in vierspännigem Wagen. Die Majestäten wurden auf ihrer Fahrt von dem dichtgedrängten Publikum mit endlosen Hoch⸗ rufen begrüßt. - Straßburg i. Els., 21. August. (W. T. B.) Bei der gestrigen Vorstellung der Behörden, welche un⸗ mittelbar nach dem Eintreffen Ihrer Majestäten im Kaiser⸗ palast stattfand, waren sämmtliche Beamte bis zum Rath 4. Klasse einschließlich erschienen. Zu der alsdann folgenden kleinen Tafel hatten der Statthalter nebst Gemahlin, sowie die auf den Bahnhof zum Empfang befohlenen Personen Einladungen erhalten. Bei dem Abends stattgehabten großen Empfang der Majestäten bemerkte man unter Anderen den Präsidenten des Landesausschusses, Schlumberger, den Reichstags⸗Abgeordneten Petri, die beiden Barone Zorn von Bulach, Graf Dürkheim, Bischof Stumpf und den Präsi⸗ denten des evangelischen Konsistoriums, Petri. An dem großen Empfang nahmen auch die Damen der eingeladenen Herren Theil. 1 Die heutige Parade ist auf das Glänzendste verlaufen. Eine zahllose Menschenmasse, welche schon seit dem Morgen⸗ grauen auf das Pandese ld hinausgezogen war, wohnte derselben bei; die Kriegervereine waren vor der Tribüne aufgestellt. Um 11 ½ Uhr fuhr Ihre Majestät die Kaiserin zurück, um 12 Uhr verließ Se. Majestät der Kaiser, welcher die Uniform des Gardes⸗du⸗Corps⸗Regiments trug, das Paradefeld. Allerhöchstderselbe ritt an der Spitze der Fahnen⸗ Compagnie, umgeben von glänzendem Gefolge, im Schritt durch die Straßen, überall mit Begeisterung begrüßt. Sämmtliche Blätter widmen dem Kaiserlichen Besuch überaus sympathische Artikel. Der Enthusiasmus für das Kaiserliche Paar, besonders auch in der einheimischen Be⸗ völkerung, ist ein sehr großer; der Fremdenverkehr ist kaum zu bewältigen. Das Wetter ist bei bedecktem Himmel kühl
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jedoch ohne Regen. 8
— Das „Armee⸗Verordnungsblatt“ veröffentlicht folgende Allerhöchste Kabinets⸗Ordres:
1) betreffend die Feldwebel⸗ ꝛc. Abzeichen.
„Auf den Mir gehaltenen Vortrag bestimme Ich, daß die etats⸗ mäßigen Feldwebel und Wachtmeister sowie die Stabshoboisten, Stabshornisten und Stabstrompeter am Unterärmel als besonderes Abzeichen außer der breiten noch eine schmale Tresse tragen, welche bei dem Waffenrock, dem Koller und der Ulanka oberhalb der ersteren auf dem Aermeltuch, bei dem Attila unterhalb der breiten Tresse — und zwar bei Meinem Leib⸗Garde⸗Hufsren⸗Regiment unter Fort⸗ fall der Borte — anzubringen ist. Das Kriegs⸗Ministerium hat hiernach das Weitere zu veranlassen. Wilhelmshaven, den 28. Juli 1889. Wilhelm. von Verdy“
2) betreffkend die Bewaffnung der Feldwebel ec.
bei den Truppen zu Fuß.
„Auf den Mir gehaltenen Vortrag bestimme Ich, daß die Feld⸗ webel und Vize⸗Feldwebel einschließlich der Vize⸗Feldwebel des Beurlaubtenstandes, sowie die im gleichen Range stehenden Stabs⸗ hoboisten beziehungsweise Stabshornisten und Zahlmeister⸗Aspiranten bei denjenigen Truppen, bei welchen zufolge Meiner Ordre vom 22. März 1889 der Infanterie⸗Offizier⸗Degen neuen Modells zur Einführung gelangt ist, ebenfalls mit Infanterie⸗Offizier⸗Degen und Portepee neuen Modells zu bewaffnen sind. Die genannten Chargen haben den fraglichen Degen an einem weißen beziehungsweise schwarzen Ueberschnallkoppel nach beifolgender Probe zu tragen,. Die Einfüh⸗ rung des Degens hat nach Maßgabe der dafür verfügbaren Mittel unter Mitverwendung der in den Ersparnißfonds der Truppen vor⸗ handenen Bestände zu erfolgen. Das Kriegs⸗Ministerium hat hier⸗ ach das Weitere zu veranlassen. Wilhelmshaven, den 28. Juli 1889.
Wilhelm. von Verdv.“ 3) betreffkend die Verlegung einiger Truppen⸗ theile des Garde⸗Corps.
„Auf den Mir gehaltenen Vortrag bestimme Ich, daß die 3. und 4. Escadron Meines Regiments der Gardes du Corps von Berlin beziehungsweise Charlottenburg nach Potsdam, sowie das Füsilier⸗ Bataillon des 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth von Spandau nach Charlottenburg verlegt werden. Diese Veränderungen gelangen betreffs der 3. Escadron Meines Regiments der Gardes du Corps zum 1. August 1889, betreffs der 4. Escadron desselben Re⸗ giments nach den Herbstübungen, betreffs des Füsilier⸗Bataillons 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth zum 1. Oktober 1889 zur Ausführung. Das Kriegs⸗Ministerium hat hiernach das Weitere zu veranlassen. Wilhelmshaven, den 28. Juli 1889. 8 Wilhelm. von Verdy.“
— Laut Allerhöchster Kabinets⸗Ordre vom 25. Oktober 1888 werden zum 1. Oktober 1889 der Regimentsstab, die 2. und 4. Escadron des Husaren⸗Regiments Graf Goetzen (2. Schlesischen) Nr. 6 von Neustadt in Ober⸗ schlesien und die 5. Escadron desselben Regiments von Ziegen⸗ hals nach Leobschütz verlegt.
— Bei einem schiedsrichterlichen Verfahren haben nach §. 860 Abs. 1 der Civilprozeßordnung die Schiedsrichter vor Erlassung des Schiedsspruches die Parteien zu hören. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, VI. Civilsenat, durch Urtheil vom 17. Juni d. J., aus⸗ gesprochen: „Das Gesetz macht den Schiedsrichtern das Hören der Parteien vor Erlassung des Schiedsspruches zur Pflicht und erblickt in der Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs einen Grund zur Aufhebung des Schiedsspruchs, ohne eine Bestimmung darüber zu treffen, in welcher Art und Form die Parteien gehört werden sollen. Als wesentlich kann danach nur angesehen werden, daß den Parteien Ge⸗ legenheit gegeben war, alles ihnen erforder⸗ lich Scheinende den Schiedsrichtern vorzutragen. Inwiefern diesem Erforderniß genügt ist, läßt sich nicht nach allgemein geltenden Regeln, sondern nur nach den Umständen jedes ein⸗ zelnen Falles beurtheilen’“ — Ferner hat das Reichsgericht in demselben Urtheil in Bezug auf §. 867 Z. 5 („die Auf⸗ hebung des Schiedsspruchs kann beantragt werden, wenn der Schiedsspruch nicht mit Gründen versehen ist“) aus⸗ gesprochen: Ist ein Schiedsspruch mit Gründen versehen, so wird damit, ohne Rücksicht darauf, ob die Begründung vollständig, erschöpfend und sachgesmäß erscheinen mag oder nicht, die Anfechtung des Schiedsspruchs auf Grund des §. 867 Nr. 5 der C.⸗Pr.⸗Ordn. ausgeschlossen.
— Ein Mühlenarbeiter ertrank durch einen Fehltritt bei Bewachung des zwischen den Archen der Mühle gelegenen Aalfangs. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat mit Ent⸗ scheidung vom 20. Mai 1889 (Nr. 737) in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht den Hinterbliebenen die ihnen von der Berufsgenossenschaft versagte Entschädigung zuerkannt. Nach dem Ergebniß der Beweiserhebung ist der betreffende Aalfang
zur Fortschaffung des Ueberwassers benutzt wird. Zur Zeit des Unfalls herrschten schwere Gewitter mit wolkenbruchartigen Regen, und es war die Bewachung der Schleuse wegen Wassers⸗ gefahr im Interesse des Mühlenbetriebs erforderlich und an⸗ geordnet. Hiernach besteht zwischen dem Mühlenbetrieb und dem Unfall ein ursächlicher Zusammenhang auch dann, wenn — wie behauptet wurde — der Arbeiter etwa gleichzeitig des⸗ halb den Aalfang zu bewachen hatte, weil zuvor Aale aus demselben gestohlen worden waren.
— Der Kaiserliche Gesandte am Königlich serbischen Hofe, Graf von Bray⸗Steinburg, hat einen ihm Aller⸗ höchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Ab⸗ wesenheit von Belgrad fungirt der Legations⸗Sekretär von Schloezer als Geschäftsträger.
— Der Königlich italienische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Graf de Launay, hat sich zu mehr⸗ wöchentlichem Aufenthalt nach Harzburg begeben. Während seiner Abwesenheit fungirt der Erste Botschafts⸗Sekretär Marquis de Beccaria⸗Incisa als Geschäftsträger.
Bayern. München, 20. August. (W. T. B.) An dem heute zu Ehren Sr. Majestät des Schahs von Persien veranstalteten Galadiner nahmen sämmtliche Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, die Minister, die Generalität, der Polizei⸗Präsident, beide Bürgermeister von München und 14 Personen aus dem Gefolge des Schah's Theil. Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗ Regent brachte einen Trinkspruch auf den Schah aus; Letzterer erwiderte in französischer Sprache mit einem Trink⸗ spruch auf das Wohl des Prinz⸗Regenten und das Königliche Haus. Der Schah hatte den ihm heute überreichten St. Hubertus⸗Orden angelegt, während der Prinz⸗Regent den persischen Sonnen⸗Orden mit dem Bildniß des Schahs in Brillanten trug. Die Abreise des Schahs erfolgt morgen Vormittag nach Schloß Chiemsee und Salzburg.
— 21. August. (W. T. B.) Um 10 ¼ Uhr erfolgte die Abreise des Schah's nach Schloß Chiemsee. Auf dem Bahnhofe waren der Prinz⸗Regent und sämmtliche Prinzen an⸗ wesend, ferner die Minister, die Obersten Hofchargen, die Generalität, der Regierungs⸗Präsident, der Polizei⸗Präsident und der Bürgermeister. Außerdem war eine Ehren⸗Compagnie aufgestellt, welche der Schah unter den Klängen des persischen Marsches abschritt; gleichzeitig wurde Kanonensalut gegeben. Der Schah schüttelte zum Abschied dem Prinz⸗Regenten herz⸗ lich die Hand. — Im Laufe des Nachmittags erfolgt von Schloß Chiemsee aus die Weiterfahrt im Königlichen Gala⸗ zuge nach Salzburg. 8
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 19. August. (Wien. Abdpost.) Se. Majestät der Kaiser ist, wie der „Linzer Ztg.“ berichtet wird, am 16. d. M um 2 ½ Uhr, aus Berlin kommend, in Ischl eingetroffen. In Begleitung Sr. Majestät befanden sich der General⸗ Adjutant FML. Graf Paar und die Flügel⸗Adjutanten Resch, von Bothmer und Sachs. In der Kaiserlichen Villa wurden Se. Majestät von Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Durchlauchtigsten Frau Erzherzogin Marie Valerie und Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen Georg und Con⸗ rad von Bayern begrüßt. Am Donnerstag, den 22. d. M., früh trifft Se. in Wien ein.
Budapest, 19. August. Der Minister⸗Präsident Tisza reist, wie die „Bud. Corr.“ meldet, am 22. d. M. nach Wien, um Sr. Majestät Vortrag zu halten. — Der ungarische Ministerrath hat in den letzten Tagen den nächstjährigen Budget⸗Voranschlag, soweit derselbe von den einzelnen Ministerien bereits festgestellt war, in Verhandlung gezogen. Der Finanz⸗Minister wird nach Zusammentritt des Reichs⸗ tages sofort das Budget pro 1890 dem Abgeordnetenhause unterbreiten.
Frankreich. Paris, 20. August. (W. T. B.) Der Kriegs⸗Minister de Freycinet theilte dem Ministerrath das Resultat der Untersuchung gegen die in die boulangistischen Umtriebe verwickelten Militär⸗ personen mit. Danach haben sich von dem stehenden Heer, welches 26 000 Offiziere zählt, 59 Offiziere an Schritten betheiligt, welche einen politischen Charakter tragen und werden der Gegenstand entsprechender Strafmaßregeln sein. 22 Offiziere der Territorial⸗Armee sind ihrer Stel⸗ lung enthoben, 21 Unteroffiziere des stehenden Heeres, bezw. der Reserve, sind degradirt, versetzt, oder mit Gefängniß bestraft worden. Acht Gendarmen wurden entlassen, ein Civilbeamter des Kriegs⸗Ministeriums wurde aus seinem Amte entfernt.
Als Termin für die allgemeinen Wahlen wird jetzt der 29. September genannt.
Die hier anwesenden Maires haben eine Subskription eröffnet, um dem Präsidenten Carnot ein Andenken zu widmen. Außerdem haben dieselben eine Subskription für die Armen von Paris veranstaltet.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 19. August. König Oskar ist heute von seiner Reise in den südlichen Theilen des Landes hier wieder eingetroffen; nach der Auf⸗ lösung der provisorischen Regierung und der Abhaltung einer Staatsrathssitzung reiste der König nach Schloß Drottning⸗ holm, woselbst er während der nächsten Zeit Aufenthalt nehmen wird.
Ueber „die französischen Steuern von 1789—1889“ finden wir in der „Danziger Allgemeinen Zeitung“ folgende Betrachtung:
„Es sind jetzt hundert Jahre verflossen, seitdem das französische Volk die bestehende Staatsordnung umwälzte und mit der großen Revolution sich von dem Steuerdruck, den Steuerungleichheiten ꝛc. befreien zu können glaubte. Nicht die Ideen der Freiheit und Brüder⸗ lichkeit waren die eigentlich treibenden Motive bei der Revolution, sondern in erster Linie die Steuerlasten. Die Landbevölkerung empfand den Druck der Steuern am härtesten. In den Städten war die Noth in den niederen Klassen groß, weil nicht nur die Steuern wuchsen, sondern auch die Art der Erhelung immer härter wurde. Die Steuern waren verpachtet und wurden mit größter Rücksichtslosigkeit von dem Pächter einge⸗ trieben. Der Adel bezahlte keine taille (direkte Steuer) und ron den Lasten der vingtième (des Zwanzigsten) und der capitation (Kopf⸗
Staatseinkünfte und sehr hoch und mannigfaltig entwickelt. Gegen diese indirekten Steuern kämpften die Pioniere der großen Revolution hauptsächlich an, indem sie ihnen etwa ebenso wie es heutzutage noch von den deutschen Freisinnigen geschieht, alle möglichen ungerechten Wirkungen in die Schuhe schoben. Der Appell an den Magen und die Begehrlichkeit fand in den niederen Klassen Gehör, ohne welche schwerlich die Revolution so große Dimensionen hätte annehmen können.
Es ist nun in hohem Maße interessant festzustellen, wie heute nach hundert Jahren die Dinge auf dem Gebiete des Steuerwesens in Frankreich liegen. Eine Untersuchung von Professor Adolf Wagner welche derselbe im 3. und 4. Heft des dritten Bandes seiner „Finanz⸗ wissenschaft“ anstellt und welche auch unter dem Titel „Die fran⸗ zösische Besteuerung von 1789 — 1889“ als Separatausgabe erschienen ist, belehrt uns darüber, was aus den fröüheren französischen Idealen geworden ist. Die französische Steuerlast ist hiernach um das 5⸗ bis 6fache gestiegen und überdies überwiegen die damals auf die Proskriptionsliste gestellten und zeitweilig abgeschafften indirekten und Verbrauchssteuern die an sich schon schweren direkten Staatssteuern Frankreichs jetzt um mehr als das Vierfache. Die Salzsteuer, die früher besonders verhaßt war, existirt seit Napoleon I. wieder, wenn auch in mäßigerer Form; sie ist die einzige indirekte Steuer, welche niedriger als die betreffende deutsche Steuer ist; die meisten anderen indirekten Steuern sind erheblich höher als die deutschen. Ebenso sind andere damals ganz besonders verhaßt gewesene Steuern, wie die taille, die vingtième und die städtischen Verbrauchssteuern nach einem kurzen Interregnum wieder von Neuem ins Leben gerufen oder in modernisirter Form wieder eingeführt worden. Aber auch mit der erstrebten Steuergleichheit ist es nicht weit her; die an Stelle der alten taille getretene Grundsteuer ist so ungleich vertheilt, daß einzelne Gemeinden 30 bis 40 mal, ja sogar 150 mal so hoch als andere besteuert sind. Als die einzige „Errungenschaft“ der Revolution bleibt die Beseiti⸗ gung des Steuerprivilegiums von Adel und Geistlichkeit übrig, in allen anderen Dingen sieht es auf dem Gebiet des Steuerwesens heute nicht anders aus wie vor 100 Jahren, ja die Lasten haben sich absolut und relativ gewaltig vermehrt.
Man sieht, selbst die republikanische Staatsform kann auf die⸗ jenigen Steuern nicht verzichten, welche die Theorie der damaligen Revolutionäre und ihrer geistigen Epigonen verurtheilt. Die Revo⸗ lution hat keine Steuererleichterungen gebracht. Was sie aber in steuerlicher Beziehung „errungen“, nämlich die Beseitigung der Steuer⸗ privilegien, dazu sind in Preußen die Grundlagen schon von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen gelegt worden. Wenn so die Thatsachen der Gegenwart mit den angeblichen steuerlichen Idealen von 1789 in Widerspruch stehen, dann ist über diese der Stab gebrochen. Und so sollten denn auch die fortwährenden Argriffe unserer Opposition auf die vermeintliche Schädlichkeit und Verwerflichkeit der indirekten Steuern und Zölle nirgend mehr der Beachtung gewürdigt werden. Wenn im Jahre 1789 jenen Theorien geglaubt wurde, so giebt es dafür noch eine gewisse Entschuldigung. Wenn aber heute noch dieselben Ideale, die doch nur den Werth alter Scharteken hbaben, dem Volke angepriesen werden, dann hat man in den hundert⸗ jährigen Erfahrungen der französischen Geschichte das beste Mittel, um sie sammt ihren Lobrednern aus dem Wege zu schaffen.“
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Eine Anerkennung des Unfallversicherungsgesetzes von freisinniger Seite, welche bekanntlich das Gesetz im Reichs⸗ tage bekämpft hat, verzeichnet die „Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“; das Blatt schreibt:
„Die „Freisinnige Zeitung“ veröffentlichte in ihrer Freitag⸗Nacht⸗ ausgabe Folgendes: „Das Unfallversicherungsgesetz macht die Entschädi⸗ gung eines Verunglückten unabhängig von der Frage, ob dem Arbeit⸗ geber ein Versehen zur Last falle. Nach dem Haftpflichtgesetz war die Entschädigungspflicht eine beschränkte; das Unfallversicherunzsgesetz bezeichnet in dieser Beziehung einen Fortschritt. Wir machen wieder⸗ holt darauf aufmerksam, daß die freisinnige Partei es gewesen ist, welche diesen Fortschritt zuerst in Anregung gebracht hat, welche fast während des ganzen Zeitraumes, während dessen das Haftpflichtgesetz bestanden hat, wiederholt die Revision desselben angeregt hat. Daß dieser Fortschritt in Verbindung gebracht wurde mit dem Modus der Zwangsversicherung, welchen das Unfallgesetz eingeführt hat, ist in unseren Augen ein Nachtheil; aber dieser Nachtheil hebt den von uns anerkannten Vorzug des Gesetzes nicht auf, die Entschädigungspflicht erweitert zu haben.“ — Da diese bemerkenswerthe Auslassung in der folgenden Morgenausgabe der „Freisinnigen Zeitung“ von anderem, thatsächlichen Stoffe verdrängt worden, ist es wohl angezeigt, die⸗ selbe im Wortlaut festzuhalten. Ueber die Unmöglichkeit, ohne Zwangsversicherung die allgemeine, gleich vortheilhafte Wirkung der Versicherung zu erzielen, braucht heute natürlich kein Wort mehr verloren zu werden.“
Die Kaiser⸗Tage in Straßburg.
. Straßburg, den 20. August 1889. Straßburg steht hinsichtlich der Feststimmung seiner Einwohner, binsichtlich des Festschmucks seiner Plätze, Straßen und Gebäude keiner Stadt im Deutschen Reich nach, welche sich zum Besuch des Kaisers und Königs und Seiner hohen Gemahlin rüsten würde.
„Inmitten prachtvoller, selten schön gepflegter Gartenanlagen mit hohen Springbrunnen und künstlerisch ausgeführten Teppich⸗ beeten erhebt sich in italienischem Renaissancestil der aus Pfälzer Sandstein in röthlichgrüner Färbung aufgeführte Kaiser⸗ Palast. Auf der höchsten Fläche der machtigen Kuppel halten zwei markige Heroldsgestalten an dem Flaggenmaste, von dessen mit der Kaiserkrone gekrönten Spitze heute zum ersten Male die goldgelbe Kaiserstandarte wehen wird, die Wacht. Vor der Kuppel auf dem kraftvoll gegliederten Säulenbau steht, aus weißem Sandstein gefertigt, ein mächtiger Friedensengel, in der erhobenen Rechten einen goldenen Palmenzweig ausstreckend. Das Innere des Palastes ist des Kaisers würdig. Das Vestibül wird von zwölf Säulen aus rothem Granit getragen, an der küastlerisch gemalten Decke steht der Wahlspruch der Hohenzollern „Vom Fels zum Metr. Durch einen großen vergoldeten romanischen Rundbogen betritt man das Treppenhaus, welches in seiner stilvollen Pracht einen erhebenden Eindruck macht. Weiße Sandstein⸗Säulenhallen umschließen den oberen Raum, zwischen den Säulen stehen je drei riesenförmige Kande⸗ laber, der weiße Sandstein wird von goldenen Gasarmen und⸗Schalen umschlossen, und die mittleren Kandelaber sind von sitzenden, zum Fluge bereiten Adlern gekrönt. Auf halber Höhe quillt aus goldenem Lzwenmaul kühlendes Wasser in ein mächtiges, rot polirtes Marmorbassin, welches von Majolikavasen und einem künstlerisch schönen Arrangement seltener Palmen umgeben ist. Von hier aus jheilt sich die Treppe nach allen Richtungen in sechs gleich prächtige Aufgänge, die alle mit dunklem Velourteppich belegt sind. An der Decke tritt der Wahlspruch in goldener Schrift hervor: „Suum Cuique?. Das von allen Seiten einfallende farbige Licht erhöht die Wirkung noch bedeutend. Geradeaus liegt der kuppelartige Audienzsaal mit seinen mächtigen Säulen aus polirtem Marmor, einem schönen und in seiner Größe wohl einzig dastehenden goldbronzenen Kronleuchter und vorliegendem großen Balkon in der Form einer Veranda, welche Aussicht auf die Universität und die im Bau begriffenen Monumentalbauten gewährt. Zur Linken schließt sich eine Zimmerflucht für Se. Majestat den Kaiser, zur Rechten eine solche für Ihre Majestät die Kaiserin an. Der as der für Se. Majestät bestimmten Räume ist ein in grünlicher un goldiger Seide ausgestattetes Empfangszimmer mit zahlreichen Arrangements der gediegensten Möbel; es folgt ein rother Salon und daran anstoßend Arbeits⸗ und Schlafzimmer. Den Parquethoden decken in allen Raͤumen rothe Smyrna⸗Teppiche. Den ersten Raun der Zimmer Ihrer Majestät der Kaiserin bildet ein in Goldstoff ge haltener großer Salon, anstoßend ein Empfangszimmer,
eine Freischleuse, welche zum Aalfang nur zeitweise, im Uebrigen
steuer) wußte er sich zum großen Theil zu befreien. Die aides (Getränke⸗ und Verbrauchssteuern) waren die Hauptquelle der
welchem man in ein in blauer Seide gehaltenes Boudoir 1-5 einem von Säulen. getragenen nischenartigen Erker tritt; hiera —
ößt das in Creton gehaltene Schlafzimmer. Alle Räume z Kaiserlichen Herrschaften tragen in ihrer Ausstattung im Stempel echt künstlerischen Geschmacks. Der glänzendste Raum ss Palastes ist der die ganze Rückfront einnehmende 70 m lange prachtsaal mit Marmorsäaͤulen und Marmorwänden. Der Mittel⸗ tür gegenüber ist eine halbkreisförmige Rotunde. In dem mittleren zbeil spenden vier im Viereck angebrachte goldbronzene Lüstres, in den Feitentheilen vier hängende gleiche Kronenleuchter Licht. Hervorzu⸗ seben bleibt noch, daß die Ausnutzung des Raumes eine sehr zweck⸗ mäßige genannt werden kann, kein Winkel blieb unbenutzt und doch mückt nirgends Enge, und nirgends hat man das Gefühl des Ueber⸗ ladenen.
Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatt. Herausgegeben im Föniglichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Nr. 20. — Inhalt: Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 11. August 1889, zetr. wechselseitige Aufrechnung der auf Grund der Unfallversiche⸗ ꝛugsgesetze gewährten Renten. — Nachrichten.
Statistik und Volkswirthschaft. .
Die Weizenkultur in Indien.
Ueber die Konkurrenz, welche dem Getreidemarkt aus der Weizen⸗ kultur in Indien erwachsen ist, entnehmen wir der „Deutschen volksw. Correspondenz“ Folgendes:
Die Bestrebungen Englands, die Weizenkultur in allen geeigneten zbeilen des großen indischen Reiches auszudehnen und den Unter⸗ nehmungsgeist der Landbebauer zu ermuthigen, sind in den jüngsten Jahren viel weniger erfolgreich gewesen, als man mwartete. Während das mit Weizen bebaute Land vor vier Jahren um eine Kleinigkeit (0,48 %) umfangreicher war als in 1888/89, verminderte sich der Ertrag um 9,64 %. In den 6 Provinzen Punjab., Oudh und Nordwesten, Central⸗Indien, Bombay mit den Staaten der eingeborenen Fürsten, sowie Sind und Berar waren in den 4 Jahren 1884/85 bis 1888/89 durch⸗ schrittlich 19 648 000 Aecker Landes mit Weizen bebaut, im letzten zahre aber nur 19 475 489 Aecker, eine Abnahme von 0,88 %, doch zing der Ertrag von einem Durchschnitte von 5 724 200 t in der lingeren Periode, in 1888/89 auf 5 033 341 t oder um 12,07 % zrück. Zieht man diejenigen Provinzen und Staaten hinzu, für die ich die statistischen Zahlen nur annähernd schätzen lassen, dann ergiebt ssch folgendes Schlußresultat: Durchschnittlicher Anbau in den 4 Jahren von 1884/85 an 26 508 000 Aecker, in 1888/89 26 381 765 Accker, Abnahme 0,48 %; durchschnittliche jährliche Ernte in den 4Jahren von 1884/85 an 7 205 500 t Weizen, in 1888/89 6 510 979 t Weizen, Abnahme 9,64 %.
Von den Ernteerträgnissen wurden exportirt 1888/89 nach England 452 000, Belgien 124 000, Frankreich 157 000, Italien 56 000, Egypten 83 000, verschiedene Länder 9000, zusammen 881 000 t; 1887/88 nach England 302 000, Belgien 30 000, Frank⸗ reich 128 600, Italien 154 000, Egypten 33 000, verschiedene Länder 30 000, zusammen 677 000 t; 1886/87 nach England 483 000, Belgien 120 000, Frankreich 140 000, Italien 261 000, Egypten 66 000, verschiedene Länder 43 000, zusammen 1 113 000 t. Im ersten der drei Vergleichs⸗ jahre erfreute sich Indien einer guten Ernte, und da Rußland gleich⸗ zeitig ein schlechtes Jahr hatte, so nahm der indische Export zu. Die niedrige Ausfuhrziffer für 1887/88 war die Folge einer allge⸗ meinen Mißernte im Norden des Landes, und obgleich ganz Indien notzdem mehr Weizen einheimste, so wurde derselbe erstens in größeren Quantitäten zurückgehalten, um die sehr unbedeutenden lokalen Vorräthe zn ergänzen und zweitens kam der einheimische Preis zu hoch aus, um zu großer Ausfuhr anzuspornen. Im letzten Jahre trat eine Reaktion ein, weil in Amerika weniger für Cxportzwecke als gewöhnlich verfügbar war, und hätten die russischen Zufuhren nicht außerordentliche Dimensionen erreicht, so würde Indien jedenfalls wesentlich mehr ge⸗ schickt haben. Es läßt sich aus obigen Zablen folgern, daß die drei letten Saisons für die Weizenkultur und den Export des Produkts mehr oder weniger ungünstig aussielen, wodurch jedoch keineswegs eine Grenze für die Weizenerzeugungsfähigkeit Indiens konstatirt wird. Im Gegentheil spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Punjab viel mehr Weizen ziehen wird, sobald die in Arbeit befindlichen Kanalbewässerungswerke vollendet sind, daß ferner die mittleren Provinzen, wo enorme Strecken Landes durch die neue Eisenbahn der Bodenkultur zugängig werden, und endlich Bombay (Karnatek) auf Grund der erweiterten Eisenbahnverbindung riel ergiebiger ausfallen werden. Nimmt man eine längere Ver⸗ gleichungsperiode an, so ergiebt sich allerdings eine beträchtliche Ent⸗ wickelung des Weizenbaues und Exports, auch wird Indien unzweifel⸗ kaft auf die Dauer weitere Fortschritte in derselben Richtung machen.
Die im Bereich der rheinisch⸗mestfälischen Textil⸗ Berufsgenossenschaft im Jahre 1888 angemeldeten Unfälle.
„Nach dem vierten Bericht über die Verwaltung der rheinisch⸗westfälischen Textil⸗Berufsgenossenschaft⸗für das Jahr 1888 betrug die Zahl der im Bereich dieser, sich in die Sektionen Düsseldorf, M.⸗E ladbach, Elberfeld, Barmen, Lennep, Aachen und Münster gliedernden Berufsgenossenschaft während des vergangenen Jahres durchschnittlich beschäftigten Personen 99 242, deren Löhne sich auf 64 328 148 ℳ beliefen. Es ereigneten sich 1373 Unfälle oder 13,83 auf 1000 versicherte Personen, darunter 698 im maschinellen Betrieb und 675 außer Zusammenhang mit einem solchen. Von den Unfällen wurden veranlaßt: 8durch Apparate unter Druck ron Dämpfen und Gasen (Darapfkessel ꝛc.), 6 durch explosive und feuergefährliche Stoffe (Pulver, Benzin, Petroleum), 95 durch glühende Metallmassen, heiße, ätzende Flüssigkeiten, giftige Gase, Dämpfe ꝛc., 662 durch bewegte Maschinentkeile (Kraftmaschinen, Triebwerke, Arbeitsmaschinen ꝛc.), 80 durch Zusammenbruch, Einsturz, Herabfallen von Gegenständen, 115 durch Fall von Leitern und Treppen, Galerien, in Versenkungen, Bassins ꝛc., 154 durch Fahr⸗ zeuge, Beförderung von Lasten, Auf⸗ und Abladen, 250 durch Ge⸗ brauch von einfachem Handwerkzeug, Fallen zur ebenen Erde und 3 durch Fabrikbrand. — Von den Verletzungen betrafen 92 Kopf und Gesicht (Augen), 791 Arme und Hände (Finger), 320 Beine und Füße, 134 andere oder mehrere Körpertheile zugleich und 35 waren underer Art. 1 Person ertrank. Den Unfalldurchschnitt (13,83 Unfälle auf 1000 rersicherte Personen) überschritten von den Gewerbezweigen in der Reihenfolge des Gefahrentarifs: die Ketten⸗ sceereret und Kettenleimerei, mechanisch, mit 15,08, die Teppichfabriken ohne Färberei und Appretur) mit 16,67, die Wollspinnerei, Kunst⸗ woll⸗ und Vigognespinnerei (inschließlich Hechelei, Haspelei, Spulerei, Zwirnerei ‚und Wattenfabrikation) mit 18,11, Baumwollspinnerei siinschlielich Hecelei zc) mit 21,30, Kammgarnspinnerei und Woll⸗ kämmerei mit 32,08, Eisengarn⸗ und Nähgarnfabtikation mit 17,42, uchappretur (Walkerei, Rauferei, Scheererei, Presserei und Dekatur nebst Karbonisiren der Stücke) mit 15,19, Wollenstückfärberei mit 44,19, Färberei, Druckerei und Bleicherei von Wolle und Baumwolle, sowie Wollen⸗ und Baumwollengarnen (auch Färberei und Appretur von 5. und Bändern) mit 15,71, Türkischroth⸗Garnfärberei mit 24,49, ““ Tücherdruckerei (Färberei, Bleicherei, Druckerei u. Appretur) 89 37,50, Raucherei u. Scheererei für baumwollene u. gemischte Ge⸗ ebe mit 16,85, Stückfärberei, Bleicherei, Druckerei u. Appretur für faumwollene, halbwollene u. gemischte Waaren mit 46,71, Schön⸗ b. erei und chemische Färberei mit 74,00, Steinnuß⸗Knopffabrikation d 165,89. Wollbereitung, d. h. Wollwäscherei, Wolltrocknerei, Wolferei, vol onisir⸗Anstalten mit 41,79, Mungo⸗ u. Shoddy⸗Herstellung (Kunst⸗ 9. Fabrikation) mit 18,49, Getreide⸗, Mahl⸗ u. Schälmühlen mit mit 25 Farbholz⸗ u. Lohmühlen mit 50,00 u. Fuhrwerksbetriebe bis — Infolge der Verletzungen wurden 791 Personen iinsch Wochen einschließlich, 375 länger als 4 Wochen bis 13 Wochen
schließlich, 31 länger als 13 Wochen ohne dauernde Folgen, Seüegfe rn theilweise, 3 dauernd völlig erwerbsunfähig und 14 ödtet. Bei 29 Personen waren die Folgen der Verletzungen am
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Schlusse des Berichtsjahre noch zweifelhaft. — Die entschädigungs⸗ pflichtigen Hinterbliebenen der Getödteten setzten sich zusammen aus 6 Wittwen und 14 Kindern. — Von den durch die Kaiserliche Post im vergangenen Jahre für Rechnung der rheinisch⸗westfälischen Textil⸗Berufsgenossenschaft gezahlten 88 050,19 ℳ entfielen 3630,92 ℳ auf Kosten des Heilverfahrens, 16 442,86 ℳ auf ein⸗ malige und 50 389,35 ℳ auf jährliche Renten an Verletzte, 778,85 ℳ auf Beerdigungskosten, 3464,20 ℳ auf Renten an Wittwen Ge⸗ tödteter, 866,65 ℳ auf Abfindungen an Wittwen im Falle der Wiederverheirathung, 6625,85 ℳ auf Renten an Kinder und 769,20 ℳ auf Renten an Ascendenten Getödteter, 440,85 ℳ auf Renten an Ehefrauen, 941,88 ℳ auf Renten an Kinder und 77,60 ℳ auf Renten an Ascendenten im Krankenhause untergebrachter Verletzten, schließlich 3621,98 ℳ auf Kur⸗ und Verpflegungskosten an Krankenhäuser
Kunst und Wissenschaft.
Ueber archäologische Funde wird dem „Korr. v. u. f. D.“ geschrieben: Nicht nur die Vorderpfalz, auch der abgelegene Westrich bietet dem Forscher stets neuen Stoff und neue Thatsachen. Selbst die weiten Forste des an der Südgrenze gelegenen Wasgen⸗ waldes beherbergen noch manches Geheimniß. Bei Schönau, drei Stunden südwestlich von Dahn, liegt etwa eine Stunde nach Süd⸗ westen die Doppelpyramide des waldbedeckten „Maimont“ (512 m Seehöhe). Schon der Name ist höchst merkwürdig und bedeutet offenbar nichts Anderes als Maiae mons = Berg der Maia, der Magna mater der Römer, der großen Erdmutter der Griechen, Römer, Gallier. Wer den südwestlichen steilen Gipfel des Maimont ersteigt, findet im Schatten der drei⸗ bis vierhundert⸗ jährigen Buchen und Eichen, und zwar an der Nordseite, zwei mächtige, halbmondförmige Schanzen, welche den von West nach Ost laufenden höchsten Felsgrat schirmend umschließen. Ein alter Eingang führt durch beide von Norden her. Der äußere Wall besteht aus Erde und hat eine Länge von 140 Schritten bei einer Höhe von 5—6m Hinter den 8m breiten, noch wohlerhaltenen Gräben erhebt sich ein aus Findlingen zusammengetragener imposanter Hauptwall. Er hat eine Länge ron 460 Schritten bei einer Höhe von 12 m. Nur der Wall auf der Houbirg bei Nürnberg kann sich solcher Dimensionen rühmen. Nach Nordwesten zweigt sich eine vier⸗ seitige Schanze ab, welche zwei nahe Quellen umschließt. Jede Seite dieses Quadrats mißt 40 Schritte. In der Mitte des Felsgrates, auf seiner höchsten nach Süden gelegenen Spitze, liegen unmittelbar nebeneinander zwei Felsblöcke, welche zusammen einstmals ein Ganzes bildeten. Die Dimensionen betragen 4 m Länge, 2 m Breite, 0,70 m Höhe. Im Innern des Böockes ist eine Schüssel eingehauen, welche einen Durchmesser von 1,50 m bei 0,40 m Tiefe besitzt. In den 1e Tagen wurde diese Opfer⸗ schüssel — mwohl die erste am Rhein, deren Existenz feststeht! — freigelegt, und es fand sich, daß sie auf einem künstlich hergestellten Sockel von 0,30 m Höhe steht. An Funden ergaben sich nur mehrere, stark erweichte Ziegelstücke von etwa ½ m Tiefe. Offenbar ward diese Opferschüssel mit Gewalt zertrümmert, etwa zur Zeit des Verbots des Druidendienstes, zur Zeit des Kaisers Claudius oder zur Zeit Karl's des Großen, der dem altgermanischen Opfer⸗ dienste mit Gewalt ein Ende machte. Daß diese Gegend den Römern nicht unbekannt war, beweist arch der Befund des Fragments einer Römerinschrift auf der nahen Hohenburg, welche dem Maimont gegenüber etwa gleichfalls eine Stunde östlich von Schönau liegt (570 m Scehöhe). Dieselbe besteht aus weißem, mit Glimmer ver⸗ setztem Sandstein, hat 20 ecm Länge, 17 cm Breite 8 ecem Dicke. Der obere Rand ist noch erhalten. Zu lesen sind noch folgende, sehr schön eingehauene, 3,5 cm hohe Buchstaben: VCIA] INID. Da auf der ersten Zeile vorn nur ein Buchstabe fehlt, ist ziemlich sicher L zu ergänzen und Lucianus zu lesen. Zeile 2 und 3 sind zu frag⸗ mentarisch, um aus ihnen einen Schluß zu ziehen. Der Stein kommt als Geschenk des Finders in das Museum nach Speyer.
— Vom Obersten Pewzow, dem Chef der Tibet⸗Expe⸗ dition, ist dem Dirigirenden des Militär⸗Gelehrten⸗Comités des russischen Generalstabes in St. Petersburg nachstehender Bericht aus Jak⸗Chuduk, d. d. 14. Juni, zugegangen: „Die Expedition hat den Ort Jak⸗Chuduk im Bezirk Jarkend wohlbehalten erreicht und hofft aller Wahrscheinlichkeit nach gegen den 25 Juni in Jarkend einzutreffen. Im Thianschan, in den Bars⸗Kiun⸗Pässen und besonders auf dem Bedöll, über die unser Weg führte, lag noch tiefer Schnee und die Expedition hatte mit vielen Mühseligkeiten zu kämpfen. Indessen blieben sämmtliche Lastthiere erhalten und ein Theil der Eskorte kam mit einer leichten Erkältung davon. Die Chinesen empfingen die Expe⸗ dition freundschaftlich und gewähren ihr Unterstützung zu einer erfolg⸗ reichen Weiterreise. Die wissenschaftlichen Arbeiten nehmen einen be⸗ friedigenden Fortgang. Von Jarkend wird sich die Expedition über Choton und Kerija nach Nija begeben, wo sie wahrscheinlich nicht vor dem 20. Juli eintreffen wird. Von der Grenze an nahm die Expe⸗ dition ihren Weg durch ein Gebiet, das noch von keinem Europäer besucht worden ist, und jetzt wird sie am Fluß Jarkend⸗Darja hinauf bis zur Stadt Jarkend ziehen. Der Lauf dieses Flusses ist noch von Niemand untersucht.“ “
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Ernte und Saatenstand im Königreich Sachsen.
Die Witterung im Juli war nach dem Bericht des Landeskultur⸗ raths im Großen und Ganzen der Landwirthschaft günstiger, als in den früheren Monaten, indem sich die langersehnten Niederschläge reichlich einstellten, in einzelnen Gegenden sogar derart, daß sie das Einbringen der Roggen⸗ und Heuernte erschwerten. Leider waren dieselben in der Gegend zwischen Frauenstein und Altenberg, unter⸗ halb und seitwärts von Krimmitschau, ganz besonders aber in der Waldenburger Gegend, von starkem und verheerendem Hagelwetter bis zu totalem Hagelschaden begleitet. Der Roggenschnitt, mit welchem bereits Ende Juni begonnen werden konnte, wurde bis Ende des Berichtsmonats auf den Gebirgshöhen fortgesetzt und beendet. Mit ganz wenig Ausnahmen lauten die Berichte sowohl in Bezug auf die Schockzahl als auf die Schüttung und die Güte der Körner wenig befriedigend, da in sehr vielen Bezirken die Früchte nur Nothreife erlangt hatten und das Korn in Folge der durch die an⸗ halter de Trockenheit im Mai und Juni bedingten schnellen Entwicke⸗ lung klein blieb. Auch der Weizen, mit dessen Schnitt bereits be⸗ gonnen werden konnte, hat durch Verlohung stellenweis stark gelitten und wird Mindererträge geben. Ganz schlecht sind die Druschresultate des Rapses, indem derselbe kaum auf 8—12 Ctr. pr. Acker kommt. Wesentlich gebessert haben sich fast sämmtliche Sommerfrüchte, doch hat sich auch hier, besonders in mehreren Bezirken der Leipziger Kreis⸗ hauptmannschaft, die Engerlingplage eingestellt und bedeutenden Schaden verursacht. Kartoffeln, Rüben und Kraut zeigen zumeist schönen Stand, besonders geben Frühkartoffeln reichlichen Ertrag bei vorzüglicher Güte. Aus 4—5 Bezirken wird über vereinzeltes Vor⸗ kommen der Kartoffelkrankheit geklagt. Die Futtergräser haben sich zumeist erholt und verspricht besonders die Grummeternte besser zu werden, als nach dem letzten Monatsberichte erwartet werden konnte.
(Leipz. Ztg.)
Geisenheim, 18. August. (M. Allg. Ztg.) Der XI. Deutsche Weinbau⸗Kongreß findet in Trier vom 21. bis 30. September d. J. statt. Die fachlichen Berathungen erfolgen in drei, am 22., 23. und 24. stattfindenden Sitzungen, zwischen welchen u. a. Besichtigung der statt⸗ findenden Ausstellungen, Ausflüge in die Weinberge an der Ober⸗ Mosel, der Saar und in den Seitenthälern der Mosel, eine große Weinprobe und gesellige Zusammenkünfte eingeschoben sind. Am 25. früh ist ein Ausflug moselabwärts nach Bernkastel mittels Dampfschiffs beabsichtigt. Die Berathungsgegenstände erstrecken sich auf die verschiedenen Zweige und Fragen (Krank⸗ heiten u. s. w.) des Weinbaues und der Kellerwirthschaft. Tie ein⸗ leitenden Referate über die verschiedenen (11) Fragen, an welche sich Diskussionen zum gegenseitigen Austausch der gemachten Erfahrungen schließen, wurden Seitens bewährter Kräfte aus verschiedenen Wein⸗
Deutschlands übernommen. Mit dem Kongreß drei Ausstellungen verbunden sein, und zwar: 1) eine mit Prämiirung verbundene Weinausstellung, umfassend Weine aus dem Gesammtflußgebiet der deutschen Mosel und ihrer Nebenflüsse, sowie Schaumweine von sämmtlichen Schaumweinfabriken Deutschlands, ferner 2) eine Ausstellung neuerer Apparate für Weinbau und Kellerwirtbschaft aus dem Gebiete des ganzen Deutschen Reiches und 3) eine Ausstellung von Trauben aus dem Flußgebiet der Mosel. Bezüglich der Weinausstellung sind An⸗ fragen, bezw. Anmeldungen, baldigst an Rentner Hubert Kisgen in Trier zu richten. Bezüglich der Geräthe⸗ und Traubenausstellung wende man sich an das Comits für den Weinbau⸗Kongreß in Trier, Abtheilung für Ausstellungswesen.
baugegenden werden auch
Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.
Niederlande. 8 Durch eine im „Nederlandsche Staats⸗Courant“ veröffentlichte Verfügung des Königlich niederländischen Ministers des Innern vom 13. August 1889 ist die unterm 14. September 1888 erlassene Ver⸗ fügung, durch welche der Hafen von Jacksonville (Amerika) als vom gelben Fieber verseucht erklärt wurde, wieder aufgehoben worden. (Vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 243 vom 24. September 1888).
Handel und Gewerbe.
Der Aufsichtsrath der Berliner Lampen⸗ & Bronze⸗ “ vorm. Stobwasser hat beschlossen, der bevor⸗ stehenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 2 % vorzuschlagen.
— Ueber die Lage des Niederrheinischen Seiden⸗
Gewerbes wird der „Köln. V⸗Ztg.“ unterm 19 August ge⸗
schrieben: I. Rohseide. Das einzige besonders Bemerkenswerthe
aus der vergangenen Woche ist, daß die Nachfrage stärker hervortrat,
wie es denn überhanpt für den aufmerksamen Beobachter nicht an
Zeichen daür fehlt, daß die Geschäfte demnächst einen lebhafteren
Gang annehmen werden. Die ausgezeichnete Haltung der Preise
hat sich seit Beendigung der Ernte auch nicht einen Augen⸗
blick verleugnet, und zwar sind die Preise der europäischen Seiden, wie sie angesichts der hohen Coconspreise für alte
Seide sich gebildet haben, nicht nur fortwährend gut ver⸗
theidigt, sondern es besteht auch eine ausgesprochene Neigung zum Aufschlag. Letztere macht sich am meisten geltend, sobald die Unter⸗ handlungen Lieferungsgeschäfte auf neue Seide zum Gegenstand haben. — II Seidenwaaren. Ueber den Verkehr bei und mit den Zwischenhändlern wird viel mehr geklagt, als sonst um diese Zeit Regel ist. Die Hauptreisen für das Herbstgeschäft sind beendet, und da im Kleinverkehr der Verkauf noch nicht begonnen hat, so handelt es sich augenblicklich allenthalben nur um Ausfüllung von Lücken in den Lagerbeständen, nicht aber um eigentliche Bestellungen, wofür Bedarf vorhanden ist oder erwartet wird.
— Die „New⸗Yorker Hͤdls.⸗Ztg.“ schreibt: In den kommerziellen Kreisen unserer Republik macht sich bekanntlich schon seit längerer Zeit das ernstliche Bestreben, unser Exportgeschäft zu erweitern, bemerkbar. Diese Bewegung entspringt einestheils der in vielen Industriezweigen immer mehr zunehmenden Ueberproduktion, welche das Schaffen neuer Absatzgebiete nothwendig erscheinen läßt, während dieselbe anderentheils aus der Thatsache herzuleiten ist, daß manche unserer Fabrikate und Produkte einen derartigen Grad von Vollkommenheit erreicht haben, daß sie in keinem Theile der Welt die Konkurrenz zu fürchten haben. Es kann und muß, was nicht zu leugnen, in Bezug auf die Eröffnung neuer Weltmärkte für uns noch sehr viel geschehen, obwohl ebenso wenig in Abrede gestellt werden kann, daß in dieser Hinsicht in letzter Zeit mehr gethan worden ist, als dies früher der Fall gewesen, wofür die bedeutende Zunahme unseres Waaren⸗ und Produkten⸗Exports im letzten Fiskaljahr gegen das Vorjahr, die sich auf über 50 000 000 Doll. bezifferte, zeugt. Diese Zunahme rührte hauptsächlich von der größeren Ausfuhr von Baumwolle, Rind⸗ und Schweinefleisch, sowie von Milcherei⸗Produkten und lebendem Vieh ber, doch partizipirten daran, obwohl in geringerem Maße, auch Mais, Knupfer, Petroleum, Leder, Pelzwerk, Hopfen, landwirthschaftliche Geräthschaften, Dampfmaschinen u. s. w. Unser Export würde sich übrigens noch be⸗ deutend größer gestaltet haben, wenn derselbe nicht in Bezug auf Weizen, Weizenmehl, Baumwollfabrikate und Taback ein geringerer als im vorletzten Fiskaljahre gewesen wäre. Am bemerkenswerthesten ge⸗ staltete sich diese Abnahme für Weizen und Weizenmehl. Von ersterer Getreideart wurden in dem am 30. Juni cr. beendeten Fiskal⸗ jahre nur ca. 46 000 000 Bushels ausgeführt gegen 65 000 000 Bushels im Vorjahre und gegen 100 000 000 Bushels im Fiskaljahre 1886,87, während der Export von Weizenmehl von mehr als 11 000 000 Faß in den beiden Vorjahren auf 9 000 000 Faß im letzten Fiskaljahre gefallen ist. Trotzdem rührt die Zunahme unseres Exports hauptsächlich von Rohprodukten her, denn die Ausfuhr aller anderen Brodstoffe, wie z. B. Mais, Gerste, Hafer, Roggen, Maismehl und Hafermehl, war im verflossenen Fiskaljahre mehr als doppelt so groß und diejenige von Baumwolle, Kupfer, Petroleum u. s. w. bedeutend größer als im Fiskaljahre 1887/88. Im Ver⸗ hältr iß weit geringer als der Antheil, welchen die Rohprodukte an der letztjährigen Zunahme der Ausfuhr hatten, war derjenige unserer Industrieerzeugnisse, wie Lokomotiven, Maschinen und Gefährte aller Art, landwirthschaftliche Geräthschaften, Wand“⸗, Stand⸗ und Taschen⸗ uhren, Messerwaaren u. s. w. Und doch hätte gerade der Export dieser Artikel ein weit bedeutenderer sein sollen.
Wien, 20. August. (W. T. B.) Die Semestralbilanz der Oesterreichischen Kreditanstalt weist an Gewinnen auf: Provisionen 606 490 Fl., Zinsen 1 627 852 Fl., Devisen 286 848 Fl., Gewinn an Effekten und Konsortialgeschäften 791 723 Fl, an sonstigen Geschäften und Gewinnvorträgen von 1888 145 929 Fl., Gewinnantheil kei der ungarischen Kreditbank 181 633 Fl., zusammen 3 640 474 Fl. — An Lasten und Verlusten stehen dem gegenüber: Gehälter 468 985 Fl., Spesen 197 868 Fl., Steuern und Gebühren 231 967 Fl., Abschreibungen 1191 Fl., an sonstigen Auf⸗ wendungen 20 422 Fl., zusammen 920 434 Fl. Demnach beträgt der Reingewinn 2720 040 Fl. Die Resultate der Konsortialgeschäfte sind, soweit dieselben bis zum 30. Juni vollständig abgerechnet waren, in dieser Aufstellung berücksichtigt.
London, 20. August. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen⸗ ladung angeboten.
Manchester, 20. August. (W. T. B.) 12r Water Taylor 7 ½⅛, 30r Water Taylor 9 ¼, 20r Water Leigh 8 ¼, 30r Water Clayton 8 ⅜, 32r Mock Brooke 9, 40r Mayoll 9 ¾, 40r Medio Wilkinson 10 ½, 32r Warpcops Lees 8 ¾, 36r Warpcops Rowland 9 ¼, 40r Double Weston 9 ⅞, 60r Double courante Qualität 13 ¼, 32“* 116 vds 16 % 16 grey Printers aus 321/46r 174. Anziehend.
New⸗York, 9. August. (New⸗Yorker Hdls.⸗Ztg.) Was die all⸗ gemeine Geschäftslage betrifft, so hat der Monat August unter recht günstigen Auspicien seinen Einzug gehalten. Je mehr sich die finanzielle Lage zu klären scheint, desto geringer werden die Be⸗ fürchtungen einer empfindlichen Geldknappheit. Die Geld⸗Cirkulation, was besonders hervorzuheben, ist größer als während der gleichen Periode im vergangenen Jahre, und der große Gold⸗Export hat sich deshalb nicht fühlbar gemacht, weil Seitens des Finanz⸗Ministeriums Alles aufgeboten wurde, eine Anhäufung des Geldes im Bundesschatze zu vermeiden. Dann darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, daß unsere Goldproduktion im früheren Verhältnisse fortgeschritten ist. Wir produziren per Jahr ca. 38 Millionen Dollars Gold und in unserer Handelsbilanz macht es somit keinen Unterschied, ob wir hiermit oder durch Getreide, Baum⸗ wolle. Petroleum, Provisionen ꝛc. unser Conto ausgleichen. Wir sind in der glücklichen Lage, eine selten ergiebige Getreide⸗Ernte zu haben, der schlechte Ernten in Europa gegenüber stehen, und folg⸗ lich wird uns ein großartiges Exportgeschäft zufließen, da zunächst den Farmern und dann den Eisenbahnen zu Gute kommen
wird. Diese günstige Auffassung der Situation hat nicht verfehlt,