Tabackbau.
Das Septemberheft des Jahrgangs 1889 der „Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs“ enthält eine vorläufige Nachweisung über den Umfang des deutschen Tabackbaues im Jabre 1889. Im ganzen deutschen Zollgebiet sind hiernach 17 405 ha mit Taback be⸗ pflanzt worden, wogegen die im Jahre 1888 bepflanzte Fläche 18 032 ha umfaßt hatte. Nur in Elsaß⸗Lothringen, Württemberg, Anhalt und Braunschweig hat der Flächeninhalt der mit Taback be⸗ pflanzten Grundstücke im Vergleich zum Vorjahre an Umfang zuge⸗ nommen (im erstgenannten Direktivbezirk von 1543 ha im Jahre 1888 auf 1744 ha), wogegen in allen übrigen Direktivbezirken der Taback⸗ bau abgenommen hat, namentlich in Baden (6409 ha gegen 6643 ha im Vorjahre), Bayern (3424 ha gegen 3454 ha im Vorjabre), der Provinz Brandenburg (1926 ha gegen 2108 ha im Vorjahre), Pommern (888 ha gegen 983 ha im Vorjahre), dem Großherzogthum Hessen (488 ha gegen 618 ha im Vorjahre), Hannover (484 ha gegen
519 ha im Vorjahre) und Westpreußen (474 ha gegen 496 ha im 4 1 8
Vorjahre).
1“
Handel und Gewerbe.
Nach einer Bekanntmachung der Madrider Stadtverwaltung wird am 11. d. M. die 52. Ziehung der 1868er Stadtanleihe behufs Tilgung von 3000 Obligationen stattfinden. Die Auszahlung der gezogenen Obligationen geschieht zum Course von einer Peseta für jeden Franken im Januar k. J.
Wien, 4. November. (W. T. B.) Ausweis der Karl⸗ Ludwigsbahn (gesammtes Netz) vom 21. bis 31. Oktober: 280 572 Fl., Mindereinnahme 3229 Fl., die Einnahmen des alten Iih gr etngen in derselben Zeit 222 385 Fl., Mehreinnahme 220 1
—. 5. November. (W. T. B.) Die österreichisch⸗ ungarische Bank erhöht den Wechseldiscont auf 5 %, den Lombard⸗ zinsfuß auf 6 %.
London, 4. November. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 26. Oktober bis zum 1. November: englischer Weizen 4192, fremder 56 526, englische Gerste 2400, fremde 18 597, englische Malzgerste 22 382, fremde —, englischer Hafer 994, fremder 87 799 Orts. Englisches Mehl 20 868, fremdes 32 261
Sack und 95 Faß.
Glasgow, 4. November. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 6600 gegen 7500 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 4. November. (W. T. B.) Wolle fest, unver⸗
ändert, mitunter etwas höher, Garne und Stoffe belebt.
Submissionen im Auslande.
Rumänien. 20. Dezember. Bukarest. Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Pneumatische Anlagen, Erd⸗ und Maurerarbeiten an der Brücke über den Argesu zu Coyaceni. Näheres an Ort und Stelle.
Verkehrs⸗Anstalten.
Hamburg, 4,„Novanber. (W. T. R.) Der-Postdampfer „California“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Vormittag in Baltimore eingetroffen.
London, 4. November. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Tartar' ist heute auf der Ausreise von Lissabon abgegangen, der Union⸗Dampfer „Trojan“ auf der Heimreise in Southampton angekommen.
6 Theater und Musik.
c“
Die Novitäten: „Verfolgt“, Schwank in 4 Akten von Meilhaec,
Grangé und Bernard, und: „Der Herr von Lohengrin“, dramatischer
Scherz in 1 Akt von A. Günther, gehen am Sonnabend, den 9. No⸗
vember, zum ersten Mal in Scene, und es gelangt demnach die Gesangsposse: „Der Dompfaff“ nur noch 3 Mal zur Aufführung.
Sing⸗Akademie.
Mittwoch, den 6. November, Abends 7 ½ Uhr, findet das zweite Concert von Annette und Helene Rombro statt. Donnerstag, den 7. November, Abends 7 ½ Uhr, beginnen die Abonnements⸗Concerte von Emile Sauret und Heinrich Grünfeld.
Concerthaus.
Im Concerthaus bleibt Hr. Kapellmeister Meyder der alten Sitte treu, die Gedenktage berühmter Komponisten durch Aufführung ihrer Werke zu feiern und das ganze Programm nur aus ihren Schöpfungen zusammenzusetzen. So wurde am gestrigen Abend der Todestag des so früh seinem künstlerischen Schaffen entrissenen Felix Mendelssohn⸗Bartholdy gefeiert, und dieser Umstand hatte die Verehrer Mendelssohn'scher Musik in stattlicher Anzahl versammelt. Die Glanznummer des Programms bildete das G-moll-Concert für Klavier, welches von Hrn. Johannes Doebber vorgetragen wurde. Hr. Doebber zeigte sich den Schwierigkeiten seiner Aufgabe vollkommen gewachsen: feine Technik ist eine solide, der Anschlag leicht und doch kräftig, das piano wird zart von ihm gegeben, die Läufe kommen rein und elegant zum Vortrag. Auch das Orchester unter Leitung seines bewährten Dirigenten verdient Anerkennung; discret in der Begleitung, führte es in den Partien, wo ihm die Führung obliegt, seine Aufgabe sauber und mit künstlerischer Feinheit durch und ließ somit im Zusammenwirken mit dem Pianisten die Schönheiten der Mendelssohn’schen Musik zu vollendeter Geltung kommen. Der lebhafte Beifall, welchen die Hörer ihm zollten, veranlaßten Hrn. Doebber zu einer Zugabe, welche gleichfalls gut ausgeführt wurde, abgesehen von einigen kleinen Unebenheiten, die vielleicht auf die sehr erklärliche Ermüdung nach der vorhergegangenen Anstrengung zurückzuführen sind. Den zweiten Theil des Programms füllte die immer wieder gern gehörte schottische Symphonie aus. Das Publikum folgte aufmerksam den gebotenen Vorträgen und zeigte sich durch anhaltende Beifallsspenden dankbar
Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)
Bei der gestern fortgesetzten Ziehung der 2. Klasse 181. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen in der Nachmittags⸗Ziehung:
1 Gewinn von 10 000 ℳ auf Nr. 38 393.
2 Gewinne von 1500 ℳ auf Nr. 97 791. 98 923.
2 Gewinne von 500 ℳ auf Nr. 161 528. 170 975.
11 Gewinne von 300 ℳ auf Nr. 32 373. 50 183. 56 185. So 89 679. 90 345. 108 119. 118 641. 136 810. 166 291.
Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 2. Klasse 181. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen in der V mittags⸗Ziehung: 8
1 Gewinn von 30 000 ℳ auf Nr. 66 286
1 Gewinn von 5000 ℳ auf Nr. 109 475
1 Gewinn von 1500 ℳ auf Nr. 48 192.
1 Gewinn von 500 ℳ auf Nr. 105 321.
8 Gewinne von 300 ℳ auf Nr. 13 305. 51 885. 69 290. 90 815. 100 841. 132 134. 142 785. 187 915
„ 8 8 “ 1
Mannigfaltiges.
1“
Bei dem Festessen, welches am 1. November nach der Enthüllung des Joachim⸗Denkmals in Spandau stattfand, wurde an Se. Majestät den Kaiser folgendes Telegramm nach Kon⸗ stantinopel gesandt:
„Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät erlauben sich die zur Enthüllung des Denkmals für den Kurfürsten Joachim II. in Spandau festlich Versammelten ihren ehrerbietigsten Dank und Gruß aller⸗ unterthänigst darzubringen. Wir bitten den Allmächtigen Gott, daß das schöne Denkmal den kommenden Geschlechtern Treue gegen das evangelische Bekenntniß, Treue und Liebe zu dem angestammten Königshause und zu dem brandenburg⸗preußischen und deutschen Vater⸗ lande predigen und einprägen möge. Das walte Gott!“
Wetterbericht vom 5. November, Morgens 8 Uhr.
¹
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp. im
red. in Milli
(Temperatur 4⁰ R.
Stationen. Wind. Wetter.
Donnerstag: Carmen.
in 0 Celsius
5⁰ §.
753 3 bedeckt 744 2 wolkig 752 2 wolkig 756 2 Nebel 762 2bedeckt 761 Regen 769 Nebel 771 bedeckt
Mullaghmore Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. Haparanda. St. Petersbrg. MaMaue 1
Paul Taglioni.
— — do —9 DO”0”O 00o 8290- 00
756 Donnerstag:
761 757 754 758 759 760 763
759
Regen wolkig bedeckt halb bed. bedeckt Dunst Dunst bedeckt
bedeckt
amburg.. Swinemünde Neufahrwasser Memel...
Perns “
Münster. 759 SW 2 bedeckt Karlsruhe.. 761 NO 1 bedeckt Wiesbaden. 760 still bedeckt München 763 S 2 halb bed. Chemnitz 762 S 2 halb bed. Berlin... 760 SW 2 bedeckt Wien 7765 still Nebel Breslau... V 763 S 3 bedeckt Ile d'Aix.. NNW 6Regen Nizza... ONO 4 wolkig Triest still bedeckt
Uebersicht der Witterung.
Ein Minimum liegt nördlich von Schottland, eine Theildepression über Frankreich; am höchsten ist der Luftdruck über Rußland,. Bei schwacher süd⸗ licher Luftströmung ist das Wetter über Central⸗ Europa mild und trübe, vielfach ist etwas Regen gefallen. In der Südhälfte von haben ausgedehnte, stellenweise starke Regenfälle statt⸗ Ile d'Aix meldet 22 mm d egen. Deutsche Seewarte.
————————’— A. Raida. Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern⸗
haus. 223. Vorstellung. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der vernn Große roman⸗ Ri
Freitag:
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Donnerstag: Freitag:
759 764
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Vorher:
gefunden. Afrika.
tische Oper in 3 Akten von chard Wagner.
Dirigent: Kapellmeister Sucher. Moran⸗Olden, vom Stadt⸗Theater in Leipzig, als Gast.) Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 237. Vorstellung. Die Quitzows. Vaterländisches Drama in 4 Akten von Ernst von Wildenbruch. Anfang 7 Uhr. Opernhaus. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhac und Ludovic Halsvy, nach einer Novelle des Prosper Mérimée. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. Schauspiel in 5 L. Döczy. Anfang 7 Uhr.
DBeutsches Theater. Mittwoch: Faust's Tod.
Der Schatten. Freitag: Nächstenliebe.
Verliner Theater. Mittwoch: Neu einstudirt: Die Braut von Messina.
Donnerstag: Montjoye, der Mann von Eisen. 10. Abonnements⸗Vorstellung. Braut von Messina.
Tessing-Theater. Mittwoch: Der Zaungast. Lustspiel in 4 Akten von Oscar Blumenthal. Der Zaungast. Der Fall Clémenceau. Schauspiel in 5 Akten von A. Dumas und A. d'Artois. “ Sonnabend: Der Zaungast.
Wallner-Theater. Zum 25. Male: Der Dompfaff. Gesang in 4 Akten von R. Kneisel und H. Hirschel. Musik von F. Krause.
Donnerstag und Freitag:
Sonnabend: Zum 1. Male: Verfolgt. Schwank in 4 Akten von Meilhac, Grangé und Bernard. Zum 1. Male: grin. Dramatischer Scherz in 1 Akt von A. Günther.
Victoria-Theater. Zeitgemälde in 11 Bildern von Alex. Moszkowski und Rich. Nathanson. Ballet von C.
Donnerstag: Dieselbe Vorstellung. Friedrich-Withelmstädtisches
Mittwoch: Mit neuer, glänzender Ausstattung: Zum 14. Male:
Die sanitären Verhältnisse in Berlin waren auch in der Woche vom 20. bis 26. Oktober günstige und die Sterblichkeit eine geringere (von je 1000 Einwohnern starben aufs Jahr berechnet 16,6). In sehr beschränkter Zahl traten Darmkatarrhe und Brech⸗ durchfälle zu Tage und erlagen denselben nur wenige Kinder. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war eine ge⸗ ringe, von je 10 000 Lebenden starben (aufs Jahr berechnet) nur 48 Säuglinge. Auch akute Entzündungen der Athmungsorgane kamen seltener zum Vorsckein und nahmen in den überwiegend meisten Fällen einen günstigen Verlauf. — Das Vorkommen der Infektionskrank⸗ heiten zeigte im Allgemeinen ein ähnliches Verhältniß wie das der vorhergegangenen Wochen. Erkrankungen an Unterleibstyphus und an Masern kamen wenige und in keinem Stadttheile in nennenswerther Zahl zur Anzeige. Auch Erkrankungen an Scharlach wurden weniger (am zahl⸗ reichsten aus der jenseitigen Louisenstadt) gemeldet. Dagegen haben Erkrankungen an Diphtherie, die sich am häufigsten im Stralauer Viertel und in der Rosenthaler Vorstadt zeigten, zugenommen; des⸗ gleichen kamen auch Erkrankungen an Keuchhusten in größerer Zahl zum Vorschein und führten auch in einer größeren Zahl von Füllen (10) zum Tode. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen weniger zur ärztlichen Behandlung, an Kindbettsieber wurden nur 2 Erkrankungen gemeldet. Ansehnlich gesteigert waren aber Er⸗ krankungen an akutem Gelenkrheumatismus, während rheumatische Beschwerden der Muskeln weniger zur ärztlichen Beobachtung kamen.
Die diesjährige Jagd auf Rebhühner im Regierungsbezirk Potsdam wird, nach einer Bekanntmachung des Bezirksausschusses zu Potsdam, mit Ablauf des Sonnabend, de 16. N b r 88
geschlossen. 6 1“
Ein glänzendes Meteor ist am 2. November, Abends zwischen 7 und 18 Uhr, beobachtet worden. Das „Berl. Fremdenbl.“ schreibt darüber: Die G Kugel, welche sich seltsam von dem dunklen Abendhimmel abhob, war von bläulichem Schein der einen ganz intensiven Glanz ausstreute. Der Flug des Meteors war von Süden nach Norden sichtbar und beschrieb eine scheinbare Luftlinie von ca. 7,m, die namentlich durch den prächtigen hinterlassenen glänzenden Lichtschein markirt wurde. Das Meteor hatte Aehnlichkeit mit einer
89,
kurzen, dickbauchigen Flasche, von der sich in der Mitte der Flugbahn
ein Stück ablöste. sichtbar.
Unmittelbar darnach waren beide Stücke un⸗
Aus London meldet die „Allg. Corr.“: Hier werden jetzt aus⸗ gezeichnete Photographien Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm verkauft. Der Kaiser ließ sich während seines Besuches in Osborne auf Wunsch der Königin photographiren, und zwar in der Uniform eines englischen Admirals und in der eines deutschen Flotten⸗Kapitäns.
Loca rno. Der N. Zürch. Ztg.“ wird geschrieben: Es regnet nun bereits die vierte Woche bei uns, mit sehr kurzen Unterbrechungen. Ticino, Verzasca und Maggia bringen ungeheure Wassermengen. Der
See ist über seine Ufer getreten und hat eine Höhe erreicht, wie seit
1872 nicht mehr. Es ist ein Glück, daß der Abfluß des Lago Mag⸗ giore regulirt ist, sonst wäre der Schaden, der jetzt entstände, unab⸗ sehbar. Die Straßen” am See entlanß von Gordola über Larno bis Ascona stehen unter Wasser. Vom Hafen sieht man nichts mehr. Die Halle an der Schifflände und der ganze Platz rings umher bilden nun einen Theil des Sees. Aus den Kellern am Marktplatz quillt das Wasser sprudelartig hervor. Es scheint noch keine Wendung zum Bessern eintreten zu wollen. Die Berge sind von dichten Nebeln verhüllt. Trotzdem befinden sich hier eine beträchtliche Anzahl von Kurgästen. Das warme Wetter und die feuchte Luft bieten den Lungenkranken große Erleichterung in ihren Leiden.
New⸗York, 2. November. (R. B.) Aus Colorado einge⸗ gangene Depeschen melden, daß daselbst seit 7- ein heftiger Schneesturm wüthe. Die Eisenbahnen sind blockirt, die Telegraphen niedergeworfen und Hunderte von Hornvieh und Pferden sind umge⸗
kommen.
nach
(Elisabeth: Fr. in 3 Akten,
Musik von Louis Roth. Julius Fritzsche. Dirigent: mann. Anfang 7 Uhr. Donnerstag: Der Polengraf. 224. Vorstellung. —
burg. mama. (Belle-maman.)
von Victorien Sardou und Deutsch von Ernst Schubert.
Tanz von
238. Vorstellung. Letzte Liebe. Akten aus dem Ungarischen des
Kroll's Theater.
und Hohenzollern.
.“
Central-Theater. Direktion:
Vorletzte Woche.
n. H. Wilken. Anfang 7 ½ Uhr. Die — Mittwoch: Zum 77. Male: Gesangsposse in 4 Akten Couplets von Gustav Görß. Roth. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag:
Letzte Woche. Mittwoch:
Posse mit Sonne.
Die Anfang 7 ½ Uhr.
Der Dompfaff. 23. Concert⸗Saison.
Der Herr von Lohen⸗ Kapelle.
Donnerstag: Gesellschafts⸗Abend.
Mitfwoscht Fetecleg es Circus Renz, Karlstraße. Musik von C. 7 Uhr:
Severini. Anfang
und in Scene
8 Equipagen sind vollständig neu Theater. eö ssendis
Der Polengraf. Operette
einem G. de Entwurfe von Richard Genée und J. In Secene gesetzt von Kapellmeister Feder⸗
Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Mittwoch: Zum 12. Male: Lustspiel in 3 Akten Raimund Deslandes. In Scene gefetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag u. folgde. Tage: Schwiegermama.
Mittwoch: Hohenstaufen
Mittwoch: Zum 30. Male: Das lachende Berlin von Ed. Jacobson und
Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72.
Flotte Weiber. von Leon Musik von Franz
Dieselbe Vorstellung.
Urania, Invalidenstraße 57/62, geöffnet von
12 — 11 Uhr. — Mittwoch, von 1—7 Uhr: neue Phonograph. Abends 7 ½ uhr: Dr. Körber:
Concert-Haus, Leipzigerstr. 48 (früher Bilse). 1 Mittwoch, Abends 7 Uhr: Gesellschafts⸗Abend des Kapellmeisters Hrn. Karl Mevyder mit seiner aus 70 Mitgliedern bestehenden
Anfang 7 Uhr.
Mittwoch, Abends
Aschenbrödel, oder der gläserne Pantoffel. Großes phantastisches Zaubermärchen in 4 Abtheil., mit Aufzügen, Tänzen und Gruppirungen, arrangirt gesetzt vom Direktor Kostüme und Requisiten, sowie die “ un Brillanteste ausgestattet. — Gigerle⸗Quadrille, ge⸗ ritten von 16 Damen. — Auftreten der vorzügl. Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. — Das Schul⸗
Grahl'schen pferd Galgenstrick, geritten von Frl. Clotilde Hager. Fritzsche. — Agat, arab. Vollblut, in Freiheit dressirt und vorgeführt von Hrn. Franz Renz. — Mr. Metzgeh mit seinem dressirten Esel. — Renommirte Künstler⸗ famille Briatore. — Schulpferd Kandelaber, geritten von Hrn. Oscar Renz.
Donnerstag: Vorstellung.
——jj 33-- m Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Magdalene Holdgren mit Hrn. Wilhelm Kaumann (Berlin). — Frl. Claudia Fabrucci mit Hrn. Kaufmann H. Voß (Liegnit — Magdeburg).
Verehelicht: Hr. Dr. med. L. Klinkhardt mit Frl. Luise Wiesing (Gaschwitz). — Hr. Bank⸗ vorsteher Otto Mahlo mit Frl. Margarethe Bier⸗ wisch (Glogau). — Hr. Pastor O. Kügler mit 8 86 l. Emma Lochmann (Seitendorf). — Hr. Karl
Emil Thomas. Renner mit Frl. Margarethe Dehmel (Breslau). — Hr. Max Schulz mit Frl. Hedwig Goly (Berlin).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Georg Telschow (Berlin). — Hrn. Oberst a. D. v. Schlick (Ober⸗ Steinsdorf b. Haynau i. Schl). — Hrn. Reg.⸗ Rath Besser (Kassel). — Hrn. Pastor Müller (Kl. Morin⸗Argenau). — Hrn. Prem ⸗Lieut. Artelt (Hanau). — Eine Tochter: Hrn. Rechtsanwalt Hanke (Zabrze). — Hrn. Prem.⸗Lieut. Overdyck (Köln). — Hrn. Otto Hoeltz (Berlin). — Hrn. Hauptm. Frhrn. v. Barnekow (Hildburghausen). — Ein Sohn und eine Tochter: Irn. Dr. jur. von Saldern (Mantel).
Gestorben: Hr. Peter Schuster (Berlin). —
Der Hr. Adalbert Bonsack (Berlin). — Frau Wittwe
Bertha Kittel, geb. Cuno (Berlin). — Hr. Richard
Mehl (Berlin) — Hrn. Reg.⸗Assessor Korb
Tochter Lina (Rinteln). — Hr. Ober⸗Inspektor
J. Forstreuter (Gumbinnen). — Hr. Kaufmann
Ed. Scholz (Breslau). — Hr. Arthur Glatschke
(Friedenshuͤtte). — Hr. Major a. D. Gustav von
Knobelsdorff (Görlitz).
* —
Schwieger⸗
Treptow.
C“
Redacteur: Dr. H. Klee. Berlin: —
Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilagee,
und die Inhaltsangabe zu Nr. 5 des öffent⸗ lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche
vom 28. Oktober bis 2. November 1889.
8
Renz. auf das
schen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
rste Beilage
1889.
Deutsches Reich. Zuckermengen,
1.“ 8 WEEE“
Berlin, Dienstag, den 5. November
öe“
1X1X“;
welche in der Zeit vom 16. bis 31. Oktober 1889 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem voE. auf Steuervergütung
abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den
eien Verkehr zurückgebracht worden sind.
[710: Rohzucker von mindestens 90 Proz. Polarisation und raffinirter Zucker von unter 98, aber mindestens
90 Proz. Polarisation. 711:
sogenannte Crystals ꝛc.
712: Aller übrige harte Zucker, sowie aller weiße trockene
Kandis und Zucker in weißen vollen harten Broden ꝛc.,
oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerkleinert,
(nicht über 1 Proz. Wasser enthaltende) Zucker in
Krystall⸗, Krümel⸗ und Mehlform von mindestens 98 Proz. Polarisation.]
Mit dem Anspruch auf Steuervergütung
Aus öffentlichen Niederlagen oder Privatniederlagen unter
wurden abgefertigt: 1“ amtlichem Mitverschluß wurden
zur Aufnahme in eine oͤffent⸗
liche Niederlage oder eine
Privatniederlage unter amt⸗ lichem Mitverschluß
gegen Erstattung der Vergü⸗ tung in den freien Verkehr zurückgebracht
710 711 712 71o0 711 712 kg V kg kg kg kg kg
200 100 1 941 943 650 300 920 843
Provinz Westpreußen. Brandenburg. Pommern. Posen. 3 88 11A4X“”“ Sachsen, einschl. der schwarzb. Unterherrschaften Schleswig⸗Holstein. 191 809 4* 2 419 815 WW14““ — F““ —
764 873 142 374
5 027 516 91 178 229 990 9 249 292 772
2 2 2 2
28 826 14 848 937
83 017 70 432 85 333 437 323 75 235 84 776
3 110
1 40 000 —
393 671 226 363
250 000 19 800 148 087 248 —
1 000 000 4 915 906
1 460 288
8 583 209 400 750 1 100 000
1 240 000
91 500
6 557 952
428 667 6 917
9 935
1 703 832 350 000
201 270
Sa. Preußen 6 324 810 Bayern. 14 524 Sachsen g Baden. 6 Braunschweig.. Anhalt.. . . Bremen 16 Hachburg. ..
137 577 2 386 118 975 001
9 396 275
868 052 33 549 090
247 752 18 862
99 412
535 673 20 000
964 846 246 411
1 698 229 ,200 0009
919 941
Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet. 19 234 305 9 258 573
Hierzu in der Zeit vom 1. August 1889
bis 15. Oktober 1889. 19 463 286/ 13 474 430
1 234 078 36 367 260
1 368 770/[21 616 883 1 380 478
964 846 246 411 555 673 172 920 205 000
192 594] 3 302 546 275 971 414 900
Zusammen
In demselben Zeitraum des Vorjahres*)
38 697 591 22 733 003 2 602 848]57 984 143 2 345 324 46 600 794/ 18 342 370 3 062 955/[33 454 122 2 481 629
448 891 619 900
660 719
439 005 3 858 219 200 827113 046 417
*) Die Abweichungen von der vorjährigen Uebersicht beruhen auf nachträglich eingegangenen Benachrichtigungen.
Kaiserliches Statistisches Amt.
Becker.
16
Im weiteren Verlauf der gestrigen (7.) Sitzung Reichstages ergriff bei der Debatte über die Darlegung der von der preußischen, sächsischen, hessischen Regierung und der freien und Hansestadt Hamburg gegen die gemeingefähr⸗ lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie erlassenen Anordnungen der Minister des Innern Herrfurth das Wort:
Der Hr. Abg. Singer hat den Rechenschaftsbericht über die Aus⸗ führung des §. 28 des Sozialistengesetzes, welcher den ersten Gegen⸗ stand der Tagesordnung bildet, einer sehr abfälligen Kritik unter⸗ zogen. Seine Kritik hat sich allerdings nicht ausschließlich gegen die Ausführung des Gesetzes, sondern sehr wesentlich gegen das Ge⸗ setz selbst gerichtet; er ist dabei auf den zweiten Theil unserer Tagesordnung hinübergestreift, auf ein Gebiet, auf welches ihm jetzt zu folgen ich mich weder für berechtigt noch für verpflichtet erachte.
Wenn der Herr Abgeordnete mit Argumenten, die wir schon so oft gehört haben, dies Gesetz als ein Ausnahmegesetz in allen seinen Bestimmungen, als ein hartes, ungerechtes, zweckwidriges Gesetz be⸗ zeichnet, so werden wir bei dem zweiten Theil der Tagesordnung aus⸗ giebige Gelegenheit finden, darüber in eingehende Erörterungen einzu⸗ treten, ob und inwieweit diese Vorwürfe begründet sind. Jetzt handelt es sich aber nicht de lege ferenda, sondern de lege lata, nicht um die Frage, ob ein Gesetz, welches derartige Be⸗ stimmungen enthält, überhaupt erlas en werden „soll, sondern darum, ob dies Gesetz, welches zur Zeit in Gültigkeit steht und bis zum 1. Oktober des nächsten Jahres stehen wird, in dem Sinne ausgeführt worden ist, in welchem es erlassen ist. In dieser Hinsicht muß ich allerdings konstatiren, daß eine grundsätzliche Verschiedenheit in den Auffassungen des Hrn. Abg. Singer und seiner Parteigenossen einerseits und denen der verbündeten Regierungen an⸗ dererseits besteht. Die Ersteren verlangen, daß, wenn überhaupt ein solches Gesetz erlassen ist, es dann wenigstens nicht in Ausführung gebracht werden soll, während die verbündeten Regierungen davon ausgehen, daß, wenn ein solches Gesetz einmal erlassen worden ist, es auch in dem Sinne, in dem es erlassen wurde, zur Ausführung gebracht werden muß. Meine Herren, das gilt unbedingt von den obligatorischen Bestimmungen des Gesetzes, es gilt aber mit gewissen Beschränkungen auch von den fakultativen, auch insoweit, wie den Behörden nur für einen gewissen Fall eine Befugniß über⸗ wiesen ist. Eine jede auf einem öffentlichen Recht beruhende Befugniß einer Behörde enthält für dieselbe zugleich die Verpflich⸗ tung, von dieser Befugniß Gebrauch zu machen, wenn der Fall, für welchen sie gegeben ist, eintritt. Daß nun in Berlin und Um⸗ gegend und in den übrigen Bezirken, auf welche sich der Rechenschafts⸗ bericht erstreckt, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch sozialdemokratische Umsturzbestrebungen früher stattgefunden hat, als die Maßnahmen des §. 28 dortselbst verhängt worden sind, das hat dieses hohe Haus 80. für Jahr bei Gelegenheit des Rechenschafts⸗ berichts ausdrücklich in seiner Majorität anerkannt.
Meine Herren, daß in diesen Bezirken, insbesondere in Berlin und Umgegend, auf die sich vorzugsweise die Rede des Hrn. Abg. Singer erstreckte, in der Beziehung eine wesentliche Feh eran nicht eingetreten ist, das, glaube ich, kann man fast als notorisch bezeichnen.
ch meine aber auch: es ist der strikte Nachweis hierfür durch die Anführungen des Rechenschaftsberichts geführt, an dessen Einzelangaben der Hr. Abg. Singer allerdings eine Reihe von verschiedenen Aus⸗ stellungen gemacht, den er aber, glaube ich, in seiner gesammten Beweiskraft nicht zu erschüttern vermocht hat. “
und recht ungeduldig werden, wenn die Auflösung nicht rasch
Meine Herren, wenn ich mich zu einzelnen dieser Ausstellungen wende, so hat zunächst der Herr Abgeordnete eine Reihe von Ver⸗ boten und von Auflösungen von Versammlungen allerdings in einem sehr raschen, kursorischen Vortrage namhaft gemacht und angeführt, daß ohne Weiteres einzelne Versammlungen wegen einer bestimmten unverfänglichen Tagesordnung verboten, andere wegen ganz unverfänglicher Ausführungen in Widerspruch mit dem Gesetz aufgelöst worden seien. Meine Herren, ich kann hier auf die einzelnen Fälle nicht eingehen, sondern nur eine prinzipielle Stellung zu dieser Frage feststellen. Es sind von mir wiederholt die Behörden und durch Letztere jeder Beamte, welcher mit der Beaufsichtigung solcher Ver⸗ sammlungen beauftragt wird, oder welcher über die Gestattung oder das Verbot zu entscheiden hat, darauf hingewiesen worden, daß die Auflösung einer Versammlung nur erfolgen darf, wenn in derselben sozialdemokratische Bestrebungen, welche auf den Umsturz der be⸗ stehenden Staats⸗ und Gesellschaftsordnung gerichtet sind, zu Tage treten, daß ferner das Verbot einer Versammlung nur dann zulässig ist, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die betreffende Versammlung zur Förderung solcher Umsturzbestrebungen der Sozialdemokratie bestimmt ist. Insbesondere sind die Behörden ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, der Umstand, daß der Einberufer einer Versammlung oder die als Redner auftretenden, beziehungsweise hierzu in Aussicht genommenen Persönlichkeiten der sozialdemokratischen Partei angehören, könne zur Annahme eines auf den Umsturz der bestehenden Staats⸗ und Ge⸗ sellschaftsordnung gerichteten Bestrebens für sich allein nicht ausreichen.
Meine Herren, nach diesen Grundsätzen wird auch in praxi ver⸗ fahren. Es ist niemals — das kann ich mit Bestimmtheit sagen — von allen den von dem Hrn. Abg. Singer angeführten Beispielen auch nur in einem einzigen Falle eine Versammlung deswegen verboten worden, weil sie die von ihm bezeichneten Gegenstände auf die Tages⸗ ordnung gesetzt hat, sondern stets ist das Verbot nur dann erfolgt, wenn anderweite Thatsachen vorlagen, welche die Annahme recht⸗ fertigten, daß die Versammlung zur Förderung der bezeichneten sozial⸗ demokratischen Umsturzbestrebungen bestimmt sei. “
Ferner, was die Auflösungen anlangt — ja, da haben Sie immer nur ein einzelnes Wort, oder einen einzelnen bei welchem der betreffende Polizeibeamte die Auflösung ausgesprochen hat, angeführt; Sie müssen aber den ganzen Gedankengang und Inhalt der Rede, auf Grund deren die Auflösung erfolgt ist, ins Auge fassen und darauf achten, in welcher Weise solche Versammlungen zu ver⸗ laufen pflegen, wie namentlich nach den Auflösungen dieser Versammlungen, welche zum großen Theile absichtlich pro⸗ vozirt werden, verfahren wird. Denn es ist seit un⸗ gefähr Jahresfrist hier in Berlin ein ganz bestimmtes Rezept für die Veranstaltung von sozialdemokratischen Versamm⸗ lungen zur Anwendung gekommen, ein Rezept, welches nicht auf die ““ sondern auf die Auflösung der Versammlungen ge⸗ richtet ist.
Im Anfang wird bei einer solchen Versammlung von einem ge⸗ mäßigten Redner in durchaus maßvollen Ausdrücken gesprochen; aber nach Verlauf von einigen Stunden, wenn sich die Temperatur etwas erhöht hat, wenn auch der Wirth des Lokals auf seine Rechnung ge⸗ kommen ist, dann wird die Sprache eine schärfere; inzwischen sam⸗ meln sich draußen große Massen, welche auf die Nufloͤsung warten enug erfolgt. Drinnen aber wird die Sprache nun allmählich so gesteigert, daß die Auflösung erfolgen muß, dann ist der erwünschte Moment zu den turbulenten Scenen und Straßenskandalen gegeben, für die der Berliner ja einen ganz besondern Ausdruck erfunden hat. Es ist
l mir überaus bezeichnend, daß der Hr. Abg. Singer eine große Reihe
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von Versammlungen hier angeführt hat, von denen in dem Bericht keine Rede ist, daß er aber vollständig mit Stillschweigen einen Sa
übergangen hat, der von einer Versammlung handelt, in der er falsh der eigentliche dominus rei gewesen ist. Von der Versammlung am 30. November . Jahres in der Tonhalle, Friedrichstraße 112, wo der Hr. Abg. Singer das Referat übernommen gehabt hat und in deren Verlauf und nach deren Auflösung es verschiedentlich zu den gröbsten Erzessen, zu den turbulentesten Scenen und bedenklichen Angriffen auf die Polizeimannschaften kam, von dieser Versammlung hat er nicht gesprochen. .
Aber, meine Herren, ich kann Ihnen etwas mehr davon erzählen und will nur sagen: in dieser Versammlung hat der Hr. Abg. Singer — sie ist vielleicht etwas nach jenem Rezept abgehalten worden — zunächst durchaus gemäßigt gesprochen; er hat sich vollständig auf den Boden der bestehenden Staats⸗ und Gesellschaftsordnung gestellt; er hat, wenngleich er die Vorlagen der verbündeten Regierungen über Alters⸗ und Invaliden⸗Versicherung einer ziemlich scharfen Kritik unterzogen hat, doch anerkannt, daß auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung die Reformen zur Ausführung gebracht werden können, welche die Sozialdemo⸗ kratie fordert. Aber nach Beendigung seines Referats war der Moment gekommen, wo die Tausende da draußen auf die Auflösung warteten; und da trat dann ein Schuhmachermeister Baginski hervor und erklärte, jeder Genosse habe das Recht der freien Kritik; der Stand⸗ punkt, auf dem Hr. Singer stehe, sei ein total falscher, auf Grund der bestehenden Staats⸗ und Gesellschaftsordnung sei überhaupt keine Reform herbeizuführen; und nun ging er allerdings genau in dem Sinne vor, wie der Art. 9 des Sozialistengesetzes es bezeichnet. Es mußte dann aufgelöst werden, und in diesem Moment fanden die Hochs auf Singer und die Sozialdemokratie, das Anstimmen der Arbeiter⸗Marseillaise statt; nun setzten sich die Arbeiter⸗Bataillone, welche zum Theil Hrn. Singer umringten, in Tritt und Schritt und zogen durch die Friedrichstraße. Dabei wurde, als einige Schreier arretirt wurden, versucht, die Gefangenen gewaltsam zu befreien; ein reitender Schutz⸗ mann wurde mit Glasflaschen geworfen, ein anderer wurde gepackt und auf den Straßendamm geworfen. Kurzum, es treten hier die aller⸗ turbulentesten Scenen hervor, Gewaltthätigkeiten, Angriffe auf Polizeibeamte.
Da haben wir an dieser Versammlung einmal ein recht deut⸗ liches Beispiel. Wenn ich nicht irre, ist auch in einer hiesigen Zeitung, die sich im Ganzen wohl dem liberalen Fahrwasser zuwendet, gesagt worden: „Wenn noch nie, so wären die Bewohner der Fried⸗ richstraße und Leipzigerstraße, die Offiziere, Beamten und Bourgeois, welche den Zug begleiteten und beobachteten, jetzt wohl von einer Nothwendigkeit der Verlängerung des Sozialistengesetzes überzeugt
Nun, meine Herren, möchte ich mich zu einem anderen Punkte wenden, zu dem Satze, welcher dem von der Singer'schen Versamm⸗ lung handelnden Satze voransteht, und dabei komme ich auf die Art und Weise, wie die Wahlagitation von der sozialdemokratischen Partei getrieben wird. Hier erkenne ich vollständig an, daß an sich die Agitation für die Reichstagswahlen Seitens der Sozialdemokratie sich theoretisch durchaus auf gesetzlich zulässigem Boden bewegt. Aber wie wird praktisch diese Agitation getrieben? Meine Herren, ich habe hier ein Flugblatt zur Hand, — es sind Hunderte davon konsiszirt worden, und die Verbreiter harren augenblicklich der gerichtlichen Be⸗ strafung. Ich bin in der Lage, dieses Blatt, wenn es gewünscht wird, auf den Tisch des Hauses niederzulegen. Da zeigt sich einmal recht deutlich, was die Herren überhaupt unter „friedlicher Agitation“ verstehen. Das Blatt ist an die Wähler des Nieder⸗ barnimer Kreises gerichtet und beginnt:
Wähler, macht die Augen auf. In vielleicht einigen Monaten findet die Wahl für einen Reichstag von fünfjähriger Dauer statt. Wieviel Unheil kann Euch zugefügt werden, wenn Ihr denselben Vertreter wie bisher wählt; wieviel Wohlthat Euch und dem Vaterlande werden, wenn Ihr die richtigen Vertreter für Euch wählt.
Das ist an sich durchaus, wie ich anerkenne, eine berechtigte Be⸗ strebung der Sozialdemokratie, wenn sie Abgeordnete ihrer Partei in den Reichstag in möglichst großer Zahl gewählt zu sehen wünscht, um hier auf dem Wege der Reform die Ziele zu erreichen, die sie anzustreben sucht. Auch ist ganz ausdrücklich die Absicht dieses Flug⸗ blattes daraufhin gerichtet, in gesetzmäßiger, friedlicher Weise zu agitiren; denn am Schluß des Blattes, wo man ja sonst immer die Haupttrümpfe auszuspielen pflegt, steht:
Friedlich führen wir den Kampf für die ehrliche Arbeit, aber ernst. Ein Jeder ans Werk! Ein Jeder agitire für die Prinzipien der Sozialdemokratie. Nicht wir wollen die Gewalt, sondern die Gegner. Laßt Euch nicht hinreißen; agitirt friedlich, aber energisch: für Euch und Euere Kinder. Der Sieg muß unserer gerechten Sache werden.
Nun, meine Herren, zwischen diesem durchaus korrekten Anfange und korrekten Ende was ist da enthalten? Ich möchte mir erlauben, aus dem Blatte ein paar Sätze vorzulesen. Sie werden für das Haus vielleicht auch noch aus einem anderen Grunde von Interesse sein. Sie bekommen nämlich darin einen ganz über⸗ raschenden Aufschluß über die letzten Ziele der deutschen Kolonial⸗ politik, wie sie sich in den Köpfen jener sonderbaren Schwärmer malt.
Es heißt nämlich:
Macht die Augen auf! Habt Ihr denn nicht zu den neuen drückenden Steuern beitragen müssen, um die Macht des Kapitals zu erhöhen, das eine Anzahl übermüthiger Junker und reicher Bourgeois „national“ ins Ausland gebracht hat?
In Afrika haben reiche Grundbesitzer und Handelsherren neue Plantagen angelegt, um Sklaven zu züchten und dann noch billigere Arbeitskräfte hierher zu importiren. .
Das haben sich die Neger nicht gefallen lassen, sie haben die „nationalen“ Eindringlinge verhauen. Darauf hat der Regierung und euer jetziger Vertreter Millionen aus euren Taschen genommen. Nach Afrika ist dann .. gezogen, nicht, um euch zu helfen — euer Geld und eure Knochen braucht man — sondern um die reichen Leute, die drüben Land geraubt haben, zu schützen. Wähler macht die Augen auf! Vor Jahren hat Fürst Bismarck erklärt, kein Knochen eines preußischen Soldaten dürfe im Kampf um die Handelskolonien fallen. Ist Wort gehalten? Nein. Viele unserer Landsleute haben sich niedermetzeln lassen müssen, — viele unserer braven Matrosen haben den Tod in den fremden Ge⸗ wässern gefunden, in die man sie geschickt hat: nicht um Arbeitern Brot, sondern um Millionären neue Millionen zu schenken. £ .
Nun kommt wohl die Hauptsache — wenigstens ist das Folgende mit doppelt so großer Schrift gedruckt, und die Schlagwörter sind ganz fett gedruckt hervorgehoben. Meine Herren, das Flugblatt wendet sich nun von Afrika — wo die Herren Woermann und Genossen Sklaven zum Import nach Deutschland züchten —, nach Deutschland, wo die weißen Lohnsklaven in den Montandistrikten hungern!:
Wähler! Zu noch scheußlicheren Zwecken habt Ihr von den nothwendigsten Lebensbedürfnissen durch indirekte Steuern bei⸗ tragen müssen: Mit den Kugeln, die aus Eurem Gelde gekauft sind, mit den Gewehren, die aus Euren Steuern angeschafft sind, hat man arme Bergleute erschossen, die nichts weiter gethan haben, als sich geweigert, harte Arbeit bei unmenschlicher Behandlung für einen Hungerlohn weiter zu ver⸗ richten, bei dem sie, eib und Kind langsam hinsiechen
mußten, um die Milionen von Wenigen zu erhöhen