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von hier abgere
getreten
Adelgunde Frauenchiemsee besucht. Am kommenden Sonntag Nachmittag wird der Prinz⸗Regent sich zur Eröffnung auf den Festplatz des VII. Deutschen Turnfestes begeben.
— 2. Juli. (W. T. B.) Die Königin von Sachsen ist gestern Abend aus Brennerbad hier eingetroffen und hat sich alsbald zum Besuch der Herzoglich bayerischen Familie nach Possenhofen begeben, von wo Ihre Majestät im Laufe des heutigen Tages zurückkehren und nach Franzens⸗ bad weiterreisen wird.
Baden. Karlsruhe, 19. Zuli. Der
(W. T. B.)
Erbgroßherzog hatte gestern in Folge Ausbreitung der
Entzündung der Luftröhre in die Bronchien höheres Fieber.
Heute war keine Temperaturveränderung eingetreten.
Mecklenburg⸗Strelitz. Neustrelitz, 20. Juli. (W. T. B.)
Der Kammer⸗Präsident und Ober⸗Jägermeister von Voß
ist heute Nacht gestorben.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 18. Juli. (Cob. Ztg.) Se. Hoheit der e ist mit dem heutigen Mittags uge ist, um sich auf seine Besitzungen in Tirol zu
begeben.
Reuß j. L. Gera, 18. Juli. (Weim. der heutigen Sitzung des Landtages wurde die für die Legislaturperiode 1884—1887 erklärt und dabei auch die Frage der Aufhebung des Chausseegeldes berührt. Aus den Debatten erhellt, daß in der nächsten im Winter stattfindender Sitzung
on einem neugewählten Landtage der Frage näher werden wird. Dasselbe ist der Fall mit der Petition betreffs Baues einer Eisenbahn Hir chberg — Tanna —Schönberg. Bewilligt wurde einstimmig und definitiv die Herabsetzung des Zinsfußes der Landes⸗ Sparkassen von 3 ½ auf 3 ⅛ Proz. Eine Petition aus Lehrerkreisen, betreffkend Abänderung des §. 54 des Volksschulgesetzes, wurde dem Ministerium zur Erwägung übergeben. Es handelt sich in dieser Angelegenheit darum, daß in Lehrerkreisen der Wunsch rege ist, daß in Städten von mindestens 5000 Einwohnern außer dem Schuldirektor noch ein Lehrer, in Städten von über 10 000 Einwohnern außer dem Direktor zwei Lehrer dem Schulvorstand an ehören sollen. Außerdem erhielten durch Hagelschlag geschädigte Gemeinden aus Landesmitteln 6000 ℳ vom Landtage bewilligt. — Mit einem dreifachen Hoch auf den Fürsten wurde der Landtag darauf geschlossen. 8 1
tg.) In Rechnung für richtig
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Juli. (Pr.) Zum Präsidenten des dalmatinischen Landtags ist der Landtags⸗Abgeordnete Georg Conte Vojnovic de Uzicki und zu dessen Stellvertreter der Landtags⸗Abgeordnete Dr. Kajetan Bulat ernannt worden. 8 8
Pest, 18. Juli. (Wien. 2g, Der ungarische Minister⸗ Präsident von Tisza hat sich gestern zum Sommeraufent⸗ halt von Pest nach Geßt begeben.
Großbritannien und Irland. London, 19. Juli. 8 C.) Die Königin siedelte gestern, begleitet von der rinzessin Heinrich von Battenberg und deren Kindern, von Windsor nach Osborne auf der Insel Wight über. Die Monarchin wird dort bis zum 26. d. verweilen und um der Trauung der Prinzessin uise von Wales mit Lord Fife im Buckingham⸗Palast beizuwohnen. Nach mehrtägigem Aufenthalt in der Hauptstadt kehrt die Königin alsdann nach Osborne zurück. — Dem Sprecher Peel ist die Mittheilung gemacht worden, daß die Königin die Photographien und Autogra⸗ phen aller Abgeordneten zu besitzen wünsche, welche im Hause der Gemeinen während des Jahres, in welchem ihr Regierungsjubiläum gefeiert wurde, saßen.
Gestern Morgen, Punkt 9 Uhr, wurde die schlagfertige britische Flotte um 84 Kriegsschiffe: 7 Schlachtschiffe, 7 gepanzerte Kreuzer, 6 Küstenpanzerschiffe, 15 Kreuzer II. und III. Klasse, 11 Kanonenboote und 38 Torpedo⸗ boote I. Klasse vermehrt. Am Dienstag hatte die Admiralität den Mobilisirungsbefehl erlassen. Sofort nach Eintreffen desselben gingen die Mann⸗ schaften der verschiedenen Schiffe an die Arbeit, um sie in Kriegsbereitschaft zu setzen. Am Abend kehrten sie aufs Land in die Kasernen zurück. Dieselbe Praxis wiederholte sich gestern. Alle Fahrzeuge haben schon heute Vorräthe und Wasser für drei Monate und alles Sonstige, mit Ausnahme der Munition, an Bord. Heute in der Frühe wurde das Signal von den Flaggenschiffen gegeben, zu mobilisiren. Um 9 Uhr wurden die ee aufgehißt, und heute, morgen und Sonnta werden die in Portsmouth ankernden Schiffe die Fahrt na Spithead antreten. In der nächsten Woche werden die Flottenübungen verschiedener Art beginnen, wobei allerlei gefährliche Lagen angenommen werden. Deejenigen Schiffe, welche Segel besitzen, werden mit den Segeln manövriren, andere werden Landungen in kleinem Maßstabe versuchen, noch andere unterseeische Minen legen.
Bei einem Festmahl des liberalen Klubs der City besprach Lord Hartington vorgestern die jüngste Entwickelung der Homerule⸗Frage. Nachdem Gladstone Zzugestanden“ habe, daß die irischen Abgeordneten im Reichs⸗ Parlament verblieben, sei damit sofort das Föderativ⸗ prinzip ausgesprochen. Nach Errichtung eines irischen Staats⸗Parlaments würden solche für England und Schottland naturgemäß folgen. Lord Hartington sprach es offen aus, daß nach seiner Meinun omerule den Irländern nur Unheil bringen werde. Selbst aber, falls sich dieselbe für Irland wohlthätig erweisen sollte, dürfe die Frage nicht bloß vom irischen Standpunkte angesehen werden, sondern die Wohlfahrt des gesammten Reichs spräche gleichfalls ein entscheidendes Wort bei der Angelegenheit.
Die Parnell⸗Kommission scheint sich endlich ihrem Schlusse zu nähern. In der gestrigen Sitzung, der 109., wurde das Kreuzverhör mit dem irischen Abgeordneten Dr. Tanner beendigt, worauf Sir Henry James, einer der Vertreter der „Times“, ankündigte, daß am nächsten Dienstag Mr. Parnell's Anwesenheit für das mit ihm anzustellende Kreuzverhör er⸗ forderlich sein werde. Alsdann werde er Mittheilungen über das Ende der Untersuchung machen. Die „Times“ gedenke keine neuen Neugen zur Widerlegung der Entlastungszeugen —2 ie Kommission vertagte sich darauf bis zum nächsten Dienstag.
„„Lord Ashburton Alter von 53 Jahren. Sohn Francis
alsdann nae London kommen,
starb gestern in London plötzlich im „Den Pairstitel erbt sein ältester Baring, dessen Vermählung mit einer
Tochter des Viscount Hood — stattfinden sollte, aber in
Folge des Ablebens seines Vaters verschoben werden mußte. — (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unter⸗ hauses erklärte der Unter⸗Staatssekretär Fergusson auf eine bezügliche Anfrage: eine Aktion der Regierung in der übrigens unwahrscheinlichen Eventualität eines Krieges zwischen Frankreich und Italien werde ohne Zweifel, wie alle anderen Fragen der Politik, durch die seinerzeitigen besonderen Umstände und Interessen Englands entschieden werden. Die Regierung habekeinerlei Verpflichtungen übernommen. Niemals habe die Regierung Grund gehabt, der französischen Regierung einen so piratischen Anschlag, wie einen Angriff auf Spezia, beizulegen. Was die von dem Fragesteller erwä nte Behauptung der „Opinione“ angehe, so habe er die⸗ selbe nicht gelesen und könne daher auch darüber seine Ansicht nicht aussprechen. — Bei der für Marylebone vorgenommenen Wahl eines Unter⸗ hausmitgliedes an Stelle Lord Beresford's wurde der konservative Kandidat Boulnois mit 2579 Stimmen gewählt; der Gladstonianer Gower erhielt 2086 Stimmen. Die konservative Majorität ist der vorigen Wahl gegenüber um 1000 Stimmen zurückgegangen.
Frankreich. Paris, 19. Juli’]. (W. T. B.) Boulanger hat ein Manifest erlassen, in welchem er er⸗ klärt, daß das Gesetz der Vielkandidaturen eine Verletzung des allgemeinen Stimmrechts sei. Dies werde aber die Nation nicht hindern, ihren souveränen Willen als ersten energischen Protest gegen die ver aßte Verletzung ihres Rechts zu erkennen zu geben. Das Nationalcomité habe be⸗ schlossen, die Kandidatur Boulanger's bei den Generalraths⸗ wahlen in 80 Bezirken aufzustellen. Er (Boulanger) for⸗ dere die Wähler auf, ihn in denjenigen Bezirken, welche er bezeichnen werde, zu unterstützen. Das Manifest schließt: „Diese erste Entscheidung des Volkes wird ein Vorspiel sein für den großen Triumph, welcher, was immer auch die Männer an der Spitze der Regierung thun mögen, jetzt nahe bevorsteht. Es lebe Frankreich! Es lebe die nationale Republik!“
— 20. Juli. (W. T. B.) In einer von den Boulangisten in Marseille abgehaltenen Versammlung wurde be⸗ schlossen, Boulanger in vier Stadtbezirken als Kandidaten für den Generalrath aufzustellen. — Dem Vernehmen nach würde Boulanger in den nächsten Tagen ein zweites Manifest in Erwiderung auf die gegen ihn erhobene Anklage
erlassen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. Juli. (W. T. B.) Großfürst Constantin Nicolajewitsch, der Oheim des Kaisers, welcher gegenwärtig in Pawlowsk bei St. Petersburg residirt, hat in Folge einer leichten Paralyse der rechten Gesichtsseite und der Extremitäten die Sprache verloren. Mit der Ausgabe von Bulletins ist be⸗ gonnen worden.
Serbien. Belgrad, 18. Juli. (Wien. Pr.) Gestern und heute fand ein Ministerrath statt. Derselb; be⸗ schäftigte sich mit den der neuen Stupschtina vorzulegenden Gesetzentwürfen und dem Handelsvertrage mit Bulgarien. Die mit der Ausarbeitung eines neuen Kirchengesetzes betraute Kommission hat ihre erste Sitzung abgehalten.
Bulgarien. Sofia, 19. Juli. (W. T. B.) Der bulgarische Delegirte zur Berathung des Handels⸗ vertrages mit Serbien, Goranow, ist angewiesen worden, nach Sofia zurückzukehren. Der Delegirte Beltschew verbleibt noch in Belgrad. Seit zehn Tagen haben die bulgarischen Delegirten mit den serbischen keine Zusammenkunft gehalten, weil letztere wegen mehrerer ur Verhandlung stehenden Punkte die Instruktionen ihrer egierung nachsuchten.
Amerika. (A. C.) Am letzten Unabhängigkeitstage wurden die vier bisherigen Territorien Washington, Nord⸗ Dakota, Süd⸗Dakota und Montana als Staaten in die Union aufgenommen und in Folge dessen das Banner der Vereinigten Staaten um vier neue Sterne ver⸗ mehrt. Die amerikanische Nationalflagge hat jetzt 42 Sterne und 13 Streifen.
Afrika. Egypten. Kairo, 18. Juli. (R. B.) Die hiesigen Militärbehörden sind der Ansicht, daß, unge⸗ achtet der Annahme, daß der Emir Wad⸗el⸗Njumi Matuka mit 12 000 Mann, einschließlich Sklaven, Weiber, Kinder und Lagertroß, verließ, die Zahl der kampffähi⸗ gen Männer nicht 2500 übersteige. — Wado⸗el⸗ Njumi hat (wie schon telegraphisch gemeldet) die ihm vom General Grenfell übersandte Proklamation, worin er ihn auffordert, sich zu ergeben, wie folgt beantwortet: „Eure Streitmacht gilt mir nichts. Ich bin entsandt, um die Welt zu erobern. Ich kann jedoch nicht innehalten. 88 fordere Euch auf, Euch zu ergeben und ich werde Euch beschützen. Denkt an Hicks und Gordon.“ Mittlerweile scheint er Vorkehrungen für eine Bewegung nach Norden zu treffen. Die Proklamation Grenfell’'s hat er dem Mahdi übersandt, damit derselbe endgültig entscheide, welche Antwort darauf ertheilt werden soll.
»Alexandrien, 18. Juli. (R. B.) Das erste Ba⸗ taillon des Dorsetshire⸗Regiments traf heute Morgen von Malta hier ein. Es wird für zweifelhaft gehalten, ob das auf Cypern garnisonirende 1. Bataillon des Yorkshire⸗ Regiments nach Egypten segeln wird.
Zum 19. Juli, dem Todestage weiland der Königin Luise von Preußen, schreibt ein süddeutsches Blatt, der „Schwäbische Merkur“: 8
„Unter die bedeutenderen Gedenktage in der Geschichte unseres deutschen Volks gehört der 19. Juli, der Todestag der edlen Königin Luise von Preußen. Es war nach der Schlacht von Jena und Auer⸗ städt, daß die Königin von Berlin auf Schloß Schwedt übersiedelte und dort beim Wiedersehen mit ihren Söhnen Friedrich Wil⸗ helm (IV.) und Wilhelm (I.) unter Thränen über den Unter⸗ gang der preußischen Armee und doch stark im Vertrauen auf Gottes Hülfe in die Worte ausbrach: „Begnüget Euch nicht mit Thränen, meine Söhne, entwickelt vielmehr Eure Kräfte: vielleicht läßt Preußens Schutzgeist sich auf Euch nieder; befreiet dann Euer Volk ron der Schande, dem Vorwurf und der Erniedrigung, worin es schmachtet. Suchet den jetzt verdunkelten Ruhm Eurer Vorfahren von Frankreich zurückzuerobern, wie Euer Urgroßvater, der Große Kurfürst, einst bei Fehrbellin die Niederlage und seines
Vaters an den Schweden rächte!“ Das sind heldenhafte Worte einer Mutter und Fürstin, die im Unterliegen noch das Vertrauen nicht wegwirft, welches eine große Belobnung hat, und auf den Sieg der gerechten Sache hofft, wo vor Menschenaugen nichts mehr zu hoffen ist. Aber die Tage der Trübsal fingen mit dem Jahre 1806 erst recht an für die Königliche Dulderin. Man braucht nur die Namen der Stationen auf dem Wege der Flucht vor dem Feinde zu nennen, zu der die Königin genöthigt war, Königsberg und Memel, an die Behandlung oder vielmehr Mißhandlung zu erinnern, die der rohe Emporkömmling Napoleon der edlen Frau zu Theil werden ließ, an die schwere typhöse Erkrankung zu gedenken, trotz der die Königin in der Winterkälte und im Schneegestöber über die kurische Nehrung gebracht wurde, weil sie lieber in die Hände Gottes als dieser Menschen fallen wolle“, und endlich — man braucht nur den Namen des Tilsiter Friedens zu nennen, um zu verstehen, wie von dem Sterben der Königin Luise das schmerzliche Wort gilt: „Des Menschen Herz muß stückweis brechen“. Wohl durfte die Königin am 25. Dezember 1809 wieder in Berlin einziehen, aber es geschab unter heißen Thränen von Seiten der Königin: schon der Anblick des seines Viergespanns beraubten Brandenburger Thores mußte die schmerz⸗ lichsten Empfindungen wachrufen. In ihrem Herzen rangen der Schmerz über des Vaterlandes Noth und Schmach und der Glaube an bessere Zeiten mit einander, und als die Königin, erst 35 Jahre alt, am 19. Juli 1810 mit den Worten: „Ich sterbe, Herr Jesus, mach' es leicht“, in Strelitz, umgeben von Ihrem Königlichen Gemahl und ihren zwei Söhnen und der Tochter Charlotte, der nachmaligen Kaiserin von Rußland, ihre edle Seele aushauchte, da war es ein großer, auf⸗ richtiger Schmerz, der alle Herzen ihres Volks durchzuckte und dem der Dichter Theodor Körner den schönsten Ausdruck verlieh, wenn er sie wie eine Heilige anrief, als Schutzgeist der Rache den Fahnen Deutschlands voranzuziehen. Allgemein und lebendig war das Gefühl, daß der Kummer über des Vaterlandes Noth und Schmach der König⸗ lichen Dulderin das Herz gebrochen und daß sie so, wenn auch nicht auf dem Schlachtfelde, dennoch den Tod fürs Vaterland gestorben sei. Und wiederum war es ein 19. Juli — 60 Jahre später, da besuchte der große Sohn der edlen Königin, König Wilhelm I., im Jahre 1870, ehe er in jenen Krieg zog, „in welchem der ver⸗ dunkelte Ruhm der Vorfahren von Frankreich zurückerobert werden sollte“ und sagen wir mit Dank gegen Gott zurückerobert wurde, das Grab der Mutter in Charlottenburg. Was mögen da für Gedanken durch seine Seele gezogen sein? Wir wissen es nicht: aber daß er gerade an diesem Tage diesen Gang gemacht hat, damit hat er seine Pietät als Sohn ror seinem Volk ins hellste Licht gestellt und es ohne Worte ausgesprochen: es handelt sich um ein heiliges Vermächt⸗ niß, es gilt die Erfüllung des letzten Wiheens der edelsten deutschen Fron, der besten Mutter. Wir aber sagen am heutigen Tag (19 Juli 1889): es handelte sich um die Erfüllung des letzten Willens einer Königin, die zu den Blutzeugen unserer nationalen Größe gehört; darum ist uns der 19. Juli ein wichtiger Gedenktag“
In der „Landeszeitung für Elsaß⸗Lothringen“ 1 wir folgende Betrachtungen über „Politik und
örse:“
„Die in der deutschen Presse ergangenen Warnungen vor einer Betheiligung an dem jüngsten russischen Konvertirungsgeschäft, d. h. Eintausch von 5 prozentigen Obligationen gegen 4 prozentige, hat einen sehr erfreulichen Erfolg gehabt. Von 207 Millionen Mark 4 prozentiger Obligationen, welche russischerseits untergebracht werden sollten, sind nur circa 82 Millionen vom Publikum abgenommen worden, wobei auf Deutschland circa 30 Millionen entfallen, im Wesentlichen durch Betheiligung der großen Bankhäuser, welche schon vorher einen Theil der auf dem deutschen Markt befindlichen 5pro⸗ zentigen Obligationen aufgekauft hatten. Da der Besitz in deutschen Händen leider immer noch recht erheblich war, so läßt sich mit einiger Sicherheit annehmen, daß der weitaus größte Theil des be⸗ treffenden Publikums es vorgezogen hat, die in seinen Händen be⸗ findlichen Obligationen zu dem angebotenen Nominalbetrage wegzu⸗ geben, neue russische Werthe aber abzulehnen. Dieses Verfahren. welches wir auf den gesammten, in deutschen Händen noch befind⸗ lichen Besitz an russischen Papieren jeder Art ausgedehnt zu sehen wünschten, bat selbstverständlich nicht den Beifall derjenigen Börsen⸗ blätter, welche irgend welchen Grund hatten, sich für das russische Konvertirungsgeschäft oder für russische Papiere überhaupt zu be⸗ geistern. Nachdem seit länger als zwei Jahren in Rußland Alles geschieht, um deutschen Besitz und deutsches Kapital zu schädigen — Deutsche dürfen dort keinen Grundbesitz mehr erwerben oder pachten, keine Fabriken oder Bergwerke anlegen und leiten, bereits dort an⸗ sässige Personen haben ihre Existenz aufgeben müssen —, ist es frei⸗ lich nicht recht verständlich, weshalb wir uns hier in Deutschland für Rußlands Geldbedürfnisse fernerhin noch begeistern sollen.
Die Börsenblätter, welche dem russischen Interesse dienen, stellen mit Vorlicbe den Grundsatz auf, daß „das Geschäft“ doch nichts mit der Politik zu tbun habe und daß das Kapital daher nicht in den Dienst der letzteren gestellt werden dürfe. Im Lande der allge⸗ meinen Wehrpflicht ist das ein gefährlicher Grundsatz. Drei Millionen Deutsche müssen jederzeit bereit sein, sich mit Blut und Le en in den Dienst der Politik zu stellen, d. h. für etwa be⸗ drohte Interessen Deutschlands einzutreten, und an dem Tage, an welchem dieser Ruf des Kaisers ergeht, wird davon das gesammte wirthschaftliche Leben der Nation, fast jeder Deutsche mehr oder minder in seinem Beruf, in seinen Familienbeziehungen betroffen. Unter diesen Umständen ist es doch nur einem sehr geringen Grade von Nationalgefühl, von nationalem Stolze, ja man darf sagen von Pflichtgefühl gegen das Vaterland 1 den Profit von einigen Tausend oder Hunderttausend Mark, welchen die Bankhäuser im russi⸗ schen Geschäft machen, höher anzuschlagen, als das Wohlergehen und den Frieden des gesammten Reiches. Aus Rücksicht auf den Profit der Bankiers soll die nationalgesinnte Presse darauf verzichten, sich einer Waffe zu bedienen, deren nachdrüͤckliche Anwendung die An⸗ wendung der wirklichen Waffen zu verhüten geeignet ist!
Gerade in den Blättern, welche das Geschäft⸗ von der Po⸗ litik nicht berührt wissen wollen, wird so oft auf England, dessen Einrichtungen u. s. w. verwiesen. Nun stellt aber keine Nation mit größerem Nachdruck das Kapital in den Dienst der Politik wie gerade England. Als die Suezkanalfrage brennend wurde, kaufte England den größten Theil der Aktien, und die Franzosen klagten über diese „bypothekarische Eroberung“. Als im Jahre 1885 die Zerwürfnisse mit Rufland wegen Afghanistan drohend wurden, waren in wenigen Wochen die russischen Papiere, unter zum Theil enormen Verlusten, aus dem englischen Markt hinausgeworfen, der deutsche war damals gefällig genug, sie aufzunehmen. Aehnlich ist die Londoner Börse gegen Chili vorgegangen, als dessen Regierung englische Interessen in Peru bedrohte, und als in jüngster Zeit Differenzen mit Portugal wegen der Delagoabai⸗Eisenbahn entstanden, ward in London beantragt, die portugiesischen Papiere von der Börse auszuschließen. So verfahren die Engländer, welche sich doch im Allgcmeinen auch auf „das Geschäft“ verstehen. In England erhebt auch Niemand Einspruch, daß das Kapital nicht allein in gegebenen Augenblicken in den Dienst der Politik gestellt wird, man darf vielmehr sagen, das englische Kapital steht dauernd im Dienst der englischen Politik. Englands Stellung in den anderen Welttheilen, in seinen bedeutenden Kolonien, ist nicht allein durch die Arbeit von Heer und Flotte, sondern auch durch die Arbeit des englischen Kapitals geschaffen worden. Jeder Engländer würde es aber vor Allem als einen Widersinn betrachten, mit den Ersparnissen Englands die Macht eines Landes zu stärken, dessen Maßnahmen und dessen öffentliche Meinung von dauerndem Uebelwollen gegen England beherrscht sind. Ganz ebenso würde sicherlich auch in Frankreich und Italien verfahren werden.“
Zum Verständniß des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherungsgesetzes schreibt der „Düsseldorfer
Anzeiger“: „Nachdem das Invaliditäts⸗ und desenexiereoset balt n
Abschluß gebracht worden, wird es nothwendig sein, seinen
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dem Verständniß derer, die es in erster Linie angeht, näher zu bringen. Sozialdemokratische Abgeordnete haben es bereits unternommen, das Gesetz in ihrer Weise auszulegen und den Arbeitern die angeblichen Mängel vor Augen zu führen. Es wird auch nicht an anderen An⸗ strengungen in gleicher Richtung fehlen. Deshalb ist es dankbar zu begrüßen, daß nunmehr auch von Seiten derer, welche an der Berathung fördernd mitgewirkt und einen tieferen Einblick in das komplizirte Werk gethan haben, der Versuch gemacht wird, den Mißverständnissen über Zweck und Bedeutung des Gesetzes vorzubeugen und in gemein⸗ verständlicher Form darauf hinzuwirken, daß in Arbeiterkreisen das Gesetz richtig verstanden und daß „das echte Gold des großen Werks aus dem dunkeln Schachte, der es zur Zeit noch dem Blicke und der
assungskraft der großen Menge verbirgt, hervorgezogen werde in das Fi- Licht des Tages, auf daß sein Lichtstrahl leuchtend und erwärmend hineindringe in die kalte Nacht des Elends, das zu mildern seine oberste Aufgabe ist.“
Uns legen zwei solcher Arbeiten vor, die in gleichem Maße ver⸗ dienstlich sind. Die eine rührt von dem freikonservativen Abgeord⸗ neten Otto Henning in Greiz her und betitelt sich: „Das Gesetz, betreffend die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung der deutschen Ar⸗ beiter; was dasselbe ist, was es fordert und was es leistet.“ Diese Arbeit wendet sich unmittelbar an das Verständniß der Arbeiter und sucht den Inhalt des Gesetzes an prattischen Beispielen zu erläutern. Man kann dieses Buch einen Katechismus zum Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz nennen, weil es seinen Inhalt in ⸗ ragen zerlegt und diese zweckentsprechend beantwortet, unter selbstver⸗ ständlicher genauer Anlehnung an das Gesetz, doch unabhängig von seinem Wortlaut; es zieht aus dem Gesetz die Konsequenzen, welche sich für die praktische Anwendung ergeben. Dieser Katechismus ist in der That sehr werthvoll und verdient die weiteste Verbreitung. Wir geben hier die Schlußworte des Verfassers wieder, der nicht nur theoretisch und xrolitisch urtheilt, sondern durch seinen praktischen Beruf — er ist Buchdruckereibesitzer — durchaus befähigt ist, die Bedeutung des Ganzen zu erkennen und davon Zeugniß abzulegen; er schreibt: 1 8
„Das Gesetz bezeichnet einen Markstein in der Geschichte unseres Vaterlandes, welches wie mit den anderen Gesetzen zum Wohl des arbeitenden Volkes bahnbrechend darin vorangeht. Das Gesetz ent⸗ springt dem reinsten Wohlwollen gegen die wirthschaftlich Schwachen, die Grundlage ist eine so durchaus gesunde und breite, an die Vor⸗ arbeiten haben seit 5 Jahren hervorragend begabte Männer ihr bestes Wissen und Körnen gesetzt, es hat der Reichstag das Seinige gethan, die Bestimmungen sind mit so viel Vorsicht getroffen, daß nur Gutes daraus entspringen kann. Was im Einzelnen zu bessern ist, das wird an der Hand der Erfahrung mit demselben guten Willen ge⸗ bessert werden, mit welchem das Gesetz selbst geschaffen wurde. Wünschen wir, daß so viel guter Wille von denen, welchen es dienen will, erkannt werde, daß das Gesttz alles das wirkt, was es zu schaffen bestimmt ist, daß es, soweit staatliche Einwirkung unter Mitwirkung der Selbsthülfe das vermag, den Arbeitern eine bessere Stellung gebe,
daß es die Zufriedenheit unter ihnen und den Frieden unter den ver⸗
schiedenen Ständen fördere, daß es unserm lieben deutschen Vaterlande dauernd zum Wohle und zur Ehre gereiche. Das gebe Gott!“
Das andere Werkchen, „das Gesetz, betreffend die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung, in allgemein verständlicher Form dargestellt,“ hat den nationalliberalen Abg. W. Kulemann, Amtsrichter in Braun⸗ schweig, zum Verfasser. Auch diese Arbeit bezweckt, das Verständniß des Gesetzes in die weitesten Kreise, insbesondere in die Kreise der⸗ jenigen zu tragen, denen zu nützen und zu helfen es bestimmt ist. Er sieht den Hauptzweck des Gesetzes, wie dies schon — wenn auch in allgemeinerer Beziehung — wiederholt von dem Fürsten Bismarck dargelegt worden ist, darin, daß es Ruhe und Zufriedenheit denjenigen Bevölkerungsklassen wiedergiebt, welchen sie durch die frühere Ent⸗ wickelung der Dinge geraubt war. Denselben Gesichtspunkt hat er sich speziell fuͤr seine Arbeit gestellt: der Staat kann nichts weiter thun, als das Gesetz zur Ausführung zu bringen; damit aber das Ziel erreicht werde, muß er auf die freie Mitarbeit derer rechnen, welche nach Beruf und Begabung in der Lage sind, das Verständniß des großen Werks zu vermitteln und das Gesetz gewissermaßen vom Papier ins Leben zu übertragen. So sucht auch der Verfasser mit seiner Dar⸗ legung das Verständniß des Gesetzes zu fördern und unter denen, die es angeht, Zufriedenheit mit dem, was damit geschaffen, zu verbreiten. Die Art und Weise, wie sich der Verfasser seiner Aufgabe entledigt, verdient alle Anerkennung: mit Schärfe und Klarheit werden bier die großen Hauptgedanken des Gesetzes unter⸗Beiseite⸗ lassung alles Nebensächlichen dargelegt. Besonders aber wird den sozialdemokratischen Einwendungen und Verdrehungen unter ziffermäßigem Nachweis der Boden entzogen. Gerade nach
ieser Richtung findet sich reiches Material in dieser Arbeit, dessen Verwendung für kommende Fälle hiermit jedem wahren Freunde der Arbeiter empfohlen sein möge. Hr. Kulemann knüpft speziell an diesen Nachweis die Bemerkung: „Es ist wohl niemals ein ungerechterer Vorwurf erhoben, als die sozialdemokratische Behauptung, daß es der
Staatsleitung nicht Ernst sei mit ihren auf die Besserung des Looses
der arbeitenden Klassen
B gerichteten Bestrebangen.“ Wie das Gesetz elbst, so können auch die beiden Broschüren als brauchbare Waffen ienen gegen die Unzufriedenheitsmacherei, ob sie nun von sozial⸗ emokratischer oder freisinniger Seite ausgeht.“
Ueber die Vertreter deutscher Arbeiter auf dem Ma rxisten⸗ ongreß in Paris bemerkt der „Hamburgische Cor⸗ espondent“:
„Zum internationalen Marristen⸗Kongreß in Paris haben auch edie Bergleute der Reviere Dortmund und Essen“ einen Delegirten in der Person des alten Lassalleaners und Strikedeputirten Ekhart entsandt. Der Mann wird mit demselben Rechte die Grubenarbeiter vertreten, mit welchem das „imposante Arbeiterparlament“ in Paris nach den Tiraden Lafarque’s und Liebknecht's die Arbeiter der „ganzen Welt“ vertritt. — Nach den ausfübrlichen Berichten in sozialdemokratischen Blättern sind die deutschen Delegirten in Paris wegen ihrer Faterlandsfeindlichen Ge⸗ sinnung — weil sie sich 1870 mit den „Geächteten und Verleumdeten“ der Kommune solidarisch erklärten und gegen die „Vergewaltigung“ Elsaß⸗Lothringens protestirten — von den franzö⸗ sischen Genossen in tiefbeschämender Weise beweihräuchert worden, worauf Liebknecht sich gegen die den Völkerhaß säenden Regierungen ereiferte und die internationale Verbrüderung, das „universelle“ Proletariat, das in Paris zusammengekommen sei, feierte. Und bei⸗ fällig hörten es die deutschen Sozialdemokraten an, als Lafargue von der politischen „Schreckensherrschaft“ in Deutschland sprach. Man sage das unseren Bergleuten, und die große Mehrzahl wird gewiß für die Ehre danken, auf diesem Kongresse vertreten zu sein.“
Ueber denselben Gegenstand äußert sich die „Kölnische Zeitung“: Die Arbeiterkongresse in Paris verhandeln zwar auch über einige in die praktische Gesetzgebung gehörige Fragen; aber der Hauptzweck, den wenigstens die deutschen Versammlungen verfolgen, liegt doch auf dem internationalen Felde. Es wird der Versuch gemacht, die Inter⸗ nationale Arbeiter⸗Assoziation wieder ins Leben zu rufen, welche seiner eit an inneren Zwistigkeiten und Schwierigkeiten zu Grunde ging. koch steht es dadin, ob es gelingt, die großen Unterschiede, welche zwischen den Anhängern von Karl Marx und den sogenannten Pos sibilisten bestehen, zu beseitigen und beide Richtungen zu vereinigen. Es sind mehr die deutschen, als die französischen Arbeiter, welche auf die internationale Verbrüderung hinarbeiten; bei den Franzosen nach dieser Richtung ist das nationale Gefühl immerhin stärker geblieben als bei den deutschen Sozialdemokraten. Sollte der Versuch aber gelingen, so wird die sozialdemokratische Bewegung in den ver⸗ schiedenen Staaten eine beachtenswertbe Stärkung und Förderung dadurch erfahren. Die Internationale hat, so lange sie bestand und anerkannt wurde, bei den meisten Strikebewegungen und Unruhen ihre Hand mit im Spiele gehabt, und auch bei dem Commune⸗ in Paris war die Rolle, welche sie spielte, keines⸗ nebensächliche. Daß aber auch die heutigen Sozialdemo⸗
kraten Deutschlands die von ihren parlamentarischen Wortführern den Mordbrennern der Kommune kundgegebenen Sympathien noch wahr⸗ zuhalten gedenken, beweist ihr jetzt in Paris gefaßter Beschluß, an der Kommunardenmauer auf dem Pere Lachaise einen Kranz, wohl einen blutrothen, niederzulegen. Interessant wäre es übrigens, zu wissen, wie sich die framösischen Behörden einem Wiederaufleben der Internationale gegenüber verhalten würden; denn in Frankreich be⸗ steht noch das unter dem Eindrucke der kommunistischen Mord⸗ brennereien erlassene Gesetz vom 14. März 1872, welches schwere Strafen gegen internationale Verbindungen festsetzt, deren Zweck die Verleitung zur Arbeitseinstellung, zur Abschaffung des Rechts auf Eigenthum, der Familie, des Vaterlandes, der Religion und der freien Uebung der Kulte ist. Dasselbe geht sogar so weit, die Aus⸗ weisung eines Staatsangehörigen aus dem Gebiete der französischen Staaten zu gestatten. Die Nachahmung dieser Vorschriften ist in Oesterreich und Deutschland wiederholt angeregt worden, war aber vor allem um deswillen zwecklos, weil eine Verbindung, auf welche diese Kennzeichnung unzweifelhaft zutrifft, thatsächlich bisher nicht
bestand.“
Sttatistik und Volkswirthschaft.
Die wirthschaftlichen Ergebnisse des Jahres 1888.
Die Handelskammer zu Frankfurt a. Oder sagt in ihrem Jahresbericht für 1888: 8
„Die schweren Verluste, die das Deutsche Reich und mit diesem unser engeres preußisches Vaterland im März und Juni vorigen Jahres durch den Hintritt der erhabenen Monarchen Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich III. erlitten, haben selbstverständlich nicht verfehlen können, dem Handel und Gewerbebetriebezzeitweise eine ganz andere Ge⸗ staltung zu geben. Vor Allem waren es die Kriegsbefürchtungen, die sich unmittelbar an diese erschütternden Ereignisse knüpften und Jeden veranlaßten, sich in geschäftlicher Beziehung möglichst vor⸗ sichtig und nicht weit hinaus berechnend zu verhalten. In dieser Stimmung ist das ganze Frühjahr zu Ende gegangen, und wenn auch einige Branchen unmittelbare Vortheile zu verzeichnen hatten, so hatten doch im Allgemeinen Handel und Industrie schwer darunter zu leiden. Erst als der Erlauchte Monarch, der junge Kaiser Wilhelm II., seine große Kaiserreise bei den benachbarten Höfen beendet und bekannt geworden war, welch warmer Empfang Ihm überall zu Theil geworden, und als Allerhöchstderselbe in unserer alten Oderstadt am 16. August v. J. bei der Einweihungs⸗ feier des Prinz Friedrich Carl⸗Denkmals an der Festtafel die im Fluge durch ganz Eurova und darüber hinaus gehenden Worte sprach: „Darüber ist nur eine Stimme, daß wir lieber unsere 18 Armee⸗Corps und 42 Millionen Ein⸗ wohner auf der Wahlstatt liegen lassen, als nur einen Stein von dem herzugeben, was blutig und glorreich errungen, da glaubten selbst die Zaghaftesten, daß der Friede erhalten bleiben werde, weil es nunmehr auch den Nachbarstaaten unzweifelhaft sein mußte, daß wir zwar einen durchaus friedliebenden Herrscher, aber auch einen solchen hätten, der mit starker Hand einmal Errungenes festzuhalten entschlossen sei. Handel und Gewerbe erhielten nunmehr einen festeren Charakter, und so können wir im Allgemeinen mit den Ergebnissen des verflossenen Jahres, so sehr dieselben auch ven den unvermeid⸗ lichen Ereignissen desselben tangirt worden sind, immerhin zufrieden sein und vertrauensvoll dem Kommenden entgegensehen.“
Der Jahresbericht der Handelskammer zu Sorau N.⸗L. bezeichnet die Lage des Geschäfts und gesammten Verkehrs im ver⸗ gangenen Jahre als eine im Allgemeinen günstige. „Die Aussendun⸗ gen nach dem Auslande, insbesondere nach den außereuropäischen Ländern haben eine Verminderung nicht erfahren. Der Bedarf im Inlande und die Fabrikation hat in allen den Geschäftshäusern, welche nicht für den Export arbeiten, gleichen Schritt halten können, während bei jedem Stillstande im Export die Exporthäuser einen Theil des inländischen Bedarfs an sich reißen. Der Friede erscheint für längere Zeit durch die von dem Kaiser Wilhelm II. sorgsam ge⸗ pflegten freundlichen Beziehungen mit den übrigen Ländern und Mächten gesichert und verstärkt das Vertrauen auf fernere friedliche Entwickelung der Gewerbthätigkeit. Die Rohprsdukte, wozu auch die des Getreides zu zählen, sind gestiegen und haben den Produzenten für die Verluste der vorigen Jahre entschädigt.“ 1“
Wirthschaftliche Verhältnisse der Arbeiter.
Der beste Schutz gegen die sozialdemokratischen Irrlehren ist die Erwerbung von Besitz. Es ist daher als ein erfreuliches Zeichen zu begrüßen, daß im Kreise Höchst die besseren Fabrikarbeiter immer mehr bestrebt sind, sich einen kleinen Besitz zu erwerben, indem sie unter Benutzung der vielfach bestehenden Privat parkassen sich einen Fonds von etwa 1800 2000 ℳ verschaffen, womit sie die Anzahlung für ein kleines Häuschen mit etwas Garten im Preise von etwa 5 — 9000 ℳ leisten können, während sie die Rest⸗ schuldsumme entweder durch jährliche Terminzahlungen allmählich zu tilgen beabsichtigen oder durch hypothekarische Verpfändung sicherstellen. Die Bildung von Sparkassen und Konsumvereinen, welche in dem Kreise eifrig betrieben wird, ist geeignet, jenen Bestrebungen wirksam zu Hülfe zu kommen, sowie überhaupt den Sparsinn zu wecken und den unbemittelten Klassen die Erlangung billigen Geldes nach Möglich⸗ keit zu erleichtern. 8
Arbeiterkolonie. Ddie Vorarbeiten für die Errichtung einer Arbeiterkolonie in Thüringen sind nunmehr beendet; die Eröffnung der Anstalt, für welche das Gut Geilsdorf bei Stadtilm käuflich erworben worden ist, findet am 28. d. M. statt.
. Wohlfahrtseinrichtungen.
Kommerzien⸗Rath Wein mann in München spendete 25 000 ℳ zu einer Stiftung, deren Ertraͤgnisse für die Kinder seiner Arbeiter in München, Dachau und Olchingen bestimmt sind. — Einen Fabriksparverein hat die Wohwaarenfabrik von Beer u. Co. in Liegnitz für ihre 500 Arbeiter gegründet. Die Ersparnisse werden mit 5 % verzinst und die Zinsen alle halbe Jahre ausgezahlt. Die treuesten Sparer erhalten Prämien. “ G Die staatliche Fabrikinspektion soll nach russischen Blättern in Rußland künftig auch auf alle Hand⸗ werker⸗Werkstaͤtten ausgedehnt werden. Gleichzeitig ist beschlossen worden, eine Abgabe von all den Werkstätten zu erheben, in denen mindestens 3 Lehrlinge beschäftigt werden. Das Ergebniß dieser Ab⸗ gaben soll zur Einrichtung von Fortbildungsschulen für Handwerks⸗ lehrlinge verwandt werden. ““
Kunst und Wissenschaft.
An der Forst⸗Akademie Münden werden während des Winter⸗Semesters 1889/90 solgende Vorlesungen gehalten: Borg⸗ greve: Holzzucht. Uth: Forstschutz. Michaelis: Geschichte und Literatur des Forstwesens. König: Volkswirthschaftslehre II. Baule: Geodäsie. Stereometrie. Councler: Mineralogie und Geologie. Organische Chemie. Hornberger: Bodenkunde und Klimalehre. Müller: Allgemeine Botanik. Mikroskopisches Prak⸗ tikum. Metzger: Spoezielle Zoologie. (Entomologie.) E Civilrecht II. Außerdem Repetitorien ꝛc. und an zwei Vormittagen der Woche Exkursionen. Beginn der Vorlesungen 16. Oktober. Er⸗ forderlich für die preußische Staats⸗Forstlaufbahn ist die Maturitas von einem deutschen Gymnasium oder einer preußischen Realschule
Ordnung und Vorpraxis. Sonstige Studirende finden auch auf Grund anderweiten Nachweises genügender Vorbildung Aufnahme.
— Die diesjährige Generalversammlung des Gesammt⸗ vereins der deutschen Geschichts⸗ und Alterthums⸗ vereine wird in den Tagen rvom 8. bis 12. September c. in Metz
stattfinden. Für die allgemeine Sitzung ist vom Pfarrer Paulus in Pugieuz ein Seillethal“.
Vortrag angemeldet über: „Die Backsteinmauerungen im
— Auf dem Koberge bei Lübeck sind jetzt die grundlegenden
Arbeiten zur Errichtung des Geibel⸗Denkmals, das bekanntlich
von Professor Volz in Karlsruhe hergestellt ist, begonnen worden. Am 18. Oktober, dem Geburtstage des verewigten Dichters, soll das Denkmal unter großen Feierlichkeiten enthüllt werden.
— Der Ausschuß des Grazer Schriftsteller⸗Vereins „Concordia“ beschloß, die Errichtung eines Denkmals für Robert Hamer⸗ ling in Graz anzuregen. Die Bildung eines Comités zu diesem Zwecke wird vorbereitet.
— In London kam am 17. d. M. des verstorbenen rederick Perkins Sammlung von Erstlingsausgaben der Shakespeare'schen Dramen bei Sotheby zur Versteigerung. Die Folioausgabe von 1623 erstand, wie die „A. C.“ mittheilt, der Antiquar Quaritch für 415 Pfd. Sterl., den 2. Theil von „Heinrich V.“ von 1600 derselbe für 225 Pfd. Sterl. und der „Richard III.“ von 1594 wurde für 100 Pfd Sterl. verkauft.
— Aus Madrid, vom 15. d. M, wird der „Frankf. Ztg.“ ge⸗ schrieben: Die Kathedrale von Sevilla, meiche bekanntlich im vorigen Sommer durch das Nachgeben eines Pfeilers im Hauptschiff theilweise einstürzte und von welcher es seither hieß, daß sie rettungs⸗ los verloren sei, dürfte nun doch vielleicht noch erhalten werden, wenigstens soll ein ernsthafter Versuch gemacht werden, dies zu thun. Die Berichte der zur Untersuchung eingesetzten Kommission lauten zwar recht trübe, aber sie lassen doch noch einen Schimmer von Hoffnung übrig, und so hat denn der Kongreß be⸗ schlossen, in den nächsten Staatshausbalt die Summe von 400 000 Pesetas einzustellen, mit der Bestimmung, dieselben sofort dem Dom⸗ baufonds zu überweisen Diesen 400 000 Pesetas sollen weitere jähr⸗ liche Raten folgen. Die Gesammtsumme, die man für nothwendig hält, um den Dom zu retten, schwankt zwischen 8 und 12 Millionen, da man annimmt, daß zahlreiche Pfeiler ganz von Grund aus neu aufgemauert und große Theile der Gewölbe neu hergestellt werden müssen.
— Eine neue Erforschung des Innern Australiens ist jetzt in die Wege geleitet worden. Die erforderlichen Gelder sind theils von der „Central Australian Exploring Association“ theils von der geographischen Gesellschaft in Viktoria bewilligt worden. Die Leitung dieser neuen Expedition ist dem bewährten Erforscher Australiens, Hrn. W. St. Tietkens, übertragen worden. Die Expedition besteht aus dem Führer, welcher außerdem die Verrichtungen eines Botanikers, Mineralogen und Photographen versieht, drei Männern und einem schwarzen Diener; sie führt 12 Kameele, 2 Pferde und Vorräthe für 6 Monate mit sich. Der Au gangspunkt der Expedition liegt an den Alice⸗ Springs; von diesem Quellgebiete aus dringt sie in das bisher un⸗ erforschte Innere vor und wird insbesondere den See Amaden un sein Gebiet erforschen. Durchschnittlich sollen, wofern nicht Auf⸗ nahmen, Photographien u. s. w. anzufertigen sind, wöchentlich 100 englische Meilen, alfo 161 km durchschritten werden.
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Gewerbe und Handel.
Berlin, 19. Juli. Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz. Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia 107 — 110 ℳ, IIa. 103 — 106 ℳ, IIIa. 99 — 102 ℳ, do. abfallende 90 — 95 ℳ, Land⸗, Preußische 90 — 95 ℳ, Netzbrücher 85 — 88 ℳ, Pommersche 85 — 88 ℳ, Polnische 85 — 88 ℳ, Baverische Sennbutter — ℳ, do. Landbutter — ℳ, Schlesische 90 — 95 ℳ. Galizische 75 — 78 ℳ — Margarine 45 — 70 ℳ — Käse: Schweizer Emmenthaler 85 — 90 ℳ, Bayerischer 60 — 70 ℳ, do. Ost⸗ und West⸗ preußischer Ia. 60 — 65 ℳ, do. IIa. 50 — 60 ℳ, Holländer 75 — 85 ℳ, Limburger 32 — 38 ℳ, Quadratmagerkäse 20 — 26 ℳ — Schmalz; Prima Western 17 % Ta. 43,00 ℳ, reines, in Deutsch⸗ land raffinirt 46,50 ℳ, Berliner Bratenschmalz 49,00 — 52,00 ℳ — Fett, in Amerika raffinirt 42,50 ℳ, in Deutschland raffinirt 44,50 — 46,50 ℳ — Tendenz: Butter: Trotz schwachem Konsum wurden Preise heute erhöht, um mit den Export⸗Märkten zu konkurriren. — Schmalz: unverändert.
— Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt meldet die „Schlesische Zeitung“: Die Robheisenerzeugung erfolgte wie bisher auf den 28 im Feuer stehenden Kokshoböfen. Das Ausbringen war man durch Verwendung hochhaltiger Erze nach Möglichkeit zu steigern bestrebt, da auch gleichzeitig die Produktionsmenge an halbirten und grauen Roheisensorten für Gießereizwecke gewann. Ein auf der Falvahütte vorgekommenes Gichtrücken hat die Veranlaung zu dem unbegründeten Gerücht einer bedeutenderen und Betriebsstörung bervor⸗ rufenden Explosion gegeben. — Die Bezüge von Roheisen nach Mittel⸗ und Niederschlesien sowie der ununterbrochene Absatz der frischen Pro⸗ duktion zu den heimischen Verbrauchsstätten hielten die feste Stimmung des Marktes aufrecht. — Auf den Eisengießereien nimmt die Ablie⸗ ferung von Maschinen⸗ und Bautheilen aus Stahl und Gußeisen sowie kleinerer Stücke (Ventilkörper, Klappen, Räder) die fortgesetzte Thätigkeit der Arbeitskräfte in Anspruch. Da die Steigerung der Selbstkosten für Gußsachen die Fabrikanten zu Mehrforderungen nöthigt, so würden letztere sich bei geschlossenerem Vorgehen und größerer Einmüthigkeit auch unzweifelbaft durchsetzen lassen. — Für die Stahl⸗ und Eisenwalzwerke macht der Begehr nach Fertigfabri⸗ katen in den verschiedenen Zweigen die Ausnützung aller Betriebsvorrich⸗ tungen in vollstem Umfange zur Nothwendigkeit. An die Beschaffung von Fein⸗ und Qualitatseisen stellt der Markt vermehrte An⸗ sprüche und so ist Bandeisen lebhaft gefragt. Angesichts der durch Abschlüsse gesicherten Lieferungen, deren angemessene Vertheilung auch zu einer geregelteren Ueberführung der Erzeugnisse in den Verkehr ver⸗ hilft, können die Auslandsaufträge in Handelseisen wie starken Profil⸗ stücken nicht hinlänglich prompt bewältigt werden. Das Geschäft in Eisenblechen ist sowohl für die gröberen Sorten, wie in Feinblechen äußerst 8e und lebhafter als in den Vorquartalen; im Handel gangbare Nummern sind so gut wie vollständig vergriffen. In größeren Fagconschmiedestücken fanden mehrfache Ablieferungen statt, auch für die Ausfuhr, wie denn im südlichen Ruß⸗ land mehrere bedeutende Bauten in Eisen hergestellt werden. Flußeisen ging sowohl in Blöcken wie in Fertigstücken gleichfalls nach dem Auslande. — Preise: Stabeisen im naͤheren Absatzgebiete 15,50 — 16 ℳ, beste Bleche 19,25 — 19,50 ℳ — Auf dem Metallmarkte zeigte sich rege Kauflust für Rohzink und Blei wie für fertige Metall⸗ erzeugnisse. Der inländische und auswärtige Verbrauch sowie die spekulative Nachfrage veranlaßten einen belebten Geschäftsgang bei zunehmenden Preisen: W. H. von Giesche's Erben 39,40 ℳ, Hohen⸗ lohe und ähnliche 37,60 — 37,70 ℳ, I. a Blockblei 27 — 27,50 ℳ.
—, Sächsische Staatseisenbahnen. Im Monat Juni d. J. baben die sächsischen Staatsbahnen mit der Gesammtsumme von 7 738 429 ℳ (+ 819 505 ℳ), die höchste Monatseinnahme seit ihrem 50 jährigen Bestehen, erzielt. Die Gesammteinnahme im ersten
albjahre 1889 bezifferte sich auf rund 40 Millionen Mark + 2 669 000 ℳ).
— Auf den Königlich württembergischen Staatseisen⸗ bahnen wurden im Monat Juni befördert: 1 560 152 Personen gegen 1 139 953 im Juni 1888, 349 748 kg Guͤter gegen 379 544 im Vorjahre. Die Gesammtsumme der Einnahmen für den an⸗ gegebenen Monat betrug 2 744 705 ℳ (+ 120 248 ℳ), der Ein⸗ nahmen bis ultimo Juni 8 093 754 ℳ (+ 197 334 ℳ).
— Oesterreichische Südbahn. Vom 9. Juli bis 15. Juli wurden eingenommen 845 749 Fl. (+ 96 051 Fl.)
Harburg, 18. Juli. Die diesjährige zehnte ordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Unter⸗Elbeschen Eisenbahngesellschaft fand heute an deren Sitz in Harburg statt. In derselben waren vertreten 32 424 Aktien mit 3241 Stimmen. Der Jahresbericht nebst Bilanz und Gewinn⸗ Und Verlust⸗ rechnung wurde von der Generalversammlung einstimmig ge⸗ nehmigt und danach dem Vorstande Decharge ertheilt. Ueber die Verwendung des Reingewinns wurde den im Jahres⸗
bericht enthaltenen Vorschlägen entsprechend beschlossen, daß zunächst