1889 / 193 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Aug 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Wildpark auf die Pürsche, welche 1 ½ Stunden dauerte. Nach derselben fuhr Se. Kaiserliche Hoheit nach der Fasanerie, nahm daselbst das Frühstück ein und trat dann um 7 ½ Uhr

mittelst Sonderzuges die Rückkehr nach Berlin an.

Die Kaserne des Kaiser⸗Franz⸗Garde⸗Grenadier⸗Regi⸗ ments Nr. 2 war heute festlich zu dem Empfang des Hohen Chefs des Regiments, Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph, geschmückt. Hohe Flaggenmasten in den deutschen und österreichischen Farben mit den Fahnen beider Länder, eine aus Eichenlaub hergestellte Ehrenpforte, welche die In⸗ schrift „Willkommen unserem Hohen Chef“ trug, bezeichnete die Einfahrtsstelle in den großen Kasernenhof. Ebensolche, durch Guirlanden verbundene Masten, abwechselnd mit den Fahnen Oesterreichs und Deutschlands, führten bis zu dem großen nördlichen Quergebäude. Diesem gegen⸗ über war das Denkmal des Regiments für die Gefallenen aus den Feldzügen gleichfalls mit mächtigen Masten um⸗ geben, von welchen lange Wimpel in den Farben beider Länder herabhingen. Aus den Giebelfenstern wehten die Fahnen aller Staaten des Deutschen Reichs. Auf dem großen Kasernenhofe stand das Regiment in Parade⸗Uniform unter Befehl des Commandeurs, Obersten von Mikusch⸗Buchberg und erwartete die Ankunft des Er⸗ lauchten Chefs. Um 1 Uhr fuhren die Kaiserlichen Majestäten an dem Eingang in der Blücherstraße vor. Sobald die Majestäten den Kasernenhof betraten, präsentirte das Regiment, welches vorher seine Fahnen aus der Wohnung Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph abgeholt hatte, und mächtig hallte das „Gott erhalte Franz den Kaiser“ über den Platz. Nach dem Abschreiten der Fronten der Bataillone durch Ihre Kaiserlichen Majestäten formirte sich das Regiment zum Parademarsch, welcher in Zügen ausgeführt wurde. Hierauf begaben Sich die Majestäten, die Königlichen Prinzen und Fürstlichkeiten, sowie die zum Frühstück geladenen Persönlichkeiten in das Offizier⸗Kasino des Regiments. Der Eingang zu demselben war mit Palmen und anderen Blattpflanzen geschmackvoll dekorirt. Durch eine Flucht von Zimmern begaben Sich die Allerhöchsten und Höchsten Herr⸗ schaften in den Speisesaal, wo die Tafel in Hufeisenform her⸗ gerichtet war. An der Eingangswand zu diesem Raume stand, umgeben von Palmen und Lorbeeren, die Bronzebüste weiland Kaiser Wilhelm's I., deren Stirn ein frischer Lorber⸗ kranz zierte. Hinter dieser Büste standen entrollt die drei Fahnen der Bataillone des Regiments. In der Mitte der Längstafel hatte Kaiser Franz Joseph Seinen Platz. Sein Blick fiel durch die Balkonthür auf die Blumenbeete und 1 Rabatten des mit großer Sorgfalt gepflegten und von hohen grünen Bäumen eingefaßten Casino⸗Gartens. Neben der Balkonthür erblickt man an der Wand rechts das lebensgroße Oelbild des 1. Chefs des Regiments, während links das lebensgroße Bild des jetzigen Hohen Chefs aus dem Jahre 1849, also in jugendlichstem Alter, hängt. Das Regiment ist jetzt volle vierzig Jahre im Besitz dieses Bildes. Zur Rechten Sr. Majestät des Kaisers Franz

Joseph saß neben Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Oesterreich⸗Este Se. Majestät der Kaiser und König.

on ben Erzherzog Franz Ferdinand saßen zur Rechten Se. Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braun⸗

schweig, dann Graf Paar, der kommandirende General des Garde⸗Corps und der K. K. Botschafts⸗Rath von und zu Eissenstein. Zur Linken Sr. Majestät des Kaisers Franz oseph saßen Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Peülgen, der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen, Staatsrath von Braun, der Kriegs⸗Minister von Verdy du Vernois, Oberst Berzeviczy und General⸗Lieutenant von Hahnke. Dem Erlauchten Chef des Regiments gegenüber saß der Commandeur, Oberst von Mikusch. Auf der rechten Seite hatte der Feldmarschall Graf von Moltke seinen Platz zwischen dem Grafen Kälnoky und dem ersten Sektions⸗Chef im Kaiserlich österreichischen Ministerium des Aeußern von Szögyenyi, neben diesem saß der Staats⸗Minister Graf von Bismarck; auf der linken Seite saß der General⸗Oberst von Pape zwischen dem Botschafter Oesterreich⸗Ungarns, Grafen Széchényi und dem Feldzeugmeister Freiherrn von Beck, neben welchem der Chef des Generalstabes der Armee Graf von Waldersee seinen Platz hatte. An den Seitentafeln speisten die General⸗ und Flügel⸗Adjutanten, die Herren vom Ehrendienst, sowie das Gefolge und die Stabs⸗ offiziere des Regiments. Gegen Ende der Tafel brachte der Regiments⸗Commandeur einen Toast auf das Wohl des Hohen Chefs aus.

Der Landrath a. D. von Hellermann, Mitglied

8 Herrenhauses für den alten und befestigten Grund⸗ besitz des Herzogthums Kassuben, ist am 10. d. M. gestorben.

Der Reg eerunge⸗Assessor Dr. jur. Andritzky ist der Königlichen Regierung zu Marienwerder überwiesen worden.

Die abgelöste Besatzung S. M. Kreuzer⸗Korvette „Carola“ ist unter Führung des Kapitän⸗Lieutenants Hobein mit dem deutschen Reichs⸗Postdampfer „Hohenzollern“ am 14. August d. J. in Bremerhaven eingetroffen.

In der Ersten Beilage des „R.⸗ u. St.⸗A.“ befindet sich eine Bekanntmachung, betreffend die Veränderungen, welche in Bezug auf die Namen und der Vor⸗ sitzenden, stellvertretenden Vorsitzenden, Beisitzer und stell⸗ vertretenden Beisitzer der für die landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften in Preußen errichteten Schieds⸗ gerichte eingetreten sind.

Homburg, 14. August. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales traf heute Abend hier ein und wurde am Bahnhofe von Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzessinnen Victoria, Sophie und Marga⸗ rethe von Preußen, dem Kronprinzen von Griechen⸗ land und dem Herzog von Cambridge empfangen.

Baden. Baden, 14. August.-(W. T. B.) Zu Ehren des Schahs von Persien fand gestern Abend im Groß⸗ herzoglichen Schlosse ein Galadiner statt. Se. Königliche Heben der Großherzog brachte dabei einen Toast auf Se. Majestät den Schah aus, welchen dieser in persischer Sprache mit einem Toast auf das Wohl des Groß⸗ herzogs und dessen Familie sowie auf das beadische Land und ganz Deutschland erwiderte. Der Toast wurde von dem persischen Gesandten alsbald in französischer

tage der Regierungsübernahme Seitens des Prinzen Fer⸗ bigand, fand ein feierliches Pontifikalamt in der Dom⸗ irche

werk. Heute fuhr der Großherzog mit dem Schah nach Schwetzingen und Heidelberg zum Besuch von Park und Schloß. Abends ist im Theater Festvorstellung.

Oldenburg. Oldenburg, 14. August. (H.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat sich gestern nach Birkenfeld begeben.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 13. August. Die „Lds.⸗Ztg. f. Els.⸗Lothr.“ veröffentlicht die von dem Ministe⸗ rium für Elsaß⸗Lothringen erlassenen Ausführungs⸗ bestimmungen zu dem Erbschaftssteuergesetz vom 12. Juni 1889.

Oesterreich⸗Ungarn. Preßburg, 13. August. (Presse.) Laut einem heute erschienenen offiziellen Communiqué arbeitet im Auftrage des Obergespans der gesammte Ver⸗ waltungsapparat des Komitats schon seit geraumer Zeit an der Eruirung verbreiteter panslavistischer aufrühre⸗ rischer Proklamationen im Preßburger Komitat, von denen große Mengen bereits konfiszirt wurden.

Großbritannien und Irland. London, 14. August. (W. T. B.) In der heutigen Unterhaussitzung kündigte bei der Spezialberathung der Zehnten⸗Bill der Attorney⸗ general Webster an: in Anbetracht der allerseits laut werdenden Einwände wolle die Regierung die Vorlage dahin abändern, daß der Grundbesitzer statt des Pächters für die Zahlung des Zehnten ver⸗ antwortlich sein solle. Harcourt beantragte die Ver⸗ tagung der Debatte, damit das Haus vor der Weiterberathung von dem Wortlaut der beabsichtigten Abänderung der Bill Kenntniß nehmen könne. Mit Genehmigung der Regierung wurde hierauf die Debatte vertagt.

Frankreich. Paris, 14. August. (W. T. B.) Der Kriegs⸗Minister de Freycinet ist heute Vormittag hierher zurückgekehrt. In seiner Vormittagssitzung erklärte heute der oberste Gerichtshof Dillon und Rochefort der Theilnahme an dem Attentat für schuldig und sprach sich mit 100 gegen 97 Stimmen dahin aus, daß die Vorgänge im Dezember 1887 bei Gelegenheit der Präsidentenkrisis nicht als Attentat anzu⸗ sehen seien. Der Gerichtshof ging sodann auf die Frage wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder über. General Campenon hielt die darauf bezüglichen Thatsachen für vollständig festgestellt. Roger und Margaine be⸗ haupteten, daß der oberste Gerichtshof in Bezug auf diesen Punkt nicht kompetent sei und die Angelegenheit vor ein Kriegsgericht gehöre. Die Sitzung wurde sodann bis Uhr vertagt. In der Nachmittagssitzung erklärte der Gerichtshof Boulanger auch der Veruntreuung und der Unterschlagung öffentlicher Gelder, und zwar mit Ausschließung von mildernden Umständen, schuldig und verurtheilte Boulanger, Dillon und Rochefort zur Deportation nach einem befestigten Ort. Nach dem Aussprechen der Strafe hob der Gerichtshof die geheime Sitzung auf, um den Wortlaut des Urtheilsspruches abzufassen, welcher sodann in öffentlicher Sitzung verlesen werden soll.

In der Abends stattgehabten öffentlichen Sitzung des obersten Gerichtshofes verlas der Präsident den umfangreichen Urtheilsspruch, durch welchen Boulanger, Dillon und Rochefort zur Deportation nach einem befestigten Ort und zu den Kosten verurtheilt werden. Darauf wurde die Sitzung aufgehoben.

In einer heute während der Pause zwischen den beiden Sitzungen des obersten Gerichtshofes abgehaltenen Ver⸗ sammlung der republikanischen Gruppen des Senats wurde beschlossen, die Regierung aufzufordern, dem Urtheilsspruch des obersten Gerichtshofes nach dessen Auflösung Achtung zu verschaffen, ferner die Aufmerksamkeit der Regierung auf den gevichtigen Umstand zu lenken, daß einige Minister gegenwärtig ab⸗ wesend seien, und um Maßregeln gegen die durch die boulangistische Propaganda kompromittirten Beamten zu bitten. 15. August. (W. T. B.) Die Verurtheilung Boulanger's macht hier nur einen geringen Eindruck. Der Abend verlief ruhig, ohne jeden Zwischenfall. Die hervorragendsten Mitglieder des boulangistischen Comiteés reisten noch am Abend nach London, um daselbst mit Boulanger eine Proklamation zu verfassen.

Italien. Rom, 14. August. (W. T. B.) Der König wohnte heute in Spezia mit dem Kronprinzen, dem Herzog von Genua und dem Marine⸗Minister einem Manöver bei, bei welchem von 8 Torpedobooten ein Angriff auf die Panzer⸗ schiffe „Italia“ und „Lepanto“ unternommen und sodann eine Landung von 750 Mann an der Küste des Golfes ausgeführt wurde. Der König gab in einem Tagesbefehl seiner Befrie⸗ igung über die geschehenen Manöver Ausdruck. Später be⸗ suchte der König das Arbeiterviertel, wo er lebhaft begrüßt wurde. Morgen früh reist Se. Majestät an Bord der Nacht „Savoia“, von dem Geschwader begleitet, von Spezia ab. Die „Gazzetta ufficiale“ veröffentlicht das Dekret, be⸗ treffend die Aufhebung des italienischen Konsulats in Wien.

Der „Osservatore Romano“ erklärt die Nachricht, daß der Papst der katholischen Presse Bayerns die Weisung gegeben habe, die Triple⸗Allianz zu bekämpfen, und ebenso auch die neuerlichen Gerüchte von einer Erkran⸗ kung des Papstes für unbegründet.

Serbien. Belgard, 14. August. (W. T. B.) Der Hentige Geburtstag des Königs Alexander ist festlich egangen worden. Nach der kirchlichen Feier fand der Empfang des diplomatischen Corps statt.

Bulgarien. Sofia, 13. August. (Presse.) Der Minister⸗Präsident Stambulow versandte an alle Präfekten ein telegraphisches Rundschreiben, in welchem denselben ein⸗ geschärft wird, jede auf die Proklamirung der Unabhängigkeit Bulgariens abzielende Bewegung in der Bevölkerung zu ver⸗ hindern.

(Pol. Corr.)

14. August. Heute, am Jahres⸗

statt. Sodann hielt der Prinz Ferdinand eine

8

Sprache wiederholt. Dem Diner folgte ein großes Feuer⸗

Truppenrevue ab, der Civil⸗ d Mili

Kolontalpolitik ab, wie die Sträucher im Herbst“, und nach Weilchen würde davon nichts weiter vorhanden sein als eini

Afrika. Egypten. meldet „Reuter's Bureau“:

General Grenfell kam mit seinem Stabe beute von Wahrn Halfa hier an und reist morgen nach Kairo weiter. Das 10. sudg nesische Bataillon hielt heute hier einen Triumphzug In d ganzen Provinz finden anläßlich der Erlösung der Einwohner von dem gefürchteten Einfall der Derwische Freudenkundgebungen statt. Sämmtliche Truppen sind jetzt auf dem Rückmarsg nach ihren üblichen Garnisonsorten begriffen 8

Aus Assuan, vom 13. Auguf

Zeitungsstimmen.

Die Trinksprüche Ihrer Majestäten des Kaisers Franz Joseph und des Kaisers und Königs finden auch in der deutschen Presse lauten Widerhall. So schreibt die „National⸗Zeitung“:

„Die Worte, welche gestern Abend im Königlichen Schlosse von den beiden Kaisern gewechselt wurden, sind wahrhaft deutsche Worte. eine Wärme des Gefühls durchströmt sie, welche unmittelbar die Herzen bewegt. Die treue Freundschaft, mit welcher die Herrscher sich als Persönlichkeiten gegenübertreten, ist das Zeichen, unter welchem sich auch die Völker zusammenfinden. Wohl klingt es wie ein Schlag an das Schwert, wenn unser Kaiser gelobt, das deutsche Heer werde mit der tapferen ungarisch⸗österreichischen Armee, wenn es der Wille der Vorsehung sein sollte, Schulter an Schulter fechten, Aber dieses Schwert, das scharf und blank zu erhalten Kaiser Wilhelm unermüdlich bestrebt ist, will nur die Aufrecht⸗ haltung des Friedens beschützen. Mit erhöhter Empfindung kann man nur den Trinkspruch des Kaisers Franz Joseph lesen. Ir ihm verehrt man nicht nur die hohbe volitische Gesinnung, auch menschlich muß der Sprecher dieser Worte allen denen naßetreten die sie vernehmen. Mit freudiger Befriedigung nimmt die Bevölke⸗ rung den Kaiserlichen Dank entgegen für den Empfang, den sie dem Kaiser Franz Joseph geweiht hat, und sie darf erkennen, daß sie von dem Erlauchten Herrscher in ihrem Zuruf wohlverstanden worden ist, wenn dieser sich inmitten treuer Bundesgenossen fühlte und sich er⸗ innerte, wie tiefgehend die Theilnahme war, die das deutsche Volk an seinem Schmerz genommen hat.

Die untrennbare Verbrüderung und Kameradschaft beider Heere feierte Kaiser Franz Joseph. Es ist unmöglich in der Bezeichnung der Innigkeit der Beziehungen weiter zu gehen, und es wird nach dieser Versichꝛrung wohl so leicht Niemand die Probe machen wollen, ob er, wenn er in diese eiserne Mauer die Hand steckt, eine Lücke finden würde. An Versuchungen, den geschlossenen Bund zu zerbrechen, hat es in den zehn Jahren der Dauer desselben sicher weder in Wien, noch in Berlin gefehlt. Für jetzt und Zukunft haben Diejenigen, die Derartiges sinnen, gestern im Schloße zu Berlin den Bescheid erhalten. Wer der Freund Deutschlands sein will, muß auch der Freund Oesterreich⸗Ungarns fein wo nict, nicht! Und umgekehrt.“ 1

Die „Berliner Börsen⸗Zeitung“ schreibt:

„Die Toaste, welche die beiden Herrscher mit einander wechselten, bringen nichts Neues, nichts, was wir nicht vor⸗ her gewußt, was wir nicht im eigenen Herzen tragen; aker sie geben dem, was man in Deutschland fühlt, und wir glauben uns der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß diese Gefühle in Oester⸗ reich⸗Ungarn ihren Widerhall finden, einen beredten und überaus wohlthuenden Ausdruck. Fürwahr, einen erhebenden Eindruck muß s machen, zwei mächtige Staaten heut in inniger Freundschaft, in innigster Waffenbrüderschaft neben einander zu sehen, welche vor noch nicht einem Vierteljahrhundert in blutigem Kampf ihre Interessen gegen einander vertheidigt haben, und nun vere nigt sind, nicht in dynastischem Interesse, nicht aus selbstfüchtigen Motiven nicht aus chauvinistischem Antriebe zum Schaden Anderer, sondern eallein zum Schutze des heimischen Bodens, als Vorkämpfer der idealstm Idee, der Erhaltung des Friedens, nicht nur für sich selbst, sondern auch für das gesammte Europa. Es ist dies ein ebenso beredtes Zeugniß für die Weisheit und Selbstbeherrschung der Regenten, als für die politische Reife der Völker, die mit voller Berechtigung ron sich rühmen können, daß sie es sind, die an der Wende des neun⸗ zehnten Jahrhunderts an der Spitze der wahren Kultur marschiren. Unentwegt schreiten die verbündeten Mächte ihre Bahn, Schulter an Schulter zur Erhaltung des Friedens, nur einzig bedacht auf die „Wahrung und Festigung der Friedensbürgschaften zum Heil und Segen der verbündeten Staaten und Völker sowie des gesammten Europa!“

Und in der „Weimarschen Zeitung“ lesen wir: „Sicherlich werden diese beiden Reden, wie der ganze Verlauf des Besuchs des Kaisers von Oesterreich in Berlin überall einen nach⸗ haltigen Eindruck mmachen und die Anschauung bestärken, der die „Times“ Ausdruck giebt, daß es sich um mehr als einen bloßen höflichen Gegenbesuch handle. Ausdrücklich mag indessen herror⸗ gehoben werden, daß es nicht berechtigt wäre, deshalb auf eine Ver⸗ schlechterung der Lage schließen zu wollen. Im Gegentheil, die so augenfällige Hervorhebung des Grundgedankens des deutsch⸗österreichi⸗ schen Bündnisses kann nur günstig im Sinne der Erhaltung des Friedens wirken.“

Endlich schreibt der „Hannoversche Courier“: „Die Trinksprüche, welche Kaiser Wilhelm und Kaiser Fran Joseph bei dem Paradeessen ausgetauscht haben, sind Kundgebungen von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sie werden einen mächtigen Widerhall in ganz Europa finden. Nicht eine zeitlich begtenzte Bundesgenossenschaft verbindet die beiden Monarchen; aus dem Wortlaut der Rede des österreichischen Kaisers ist zu entnehmen, daß der Bund „auf ewige Zeiten“ geschlossen ist; denn der Kaiser hat sein Glas erhoben auf „die untrennbare Verbrüderung urd Kameradschaft“ zwischen dem deutschen und österreichischen Heere. Diese Offenbarung wird die Gegner dieser Bundesgenossenschaft um so schmerzlicher treffen, als sie nunmehr erkennen müssen, wie eiten ihre bisherigen Versuche waren. das deutsch⸗österreichische Bündnis durch Quertreibereien und dunkle Machenschaften zu sprengen. Das Vertrauen der beiden Herrscher zu einander ist unerschütterlich, und die Anwesenheit des Erzherzogs Franz Ferdinand, des zukünftigen Thronfolgers, bei dieser Kaiser⸗Begegnung bezeugt den Willn des Kaisers Franz Joseph, daß auch sein Nachfolger dieser Bun⸗ desgenossenschft mit dem Deutschen Reiche treu bleiben sol. Beide Kaiser betonten, daß diese Verbrüderung dazu diene, füt die Erhaltung des Friedens einzustehen, der österreichische Herrscher trank insdesondere auch „auf die Mehrung und Festigung der Friedens⸗ bürgschaften zum Heile und Segen der verbündeten Staaten 8. Völker“. Nicht auf Kriegsruhm und Erobecung sind die Gedanken dieser mächtigsten Herrscher Europas gerichtet, wie ihre Feinde 8 haupten; ihr Sinnen und Trachten geht nur auf die Erhaltung des Friedens, und die gewaltigen kriegstüchtigen Heere, über die sie 4 bieten, stehen bereit, um Schulter an Schulter jedem Friedensbreche entgegenzutreten und ihn zum Frieden zu zwingen.“

AlrUcber bese Kolo en sinden wir 18 der „Danziger gemeinen Zeitung“ folgende Betrachtung: „Wer sich der demokratischen Verheißungen und Wunschzettel des

Sgr. Z

Jahres 1848 zu erinnern vermag, weiß, daß eine deutsche Flotte, eine

deutsche Flagge und deutsche Kolonien darin eine große Rolle spielten.

Nachdem jene damals verfrühten Wünsche ein Vierteljahrhundert sväter zur erfüllten Thatsache geworden, haben die heutigen nichts Eiligeres zu thun, als auch hier dem Reichswagen zwischen die Räder zu stecken. 1 und namentlich der sogenannten „Nation“ Glauben schenken, sere in jenen Kreisen als der Weisheit letzter Schluß gilt, so „blüht unf

Freisinnigen Stoͤcke Wollte man der freisinnig 88 ch einem ge ver⸗

worauf derselbe die Glückwünsche tärbehörden empfing.

lorene Spuren. Der harmlose Leser könnte nun durch solche

Pr⸗

zmtsantrikt des Ministers von Bismarck im Jahre 1862 im geraden

bezeiungen recht traurig gestimmt werden und sich seine eigenen Ge⸗ über eine so unverantwortliche Kurzsichtigkeit der Regierung nachen. Aber er erinnert sich rechtzeitig, daß alle Erfolge seit dem

nsatz zu den pessimistischen Prophezeiungen der Redner und Fehenseschteiber der Fortschrittspartei zu Stande gekommen sind. * So wird es auch mit der so angefeindeten Kolonialpolitik gehen, zelche jetzt gerade 5 Jahre alt ist. Schwerlich giebt es irgend eine gation der Erde, welche bereits nach 5 Jahren koloniale Erfolge auf⸗ zweisen hätte. Wer die Kolsnialgeschichte Englands, Frankreichs, der Kiederlande studirt, weiß, was diese Länder für ihre überseeischen Nieder⸗ zssurgen an Opfern zu bringen hatten. Deutschland befindet sich in plonialer Beziehung noch in der Lebhrzeit. Als im Jahre 1884 unsere gsten Flaggen gebißt wurden, besaß Deutschland kein für koloniale zwecke irgend vorgebildetes Personal, weder in seinem Beamten⸗ zande, noch in den einzelnen bürgerlichen Berufskreisen der Nation, „ch in seiner bewaffneten Macht. Dies Alles will erst langsam zschaffen und herangebildet sein, ein Stück Arbeit, das in einem zundesstaat wie Deutschland anderen Bedingungen unterliegt als England oder Frankreich. Zudem ist das Deutsche Reich noch in junger Hausstand, wo gar Vieles am Nothwendigen zilt, und in der Nation ist sehr viel guter Wille, aber venig Erfahrung, sehr viel Wissenschaftlichkeit, aber wenig praktisches Künnen für diese Zwecke vorhanden. Für eine Kolonialpolitik muß Deutschland sich mithin erst selber erziehen, denn es bedarf für ime überseeische Stellung einer Generation, die nach großen Gesichts⸗ vnkten denkt und handelt. Was wir bisher an Opfern von Menschen⸗ schen und Geldsummen gebracht haben, ist wenig im Verhältniß zu um, was erforderlich ist, um die Schutzgebiete nutzbar zu machen, n deren Besitz die anderen Nationen uns so ungern sehen, die also doh wohl einigen Werth haben müssen. Die heutige Kolonial⸗ volitik kann nur den Acker jäten. die leider oft blutigen zurchen ziehen und den Samen ausstreuen, ein langwieriges Unternehmen, das viel Ausdauer und Geduld. erfordert, damit are kuͤnftige Generation davon ernten kann. Unsere Freisinnigen frilich wollen überall ernten, wo sie nicht oder doch nur Unkraut gesät haben, und deshalb geht die Geschichte über sie binweg. Ft nach abermals 25 Jahren noch einer von den Freisinnigen übrig, wird er freilich ebenso wie jetzt bei der Altersversicherung klären, daß 88 dann in kolonialer Beziehung Erreichte einzig seiner Partei zu verdanken sei. 8 henche Richtigkeit der Gesammtpolitik des Reichskanzlers kann sich zar nicht besser erweisen, als daß sie von den Freisinnigen zwar in Alem und Jedem b kämpft und bemängelt wird, daß die Letzteren zher nie säumen, sich die Früchte anzueignen und sich das Verdienst 8es Erfolges zuzuschreiben.“

Statistik und Volkswirthschaft.

die Lohnverhältnisse in Berlin im September 1888. Unter diesem Titel hat das Statistische Amt der Stadt die von Eewerbe⸗Deputation des Berliner Magistrats im vergangenen Fabre eingezogenen Nachweisungen über die Lohnverhältnisse der Ge⸗ verbetreibenden und Arbeiter soeben veröffentlicht Die erste Erbebung dieser Art fand im Jahre 1880 für das vorhergegangene Jahr 1879 satt. Seit 1881 werden die Ermittelungen alljährlich für einen be⸗ simmten Monat angestellt, und zwar geschah dies 1881 für den Juli, eener im Mai 1882, Juli 1883, Februar 1884, Mai 1885, Mai 1886, Mai 1887 und September 1888, wobei der Monat Mai zarum bevorzugt worden ist, weil in ihm ziemlich allgemein alle Arbeiter Beschäftigung haben. Die Berliner Lobnermittelungen finden nicht auf iiner eigentlich statistischen Unterlage mittels Individual⸗Zählkarten, vie die Volkszählungen —, sondern auf dem Wege der Enquste. JJ. durch Umfrage bei verschiedenen Sachverständigen statt. Doch it die Zahl der Befragten immerhin so bedeutend (im Berichts ahre z1 meist größere Betriebe und 157 Kassen, Innungen und Fach⸗ ereise), daß die Ergebnisse als der Wahrheit sehr nahe kommend anzuseben sind. 8 de Verschiedenheit der Löhne innerhalb der einzelnen Gewerbe ebenso groß wie die Verschiedenheit der Löhne der einzelnen Arbeit⸗ sellungen beim Vergleich der Gewerbe mit einander. Es kommen bier verschiedene Ursachen in Betracht, unter welchen die technische Fertigkeit einerseits und die Nachfrage nach derselben anderseits und überhaupt das Verbältniß, in welchem Angebot und Nachfrage auf die Löhne wirken, die gröxte Rolle spielen. Auch die tägliche Arbeitszeit würde in Betracht kommen. Von einer Re⸗ duktion der Wochenlöhne auf den Stundenlobhn (wie sie bei den auf gleichr Grundlage beruhenden Veröffentlichungen des Statistischen Amts der Stadt Breslau über die Lohnverbältnisse durchgeführt ist) kennte indessen abgesehen werden, da das Tabellenwerk ergiebt, daß die Arbeitszeit durchschnittlich eine 12stündige einschließlich zwei Stunden Pause zu sein pflegt. Die Arbeit in „Ueberstunden wird besonders bezahlt, meist nach Maßgabe des sich für die Arbeit pro Stunde all⸗ gemein ergebenden Durchschnitts; nur die Sonntags⸗ und Nacht⸗ arbeit werden mehrfach und zwar theilweise beträchtlich höber gelohnt, z. B. bei den Steinmetzen, in der Königlichen Münze, bei den Huf⸗ und Wagenschmieden, in der Kunst⸗ und Bau⸗ schlosserei, in Fabriken für Gas⸗, Wasserleitungs⸗ und Kanalisations⸗ anlagen, für elektrische Beleuchtung, Centralheizung und Ventilations⸗ anlagen, bei den Tapezierern und Dekorateuren, in der Gummi⸗ waarenfabrikation, bei den Steinsetzern, Dachdeckern, Zimmerern und Buchdruckern. Eine ungleich größere Bedeutung für den jeweiligen Lohnsatz hat die Jahreszeit, indem fast jedes Gewerbe eine iit lebhasteren Betriebes und eine Zeit der Ruhe hat. ei vielen Betrieben ist es die Weihnachtszeit, welche am meisten Arbeit und Verdienst bringt, bei anderen die Frühlings⸗ oder Herbstzeit, bei noch anderen die Termine des Wohnungswechsels u. s. w. Dies ist insbesondere bei der Vergleichung mit den früheren im Mai statt⸗ gehabten Ermittelungen und bei der Ansicht des Befragten über ein Steigen oder Fallen des Lohnsatzes zu beachten. Denn wenn z. B. im Mai bei einem Gewerbe das Geschäft sehr lebhaft geht, im Feptember aber ruht, so werden die Löhne im letztgenannten Mongt niedriger ascheinen, während sie umgekehrt höher sind, wenn der Mai ein geschäftlich ruhiger, der September ein lebhafter Monat ist. In ühnlicher Weise hängt auch die Beantwortung der Frage, ob Arbeiter begehrt sind oder nicht, von der periodischen Lebhaftigkeit des Geschäfts ab, und die jeweilige Begehrtheit der Arbeiter ist noch nicht ein Zeichen für die allgemeine Besserung des Geschäfts. b MWas die Löhne selbst betrifft, so schwanken die Wochenverdienste in den verschiedenen Berufsstellungen wie folgt: Zeitlohn 30,70 46,00 19,00 27,90 4,70 9,70 15,00 19,50 7,30 10,5

de

ist

E111““ Gehülfe, Geselle u. s. w. hrling. ZII“ jugendlicher Arbeiter Arbeiteimn 9,50 - 12,15 2 jugendliche Arbeiterin. 5,45 7,75 . ..640 8,35 . „Im Alggemeinen sind die Löhne der männlichen Arbeiter bei Zeitarbeit um 16 bis 86 % höher als die der Arbeiterinnen, um 16 % bei den niederen Arbeitern in Heiz⸗ und Leuchtstoffanlagen, um 39 % bei den Betriebsarbeitern (d. s. technisch geübte) daelbst und in der Pavier. und Lederindustrie, um 57 % in der Textil- und Bellei⸗ dungsindustrie, um 80 % in der Industrie der Steine und um 86 % in Ir Nahrungsmittelindustrie. Bei den Stücklöhnen schwankt der Prozentsatz zwischen 57 % in der Papier⸗ und Lederindustrie und 100 % in 5 Industrie der Nahrungs⸗ und Genußmittel. In der Textil- und ekleidungsindustrie beträgt er 79 %. b Arb⸗Den geringsten Zeitlohn empfingen mit 15 die chemischen rbeiter, den höchsten mit 18,30 die Arbeiter in der Nahrungs⸗ mittelindustrie und mit 19,50 die Betriebsarbeiter (d. s. technisch geübte) der Heiz- und Leuchtstoffanlagen. Bei den Arbeiterinnen schwankten

Stücklohn 85

16,85 32,25 M6,20 - 10,00 20,20 27,00 8,50 10,00 11,60 13,75

1“

in der Papier⸗ und Lederindustrie. Die Zeitlöhne der Gesellen waren am niedrigsten mit 19 in dem Bekleidungsgewerbe (in Folge der starken Betheiligung der Frauen), am höchsten mit 27,90 in den Druckereien. Der Stücklohn schwankt hier noch weit beträchtlicher: zwischen 16,85 in der Textilindustrie und 32,25 im Baugewerbe, hier um 28 % höher, dort um 12 % niedriger als der Zeitlohn. In den oben aufgeführten Durchschnitts⸗ verdiensten sind freies Quartier, freie Beköstigung, Wäsche ꝛc. nicht mit einbegriffen. Die Sätze, welche angeben, um wieviel höher die Stückarbeit gelohnt ist als die Zeitarbeit, bezeichnen ungefähr gleich⸗ zeitig die Grenze, bis zu welcher die körperliche Kraft bei der betreffenden Arbeit bezw. Berufsgruppe HJausgenutzt werden kann. Diese Maxima waren im September 1888 bei den Gesellen ꝛc. durch 27,9 % im Baugewerbe, bei den Arbeitern durch 43,3 % in der Metallindustrie und bei den Arbeiterinnen durch 25,3 % im Nahrungs mittelgewerbe gegeben 2

Nus dem Kapitel über die Bewegung der Löhne, in dem auch des Einflusses der Strikes der Maurer und Zimmerer sowie der Lohnbewegungen bei den Lackirern, Sattlern (Militäreffekten⸗ arbeitern) und Möbel⸗Posamentieren gedacht ist, geben wir folgende Vergleichung der ortsüblichen Tagelöhne gewöhnlicher Tagearbeiter, erwachsener wie jugendlicher, beiderlei Geschlechts, nach den Fest⸗ setzungen des Ober⸗Präsidenten vom Marz 1884 und der jüngsten Ermittelung: 8

März

1884 Tagelöhner (erwachsene Arbeiter) . 14,40 jugendliche Arbeiter und Arbeitsburschen. insbesondere Arbeitsburschen 3 8 insbesondere jugendliche Arbeiter Arbeiterinnen (erwachsene) jugendliche Arbeiterinnen v14 Diese Zahlen ergeben das Material für eine etwa erfolgende Aenderung der für die Krankenversicherung zu Grunde geleagten Lohnsätze. Zum Schlusse ist eine Vergleichung der durch die Ermittelungen des Statistischen Amts gewonnenen Lohnsätze mit der Einkommen⸗ einschätzung der Steuerverwaltung vorgenommen worden; erstere ergab bei 611 Handwerksgesellen einen durchschnittlichen Wochenlohn (das Jahr zu 50 Wochen gerechnet) von 22,80 ℳ, die Einschätzung von 16,70 ℳ, sodaß im Durchschnitt di ch - % hinter der Wirklichkeit zurückblieb.

Die Gefangenen und die Verbrecher unter dem Einfluß des Christenthums.

Die „Blätter für Gefängnißkunde“ (Organ des Vereins deutscher Strafanstalts⸗Beamten, redigirt von Gustav Ekert, Großherzoglich badischem Geheimen Rath and Gefängniß⸗Direktor in Freikurg i. B, Präsidenten des Vereins⸗Ausschusses; Verlag von G. Weiß in Heidelberg) bringen in dem kürzlich ausgegebenen 1. Heft 25. Bandes als Festgabe zur Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins der deutschen Strafanstalts⸗Beamten eine Arbeit von F. A. Karl Krauß, Gefängniß⸗Geistlichen zu Freiburg i. B., betitelt: „Die Gefangenen und die Verbrecher unter dem Ein⸗ fluß des Christenthums.“ Es ist der erste literarische Versuch, diesen Gegenstand in einem einheitlichen Gesammtbilde vorzuführen und darum als ein verdienstliches Unternehmen zu bezeichnen.

Mit vielem Fleiß hat der Verf. das sehr zerstreute Material ge⸗ sammelt, welches zur Beleuchtung des Einflusses dienen konnte, den die christliche Kirche im Laufe der Jahrhunderte auf das Loos der Gefangenen oder auf die Verbesserung des Gefängnißwesens ausgeübt hat. Er gelangt dabei zu dem Ergebniß, daß die Erfolge der Kirche in letzterer Beziehung nur spärliche gewesen seien; sie habe sich eben überall an die volksüblichen Sitten, Gesetze und Rechts⸗Institutionen nach Möglichkeit angeschlossen, und diese Accommodation trete auch auf dem Gebiet des Strafwesens unverkenn⸗ bar zu Tage: „Selbst in der Ausbildung ihrer eigenen Gerichtsbarkeit lehnte sie sich meistentheils an das herrschende staatliche (römische) Recht an. Insbesondere die grausamen Strafen der weltlichen Ge⸗ richte sehen wir auch von den kirchlichen vielfach in Anwendung ge⸗ bracht, und die finsteren strengen Rechtsanschauungen der Zeit deckten sich jeweils mit denen des Dogmas. So waren auch die kirch⸗ lichen Gefängnisse in nichts oder nur sehr wenig von den staat⸗ lichen unterschieden. Die Kirche ist in ihrer äußeren Erscheinungs⸗ weise eben auch ein Kind der Zeit, von der Beschaffenheit der Ge⸗ sammtkultur eines Volkes wie der ganzen Menschheit abhängig. nders und besser sei es bezüglich der veredelnden Beeinflussung des Strafrechtswesens durch die religiösen Ideen erst mit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts geworden; erst der Neuzeit sei es vor⸗ behalten gewesen, das Christenthum auch als die „alle Lebens⸗ verhältnisse für die Justizpflege und Lebenserscheinungen durch⸗ geistigende Gotteskraft“ sich bethätigen zu sehen; erst jetzt sei man berechtigt von einem wahrhaft christlichen Gefängnißwesen zu reden. Ganz anders verhalte es sich dagegen mit der Bethätigung der christlichen Liebe für die Gefangenen und Verbrecher, mit dem Bemühen, ihr hartes Loos zu mildern, ihre Fesseln zu lösen oder auch ihre Bestrafung, namentlich die Todesstrafe, zu heilsamer Buße für sie zu gestalten. Da habe die christliche Liebe möglichst die Wunden wieder zu heilen gesucht, welche das unerbittliche Recht schlagen zu müssen glaubte: „Auf dem Felde der Charitas blühten von jeher für die Kirche die schönsten Blumen, womit sie sich reiche Verdienstkränze um die Stirn winden konnte“. Die von der Kirche gelehrte und geübte Pflicht, auch den Gefangenen Liebe zu erweisen, gründe sich auf die Lehre und das Beispiel des Heilandes, welcher „gekommen ist, nicht die Gerechten zu berufen, sondern die Sünder“.

Wie die Kirche dieser Pflicht durch 17 Jahrhunderte nachzukommen bestrebt gewesen, hat der Verf. auf Grund aller ihm erreichbaren Quellen spstematisch zu schildern unternommen. Diese fließen für die früheste Zeit aus den Schriften der Kirchenväter sehr reichlich, und die Abschnitte, in denen die Gefangenenpflege Seitens der Diakonen und Diakonissen, der Loskauf der Kriegsgefangenen durch die Mittel der Kirche, der mildernde Einfluß der christlichen Religion auf die strengen staatlichen Maßnahmen gegen die Schuldner zur Darstellung gebracht werden, entrollen ein wirklich erhebendes Bild, nicht minder die Schilderung der Handhabung des kirchlichen Asylrechts, der Fürsprache bei den Behörden für angeklagte oder verurtheilte Verbrecher, sowie der Bestrebungen, die öffentliche Kirchenbuße (auf Grund der an das römische Recht angelehnten Bußgesetze) an die Stelle der gerichtlichen Strafen zu setzen. Später ist es weniger die kirchenamtliche Form als der Geist freiwilliger Fürsorge, welcher sich

irksam zeigt. . 8 8 Unter ben mannigfaltigen Einrichtungen und Anstalten christlichen Erbarmens, an denen das Mittelalter so reich ist, war namentlich in Italien eine Reihe religiöser Orden und Bruderschaften für das Loos der Gefangenen und das Seelenheil der Verurtheilten zu sorgen bestrebt. Die Schilderung der Organisation derselben sowie ihrer unablässigen, von tiefer Frömmigkeit getragenen Liebesthätigkeit bildet einen der anziehendsten Abschnitte der Schrift. Dann aber wird uns eine Anzahl einzelner Personen vorgeführt, welche in derselben Rich⸗ tung thätig und zum Theil von epochemachender Nachwirkung ge⸗ wesen sind. Außer einigen altchristlichen Bischöfen waren dies: Erz⸗ bischof Carl Borromaͤeus von Mailand, dessen Instruktionen für die Beaufsichtigung der Gefängnisse und die Be⸗ handlung der Gefangenen ungemein segensreich gewirkt haben, Vincenz von Paula, der sich besonders die Besserung der Lage der Galeerensträflinge in Frankreich angelegen sein ließ, vor Allen aber Friedrich von Spee und Christian Thomasius, jene Vorkämpfer für Aufklärung und Menschenliebe, die durch ihren erfolgreichen Eifer gegen die Hexenverfolgungen und Folterkammern

kmal gesetzt haben. 2 8 88 Nüt pann 8 75 der neuen Zeit endlich besserten sich gdie F „Nun

vom gesammten voll 8 2 Seelsorge die vorzügliche Aufgabe übertragen, den mit der Sühne

werden

Hauptfaktor in den eingefügten Gefängniß⸗

angerufenen und als ein

Strafvollzugs⸗Organismus

Staate

verbundenen Besserungszweck der Strafe zu verwirklichen.“ Neben

dieser amtlichen Thätigkeit der christlichen Kirche aber sehen wir auf

interkonfessionellem Untergrunde auch die reichste freiwillige Liebes⸗ thätigkeit für die Gefangenen in mancherlei Vereinen und Anstalten blühen und gesegnete Früchte tragen. 3

Die kleine Schrift, welche ihren Gegenstand zum ersten Mal be⸗ handelt und sich einer anregenden Darstellung befleißigt, ist denjenigen, welche sich für die Entwickelung der Gefängnißseelsorge interessiren, warm zu empfehlen. Für die Ausfüllung der von dem Verfasser selbst nicht übersehenen Lücken erklärt sich derselbe allen etwaigen Mithelfern dankbar.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Rußland. 1—

Nach einer Anordnung des General⸗Gouverneurs zu Odessa ie aus den verpesteten Gegenden Arabiens und aus Aden in den Häfen des Schwarzen Meeres ankommenden Schiffe in Theodosia einer Quarantäne unterzogen.

Schweden. 3 Amtlicher Bekanntmachung zufolge sind die Provinzen Vemen in Arabien, Toak⸗Arabi in der asiatischen Türkei, Aserbeidschan und Gilan in Persien, sowie die Hafenorte am persischen Meerbusen als von der Pest befallen erklärt worden.

Handel und Gewerbe.

August. Bericht über Kartoffelfabrikate Helmeke in der „Zeitschr. f. Spirit.⸗Ind.“. Die Lage s ist bis heute die frübere geblieben. Der Bedarf zeigte ch mindestens in dem früheren Umfange, so daß in den letzten acht agen manche am Markte befindliche Partie weggeräumt wurde, an deren Stelle aber wieder neues Angebot trat; auch von den geringeren Sorten ist manches verkauft worden. Zu notiren ist für reelle Prima⸗ Stärke 18,75 19,50 ℳ, für desgl. Mehl 19,50 20,75 ℳ, für die abfallenden Sorten 18 19 ℳ, für die Sekunda⸗Waare 16— 17,50 ℳ, für die Tertia 14 15 von den verschiedenen Stationen der Pro⸗ duktionsgegenden ab, sowie je nach Lage derselben. Billige Offerten auf neue Campagne, wie solche in Hamburg vorliegen und den dortigen Markt drücken, fehlen uns noch. Ueber die holländische Kartoffelernte verlautet, daß ein Resultat heute noch gar nicht festgestellt ist, und daß viel Champions gebaut sind, welche noch vier Wochen zu wachsen baben, ferner daß das Kraut früh abzusterben beginnt, während die Knollen noch nicht ausgewachsen sind. Die übrigen Fabrikate, wie Zucker, Syrup und Dextrin, sind unverändert. Zu notiren ist frei Berlin: Prima Kartoffelmehl je nach Qualität 20,50 22 ℳ, Secunda Kartoffelmehl 18,50 20 ℳ, Prima Kartoffelstärke 19 20 ℳ, Secunda Kartoffelstärke 18 19 ℳ, Prima weißer Kartoffelsyrup 42 ° vrompt 25 ℳ, do do. per August 25 ℳ, do. gelber Kartoffelsprup prompt 23 24 ℳ, do. do. per August 23,50 ℳ, do. weißer Kartoffelzucker prompt 25 ℳ. do. do per August 25 ℳ, do. gelber per August 23 24 ℳ,

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do. Dertrin prompt 30 31 ℳ, krystallinischer Kartoffelzucker 99 % 44 45 ℳ, krystallini⸗ sches Nachprodukt 80 % 23 24 oberschlesischen Steinkobhlenmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“: Die seit längerer Zeit bestehende lebhafte Nach⸗ frage kam, wie in allen Bergbau treibenden Diftrikten, so auch im oberschlesischen Revier während der verflossenen Berichtsperiode intenfiv zur Geltung. Nach Heizkohlen trat der Begehr in keinem der Vor⸗ jahre zur nämlichen Zeit so hervor wie diesmal, nachdem die Förderung während der verstrichenen Sommermonäte sich als unzulänglich erwiesen und somit die Schwierigkeit, in bestimmten Marken und Sorten allen Ansprüchen zu genügen, anhielt und trotz Beibehaltung der Nacht⸗ schichten die nothwendige Erhöhung der Leistungsfäbigkeit nicht bewirkt werden konnte, umsoweniger, als die stark reducirten Belegschaften erst durch den allmählichen Zuzug auswärtiger Arbeitskräfte kompletirt werden können. Andererseits trägt zu der gekennzeichneten Situation viel bei, daß die Koblengroßhändler der heimischen wie der Nachbar⸗- provinzen, durch die anziehenden Preise bewogen, ihre Bezüge nach⸗ drücklich beschleunigten. Die Gruben seben sich raher genöthigt neuen Lieferungsverbindlichkeiten einstweilen zurückhaltend gegenüber zu treten, zumal selbst die laufenden Abschlüsse sich nur mit einer prozentualen Vertheilung der zur Verfügung stehenden Kohlensorten begnügen müssen, was fast durchgängig von den Aufbereitungs⸗ 1 produkten gilt. Den Versandt betreffend, hat der wochenlang ungünstige Wasserstand die Abwickelung der alten Schlüsse gerade in der für Lieferungserledigungen vortheilhaftesten Periode wesentlich aufgehalten. Einem entsprechend lebhafteren Durchgangsverkehr folgte nach Eintritt der günstigen Schiffahrtsverhältnisse ein äußerst reger lokaler, Eisenbahnverkehr nach den Abschlagstellen, begünstigt 1 durch ausreichenden Wagenbestand, sodaß erst nach der vertragsmäßigen vollen Ausnutzung des vorhandenen Kahnraumes der Durchgangs⸗ verkehr mit einem verhältnißmäßig geringen Bruchtheil der Versandt⸗ mengen in Anspruch genommen wurde. Back⸗ und Gaskohlen fanden einen beträchtlichen Abzrg nach Oesterreich⸗Ungarn und Rußland, und auch der Verbrauch von Fettkohlen gewinnt einen steigenden Umfang Die Erweiterung der Kokes⸗Anlagen schreitet rasch vor. Der Kohlen⸗ markt verharrt in anziehender Tendenzg. Pest, 14. August. (W. 54 Seee der ung 6 n Prämienloose. Folgende Serien wurden gezogen: 159, 89 688 715, 847, 993, 1872, 1969,. 2190, 2375, 2446, 2637, 2755, 2848, 308 3, 3151, 3267, 4267, 4451, 4515, 4568, 4611, 4716, 5007, 5011, 5233, 5362, 5413, 5598. Der Haupttreffer siel auf Serie 3267 Nr. 14. 15 000 Fl. fielen auf Serie 4716 Nr. 32, 5000 fl. auf Serie 993 Nr. 28, je 1000 Fl. auf Serie 715 Nr. 6, Serie 3267 Nr. 28, Serie 4451 Nr. 4 und Serie 4611 Nr. 34. Pest, 14. August. (W. T. B.) Die Erträgnisse der Centrale der Ungarischen Kreditbank betragen nach der heute öffentlichten vorläufigen Bilanz 606 545 Fl. (darunter i 320 000 Fl., Konsortialgewinne 192 000 Fl.), hiervon ab. sten 101 996 Fl., verbleibt ein Reinerträgniß 504 550 Fl. Die Er⸗ trägnisse der Bank⸗ und Waarenabtheilung betragen 659 342 Fl. (darunter Zinsen 207 216 Fl., Provisionen 180 090 Fl., Effektengewinn 153 975 Fl., Waarengewinn 80 673 Fl.), bier . von ab Lasten 205 250 Fl., verbleibt ein Reinerträgniß 454 082 Fl. Von diesem Betrage entfallen 181. 633 Fl. auf den Antheil der Oesterreichischen Kreditanstalt; es verbleibt also ein Er⸗ trägniß der Waarenabtheilungen von 272 449 Fl. Das Gesammt erträgniß im ersten Semester 1889 beträgt somit 776 999 Fl. wobei die Konsortialgeschäfte berücksichtigt sind, soweit sie bis zum 30. Juni bereits abgerechnet waren. kozden⸗ 14. August. (W. T. B.) An der eboten. ladnnes ügnc, 15. August. (W. T. B.) Die Einnahmen des ita⸗ lienischen Mittelmeer⸗Eisenbahnnetzes während der ersten Dekade des Monats August 1889 betrugen nach provisorischer Er⸗ mittelung: im Personenverkehr 1 559 710 Lire, im Güterverkehr 2 011 310 Lire, zusammen 3 571 020 Lire gegen 3 365 263 Lire in der gleichen Periode des Vorjahres, mithin mehr 205 757 Lire.

Küste 1 Weizen⸗

Verkehrs „Anstalten.

amburg, 15. August. (W. T., B). Der Postdampfer Iööö8 der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktien⸗Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Nach⸗ mittag 3 Uhr in New⸗York eingetroffen. . .“ London, 14. August. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Trojan“ ist heute von Madeira auf der Ausreise abgegangen. 15. August

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Zustände der Gefängnisse und Gefangenen im Allgemeinen ꝛun

die Löͤhne zwischen 9,50 in der Industrie der Steine und 12,15

wurde die Kirche Mitarbeiterin des Staats

(W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer Roslin⸗Castle“ f der Ausreise ab⸗

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