1889 / 267 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Kaisers und Königs Friedrich, Meines Gemahls, dem es nach Gottes unerforschlichem Rathschluß nicht mehr vergönnt war, Theil zu nehmen an der Begründung des Glücks Unserer vielgeliebten Tochter. 88 Athen, den 30. Oktober 1889.

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Victoria, Kaiserin und Königin Friedrich.“

Für das neue Museum deutscher Volkstrachten giebt sich in weitesten Kreisen lebhaftes Interesse kund. Die sachlichen Geschenke, die für das Museum bisber eingelaufen sind, repräsentiren, dem „Berl. Fremdenbl.“ zufolge, bereits einen Werth von etwa 25 000 ℳ; außerdem sind dem Schatzmeister, General⸗Konsul Schönlank, von verschiedenen Seiten namhafte Geldsummen für die Zwecke des Museums übersandt worden. Freilich hat auch die Ein⸗

richtung des Museums schon recht erhebliche Summen gekostet. Allein die wendische Stube erforderte 2800

Unter den neuen deutschen Bezeichnungen, welche bei den Bahnen bis zum 1. Oktober 1890 im ganzen Umfange eingeführt sein werden, befinden sich u. A., dem „Dtsch. Tagebl.“ zufolge, folgende auch in weiteren Kreisen empfehlenswerthe Verdeutschungen: statt Adressat „Empfänger“, Adresse „Aufschrift“, Adreßstation „Empfangsstation“, Akkord „Gedinge“, Amortisation „Tilgung“, Billet „Fahrkarte“, chronologisch „nach der Zeitfolge“, Cirkulation (Wagen) „Wagenlauf“, Datum „Tag, Zeit“, Datum⸗ stempel „Tagesstempel“, Diäten „Tagegelder“, event. oder eventuell „gegebenen Falls, nöthigenfalls, zutreffenden Falles“⸗, exkl. oder exklusive „ausschließlich“, Exemplare (Anzahl von) „Stückzahl“, expediren „abfertigen“, Extrafahrt, Extrazug, Separatzug „Sonderzug“, Formular „Drucksorte, Tabelle“, franko

rei“, inkl. oder inklusire „einschließlich’, Insertionsgebühren „Gebühren für Bekanntmachungen“, Instradirung „Leitung“, Instruktion „Anweisung“, Kollo „Frachtstück“, Colonne „Spalte“,

kembinirbar „zusammenstellbar“, Kontrolnummer „Ordnungs⸗ nummer“, Legitimation „Ausweis“, Lieferant „Lieferer“, Lokal

„Raum“, Lokalverkehr „Binnenverkehr“, Magazin „Lager“, Manko

(Gewichts⸗) „Mindergewicht“, Maximalgeschwindigkeit „größte Ge⸗ schwindigkeite’, Original „Urschrift“, parallel „gleichlaufend“, Passagier ‚Reisender“, per „für, mit“, perfekt „bindend“, Periode (Amts⸗) „Amtsdauer“, Plateau „Plattform“, Quantität „Menge’“,

Quartal „Vierteljahr“, Reklamation Gntschädigangs ünsprug,

reklamiren „fordern“, Repartition „Vertheilung“, Requisition „An⸗ forderung“, resp. (Abkürzung von respektive) „bezw.“, Separatausgabe

„Sonderausgabe“, Serie „Reihe“, Seriennummer „Reihenzabl“, sub „unter“, Transit „Durchgang“, Transitogüter „Durchgangsgüter“, Transitverkehr „Durchgangsverkehr“, Transportkosten „Beförderungs⸗ kosten“, Transportschein „Beförderungsschein“, Utensilien „Geräthe“.

Hieran anschließend wird noch mitgetheilt, daß sich das Reichs⸗ HPotämt vor einiger Zeit an den Vorstand des Allgemeinen eutschen Sprachvereins wegen eines etwaigen Vorschlags zur Ver⸗

deutschung des Wortes „Prämie“ im Zeitungswesen gewandt Der Vorstand hat sich, wie die Zeitschrift des

Vereins mittheilt, unter den vorliegenden Vorschlägen Zu⸗ gabe Nebengabe, Preisspende ꝛc. für das Wort Sufabe = entschiexn, une zwaer ohnen. -vähere Bezeichnung, wie etwa „Bezugszugabe“ oder dergleichen, indem die „Zugabe“ auf

dem Gebiet des Zeitungsgewerbes eben das sei und besage, was das

Wort auf dem Gebiet anderer Gewerbe schon längst für Jedermann

verständlich bedeute. Das Reichs⸗Postamt hat sich in besonderem

Schreiben zustimmend geäußert und mitgetheilt, daß die Bezeichnung „Zugabe“ für „Prämie“ fortan im Postdienst zur Anwendung ge⸗ langen werde.

Nach den Plänen des Bauraths Schwechten ist, wie der „Magd.

* geschrieben wird, gegenwärtig auf dem Grundstück „Victoria⸗

ß „welches zur Hälfte mit einem schönen Wohnhause und

ur anderen Hälfte mit einem prachtvollen Park besetzt ist, der un⸗

mittelbar an die Straße grenzt, der Bau eines neuen Kreis⸗ ständehauses für den Kreis Teltow in Angriff genommeu worden. Es wird ein Renaissance⸗Prachtbau werden, ähnlich dem

Provinzialständehaus der Mark Brandenburg, welches Schwechten ereits in der Matthäikirchstraße ausgeführt hat. Die Grundstücke eider Ständehäuser stoßen an den Rückseiten zusammen, so daß der

Geschäftsgang ein sehr bequemer werden muß.

Der Bazar zum 1 armer Kinder und Nothleidender, der in den Parterresälen des Kultus⸗Ministeriums errichtet ist, hat heute begonnen und schon in der Stunde der Eröffnung lebhaftesten Erfolg gehabt. Dem Unternehmen ist umsomehr ein reicher Ertrag zu wünschen, als die Anforderungen an den Verein sich von Jahr zu Jahr steigern. Im letzten Jahre sind 756 Familien unterstützt worden; außerdem wurde 135 in Gemeindeschulen Frühstück vertheilt.

Gestern Vormittag gelangten die aus den Bezirken der 21., 22, 23., 24. Infanterie⸗Brigade und des VII. Armee⸗Corps zum Garde⸗ Corps einberufenen Rekruten auf dem Kasernenhofe Karlstr. 34/35 an die hiesigen Truppentheile zur Vertheilung, desgleichen heute Vor⸗ mittag diejenigen aus dem Bezirk des VIII. und XI. Armee⸗Corps und der 61. Infanterie⸗Brigade.

Die Nachforschungen nach der Leiche des im Anfang Oktober in den Alpen am Genfer See verunglückten Arztes Dr. Hadlich aus Berlin haben endlich Erfolg gehabt. Ein Drahtbericht der „Voss. Ztg.“ aus Clarens bei Vevev, wo sich der Vermißte zuletzt aufhielt, meldet, daß die Leiche oberhalb Novel auf Walliser Gebiet unter einer Lawine aufgefunden wurde. Dr. Hadlich ist bei dem Versuch, die Dent d'Oche zu besteigen, ver⸗ unglückt.

Im Nordland⸗Panorama, Wilhelmstr. 10, brennt von heute, jedoch nur auf einige Wochen, Abends das elektrische Licht. Den vielen, seit Monaten an die Direktion dieserhalb gerichteten Gesuchen konnte erst jetzt Folge gegeben werden, da die Konstruktion und Färbung des Lichts, welche der Stimmung des nordischen Him⸗ mels und der Mitternachtssonnenbeleuchtung angepaßt werden u“ besonders bei dem großen auf verschiedene technische Schwierigkeiten stieß. Wer den Norden und die eigenartigen Tinten seiner Beleuchtung kennt, wird nunmehr die erzielte Wirkung als überraschend gelungen und naturwahr bezeichnen. Die Besichtigung dieser interessanten Neuheit im „Nordland⸗Panorama“ dürfte sich Jedem empfehlen.

Ueber die erste deutsche, in wöchentlichen Fristen erscheinende Zeitung bringt das „Postarch.“ einige interessante Mittheilungen. Bis vor nicht langer Zeit galt auf Grund der archivalischen For⸗ schungen das vom Buchdrucker Emmel im Jahre 1615 begründete „Frankfurter Journal“ als die erste deutsche in wöchentlichen Fristen erscheinende Zeitung. In der Universitätsbibliothek zu Heidelberg be⸗ findet sich aber ein fast vollständig erhaltener Jahrgang einer ge⸗ druckten Zeitung aus dem Jahre 1609. Der Titel derselben lautet wörtlich: „Relation AllerFürnemmen vnd gedenckwürdigen Historien, so sich hin vnd wider in Hoch vnd Nieder Teutschland, auch in Frankreich, Italien, Schott vnd Engelland, Hisspanien, Hungern, Polen, Siebenbürgen, Wallachey. Moldaw, Türckey etc. Inn diesem 1609 Jahre verlauffen und zutragen möchten. Alles auf das trewlichst wie ich solche bekommen vnd zu wegen bringen mag, in Truck verfertigen will.’“ Ein Druckort ist nicht angegeben. Der in Sckweinsleder gebundene Jahrgang enthält 52 Wochen⸗ nummern und 115 Quartblätter, jede Nummer durchschnittlich zwei

Der amerikanische Elektrotechniker Harald P. Brown hat eine Liste über die in Amerika vorgekommenen Tödtungen durch Be⸗ rührung von elektrischen Leitungen veröffentlicht. Darnach sind, wie das „L. T.“ schreibt, 91 Personen durch den elektrischen Strom, welcher zur Speisung von elektrischen Lichtleitungen benutzt wurde, getödtet worden. In den meisten Fällen waren dieselben An⸗ gestellte der Elektricitätswerke; auch verunglückten viele Telephon⸗ arbeiter beim Ziehen der Leitungen.

Halle a. S. Eine Gedächtnißstätte für die Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. soll der in der Nähe von Halle a. S. liegende Burgfels von Giebichenstein werden. Das „Dtsch. Tagebl.“ weiß darüber zu berichten: Bürger der beiden Orte haben sich zur Errichtung eines Monuments vereinigt, welches gegenwärtig unter den Händen des Bildhauers Kaffsack im Thonmodell seiner Vollendung entgegensieht. Es besteht zunächst in einem in Bronzeguß herzustellenden kolossalen Medaillon, in dessen Felde die Portraitköpfe der beiden Herrscher

n

in profilistischer Darstellung halb in einander geschoben sind. An der

Besten des Vereins zur Speisung

8

8₰ 1312 2* 2 8 9

eelswand, in welche dies Erinnerungszeichen eahe wird, erhebt

ch, dasselbe gleichsam schirmend, eine in Marmor auszufüͤhrende überlebensgroße Walküre, die nur am mittleren Körpertheil von einem Gewand umhüllt wird; sie hat den Schild an den Fuß des Gesteins angelehnt und mit der Rechten das Schwert erfaßt.

Halle (Westf.). (Wiesb. Presse.) Eine bisher unbekannte

Herr mit Tropfsteingebilden wurde jüngst in der benachbarten

auerschaft Ascheloh entdeckt. Dieselbe soll sich über 100 m in den Berg hineinerstrecken.

Bingen, 5. November. (Frankf. Journ.) Zum Wieder⸗ aufbau der Rochuskirche ist aus Amerika ein zweiter Beitrag von 1400 eingetroffen, welche der in New⸗York ansässige Kaufmann

Hermann Weber aus Bingen dort bei Landsleuten aus hiesiger

Gegend gesammelt hat. Neuerdings ist auch von Seiten der Königlich preußischen Regierung. die Abhaltung einer Hauskollekte in Rüdes⸗ heim und anderen Rheingauorten zum Besten des Baufonds für die Rochuskirche gestattet worden. Der letztere hat, trotz der erheblichen Zuwendungen, doch noch nicht diejenige eerreicht, daß wegen des Bau⸗ plans bestimmte Entschlüsse häͤtten gefaßt werden können. Im Laufe des Winters soll nun auch noch eine Verloosung zur Gewinnung weiterer Mittel veranstaltet werden.

Dessau, 6. November. (Magd. Ztg.) Gestern Abend 9 Uhr 40 Minuten ging ein schönes bläulich⸗weißes Meteor fast senkrecht aus dem Zenith, mit geringer Abweichung nach Südwest, nieder. Aus der Gegend zwischen Schwan, Eidechse und Cepheus kommend, erlöschte es im Bootes allmählich, ohne daß der Schall einer Explosion hörbar wurde. Die ganze Erscheinung dauerte ungefähr 1 ¼ Secunde. Da die Leute grade aus dem Theater kamen, wurde die prachtvolle Erscheinung von Vielen gesehen und bewundert.

Bremen. Elfhundert Jahre waren am 1. November verflossen, daß der vom Bischof Willehad in Bremen an der Weser erbaute hölzerne Dom geweiht worden ist. Wenn auch der heutige Dom ein anderer ist, so datirt doch von diesem Tage an das Dasein der Domkirche und das Vorhandensein Bremens. Mit Rücksicht auf das begonnene und in einigen Jahren zu vollendende Werk des Aus baues der Domthürme und der Restaurirung des übrigen Gebäudes und die dann in Aussicht genommene größere Feier hat man, wie die „Wes.⸗

tg.“ mittheilt, von einer festlichen Begehung des heutigen Dom⸗ ubiläums Abstand genommen.

London, 7. November. (A. C.) Die Brücke über den Firthof Forth, eines der großartigsten Bauwerke der Neuzeit, wurde gestern fertig gestellt.

Her Majesty's Theatre, das bekannte Opernhaus im Haymarket, ist für 200 000 £ verkauft worden und wird in ein großes Hotel verwandelt werden.

Mailand, 5. November. Ueber die Ueberschwemmung in der Provinz Emilia bringt die Frankf. Ztg.“ weitere Berichte: Aus San Pietro Casale und in Rubizzano sind sechshundert Familien ge⸗ flüchtet, da ihre Häuser einzustürzen drohten. Die Beyörden von Betsche. eben die obdachlosen Leute im Rathhaus und in den Kirchen untergebkächt und Die Rettungsarbeiten gehen aber nur sehr langsam vor sich. Aus Cutigliano, einer Gemeinde von 3000 Ein⸗ wohnern, wird ferner berichtet: Ein großer Erdabsturz hat die Bevölkerung ungeheuer alarmirt. Der Fluß Rio du Forca trat aus seinen Ufern und zerstörte Brücken und Dämme. Mebhrere S wurden niedergerissen und das Getöse der herabstürzenden

rdmassen und das Brausen und Tosen des Regens und des Flusses übertönten die Hülferufe der verzweifelnden Bewobner, deren Jammer sich nicht beschreiben läßt. Glücklicherweise ist kein Verlust an Menschenleben zu beklagen, doch ist das hier herrschende Elend un⸗ endlich groß. Die Gemeinde selbst ist nicht im Stande, Hülfe zu schaffen, und ist genöthigt, sich an die Regierung zu wenden, um die nothdürftigste Unterstützung zu erlangen. Es ist neuerdings Regen⸗ wetter eingetreten.

Bern. Wie der „Berner Bund“ vernimmt, hat die Regierung des Kantons Wallis dem Bundesrath mitgetheilt, sie habe gegen die von Ingenieur Köchlin nachgesuchte Konzession einer Eisen bahn auf die Jungfrau keine Einsprüche zu machen.

sörgen für die Verpflegung der Ermen Leckte.

Wetterbericht vom 8. November, Morgens 8 Uhr.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp.

Wetter.

in ° Celsius 50 C. 4 R.

Temperatur

rred. in Millim.

Steationen. V

8 2 7

haus. 226. Vorstellung. Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner. Vorabend: Das Rheingold. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 240. Vorstellung. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Akten von Schiller. In

—8EOS0O- O0 O 00

bedeckt halb bed. Regen wolkig bedeckt bedeckt Nebel Schnee

Mullaghmore Aberdeen.. Cbristiansund Kopenhagen. Stockholm. 6 1

t. Petersbrg. Moskau..

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22 O0. —,—

751 756 760

Scene gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 227. Vorst. Gioconda. Oper in 4 Akten von A. Ponchielli. Text von Tobia Gorrio. Uebersetzung von C. Niese. Ballet von E. Graeb. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 241. Vorstellung. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Akten von Schiller. An⸗ fang 7 Uhr.

Cork, Queens⸗ towmw... Cherbourg elder.. ylt. amburg.. winemünde Neufahrwasser Memel

5 888 ünster. Karlsruhe. Wiesbaden München. Chemnitz. Berlin... Wien.. Breslau..

Ile d'Aix..

Nizza. Triest..

halb bed. Nebel wolkig wolkig bedeckt wolkig bedeckt Regen bedeckt egen 3 Nebel still Nebel

3 Nebel

3 bedeckt

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5 halb bed.

6 Regen

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4 wolkenlos still wolkenlos

776 775 762 767 768 764 757 756

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Uebersicht der Witterung. 1

Unter der Wechselwirkung eines barometrischen Maximums über 775 mm über Südwesteuropa und barometrischer Minima unter 750 mm über dem Bottnischen Busen und Mittel⸗Skandinavien wehen im nördlichen Deutschland stellenweise starke westliche und nordwestliche Winde bei vorwiegend trüber, regnerischer Witterung und steigender Temperatur. Die Temperatur liegt in Berlin und Neufahrwasser sieben Grad über der normalen.

Deutsche Seewarte.

Beutsches Theater. Sonnabend: Faust’s Tod.

Sonntag: Nächstenliebe. Montag: Die Stützen der Gesellschaft.

Verliner Theater. Sonnabend: Zur Vorfeier von Schiller's Geburtstag: Zum 50. Male:

Demetrins. Montjoye, der Mann von Eisen.

Sonntag: Montag: Die wilde Jagd.

Tessing-Theater. Sonnabend: Der Zann⸗ gast. Lustspiel in 4 Akten von Oscar Blumenthal.

Sonntag: Der Zaungast. Lustspiel in 4 Akten von Oscar Blumenthal.

Montag: Der Zaungast.

üs 6“ 2.1.

Wallner-Theater. Sonnabend: Zum 1. Male: Verfolgt. Schwank in 4 Akten von Meilhac⸗ Grangs und Bernard. Vorher: Zum 1. Male: Der Herr von Lohengrin. Dramatischer Scherz in 1 Akt von A. Günther. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag u. folgde. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Victoria-Theater. Sonnabend: Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 11. Bildern von Alex. Moszkowski und Rich. Nathanson. Musik von E. 9 3. Ballet von C. Severini. Anfang

r. Sonntag: Dieselbe Vorstellung. 1

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater.

Sonnabend: Mit neuer, glänzender Ausstattung: Zum 17. Male: Der Polengraf. Operette in 3 Akten, nach einem G. de Grahl'schen Entwurfe von Richard Genée und J. Fritzsche. Musik von Louis Roth. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Feder⸗ mann. Anfang 7 Uhr. 8

Sonntag: Der Polengraf.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonnabend: Zum 15. Male: Schwieger⸗ mama. (Belle- maman.) Lustspiel in 3 Akten von Victorien Sardou und Raimund Deslandes. Deutsch von Ernst Schubert. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag u. folgde. Tage: Schwiegermama.

Central-Theater. Direktion: Emil Thomas.

Vorletzte Woche. Sonnabend: Zum 33. Male: Das lachende Berlin von Ed. Jacobson und H. Wilken. Anfang 7 ½¼ Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72.

Sonnabend: Zum 80. Male: Flotte Weiber. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Urania, Invalidenstraße 57/62, geöffnet von 12 11 Uhr. Sonnabend, von 1— 7 Uhr: Der neue Phonograph. Abends 7 ½ Uhr: Von der Erde bis zum Monde.

Concert-Haus, Leipzigerstr. 48 (früher Bilse). 23. Concert⸗Saison. Sonnabend, Abends 7 Uhr: Gesellschafts⸗Abend, unter gefälliger Mitwirkung von Fr. Waibel, des Kapellmeisters Hrn. Karl Meyder mit seiner aus 70 Mitgliedern bestehenden Kapelle.

Sonntag: Gesellschafts⸗Abend. Anfang 6 Uhr.

Circus Renz, Karlstraße. Sonnabend, Abends 7 Uhr: Gala⸗Vorstellung. Zum 1. Male: Eine großartige Konkurrenz⸗Vorstellung, bestehend aus den vorzügl. Reitkünstlerinnen und Reitkünstlern, sämmtl. Reitpiegen werden doppelt ausgeführt. Ein Konkurrenz⸗Reiten zwischen den beiden Jockey⸗ Reiterinnen. Zwei Parforce⸗Reiterinnen. Zwei Voltigeurs. Zwei Jockey⸗Reiter. Zwei Draht⸗ seilkünstlerinnen. Zwei großartige Springpferde,

“X“ .

geritten von Frl. Oceana Renz u. Fr. A. Kemp. 2 Gastronompferde Emir und Bim Beschi, arab. Schimmelhengste, geritten von Hrn. Franz Renz. Familie Briatore. Auf vielseitiges Verlangen: Aschenbrödel oder der gläserne Pantoffel. Sonntag: 2 Vorstellungen. 4 Uhr Nachn. (1 Kind frei): Zum 1. Male, ganz neu arrangitt: Bacchus und Gambrinus oder der Sieg des Cham⸗ pagners. Abends 7 ½ Uhr: Aschenbrödel. Montag: Aschenbrödel.

Familien⸗Nachrichten.

erlobt: Frl. Gertrud Barth mit Hrn. Hans Rettschlag (Berlin). Frl. Maria Bleidt mit n Gisbert Hinnessen (Straßburg —M.⸗Glad⸗ ach). Frl. Elise Goetz mit Hrn. Postprakti⸗ kanten Albert Schettler (Sendsburg Stettin). Frl. Marie Jaeger mit Hrn. Kaufmann Albert Schmitt (Waldenburg i. Schl.). Frl. Anna Dietz mit Hrn. August Loebow (Magdeburg). Frl. Luise Giesebrecht mit Hrn. Diakonus Adolf Tischer (Golchen Jakobshagen). Frl. Marga⸗ rethe Berndt mit Hrn. Divisionspfarrer Joh. Quandt (Berlin).

Verehelicht: Hr. Ger.⸗Assessor Reiner Haehling von Lanzenauer mit Frl. Gertrud Schröder (Köln). Hr. Emil Pilz mit sser Johanm Anger (Dresden). Hr. Reg.⸗Assessor Hans von Loos mit Frl. Marie Büttner (Leer).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Heinrich Tobal (Königsberg). Eine Tochter: Hrn. Lonvis Laubmeyer (Rosenstein). Hrn. Jos. Jansen (M.⸗Gladbach).

Gestorben: Frl. Auguste Piderit (Lippstadt). Frl. Friederike Schneider (Breslau). .. Prem.⸗Lieut a. D. Robert Hitzigrath (Königt⸗ berg). Hr. Maler Fritz Kling (Magdeburg) Hr. Zacharias Voigt (Klein⸗Rodensleben). Fr. Dr. Helene Richter, geb. Schütte (Görbert dorf i. Schl.). Hr. Otto Cornel (Berlin). Hr. Kaufmann Hermann Voß (Berlin). Hr Musikdirektor Julius Bellmann (Berlin). Frar Major Pauline von Hartung, geb. Giesel (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagt⸗ Anstalt, Berlin SW., Milbelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen einschließlich Börsen⸗Beilage).

s-Anzeiger und Königlich Preußischen

Berlin, Freitag, den 8. November

Königreich Preußen.

Privilegium wegen Ausfertigung auf den Inhaber lautender Kreis⸗ Anleihescheine des e111* im Betrage von

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc.

„Nachdem die Vertretung des Kreises Grünberg auf dem Kreistage am 18. Juni d. J. beschlossen hat, die zur Deckung seiner sämmtlichen Schulden erforderlichen Mittel im Wege einer Anleihe

zu beschaffen, wollen Wir auf den Antrag der Kreisvertretung,

zu diesem Zwecke auf jeden Inhaber lautende, mit Zins⸗ scheinen versehene, Seitens der Gläubiger unkündbare Anleihe⸗ scheine bis zum Betrage von 650 000 ausstellen zu dürfen, da sich hiergegen weder im Interesse der Gläubiger, noch der Schuldner Etwas zu erinnern gefunden hat, in Gemäßheit des §. 2 des Gesetzes vom 17. Juni 1833 zur Ausstellung von Anleihescheinen bis zum Betrage von 650 000 ℳ, in Buchstaben: Sechshundert und fünfzig Tausend Mark, welche in folgenden Abschnitten: 200 000 zu 5000 ℳ, 100 000 zu 2000 ℳ, 150 000 zu 1000 ℳ, 100 000

zu 500 ℳ, 100 000 zu 200 ℳ,

zusammen 650 000

nach dem anliegenden Muster auszufertigen, mit dreieinhalb Prozent

jährlich zu verzinsen und nach dem festgestellten Tilgungsplane mittelst Verloosung jährlich vom 1. Januar 1891 ab mit wenigstens einem Prozent des Kapitals, unter Zuwachs der Zinsen von den ge⸗ tilgten Schuldbeträgen zu tilgen sind, durch gegenwärtiges Privilegium Unsere landesherrliche Genehmigung ertheilen. Die Ertheilung erfolgt mit der rechtlichen Wirkung, daß ein jeder Inhaber dieser Anleihescheine die daraus hervorgegangenen Rechte geltend zu machen befugt ist, ohne zu dem Nachweise der Uebertragung des Eigenthums verpflichtet zu sein.

Durch vorstehendes Privilegium, welches Wir vorbehaltlich der

Rechte Dritter ertheilen, wird für die Befriedigung der Inhaber der Anleihescheine eine Gewährleistung Seitens des Staats nicht über⸗ nommen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. 8— Gegeben Berlin, den 14. Oktober 1889.

+ Wäaͤlhelou R. von Mavbach.

von Scholz. Herkfurth.

Provinz Schlesien. Regierungsbezirk Liegnitz. Anleiheschein 8 8 des Kreises Grünberg .. te Ausgabe. Buchstabe Nr.... über. Mark Reichswährung.

Ausgefertigt in Gemäßheit des landesherrlichen Privilegiums vom

14. Oktober 1889 (Amtsblatt der Königlichen Regierung zu .

Nr. ..Seite..

laufende Nr. . . .).

vom 18. Seite..

und Gesetz⸗ Sammlung für 18..

1

Auf Grund des von dem Bezirksausschusse des Regierungsbezirks Liegnitz genehmigten Kreistagsbeschlusses vom.. ten ... . wegen Aufnahme einer Schuld bis zu 650 000 bekennt sich der Kreis⸗ ausschuß des Kreises Grünberg, Namens des Kreises durch diesen für jeden Inhaber gültigen, Seitens des Gläubigers unkündbaren Anleihe⸗ schein zu einer Darlehnsschuld von ℳ, welche an den Kreis 8885 gezahlt worden und mit dreieinhalb Prozent jährlich zu ver⸗ zinsen ist.

Die Rückzahlung der ganzen Schuld von .. erfolgt nach Maßgabe des genehmigten Tilgungsplans mittelst Verloosung der Anleihescheine in den Jahren bis spätestens.. einschließlich aus einem Tilgungsstocke, welcher mit wenigstens Einem Prozent des Kapitals jährlich unter Zuwachs der Zinsen von den getilgten Kreisanleihescheinen gebildet wird. Die Ausloosung geschieht in dem Monar Juni jeden Jahres. Dem Kreise bleibt jedoch das Recht vorbehalten, den Tilgungsstock zu verstärken, oder auch sämmtliche noch im Umlauf befindliche Anleihescheine auf einmal zu kündigen

Die durch die verstärkte Tilgung ersparten Zinsen wachsen eben⸗ falls dem Tilgungsstocke zu.

Die ausgeloosten sowie die gekündigten Anleihescheine werden unter

Bezeichnung ihrer Buchstaben, Nummern und Beträge sowie des Termins, an welchem die Rückzahlung erfolgen soll, öffentlich bekannt gemacht. Diese Bekanntmachung erfolgt sechs, drei, zwei und einen Monat vor dem Zahlungstermin in dem „Deutschen Reichs⸗ und Preußischen Staats⸗Anzeiger“, dem Amtsblatt der König⸗ lichen Regierung zu Liegnitz, dem Grünberg'er Kreisblatt „Amtliche Verordnungen des Grünberg'er Kreises.“ Geht eines dieser Blätter ein, so wird an dessen Statt von der Kreisvertretung mit Genehmigung des Königlichen Regierungs⸗Präsidenten in Liegnitz ein anderes Blatt bestimmt. Bis zu dem Tage, wo solchergestalt das Kapital zu entrichten ist, wird es in halbjährlichen Terminen, am 2. Januar und am 1. Juli, von heute an gerechnet, mit dreieinhalb Prozent jährlich verzinst.

Die Auszahlung der Zinsen und des Kapitals erfolgt gegen bloße Rückgabe der fällig gewordenen Zinsscheine, beziehungsweise dieses Anleihescheines bei der Kreis⸗Kommunalkasse zu Grünberg und zwar auch in der nach dem Eintritt des Fälligkeitstermins folgenden Zeit. Mit dem zur Empfangnahme des Kapitals eingereichten Anleiheschein sind auch die dazu gehorigen Zinsscheine der späteren Fälligkeitstermine zurückzuliefern. Für die fehlenden Zinsscheine wird der Betrag vom Kapital abgezogen. Die gekündigten Kapitalbeträge welche innerhalb dreißig Jahren nach dem Rückzahlungstermine nicht erhoben werden, sowie die innerhalb vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie fällig geworden, nicht erhobenen Zinsen verjähren zu Gunsten des Kreises. Das Aufgedot und die Kraftloserklärung verlorener oder vernichteter Anleihescheine erfolgt nach Vorschrift der §§. 838 ff der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich vom 30. Januar 1877 (Reichs⸗Gesetzblatt S. 83) bezw. nach §. 20 des Ausführungs⸗ gesetzes zur Deutschen Civilprozeßordnung vom 24. März 1879 (Gesetz⸗Sammlung S. 281). 6 18G

Zinsscheine können weder aufgeboten, noch für kraftlos erklärt werden. Doch soll Demjenigen, welcher den Verlust von Zinsscheinen vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bei der Kreisverwaltung anmeldet und den stattgehabten Besitz der Zinsscheine durch Vorzeigung des Anleihescheines oder sonst in glaubhafter Weise darthut, nach Ab⸗ lauf der Verjährungsfrist der Betrag der angemeldeten und bis dahin nicht vorgekommenen Zinsscheine gegen Quittung ausgezahlt werden. Mitt diesem Anleiheschein sind halbjährliche Zinsscheine bis zum Schlusse des Jahres .... ausgegeben; die ferneren Zinsscheine werden für fünfjährige Zeiträume ausgegeben werden. „Die Ausgabe einer neuen Reihe von Zinsscheinen erfolgt bei der Kreis⸗Kommunal⸗ kasse in Grünberg gegen Ablieferung der der älteren Zinsscheinreihe beigedruckten Anweisung. Beim Verluste der Anweisung erfolgt die Aushändigung der neuen Zinsscheinreihe an den Inhaber des

Anleihescheines, sofern deren Vorzeigung rechtzeitig gescheben ist.

der Kreis mit seinem

111

ta

Zur Sicherung der hierdurch eingegangenen Verpflichtungen haftet Vermögen und mit seiner Steuerkraft.

Dessen zu Urkunde haben wir diese Ausfertigung unter unserer Unterschrift ertheilt.

Grünberg, den ten 18..

b Der Kreisausschuß des Kreises Grünberg. Siegel des Landraths. Unterschrift des Vorsitzenden und zweier Mitglieder des Kreisausschusses.

Provinz Schlesien. Regierungsbezirk Liegnitz. Zinsschein .. .Reihe zu dem Anleihescheine des Kreises Grünberg .. . te Ausgabe Buch⸗ stabe. . Nr.. .über zu 3 ½ Prozent Zinsen über

Der Inhaber dieses Zinsscheines empfängt gegen dessen Rückgabe in der Zeit vom 2. Januar (bezw. 1. Juli) 18. ab die Zinsen des vorbenannten Anleihescheines für das Halbjahr vom . . . ten . . . . . bis ten . mit . A bei der Kreis⸗ Kommunalkasse zu Grünberg.

Grünberg, den. ten 18..

Der Kreisausschuß des Grünberger Kreises. .(Unterschriften)

Dieser Zinsschein ist ungültig, wenn dessen Geldbetrag nicht innerhalb vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit erhoben wird.

Ahnmerkung: Die Namensunterschriften der Mitglieder des Kreisausschusses können mit Lettern oder Faesimilestempeln gedruckt werden, doch muß jeder Zinsschein mit der eigenhändigen Unterschrift eines Kontrolbeamten versehen werden.

Regierungsbezirk Liegnitz. Anweisung

zum Kreisanleiheschein des Kreises Grünberg, .. te Ausgabe, Buchstabe .. . . Nr. über.

Der Inhaber dieser Anweisung empfängt gegen deren Rückgabe zu dem obigen Anleihescheine die ... te Reihe von Zinsscheinen für die fünf Jahre 18... bis 18. .bei der Kreis⸗Kommunalkasse zu Grünberg, sofern nicht rechtzeitig von dem als solchen sich aus⸗ weisenden Inhaber des Anleihescheines dagegen Widerspruch er⸗ hoben wird.

Grünberg, ven 61658—

Der Kreisausschuß des Kreises Grünberg. (Unferschriften. * 111““

Anmerkung: Die Namensgunterschriften der Mitglieder des Kreisausschusses können mit Lettern oder Faecsimilestempeln gedruckt werden, doch muß jede Anweisung mit der eigenhändigen Namens⸗ unterschrift eines Kontrolbeamten versehen werden.

Die Anweisung ist zum Unterschiede auf der ganzen Blattbreite unter den beiden letzten Zinsscheinen mit davon abweichenden Lettern in nachstehender Art abzudrucken:

18 . . ter Zinsschein. .. ter Zinsschein.

Provinz Schlesien.

Marl

Anweisung.

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der gestrigen (10.) Sitzung des Reichs⸗ es, Abschluß der ersten Berathung des Sozialisten⸗ gesetzes.

Abg. Kulemann fortfahrend: Die bisherige Handhabung des Gesetzes läßt mich dringend wünschen, daß es damit in Zukunft anders werde; das Gesetz bringt die Scheidung zwischen berechtigten und unberechtigten sozialistischen Be⸗

strebungen nicht genügend zum Ausdruck. Es muß schärfer

und entschiedener unterschieden werden zwischen Arbeiter⸗ bewegung und sozialistischen, sozialdemokratischen, kommunisti⸗ schen Agitationen. Die Arbeiterbewegung ist eine welthistorische, sie vollzieht sich mit elementarer Ge⸗ walt. Der Gang der Weltgeschichte vollzieht sich doch so, daß Extreme gegen Extreme stehen. Jetzt ist das Extrem des Sozialismus soweit, daß der Pendel der Weltuhr schon nach der anderen Seite umschlägt. Wir werden möglicher⸗ weise auf dem Gebiet des Sozialismus weiter getrieben

werden, als irgend einer von uns jetzt annimmt; so geht eben

die Welt, dem kann der Einzelne sich nicht entziehen. Denn

wenn man den Pendel festhalten wollte in der Mitte, dann

hört Alles auf, dann steht die Uhr selbst still. Erkennt aber der Staat die Lösung der Arbeiterfrage als seine Aufgabe und löst er sie, dann kann er auf die Bestrebungen der Sozialdemokratie mit ruhigem Lächeln hinabblicken. Denjenigen gegenüber, die

diesen Prozeß sich nicht ruhig entwickeln lassen wollen, hat

der Staat gar keine Veranlassung, sich auf Experimente ein⸗ zulassen, welche im günstigsten Falle sich gegen den Staat selbst kehren. Die Löhne müssen ganz anders gestaltet, der Arbeitsertrag als solcher muß erhöht werden, dem Organi⸗ sationsbedürfniß des vierten Standes muß Rechnung getragen werden. Ich halte es für eine Kurzsichtigkeit derjenigen Kreise, die sich im Allgemeinen den Arbeitern freundlich gegenüberstellen, daß sie der Koalition, der Assoziation der Arbeiter entgegentreten; ich halte das für falsch, eine Organi⸗ sation der Arbeiter von Staatswegen kann keine Gefahr für den Staat haben. Geben wir ihnen das Vertrauen, es wird, wie die Mittheilung Miquel's über das vor⸗ zügliche Funktioniren des Frankfurter Schiedsgerichts beweist, nicht getäuscht werden; der Staat sollte in dieser Beziehun weniger ängstlich sein. Hr. Beoel hat nun vor eeö Jahren ausdrücklich gesagt, daß diese Bestrebungen, welche ich als Aufgabe des Staats ansehe, gar nicht Ziele der Sozial⸗ demokratie sind, Sie haben also mit dieser Aufgabe nicht das Mindeste zu thun. Ich bin also auch für ein Spezialgesetz; das Gesetz soll aber eine Form erhalten, welche die von mir betonten Gesichtspunkte zur Geltung bringt, es muß aus einem Polizeigesetz in ein Rechtsgesetz umgewandelt werden, es muß so umgearbeitet werden, daß es auch für eine richterliche Be⸗ hörde wirklich brauchbar ist. Ich hoffe, daß dieses Bestreben nicht vergeblich sein wird. Abg. Bebel: Wenn man die gestrige Rede des Ministers und seine Konzessionen mit der Handhabung des Gesetzes in den ersten vier Jahren vergleicht, so wird Jeder zugeben müssen, daß das, was heute unter dem Gesetz möglich ist, weit

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entfernt ist von dem, was vor vier oder fünf Jahren möglich war. Damit ist zugleich erwiesen, daß das Gesetz einen un⸗ geheuren Spielraum gewährt und daß der Willkür der einzel nen Person überlassen ist, wie es gehandhabt wird. In die Definition der sozialdemokratischen Bestrebungen, die das Gesetz giebt, kann man eben Alles hinein⸗ und heraus deuten. Schon bei der ersten Berathung des Gesetzes stritten die Redner über dieselbe. Gewirkt hat das Gesetz in 11 Jahren allerdings. Es sind etwa 1300 bis 1400 Drucksachen verboten, davon ungefähr 120 periodisch er⸗ scheinende Zeitungen und 200 Broschüren und Bücher, zum Theil wissenschaftlichen Inhalts; der Rest der Verbote bezieht sich auf Flugblätter u. s. w. Dann sind 12 sozialdemokratisch Druckereien aufgehoben worden, wodurch nicht bloß großer Vermögenswerth ruinirt, sondern auch eine ganze Anzahl von Existenzen brotlos geworden ist. Weiter sind im Ganzen 600 Ausweisungen verfügt. Ebenso ist eine ungeheure Anzahl von Versammlungen verboten oder aufgelöst, sind Hunderte von Vereinen verboten worden. Die Zahl der Haus⸗ suchungen mag sich auf 10 000 belaufen. Die persönliche Verfolgung ist im weiten Umfange ausgeübt worden. Es ist ein Widerspruch, zuzugeben, daß die Sozialdemokratie eine geistige Macht ist, die aus der Natur der heutigen Gesell⸗ schaftsverhältnisse erwachsen ist, und gleichwohl Maßregeln zu ihrer Unterdrückung zu treffen. Die Herren hätten an ihrer eigenen Entwickelung als bürgerliche Partei das allerdeutlichste Beispiel gehabt, was in dieser Beziehung geleistet werden kann. Man ist gegen Sie auf Grund der Karlsbader Be⸗ schlüsse gerade so vorgegangen, wie gegen uns. Auch damals verpflichteten sich die verbündeten deutschen Regierungen u. A gegen einander, Universitäts⸗ und andere öffentliche Lehrer, die durch Mißbrauch ihres rechtmäßigen Einflusses auf die Jugend den Regierungen feindselige oder die Grundlagen der bestehenden Staatseinrichtungen untergrabende Lehren ver⸗ breiteten, von den betreffenden Lehranstalten zu entfernen. Schriften, die nach dem Urtheil einer unserer Beschwerde⸗ kommission ähnlichen Kommission als der Erhaltung des Friedens zuwiderlaufend erachtet würden, sollten unterdrückt werden. Sie wollen die Umsturzbestrebungen der Sozial⸗ demokxratie verfolgen. Es wäre interessant, darüber vom Reichstäge selbsk eine Deklaration zui erhalteén,“da die verbün⸗“* deten Regierungen sie nicht haben finden können. Nun und nimmermehr würden sie sich darüber zu einigen vermögen; sie ist einfach nicht zu geben. Umsturz der bestehenden Staats⸗ und Gesellschaftsordnung ist nach dem Abg. Nobbe ja schon eine Kritik der bestehenden indirekten Steuergesetzgebung, wie wir sie hier geübt haben; und doch werden wir in der Auf⸗ fassung, daß die indirekten Steuern ganz vorzugsweise auf den Schultern der armen Klassen lasten, von Vertretern der bürgerlichen und sogar der konservativen Parteien unterstützt. Nach Ansicht des Ab. Hartmann ist sogar unser Antrag auf Errichtung von Arbeitsämtern und Arbeitskammern umstürzlerisch und staatsgefährlich. Damtt das Sozialistengesetz rechtfertigen zu wollen, ist das Stärkste, was gedacht werden kann. Nach unserem Vorschlage sollte für je einen Bezirk von 400 000 Einwohnern ein Arbeitsamt errichtet werden, dessen Vorsitzenden die Regierung ernennen sollte. Die Arbeits⸗ kammer sollte durch direkte Wahlen zu gleichen Theilen aus Arbeitern und Unternehmern gebildet werden, und das ist doch die denkbar gerechteste Vertretung der beiden betheiligten Klassen. Wenn wir sagen, wir wollen eine Umgestaltung der Staats⸗ und Gesellschaftsordnung von Grund aus, soll das gefährlich sein? Der Herr Minister hat gestern selbst gesagt, die sozialistische Lehre soll nicht durch das Gesetz getroffen werden. Diese Lehre sagt aber klar und deutlich, daß der Sozialismus nur verwirklicht werden kann auf dem Boden einer ganz anderen Staats⸗ und Gesellschaftsord⸗ nung. Kommen Sie da nicht in den stärksten Widerspruch? Man trifft nicht nur die Umsturzbestrebungen, sondern die Arbeiterbewegung überhaupt. Durch die zahlreichen Auf⸗ lösungen der Fachverein- muß in den Arbeitern das Gefühl entstehen, daß sie sich unter einem Ausnahmsgesetz befinden. Bei der Handhabung des Gesetzes herrscht die verschiedenste Praxis, kein festes Prinzip. Wenn man einen Preis von einer Million Mark aussetzt für den Nachweis, nach welchen Grundsätzen die verschiedenen Behörde, im Deutschen Reich das Gesetz handhaben, würde dieser Preis nicht erworben werden können, da es eben kein festes Prinzip dabei giebt. Vereine verbietet man, weil Sozialdemokraten unter den Mit⸗ gliedern sind, ebenso Fachvereine und Lohnkommissionen. Für uns in Sachsen ist gar nichts durch die sogenannte Milderung, die den Beschwerdeweg an die Verwaltungsbehörde zuläßt, gewonnen. Nicht eine sächsische Behörde hat bisher zu Gunsten der Arbeiter entschieden, denn es ist dort geradezu Prinzip, einem Beamten gegenüber einem Sozialdemokraten nie Unrecht zu geben, man würde, meint man, die Autorität der Beamten darurch untergraben. Zuweilen merken wir, daß man den Bramten gesagt hat, sie möchten es künftig geschickter machen. In Hunderten von Fällen erhebt man überhaupt keine eschwerde, weil sie doch nichts nützt. Oft verweigern die Behörden, die Partei schriftlich zu bescheiden, um ihr nicht die Gründe zu einer Beschwerdeschrift in die Hand zu geben. In einem Falle verlangte das Landrathsamt für seine Verfügung, daß die Versammlung mit Unrecht verboten sei, eine Gebühr von 10,50 Werden arme Arbeiter, die Recht suchen, diese Summe bereitwillig zahlen? In einer auf meine Veranlassung verfaßten Statistik ist konstatirt, daß vom 1. Januar bis 1. September dieses Jahres in Deutschland 360 Versamm⸗ lungen aufgelöst oder verboten sind. Man kann doch bei solchen Massenauflösungen nicht überall die Beschwerdeinstanz anrufen. Ein Gesetz, das solche Willkür zuläßt, demoralisirt die Massen. In Breslau ist ein sozialdemokratischer Parteitag, der die Kandidatenfrage für den nächsten Reichstag erörtern wollte, verboten worden. Auf telegraphische Beschwerde entschied der Minister des Innern, daß das Verbot aufzuheben sei, und die Versammlung konnte rechtzeitig stattfinden. Der bayerische Minister des Innern entschied anders auf eine Beschwerde wegen Verbietung einer Versammlung in Nürnberg. Sie können sich denken, was die bayerischen Sozialdemokraten für Ge⸗

sichter gemacht haben. Es kommt also allein auf die