1889 / 253 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Oct 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Stabsarzt der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bezirk Ratibor, Dr. Manecke, Stabsarzt der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bezirk Hamburg, Dr. Toeplitz, Stabsarzt der Landw.2 Aufgebots vom Landw. Bezirk I. Breslau, Dr. Luther, ‚Assist. Arzt 1. Kl. der Res. vom Landw. Bezirk Jüterbog, diesem als Stabsarzt, Dr. Riedel, Assist. Arzt 1. Kl. der Landw. 2. Aufgebots vom Landw. Bezirk I. Berlin, Dr. Hartwich, Assist. Arzt 2. Kl. der Res. vom Landw. Bezirk Neustadt, der Abschied bewilligt. Dr. Heins, Assist. Arzt 2. Kl. vom Inf. Regt. von Horn (3. Rhein.) Nr. 29, Dr. Lutz, Assist. Arzt 2. Kl. vom Hess. Feld⸗Art. Regt. Nr. 11, Beide unter Uebertritt zu den Sanitätsoffizieren der Reserve, Jahn, Marine⸗Assist. Arzt 1. Kl. von der Marine⸗Station der Ostsee, dieser unter Uebertritt zu den Sanitätsoffizieren der Seewehr 1. Aufgebots, aus dem aktiven Sanitätscorps ausgeschieden.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 23. Oktober. Ueber die Abreise I Majestäten des Kaisers und der Kaiserin von enuag berichtet „W. T. B.“: G Se. Majestät der Kaiser Wilhelm, Ihre Majestät die Kaiserin und Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich ver⸗ ließen gestern Vormittag um 10 Uhr 15 Minuten an Bord Sr. Majestät Schiffe „Kaiser“, „Hohenzollern“ und „Irene“ unter dem Donner der Geschützsalven des italienischen Ge⸗ schwaders und der Forts den Hafen zur Fahrt nach Athen. In dem Augenblick, als sich die Schiffe in Bewegung setzten, hißten sämmtliche Schiffe des ita⸗ lienischen Geschwaders und alle Handelsschiffe die Flaggen. Sr. Majestät Schiff „Kaiser“ salutirte mit 21 Kanonen⸗ schüssen die Stadt; ebenso grüßten die deutschen Schiffe das italienische Geschwader, als sie dieses passirten, unter Salven und Hurrah der Matrosen sowie dem Gesange der National⸗ hymne. Die Kaiserlichen Majestäten grüßten unausgesetzt die auf den Quais zahlreich versammelte Menschenmenge. Vor Abfahrt der Schiffe hatte der Hafen⸗Kommandant die Ihrer Majestät der Kaiserin einen Blumenstrauß zu über⸗ reichen. Das Meer war bewegt.

Heute traten die vereinigten Ausschüsse des Bundes⸗ raths fuͤr Handel und Verkehr und für Rechnungswesen zu einer Sitzung zusammen.

Der Staatssekretär, Staats⸗Minister Graf Bismarck ist, dem „W. T. B.“ zufolge, in der vergangenen Nacht in Brindisi eingetroffen und hat sich mit dem ganzen 40 Per⸗ sonen zählenden Gefolge Sr. Majestät des Kaisers und Königs heute Morgen nach dem Piräus eingeschifft.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sächsische Zoll⸗ und Steuerdirektor Golz ist hier eingetroffen.

Der Herzoglich braunschweig⸗lüneburgische Bevoll⸗ mächtigte zum Bundesrath, Vorsitzende des Staats⸗Ministeriums, Wirkliche Geheime Rath Dr. Otto, ist von Berlin wieder abgereist.

S. M. Fahrzeug „Loreley“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän von Henk, ist am 21. d. M. im Piräus ange⸗ kommen.

In der Ersten Beilage des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ wird ein Privilegium wegen Ausfertigung auf den Inhaber lautender Kreis⸗Anleihescheine des Kreises Löbau im Betrage von 345 300 veröffentlicht.

Bayern. München, 22. Oktober. (W. T. B.) Die von allen Mitgliedern der Centrumspartei, auch von Bucher und Rittler, unterschriebenen kirchenpolitischen An⸗ träge gehen dahin: den Regenten zu bitten, das Ministerium zu der Erklärung anzuweisen, daß das Placetum regium sich auf Glaubens⸗ und Sittenlehre nicht erstrecke, ferner den altkatholischen Centralverein als eine von der katho⸗ lischen Kirche verschiedene Religionsgesellschaft zu behandeln, und im Bundesrathe dahin zu wirken, daß die Wirksamkeit des Jesuitengesetzes vom 4. Juni 1872 auf die Redemptoristen zurückgenommen werde.

Württemberg. Ludwigsburg, 20. Oktober. (St.⸗A. f. W.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm begab sich heute Nachmittag in das hiesige Amtsgerichtsgefängniß und sprach etwa eine Viertelstunde mit der Person, die Morgens einen Revolverschuß auf Höchstdenselben abgegeben

hatte.

Ueber das Attentat auf den Thronfolger wird dem „St.⸗A. f. W.“ aus Ludwigs burg noch geschrieben:

„Der Schuß war von außen am Zaun auf der Seite des Marienwegs über das unterste Gebüsch weg in den Garten abgefeuert worden, als der Wagen mit Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Pauline am Adjutanturhäuschen vorüber⸗ fnhr. Die Kugel hat man nicht gefunden. Der Prinz fuhr weiter zur Kirche. Sein Adjutant, Jäger, Kammerdiener und einer der Posten vor Marienwahl verhafteten den Verbrecher, der einen Flucht⸗ versuch machte, aber dann, den Revolver mit noch 5 Schüssen in der Tasche, sich ruhig fassen und auf die Schloßwache führen ließ, wo das erste Protokoll aufgenommen und er dann um 10 ½ Uhr in das Amtsgerichtsgefängniß übergeführt wurde, begleitet von einer entrüsteten Menge. Am liebsten hätte man annehmen mögen, es sei die That eines Verrückten; aber den Eindruck macht der Mensch keineswegs. Schon lange trug er sich mit dem Gedanken, seit er in einem bayerischen Blatt gelesen habe, der württembergische König wolle die katholische Linie von der Thronfolge ausschließen. Am Sonnabend trieb er sich in der Nähe von Marienwahl herum, ertundigte sich nach dem Prinzen und der Frau Prinzessin. fragte, wann er von der Jagd heimkomme ꝛc, dann übernachtete er in Eglosheim, um am Sonntag Morgen auf der Lauer zu stehen zu der Stunde, wo der Prinz die Gewohnheit hat, zur Kirche zu fahren. Auch dem Prinzen, der ihn im Gefängniß aufsuchte, erwiderte er ruhig, daß er gegen seine e gar nichts habe, er wolle nur einen katholischen König in Württem⸗

erg; er habe auch keine Mitwisser, es sei sein eigener Entschluß gewesen.

Auf weitere Fragen schwieg er, namentlich schien ihn die Frage des Prinzen zu beugen, ob ihm denn nicht der Gedanke gekommen sei, er könnte sein unschuldiges Kind treffen. Der Prinz hat in Allem vollkommene Seelenruhe bewahrt, und kein Tropfen Bitterkeit ist in sein Herz gekommen, gewiß der Einzige hier und überall, obwohl er zum Opfer ausersehen war. Viele „Gott sei Dank“ sind zum Himmel gestiegen und viel Theilnahme und Liebe hat dem Prinzen gehuldigt. Es war den ganzen Nachmittag eine Wallfahrt nach Marienwahl, wo viele das Herz trieb, sich einzuschreiben, die das sonst nicht gewöhnt sind.

Noch am Abend kam ein Telegramm von Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Charlotte, die tief erschüttert ist; ebenso von den Königlichen Majestäten und Glückwünsche von allen Seiten. Der erstr auswärtige Gratulant soll Fürst Bismarck

von Friedrichsruh gewesen sein.

Laut einer Kaiserlichen Entschließung vom 2. d. M. soll

1¹“ *

Auch Se. Majestät der Kaiser und die Katserin haben von Monza aus ihren herzlichen Glück⸗ wunsch und Jank für die göttliche Bewahrung ausgesprochen. Möge das traurige Ereigniß ein neuer Kitt sein, der die Herzen Württem⸗ bergs mit seinem Fürstenhaus um so inniger verbindet!“!

Wie dem „Oberschwäb. Anzeiger“ aus Ludwigsburg vom 21. Oktober gemeldet wird, hat der Thäter in dem letzten Verhör, welches er in Gegenwart des Justiz⸗Ministers von Faber und des Ersten Staatsanwalts Dr. Elben aus Stuttgart vor dem Untersuchungsrichter, Amtsrichter Walter, zu bestehen hatte, alle zuerst gemachten Angaben widerrufen und simulirt Geistesstörung. Verschiedene Umstände lassen jedoch darauf schließen, daß der Verbrecher nicht geistes⸗ gestört ist, sondern den Plan reiflich überlegte und Mit⸗ wisser hat; dringende Verdachtsgründe sollen dafür sprechen, daß er Anarchist ist.

Aus Stuttgart, vom heutigen Tage, berichtet „W. T. B.“: In der Person desjenigen, der auf den Prinzen Wilhelm schoß, ist nunmehr der 35 jährige Gerber Martin Müller aus Winnenden, wohnhaft in Oethlingen bei Kirchheim unter Teck, ermittelt und festgestellt. Derselbe arbeitete im vorigen Jahre in einer Lackfabrik zu Ulm und gab nach Aus⸗ sage seiner dortigen Nebenarbeiter schon damals Beweise von Geistesgestörtheit.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 22. Oktober. (Cob. Ztg.) Der Landtagsausschuß für das Herzog⸗ thum Coburg ist auf den 28. d. M. hierher einberufen worden.

Hamburg, 23. Oktober. (W. T. B.) Die Gesandt⸗ schaft des Sultans von Zanzibar ist heute nach London abgereist. 1

8 4 8

Oeners Wien, 2. Oktober. (Wien. Ztg.) mi dem 1. Januar 1890 ein drittes Bataillon bei dem Eisenbahn⸗ und Telegraphen⸗Regiment aufgaestellt werden. Der Reichs⸗Kriegs⸗Minister, FZM. Freiherr von Bauer hat in Folge dieser Allerhöchsten Entschließung die zur Durchführung derselben nöthigen Verfügungen im Wege schriftlicher Verordnungen ergehen lassen.

Budapest, 22. Oktober. (W. T. B.) Der Minister der öffentlichen Arbeiten, Baroß, gab heute im Finanzaus⸗ schusse des Unterhauses über den auf den Staats⸗ bahnen eingeführten Zonentarif die Erklärung ab, daß vom 1. August bis 10. Oktober die Zahl der Reisenden um 1 ½ Millionen, die Einnahmen in demselben Zeitraum 441 000 Fl. mehr betragen haben. Das Resultat ist im Monat September ein noch günstigeres als im August.

In der gestrigen Sitzung des ungarischen Reichs⸗ tages wurde, wie die „Presse“ meldet, der Bericht der ungarischen Regnicolar⸗Deputation über den zwischen Ungarn und Kroatien geschlossenen finanziellen Ausgleich vorgelegt. Die Gesetzesvorlage ist im Wortlaut identisch mit jener, welche der kroatisch⸗slavonische Landtag am 18. d. M. acceptirt hat. 1

23. Oktober. (W. T. B.) In der Konferenz der Unabhämsigkeitspartei zeigte Iranyi an, er werde bean⸗ tragen, daß der Landesvertheidigungs⸗Minister Fejervary wegen seiner in der Mono'er Fahnenaffaire abgegebenen Erklärungen in den Anklagezustand versetzt werde.

Großbritannien und Irland. London, 22. Oktober. (A. C.) Die Berathungen in Hawarden zwischen Mr. Gladstone und den übrigen vn der liberalen Partei fanden gestern nach mehrtägiger Dauer ihren Ab⸗ schluß. Mr. Gladstone begiebt sich heute nach Southport, um morgen bei einer liberalen Kundgebung daselbst eine Rede zu halten, der in politischen Kreisen mit großer Spannung entgegengesehen wird, da in derselben voraussicht⸗ lich ein ergänztes Programm der liberalen Partei das Licht der Oeffentlichkeit erblicken wird.

Ueber die Thätigkeit des Hauses der Gemeinen in der verflossenen Parlamentssession theilt der neue „Hansard“ interessante Einzelheiten mit. Es fanden danach in der letzten Session 122 Sitzungen statt, welche im Ganzen 1043 Stunden dauerten; die längsten Sitzungen waren die am 27, und 28. August, an welchen Tagen das Haus um 3 Uhr Nachmittass zusammentrat und über 13 Stunden tagte. 1625 Reden wurden von Mitgliedern der Regierung und 965 von früheren Ministern gehalten. Der Sprecher sprach 497 und der Vize⸗Sprecher 280 Mal. Außerdem wurden 5187 Reden von Privatmitgliedern gehalten, was im Ganzen 8545 Reden ausmacht. Die Gesammtzahl der Anfragen während der Session war 5745, welche, wenn man für Frage und Antwort nur eine Minute berechnet, 69 Stunden oder 12 Tagessitzungen von je 8 Stunden Dauer in Anspruch nahmen. Im Laufe der Session wurden 389 Vorlagen eingebracht, größtentheils von Privatmitgliedern Viele erreichten nicht einmal das Stadium der zweiten Lesung. Im Eanzen wurden 118 neue Gesetze der Gesetz⸗Sammlung hinzugefügt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. Oktober. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin trafen gestern von Gatschina hier ein, um in der Kasan'schen und Peter⸗ Pauls⸗Kathedrale Andachten zu verrichten und statteten darauf dem Großfürsten und der Großfürstin Konstantin in Pawlowsk einen Besuch ab.

Der neuernannte türkische Botschafter Pascha ist gestern hier eingetroffen.

Nachstehender Depeschenwechsel zwischen dem preußi⸗ schen Kaiser⸗Alexander⸗Garde⸗Grenadier⸗Regi⸗ ment und dem russischen Infanterie⸗Regiment Wyborg wird vom „Russky Inwalid“ veröffentlicht:

„Nowgorod, dem Commandeur des Wyborgschen Infanterie⸗ Regiments Obersten Zerpizki. Das Alexander⸗Regiment, beehrt durch die Gegenwart seines erhabenen Chefs, sendet dem Wvborgschen Regiment seinen kameradlichen Gruß. Oberst von Rauchhaupt.“

Die Antwort lautete: „Berlin, dem Obersten von Rauchhaupt. Das Wvborgsche Regiment Kaiser Wilhelm, gerührt durch das kameradschaftliche Gedenken des Regiments Kaiser Alexander III., trinkt die Gesundheit des ruhmreichen Grenadier⸗Regiments, wobei es mit dem Gefühle warmer Dankbarkeit sich der Anwesenheit seines erhabenen Chefs inmitten des Regiments im vergangenen Jahre und seiner beständigen geoßen Gnadenbeweise für das mir anvertraute Regiment erinnert. Oberst Zerpizki.“

Schweiz. Bern, 22. Oktober. (W. T. B.) Die vom Bundesrath am 30. August gegen die Urheber und Ver⸗ breiter des Manifestes der schweizer Anarchisten eingeleitete strafrechtliche Untersuchung ist nunmehr ab⸗ geschlossen. Der Untersuchungsrichter Favey und der für diese Angelegenheit ernannte Bundesanwalt Stock⸗ mar stellen den Antrag: in Anklagezustand zu versetzen und den Bundes⸗Assisen zur Aburtheilung zu uͤberweisen Albert

Husni

b . ““ 1 Nicolet aus La Ferrière (Bern) gegenwärtig Fonds, Felix Niklaus Darbelay aus Liddes (Wallis) gegen⸗ wärtig in Lausanne, und Ferdinand Haenzi aus Günsberg (Solothurn) gegenwärtig in Basel, und zwar den erstgenannten als Urheber des Anarchisten⸗Manifestes, die beiden Letzteren als Theilnehmer. Der Bundesrath hat sich mit diesen

Anträgen einverstanden erklärt.

Belgien. Brüssel, 22. Oktober. (W. T. B.) Prinz Ferbinand von Coburg ist heute Morgen 6 Uhr von aris hier eingetroffen und im „Hötel Flandre“ abgestiegen. Um 2 Uhr machte der Prinz dem Grafen von Flandern seinen Besuch, den dieser alsbald erwiderte. im 5 Uhr 35 Minuten trat der Prinz die Rückreise durch Deutschland an.

Griechenland. Athen, 23. Oktober. (W. T. B.) Der König und die Königin von Dänemark sind gestern Nachmittag hier eingetroffen. Der König und die Königin von Griechenland waren den dänischen Majestäten bis Korinth entgegengefahren. Der Bürger⸗ meister von Athen hielt auf dem Bahnhofe eine Bewillkomm⸗ nungsansprache, und die versammelte große Volksmenge be⸗ grüßte die hohen Gäste mit lebhaften Zurufen. Die Stadt hatte festlichen Flaggenschmuck angelegt.

23. Oktober. (W. T. B.) Der Prinz von Wales mit seinem Sohne, dem Prinzen Albert Victor, ist heute hier eingetroffen und von dem König Georg und allen Mit⸗ gliedern der Königlichen Familie mit großer Feierlichkeit empfangen worden.

Dänemark. Kopenhagen, 22. Oktober. (W. T. B.) Der Finanz⸗Minister hat im Folkething heute eine Vorlage eingebracht, nach welcher eine Biersteuer von 7 Kronen per Tonne oder 2 Oere per Halbflasche erhoben werden soll. Der Minister führte aus, daß sich der Ertrag aus dieser Steuer auf ca. 11 Millionen belaufen werde, wovon 4 Millionen, mit etwa 2 Kronen per Kopf, unter die Kom⸗ munen vertheilt werden würden. Bei Annahme des Gesetzes würde er eine Zollreform beantragen, nach welcher der Kaffeezoll ermäßigt, der auf Wein und Spirituosen aber erhöht werden solle.

Amerika. New⸗York, 22. Oktober. (W. T. B.) Ein Telegramm aus Guatemala meldet, daß der Kongreß von Central⸗Amerika die Grundlagen für eine Ver⸗ einigung der Staaten Central⸗Amerikas angenommen habe.

Afrika. Zanzibar, 23. Oktober. (W. T. B.) Der Reichs⸗Kommissar Hauptmann Wißmann hat die in Usa⸗ rama eingefallenen Aufständischen bei Somwe ge⸗ schlagen und ihnen einen Verlust von 30 Todten beigebracht.

Nach zuverlässigen Nachrichten, welche dem Reichs⸗Kommissar Hauptmann Wißmann zugegangen sind, werden Emin Pascha und Stanley, in Begleitung des Italie ners Casati und von sechs Engländern, Ende November in Mpwapwa innerhalb der deutschen Interessen sphäre erwartet.

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Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (2.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. von Boetticher sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kom⸗ missarien beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die Wahl der Präsidenten und Schriftführer.

Bei der Wahl des Ersten Präsidenten wurden nur 195 Stimmzettel abgegeben, das Haus war also nicht be⸗ schlußfähig und die Sitzung mußte abgebrochen werden. Die nächste Sitzung mit der gleichen Tagesordnung wurde auf Donnerstag, den 24., Nachmittags 1 Uhr, anberaumt

Die Rede, mit welcher im Allerhöchsten Auftrage der Staatssekretär des Innern Dr. von Boetticher gestern den Reichstag eröffnete, wird heute von den Blättern zum Gegen⸗ stand von Erörterungen emacht. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ führt hierbei Folgendes aus:

„Mit lebhafter Befriedigung wird die feste Versicherung der Thronrede aufgenommen werden, daß die persönlichen Beziehungen, welche Se. Majestät der Kaiser mit den Herrschern befreundeter und verbündeter Nachbarländer im letzten Jahre gepflogen hat, dazu ge⸗ dient haben, im Auslande das Vertrauen auf die ehrliche Friedens⸗ liebe der deutschen Politik zu befestigen. Wenn von höchster Stelle der Glaube als berechtigt bezeichnet wird, daß der Friede der europäischen Welt auf der Grundlage der bestehenden Verträge mit Gottes Hülfe, auch im nächsten Jahre erhalten werde, so wird das deutsche Volk mit besonderer Dankbarkeit der erfolgreichen Bemühungen seines Kaiser⸗ lichen Herrn um die ungestörte Fortdauer der wirthschaftlichen Arbeit und die nicht gehemmte Entfaltung der Kräfte der Nation gedenken.

Im Uebrigen enthält die Thronrede die Ankündigung einer Reihe von Gesetzentwürfen, deren Vorlage bereits bekannt war oder gemuth⸗ maßt werden konnte Die Erbaltung des Friedens ist nur möglich, wenn die deutsche Wehrkraft sich auf der Höhe erhält, die sie Dank der Bewilligungen der nationalen Mehrheit des Reichstages erreicht hat. Die stetig fortschreitende militärische Entwickelung der Groß⸗ mächte Europas macht jedoch einen Stillstand in dieser Richtung unmöglich, und so wird denn, wie die Thronrede bervorhebt, die Mit⸗ wirkung des Reichstages in Anspruch genommen werden, um die Tüchtigkeit und Schlagfertigkeit des Heeres den Verhältnissen ent⸗ sprechend auszugestalten. 8

Daß der Reichstag in dieser Hinsicht es nicht an der patriotischen Gesinnung, die ihn in früheren Sessionen beseelt hat, fehlen lassen wird, darauf darf man bei seiner Zusammensetzung fest vertrauen, und so werden denn die erforderlichen Mittel sowohl für das Heer als die Marine in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden, damit den auf Erhaltung des Friedens gerichteten Bestrebungen des und seiner Verbündeten der nossneedige Nachdruck gegeben werde.“

Weiter bemerkt die „National⸗Zeitung“:

„In der auswärtigen Politik hat man gelernt, mit kurzen Daten zu rechnen, und die Thronrede schließt sich diesem vorsichtigen Ge⸗ brauch an, indem sie ihre Berechnung der Zukunft auf die Aussichten des nächsten Jahres beschränkt. Diese Zurückhaltung kann indessen die Bedeutung der Momente nur erhöhen, welche von der Thronrede für die verstärkte Friedenszuversicht, die aus ihr spricht, angeführt werden. Die persoͤnlichen Beziehungen, welche der Kaiser mit den Pn. befreundeter und verbündeter Nachbarreiche gepflogen hat, aben nach den positiven Versicherungen der Thronrede ein in hohem Grade erfreuliches Resultat ergeben. 1

in Chaux de

Ferner schreibt der „Reichsbote“:

„Mit besonderer Freude wird man es überall begrüßen, daß die Thronrede in so hervorragender Weise die friedliche Lage betont. Wir und die Welt, so weit ihr an der Erhaltung des Friedens elegen ist, haben das vor Allem den Bemühungen unseres Kaisers, finem freundlichen Entgegenkommen gegen die Herrscher unserer Nachbarländer zu verdanken. Wir können Alle nur wünschen, daß Gott diese hochherzigen Bemühungen unseres geliebten Kaisers auch jernerhin und auch auf seiner Reise in den Orient segnen wolle!“

In einer Besprechung des „Hannoverschen Couriers“

eißt es: „Die Verträge bilden die Grundlage des heutigen Staaten⸗ srstems und zu ihrer Sicherung bringt das deutsche Volk ungeheure Hpfer für die höchste Vervollkommnung seiner Vertheidigungskräfte. In dem Augenblick, wo wir nachlassen, die Wehrkraft zu Lande und u Wasser nach jeder Richtung hin zu vervollkommnen, wird der Muth unserer Feinde herausgefordert, die Verträge zu zerreißen, durch welche das Deutsche Reich in seiner gegenwärtigen Gestaltung von Europa anerkannt worden ist. Das mögen Alle sich wohl bedenken, welche ohne Rücksicht auf die europäische Gesammtlage immer von Neuem in dem Volke den Glauben zu erwecken suchen, daß es unge⸗ rechtfertigt von den deutschen Regierungen sei, fortgesetzt Forderungen zur Erlöhung unserer Wehrkraft vor den Reichstag zu bringen. Freuen wir uns des gesicherten Friedens und halten wir daran fest, daß, um ihn dauernd zu wahren, die beste Gewähr bei einem allzeit schlagfertigen und kriegstüchtigen Heere ruht.“

Schließlich führen wir an, was die „Kölnische Zei⸗ tung“ über die militärischen Forderungen sagt:

„Was die Forderungen für Heer und Marine angeht, so sind wir vollkommen überzeugt, daß die militärischen Berather des Kaisers bei der Aufstellung ihres Programms wie bei dem Tempo der Durch⸗ führung desselben die politischen und finanziellen Rücksichten nicht aus den Augen verloren haben. Wir überlassen gern den politischen Kindern die wunderliche Vorstellung, als ob ernste und patriotisch gesinnte Männer von einer verhängnißvollen Nei⸗ gung. Geld in Soldaten, Festungswerke und strategische Eisen⸗ bahnen zu verwandeln, vorwärts getrieben werden, und daß die unabhängigen parlamentarischen Vertreter der nach Bildung und Besitz maßgebenden Schichten des deutschen Volkes nichts Eiligeres zu thun hätten, als ein solches Beginnen zu unterstützen. Jeder deutsche Patriot, der unbefangenen Blickes über unsere Grenzen hin⸗ ausschaut, muß erkennen, daß unsere geographische Lage und die dauernden Elemente der internationalen Lage den maßgebenden Männern eine angespannte Wachsamkeit zur Pflicht machen und daß nur das gesicherle Bewußtsein, daß unsere Wehr in guten Händen wohlbehütet ist, den Millionen gewerbfleißiger Bürger jenes rubige Vertrauen in die Zukunft geben kann, welches allein eine aufsteigende wirthschaftliche Bewegung ermöglicht.“

Die heutigen Wiener Blätter besprechen die deutsche Thronrede, in der sie eine erneute Bekräftigung der Friedenstendenzen Deutschlands und seiner Verbündeten er⸗ blicen, auf das Wohlwollendste. Das „Fremdenblatt“ hebt hervor: Die schweren Opfer zur Wahrung des Friedens seien nicht umsonst gebracht worden; deshalb hätten die militärischen Autoritäten in Deutschland beim Vergleich der deutschen Heeresstärke mit derjenigen der östlichen und westlichen Nachbarstaaten nicht gleichgültig bleiben können. Namentlich hätte sich Angesichts der ununterbrochenen Vermehrung des Geschützmaterials in Frankreich die deutsche Armeeleitung zur kräftigsten Nacheiferung entschließen müssen. Ohne die vollste Schlagfertigkeit wäre die Verwirklichung der auf den Welt⸗ friden gerichteten Bestrebungen des Kaisers und seiner Verbündeten undenkbar. Dieser Erfolg sei des größten Opfers werth. Mit großer Freude werde Europa vernehmen, daß die Friedenshoffnungen durch die persönlichen Beziehungen des Kaisers mit den anderen Herrschern noch an Sicherheit gewonnen, und mit freudiger Zuversicht erfülle alle Freunde des Friedens der besonders betonte Glaube an die Erhaltung des Friedens auch im nächsten Jahre. Die auf Grundlage der bestehenden Verträge vereinigte Kraft Deutsch⸗ lands und seiner Verbündeten werde das stärkste Bollwerk des Friedens bleiben.

Die heutigen Londoner Morgenblätter begrüßen, wie „W. T. B.“ meldet, die friedlichen Erklärungen der Thronrede, mit welcher der Deutsche Reichstag eröffnet wurde, mit Genug⸗ thuung. Insbesondere hebt die „‚Daily News“ den durchaus friedlichen Charakter der Thronrede hervor und fügt hinzu, dieselbe scheine den stetigen Entschluß anzukündigen, das in Os⸗Afrika begonnene Werk fortzusetzen. Der Natur der Sache nach bilde aber Deutschland als kolonisirende Macht eine Bürgschaft des Friedens.

Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts. Nr. 43. Inhalt: Personal⸗Nachricht. Gesundheits⸗ stand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Pocken in Gnesen. Sterbefälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Ein⸗ wohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Er⸗ krankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt, und Landbezirken. Sanitätsverhältnisse des K. K. öster⸗ richisch⸗ungarischen Heeres, 1. Halbjahr 188b9. Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Thierseuchen in Dänemark 1887 und 1888. Rotz in den Niederlanden. Veterinärpolizeiliche Maßregeln. edizinalgesetzgebung u. s. w. (Preußen) Kurse über Gesundheitspflege ꝛc. für Turnlehrer (Reg.⸗Bez. Bromberg.) Avort⸗Anlagen und Düngergruben. Rein⸗ haltung der Straßen ꝛc. (Reg.⸗Bez. Düsseldorf.) Uebertragung der Lungenschwindsucht. (Hessen.) Hebammen. (Frankreich.) Bleihaltiges Stanniol zum Einwickeln von Nahrungsmitteln. Rechtsprechung. (Reichsgericht.) Verbot der Einfuhr von Schweinen und Schweinefleisch. Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Geheim⸗ mittex Thätigkeit der Desinfektionsanstalten 188771888. (Reg.⸗ Bez. Düsseldorf.) Gebeimmittel. (Frankreich.) Impfungen 1887. Bewegliche Oefen. Geschenkliste.

21„G richt ausgeschlosener Gesellschafter ist im Sinne des §. 266 Z. 2

Str. G.⸗B. als Bevollmächtigter der Gesellschaft zu erachten; er ist demnach, wenn er über Forderungen oder andere Vermögens⸗ stücke der Gesellschaft absichtlich zum Nachtheil derselben verfügt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 3. Juni 1889, negen Untreue aus §. 266 Str.⸗G⸗B. zu bestrafen. Vertragliche nbmachungen unter den Gesellschaftern, daß jener Gesellschafter über das Vermögensstück, über welches er zum Nachtheil der Gesellschaft verfügt hat, überhaupt nicht zu rerfügen habe, stehen seiner Straf⸗ rkeit wegen Untreue nicht entgegen.

Nach der festen Rechtsprechung des Reichsgerichts entscheidet ur die Frage der Strafbarkeit einer von dem Lehrer bei Kusübung des Züchtigungsrechts dem Schüler zugefügten Corperverletzung die Widerrechtlichkeit der betr. Handlung, der⸗ gestalt, daß, soweit das zuständige Landesrecht dem Lehrer ein echt zur Züchtigung einräumt, die in Ausübung und innerhalb der

Grenzen dieses Rechts Shteehan s Züchtigung nicht unter das Strafgesetz fällt, selbst wenn ihre Wirkung in der Zufügung einer Körperverletzung im Sinne des §. 223 St. G.⸗B, also namentlich, dem Zwecke der Züchtigung entsprechend, in Erregung von körper⸗ lichem Schmerz oder sonstiger geringfügiger, mit Gesundheitsgefähr⸗ dung nicht verbundener Störung der körperlichen Integrität besteht. Im Anschluß hieran hat das Reichsgericht, III. Strafsenat, durch Urtheil vom 3. Juni 1889, ausgesprochen, daß unter dem zuständigen Landesrecht nicht nur die Landesgesetze im eigentlichen Sinne, sondern auch die von den zuständigen Landesverwaltungsbebörden auf Grund der Landes⸗ gesetze verfassungsmäßig erlassenen Verordnungen zu verstehen sind. Dagegen fallen nicht darunter Instruktionen einer Schul⸗ aufsichts⸗Instanz, durch welche die Bestimmungen der allgemeinen, das Züchtigungsrecht des Lehrers betreffenden Verordnung eingeschränkt werden. Eine körperliche Züchtigung, welche die dem züchtigenden Lehrer von seinem Vorgesetzten ertheilte Instruktion überschreitet, aber innerhalb der von der obersten Verwaltungsbehörde gesteckten Grenzen sich hält, ist demnach keine im Sinne des Str.⸗G.⸗B. rechts⸗ widrige, sondern allenfalls als eine nur disziplinarisch zu ahndende Ueber⸗ schreitung des Züchtigungsrechts zu erachten.

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Lohnzahlung. 9

Im Verlage von W. T. Bruer (Berlin W., Lützow⸗Ufer 11) ist soeben der XIII. Jahrgang der Amtlichen Mittheilungen aus den Jahresberichten der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten für 1888 erschienen. Nach diesem Bericht waren vornehmlich zwei Fragen der besonderen Aufmerksamkeit der Beamten empfohlen worden: 1) An welchen Wochentagen, in welchen Fristen und in welchen Formen findet die Lohnzahlung statt? und 2) haben sich im Allgemeinen und insonderheit bei den jugendlichen Arbeitern Uebel⸗ stände herausgestellt, welche auf Zeit oder Form der Lohnzahlung zurückzuführen sind?

Aus der Beantwortung dieser Fragen ergiebt sich, daß in der weitaus größten Zahl der Betriebe der Sonnabend als Tag der Lohnzahlung gebräuchlich ist. Immerhin läßt sich jedoch nicht ver⸗ kennen, daß man in einer Reihe von Fällen mit der Sonnabends⸗ löhnung ungünstige Erfahrungen gemacht hat, und daß von Arbeitgebern häufig der Wunsch laut geworden ist, den Zahltag auf einen anderen Tag zu verlegen. Die hierauf gerichtete Bewegung kann zwar im Allgemeinen nicht eine besonders lebhafte genannt werden, tritt jedoch immerhin, namentlich in den Bezirken Köln⸗ Koblenz und Minden⸗Münster in einer Reihe von Betrieben un⸗ verkennbar zu Tage; andererseits finden aber diese Bestrebungen nicht nur bei den Arbeitern, sondern auch bei manchen Arbeitgebern keines⸗ wegs überall Zustimmung und werden auch Seitens der Aufsichts⸗ beamten, wenngleich manche derselben die Verlegung des Zahltages von dem Sonnabend befürworten, und dieselbe zu befördern bestrebt sind, in ihrem Werthe nicht übereinstimmend beurtheilt.

Was des Weiteren den Tag der Woche anlangt, auf welchen die Auszahlung des Lohnes vom Sonnabend verlegt worden ist, so ist, sowohl in Rücksicht auf den „blauen Montag“, als auf den Wochen⸗ markt in vielen Fällen der Freitag gewählt worden, indessen finden sich auch die anderen Tage der Woche häufiger vertreten. Neben dem Freitage wird von einzelnen Aufsichtsbeamten dem Montag der Vor⸗ zug gegeben, im Uebrigen sind indessen die Erfahrungen, welche man mit den einzelnen Zahlungstagen gemacht hat, sehr verschieden, der eine hat sich bald hier bewährt, bald dort als ungeeignet erwiesen. Auch waren für die Wahl des anderen Tages verschiedenartige Gründe bestimmend.

Was die der Landwirthschaft nahe stehenden Betriebe anlanzt, so erfolgt im Aufsichtsbezirk Ost⸗ und Westpreußen die Lohnzahlung in Spiritusbrennereien, Stärkefabriken, Molkereien, Käsereien, Brauereien, wenn dieselben nicht etwa selbständig betrieben werden, ebenso, wie bei den landwirthschaftlichen Arbeitern, in Deputat und in baarem Gelde in vierzehntägigen Raten am Sonntag Vormittag. „Einer Verlegung des Zahltages auf einen anderen Tag würden sich beson⸗ ders in der Erntezeit und bei ungünstiger Witterung große Schwierig⸗ keiten entgegenstellen.“ 8

Bezüglich der Fristen, innerhalb welcher die Lohnzahlung statt⸗ findet, so herrscht die wöchentliche Auszahlung des Lohns vor, aber auch die 14 tägige oder balbmonatliche Auszahlung ist in vielen Betrieben, zumal in den größeren üblich, hingegen sind größere Zah⸗ lungsfristen verhältnißmäßig selten. Für das Gebiet des Reichs lassen sich aus den vorliegenden Berichten die Industrien mit überwiegend Stägiger, und solche mit überwiegend 14 tägiger Lohnzahlungsfrist mit Sicherheit kaum ausscheiden. Beide Fristen wechseln vielmehr innerhalb desselben Industriezweiges je nach den örtlichen Verbältnissen, der Größe des Betriebes, der Nei⸗ gung der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer, und nur für einzelne wenige Industrien scheinen die Fristen für sämmtliche Aufsichtsbezirke vorwiegend dieselben zu sein. So haben namentlich die Cigarren⸗ fabriken vielfach wöchentliche Zahlung. Der Lohn wird in der Regel baar, in Reichswährung sowie unmittelbar an die Arbeiter aus⸗ gezahlt. Fälle des Trucksystem sind selten. Neben dem Geldlohn kommt Naturalienlohn vor, und zwar vor⸗ wiegend in ländlichen Bezirken und Betrieben, ferner in ge⸗ wissen Industriezweigen, namentlich in der Müllerei und Bier⸗ brauerei, sowie in kleineren, handwerksmäßigen und hau sindustriellen Betrieben. Wo „Deputat’ gegeben wird, besteht dasselbe nach der Mittheilung des Aufsichtsbeamten für den Bezirk Ost⸗ und West⸗ preußen gewöhnlich in freier Wohnung, Kartoffelland, Garten, Getreide, Brennmaterial, Viehfutter, Winterstall für eine Kuh u. dgl., und wird vielfach nicht in bestimmten, im Voraus festgesetzten Zeit⸗ abschnitten sondern je nach Bedarf und Wunsch des Arbeiters verabreicht.

Die äußere Form der Lohnzahlung ist verschieden. In kleineren und mittleren Anlagen ist das Geschäft der Zahlung einfach und schnell beendet. Die Auslohnung geschieht auf Grund einer Lohn⸗ liste oder eines Lohnbuches, welche vom Arbeitgeber oder dem von demselben damit Beauftragten geführt werden. Die Auszahlung er⸗ folgt hierbei noch vielfach durch den Arbeitgeber selbst, ein Ver⸗ fahren, welches nach der Ausführung einzelner Aufsichtsbeamten für das wünschenswerthe nähere Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeiter nicht ohne einen gewissen Einfluß ist und von diesem Gesichtspunkte aus den Vorzug vor demjenigen verdient, bei welchem die Lohnzahlung durch Beamte oder andere Mittelspersonen erfolgt. In anderen, namentlich in größeren Anlagen, erfolgt die Auszahlung des Lohnes entweder an einer bestimmten, gemeinsamen Zahlstelle, meist der Kasse, durch einen besonderen Angestellten, oder durch die Vorsteher der einzelnen Betriebsabtheilungen, Werkmeister, Saalmeister, Vorarbeiter u. s. w. Diese erhalten von dem Arbeit⸗ geber die Lohnliste für die betreffende Abtheilung ausgehändigt, die Lohn⸗ summe zugezählt, und führen alsdann die Einzelbeträge an die betreffen⸗ den Arbeiter ab. In beiden Fällen wird eine schriftliche Berechnung des Lohnes dem Arbeiter in der Regel nicht mitgetheilt. Dagegen ist dies da der Fall, wo die Auszahlung des Lohnes mittelst eines, theils vor, theils erst bei der Zahlung ausgehändigten Lohnzettels oder eines Lohnbuches erfolgt, ein Verfahren, welches häufiger mit der weiteren Einrichtung verbunden ist, daß der Zettel oder das Lohnbuch sich in einer mit dem Namen oder mit der Nummer des⸗ selben versehenen Büchse befindet, die den Geldbetrag enthält, welcher nach der auf dem Zettel oder in dem Buche enthaltenen Abrechnung dem Arbeiter zukommt. Eine Quittung über den empfangenen Lohn wird in der Regel nicht verlangt, jedoch haben die Arbeiter in manchen Fällen da, wo die Auszahlung des Lohnes auf Grund von Lohnlisten erfolgt, nach der Mittheilung mehrerer Aufsichtsbeamten (Potsdam⸗Frankfurt a. O. und Köln⸗Koblenz u. a.) die erhaltene Zahlung durch Eintragung ihres Namens in die Lohnliste zu be⸗ scheinigen, oder auch die vorher erhaltenen Lohnzettel oder Lohnbücher gegen Quittung einzulösen oder als Quittung mrückzugeben.

„Ddie Lohnzahlung an die jugendlichen Arbeiter findet meistens in denselben Fristen und Formen statt, wie bei den erwachsenen Ar⸗ beitern, insbesondere wird den jugendlichen Arbeitern in den meisten Anlagen der Lohn unmittelbar ausgehändigt, falls nicht etwa die Eltern oder ältere Angehörige in demselben Betriebe beschäftigt sind, oder sich zur Empfangnahme des Lohnes in der Fabrik einfinden, in welchem Falle man auch wohl diesen den Lohn für den jugend⸗ lichen Arbeiter auszahlt. Sind auch in einem Theil der Aufsichtsbezirke Uebelstände aus der unmittelbaren Aushändigung des Lohnes an die jugendlichen Arbeiter nicht zur Kenntniß der Aufsichtsbeamten gelangt, so sind doch in anderen Bezirken mehrfach lebhafte Klagen darüber laut geworden, daß die jugendlichen Arbeiter den Eltern nichts oder zu wenig von dem verdienten Lohn abgeben und denselben leicht⸗ fertig im Wirthshause oder auf dem Tanzboden vergeuden. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, hat man in einzelnen Betrieben die von manchen Seiten nicht nur für Kinder und junge Leute, sondern für alle jüngeren oder für alle zur Führung eines Arbeitsbuchs verpflich⸗ teten Arbeiter (Düsseldorf) empfohlene Einrichtung getroffen, daß die jugendlichen Arbeiter Quittungsbücher erhalten, in welchen die Eltern oder deren Stellvertreter den Empfang des Lohnes zu bescheinigen haben. Im Aufsichtsbezirk Düsseldorf wurde durch den linksrheinischen Verein für Gemeinwohl schon seit längerer Zeit auf die Einführung der Lohnbücher hingewirkt. „So empfehlenswerth diese Einrichtung aber auch ist,“ heißt es in dem Bericht, „so schwierig erwies sich ihre Durchführung, und der Erfolg scheiterte nicht selten an der Gleich⸗ gültigkeit mancher Eltern. Die Erziehung der Kinder ist leider in rielen Arbeiterfamilien, wo meist die Frau mit verdienen muß, eine mangelhafte, und das Gefühl der Zusammengehörigkeit ein so lockeres, daß die Kinder, sobald sie Geld verdienen, sich eine Kontrole der Eltern überhaupt nicht gefallen lassen wollen. Wenn solche Kinder bei den Eltern wohnen bleiben, so zahlen sie ihnen nur das Kostgeld und ver⸗ brauchen den übrigen Lohn, wie es ihnen beliebt. Die Eltern wagen keine Einwände zu machen, weil die Kinder sonst einfach drohen, bei anderen Leuten in die Kost zu gehen. So weit der Wirkungskreis des genannten Vereins reicht, bilden indessen diese schlimmen Vor⸗ kommnisse, wie es scheint, eine seltene Ausnahme; außerhalb, und namentlich in den Centren der Eisenindustrie, werden jedoch von den

Unternehmern bittere Klagen darüber laut, ohne daß jedoch bisher

energische Anstrengungen bemerkbar wurden, gegen die Uebelstände vor⸗

zugehen.“

SIueeiterbeweohnng.

In einem an alle Direktoren des Kohlenbeckens von Mon gerichteten Schreiben fordert der Arbeiter⸗Bund unter Hinweis auf die glänzende Lage der Industrie eine 20 prozentige Lohnerhöhung.

Handel und Gewerbe.

Der erste Warschauer Hopfenmarkt hat in der Zeit vom 25. September bis zum 4. Oktober d. J. stattgefunden. Die Zufuhr an Hopfen betrug 1656 Pud, von denen 1011 während des Marktes verkauft worden sind. Die Ver⸗ kaufspreise stellten sich für das Pud netto: von den besseren Sorten auf 19 bis 33 Rubel, von den geringeren Sorte auf 16 bis 17 Rubel. Von Ausländern sind Ankäufe nicht gemacht worden. In West⸗Australien ist durch eine Regierungs⸗ Verordnung vom 21. August d. J. die Einfuhr von

Schweinen aus Europa und von allen Punkten außerhalb

der australasiatischen Kolonien verboten worden.

Der Aufsichtsrath der Berliner Weißbierbrauerei Aktiengesellschaft vorm. Carl Landré hat beschlossen, der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 9 % vor⸗ zuschlagen. Die vorjährige Dividende betrug 10 %. Der Minder⸗ gewinn, trotz eines Mehrabsatzes von ca. 6000 Tonnen, ist eine Folge der theuren Weizen⸗ und Futterpreise.

Die gestrige ordentliche Generalversammlung der Ver⸗ einigung⸗Gesellschaft für Steinkohlenbau im Wurm⸗ Revier wählte die ausscheidenden Mitglieder des Verwaltungsraths wieder. Die Berliner Aktionäre zogen ihre als Ergänzung zur Tages⸗ ordnung gestellten Anträge, betreffend die Erwerbung des Aachen⸗ Höngener Bergwerks und die Abänderung der Statuten zurück, legten gegen die Nichtzulassung von nicht eingeschriebenen Aktien und gegen die Gültigkeit der heutigen Generalversammlung wegen nicht ordnungs⸗

mäßiger Einberufung derselben Verwahrung ein und wollen eine neue 8

außerordentliche Generalversammlung beantragen. London, 22. Oktober. (W. T. B.) An der Küste 3 Werzen⸗ ladungen angeboten. 38 Manchester, 22. Oktober. (W. T. B.) 12r Water Taylor 7 ¾ 30r Water Taylor 9, 20r Water Leigh 8, 30r Water Clayton 8 ⅛,

32r Mock Brooke 8 ½⅝, 40r Mayoll 9, 40r Medio Wilkinson 10 ½,

32r Warpcops Lees 8 ½, 36r Warpcops Rowland 9½, 40r Doubl Weston 9 ⅞⅜, 60r Double courante Qualität 13 ⅛, 32“ 116 yds 16 % 16 grey Printers aus 321/46r 182. Ruhig.

New⸗York, 22. Oktober. (W. T. B.) Weizen⸗Ver schiffungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nach Großbritannien 44 000, do. nach Frankreich —, do. nach anderen Häfen des Kontinents do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 112 000, do nach anderen Häfen des Kontinents Orts.

22. Oktober. (W. T. B.) Der Werth der gangenen Woche ausgeführten Prod w 7 gegen 6 247 647 Doll. in der Vorwoch

in der ver

Submissionen im Auslande. 1 Pritisch Indien

9. Januar 1890, Bombay. Stadtverwaltung:

zweijährige elektrische Beleuchtung der Hauptstraße. II. Niederlande.

5. November, Mittags. Raad van Administratie der Konink lyke Militaire Academie zu Breda:

Abtheilung 1: Lieferung von 800 m dunkelblaues Tuch

kurze Jacken,

Probeweif

5000 m dunkelblaues Tuch für Beinkleider, Aermelwesten und

Kapotröcke, 60 m rothes Besatztuch, für die Kadettenuniformen sowie Lieferung des Jahresbedarfs 1890 an Kleidungs⸗, Ausrüstungs⸗ ꝛc. Gegenständen, mit Ausnahm von Socken.

Auskunft beim Kapitein⸗Kwartiermeester der genannten Akademie Einschreibung muß durch in den Niederlanden wohnhafte Persone erfolgen.

III. Rumänien.

5. November, 2 Uhr. Jassy. Stadtverwaltung: schmiedeeiserne Röhren von 78 mm innerem Dutrchmesser, nebst ver schiedenem Zubehör.

Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs⸗Anstalten.

Dem Bericht über die Verwaltung der Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen und der Wilhelm⸗Luxemburg

Eisenbahn im Rechnungsjahr 1888/89 entnehmen wir nach der „Straßb. Post“ folgende Mittheilungen: Die Gesammteinnahm

ist von 49 564 198 auf 50 065 880 ℳ, also um 501 682 = 1,0 % gestiegen, 1 28 947 546 auf 29 650 411 ℳ, also um 702 865 = 2,4 % aufweist, sodaß der Betriebsüberschuß des Jahres 1888/89 gegen den jenigen des Vorjahres sich um 201 183 = 0,9 % geringer stellt. Beim Personenverkehr ist die Gesammtzahl der beförderten Per⸗ sonen von 12 647 753 au 12 627 870, die erzielte Einnahme von 10 173 167 auf 9 761 89 gesunken. Besser haben sich dagegen

1661 m

während die Betriebsausgabe eine Steigerung von