1889 / 176 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Jul 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Im Beurlaubtenstande. 7. Juli. Graf v. Luckner, Pr Lt. der Res. a. D. die Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 1. Ulan. Regts. Nr. 17 mit den vorgeschriebenen Abzeichen ertheilt.

18. Juli. Vonhof, Hauptm. von der Res. des Train⸗Bats. Nr. 12, Beck, Sec. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks II. Dresden, diesem mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Armee⸗Uniform, Mühlner, Sec. Lt. von der Feld⸗Art. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks I. Dresden, 4 Sec. Lt. von der Feld⸗Art. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks I. Leipzig, der

Abschied bewilligt.

Sanitätscorps. 18. Juli. Dr. Stobbe, Stabs⸗ arzt der Landwehr 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Bautzen, der Abschied bewilligt. Ullrich, Assist. Arzt 2. Kl. der Landw. 1. Auf⸗ gebots des Landw. Bezirks I. Leipzig, zu den Sanitätsoffizieren der

Reserre zurückversetzt. I“

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 27. Juli. Ueber den weiteren Verlauf der Reise Sr. Majestät des Kaisers und Königs am 14. Juli und folgenden Tagen erhalten wir im Anschluß an die Mittheilungen in Nr. 169 des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ folgenden Bericht:

Se. Majestät der Kaiser und König kamen am Sonntag, 14. Juli, nach einer guten Nacht gegen 8 Uhr Morgens an Deck. Die Yacht war um 6 ¼ Uhr Morgens vor Trondjem bereits zu Anker gegangen. Nach dem Frühstück empfingen Se. Majestät den deutschen Konsul Jenssen, welcher die Ehre hatte, zur Mittagstafel geladen zu werden. Um 10 Uhr Vormittags nahmen Se. Majestät die Inspektion der Mannschaften vor und hielten darauf im Beisein des gesammten Gefolges und der Schiffsbesatzung den Gottesdienst auf dem Verdeck der Nacht Allerhöchstselbst ab. Am Nach⸗ mittage ließen Se. Majestät Sich Vorträge halten und arbeiteten allein. Nach der Abendtafel gegen 7 ½ Uhr begaben Se. Majestät Sich mit einigen Herren in Civilkleidung an Land und fuhren von der abseits der Stadt gewählten Lande⸗ stelle mittelst Karriol nach der Domkirche, besichtigten dieselbe in Begleitung des deutschen Konsuls mit vielem Interesse und fuhren alsdann nach dem Landhause des deutschen Konsuls. Daselbst gegen 9 ½ Uhr angelangt, begrüßten Se. Majestät die Familie, nahmen einige Erfrischungen ein und kehrten gegen 11 Uhr Abends an Bord zurück.

Am folgenden Tage, Montag, 15. Juli, empfingen Se. Majestät der Kaiser und König die mittelst Courier ein⸗ getroffene Post gegen 7 ½ Uhr und erledtgten die eiligen Sachen im Laufe des Vormittags, wozu wiederholt Vorträge gehalten wurden. Um 12 ½ Uhr lichteten die Nacht und der Aviso „Greif“ die Anker und steuerten nördlich auf der Route nach Bodö. Die Fahrt war vom besten Wetter begleitet. I. den Nachmittagsstunden arbeiteten Se. Majestät allein. Zu der um 6 Uhr stattfindenden Abendtafel wurde der Kommandant des Aviso „Greif“, Korvetten⸗Kapitän Flichtenhöfer, geladen. Ein gegen Mitternacht passirender norwegischer Passagier⸗ Dampfer begrüßte Se. Majestät, Allerhöchstwelcher Sich noch an Deck befand, durch drei Hurrahs.

Am Dienstag, 16. Juli, erschienen Se. Majestät der Kaiser und König bei köstlichem Wetter gegen 8 ½ Uhr auf Deck im besten Wohlsein. Beim Passiren des Höhenzuges „Die sieben Schwestern“, auf nahe 66 Grad n. Br., Morgens 6 ½ Uhr, hatten Se. Mäjestät Sich wecken lassen, um denselben zu besichtigen. Gegen 10 Uhr Morgens wurde der Polarkreis passirt. Se. Majestät arbeiteten allein und ließen Sich einige Vorträge halten. Um 3 ¾ Uhr Nachmittags erreichte die Nacht Bodö, stoppte unmittel⸗ bar unter der Stadt und erhielt durch den deutschen Vize⸗ Konsul Jentoft die eingegangenen Depeschen und Briefschaften. Nachdem die Post erledigt war, befahlen Se. Majestät gegen 4 ¼ Uhr die Weiterfahrt nach Tromsö. Zur Abendtafel waren der Kommandant S. M. Aviso „Greif“, Korvetten⸗Kapitän Flichtenhöfer, sowie einige Offiziere dieses Schiffes mit Ein⸗ ladungen beehrt worden.

„Am Mittwoch, 17. Juli, erschienen Se. Maäjestät der Kaiser und König gegen 8 Uhr Morgens im besten Wohl⸗ sein auf Deck. Das Wetter war trübe, leichte Regenschauer mit vorübergehendem Sonnenschein. Gegen 10 Uhr Morgens stoppten die beiden Schiffe bei Tromsö und schickten Boote an Land zur Empfangnahme der Post. Nach etwa einstündigem nse. empfingen Se. Majestät die eingegangen Depeschen und befahlen die Weiterfahrt nach dem Norden. Auf der Reise dahin ließen Se. Majestät Sich Vorträge halten und arbeiteten allein. Das Meer war ganz ruhig. Um 9 ½ Uhr Abends wurde Hammerfest erreicht und nach etwa einstündigem Aufenthalt, nach Auswechselung von Depeschen, die Reise nach dem Nord⸗ kap fortgesetzt. Auf der Weiterfahrt regte sich kein Lüftchen. Nach den in Hammerfest eingezogenen Nachrichten herrschte am Nordkap gleich stilles Wetter.

Mit dem Passiren der Insel Hjelmsö, um 1 Uhr Nachts, kam leichter östlicher Wind durch, und mit dem Herankommen an das Nordkap auf der Insel Magerö trat mit östlichem Winde eine aus gleicher Richtung laufende eeh auf, welche langsam zunahm. Se. Majestät der Kaiser und König kamen gegen 2 ½ Uhr Nachts an Deck, um den in schöner Beleuchtung sich abhebenden und steil nach dem Meere abfallenden, grauschwarzen Felsvorsprung von 300 m Höhe, welcher als nördlichste Spitze Europas gilt, zu sehen. Von einer Landung bei dem Nordkap wurde Abstand genom⸗ men da die nicht unbedeutende Dünung dieselbe sehr erschwert haben würde. Se. Majestät befahlen gegen 3 Uhr die Rück⸗ fahrt und langten (am Donnerstag, 18. Juli) gegen 9 Uhr Morgens im besten Wohlsein wieder in Hammerfest an, wo⸗ selbst Depeschen ausgewechselt und die Reise nach Süden alsbald fortgesetzt wurde. Das Wetter war bis 8 Uhr Morgens mit leichten Regenschauern trübe geblieben, dann klarte es schnell auf und eine warme Sonne leuchtete bald auf das spiegelglatte Meer. Während beim Nordkap das Thermometer auf 7 Grad C. herabgegangen war, erreichte es gegen Mittag den hohen Stand von 17 Grad C.

58 . Am Nachmittag ließen Sich Se. Majestät Vorträge halten. Gegen 3 Uhr bog die Yacht in den schönen und Esh ah vyngen Flord ein, lief in denselben hinein bis in die Nähe des Ortes Lyngen, drehte alsdann um und nahm Kurs nach der Insel Karlsö, wo gegen 8 Uhr Abends geankert wurde. Se. Majestät begaben Sich sofort in Seeoffizier⸗Uniform an Land und unternahmen einen Spaziergang in Begleitung des Ge⸗ folges auf die 882 der Tafel, wo ein Steinmann zur Erinnerung an die Allerhö te Anwesenheit errichtet wurde. Um 11 Uhr verließen Se. Majestät an Bord des Aviso „Greif“ den Ankerplatz, um die Mitternachtssonne zu bewundern. Das Schauspiel vollzog

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sich in schönster Klarheit Eöö Winde. Niedrigster beobachteter Stand der Sonne 2 30 .

Nach Mitternacht ließen Se. Majestät an Bord des Aviso „Greif“ Klar Schiff mit Salutmunition machen. Ein gerade anwesender und in den Lyngen⸗Fjord einsteuernder norwegischer Passagier⸗Dampfer „Capella“, welcher zu Ehren Sr. Majestät Flaggenschmuck angelegt hatte, mit der deutschen Flagge im Großtopp, wurde dem Kommandanten als Zielpunkt gegeben. Mit hoher Geschwindigkeit war das 12 Seemeilen laufende Dampfschiff bald erreicht, welches bei der Annäherung Kanonen⸗ schüsse abfeuerte und die Flaggen senkte, worin sich die Jubel⸗ rufe der Touristen mischten. Der Aviso „Greif“ passirte vor dem Bug des Dampfers „Capella“, andauernd seine Artillerie ausnutzend, und nahm seinen Kurs nach dem Ankerplatz bei Karlsö alsdann wieder auf, wobei „Capella“ noch eine Zeit lang folgte, um unter denselben Ehrenbezeugungen wie beim Passiren schließlich wieder seinen Kurs in den Lyngen⸗Fjord aufzunehmen. Um 1 Uhr lag „Greif“ neben der „Hohenzollern“ wieder zu Anker. Gegen 10 ½ Uhr Vormit⸗ tags (Freitag, 19. Juli) wurde die Reise nach Tromsö ange⸗ treten und daselbst um 1 ½ Uhr zu Anker gegangen. Se. Majestät verblieben Behufs Erledigung der eingegangenen Depeschen an Bord, während der größte Theil des Gefolges eine Tour nach dem Lappenlager von Tromsdal unternahm.

Am folgenden Tage, Sonnabend, 20. Juli, erschienen Se. Majestät der Kaiser und König gegen 8 Uhr Morgens im besten Wohlsein auf Deck und begaben Sich gegen 10 ½ Uhr zu einem etwa zweistündigen Spaziergang in See⸗ offizier⸗Uniform an Land. Vor der Mittagstafel arbeiteten Se. Majestät allein und ließen Sich Vorträge halten. Um 4 Uhr Nachmittags gingen die Kaiserliche Nacht sowie der Aviso „Greif“ Anker auf und dampften südlich. Se. Majestät arbeiteten auch auf der Fahrt wieder allein. Um 6 ¼ Uhr Abends erhielt „Greif“ die Ordre, nach Bodö voraus zu dampfen, um die Post abzuholen. Die Nacht passirte um 10 ¾l Uhr die Insel Andö, woselbst auf einem Felsabhang einige Hundert Möwen nisten. Beim Austritte aus der Enge bei Andö erstrahlte die Mitternachtssonne in hellstem Glanze und in den buntesten Farben. Die YNacht steuerte nördlich um die Insel Andö.

Se. Maäjestät der Kaiser und König unter⸗ nahmen am Donnerstag, 25. b am späten Nachmittag noch eine längere Spazierfahrt in Bergen.

Heute Vormittag 11 ¼ Uhr sind Se. Majestät der Kaiser und König, wie „W. T. B.“ aus Wilhelms⸗ haven meldet, an Bord der Yacht „Hohenzollern“ im neuen Hafen daselbst wohlbehalten eingetroffen. Gleichzeitig traf auch der Aviso „Greif“ ein, der auf der Rhede vor Anker ging, während die „Hohenzollern“ an der Schleuse anlegte. Die Schiffe des in Wilhelmshaven befindlichen Geschwaders und die Strandbatterien salutirten, die aufgestellte Ehren⸗ Compagnie präsentirte, die Musikkapelle Fielts den Prä⸗ sentirmarsch und die Nationalhymne. er kommandi⸗ rende Admiral Freiherr von der Goltz und die Admirale Heusner, Paschen und v. Kall begaben sich zu Sr. Majestät dem Kaiser an Bord. Um 12 Uhr verholte die „Hohenzollern“ auf die Werft mit großem Flaggenschmuck. Das Wetter war prächtig.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta empfing am Donnerstag in Koblenz den Besuch Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich, Allerhöchstwelche in Begleitung Ihrer König⸗ lichen Hoheiten der Prinzessinnen Victoria, Sophie und Margarethe sowie des Kronprinzen von Griechenland dort eingetroffen war und nach mehrstündigem Verweilen nach Homburg zurückkehrte. ““ 1“

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Bei der am 24. d. M. vorgenommenen Rechs⸗

tags⸗Ersatzwahl im 14. Wahlkreise (Stadt⸗ und Landkreis Metz) des Wahlbezirks Elsaß ist Abbé Dellées, Pfarrer von St. Segolena, von im Ganzen abgegebenen 10 358 Stimmen mit 9583 Stimmen gewählt worden.

Der Landrath von Schwartzkopf, Landtags⸗ Abgeordneter für den 3. hannoverschen Wahlbezirk (Stolzenau, Neustadt a. R.), ist gestorben.

Der Inspecteur der 1. Fuß⸗Artillerie⸗Inspektion, General⸗Lieutenant von Teichman und Logischen, ist von Dienstreisen zurückgekehrt.

Der Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Contre⸗ Admiral Heusner, hat sich in dienstlichen Angelegenheiten nach Wilhelmshaven begeben.

Die im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellte und in der Nummer vom 25. Juli im „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeiger“ enthaltene Uebersicht der Betriebsergebnisse deut⸗ scher Eisenbahnen für den Monat Juni d. J. ergiebt für die 71 Bahnen, welche auch schon im entsprechenden Monat des Vorjahres im Betrieb waren und zur Vergleichung ge⸗ zogen werden konnten, mit einer Gesammtbetriebslänge von 34 907,78 km, nachstehende Daten: Im Juni d. J. war die Einnahme aus allen Verkehrszweigen auf ein Kilometer Betriebslänge bei 61 Bahnen mit zusammen 34 405,70 km höher und 10 Bahnen mit zusammen 502,08 niedriger als in demselben Monat des Vorjahres. In der Zeit vom Beginn des Etatsjahres bis Ende Juni d. J. war dieselbe auf ein Kilometer Betriebslänge bei 58 Bahnen mit zusammen 33 731,81 km höher und bei 13 Bah⸗ nen mit zusammen 1175,97 km (darunter 3 Bahnen mit ver⸗ mehrter Betriebslänge) geringer als in demselben Zeitraum des Vorjahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden natbe8 ausschließlich der vom Staat ür eigene Rechnung verwalteten Bahnen, betrug Ende

uni d. J. das gesammte konzessionirte Anlage⸗ kapital 22 860 000 (15 405 100 Stammaktien, 2454 900 Prioritäts⸗Stammaktien und 5000 000 Prioritäts⸗Obligationen0), und die Länge derjenigen Strecken, für welche das Kapital bestimmt ist, 116,83 km, sodaß auf je 1 km 195 669 entfallen. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat⸗ bahnen betrug Ende Juni d. J. das gesammte konzessio⸗ nirte Anlagekapital 585 516 829 (305 516 550 Stammaktien, 79 381 650 Prioritäts⸗Stammaktien und 200 618 629 Prioritäts⸗Obligationen), und die Länge derjenigen Strecken, für welche dies Kapital bestimmt ist, 3831,54 km, sodaß auf je 1 km 152 815 entfallen. Eröffnet wurden am 1. Juni d. J. die Strecken Ribnitz —Rostock

des Himmels und bei leichtem

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28,54 km (Königliche Eisenbahn⸗Direktion zu Berlin), Won⸗

growitz Inowrazlam 77,67 km (Königliche Eisenbahn⸗Direktion zu Bromberg) und Götzenhof Bieberstein 12,87 km (König⸗ liche Eisenbahn⸗Direktion zu Frankfurt a. M).

Ihre

Württemberg. Friedrichshafen, 25. ZJuli. Königliche Hoheit die Prinzessin Therese von Bayern traf heule Nachmittag zum Besuch Ihrer Köni lichen Majestäten hier ein, nahm an der Tafel Theil und kehrte gegen Abend wieder nach Lindau zurück. Gleichzeitig waren heute Ihre Durchlauchten der Fürst und die Fürstin von Wald⸗ burg⸗Zeil⸗Trauchburg mit Sohn, dem Erbgrafen von Waldburg⸗Zeil, zum Diner bei Ihren Majestäten eingeladen.

Baden. Karlsruhe, 27. Juli. (W. T. B.) Bei dem Erbgroßherzog ist das Fieber seit gestern weiter zu⸗ rückgegangen. Katarrh und Husten haben gleichfalls abge⸗ nommen, sodaß die Nacht recht gut verlaufen ist

Großbritannien und Irland. London, 21. Zuli. (W. T. B.) Se. Königliche Joheit der Großherzog von Hessen ist gestern hier eingetroffen und am Bahnhofe von 8 Prinzen Christian zu Schleswig⸗Holstein empfangen worden.

Das Unterhaus setzte gestern die Berathung der Apanagen⸗Vorlage fort. Morley kündigte für nächsten Montag die Einbringung eines Antrages an, in welchem erklärt wird, daß das Haus nicht geneigt sei, die Lasten des Volkes für Apanagen zu vermehren, ohne die Versicherung, daß keine weiteren Apanagen gefordert werden sollen. Hierauf wurde die Be⸗ rathung über den Antrag Laboucheère zuEnde geführt, welcher besagt, daß die zur Verfügung der Königin und der übrigen Mitglieder der Königlichen Familie stehenden Gelder ohne weitere Anforderungen an die Steuerzahler ausreichend seien. Der Antrag wurde mit 389 gegen 116 Stimmen abgelehnt.

(A. C.) Aus Kalkutta, vom 23. Juli, wird den

„Daily News“ über die Lage in Sikkim berichtet: Mr. Hart ist nach Darjeeling zurückgekehrt, nachdem er eine Konferenz mit dem Ampan in Richagong gehabt hat. Es ist etwas Hoffnung vorhanden, daß ein Abkommen erzielt ist, be⸗ stimmte Nachrichten sind aber nicht eingelaufen. Man redet davon, daß die britischen Truppen aus Sikkim zurückgezogen werden ollen, da man überzeugt ist, daß die Thibetaner nicht wieder sich in Sikkim einmischen werden. Die Pläne zur Eröffnung eines Winter⸗ feldzuges, um eine Verbindung über das zwischen Chitta⸗ gong und Birma liegende Bergland herzustellen, werden ent⸗ worfen. 4500 Mann Soldaten werden zu dem Zuge nöthig sein. Die größten Schwierigkeiten bereitet die Beförderung von Kriegs⸗ material und Proviant.

Frankreich. Paris, 26. Juli. (W. T. B.) Der König von Griechenland ist heute Nachmittag nach London abgereist.

Gegen die Ueberführung der sterblichen Reste von Latour d'Auvergne nach dem Pantheon ist von den Nachkommen des Generals bei der französischen Regierung Protest erhoben worden mit dem Hinweis, daß es für einen bescheidenen Helden wie Latour d'⸗Auvergne keine Grab⸗ stätte gebe, welche dem Schlachtfelde, auf dem er gefallen, vor⸗ zuziehen sei.

Die Kandidatur Boulanger's für die General⸗ rathswahlen ist in 92 Bezirken aufgestellt worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 26. Juli. (W. T. B.) Der Herzog von Edinburg ist hier ein⸗ getroffen.

Italien. Rom, 27. Juli. (W. T. B.) Der König ist heute Vormittag in Monza eingetroffen.

Der russische Spezial⸗Gesandte beim päpstlichen Stuhl, Iswolstki, ist gestern mit Urlaub von hier abge⸗ reist; derselbe wird in einigen Wochen Behufs Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem Vatikan zurückerwartet.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Coni, vom gestrigen Tage, gemeldet: Am 22. d. M. verhaftete ein Sicherheits⸗ beamter einen Fremden, welcher sich durch sein Benehmen verdächtig gemacht hatte. Bei dem Verhafteten wurden drei italienische topographische Karten, sowie Aufzeich⸗ nungen über ttalienische Grenzforts gefunden. Bei seiner Vernehmung gab der Fremde an, daß er einem französischen Alpenklub angehöre, und daß die er⸗ wähnten Aufzeichnungen von ihm herrühren. Die eingeleitete Untersuchung hat ergeben, daß der Verhaftete Beziehungen zu französischen Grenzkommissaren hatte. Auch ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß der Verhaftete ein Lieutenant im 24. französischen Chasseur-Regiment ist.

Schweiz. Bern, 27. Juli. (W. T. B.) Wie das ‚„Berner Tageblatt“ meldet, ist die Zahl der Unterschriften, durch welche ein Referendum gegen das von der Bundesver⸗ sammlung erlassene Bundesgesetz ü ber das Beitrei⸗ bungs⸗ und Konkursverfahren verlangt wird, auf bei⸗ nahe 50 000 gestiegen. Es wird in Folge dessen die Volks⸗ abstimmung stattzufinden haben.

Afrika. Egypten. Kairo, 24. Juli. (A. C.) Ali el Kourg, ein bekannter Kaufmann, dessen Haus General Wolseley während der früheren Nil⸗Expedition als Haupt⸗ quartier benutzte, wurde heute in Kairo auf Befehl des Sirdars wegen Connivenz mit Wad⸗el⸗Njumi verhaftet. Er war früher des heimlichen Einverständnisses mit den Ein⸗ dringlingen verdächtig, aber bestimmte Beweise gegen ihn hat man erst jetzt erhalten.

Innerhalb weniger Tage erwartet man eine entscheidende Schlacht am Nil zwischen den Derwischen und den vereinigten egyptischen und britischen Truppen. Das Gefecht bei Arguin, am 2. Juli, bildete dazu das Vorspiel. Die Streitmacht des Feindes wird sehr verschieden geschätzt; der Sekretär von Njumi’'s bedeutendstem Emir sagt, daß sie 14000 Personen zählte, als sie die Grenze überschritt, darunter 5000 streitbare Männer; der Rest seien Sklaven oder dem Herrzuge nachlaufende harmlose Leute. Nach den britischen

ekognoscirungen kann man die Truppenmacht der Derwische auf 2800 3000 Kämpfer schätzen. Die bis zum Tage der Schlacht ankommenden Verstärkungen mögen immerhin auch 1 2000 Mann betragen. Das ihnen gegenüberstehende britisch⸗egyptische Kontingent wird als ausreichend betrachtet. Die nunmehr vom General⸗Major de Montmorency befehligten egypti⸗ schen Schwarzen sind vortreffliche Soldaten, wie sie es des Oefteren bewiesen haben, und bei ihnen fechten 3 britische Bataillone, welche von Kairo an die Front vorgeschoben worden sind. 25. Juli. (R. B.) Den neuesten Telegrammen aus Assuan zufolge hat sich Wad⸗el⸗Njumi's Stellung nicht

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verändert. In Scharmützeln unweit Bellana am

ge n Tage wurden mehrere Derwische getödtet und 90 angene und Flüchtlinge nach dem Lager gebracht. Maku's Streitmacht soll nach einem langen Umwege durch die Wüste, den sie machte, um die egyptischen befestigten Posten längs des Nils zu vermeiden, ganz in der Nähe von Njumi's Lager angelangt sein. Die Flüchtlinge entwerfen furchtbare Schilderungen von der Grausamkeit der Derwische und der von ihnen verübten Gräuelthaten. Oberst Kitchener begab sich heute Morgen von Assuan nach Toski. Das 20. Husaren⸗Regiment und eine Abtheilung britischer Artillerie kamen heute in Assuan an. Der Sirdar haet die egyptische Streitmacht in zwei Kolonnen eingetheilt, welche von den Obersten Wodehouse und Kitchener befehligt werden. 1“ stieg gestern bei Wady Halfa um 60 und heute um em.

Zeitungsstimmen.

Der „Hannoversche Courier“ zieht aus dem Verlauf des internationalen Arbeiterkongresses folgende Schlußfolgerungen:

„Von Reformen sei wenig zu hoffen, es lebe die soziale Revolution! das war der immer wiederkehrende Refrain in fast allen Reden. Und in dieser fast verblüffenden Offenheit, mit welcher die setzten und eigentlichen Ziele der Sozialdemokratie verkündet, mit der die Thaten der Kommune gepriesen und als nachahmungswerth geschil⸗ dert wurden, liegt für uns die Hauptbedeutung dieses Kon⸗ gresses. Den deutschen Arbeitern, welche von der Sozialdemokratie eine Verbesserung ihrer sozialen Lage erhofften und gläubig den Worten der Führer vertrauten, daß solches nur auf dem Wege der Reform, der gesetzlichen Umgestaltung geschehen werde, braucht man künftig nur die Akten des Kongresses vorzulegen, um sie über die wahren Ziele dieser Volksmänner zu belehren, und wenn die Vertreter der deutschen Sozialvemokratie im Reichstage es wieder in Abrede stellen, die Leiter einer revolutionären Partei zu sein, den gewaltsamen Umsturz der jetzigen Gesellschaftsordnung vorzubereiten, so wind eine Verweisung auf die Verhandlungen ihres Pariser Ar⸗ beiterkongresses ausreichen, um sie von der Wahrheit dieser Anschuldigung zu überführen. Bei den Berathungen über den Ersatz des Sozialisten⸗ gesetzes wird man nicht umhin können, sich der Pariser Vorgänge zu ecrinnern; wenn die Sozialdemokratie sich immer ernster auf den Tag der Entscheidung vorbereitet, immer entschiedener die revo⸗ lutionäre Propaganda betreibt, so wird man den Staat nicht ohne außerordentliche Mittel einer solchen Gefahr gegenüber lassen dürfen, und selbst diejenigen Fraktionen, die bislang vor dieser Gefahr dem Vogel Strauß gleich den Kopf in den Sand gesteckt haben und durch einfache Beseitigung des Sozialistengesetzes den Staat wehrlos gegen dieselbe machen wollter, werden Angesichts der Enthüllungen des Pariser Kongresses doch wohl nicht umhin können, ihre Stellung zur Frage des Sozialistengesetzes und seines Ersatzes einer erneuten Prü⸗ fung zu unterziehen, es könnte sonst sein, daß die Wähler sie kräftig daran erinnern.“

Zu dem gleichen Thema äußert sich die „D eutsche volkswirthschaftliche Correspondenz“:

„Nicht umsonst hat Karl Marx, der ceistige Vater nicht nur der deutschen Sozialdemokratie, sein „Proletarier aller Länder, ver⸗ einigt Euch!“ an die Spitze seiner Manifeste gestellt. Seit die alte Internationale (1877) in Scherben ging. hat vor Allem die deutsche Sozialdemokratie fortgesetzt danach geftrebt, eine neue schon deshalb zu gründen, damit ihren Häuptern als den Chefs eines Weltbundes ein Machtschimmer zuwachse, der die Massen zu blenden im Stande sein möge. Verschiedene Male glaubte man dem neuen Bunde sehr nahe gekommen zu sein, besonders nachdem vor zwei Jahren beim e Kongresse die englischen Trades unions den Auftrag bekommen und übernommen hatten, einen Weltkongreß zu berufen. der zwar nur wirthschaftliche Fragen, Arbeiterschutz ꝛc. berathen sollte, aber doch den Angelpuntt eines neuen Weltbundes der sozialrevolutionären Parteien abzugeben in Aussicht stellte. Dieses aber scheinen gerade die englischen Gewerk⸗ vereinler nicht gewollt zu haben; deshalb stellten sie die Forderung auf und bielten daran fest, das Mandat zu dem von ihnen berufenen Kongresse solle nur durch von Arbeiterorganisationen gewählten wirk⸗ lichen Arbeitern ausgeübt werden.

Hiermit sahen sich die Führer unserer Sozialdemokratie als aus⸗ geschlossen an und der Londoner Kongreß ging ohne sie vor sich. Dasselbe Schicksal bedrohte sie, als die französischen Possibilisten den Auftrag, den sie in London erhalten, ausführten und zur Fort⸗ setzung der dort nicht abgeschlossenen Verhandlung über L einen Kongreß nach Paris beriefen. Auch von diesem betrachteten si unsere Sozialdemokratie und ihre französischen Gesinnungsgenossen, die Marxisten, von vornherein als ausgeschlossen, da die Mandats⸗ bedingungen ihnen unerfüllbar waren. Dem gegenüber versuchte man den Pariser Kongreß der Possibilisten zu sprengen und hatte hiermit insofern Erfolg, als man einen zweiten sozialrevolutionären Kongreß durch die französischen Marxisten zu demselben Tage nach Paris berufen ließ, zu welchem die Possibilisten den ihrigen berufen hatten.

Aus den „Ergebnissen“ dieser Kongresse ist nur Eines von Interesse: der Umstand nämlich, daß deren Verschmelzung zu einem trotz mancherlei darauf abzielenden Bemühungen nicht gelungen ist. Das Marvy'sche Hauptziel der Vereinigung der Proletarier aller Länder ist also nicht erreicht worden, vielmehr der dazu genommene Anlauf wieder einmal gescheitert. Zwar haben die Herren „Delegirten“ bei dem Kongresse gemeinsam einen von der Stadt Paris ihnen gebotenen, Ehren⸗ trunk“ im Stadthause gethan, aber das große Verbrüderungsfest, welches die Herren Liebknecht und Bebel für dies Proletariat aller Länder sym⸗ bolisch feiern wollten, ja nicht einmal die „Volks“verbrüderung von Deutschland und Frankreich ist zu Stande gekommen. Der eigent⸗ lichste Zweck des ganzen Unternehmens, welches denjenigen deutschen Arbeitern, die thöricht genug waren, über 80 Delegirte mit Reisegeld 8 auszustatten, ziemlich theuer gekommen ist, wurde also verfehlt.

Wenn man liest, was die deutschen Blätter über diese Vorgänge urtheilen, so bemerkt man, daß keines derselben so recht weiß. was es aus denselben machen soll, und so treten die verschiedensten Urtheile zu Tage. Von der einen Seite lobt man die beim Marristischen Kongreß von dem anderen hat man noch weniger als von diesem erfahren beobachtete „Mäßigung“, von anderer weist man jedoch und offen⸗ bar mit Recht darauf hin, daß die öffentlichen Vorgänge, über welche die dürstigen Berichte naturgemäß sich allein verbreiten, bei der ganzen Veranstaltung sehr nebensächlich waren. Von dem aber nicht öffentlich Verhandelten weiß man bisher nichts; von welcher Couleur es sein mag, kann man aber vielleicht daraus schließen, daß der a der Marxisten unter Gegenwart und Billigung der deutschen „Delegirten“ eine Ehren⸗Sympathiebezeugungefür die Mörder, Diebe und Brandstifter Kommune von 1871 beschloß. ““

Für die politische Welt wird also als Ergebniß dieser Mani⸗ festationen nur festzuhalten sein, daß die neue Internationale zwar nicht zu Stande gekommen, wohl aber angestrebt wurde und daß unsere sozialdemokratischen Matadoren zwar nicht als Chefs des neuen internationalen Bundes zu uns zurückkehren, wohl aber sich im Aus⸗ lande dadurch lächerlich gemacht haben, daß sie in der Kommune von 1871 ein Verbrechen feierten, für welches Frankreich zwar seinen mißrathenen Söhnen Amnestie gewähren konnte, welches aber für die Kulturmenschheit dessenungeachtet doch immer ein Schandfleck in der Weltgeschichte bleiben wird.“

n der „Kölnischen Zeitung“ lesen wir: „Das Schimpfwort „Angstprodukt“, welches der Führer der deutschfreisinnigen Partei auf der parlamentarischen Rednerbühne der

der Pariser

Mehrheit des jchigen Reichstages anzuheften versuch unter endlosem Gewitzel über Pikrinfäure. Melinitbomben, Grene⸗z baracken, die alle dem Gebiet der Märchen angehören sollten, von der deutschfreisinnigen und der ultramontanen Presse eifrig aus⸗ gebeutet wurde und wird, dieses Schimpfwort erhält heute aus der freisinnigen Presse selbst eine merkwürdige Beleuchtung, auf welche hingewiesen zu haben das Verdienst der „Konservativen Correspondenz“ ist. Diese hebt aus einem die Anklage gegen Boulanger behandelnden Leitartikel des „Berliner Tageblatts“ vom 23. Juli folgendes offene, wenn auch vom freisinnigen Parteistandpunkte äußerst unbedachte Eingeständniß hervor:

„„Es kam die Melinitwuth; um die Kammern zu bethören, lud der brav' général sie zu den Versuchen mit den neuen Ge⸗ schützen und Geschossen ein, und um die Armee in kriegslustige Stimmung zu versetzen, begann der Déronleède⸗Patrioten⸗Schwindel, womit Hand in nd die stärkere Grenzbelegung, der Lokomotivenbau und Magazinbau im Osten gingen; dann war dem brav' général klar, daß er sein Protektorat am besten durch eine „petite guerre“ einleiten könne. Indem er sich Rußlands Bundesgenossenschaft zu sichern gedachte, glaubte die „Welt“, vor allen Dingen aber die französische Armee, der Tag der Rache sei gekommen, und Boulanger war thatsächlich eine zeitlang der König der Armee! Man weiß heute, wie nahe wir damals einem Kriege waren.““ 8

Und die umfassende Art der französischen Kriegsvorbereitungen wird an einer anderen Stelle des Artikels, in der von den Boulanger zur Last gelegten Veruntreuungen die Rede ist, wie folgt geschildert:

Leben doch die Besatzungen in den Ostfestungen noch heute von den Kriegsvorräthen Boulanger's aus dem Winter 1886/87! Und kann man doch in französischen Journalen lesen, daß die Mannschaft das Brot und die Pferde den Hafer nicht nehmen wollen, welche 1887 als Magazinnahrung für die Feld⸗ armee dienen sollten und von Boulanger in Massen angekauft wurden. Hier hat es sich wahrlich nicht um Bagatellen, sondern um Millionen gehandelt. Daß Boulanger seinen Krieg nicht fand, war die Ursache seines Falles und seines moralischen Bankerotts.“

Und nun sollen die deutsche Regierung und die Kartellparteien jene Kriegsgefahr erfunden haben, um von den durch bloße Schreckgespenster geängstigten Wählern einen gefügigen Reichsta zu erpressen! In dem damaligen Wahlkampf aber ist nachweisli nur von dem Septennat und den von einer sehr bedenklichen äußeren Lage geforderten Maßnahmen die Rede gewesen; von unserer Seite wurde brhauptet, daß eine Kriegsgefahr vorläge, von der Oppositionspresse wurde dies bestritten. Die Mehrheit Richter⸗ Windthorst⸗Grillenberger erlitt damals ihre wohlverdiente Nieder⸗ lage, weil das deutsche Volk den nationalgesinnten Männern glaubte und das Gefühl hatte, daß das Schicksal des Vaterlands unter kritischen Verhältnissen besser bei den Vertretern der Kartellparteien aufgeboben wäre als bei einem maßgebenden Einfluß von Politikern wie Eugen Richter und⸗Windthorst. Aber selbst wenn der Freisinn zur Zeit der letzten Reichstagswahl nur leichtfertig gehandelt und wirklich nicht an eine unmittelbar drohende Kriegsgefahr geglaubt hat, würde das deutsche Volk nach der jetzt gemachten Erfahrung wissen, von welcher Seite es Irreführungen und von welcher es ein richtiges Urtheil und wohlbegründete Rathschläge zu erwarten hat.“

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 31. Inhalt: Marine und Schiffahrt: Bekanntmachung, betreffend die Prüfung der Maschinisten auf Seedampfschiffen. Konsulatwesen: Ernennun⸗ gen. Ermächtigungen zur Vornahme von Civilstands⸗Akten. Eisenbahnwesen: Druckfehler⸗Berichtigung. Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen: Schiffsbau⸗Regulativ (Zollfreiheit der Schiffsbaumaterialien). Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Statistik und Volkswirthschaft.

Ueber die allgemeine wirthschaftliche Lage im Jahre 1888 spricht sich der Handelskammerbericht von Halle a. S. maßen aus: 8 8

„Die allgemeine Geschäftslage für Industrie, Handel und Ge⸗ werbe hat im Jahre 1888 eine nicht unwesentliche Aufbesse⸗ rung erfahren. Denn es waren nicht nur die verschiedensten Zweige der genannten wirthschaftlichen Nährstände im Großen und Ganzen während des Berichtsjahres mit Ausnahme der Saison⸗ und Campagnebetriebe, welche naturgemäß ihre Thätigkeit nur eine bestimmte Zeit hindurch entfalten können, vollauf beschäftigt sondern es fand auch eine entsprechend größere Nachfrage nach den in unserem Bezirk erzeugten Artikeln statt, sodaß die Lager zum Schluß des Jahres nicht nur keine Vermehrung aufwiesen, sondern vielfach geräumt worden waren. Außerdem entwickelte sich ein so reger Umsatz in Gütern, daß die Eisenbahnen den an sie berantretenden Anforderungen nicht vollständig genügen konnten, sondern während zweier Perioden des Berichtsjahres sich außer Stand gesetzt sahen, die für den Versandt nothwendigen Güterwagen in bisher üblicher Weise zu stellen. Es entfaltete sich nicht nur ein lebhafter Geschäftsverkehr mit den meisten Theilen des Deutschen Reichs, sondern es wurden auch die bisher angebahnten Export⸗ beziehungen zu fast allen europäischen wie vielen über⸗ seeischen Staaten und Gebieten weiter gepflegt und gefördert, so daß der Handel und die Industrie unseres Bezirks in erfreulicher Weise auf dem Weltmarkt hervorgetreten sind. Der überseeische Verkehr war im Allgemeinen so lebhaft, daß sogar bemerkers⸗ werthe Transporterhöhungen für Seefrachten durchgeführt werden konnten.“ Der Bericht klagt aber darüber, daß das Ergebniß trotzdem nicht so günstig gewesen sei, weil die fertigen Waaren fast nirgends der meist durch Kartellkonventionen bewirkten Preissteigerung der Rohstoffe und Halbfabrikate hätten folgen können. Weiter er⸗ wähnen wir aus dem allgemeinen Theil des Berichts noch Folendes:

„In Bezug auf die Arbeitsverhältnisse sind besondere Veränderungen während des Berichtsjahres nicht zu verzeichnen. Im Allgemeinen gestalteten sich dieselben normal. Die Löhne konnten als mittlere charakterisirt werden, sie waren im Durchschnitt, nach den uns zugegangenen Berichten zu urtheilen, weder zu hoch, um cine Benachtheiligung von Industrie, Handel und Gewerbe berbei⸗ zuführen, noch zu niedrig, um eine Schädigung der arbeitenden Bevölkerung in sich zu schließen. Sie befanden sich demnach durch⸗ weg höher, als der Standpunkt des nothwendigen Lebensunterhaltes ausmachte Im Einzelnen mag noch bemerkt werden, daß in solchen Gegenden, woselbst neue Bahnbauten vorgenommen oder sonstige größere Unternehmungen ins Leben gerufen wurden, über Arbeitermangel Klage geführt wurde. Von anderen Seiten, jedoch nur ganz vereinzelt, wurde betont, daß die Verwendung der Arvbeiter eine geringe Einschränkung erfahren habe. Im Großen und Ganzen spricht man sich über die Leistungen und über das Verhalten der Arbeiter Seitens der Arbeitgeber befriedigend aus. Die sozial⸗ politische Gesetzgebung des Deutschen Reichs findet mehr und mehr die Anerkennung und Zustimmung weiterer Kreise, indem Arbeitgeber und Arbeiter die Wohlthat der Krankenkassenund Unfallpersicherung immer vollständiger zu sckätzen lernen und die ihnen aufgelegten Beiträge gern bezahlen. Auch wird es von verschiedenen Seiten besonders ge⸗ rühmt, daß die weiblichen Arbeiter mit in das Krankenkassengesetz ein⸗ begriffen sind und somit an den Segnungen desselben Antheil haben. Jedoch mußte es mehrfach als eine Härte empfunden werden, daß für die ersten 3 Tage der Erkrankung auch bei länger andauernden Krank⸗ heiten und bei Unfällen keine Unterstützungsgelder zur Auszahlung gelangen. Da die Karenztage doch nur Simulationen verhindern sollen, könnte es angebracht erscheinen, bei länger andauernder Krank⸗ beit auch für die ersten drei Tage die bezüglichen Entschädigungen zu entrichten. Sehr schlecht fügen sich in den Rahmen der Krankenkassen

und welches die bevorzugten freien H fskassen ein,

folgender⸗

1 6 eshalb deren Besei- tigung, nachdem die Leistungen der Krankenkassen erhöht sind, als wünschenswerth bezeichnet wird.“ 9

Statistische Beweise für die Hebung der Volks⸗

wohlfahrt.

Aus dem soeben von dem Königlich sächsischen statistischen Bureau herausgegebenen statistischen Jahrbuch mit Kalender für 1890 macht die Böhmert'’sche „Sozialcorrespondenz“ interessante Mit⸗ theilungen welche als Beweise von der Zunahme der Volkswobl⸗ fahrt im Königreich Sachsen gelten können. Das geht zunächst aus den Ergebnissen der Einkommensteuer bhervor, die in keinem Staat so ausgebildet ist und statistisch so vielseitig be⸗ arbeitet wird, wie in Sachsen. Das Einkommen der sächsischen Bevölkerung hat sich nach Abzug der Schuldzinsen von 1886 bis 1588 wiederum von 1236 Mill. auf 1337 Mill. Mark vermehrt. Die Zahl der eingeschätzten Personen ist in derselben Zeit von 1 267 866 auf 1 327 771 gestiegen. Von dem Gesammteinkommen des Jabres 1888, das sich ohne Abzug der etwas über 105 Mill. betragenden Schuldzinsen auf 1442 Mill. Mark belief, entfielen nach den Einkommensquellen rund 247,4 Mill. auf Einkommen aus Grund⸗ besitz, 167,8 Mill. auf Renten, 583,8 Mill. auf Gehalte und Löhne und 443,7 Mill, auf Handel und Gewerbe. 8

Unter den Beitragspflichtigen des Jahres 1888 waren 1 322 650 pbysische Personen mit einem eingeschätzten Einkommen von 1293 Mill. Mark und 5121 juristische Personen mit einem eingeschätzten Einkommen von 44 Mill. Mark.

In dem Zeitraum von 1879 bis 1888 ist die Zahl der ein⸗ geschätzten Personen von 1 088 002 auf 1 327 771 und ihr eingeschätztes Einkommen von rund 959 auf 1337 Mill. Mark gestiegen, während die Zahl der Einwohner von 1880 1885 nur von 2 972 805 auf 3 182 003 gestiegen ist.

Das Gesammtrermögen der sächsischen Sparkassen betrug 1851: 17,8 Mill. Mark, 1861: 59,9 Mill., 1871: 137,8 Mill., 1881: 368,5 Mill. und 1886: 494,8 Mill. Mark. Die Zahl der Sparkassenbücher war in derselben Zeit 1851: 110 438, 1861: 298 918, 1871: 507 248, 1881: 958 549 und 1886: 1 339 720 Im Jahre 1886 gehörte also schon mehr als ein Drittel der Bevölkerung zu den Sparern. Auf ein Sparkassenbuch kamen durchschnittlich 2,38 Köpfe der Bevölkerung.

Einer der besten Gradmesser des Wohlstandes ist der Fleisch⸗ verbrauch. Der Verbrauch von Rindfleisch ist in Sachsen von 1880 bis 1887 durchschnittlich auf den Kopf der Bevölkerung von 22,2 auf 26,2 Pfd. gestiegen, und der Verbrauch von Schweinefleisch in der⸗ selben Zeit von 36,2 auf 43,5 Pfd.

Es sind dies erfreuliche Beweise der Wohlstandszunahme.

Die Eisenbahnen im Großherzogthum Baden.

Am Jahresschluß 1887 betrug (nach den im neuesten Heft [4, 1889] des „Archivs für Eisenbahnwesen“ mitgetheilten amtlichen Angaben) die Länge der vom badischen Staat betriebenen Bahnen 1383,41 km. Davon kamen: auf die badischen Staatsbahnen 1256,09 km (abzüglich 1,64 km verpachtete Strecke), auf die ge⸗ pachteten Strecken 24,48 km, auf die mitbetriebenen Strecken 4,89 km, auf Privatbahnen 97,95 km, zusammen 1383,41 km. Davon waren doppelgeleisig 396,36 km. Im Nebenbetrieb befanden sich: von den badischen Staatsbahnen 164,01 km, von den Privatbahnen 42,63 km, dazu Nebenbahnen für den Güterverkehr 7,06 km, ergiebt zusammen 213,70 km. Die Betriebslänge im Jahresdurchschnitt war 1351,95 km. Die volle Eigenthumslänge der Staatsbahnen betrug 1257,73 km. Die Ge⸗ sammtlänge der am Schluß des Jahres 1887 im Großherzogthum Baden gelegenen Eisenbahnen war 1401,08 km, nämlich 1285,50 km badische Bahnen (einschließlich 38,28 km badische Strecke der Main⸗ Neckar⸗Bahn) und 115,58 km auswärtige Bahnen auf badischem Gebiet. In auswärtigen Staaten liegen 137,83 km badischer Eisenbahnen.

Das Anlagekapital betrug bei den „Staatsbahnen 420 566 681 ℳ, bei den Privatbahnen im Staatsbetrieb*10 313 845 ℳ, zusammen also 430 880 526 ℳ; auf 1 km kommen demnach 317 834 (bei den Staatsbahnen 334 386 ℳ, bei den Privatbahnen 105 297 ℳ). Das der Rentenberechnung zu Grunde liegende Anlage⸗ kapital bezifferte sich auf 424 433 119 24 (für die Staats⸗ bahnen auf 414 131 700 52 ₰, für die Privatbahnen auf 10 311 418 72 ₰).

Die finanziellen Betriebsergebnisse des Jahres 1887 waren: Einnahme 38 844 530 gegen 36 771 695 im Vorjahre (davon aus dem Personenverkehr 12 543 857 ℳ, aus dem Güterverkehr 21 476 734 ℳ), d. s. pro Kilometer Bahnlänge 28 732 gegen 27 844 im Vorjahre; Ausgabe 21 546 590 gegen 22 771 440 ℳ, d. s. pro Kilometer Bahnlänge 15 937 gegen 17 243 im Vor⸗ jahre. Der Einnahmeüberschuß betrug demnach für 1887 17 298 140 gegen 14 000 256 im Jahre 1886 oder auf 1 km Bahnlänge 12 795 gegen 10 601 im Vorjahre.

Im Vergleich mit dem Vorjahre hat im Jahre 1887 die Zahl der beförderten Personen um 10,80 %, die Tonnenzahl der beförderten Güter um 8,98 % und die Gesammteinnahme um 5,64 % zugenommen, die Gesammtausgabe um 5,38 % abgenommen, der Einnahme⸗Ueber⸗ schuß um 23,56 % zugenommen, das Renten⸗Anlagekapital um 2,02 % zugenommen Die Anlagekapitalien rentirten sich bei den Staats⸗ bahnen mit 4,05 %, bei den Privatbahnen mit 5,20 %, zusammen also mit 4,08 % (gegen bezw. 3,32 %, 5,01 %, zusammen also 3,37 % im Jahre 1886).

Von dem badischen Antheil der Main⸗Neckar⸗Bahn betrug für 1887 das Baukapital im Ganzen 8 529 306 54 ₰, im Jahres⸗ mittel 8 221 310 72 ₰, der Einnahme⸗Ueberschuß⸗Antheil 831 447 56 ₰. Es verzinste sich demnach das Anlagekapital im Jahre 1887 mit 10,11 % gegen 9,13 % im Jahre 1886.

8 Kunft und Wissenschaft.

Das Comité für die Errichtung eines Denkmals für Carl Maria von Weber in Eutin hat, wie das „Dtsch. Tabl.“ berichtet, das von dem Bildhauer Peterich nunmehr vollendete Denkmal abgenommen, sodaß dasselbe zur Herstellung des Gusses, der in Bronze ausgeführt werden soll, abgegeben werden kann. Das Denkmal wird im Laufe des Herbstes vollständig fertig werden, jedoch ist mit Rücksicht auf die zu Festlichkeiten ungünstige Jahres⸗ zeit davon abgesehen, die Aufstellung und die damit zu verbindende Enthüllungsfeierlichkeit noch in dem laufenden Jahre vorzunehmen.

Dem Bildhauer Werner Stein in Leipzig ist ohne vor⸗ ausgegangene Wettbewerbung die Ausführung des dort zu errichtenden Mendelssohn⸗Denkmals übertragen worden. Werner Stein ist in Braunschweig geboren und hatte seinerzeit sich auch an dem Wettbewerb für das Braunschweiger Abt⸗Denkmal betheiligt. Sein Entwurf kam in engere Wahl mit dem jetzt zur Ausführung be⸗ stimmten Modell von Professor Echtermeier.

Literatur.

„Dislokationskarte der russischen Armee“ im europäischen Reichstheile nebst tabellarischer Uebersicht der Ordre de Bataille und der Armeeverhältnisse im Frieden, in der Mobilisirung und im Kriege und der wichtigen Veränderungen im Jahre 1888 und Anfangs 1889. Nach dem offiziellen russischen Truppenverzeichniß „Rospisanie“ bearbeitet vom K. K. Ober⸗Lieutenant Eugen Schuler. Maßstab 1:4 500 000. Wien, Verlag und Eigenthum von Artaria u. Co. Berlin, Simon Schropp'sche Hof⸗Landkartenhandlung. Von dieser Karte ist soeben die zweite Auflage erschienen, welche gegen die frühere wesentliche Veränderungen aufzuweisen hat. Eine Tabelle giebt einen Ueberblick über die Organisation der russischen Armee, eine zweite Tabelle vermerkt die wichtigen Veränderungen in derselben im Jahre 1888 und Anfangs 1889. Nach den hier gebotenen, offiziellen Quellen entnommenen An⸗ gaben beziffert sich der Friedensstand der russischen Armee gegen⸗

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