legenheit, Se. Majestät aus größter Nähe zu sehen und ihre freudigen Huldigungen darzubringen. Von einem auffallenden Aufwande von Polizeimaßregeln kann hiernach nicht die Rede sein; diese beschränkten sich vielmehr auf das unumgänglich Nothwendige. Allgemein herrschte nicht Mißstimmung, sondern eine ebenso freudige Stimmung als große Befriedigung unter dem eine vorzügliche Hal⸗ tung bewahrenden Publikum. Von Reibungen mit der Polizei und Erzessen ist nicht das Mindeste kund geworden, und Se. Majestät haben wiederholt über die vortreffliche Handhabung der Ordnung Allerhöchstsich anerkennend zu äußern geruht. Der Königliche Land⸗ rath: von Oheimb.“
Koblenz, 23. September. (Köln. — Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen traf gestern hier ein und fuhr nach kurzem Aufenthalt zu Wagen nach Schloß Bassenheim, um dem heute beginnenden Manöver des VIII. Armee⸗Corps in dortiger Gegend beizuwohnen.
Sachsen. Dresden, 23. September. (Dr. Journ.) Bei Ihren Königlichen Majestäten fand gestern in der König⸗ lichen Villa zu Strehlen eine Familientafel statt, an welcher auch Ihre Königlichen Hoheiten die Großherzogin von Mecklenburg⸗Strelitz und die Erbgroßherzogin von Oldenburg theilnahmen.
Württemberg. Stuttgart, 23. September. Wie der „St.⸗A. f. W.“ meldet, hat Se. Majestät der König dem Staats⸗Minister der Finanzen, Dr. von Renner, anläßlich der Feier seiner vor 25 Jahren erfolgten Berufung an die Spitze des Finanz⸗Departements das folgende Handschreiben zugehen lassen:
Schloß Friedrichshafen, den 20. September 1889. Mein lieber Staats⸗Minister Dr. von Renner!
Mit dem morgigen Tage werden 25 Jahre verflossen sein, während welcher Sie als Minister das Finanzwesen des Staates geleitet haben. Obwohl Sie mit bescheidenem Sinne eine feierliche Begehung dieses seltenen Jubiläums nicht wünschten, drängt es Mich doch, Ihnen bei diesem Anlaß wiederholt auszusprechen, wie Ich stets in dankbarer Anerkennung der verdienstvollen und erfolgreichen Thätigkeit gedenke, welche Sie während dieser langen Zeit mit nie crmüdender Pflicht⸗ Seg auf diesem wichtigen verantwortungsvollen Posten entfaltet haben.
Empfangen Sie mit Meinen wärmsten Glückwünschen zugleich das beifolgende Andenken zur Erinnerung an diesen Tag und als sichtbares Zeichen Meiner Werthschätzung und Meiner Dankbarkeit.
Indem Ich dem Wunsche Ausdruck verleihe, daß Ihnen noch lange vergönnt sein möge, in ungetrübter Gesundheit Ihre reiche Er⸗ fahrung dem öffentlichen Wohle zu widmen, verbleibe Ich unter der Versicherung Meines besonderen Wohlwollens, Mein lieber Staats⸗ Minister Dr. von Renner, Ihr gnädiger König K Am Montag haben Ihre Majestäten der König und die Königin den Finanz⸗Minister Dr. von Renner in Audienz empfangen. — Das in dem Allerhöchsten Handschreiben er⸗ wähnte Andenken besteht in einer werthvollen Silberkassette.
Baden. Karlsruhe, 23. September. (Karlsr. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog wohnte am 21. September auch dem zweiten Manövertage des XV. Armee⸗Corps bei, der sich dem Plan nach unmittelbar an die Ergebnisse des Gefechts um Rauweiler am Vorabend anschloß. Se. Königliche Hoheit begab sich hierzu Morgens nach 6 Uhr auf die Höhe zwischen Saaraltdorf und Görlingen, um von hier aus die Gefechte um den Brüsch⸗Abschnitt, mit welchen sich das Vorgehen der Division Kühne einleitete, zu übersehen. Gegen Mittag hatte diese Division mit ihren Hauptkräften die Brüsch überschritten und sich zum Angriff gegen die Division von Götze formirt, welche, mit dem linken Flügel Kirberg festhaltend, in eine starke Stellung zwischen Saar und Brüsch zusammengezogen worden war. Gegen 1 Uhr erfolgte das Signal „das Ganze Halt“, und eine Besprechung des kommandirenden Generals schloß die Manöver der beiden Divisionen ab. — Nach 2 Uhr traf Se. Königliche Hoheit wieder in Saarburg ein und dinirte mit dem Offizier⸗Corps des Rheinischen Ulanen⸗Regiments Nr. 7 in dessen Speiseanstalt, wobei die Musiken dieses Regiments und des Infanterie⸗ Regiments Nr. 97 spielten. — Um 7 Uhr Abends er⸗ folgte die Abreise nach Straßburg. Das Offizier⸗ Corps des Ulanen⸗Regiments Sr. Königlichen Hoheit und der Kreisdirektor Freiherr von Liebenstein hatten sich zur Verabschiedung am Bahnhof eingefunden. Bei der
nkunft in Straßburg, wo Se. Königliche Hoheit der Groß⸗ herzog den Sonntag zu verbringen gedachte, waren der Gouverneur sowie der Polizeidirektor zum Empfange anwesend, auch hatte sich, trotz der späten Abendstunde, eine große Volks⸗ menge am Bahnhof versammelt. Se. Königliche Hoheit ist im Hotel zur Stadt Paris abgestiegen.
Ihre Königlichen Hoheiten die Großherzogin und die Lronprinzessin voß Schweden und Norwegen haben sich am Freitag Mittag nach Konstanz begeben, um dort auf dem Bahnhof die schwedisch⸗norwegischen Prinzen Gustav Adolf und Wilhelm zu empfangen, welche, be⸗ gleitet von dem Hofmarschall von Lilliehöök, rechtzeitig ein⸗ trafen. Die Höchsten Herrschasten fuhren sodann mit den Kronprinzlichen Kindern nach Schloß Mainau zurück.
Braunschweig. Braunschweig, 21. September. (Hann. C.) Die braunschweigische Landesversamm⸗ ung besteht aus 46 Abgeordneten. Von diesen vertreten: 22 die Stadt⸗ und Landgemeinden, 21 die Höchstbesteuerten und 3 die Geistlichkeit des Landes. Die sämmtlichen Ab⸗ geordneten sind dn. des einzuberufenden Landtages neu zu wählen. ie Versammlung der Wahlkollegien ist zum 31. Oktober bezw. 7. November angeordnet worden.
Reußz j. L. Gera, 22. September. (Magdb. Ztg.) Nach den amtlichen veeggagen sind bei den Landtagswahlen für die Höchstbesteuerten des Fürstenthums der bisherige Landtags⸗Präsident Fürbringer, der Mühlenbesitzer Ober⸗ länder und der Fabrikant Löblich gewählt worden.
— Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 23. September. (W. T. B.) Die Deputation des russisch⸗litthauischen Dragoner⸗Regiments Nr. 14 unter Führung des Obersten Barou Krüdener wurde heute Vormittag vom Erzherzog Albrecht empfangen und beglückwünschte ihn zu seiner vierzig⸗ jährigen Juhaberschaft des Regiments.
4. September. „(W. T. B.) Der König von Griechenland mit seinen Söhnen, sowie der Groß⸗ fürst Paul nebst Gemahlin sind heute Vormittag hier eingetroffen und am Bahnhofe von dem russischen Botschaf er und dem Personal der griechischen Gesandtschaft empfangen worden. Höchstdieselben werden hier mehrere Tage verweilen,
Während des Empffanges des Kaisers in Monor gerieth eine
1
Brünn, 24. September. (W. T. B.) Gestern früh 8 ¾ Uhr begab sich Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen nach dem Plateau von Turas, woselbst das 6. Dragoner⸗Regiment Aufstellung genommen hatte und der FML. Freiherr von Reinländer, der General⸗Major Baron von Huegel und der Generalstabs⸗ Chef Oberst Pokoroy zur Begrüßung anwesend waren. Nach Abreiten der Front folgten Exercitien, welche meistens in Frontmärschen im Trabe, im Galopp und zum Schluß in einer Attaque auf einen markirten Feind bestanden. Nach dem Defiliren versammelte der Prinz die Offiziere des Regi⸗ ments und drückte ihnen seine vollste Anerkennung aus, ver⸗ abschiedete sich hierauf vom Erzherzog Otto und dem Offizier⸗ corps und kehrte gegen 11 Uhr Vormittags nach dem Hötel Nauhauser zurück. Zwischen 1 und 2 Uhr empfing Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht den Erzherzog Otto, den FML. von Reinländer, den Statthalter Löbl, den Landes⸗Hauptmann Grafen Vetter und den Bürgermeister Winterholler und begab sich sodann in Begleitung seiner Suite und der zum Ehrendienst kommandirten Offiziere zur Kaserne seines Regiments, woselbst um 5 Uhr Nachmittags in dem festlich geschmückten Gartensaal Festtafel stattfand, zu welcher das Infanterie⸗ Regiment Nr. 8 die Tafelmusik gestellt hatte. Zur Rechten des Prinzen saßen der Erzherzog Otto, General von Winter⸗ feld, Landes⸗Hauptmann Graf Vetter und General von Huegel, 9 Linken Baron von Reinländer, der Stattharter Löbl, der berst Pokorny und der Bürgermeister Winterholler; außer⸗ dem nahmen an der Tafel die Suite und die Offiziere des Regiments Theil. Den ersten Toast brachte der Prinz Albrecht auf das Wohl des Kaisers von Oesterreich aus, welchen Baron Reinländer mit einem Trinkspruch auf das Wohl des Deutschen Kaisers, als des erhabenen Verbündeten Oesterreichs, unter den Klängen der preußischen National⸗ hymne erwiderte. Hierauf erhob sich der Prinz nochmals, gab seiner Freude, Inhaber eines so ausgezeichneten Regi⸗ ments zu sein, Ausdruck und trank auf das Wohl desselben und dessen Obersten Siebert; sodann brachte der Oberst Siebert einen Toast auf das Wohl des Inhabers des Regiments aus. Sämmtliche Trinksprüche fanden begeisterte Aufnahme. Nach dem Diner hielt der Prinz Cercle, wobei er besonders die Offiziere seines Regiments und den Statthalter durch längere Ansprachen auszeichnete. Um 7 ¼ Uhr verließ Se. Königliche Hoheit unter den Klängen der preußischen Nationalhymne den Festsaal und fuhr unter stürmischen Hoch⸗ rufen der zahlreichen Menschenmenge nach seinem Hötel zurück. Abends wohnte der Prinz der Vorstellung des „Zigeuner⸗ baron“ im Stadt⸗Theater bei. Um 11 ⁴ Uhr Nachts erfolgte die Abreise mit der Staatsbahn nach Kamenz. Zur Verab⸗ schiedung waren nur die Offiziere des 6. Dragoner⸗Regiments Seh da die Verabschiedung anderer Würdenträger ver⸗ beten war.
Pest, 23. September. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser wohnte heute in Begleitung der General⸗Adjutanten Graf Paar und Bolfras von Ahnenburg sowie des deutschen und italienischen Militär⸗Attachés dem Manöver der ungari⸗ schen Landwehr bei Monor be:;, sprach sich äußerst an⸗ erkennend über die Leitung und über die Leistungen der Mannschaften aus, und kehrte sodann nach Gödöllö zurück.
vom Publikum dichtbesetzte Tribüne ins Schwanken. Der Kaiser stieg erst wieder zu Pferoe, nachdem er sich überzeugt hatte, daß kein Unfall zu besorgen sei.
Großbritannien und Irland. London, 23. September. (A. C.) Der irische Abgeordnete Redmond wurde am letzten Sonnabend wegen Uebertretung des Verbrechen⸗Gesetzes zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt und noch an demselben Abend nach Dublin befördert.
Frankreich. Paris, 23. September. (W. T. B.) Nach einer Mittheilung des Ministeriums des Innern sind von den 576 vorzunehmenden Neuwahlen 560 bekannt, und zwar sind 224 Republikaner gewählt, darunter 167 Gemäßigte und 57 Radikale, ferner 159 Angehörige der Opposition, nämlich 86 Royalisten, 51 Bonapartisten und 22 Boulangisten. Stichwahlen sind 177 erforderlich, von denen man bei 135 einen für die Republikaner günstigen Ausfall erwartet. Die Mittheilung sagt am Schluß, die neue Kammer werde aus etwa 369 Republikanern und 201 Oppositio⸗ nellen bestehen. Außer den 10 Wahlen in den Kolonien sind noch 6 Wahlen unbekannt.
Ueber das Ergebniß der Wahlen sprechen sich alle Abendblätter befriedigt aus. Die Blätter der Opposition hoffen, daß die Minorität der neuen Kammer die Ziffer 225 erreichen werde, die der Regierung nahestehenden Blätter be⸗ rechnen die Minorität auf höchstens 200.
Ueber die Gesammtzahl der für Boulanger in Mont⸗
martre abgegebenen Stimmen werden von einander ab⸗ weichende Angaben gemacht. Die Verschiedenheit dieser An⸗ gaben erklärt sich daraus, daß in einigen Wahlbureaus die auf Boulanger's Namen lautenden Wahlzettel für ungültig Fecför. in den meisten Wahlbureaus aber als gültig zugelassen wurden. — 24. September. (W. T. B.) Die republikanischen 8g ngen erblicken in dem Ergebniß der Wahlen einen Sieg der Republikaner und sprechen die Hoffnung aus, daß die neue Majorität nicht wieder in die früheren Uneinigkeiten verfallen werde. Das „Journal des Débats“ giebt seiner Genugthuung über den Niedergang des Boulangismus Aus⸗ druck, hat aber kein Vertrauen zu der Weisheit der neuen Majorität.
Italien. Rom, 23. September. (W. T. B.) Die „Riforma“ stellt in Abrede, daß von den Ministerien des Krieges und der Marine eine Vermehrung ihrer Budgets um 40 Millionen verlangt werde.
Der Kardinal Schiaffino ist gestorben.
Spanien. Madrid, 24. September. (W. T. B.) Das Journal „Correo“ berichtet über einen neuen Swjs hsn⸗ fall mit Marokko: Das spanische Kanonenboot „Crocodilo“ sei von den Riffpiraten beschossen worden,
habe den Angriff sofort erwidert und einige Wohnungen zerstört.
Schweiz. Bern, 23. September. (W. T. B.) Der Bundesrath hat mit Rücksicht auf die Verbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche in Böhmen bis auf Weiteres die
heute in Subiaco
um die Ankunft der Königin Olga abzuwarten
Ein⸗ und Durchfuhr von Rindvieh, Schafen,
Rumänien. Bukarest, 23. September. (W. T. B. Der König und der Kronprinz trafen auf der Reise in der Dobrudscha gestern Abend in dem Hafen von Constanza ein und beabsichtigen, die Reise morgen auf dem Seewege nach der Sulina⸗Mündung und Galatz fortzusetzen. Von der
Bevölkerung von Constanza waren der König und der Kronprinz auf das Festlichste und äußerst sympathisch empfangen worden
Dänemark. Kopenhagen, 23. September. (W. T. B.) Königs ist der Reichstag
Durch einen offenen Brief des zum 7. k. M. einberufen worden.
— 24. September. (W. T. B.) Die Prinzessin Luise zu Schleswig⸗Holstein⸗Sonderburg⸗Glücks⸗ burg, Schwester des Königs, ist heute früh hier eingetroffen und nach Fredensborg weitergereist.
Central⸗Amerika. Der Präsident von Nicaragua, Dr. Evarista Carazo, ist in Rivas gestorben. Er wurde im Jahre 1887 gewählt. Zum provisorischen Präsidenten ist der Senator Dr. Roberto Sacaza ernannt. Die neue Präsidentenwahl findet Mitte Dezember dieses Jahres statt.
Zeitungsstimmen.
Der „Hannoversche Courier“ schließt seine Berichte über das Kaisermanöver mit folgenden Worten:
„Die Uebungen, welche unter den Augen des Kaisers stattge⸗ funden, haben ihr Ende erreicht und werden sich nach dem üblichen Turnus erst in mehreren Jahren wiederholen; die ausgedienten Sol⸗ daten kehren, um eine schöne bleibende Erinnerung reicher, in ihre Heimath zurück, um sich ihrem eigentlichen Lebensberufe zu widmen, der jüngere Nachwuchs aber wird in dem vom Kaiser gespendeten Lob einen neuen Sporn erblicken zur Aneignung größter Kriegstüchtigkeit. Die vom Manöver berührten Ortschaften haben durch den bei Allen gleichen Eifer, dem Oberhaupt des Reichs einen festlichen Empfang zu bereiten, wie durch die freundliche Aufnahme, welche sie den Soldaten gewährt haben, Beweise gegeben von treuer Anhänglichkeit an Kaiser und Reich. Das Manöver wird daher auch im Herzen des Kaisers eine schöne Erinnerung an die Provinz Hannover zurücklassen, und Se. Majestät wird die Ueberzeugung mit fortnehmen, daß die Söhne der Provinz, welche der oberste Kriegsherr durch Uebernahme eines Regiments geehrt, den Spruch der Elzer Ehrenpforte auch zu dem ihren gemacht haben und allezeit daran festhalten: „In Treue fest, im Kampfe treu.““
Zur Frage des internationalen Arbeiterschutzes schreibven die „Mecklenburger Nachrichten“:
„Im Frühjahr dieses Jahres hatte die Schweiz die europäischen Industriestaaten zu einer Konferenz eingeladen, welche sich mit dem internstionalen Arbeiterschutze beschäftigen sollte. Verschiedene Staaten gaben alsbald ihre Bereitwilligkeit zur Beschickung der Konferenz zu erkennen, andere machten starke Vorbehalte oder ließen ihre Antwort noch ausstehen. Die Schweiz hat desbalb ihr Vorhaben bis zum naͤchsten Jahre verschoben und will die Zwischenzeit benutzen, um ein genaues Programm aufzustellen, welches den Berathungen als Grund⸗ lage dienen kann.
Für das Zustandekommen der Konferenz wird der Inhalt des Programms von wesentlichem Einfluß sein. Die Vorbehalte, die schon jetzt von einzelnen Regierungen gemacht waren, sind zweierlei Art: Einerseits soll die Betheiligung an der Konferenz nicht etwa Unterwerfung unter die von derselben zu fassenden Beschlüsse be⸗ deuten. Andererseits hat England seine Betheiligung nur unter der Bedingung zugesagt, daß sein Delegirter weder an einer Verhandlung über Regelung der Produktion, welche nach dem Einladungsschreiben bestimmt sein soll, die „gegenseitigen Produktionsverhältnisse in natürliche und rationelle Schranken zurückzuführen,“ noch an einer Verhandlung über Beschränkung der Arbeitszeit erwachsener Männe Theil nehmen dürfe.
Muß somit von vornherein aus den Konferenzverhandlungen die⸗ jenige Frage ausscheiden, welche am meisten umstritten ist und Vielen als die wichtigste des Arbeiterschutzes gilt, obgleich die Durchführ⸗ barkeit eines gesetzlichen Maximalarbeitstages schon im einzelnen Lande nach den Erfahrungen in Oesterreich und in der Schweiz außerordentlich schwierig ist, so haben auch die während des Sommers über den Konferenzplan stattgehabten Erörterungen in der Presse die Schwierigkeiten einer internalionalten Vereinbarung selbst für solche Fragen deutlicher erkennen lassen, in denen wenigstens allseitige prinzipielle Uebereinstimmung herrscht, z. B. in der Frage der Be⸗ schränkungen und des Verbots der Kinderarbeit. Die verschiedenen Völker stellen verschiedene wirthschaftliche Individualitäten dar, d. h. sie haben bestimmte Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten, welche sich aus der Geschichte, aus der Bodenbeschaffenheit, aus dem Klima, aus der Kulturstufe des Landes ergeben. Ein Südländer von 14 Jahren ist anders entwickelt als ein nordisches Kind von gleichem Alter; das eine Land bringt Waaren hervor, zu deren Verfertigung jugendliche Hände erforderlich sind, das andere nicht u. s. w. Darauf beruht es aber auch, daß die Verschiedenheiten in der Fabrikgesetz⸗ gebung der Staaten keineswegs bloß der Willkür entspringen, viel⸗ mehr die natürliche Ursache haben, daß die wirthschaftlichen, körper⸗ lichen klimatischen ꝛc. Voraussetzungen nicht gleichartig sind Diese verschiedenen Voraussetzungen gleich zu machen und auf sie ein und dieselbe Schablone anzuwenden, geht offenbar nicht an, und schließlich wird es immer noch von dem guten Willen des einzelnen Staals abhängen, mit welchem Ernst und mit welcher Strenge er es sich angelegen sein läßt, die international vereinbarten Vorschriften bei sich durchzuführen. Kriege kann man ohne Zweifel nicht führen, wenn Meinungsverschiedenheiten darüber entstehen, ob und wie das buft der Konferenz etwa Abgemachte nun auch in der Praxis gehand⸗
abt wird.“
Ueber die Wirkung der Sozialpolitik und die Thätig⸗ keit der Sozialdemokratie lesen wir in der „Berliner Börsen⸗Zeitung“:
„Der Staat, die Gesellschaft, das Parlament — alle maßgeben⸗ den Faktoren unseres Volkslebens haben ihre Schuldigkeit gegenüber der arbeitenden Klasse gethan oder sind doch ernstlich gewillt, die sozialen Schäden der Gegenwart, soweit es in menschlicher Gewalt liegt, zu heilen oder zu mildern. Vieles ist gethan — Vieles wird noch gethan werden und mit rubigem Gewissen können wir in die Zukunft sehen. Aber es wäre verkehrt und voreilig zu verlangen, daß diese neuen Formen des sozialen Lebens jetzt schon die volle Zufrieden⸗ heit und Dankbarkeit der Arbeiterbevölkerung hätten wachnufen sollen. Man betrachtet die sozialen Reformen noch immer als aufgezwungene und unvollkommene Wohlthaten, und die sozialistischen Wortführer lassen nicht ab, diese Meinung in der arbeitenden Klasse wach zu erhalten. Die Gegner der neuesten soziatreformatorischen Gesetze haben vorläufig noch leichtes Spiel, denn die Wirkungen der Gesetze werden sich erst in späteren Jahren bemerlbar machen. Alles Neue wird von dem Volke mit mißtrauischen Augen betrachtet, zumal wenn es von „oben“, d. b. von der Regierung kommt. Das Vertrauen in die neuen Einrichtungen kann erst mit der Zeit kommen, und populär werden erst dann die Gesetze, wenn das Volk ihren praktischen Nutzen am eigenen Leibe gespürt hat. Hierzu kommt bei den neuen Gesepen über Kranken⸗, Invaliden⸗ und Altersversorgung, daß die Formen derselben öfter recht unbequem sind und daß sie der arbeitenden Klasse einen neuen Zwang auferlegen, der vielfach Unzufriedenheit und Widerspruch in der sozialistisch verhetzten Arbeiterwelt hervorrufen wird. Deshalb dürfen wir aber diese Unzufriedenheit und diesen Widerspruch nicht mit revolutionären Tendenzen auf eine Stufe stellen, selbst wenn die nächsten Reichs⸗
Schweinen und Ziegen aus Böhmen verboten. 8
tagswahlen wiederum ein Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen
T. B.)
igen sollten. Nicht alle diejenigen, welche ihren Stimmzettel für den sozialdemokratischen Kandidaten abgeben, sind in der That von den sozialdemokratischen Ideen erfüllt und sie würden sicherlich gar verwunderte Augen machen, wenn eines Tages diese ihnen zum Theil ganz unverständlichen Ideen in nackte Wirklichkeit umgesetzt werden sollten. Oder glaubt man wirklich, daß die große Masse des deutschen Arbeiters Verständniß für die Träumereien von einem Zukunftsstaate unter Leitung der Sozial-Staatsdirektoren Bebel, Most und wie sie alle heißen mögen, hat? Glaubt man wirklich, daß das Phantom des Sozialismus den praktischen Arbeiter, der ein Heim und eine Familie besitzt, bezaubern kann, wenn es ihm in allen seinen Konsequenzen klar werden sollte? Nein, die sozialdemokratischen Stimmen werden ihrer größten Anzahl nach abgegeben aus augenblicklichem Mißmuth über die be⸗ schränkte Lage, aus Nameradschaftszefühl, aus Oppositionslust gegen den „Racker Staat, aber nicht, weil man ein überzeugter Anhänger von Marx, Bebel und Genossen ist, oder weil man den Staat, die Gesellschaft, das Vaterland, die Heimath und die eigene Familie ver⸗ missen will. Die Gier nach dem „Mehr“ herrscht unter den Arbeitern, wie bei allen anderen Klassen der Gesellschaft; der Neid auf die Bessergestellten ist den Arbeitern eigen, wie allen übrigen Menschen, und diese gemeinen Leidenschaften, die nie aufhören und nie erlöschen werden, sind es hauptsächlich, welche die Summe der Mißvergnügten vermehren und die Geschäfte der Sozial⸗ demokratie besorgen. Aber diese Leidenschaften lassen sich besiegen! Der gesunde Menschenverstand wird auch den Anstrengungen der staatserhaltenden Faktoren zum Siege verhelfen; er wird den Miß⸗ vergnügten mit der Zeit lehren, daß die Ideale in dieser Welt niemals zu erreichen sind und daß es Menschenloos ist, sich zu bescheiden. Was an Ausgleich der Klassengegensätze gescheben kann, wird unsere soziale Gesetzgebung, wenn auch nicht in den ersten Jahren ihres Bestehens, so doch vielleicht nach einem Jahrzehnt bewirken, und eine kommende Arbeitergeneration wird den Widerstand nicht begreifen können, welchen ihre Väter diesen wohlthätigen Ein⸗ richtungen entgegensetzten. Deshalb wollen wir uns nicht schrecken lassen, wenn auch bei den nächsten Reichstagswahlen die Summe der sozialdemokratischen Stimmen wieder anschwellen sollte; deshalb wolen wir aber auch nicht nachlassen in dem Kampfe gegen die sozialistisschen Schwärmereien und nicht aufhören in unseren Be⸗ mühungen, den strebsamen und fleißigen Arbeitern ein menschen⸗ würdiges und nach Möglichkeit gesichertes Leben zu schaffen.
Ueber eine Aenderung in der Stellung der Fort⸗ schrittspartei des Königreichs Sachsen erhalten die „Hamburger Nachrichten“ folgende Mittheilung:
Bekanntlich waren schon bei den vorigen Reichstagswahlen mehrere der angesehensten Führer des sächsischen Fortschritts zu den Kartellparteien thatsächlich übergetreten, hatten für deren Kandidaten gestimmt und ihre Gesinnungsgenossen im Lande aufgefordert, das Gleiche zu thun. Was speziell die. Mitglieder der Fortschrittsfraktion in der sächsischen zweiten Kammer betrifft, so haben diese (wie man zum Theil erst jetzt zweifellos erfährt) sämmtlich auf dieser Seite ge⸗ standen, sich also von der in der deutschfreisinnigen Partei herrschenden Richter'schen Richtung thatsächlich losgesagt. Noch aber fehlte es an einem öffentlichen Bekenntniß dieser Wendung der Fortschrittsfraktion. Manche ihrer Mitglieder waren noch von früher her nominell Mitglieder der deutschfreisinnigen Partei. Jetzt nun ist es durch Auseinandersetzung zwischen Wortführern der fortschrittlichen und nationalliberalen Partei Sachsens in der „Dresdener Zeitung.⸗ (einem zwar deutschfreisinnigen, aber schon längst sehr gemäßigt auf⸗ tretenden Organ) dahin gekommen, daß ein besonders hervorragender Fortschrittsführer, der 1887 sehr kräftig für die Kandidatur der Ordnungsparteien wirkte, in eben jenem Blatte sich offen dahin ausgesprochen hat: er wünsche, daß sämmtliche Mitglieder der sächsischen Fortschrittsfraktion aus der deutschfreisinnigen Partei austreten möchten, nachdem es in der That erwiesen scheine, daß innerhalb dieser der Richter'sche Einfluß der herrschende bleiben solle. Es steht wohl kaum zu bezweifeln, daß dem Rath und Beispiel dieses sehr ange ehenen Führers zunächst seine Kammer⸗ tollegen in der Fortschrittsfraktion, sodann die fortschrittlichen Wähler in Sachsen folgen werden. Damit würde sich dann eine ganz neue Partei bilden, die zwar fortschrittlich in allen Freiheitsfragen, aber national in allen den Fragen wäre, wo es die höheren Interessen des Reiches und der Nation gilt. Der Deutschfreisinn, der ohnehin in Sachsen nur schwach vertreten ist, würde vollends den größten Theil seines bisherigen Anhanges hier einbüßen.“ — Nach einer weiteren Mittheilung der „Dresdener Zeitung“ ist noch vor den Reichstags⸗ wahlen die Organisation einer „nationalen Fortschrittspartei für Sachsen in Aussicht genommen. 1
S alblatt für das Deutsche Reich. Herausgegeben im Sen 1n Innern. Nr. 39. — Inhall: Konsulat⸗ Wesen: Ernennung; — Ermächtigungen zur Vornahme von Civilstands⸗Akten; xequatur⸗Ertheilungen. — Finanz⸗Weren: Nachweisung über Ein⸗ nahmen des Reichs vom 1. April bis Ende August 1889. — Zoll⸗ und Steuer⸗Wesen: Transport⸗, Buch⸗ und Lagerkontrole für Getreide im Grenzbezirk Emmerich. — Polizei⸗Wesen: Ausweisu von Ausländern aus dem Reichsgebiet. 8
Entscheidungen des Reichsgerichts.
War in einem bei dem Amtsgericht anhängigen Prozeß durch Widerklage ein zur Zuständigkeit des Landgerichts gehöriger Anspruch erhoben und auf den Antrag einer Partei vom Amtsgericht seine 88 zuständigkeit ausgesprochen und demzufolge die Sache an das Ser -
gericht verwiesen worden, so hat, nach einem Beschluß 8 Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 2. Februar 1889, die unterliegende Partei, wenn durch die Verweisung der Sache an das Fierict ein Wechsel in der Persou des Anwalts geboten war, die Gebühren der beiden Prozeßbevollmächtigten d obsiegenden Pa zu ersetzen. 8
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur ländlichen Arbeiterfrage.
Es ist on wiederholt darauf hingewiesen worden, daß eine Hebung d flchoncr Arbeiterverhältnisse durch die Seßhaftmachung der Arbeiter oder Verpflanzung von Industrien auf das Land am besten werde erreicht werden köͤnnen. Wie dies zur. Durchfübrung zu bringen, ist freilich eine schwierige Frage, die nicht so leicht gelöst werden können. An dieser Stelle soll nun nicht etwa ein, 5 trag zu den Erörterungen über dieses Thema gegeben, sondern la S. an einem praktischen Beispiel der Segen und Vortheil einer Be⸗ schäftigung der ländlichen Arbeiter in Industrien ihrer Gegend nach⸗ gewiesen werden. So wird uns berichtet: 16““ 8 Der Fabrikbetrieb in Hechingen und Umgegend ist 82 seh reger und sein Einfluß auf den Wohlstand der ländlichen Bevö 58 fühlbar, da fast durchgehends nur einheimische Fübeites geaens werden und diesen lohnender Perdienst geboten wird. 189 Fa e arbeiterbevölkerung, welche sich aus sich selbst ergänzt, 8 11 bt. Es sind vielmehr ganz überwiegend die jüngeren Söhne un 8 der kleinen ländlichen Grundbesitzer, welche soweit s g ter be Wirthschaftsbetrieb entbehrlich sind, ch der Ar eit n 19 Fabriken zuwenden, um später, durch den jüngeren Na⸗ . - ersetzt, zum landwirthschaftlichen Betriebe wrückzukehrtn. 8 Verhältniß zwischen diesen . und ihren Arbeitge 1 durchaus befriedigend, die Löhne sind angemessen und eine unbillige
zunächst 1
11“ 4 8* G ihren Zusammenhang mit dem kleinen Grundbesitz ein: weniger abhängige Stellung einnehmen.
ffentliche Armenpflege im Königreich Bayern.
Züacenh 85 in Bayern eine Statistik der Armenpflege be⸗ arbeitet und in der „Zeitschrift des K. baver statistischen Bureaus veröffentlicht. Entsprechend der durch das bayerische Gesetz über die öffentliche Armen⸗ und Krankenpflege vom 29. April 1869 gegebenen Dreigliederung unterscheidet auch die neueste Nachweisung für das Jahr 1887 eine gemeindliche (örtliche), eine distriktive und eine
reisarmenpflege. 1 5 Die E11“ kennt dauernd und vorübergehend unterstützte Personen; zu den Ersteren gehören nicht nur alle ganz oder theilweise arbeitsunfähigen Personen, welche zur Fristung des Lebens oder zur Erziehung eine längere Zeit währende bezw. regelmäßig in Wochen, Monaten oder Quartalen wiederkehrende öffentliche Armenunter⸗ stützung in Geld oder Naturalien erhalten, sondern auch mittel⸗ lose Personen, welche auf Kosten der Armenpflege in Heil⸗, Pflege⸗ und Erziehungsanstalten (einschl. der Rettungshäuser, Blinden⸗ und Taubstummenonstalten, Kinderbewahranstalten u. s w.) oder in Armenanstalten (Pfründehäufern) untergebracht sind. Auch jugendliche Personen, für deren Erziehung und Ausbildung die öffentliche Armen⸗ rflege Sorge trägt, werden hierher gerechnet, ohne Rücksicht darauf, ob diese Fürsorge lediglich in der dauernden Befreiung vom Schul⸗ elde oder in der Bezahlung der Erziehungs⸗ und Lehrkosten überhaupt esteht. Durch die gemeindliche Armenpflege sind im Jahre 1887 im Ganzen 173 193 Personen unterstützt worden, 5220 oder 3,1 % mehr als 18886. Von der Gesammtzahl der Unterstützten waren 65 % dauernd unterstützt; die Hälfte der dauernd Unterstützten (56 491) bestand aus jugendlichen Personen, von denen aber nur der dritte Theil auf Rechnung der Armenpflege erzogen wurde, während die andern zwei Drittel nur Schulgeld⸗ oder Lehrmittelbefreiung genossen. Sieht man von den Letztgenannten ab, so ergaben sich 75 748 eigentlich Verarmte, 2750 oder 3,8 % mehr als im Vorjahre. An den den dauernd Unterstützten gewährten Wohlthaten nahmen mittel⸗ bar durch Familienzugehörigkeit noch über 30 000 Personen Antheil. Von den überhaupt Unterstützten entfielen 30,7 %, von den dauernd Unterstützten 304 %, von den eigentlic Verarmten 32,7 % auf, die Städte und 69,3 bezw. 69,6 und 67,3 % auf das platte Land. Ver⸗ gleicht man die Unterstützten mit der Gesammtbepölkerung, so kamen im ganzen Königreiche Bayern 3,2 überhaupt Unterstützte und 1,4 tigentlich Verarmte auf je 100 Einwohner; in den Städten er⸗ höhten sich die betreffenden Verhältnißzahlen auf 4,8 bezw. 2,2, auf dem Lande ermäßigten sie sich auf 2,8 bezw. 1,2 Unter den einzelnen Regierungsbezirken weist Oberbayern (wegen München) die meisten (3,7), die gesegnete Pfalz die wenigsten (2,6) Unterstützten im Ver⸗ ältniß zur Bevölkerung auf. v“ 1 vereg Unterstützungsbeträge beliefen sich insgesammt auf 6 875 071 ℳ, über 46 000 ℳ oder 0,7 % mehr als im Jahre 1886; davon wurden mehr als vier Fünftel (5 605 263 ℳ) für dauernde Unterstützungen ausgegeben. Betrachtet man die Letzteren nach der Art der Unterstützung, so entfielen 43,6 % auf Geld⸗, 16,9 % auf Natural⸗Unterstützungen und 39,5 % auf Kosten für Unterbringung in Heil⸗, Pflege⸗, Erziehungs⸗ ꝛc. Anstalten. Leider enthält die sonst so interessante Arbeit keine Angaben über die Ursachen der Verarmung und uüber die für die einzelnen Unterstützungsursachen aufgewendeten Beträge, sodaß eine Untersuchung des Einflusses der neueren sozial⸗ politischen Gesetzgebung auf die öffentliche Armenpflege nicht angestellt werden kann. Die durchschnittliche Jahresunterstützung betrug für eine dauernd unterstützte Person 50 ℳ (und zwar in den Städten 61 und auf dem Lande 46 ℳ), für eine vorübergehend unterstützte 20 und für cine eigentlich verarmte 73 ℳ Die Gesommtausgabe der örtlichen Armenpflege abzüglich der Einnahmen aus Ersatzleistungen anderer Gemeinden, also der wirk⸗ liche Aufwand der örtlichen Armenpflege betrug 7 777 424 ℳ, auf den Kopf der Bevölkerung 1,42 ℳ An gemeindlichen Anstalten und Einrichtungen für die Armenpflege werden für 1887 nachgewiesen 71 Pfründehäuser, 30 Anstalten für Unterbringung von Waisen und anderen armen sowie verwahrlesten Kindern, 169 Klein⸗ kinderbewahranstalten, 62 Armenbeschäftigungs⸗ und Suppenanstalten und 199 Krankenanstalten; die Ausgaben auf den Zweck (ausschließlich der Einnahmen an Ersatzleistungen) bei denselben betrugen 2,18 Mill. Mark. Außerdem waren noch 272 Wohlthätigkeitsanstalten verschie⸗ dener Art mit 11 467 Unterstützten und 2989 Woblihätigkeitsstiftungen mit 61 523 Unterstützten vorhanden, die auch unter gemeindlicher Ver⸗ waltung standen und für 85 2,77 1“ Mark (aus⸗ schließlich der Verwaltungskosten) aufgewendet wurden. 1 neben der gemesndlichen bestehende Distrikts⸗Armenpflege, welche zur Unterstützung überbürdeter Gemeinden, zur Unterhaltung der Distrikts⸗Wohlthätigkeits⸗ und Krankenanstalten, zur Mehrung des Distrikts⸗Armenfonds sowie zur Errichtung neuer Wohlthätigkeits⸗ anstalten dient. machte 659 404 ℳ, die Kreis⸗Armenpflege (für Erziehung und Bildung, Gesundheit sowie Wohlthätigkeit) 1,73 Millionen Mark an Ausgaben nöthig, sodaß im Ganzen im Jahre 1887 im Königreich Bayern für die öffentliche Armen, Dflege 9 934 592 ℳ oder auf den Kopf der Bevölkerung 1 ℳ 81 ₰ aufgewendet wurden. Die geringsten Beträge hatte Oberfranken, die höchsten Oberbayern aufzuweisen.
oduktions⸗ und Bevölkerungszunahme der Ver⸗ 8 einigten Staaten 1879 —1889. 1 Die „New⸗Porker Handelszeitung“ stellt in einer ihrer letzten Nummern einen Vergleich zwischen der Bevölkerungs⸗ und der Pro⸗ duktionszunahme der Vereinigten Staaten im Dezennium 1879 — 1889 an. Das genannte Blatt gelangt hierbei zu folgenden interessanten S 6s 2 “ in diesem Jahre mit Weizen angebaute Areal betrug etwa 38 681 000 Acres gegen 35 430 300 im Jabre 1879 und war somit um nicht ganz 10 % größer, als vor zehn Jahren. Da der S Gesammtertrag an Weizen auf nicht mehr als etwa 495 00 88 Bushels veranschlagt wird, würde derselbe sich nur um 5 höher stellen, als im Jahre 1879. Das mit Mais bepflanzte Areal, welches im Jahre 1879 62 000 000 Aecres umfaßte, beträgt in diesem Jahre 77 000 000, und da der diesjährige Gesammtertrag auf 1 975 000 000 Bushels gegen 1 754 000 000 im Jahre 1879 ange⸗ nommen wird, ergiebt sich für dieses Jabr eine Zunahme des be⸗ pflanzten Areals um 24 % und des Ertrages um nur 13 %. Sehr beträchtlich ist die Zunahme sowohl des Areals, als des Erträgnisses bei Hafer, indem die mit dieser Getreideart in diesem Jahre angebaute Fläche etwa 28 000 000 Aeres gegen 16 000 000 im Jahre 1879 um⸗ faßte, während der Ertrag von 408 000 000 Bushels vor 10 Jahren auf etwa 764 000 000 in diesem Jahre steigen wird. Was Be; wolle betrifft, so schätzt man, daß damit in diesem Fahre 20 300 000 Acres bepflanzt worden sind, und da das Baumwoll⸗Areal im Jad ce 1879 14 480 000 Acres umfaßte, würde sich die Zunahme gegen vor zehn Jahren auf etwa 40 % belaufen, während sich der Ertrag der diesjährigen Ernte kaum 20 % höher stellen dürfte als derjenige vom 1879. hu“
Is . e.ne steht es schon heute fest, daß die diesjährigen Feue. erträge mit Ausnahme desjenigen von Hafer, soweit es das Erge niß per Acre betrifft, nicht so groß sind wie vor zehn Jahren. Das mit den vorgenannten Getreidearten und Baumwolle in diesem Jahre angebaute Gesammtareal obeträgt somit etwa 164 000 600 Acres gegen 128 000 000 im Jahre 1879, eine Zu⸗ nahme um etwa 27 % für 1889, welche beträchtlich der Zunahme der Bevölkerung des Landes zurücksteht. 8 8* Ertrag der dierjährigen Baumwollernte betreffend, dürste die Zunahme gegen vor zehn Jahren etwa halb so g88 seine wie diejenige der Bevölkerung, während sie bei den Cerealien ni 8 ganz den vierten Theil der Zunahme der letzteren betragen wird. Dieses Verhältniß dürfte auf den ersten Blick befremdend 1. findet aber seine Erklärung darin, daß erstens vor zehn Ernte sowohl von Cerealien, als von Baumwolle eine außergewöhn⸗
nahmsweise großen Bedürfnisse des Auslandes zu befriedigen, während die letzteren gegenwärtig weit geringere sind und demzufolge der Export von den genannten Produkten beträchtlich nachgelassen hat Trotzdem wird aber wegen des Mißverhältnisses zwischen Zunahme der Pro⸗ duktion und Bevölkerung in diesem Jahre der Vorrath an für den einheimischen Konsum produzirten Cerealien per Kopf der Bevölkerung nicht so groß sein, wie es vor zehn Jahren der Fall gewesen. Dasselbe Mißverhältniß wie bezüglich der Zunahme der Cerealien⸗Produktion zu derjenigen der Bevölkerung besteht übrigens auch bei einzelnen Induftree⸗ zweigen. Zum Beispiel wird sich das in diesem Jahre Seitens der Baum⸗ woll⸗Spinnereien der Vereinigten Staaten konsumirte Rohprodukt (schätzungsweise) auf etwa 2 550 000 Ballen à 400 Pfund belaufen gegen 1 981 000 Ballen vor zehn Jahren, also eine Zunahme um nur 29 % gegen 1879, während die Zunahme in der Bevölkerungszahl sich auf mehr als 35 % stellen dürfte. Noch schlechter stellt sich das Ver⸗ hältniß bei Wolle, deren Totalkonsum (importirtes wie eigenes Pro⸗ dukt) zu Fabꝛikationszwecken in diesem Jahre mit ziemlicher Sicher⸗ heit auf etwa 382 Millionen Pfund gegen 324 Millionen im Jahre 1879 angenommen werden darf, was für dieses Jahr nur eine Zu⸗ nahme um 18 % ergeben würde.
Ganz anders feh es in dieser Hinsicht um die Produktion und den Konsum von Eisen, deren Zunahme eine ganz bemerkenswerthe ist. Im Jahre 1879 wurden ungefähr 3 128 364 t amerikanisches und 280 849 t importirtes Eisen in den Vereinigten Staaten ver⸗ arbeitet, während die diesjährige Produktion, wenn sie in demselben Maße, wie in den ersten sechs Monaten, in welchen sie laut Angabe der Fachschrift „IJron Age“ 3 800 000 t betrug, fortdauert, woran durchaus nicht zu zweifeln, sich im Ganzen auf etwa 7 600 000 t belaufen wird. Der Import wird ein beträchtlich geringerer sein, als im Jahre 1879. Der diesjährige Konsum von Eisen dürfte eine Zunahme von weit mehr als 100 % gegen 1879 aufweisen, was um so bemerkenswerther ist, als im Jabre 1879 im Ganzen 4716 und im Jahre 1880 sogar 6886 Meilen neuer Eisen⸗ bahnen gebaut worden sind, während in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nur 1410 Meilen konstruirt wurden und die Gesammt⸗ ziffer fuür das ganze Jahr beträchtlich vor zebn Jaren zurückbleiben dürfte. Wahrscheinlich ist die Zunahme des Konsums auch noch in anderen Industriezweigen, welche Rohprodukte verarbeiten, größer als diejenige hinsichtlich des Konsums von Wollen⸗ und Baum⸗ wollfabrikaten. „Jedenfalls“, schließt die „New⸗Yorker Handels⸗ zeitung“, „bleibt das einer Erklärung bedürfende Faktum bestehen, daß die Zunahme des Konsums einiger der wichtigsten Industrie⸗ Erzeugnisse der Vereinigten Staaten während der letzten zehn Jahre eine geringere als die Zunahme in der Bevölkerungszahl des Landes gewesen ist.“ 1X“
Kunst und Wissenschaft.
Am 17. September 1889 hat in der Aula der Universität zu Heidelberg eine Versammlung der Delegirten stattgefunden welche von Seiten der deutschen medieinischen Fakultäten und der größeren ärztlichen Gesellschaften des Deutschen Reichs zur Berathung der Organisation und der vorbereitenden Organe des X. internatio⸗ nalen medizinischen Kongresses entsendet waren. Die Ergeb⸗
nisse der Berathung waren nach der „Wes Ztg.“ folgende: 1) Die Ver⸗
sammlung war einverstanden, daß der Kongreß am 4. August 1890 zu Berlin eröffnet und am 10. August geschlossen werde. 2) Der vom vor⸗- bereitenden Comité im Anschluß an den Vorgang der früheren Kongresse ausgearbeitete Entwurf eines Statuts und Programms wurde ange’⸗ nommen 3) Als Mitglieder des Organisations⸗Comités wurden er⸗ wählt folgende Personen: Vorsitze der Geheimer Medizinal⸗Rath Professor Dr. Virchow; Stellvertreter des Vorsitzenden: Geheimer Medizinal⸗Rath Professor Dr. von Bergmann; Geheimer Medizinal- Rath Professor Dr. Leyden; Geheimer Medizinal⸗Rath Professor Dr. Waldeyer. Zum General⸗Sekretär wurde ernannt Dr. Lassar. Dieses Comité hat die Befugniß, Ehrenpräsidenten und Schriftführer zu ernennen, auch das Redaktions⸗Comités zu bestellen. 4) Für jede der einzelnen Abtheilungen. (Sektionen), des Kon⸗ gresses soll ein besonderes Organisationscomité aus neun Mitgliedern bestehen, welches die Vorbereitung der Sektionssitzungen bezüglich der wissenschaftlichen Aufgaben und der Theilnehmer zu besorgen hat. Jedem dieser Comités gehört ein geschäftsführendes Mitglied mit dem Wohnsitz in Berlin an. Den einführenden Vorsitz übernimmt f. Z. das hierzu von dem Abtheilungscomité bestimmte Mitglied. 5) Mit dem Konagreß soll eine internationale medizinisch wissenschaft⸗ liche Ausstellung verbunden werden, deren Vorbereitung das Organi⸗- se scomité übernimmt. “ .“ . bekannte Romanschriftsteller Wilkie Collins ist, wi aus Lonron gemeldet wird, in der Nacht vom Sonntag zum Montag gestorben. Wilkie Collins war im Jahre 1824 geboren und hatte sich ursprünglich dem Kaufmannsstande, sodann dem Rechtsstudium zugewendet. Seine literarische Laufbahn begann er mit einer Lebens⸗ beschreibung seines Vaters, des Landschaftsmalers William Collins, welcher er eine Reihe spannend geschriebener Romane folgen ließ, die zahlreiche Uebersetzungen erlebten und auch in Deutschland ein dank⸗ 8 Lesepublikum fanden. 1 “ von 8 Egyptologen Flinders Petrie im Fayoum ausgegrabenen Gegenstände sind fett in dem Oxford Mansion in London ausgestellt. Den Mittelpunkt de Interesses bilden die bei Tell Kahun gefundenen Thonwgaren. Diese stammen aus der XII. Dynastie und sind theilweise mit Inschriften versehen. Die Form der Vasen und Schalen scheint auf die An⸗ wesenheit von Cyprioten und Aegäern in Egvpten hinzuweisen, zu einer Zeit, längst ehe dieselben irgendwo anders auftraten. Noch zerkwürdiger ist die Thatsache, daß sich auf einigen Schalen Buchstaben befinden, welche weder der hieroglyphischen, noch der hieratischen Schrift angehören. Einige Gelehrte haben sich schon die Frage vorgelegt, ob wir in diesen Schriftzeichen nicht die Anfänge des phönizischen Alphabets besitzen. Die Angelegenbeit wurde auch auf dem Stock⸗ holmer Kongreß der Orientalisten zur Sprache gebracht. Wenn ma bedenkt, daß die XII. Dynastie in den Zeiten Abraham's regierte, so wird man das ungemeine Interesse verstehen, welches sich an die Entdeckungen Petrie's knüpft.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Allgemeine Obst⸗Ausstellung in Stuttgart. vom Württembergischen ee *
ine Obst⸗Ausstellung zu Ehren des 25jährigen Regierun Zu⸗ biläums d Rönigs von Württemberg bei Gelegenheit der XII. Ver⸗ sammlung Deutscher Pomologen und Obstzüchter in Stuttgart ist am 22. September in der dortigen Gewerbehalle eröffnet worden. Der Mittelraum der Halle enthält in 16, vorn offenen Vierecken die Sortimente der verschiedenen Obstiorten auf 8500 Tellern. Der Güterbesitzer⸗Verein und Winzerklub Stuttgart haben Gemüse aller Ärt ebenso massig als malerisch und appetit⸗ lich aufgebaut; im Uebrigen finden sich Pressen, Dörrapparate und allerlei Geräthschaften. Auf den Galerien sind Conserven, Con⸗ fituren, Obst⸗ und Beerenweine, kleinere Geräthe und Fachliteratur in großer Mannigfaltigkeit auegestellt. Die Ausstellung bietet ganz hervorragende Leistungen dar. Die Bewunderung des Kenners erregen die Trauben⸗, Obst⸗ und Gemüse⸗Sortimente, welche zur Schau gestellt sind. Die Ausstellung weist natür⸗ lich alles Mögliche auf, was mit dem Obstbau irgend⸗ wie in Zusammenhang steht. Von großem Interesse für Fachmänner und Laien ist der Besuch eines der Gewerbehalle gegenüberliegenden Gartens, wo die ersten württembergischen Baumschulbesitzer ganze Spalierbaumanlagen zur Darstellung gebracht haben. Die Preis⸗ richter haben bereits ihre Arbeit begonnen. Es kommen sehr schöne
Preise zur Vertheilung. (W. T. B.)
Lemberg, 23. September. (W. T. Aus den Berichten über die Ernteergebnisse in Galizien geht mit Bestimmtheit bervor, daß in der Mehrzahl der Bezirke die Landbevölkerung ohne
Die
lich große war, und daß enorme Massen von Getreide und Baumwolle
Ausbeutung der Arbeiter verbietet schon der Umstand, daß diese nich ausschließlich auf die Fabrikarbeit angewiesen sind, sondern durch
ini - irt wurden, um die damals aus⸗ aus den Staaten exportirt wun aim die damtelg ang
staatliche Beihülfe die Aussaat nicht wird aufbringen können.