—nö
Hänle gegen die Erhöhung für die Großbrauereien und sodann der Finanz⸗Minister Dr. von Riedel. Der Minister rechtfertigte, dem „W. T. B.“ zufolge, die Ermäßigung der Malzsteuer für die Kleinbrauer und die Erhöhung derselben für die Großbrauer mit der Einführung des Fabrik⸗ betriebes statt der früheren handwerklichen Bierbrauerei eit Einführung des erhöhten Malzaufschlags. Vom ahre 1876 bis zum Jahre 1888 habe der jährliche Verbrauch der Kleinbrauer an Malz um 400 000, derjenige der Großbrauer um 900 000 hl zugenommen. Die gesammte Bierproduktion Bayerns habe seitdem um 108 Prozent, der Export um das Vierfache, der Export in das
Ausland um das Sechszehnfache zugenommen. Der
Gesetzentwurf, schädige keineswegs den Export, sondern führe die nothwendige ausgleichende Gerechtigkeit her⸗ bei. Eine noch mehr verschärfte Konkurrenz im Inland als
Folg⸗ des Gesetzes sei nicht denkbar. Gerade der unersättliche
onkurrenztrieb habe die Einbringung eines neuen Malz⸗ aufschlages beschleunigt. Der Finanz⸗Minister erklärte sich schließ⸗ lich allenfalls dazu bereit, den Steuerzuschlag von je 25 % erst bei 40 000 hl Malzverbrauch und den Zuschlag von 50 Jerst bei einem solchen von 70 000 einzuführen. Die angedrohte Echöhung der Bierpreise um 2 ₰ pro Liter sei ungerechtfertigt, da der Steuerzuschlag nur ¼ ₰ ausmache. Der Gesetzentwurf nehme das Interesse des ganzen Landes wahr. Die Debatte wurde schließlich auf morgen vertagt.
Sachsen. Dresden, 29. Oktober. Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg, Herzog zu Sachsen, und Höchst⸗ dessen Familie haben, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, heute das Palais auf der Langestraße bezogen.
Württemberg. Ludwigsburg, 27. Oktober. (St.⸗A f. W.) Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Wilhelm ist heute Mittag von dem etwa dreiwöchentlichen Besuche bei
ihren erlauchten Eltern in Böhmen hierher zurückgekehrt. Se.
Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm war mit der Prinzessin Pauline bis Marbach seiner hohen Gemahlin entgegengefahren und kam mit Höchstderselben auf dem hiesigen Bahnhofe an, wo beide hohe Herr⸗
schaften von dem zahlreich anwesenden Publikum wärmstens
begrüßt wurden. Nachmittags begaben sich Höchstdieselben
bb nach Stuttgart, statteten Ihrer Königlichen Hoheit
er Prinzessin Catharina einen längeren Besuch ab und
nahmen hierauf an der Hoftafel bei Ihren Majestäten Theil. Nach Aufhebung der Tafel kehrten Ihre Königlichen Hoheiten hierher zurück.
Baden. Karlsruhe, 27. Oktober. Am Freitag haben
die Landta swahlen im 2. Bezirk (Meßkirch) und im 47. Bezirk (Mannheim) stattgefunden, wo die national⸗
liberalen Bewerber gewählt worden sind. Es stehen nunmehr
noch zwei Ersatzwahlen aus. Gegen die Freiburger Wahl
wurde Seitens der ultramontanen Wähler Einsprache erhoben, da
angebhlich ein neuer Wahlgang an einem späteren Wahltage hätte
vorgenommen werden sollen, nachdem der erste ergebnißlos ge⸗ wesen und ein großer Theil der Wähler weggegangen war. Die Wahl des liberalen Bewerbers wurde aber von dem Wahlkom⸗ missar, welcher den zweiten Wahlgang unmittelbar nach dem ersten vornehmen ließ, für gültig erklärt, und nun wird die Kammer über die Gültigkeit dieser Wahl zu entscheiden haben. Der neuen Kammer werden, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, 46 liberale, 13 ultramontane, 2 demokratische Mitglieder, sowie 1 deutsch⸗ freisinniges und 1 konservatives angehören; die beiden letzteren werden voraussichtlich in entscheidenden Fragen stets mit der Mehrheit gehen. Die amtliche „Karlsruher Ztg.“ spricht sich über den Ausfall der Wahlen befriedigt aus, da es in der neuen Kammer keinen Zwiespalt zwischen der Mehr⸗ heit und der Regierung geben werde.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 29. Oktober. (Meckl. Nachr.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog sowie Ihre Kaiserlichen Hoheiten die Großherzogin und
die Großfürstin Wladimir trafen am 27. d. M. in Paris
ein. Das Befinden Sr. Königlichen Hoheit ist besser, jedoch
muß der Großherzog heute das Zimmer hüten. Die Weiter⸗
reise nach Cannes erfolgt wahrscheinlich morgen.
Waldeck. Arolsen, 28. Oktober. Der zur diesjährigen verfassungsmäßigen Sitzung einberufene Landtag der Fürsten⸗ thümer Waldeck und Pyrmont wurde heute Mittag 12 Uhr
im landständischen Sitzungssaale im Gerichtsgebäude dahier
von dem Königlichen Landesdirektor Hrn. Saldern mit nachfolgender Rede eröffnet: Meine Herren! Von Sr. Majestät dem Könige von Preußen durch Allerhöchsten Erlaß vom 4. v. M. ermächtigt, den Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont zur diesjährigen verfassungsmäßigen Sitzung einzuberufen und zu eröffnen, begrüße ich Sie bei Ihrer Fentser Zusammenkunft mit dem Wunsche, daß Ihre Berathungen und Beschlüsse dem Lande zum Heil und Segen gereichen möchten. Ihre Mitwirkung wird in der bevorstehenden Session vor⸗ zugsweise bei der Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats für die Jahre 1890 bis 1892 in Anspruch genommen werden. Der Ent⸗ wurf dazu wird Ihnen alsbald nach seinem in kürzester Frist zu erwar⸗ tenden Wiedereingange von Berlin vorgelegt werden. Demselben liegt das Bestreben zu Grunde den wirklichen Bedürfnissen des Landes und allen Ansprüchen, welche berechtigter Weise an den Staat gestellt werden können, soweit die finanziellen Verhältnisse dies irgend ge⸗ statten, zu entsprechen. Namentlich auf zwei Gebieten wird darin den von den Betheiligten der Regierung wie dem Landtage wiederholt in dringlichster Form vorgetragenen Wünschen wohl Rechnung getragen ein. Zur Gewährung von Alterszulagen für die olksschullehrer wie auch zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekenntnisse werden, wie ich Grund habe zu hoffen, gewisse allerdings noch einigermaßen beschränkte Summen neu in den Etat eingestellt sein.
Ferner wird Ihnen ein Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung des Beitrages der Waldeigenthümer zu den Kosten der dem Staate obliegenden Verwaltung der Gemeinde⸗ und Korporations⸗Waldungen, und der Entwurf des Etats der Immobiliar⸗Feuerversicherungsanstalt für dee Jahre 1890 bis 1892 zur Berathung und Beschlußfassung zugehen.
Außerdem werden Ihnen die Staatskassenrechnung vom Jahre 1887, die Uebersicht über das Domanial⸗Stammvermögen, die Nach⸗ weisung über die Verwendung der zur Hebung der Pyrmonter Kur⸗
und Badeanstalten jährlich bestimmten 12 000 ℳ zur Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Rechte vorgelegt.
„Einige weitere Mittheilungen betreffen die Wahl eines Mit⸗ gliedes der Kommission für das Heimathwesen und dessen Stellvertreters, die Verwaltung der Registratur des Landtages, meine Antwort auf die Beschlüsse des vorjährigen Landtages,
etreffend die Erhöhung des den Gymnasiallehrern zu Korbach zu⸗ stehenden Wohnungsgeldzuschusses und die Erhöhung der Gebühren
der Bürgermeister bei der Klassensteuerveranlagung.
Im Namen Sr. Majestät des Königs von Preußen erkläre ich den Landtag der Fürstenthümer hiermit für eröffnet,
Reuß j. L. Gera, 29. Oktober. (Ger. Ztg.) In der heutigen Sitzung des Lundtages wurden zunächst Wahl⸗ rüfungen erledigt. Alsdann erfolgte die Wahl des Präf idiums. Zum ersten Vorsitzenden wurde abermals der Abg. Fürbringer gewählt, zum Vize⸗Präsidenten und zum Schriftführer die Abgg. Dr. Düger und Kanis. Schließlich wurde dann die Wahl der Ausschüsse vorgenommen.
Großbritannien und Irland. London, 29. Oktober. (A. C.) Hier eingelaufenen Nachrichten zufolge ist die dem Herzog von Edinburg in Lissabon zugestoßene Unpäß⸗ lichkeit keine ernste. In Coburg wird der Herzog, wohin er zunächst zurückkehrt, einen Monat bleiben und erst wieder im Dezember in Clarence House hierselbst eintreffen.
Aus Malta meldet ein Reuter'sches Telegramm, daß Prinz Ludwig von Battenberg daselbst am 27. d. an Bord des hritischen Truppenschiffes „Tamar“ angekommen ist.
Zur Feier der Kronprinzlichen Hochzeit in Athen wurde am Sonntag in der griechischen Sophienkirche hierselbst ein Tedeum celebrirt. Der griechische Gesandte, der deutsche Botschafter und die Geschäftsträger Rußlands und Dänemarks befanden sich unter den zahlreichen Anwesenden in der Kirche.
Belgien. Brüssel, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Präsident der britischen ostafrikanischen Gesellschaft, Mackinnon, und der Direktor derselben Gesellschaft, Mackenzie, sind hier eingetroffen.
Serbien. Belgrad, 29. Oktober. (W. T. B.) Die Königin Natalie hat gestern dem Metropoliten Michael einen Besuch abgestattet. b
Einer Meldung der „Narodny Dnewnik“ zufolge ist bereits ein Theil der auswandernden Montenegriner, ungefähr 1380 Personen, nach Serbien abgegangen und dürfte bereits am 1. November eintreffen.
Montenegro. Cettinje, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Fürst Nikita hat, der „Pol. Corr.“ zufolge, dem hiesigen österreichischen Minister⸗Residenten Oberst von Millinkovic den innigsten Dank ausgesprochen für die Bereitwilligkeit, mit welcher die bosnische Landesregierung Unterstützungen in Aussicht gestellt habe für die über das bosnisch⸗herzegowinische Gebiet nach Serbien auswandernden Montenegriner.
Amerika. New⸗York, 28. Oktober. (A. C.) Die Seekonferenz nahm heute ihre Sitzungen wieder auf. Nach Annahme einer Resolution, wonach die endgültigen Reglements und Vereinbarungen in englischer, französischer, deutscher und spanischer Sprache veröffentlicht werden sollen, schritt die Konferenz zur zweiten Lesung verschiedener Segelordnungen sowie der Zusätze dazu, von denen es bereits 86 giebt. Der Zusatzantrag, daß ein Dampfschiff unter Segel aber nicht unter
ampf als ein Segelschiff, und wenn unter Dampf, gleichviel ob es segele oder nicht, als ein Dampfer betrachtet werden solle, gelangte zur Annahme.
Die Mitglieder des Pan⸗Amerikanischen Kongresses besuchten gestern die Gold⸗ und Silberschmelzerei zu Omaha und reisten sodann von da nach St. Louis ab.
Nachrichten aus Haity zufolge hat am 16. d. M. in Port⸗au⸗Prince die feierliche Amtseinführung des Generals Hyppolite als Präsidenten der Republik Hayti stattgefunden.
— 29. Oktober. (W. T. B.) Der Minister des Aeußeren von Guatemala erklärt in einem Telegramm an den hiesigen Konsul die Gerüchte von einer daselbst aus⸗ gebrochenen Revolution für völlig unwahr. In der Provinz SantaRosa hätten zwar Unruhen stattgefunden, wären jedoch innerhalb dreier Tage unterdrückt worden; gegenwärtig herrsche überall vollkommene Ruhe.
Afrika. Egypten. Aus Kairo, vom 28. Oktober, wird den „Daily News“ gemeldet, daß Gerüchte über einen neuen Vorstoß der Derwische die Grenze erreicht haben. Die Derwische marschiren, wie es heißt, von Omdurman in nördlicher Richtung.
Das neue deutsche Schutzgebiet im südlichen Somali⸗ Land umfaßt, der „Köln. Ztg“ zufolge, zur Zeit eine Küstenstrecke von 35 Meilen Länge. Im Norden grenzt es an das dem Sultan von Zanzibar gehörige, nur zehn Quadratmeilen große Gebiet des Hafens Kismaju, welcher den Schlüssel zum Juba, dem größten Fluß des mittleren Ost⸗Afrika, und damit zu den weiten, gesegneten Län⸗ dern der Somali und Ealla bis nach Abessinien hin bilder. Der Haupthafen des neuen deutschen Gebietes liegt etwa unter 1° s. Br. an der Mündung des Flüßchens Wubuschi, wo vor drei Jahren die deutsche Station Hohenzollernhafen gegründet wurde. Im Süden schließt die deutsche Somali⸗Küste den Hafen von Kweio ein, von wo aus bekanntlich Dr. Peters mit der deutschen Emin Pascha Expedition seinen Marsch ins Innere antrat. Nicht weit von der Kweio⸗ Bai folgt nach Südwesten hin die Manda⸗Bucht, deren tiefer Einschnitt die Grenze zwischen Deutsch⸗Somali⸗Land und dem kleinen deutschen Witu⸗Lande bezeichnet. Letzteres reicht dann sürwestlich bis zu dem Tana⸗Flusse, der Nordgrenze der Interessensphäre der Britisch⸗ Ostafrikanischen Gesellschaft. Im Süden wie im Norden der letzte⸗ ren erstrecken sich also jetzt größere deutsche Schutzgebiete.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (5.) Sitzung des Reichstages, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ sekretär des Innern Dr. von Boetticher, der Staats⸗Minister von Verdy du Vernois, die Staatssekretäre Freiherr von Maltzahn⸗Gültz und Heusner sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident ein Schreiben des Reichskanzlers mit, nach welchem die Entwürfe für das Kaiser⸗Wilhelm⸗Denkmal vom 9. November ab für die Mitglieder des Reichstages aus⸗ gestellt sein werden.
Als erster Gegenstand stand auf der Tagesordnung die Berathung des von dem Abg. Letocha und Genossen ein⸗ gebrachten Antrages, betreffend die Einstellung des gegen das Mitglied des Reichstages Stoetzel bei dem König⸗ lichen Schöffengericht 18 Essen resp. bei dem Reichsgericht zu Leipzia schwebenden Strafverfahrens für die Dauer der Session.
Nach einer kurzen Begründung durch den Abg. Letocha gelangte der Antrag ohne weitere Debatte zur Annahme.
Darauf folgte die Fortsetzung der ersten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1890/91,
in Verbindung mit der ersten Berathung des Entwurfs eines!
Gese es, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für
Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine, der Reichseisenbahnen und der Post und Telegraphen, in weiterer Verbindung mit der ersten Be⸗ rathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aende rungen des Reichs⸗Militärgesetzes vom 2. Mai 1874.
Abg. von Wedell⸗Malchow empfahl eine gründliche Prüfung des Etats, meinte aber, daß die nothwendigen Aus⸗ gaben nicht würden verweigert werden können. Ueber die
großen Militärforderungen würden der Budgetkommission
Mittheilungen zu machen sein, die sich darnach über die Be⸗ willigung werde schlüssig zu machen haben. Die Armee müsse jedenfalls so ausgerüstet sein, daß sie jedem Gegner gewachsen sei. Die Beseitigung der Zuckerexport⸗ prämien, die der Abg. Rickert gewünscht, sei so lange nicht möglich, als andere Staaten dieselben zahlten; es würde sonst die blühende deutsche Zuckerindustrie ruinirt werden. Die „Liebesgabe“ von 20 ℳ an die Brenner, die nach dem Abg. Rickert in dem Branntweinsteuergesetz enthalten sei, sei nothwendig gewesen, wenn nicht das Brennereigewerbe der Vernichtung hätte preisgegeben sein sollen, die doch der Abg. Rickert und seine Freunde ebenfalls nicht wünschen könnten. Die Einführung der Reichs⸗Einkommensteuer würde, wenn sie praktisch werden sollte, auch bei dem Abg. Rickert auf Bedenken und Hindernisse stozein. Der Abg. Rickert habe sodann die Aufhebung der landwirthschaftlichen Zölle, die eine Ver⸗ theuerung der Lebensmittel zur Folge hätten, verlangt; warum habe er das nicht auch konsequenterweise für die Industriezölle gethan? Diese Zölle hätten die Landwirthschaft über Wasser gehalten und wieder kaufkräftig gemacht; mit der Aufhebung dieser Zölle würde das ganze Erwerbsleben der Nation ruinirt werden. Der Abg. Rickert habe mit seiner Rede nur die Sache der Sozialdemokraten gefördert. Den Vergleich mit Italien in Bezug auf die Freiheit könne Deutschland wohl aushalten; Redner selbst möchte mit den italienischen Verhältnissen die deutschen nicht vertauschen.
Bei Schluß des Blattes nahm der Abg. Bebel das Wort.
(Weitere „Parlamentarische Nachrichten“, insbesondere der Bericht über die gestrige Sitzung s. Beilage.)
Zeitungsstimmen.
1“
Das neue Sozialistengesetz steht noch immer im Vordergrunde der Betrachtung. So schreibt der national liberale Hamburgische Correspondent“:
„Legt man (in nationalliberalen Kreisen) nach den wiederholten Erfahrungen, die man mit dem koͤnstitutionellen Formalismus gemacht hat, wie es scheint, nicht mehr unbedingten Werth auf die Ablehnung eines dauernden Ausnahmegesetzes, will man seine Zustimmung zu diesem Vorschlage des Bundesraths nur wieder einmal möglichst ausgiebig verwerthen, um sich das Ansehen besonderer Selbständigkeit zu geben, so steht es doch außer allem Zweifel, daß man dem prinzipiellen Zugeständniß weder hat aus dem Wege gehen können noch wollen. Es fragt sich also, ob man es verantworten kann, in einer solchen staͤatlichen und nationalen Lebensfrage Fraktionspolitik zu treiben und damit die Entscheidung im Sinne einer vernünftigen Staatsleitung zu gefährden.
Wir laßen es dahingestellt sein, ob sich die verbündeten Regie⸗ rungen auf Grund sachlicher Erwägungen noch zu weiteren Milde⸗ rungen des Gesetzes herbeilassen können; aber es wäre für beide Theile ein trauriges Schauspiel, wenn sie dieserhalb von einer regierungs⸗ freundlichen Partei in eine Zwangslage versetzt würden. So großen Werth wir deshalb auch darauf legen, daß das neue Gesetz ohne Frist⸗ bestimmung erlassen wird, können wir es doch nicht befürworten, daß sich der Bundesrath in diesem Punkte mit dem Reichstage in einen Handel einläßst. Gerade den Wünschen der Nationalliberalen sind die verbündeten Regierungen so bereitwillig entgegengekommen, daß ihnen eine moralische Verpflichtung obliegt, einer entsprechenden Erledigung der Vorlage nicht unnöthige Schwierigkeiten zu bereiten. Dazu kommt, daß wohl selten ein Vorschlag so vortrefflich begründet wurde, wie es diesmal mit der Befürwortung einer unbeschränkten Geltungsdauer des Gesetzes geschehen ist. Es ist sicher richtig, daß sich in dem oorliegenden Falle eine Fristbestimmung nur auf die An⸗ nahme zuröckführen läßt, daß der Zweck des Gesetzes ein vorüber⸗ gehender set, oder dan sich seine Bestimmungen als ungeeignet erweisen würden. Der Sozialismus ist indessen, wie jetzt Jeder zugeben muß, keine vocübergehende Krankheit, sondern ein chronisches Uebel, und Niemarnd kann ernstlich bestreiter, daß sich die Bestimmungen des Gesetzes bewährt haben. Wenn es aber etwas giebt, was geeignet war, die Wirkung des Gesetzes abzuschwächen, so war es die Frist⸗ bestimmung, die es zu einem provisorischen, also zu einer halben Maßregel machte. Vor einem solchen Gesetze konnte zumal die Masse der Bevölkerung von vornherein nicht den erforderlichen Re⸗ spekt haben, und wenn sie ihn trotzdem hatte, wurde er ihr syste⸗ matisch durch die Agitation ausgetrieben, die sich jedesmal an die sich in kurzer Frist im Reichstage über seine Verlängerung erneuernden Debatten knüpfte. Es sind das so durchschlagende Gründe, daß vor ihnen selbst Hr. Windthorst die Waffen strecken muß. Geben wir deshalb die Hoffnung auf einen guten Verlauf der Sache nicht auf.“
In der gleichen Richtung bewegt sich ein Artikel der „Kölnischen Zeitung“, in welchem es heißt:
„Die Nationalliberalen haben sich lange mit der Hoffnung ge⸗ tragen, das Sozialistengesetz durch gemeinrechtliche Bestimmungen, welche die Umsturzbewegung von allgemeinen Gesichtspunkten aus zu treffen hätten, entbehrlich machen zu können. Der theoretische Fanatismus für die gemeinrechtliche Regelung war allerdings innerhalb der nationalliberalen Partei stets in sehr verschiedenen Graden ent⸗ wickelt. Die Ueberführung der unentbehrlichen Bestimmungen des Sozialistengesetzes in das gemeine Recht würde selbstverständlich eine Verschärfung des Straf⸗ und Preßgesetzes, eine Einschränkung der allgemeinen bürgerlichen Freiheit darstellen. Wir halten nun die gemeinrechtliche Regelung für ein Ideal, für ein richtunggebendes Ziel, aber wir sind nicht geneigt, auf dem Altar dieses Ideals allzu kostbare Opfer der gekennzeichneten Art dar⸗ zubringen. Manche unserer Parteifreunde ließen sich nicht so leicht durch die Schwierigkeiten abschrecken. Wir standen deshalb im Früh⸗ jahre dem ersten praktischen Versuch einer Lösung in dieser Richtung, über welche eine Einigung der Kartellparteien nur schwer zu erzielen sein würde, von vornherein sehr zweifelnd gegenüber. Als demgemäß im Frühjahre die bekannte Straf⸗ und Preßgesetznovelle an dem Widerspruch der nationalliberalen Presse und Partei gescheitert war, erklärten wir, es käme nunmehr darauf an, an deren Stelle ein gemil⸗ dertes, mit Rechtsbürgschaften umgebenes, aber dauerndes Spezialgefetz zu setzen; insbesondere sollten an die Stelle der Anordnungen der Ver⸗ waltungsbehörden und der Entscheidungen der Beschwerdekommission die Wahrsprüche der höchsten Gerichte treten. Das neue Sozialistengesetz ist in dem also bezeichneten Sinne ausgebaut worden. In der Presse tritt nunmehr die Ansicht hervor, die Nationalliberalen dürften auf die periodische Fristbestimmung nur unter der Bedingung verzichten, daß noch weitere Milderungen in das Gesetz aufgenommen würden. Wir unserseits halten es für gänzlich unangebracht, die Frage der Dauer oder der Fristbestimmung unter den Gesichtspunkten eines parlamentarischen Handelsgeschäfts zu betrachten. Man übt keine Entsagung, man leistet keinen Verzicht, wenn man eine Forderung durchsetzt, welche man aus wohlerwogenen Gründen auf⸗ gestellt hat. Wir haben nun aber im Eintlang mit der „National⸗ liberalen Correspondenz“ wiederholt die Gründe dargelegt, welche uns
eine dauernde Regelung, eine Ausscheidung der Frage des Schutzes der bürgerlichen Gesellschaft aus dem agitatorischen Parteitreiben als wünschenswerth erscheinen lassen. Wir betrachten es als die Folge⸗ erscheinung einer naiven und veralteten Vorstellung, wenn man die Sache so zu wenden sucht, als thäten die Parteien der Regierung einen Gefallen, wenn sie ihr eine Waffe gegen die Umsturzbewegung
vertrauensvoll in die Hand geben. Die bürgerlichen Wählerkreise, welche den Dingen und Pes e⸗ etwas näher stehen, verlangen einen
Schutz; sie sind der Ansicht, daß die Regierung lediglich eine Pflicht gegen die gewerbefleißige Bevölkerung erfüllt, wenn sie die Gesellschaft
mit einem schützenden Wall umgiebt, und sie würden jeder bürger⸗
lichen Partei übel mitspielen, welche sich bei der gesetzgeberischen Be⸗ handlung dieser Frage von doktrinären Anschauungen leiten ließe.“
In einem anderen Artikel sagt dasselbe Blatt, indem es das Sozialistengesetz als „eine Korrektur des demokratischen Wahlsystems“ bezeichnet:
. In Deutschland besitzt. jeder, er mag geistig und wirthschaftlich ein Millionär oder ein armer Tropf sein, das gleiche Wahlrecht; die ungeheure Mehrheit der Ungebildeten hat verfassungsmäßig das Recht, die Gebildeten an der Wahlurne zu vergewaltigen und der milden Weisheit des vornehmen Denkers den bunten Trödel des demokra⸗ tischen Schreiers vorzuziehen. Wenn nun Angesichts der eigenthüm⸗
lichen Art, wie in Deutschland die Dinge neben einander liegen, irgend.
Jemand aus dem Bürgerthum einen Schutz der Arbeiter gegen Ver⸗ hetzung, einen Schutz der Gesellschaft gegen dräuende Umsturz⸗ bestrebungen für überflüssig und zwecklos bält, so beneiden wir ihn um seine Naivetät, aber ganz gewiß nicht um seinen Muth. Zählt
man unz aber in langer Reihe die unerfreulichen Nebenwirkungen des
Sozialistengesetzes auf, so sind wir gern bereit, diese Schattenseiten unbesehen zuzugestehen, ja, die Liste derselben noch zu verlängern, aber wir würden dennoch unerschütterlich bei der Ueberzeugung ver⸗
harren, daß der Staat weitgehende gesetzliche Machtmittel zu seiner Verfügung haben muß, wenn anders unsere bürgerliche Gesellschaft vor sehr üblen Erfahrungen behütet werden soll.“
Die Festlichkeiten in Athen.
v ◻ Athen, 25. Oktober. Erst seit gestern Nachmittag läßt sich ein Urtheil fällen über die Ausschmückung der Feststraße, durch welche Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin⸗Braut Sophie von Preußen ihren Einzug in die künftige Heimath halten wird, und über den Platz vor dem Königlichen Schlosse, der auf ganz eigenartige Weise dekorirt worden ist. Das Schloß selbst, aus Sandstein aufgeführt, bildet eben keinen Pracht⸗ bau; namentlich sind die 3 Mittelfenster im zweiten Stockwerk keine Zierde der Königlichen Residenz. Aber die 10 Säulen, welche den Bealkon des ersten Stockes tragen, verleihen der Wohnung des Koͤnigs⸗ paares doch einen Schmuck, wenn auch wieder der Schloßplatz mit einem natürlichen, ungepflasterten Boden das Ganze nicht verschönt. Man hat aber doch durch Herstellung von zu beiden Seiten sich hin⸗ iehenden Gängen in Bogenform wirklich einen anmuthenden Eindruck hervorgerufen. Diese bogenartigen Gänge sind durchweg mit dichten Myrthenzweigen bekleidet und oben mit weißen Kugellampen in dichter Reihe, die einzelnen Ständer wieder mit Illuminationskörpern n verschiedener Form, versehen worden, so daß das Ganze einen nalerischen Anblick bietet. Die beiden zur Rechten und Linken des Schlosses liegenden runden Beete, aus deren Mitte mehrere hohe Palmen hervorragen, weisen große Aloen und blühende Oleander auf, nd vor ihnen, mehr der auf den Konstitutionsplatz führenden Terasse zu, rheben sich zwei riesenhohe Mastbäume, die dadurch Pyramidenform rhalten, daß von oben nach unten immer größer werdende, durch Kettchen verbundene eiserne Ringe die mit einem Ballon in den riechischen Farben (blau⸗weiß) gekrönten Mastbäume umgeben. An iesen nach unten sich immer mehr erweiternden eisernen Ringen sind ahlreiche bunte Illuminationsgläser angebracht, welche im Verein mit den übrigen Beleuchtungskörpern eine magische Wirkung hervor⸗ ringen. Vom Schlosse aus gesehen, erhält das Arrangement durch en am Konstitutionsplatze, unmittelbar vor dem Eingang in die Hermesstraße erbauten Triumphbogen gewissermaßen seinen Abschluß. Letzterer zeigt einen Säulenbau, oben durch Amphoren an den vier Ecken gekrönt, und zwischen denselben die Figuren der Athene und es Apollo (allerdings doppelt, nämlich auf beiden Seiten die⸗ selben Figuren) tragend. Wie die Laubgänge zu beiden Seiten des Königlichen Schlosses, so sind auch die in einzelnen Straßen angebrachten zahlreichen Durchfahrtbogen, die eigens zu diesem Zwecke gezimmert worden, mit Myrthenzweigen dicht umwunden. Die Feststraße selbst ist mit zahlreichen niedrigeren, durch Myrthen⸗ guirlanden verbundenen Mastbäumen in den griechischen Nationalfarben zu beiden Seiten besetzt, in der Mitte mit deutschen und griechischen Wappenschildern versehen und an dem oberen Ende mit Fähnchen in deutschen und griechischen Farben geschmückt. J⸗ der Mitte der Sta⸗ dionstraße erhebt sich ein Triumphbogen, ebenfalls wie jener am Kon⸗ stitutionsplatze von Säulen getragen Auch die Häuser der Einzugs⸗ straße haben bereits Fahnen⸗ und Teppichschmuck angelegt. Wenn auch vriechische Flaggen vorherrschend sind, so fehlt doch die preußische und deutsche Flagge keineswegs, sie ist sogar sehr zahlreich in dem Festschmuck vertreten.
Die hervorragenden Plätze und Straßen tragen bezüglich ihrer Ausschmückung denselben Charakter wie die hier kurz beschricbene Stadionstraße, sodaß eine eingehendere Schilderung wohl übergangen werden kann.
Hervorgehoben zu werden verdient, daß in der hiesigen Be⸗ völkerung die bevorstehende Vermählung des Kronprinzen mit der Schwester des Deutschen Kaisers mit großer Genugthuung begrüßt wird. Ueberall prangen die Bilder des jungen Brautpaares. Alle 1““ die Porträts Höchstdesselben, und die Händler finden guten Absatz.
Gestern Abend resp. um Mitternacht schiffte sich der Königliche Faftech um nach Kalamaki zu fahren. Nach dem Empfang in Korinch begeben Sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften dorthin, schiffen Sich auf dem Königlichen Dampfer „Miaulis“ ein und fahren nach dem Piräus, wo, wie bekannt, die Landung und zwar nach neuerer Bestimmung im kleinen Hafen erfolgt. Auch der Piräus ist selbstverständlich herrlich geschmückt, und vor Allem macht das Empfangszelt am Bahnhof, in deutschen und griechischen Farben dekorirt, einen vortheilhaften Ein⸗ druck. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin⸗Braut wird daselbst vom Dimarchen (Bürcermeister) in einer kurzen Ansprache begrüßt werden; dasselbe wird hier in Athen am Bahnhof Seitens des hiesigen Dimarchen geschehen. So viel bis jetzt feststeht, werden die König⸗ lichen Majestäten mit ihren Allerhöchsten und Höchsten Gästen am Abend der Illumination eine Spazierfahrt durch die erleuchteten Straßen der Stadt unternehmen.
Ueber das neue Heim Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Sophie, das Kronprinzliche Palais, ist nur zu berichten, daß das⸗ selbe zwei Etagen hoch erbaut ist und außer den übrigen Räumlich⸗ keiten 13 Zimmer speziell zur Benutzung der Neuvermählten enthält. Bemerkenswerth erscheint im Arbeitszimmer Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen ein Geschenk Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich: das ꝛPorträt Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Sophie, von der Kaiserlichen Mutter selbst gemalt. Im Allgemeinen sind die verschiedenen Zimmer einfach, aber dabei doch elegant ausge⸗ stattet. Die fürsorgliche Kaiserliche Mutter hat so manches Stück für die sich vermählende Tochter selbst gearbeitet oder ausgesucht und hergeschickt. Auch befindet sich in den der Prinzessin manch lieb gewordener Gegenstand, der die Reise aus Deutschland hierher gemacht hat, um von der jungen Fürstlichen Braut später nicht ver⸗ mißt zu werden.
In den Straßen wogt bei Postschluß eine unzählbare Menschen⸗ menge; aus allen Theilen des Landes haben sich zahlreiche Familien auf den Weg gemacht, um Zeugen des Einzuges der deutschen Prin⸗ zessin zu sein.
— Aus dem „W. T. B.“ liegen über den Besuch Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin in Athen sowie die dortigen Festlichkeiten folgende Nachrichten vor:
Der gestern Abend im Königlichen Schlosse stattgehabte Hofball war überaus zahlreich besucht, sodaß den Allerhöchsten Herrschaften sogar der Rundgang durch die geladene Menge erschwert war. Se. Majestät der Kaiser, Allerhöchst⸗ welcher die Gala⸗Uniform der Gardes du Corps trug, führte Majestät die Königin von Griechenland,
e. Majestät der König von Dänemark Ihre Majestät die Kaiserin.
Heute haben sich Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin nach dem Landgute des Königs, Tatoi, begeben.
Heute Nachmittag findet die Generalprobe zu der Auf⸗ führung der e an statt.
Die Abreise Ihrer Majestäten nach Konstantinopel ist auf morgen Nachmittag festgesetzt.
Statistik und Volkswirthschaft.
Die Bewegung der Bevölkerung im bremischen Staate während des Jahres 1888.
Nach dem „Jahrbuch für Bremische Statistik“ betrug am 1. De⸗ zember 1888 die Wohnbevölkerung des bremischen Staates 172 802 Köpfe, von welchen 123 545 auf Bremen, 3782 auf Vegesack, 14 583 auf Bremerhaven und 30 892 auf das Landgebiet entfielen. Gegen 1887 nahm die Bevölkerung um 2,13 % zu. Jedoch war die Be⸗ völkerungszunahme nicht eine allgemeine, da die Einwohnerzahl Vege⸗ sacks um 2,65 % herabging. Dagegen hatten Bremen, Bremerhaven und das Landgebiet einen Bevölkerungszuwachs von 1,67, 0,97 und 5,25 % zu verzeichnen. Nach den Hauptaltersklassen gesondert, be⸗ fanden sich unter der Wohnbevölkerung des bremischen Staates 2,15 % im Alter bis zu 1 Jahre, 9,13 % im Alter über 1 bis 5 Jahre, 22,89 % im Alter über 5 bis 10 Jahre, 28,10 % im Alter über 15 bis 30 Jahre, 25,11 % im Alter über 30 bis 50 Jahre und 12,62 % im Alter über 50 Jahre.
Die Zahl der im Jahre 1888 Geborenen bezifferte sich auf 5369; es kam auf 32,19 Einwohner 1 Geborener. Unter den Geburten, welche verhältnißmäßig zahlreicher im Landgebiet als in den Städten vorkamen, waren 6,22 % uneheliche, 3,50 % Todte und 1,34 % Mehr⸗ geburten. Von den ehelich Geborenen kamen 3,38 %, von den un⸗ ehelich Geborenen 5,39 % todt zur Welt. Bemerkenswerth ist es, daß das Landgebiet sowohl hinsichtlich der unehelichen Geburten, als auch hinsichtlich der Todtgeburten die höchsten Verhältnißzahlen hatte. Dem Geschlecht nach waren unter den Geborenen 51,37 % männlich und 48,63 % weiblich. Die meisten Geburten kamen im März (9,44 %), die wenigsten im Dezember (7,58 %) vor.
Die Zahl der im Jahre 1888 Gestorbenen, einschließlich der Todtgeborenen, betrug 33,72 %; es entfiel 1 Gestorbener auf 51,25 % Lebende. Die relative Sterblichkeit war im Landgebiet ungleich größer als in den Städten, von welchen Vegesack die günstigsten Verhältniß⸗ zahlen hatte. Von den Gestorbenen ohne die Todtgeborenen standen 27,01 %, also über ein Viertel, im Alter bis zu 1 Jahre, 11,93 % im Alter über 1 bis 5 Jahre, 5,56 % im Alter über 5 bis 15 Jahre, 9,05 % im Alter übex 15 bis 30 Jahre, 16,30 % im Alter über 30 bis 50 Jahre und 30,15 % im Alter über 50 Jahre; dem Geschlecht nach waren 52,91 % männlich und 47,09 % weiblich. Von sämmtlichen Sterbefällen, einschließlich der Todtgebunten, ereigneten sich die meisten im Januar (9,52 %), die wenigsten im Juli (6,58 %). Die relativ meisten Sterbefälle erfolgten in Folge von Lungenschwindsucht; sie betrugen 18,72 %, während dieses im Jahre 1887 mit 17,85 % der Fall war. Erheblich weniger Opfer als im Jahre 1887 forderten die Masern während des verflossenen Jahres unter der Kinderwelt. Im ersteren Jahr erlagen dieser Krankheit 2,51 %, im letzteren da⸗ gegen nur 1,21 % der Gestorbenen. Der Uebherschuß der Geborenen über die Gestorbenen betrug im Verhältniß zur Bevölkerung 1,18 %.
Im Jahre 1888 wurden 1443 Ehen geschlossen; auf 119,8 % kam 1 Eheschließung. Die verhältnißmäßig meisten Ehen wurden im Landgebiet, die wenigsten in Bremerhaven eingegangen. Die Ehe⸗ schließenden waren dem Civilstande nach bei 79,76 % der Paare bis dahin Unverheirathete, bei 4,71 % lebdige Männer und Wittwen bezw. geschiedene Frauen, bei 11,16 % Wittwer bezw geschiedene Männer und Jungfrauen und bei 4,37 % Verwittwete bezw. Geschiedene. Unter den Eheschließenden männlichen Geschlechts waren 84,47 %, unter den weiblichen 90,92 % bis dahin ledigen Standes. Von den Junggesellen heiratheten vorzeitig (vor dem zwanzigsten Jahre) 0,41 %, frühzeitig (im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren) 25,59 %, rechtzeitig (im Alter von fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahren) 65,47 %, nachzeitig (im Alter von fünfunddreißig bis fünfzig Jahren) 8,20 % und verspätet (im Alter über fünfzig Jahre) 0,33 %; von den Jungfrauen vorzeitig 8,08 %, frühzeitig 46,88 %, rechtzeitig 39,63 %, nachzeitig 5,10 % und verspätet 0,31 %. Was die Fräͤchtbarkeit der Ehen anlangt, so entfielen auf 1 Eheschließung 3,49 % Geborene. Die Ehen im Landgebiet waren fruchtbarer als die in den Städten.
Der Ueberschuß der Zuzüge über die Wegzüge berechnet sich für das Jahr 1888 auf 0,95 % der Wohnbevölkerung.
Zur Arbeiterbewegung.
Wie dem „Journal des Débats“ aus Lille vom 28. gemeldet wird, sind am Tage vorher lin Dovignies, Roast⸗Warendin, Sinele⸗ Noble und Wazier Versammlungen strikender Arbeiter abgehalten worden, in denen die Fortsetzung des Ausstandes beschlossen wurde. In Lens scheint sich die Lage zu bessern. In Marles und Noeux ist die Arbeit vollständig wieder aufgenommen worden, in Fairfax striken von 800 Arbeitern noch 300.
Kunst und Wissenschaft.
Dem am 29. Oktober gestorbenen Kanzler der Universität von Tübingen, Professor Rümelin, widmet der „Staatsanz. f. W.“ folgenden Nachruf: „Württemberg verliert in dem Kanzler einen seiner ersten Geister, der König einen erprobten, aufrichtig ergebenen Diener, die Universität einen ihrer geistigen Führer, Deutschland einen überzeugungstreuen Patrioten, die Wissenschaft eine ihrer ersten Leuchten und die deutsche Schriftstellerwelt eines ihrer verehrungs⸗ würdigsten Häupter, einen von der alten Schule, welcher bei allem Realismus der Weltanschauung einen ideal schönen Stil schrieb, der ihm einen Platz unter den Klassikern der deutschen Prosa sichert.“
— Ueber das für den Physiker Ohm geplante Denkmal schreibt die M. „Allg. Ztg.“: Im Jahre 1889 hat sich ein Jahr⸗ hundert vollendet seit der Geburt des Physikers Georg Simon Ohm (geb. zu Erlangen am 16. März 1789, gest. als Professor an der Universität zu München am 6. Juli 1854). Die hohe Bedeutung der Entdeckungen Ohm's ist heut zu Tage allgemein anerkannt. Der in Paris im Jahre 1881 abgehaltene Kongreß der Elektriker beschloß, die damals eingeführte und jetzt allgemein angenommene Maßeinheit des elektrischen Leitungswiderstandes, welchen Begriff Ohm zuerst entwickelt hat, nach ihm zu benennen, so 5 der Name „Ohm“ jetzt täglich überall genannt wird, so weit Telegraphendrähte den Erdball umspannen, so weit elektrische Leuchten die Nächte erbellen. Die Pflicht der Dankbarkeit gebietet, daß die Nachwelt, welche die reichen Früchte genießt, deren Saat er streute, das Andenken des bahnbrechenden Entdeckers aus Anlaß seines hundertjährigen Geburtstages auch durch ein sichtbares Denkmal ehre. Um diese Ehrenschuld einzulösen und dem Andenken des geistvollen Forschers auch äußerlich zu huldigen, hatte sich ein Comité gebildet für Errichtung eines Standbildes in München, der Hauptstadt seines engeren Vaterlandes. Auch für Erlangen, seine Geburtsstadt, ist, falls die Mittel reichen, ein Denkmal in Aussicht
l genommen. Ueber die bisher bei der Hauptsammelstelle, dem Bank⸗
hause Merck, Finck u. Comp. in München, eingegangenen Beiträge
liegt nun die erste Rechnungslegung vor. Es gingen ein in München 2099 ℳ, in Deutschland 8920 ℳ 24 ₰, England 2332 ℳ 8 ₰, Frankreich 10 020 ℳ, Italien 1730 ℳ, Niederlande 10 ℳ, Oest er⸗ reich 162 ℳ 38 ₰, Schweiz 124 ℳ, Amerika 1041 ℳ 10 ₰. Die Gesammtsumme beträgt 24 339 ℳ 80 ₰.
— In dem mit den Büsten des Prinz⸗Regenten Luitpold und des hochherzigen Stifters Dr. jur. Karl Remeis sowie mit exotischen Pflanzen herrlich geschmückten Passagensaale zu Bamberg, fand am 24 Oktober, der M. „A. Z.“ zufolge, die feierliche Eröffnung der Sternwarte statt.
— Das Dresdner Museum der Antiken hat nach dem „Archäol. Anzeiger“ ein Marmorrelief aus Rom erworben, welches uns in den Laden eines antiken Fleischers einführt. Wir sehen einen länglichen Raum, durch einen Pfeiler in eine größere und eine kleinere Hälfte getrennt. In der größeren steht der Fleischer, vor ihm ein hoher, auf drei tüchtigen Beinen stehender Hackblock; hinter ihm hängt die Schnellwaage und ein Hackmesser; er selbst kerbt mit einem anderen Handmesser ein Rippenstück ein; über ihm, ganz wie bei uns, stehen nebeneinander eine Reihe Haken aus der Wand, an welchen bereits zugerichtete Portionen hängen: ein Rippen⸗ stück, eine Keule, die Schweinsknöchel, die Euter, ein Leckerbissen der Römer, ferner Lunge und Leber, endlich der beliebte Schweinskopf. Links, in der kleineren Abtheilung des Ladens, sitzt im Lehnsessel die Frau des Fleischers mit einem Rechnungsbuche auf den Knieen und unterstützt schreibend den Geschäftsbetrieb ihres Mannes. Ihr Haar⸗ putz weist auf antoninische Zeit.
— Der Marquis von Lorne eröffnete, wie die „A. C.“ mittheilt am 28. Oktober in Dundee die Victoria⸗Kunstgalerie, die mit einem Kostenaufwande von 13 000 Pfd. Sterl. zur Erinnerung an das Regierungsjubiläum der Königin Victoria gebaut worden ist.
8 Handel und Gewerbe.
Dem Geschäftsbericht der Brauerei Königstadt Aktien⸗ Gesellschaft pro 1888/89 entnehmen wir Folgendes: Für Hopfen und Gerste mußten erhebliche Mehrausgaben gemacht werden, und die Gerste ergab eine geringere Malzausbeute, als in 1887/88. Diese ungünstigen Umstände würden den Gewinn in einem noch höheren Grade geschmälert haben, wenn es nicht gelungen wäre, theilweise einen Ausgleich durch den um ca. 8480 hl vergrößerten Absatz herbei⸗ zuführen. Gebraut wurden 1888/89 111 792 hl, verkauft 108 031 hl gegen 98 355 resp. 99 548 hl im Vorjahre. Der Bestand betrug am 30 September 1889 32 116 hl gegen 28 355 hl am gleichen Tage des Vorjahres. Verbraut wurden vom 1. Oktober 1888 bis 30. Sep⸗ tember 1889 2 678 850 kg Malz. Hievon gehen ab der Bestand vom 1. Oktober 1888 239 375 kg Malz und die gekauften Posten von zusammen 471 327 kg, zusammen 710 702 kg Malz, bleiben 1 968 147 kg Malz, so daß zuzüglich des Bestandes am 30. Sep⸗ tember 1889 von 436 140 kg Malz 2 404 287 kg Malz in der eigenen Mälzerei, und zwar aus 3 151 999 kg Gerste während der Campagne 1888/89 produzirt worden sind. Der erzielte Gewinn be⸗ trägt 405 925 ℳ, davon erhält der neu gegründete Reservefonds 60 000 ℳ, die Tantièmen erfordern 21 926 ℳ und 324 000 ℳ ge⸗ langen als 9prozentige Dixidende an die Aktionäre zur Vertheilung. — Der Aufsichtsrath der Vereinigten Rheinisch⸗West⸗ fälischen Pulver⸗Fabriken hat beschlossen, der bevorstehenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 13 % vor⸗ zuschlagen und einen Vertrag mit verschiedenen Dynamitfabriken auf gemeinschaftliche Gewinn⸗ und Verlustbetheiligung sowie die dadurch und durch die erfolgte Kapital⸗Erhöhung bedingte Statut⸗Aenderun zur Genehmigung zu unterbreiten.
London, 29. Oktober. (W. T B.) An der Küste 1 Werzen ladung angeboten.
Manchester, 29. Oktober. (W. T. B.) 12r Water Taylor 7 ⅔
30r Water Taylor 9 ½, 20r Water Leigh 8, 30r Water Clayton 8 ½¾ 32r Mock Brooke 8 ⅞, 40r Mayoll 9, 40r Medio Wilkinson 10 ½ 32r Warpcoys Lees 8 ½, 36r Warpcops Rowland 9 ½, 40r Double Weston 9 ⅞, 60r Double courante Qualität 13 ⅛, 32“ 116 yds 16 % 16 Irey Printers aus 321/46r 182. Fest. St. Petersburg, 29. Oktober (W. T. B.) Ein Kaiser⸗ licher Ukas genehmigt die einmalige Ausgabe von 80 000 000 Kreditrubel Prämien⸗Pfandbriefe der Adelsbank behufs Konvertirung bezw. Rückzahlung von der Adelsbank ausgegebener 5 prozent. Pfandbriefe. Die neue Prämien⸗Anleihe bat den gleichen Verloosungsplan wie die von 1866 und ist in 36 ½ Jahren rückzahlbar. Die Gewinnziehungen beginnen am 1. Mai 1890, die Amortisations⸗ ziehungen erst 18965. Die Subskription auf die Anleihe findet nächsten Sonnabend, Montag und Dienstag bei der Staatsbank, der Diskontobank, der Internationalen Bank und der Wolga⸗Kama⸗Bank statt. Der Subskriptionspreis beträgt 215 Rbl. per Stück von 100 Rbl. nominal zuzüglich der Zinsen vom 15. November ab, von welchem Tage an die 5 prozentige Verzinsung der Stücke beginnt. Die Zahlung des Subskriptionspreises erfolgt in Raten zuzüglich 4 % Zinsen vom 15. November 1889 ab bis zum Zahlungstage und zwar: 40 Rbl. am 15. November 1889, 40 Rbl. am 28. Februar 1890, 55 Rbl. am 1. Mai 1890, 40 Rbl. am 1. November 1890, 40 Rbl. am 2. März 1891; die Posten vom 28. Februar 1890 inkl. ab zuzüglich 4 % Zinsen vom 15. November 1889. Sämmtliche Interimsscheine nehmen an allen Ziehungen Theil. Die Staatsbank beleiht alle Certifikate bis zum 2. März 1891 zu 4 % mit drei Viertheilen des eingezahlten Betrages.
New⸗York, 29. Oktober. (W. T. B.) Weizen⸗Ver⸗ schiffungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nach Großbritannien 25 000, do. nach Frankreich —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 22 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 50 000, do. nach anderen Häfen des Kontinents — Qrts.
— 29. Oktober. (W. T. B.) Der Werth der in der ver⸗ gangenen Woche ausgeführten Produkte betrug 6 342 553 Doll., gegen 7 023 903 Doll. in der Vorwoche.
b Submissionen im Auslande.
“
Oesterreich.
14. November, Mittags. Wien. Direktion der K. K. priv⸗ Kaiser Ferdinands⸗Nordbahn. Hochbauten anläßlich der Erweiterung der Bahnhofsanlage in Oswieczim, und zwar: 8
1 dreifaches Stationswächterhaus,
1 dreifaches Wächterhaus⸗Nebengebäude, 1 “ ha z Fundation für eine Brückenwaage sammt gemauertem Waag⸗ äuschen,
1 Wasserstationsgebäude für 2 Behälter,
1 Wasserstations⸗Brunnen, “
2 Entleerungsgruben, “
2 Wasserkrahn⸗Fundationen mit Tropfschächten
1 Lokomotivschuppen für 6 Maschinen,
1 W für 1 Lokomotiv⸗Drehscheibe,
1 Arbeiterabort.
Voranschlag 42 000 Fl.
Kaution 2100 Fl.
Verkehrs⸗Anstalten.
Hamburg, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Postdampfer „Teutonia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft hat, von Westindien kommend, heute Lizard passirt, und der Dampfer „Rhenania“ derselben Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas eingetroffen.
London, 29. Oktober. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Dane“ ist gestern auf der Heimreise von den Kanarischen Inseln abgegangen. 1
—. 30. Oktober. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer
Dunbar Castle“ hat gestern auf der Ausreise die Kanarischen