre 1888 113,7 Millionen Tonnen gegen 103,3, 96,6 und 93,5 in den Vorjahren, d. s. 20,2 Millionen Tonnen Zunahme seit 1885; auf den Verkehr mit dem Auslande: 1888 21,3, gegen 18,9, 17,0, 17,7 in den Vorjahren, d. s. 3,6 Millionen Tonnen mehr als 1885. Von dem Inlandsverkehr blieben 1888 im engeren Lokal⸗ verkehr der einzelnen Verkehrsbezirke 45,1 gegen 41,0, 35,5 und 37,4 Millionen Tonnen in den Vorjahren; im gegenseitigen Austausch der Verkehrsbezirke wurden befördert 68,5 gegen 62,3, 58,1 und 56,0 in den Vorjahren. Vom Auslandsverkehr kamen: auf den direkten Ver⸗ kehr zwischen Deutschland und dem Auslande 19,3 gegen 17,1, 15,5 und 16,2, auf die Durchfuhr von Ausland zu Ausland 1,9 gegen 1,8, 1,5 und 1,5 in den Vorjahren. Aus Deutschland ausgeführt wurden 1888 10,2 gegen 9,5, 9,5 und 9,8, nach Deutschland eingeführt 9,0 gegen 7,4, 5,96 und 6,5 Millionen Tonnen in den Jahren 1887, 1886 und 1885. Berücksichtigt man den Umstand, daß der Verkehr mit den Seehäfen zu einem großen Theil den Verkehr mit dem überseeischen Auslande darstellt, und daß der nachgewiesene Empfang mit der Eisenbahn sich vielfach als Ausfuhr aus Deutschland, der Versandt mit der Eisen⸗ bahn aber sich als Einfuhr nach Deutschland charakterisirt, so betrug der Wechselverkehr zwischen den deutschen Verkehrsbezirken (mit Aus⸗ schluß der Seehäfen) 61,2 Mill. Tonnen (56,0, 52,0, 50,Z in den Vorjahren), der Verkehr der deutschen Verkehrsbezirke (ausschließlich der See⸗ häfen) mit dem Auslande (einschließlich der Seehäfen: Ausfuhr, und zwar a. Versandt des deutschen Binnenlandes aus dem Auslande 10,0 (9,4, 9,2, 9,5), b. Empfang der See⸗ häfen aus dem deutschen Binnenlande 4,3 (3,7, 3,6, 3,2), zusammen 14,3 (13,2, 12,8, 12,7); Einfuhr, und zwar a. Empfang des deutschen Binnenlandes aus dem Auslande 8,1 (6,8, 5,6, 0,8), b. Versandt der Seehäfen nach dem deutschen Binnenlande 2,9 (2,6, 2,5, 2,4), zusammen 11,0 (9,4, 8,0, 8,2) Millionen Tonnen. Die Durchfuhr von Ausland zu Ausland sowie zwischen dem Aus⸗ laͤnde und den deutschen Seehäfen bezifferte sich wie folgt: Durchfuhr von Ausland zu Ausland 1,9 (1,8, 1,5, 1,5) Millionen Tonnen; Versandt der Seehäfen nach dem Auslande 0,3 Millionen Tonnen oder genauer 1888 268 892 t (1887 273 833, 1886 282 539 ½, 1885 285 032 ½ t); Empfang der Seehäfen aus dem Auslande 1,0 Millionen Tonnen oder 995 546 t (628 275 bezw. 405 313 und 711 331), zusammen 3,2 (2,7, 2,2, 2,5) Millionen Tonren. In der Tabelle über den Versandt des Auslandes steht an der Spitze Böhmen mit beförderten Mengen im Gesammt⸗ gewicht von 4 129 543 t im Jahre 1888; dann folgen: Luxemburg mit 907 575 ½8 t, die Niederlande mit 762 817 ½ t, Rußland ohne Polen mit 734 712 ½ t. ferner Belgien (666 504 t), Oestetreich ohne Böhmen, Galizien und Ungarn (503 753), Polen (445 580 ½), Ga⸗ lizien (310 329), Ungarn (302 733 ½), Frankreich (153 308 ½), Schweiz (101 085), Italien (60 781), Dänemark (14 056), England (1907 ½ʃ), Schweden (457 ½). In der anderen Tabelle, über den Empfang des Auslandes, nehmen die Niederlande die erste Stelle ein mit 2 428 945 t. Dann folgen: Oesterreich ohne Böhmen, Galizien und Ungarn (1 855 616 ½), Böhmen (1 222 845), Schweiz (1 074 060), Belgien (895 582 ½), Frankreich (872 102 ½), Luxemburg (742 784 ½), Polen (351 489 ½), Galizien (264 425), Ungarn (235 106), Italien (217, 071 ½⅛), Rußland ohne Polen (51 277 ½), Dänemark (35 903), England (1954 ½), Schweden (251 ½4o). Die größten beför⸗ derten Mengen entfielen auf folgende Waaren: Steinkohlen (54 108 918 t), gebrannte Steine (11 067 146), Braunkohlen (9 373 951), Eisenerze (5 764 409 ½), Roheisen (3 932 238 ½¼) ꝛc. Die verschiedenen Getreidesorten sind mit folgenden Ziffern notirt: Weizen 2 165 481 t, Roggen 1 500 781 t, Gerste 1 314 527 t, Hafer 912 385 t. Mehl wurde befördert im Gesammtgewicht von 2 165 481 t, Kartoffeln 1 341 381 t, Salz 993 712 ½ t, Rüben 2 844 071 t, roher Zucker 905 909 ½ t. Zu unterst in der Lifte sind aufgeführt: Fleisch mit 24 635 ½ t kaustische Soda mit 22 108 ½ t und Knochenkohle mit 13 829 t. Pferde wurden befördert 377 991 Stück, Rindvieh 3 429 290, Schafe 3 381 511, Schweine 6 885 375 und Geflügel 5 780542 Stück.

Zu den Ursachen der Arbeiterausstände in Frankreich.

Vor einiger Zeit hat das statistische Bureau in Paris eine Enquete über die Ursachen der Arbeiterausstände in Frankreich von 1874 bis 1885 veranstaltet und über die Ergebnisse dieser Untersuchung im 15. Band der „Statistique annuelle“ ausführlich berichtet, insbeson⸗ dere über die statistischen Ergebnisse der unternommenen Erhebungen. Danach sind, wie wir dem „Hamb. Corr.“ entnehmen, in Frank⸗ reich in der Zeit von 1874 bis 1885 mit Ausschluß des Jahres 1881 insgesammt 804, bezw. 815 Arbeiterausstände vorgekommen, und es hat sich herausgestellt, daß von diesen Arbeiterausständen 44 % durch höhere Lohnforderungen, 22 % durch Lohnverminderungen, 1 % durch verschiedene Beschwerden über die Arbeitsbedingungen, 5 ½ % durch Forderungen nach Verminderung der Arbeitszeit und 17 ½ % durch andere Umstände verursacht worden sind. Es sind demnach in Frankreich auf die Lohnfrage durchschnittlich

nde zurückzuführen, was wohl

in andern Ländern der Fall sein dürfte. Beiläufig haben von den untersuchten Arbeiterausständen in Frankreich 27 % mit einem Siege und 57 % mit einem Mißerfolge der Arbeiter geendet, während 16 % durch gegenseitige Zugeständnisse beigelegt wurden. G

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 7. Juli bis inkl. 13. Juli cr. zur Anmeldung gekommen: 260 Eheschließungen, 929 Lebendgeborene, 28 Todtgeborene, 906 Sterbefälle.

Kunft und Wissenschaft.

In der Königlichen Kunstakademie sind egenwärtig die Studienarbeiten der Hochschule für die bildenden Künste aus dem letzten Unterrichtsjahre ausgestellt Die Preis⸗ vertheilung hatte am Mittwoch im früheren Abend⸗Aktsaal statt⸗ gefunden, woselbst das Lehrerkollegium und die Studirenden versammelt waren. Wie der Direktor Prof. Anton von Werner in einem Rückblick auf das vergangene Studienjahr mittheilte, hat sich die Frequenz der Akademie in dieser Zeit etwas ver⸗ mindert, doch sei das höheren Orts beabsichtigt worden, da bei der Aufnahme Gewicht darauf gelegt werden soll, daß nur ganz befähigte Leute in die Akademie eintreten. Dem Jahresbericht zufolge, welchen der Direktorial⸗Assistent Professor Teschendorff verlas, ist in Folge seiner Krankheit Professor Hellgvist als Lehrer der Malklasse aus⸗ geschieden: diese wird jetzt von dem Maler Vogel geleitet, welcher, gleich den Malern Teschendorff, Brausewetter, Friedrich und dem Kupferstecher Hans Meyer, zum Professor ernannt worden ist.

Die Ausstellung nimmt mehrere Säle ein und weist eine stattliche Fülle von recht achtbaren Leistungen auf, unter denen die mit Preisen ausgezeichneten besonders kenntlich gemacht sind. Preise haben er⸗ halten: Die Studirenden Hansche (erster Preis der Landschaftsklasse), Max Uht und Lemm, aus der Thierklasse: die Maler Hans Krause, H. Behrens und Thomas; aus dem Maler⸗Aktsaal: Horte, Lugan und Grünert aus der Malklasse: von Brandis, Wäilhelm Müller und Melchior Lechter; aus der Modellirklasse die Bildhauer Stark und Wandschneider; aus dem Bildhauer⸗Aktsaal Heinemann, Abele und Künzler; ferner theils für Klassenleistungen, theils für selbständige Studien oder Kompositionen: Binde, Westphalen, Kraus, Kurth, A. Behrens, Ernst Berger, Fritz und Hermann Klimsch, Bildhauer Wolf, Eltze (zwei Preise), Fahrenkrog, Greve, Wilhelm Schulz, Schiff, von Wensierski. Posa sky, Kullrich, Winckelmann, Sucksdorff, Seegert; aus der Radirklasse: Uht und Wilhelm Feld⸗ mann. Die Preise bestehen in Geldbeträgen, Medaillen, Kunstwerken und Anerkennungen. Die Ausstellung findet unentgeltlich statt und dauert bis zum 25. d. M. Wir werden auf dieselbe noch zurüuck⸗ kommen.

An der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin bestehen folgende Abtheilungen: Abtheilung I für Architektur; Ab⸗ theilung II für Bau⸗Ingenieurwesen; Abtheilung III für Maschinen⸗ Ingenieurwesen mit Einschluß des Schiffbaues; Abtheilung IV für Chemie und Hüttenkunde; Abtheilung V für Allgemeine Wissen⸗ schaften, insbesondere für Mathematik und Naturwissenschaften. Während des Sommer⸗Semesters 1889 setzt sich der Lehrkörper zusammen aus 63 etatsmäßig angestellten Professoren resp. selbständigen, aus Staatsmitteln remunerirten Dozenten, aus 28 Privatdozenten resp. zur Abhaltung von Sprachstunden berechtigten Lehrern und aus 76 zur Unterstützung der Dozenten bestellten Assistenten Im 1. Semester Studirende giebt es 112, im 2. Semester Studirende 160, im 3. Semester 69, im 4. Semester 127, im 5. Semester 54, im 6. Se⸗ mester 101, im 7. Semester 69, im 8. Semester 91, in höheren Semestern 100, im Ganzen 883 Studirende, wovon 187 sich dem Studium der Architektur, 191 dem Bau⸗Ingenieurwesen, 296 dem Maschinen⸗Ingenieurwesen, 97 dem Schiffbau und 112 der Chemie und Hüttenkunde widmen. Für das Sommer⸗Semester sind 127 neu im⸗ matrikulirt, von früher ausgeschiedenen Studenten 5 wieder immatrikulirt worden Von den 127 neu immatrikulirten Studirenden sind aufgenommen worden: a. auf Grund der Reifezeugnisse von Gymnasien 51, b. auf Grund der Reifezeugnisse von Realgymnasien 35, c. auf Grund der Reifezeugnisse von Ober⸗Realschulen 9, d. auf Grund der Reifezeug⸗ nisse bezw. Zeugnisse von außerdeutschen Schulen 21, e. auf Grund des §. 41 des Verfassungs⸗Statuts 11, Summa 127. An Hospitanten und Personen, welche auf Grund der §§. 35 und 36 des Verfassungs⸗Statuts zur Annahme von Unterricht berechtigt bezw. zugelassen sind, giebt es: a. Hospitanten, zugelassen nach §. 34 des Verfassungs⸗Statuts, 238. Von diesen hospitiren im Fachgebiet der Abtheilung I = 102, der Abtheilung I = 6, der Abtheilung III = 100 (inkl. 6 Schiff⸗ bauer), der Abtheilung IV = 30. Ausländer befinden sich unter den⸗ selben 6 (1 aus Niederland, 1 aus Rumänien, 1 aus Rußland, 2 aus der Schweiz, 1 aus Süd⸗Amerika); b. Personen, berechtigt nach §. 35 des Verfassungs⸗Statuts zur Annahme von Unterricht, 90, und zwar: Königliche Regierungs⸗Bauführer 7, Studirende der König⸗ lichen Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität zu Berlin 77, Studirende der Königlichen Berg⸗Akademie zu Berlin 4, Studirende der Königlichen Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin 2; c. Personen, denen nach §. 36 des Verfassungs⸗Statuts gestattet ist, dem Unterricht bei⸗ zuwohnen (darunter 5 kommandirte Offiziere und 2 Maschinen⸗ Unter⸗Ingenieure der Kaiserlichen Marine) 28, Summa 356; hierzu Studirende 883, Gesammtsumme 1239. 3

Zu beiden Seiten des Haupteingangee vom neuen Museum für Naturkunde in der Invalidenstraße zu Berlin baben jetzt, wie das „Berliner Fremdenblatt“ mittheilt, die in Sandstein über⸗ lebensgroß gearbeiteten Bildsäulen zweier berühmter Professoren der Naturkunde Aufstellung erhalten. Unter der einen steht in gol⸗ denen Buchstaben der Name „Johannes Müller“, unter der anderen der Name „Leopold von Buch“. Die Eröffnung der Museumsräume wird wahrscheinlich zu Michaelis d. J. erfolgen.

Der Katalog des Märkischen inz ar.nsn38 hatte, der „Staatsb Ztg“ zufolge, im Verwaltungsjahre 1888/89 einen Zugang von 3562 Nummern, sodaß der Bestand am 31. März 1889 59 278 Museumsgegenstände betrug. Von den Zugängen sind 3077 als Geschenke eingegangen, während 485 durch Ankauf für nahezu 2000 erworben wurden.

Der 50 jährige Gedenktag der Erfindung der Photo⸗ graphie fiel, dem „Dtsch. Tgbl.“ zufolge, in diesen Monat, denn am 17. Juli 1889 waren es rund 50 Jahre, daß Daguerre mit seiner neuen Erfindung, nach ihm die Daguerrotypie genannt, in Paris an die Oeffentlichkeit trat. Damals erhielt der Berliner Kunsthändler Sachse aus Paris von dem ihm be⸗ freundeten Daguerre einen Apparat, welcher Lichtbilder auf eine Silberplatte fixirte. Am 22. Juli schrieb Sachse, der sofort mit Alexander von Humboldt, dem Chemiker Magnus und anderen wissenschaftlichen Notabilitäten Rücksprache genommen hatte, nach Paris: „Wegen der Daguerrotypie⸗Angelegenheit haben wir sogleich öffentliche Anzeige ergehen lassen und rechnen darauf, mit dieser schönen Sache guten Erfolg zu haben.“ „In diesen 50 Jahren hat diese Kunst, nachdem sie in die Lichtbildnerei auf Papier, die Photographie, übergegangen, die ganze Welt erobert. Die für den 19. August d. J. vorgesehene umfangreiche photographische Ausstellung in der Kriegs⸗Akademie wird die verschiedenen Stadien, welche diese Kunst durchgemacht, wie ihre modernen Erfolge in bester Weise zu veranschaulichen suchen.

Durch Zugang von nahezu 5000 innerhalb der letzten vier Wochen hat sich der Ertrag der diesjährigen Sammlungen für die Gedächtnißkirche der Protestation von 1529 in Speyer auf nahezu 83 000 gehoben. Das Königreich Sachsen mit mehreren preußischen Provinzen, so namentlich Posen, Ostpreußen und Westfalen, nehmen hieran hervorragenden Antheil, obgleich gerade die letzten Wochen mit ihren mehrfachen Wetterschäden ꝛc. erhebliche Anforde⸗ rungen an die allgemeine Liebesthätigkeit stellten. Auch aus dem rechtsrheinischen Bavern sind uns einige dankenswerthe Gaben zuge⸗

kommen. Nicht minder fährt das Ausland, namentlich die Schweiz, England und Amerika, fort, unsere Bestrebungen z terstützen.