1889 / 273 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

18 .

Sachsen. Dresden, 15. November.

Aufenthalt nach Sybillenort begeben. (Dresd. Journ.) Die Zweite wies in ihrer gestrigen Sitzung in allgemeiner berathung ohne Debatte den Gesetzentwurf, visorische der Steuern und Abgaben Jahre 18 und Besoldungs⸗Etat anstalt auf die Jahre entwurf, betreffend die Staatsanleihen von 1852/68,

der

1890 und 1891.

1867 und 1869

deputation überwiesen. 1n1“

Unter den weiteren dem Landtage zugegangenen Vorlagen befindet sich der Gesetzentwurf, betreffend den Wegfall der Pensionsbeiträge der Civilstaatsdiener, sowie der Geistlichen und Lehrer.

Die Gesammtsumme der Ueberschüsse ist im Staats⸗ haushalts⸗Etat, wie bereits gestern erwähnt, für jedes der Jahre 1890 und 1891 auf 92 620 414 ℳ, 9 262 100 mehr als in den beiden Vorjahren, veranschlagt worden. An dieser Summe parti⸗ zipiren in hervorragender Weise die Staatseisenbahnen mit 30 470 335 ℳ, die Zölle und Verbrauchssteuern mit 24 818 029 ℳ, die direkten Steuern mit 23 059 440 ℳ, die Forsten mit 7 345 100 Wir bemerken hierzu Folgendes: Der ordentliche Etat der Staatsbahnen ergiebt 81 129 850 Einnahmen, denen 50 659 515 Ausgaben gegenüberstehen. Dabei ist die Einnahme aus dem Personenverkehr auf 24 490 000 (+ 1 872 000 ℳ), die aus dem Güterverkehr auf 52 641 000 (+ 6 700 500 ℳ) veranschlagt. Die Ausgaben sind, meist in Folge von Stellenvermehrung, um 6 525 230 höher an⸗ gesetzt. Der Antheil Sachsens an den reichsgesetzlichen Zöllen und Verbrauchssteuern beträgt nach dem Reichshaushalts⸗Etat 20 127 760 ℳ, die Schlachtsteuer ist mit 4 369 700 ℳ, die Uebergongsabgabe für vereinsländisches Fleischwerk mit 103 700 ℳ, beide Steuern nach einem dreijährigen Durchschnitt mit 403 400 mehr, angesetzt. Die Jahresbeträge der direkten Steuern sind veranschlagt: Einkommensteuer 19 262 900 (+ 2 044 900 ℳ), Grundsteuer 3 160 000 (+ 135 500 ℳ), Urkundenstempel und Erbschaftssteuer 2 111 000 (+ 100 000 ℳ), Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen 263 000 (+ 4000 ℳ). Hinsichtlich der Einkommensteuer ist zu bemerken, daß wie in den früheren Jahren, so auch in den beiden letzten Jahren die Einkünfte aus Gehalt und Löhnen den wesentlichsten Antheil an den Voranschlag übersteigenden Einnahmen gehabt haben. Nächst diesen haben dazu die Einkünfte aus Handel und Gewerbe, und in dritter

Linie diejenigen aus Renten beigetragen, welche letzteren trotz des weiteren Rückgangs des Zinsfußes in dem Jahre 1889 eine größere Steigerung gezeigt haben, als in den zuletzt vorausgegangenen Jahren. Auch die Einkünfte aus dem Grundbesitz haben sich wieder etwas höher gestellt, doch fällt diese Erhöhung zum weitaus größten Theil auf die Städte. Nach diesen Erfahrungen und mit Rück⸗ sicht auf die Zunahme der Zahl der Steuerpflichtigen ist es unbedenklich erschienen, die Einnahmen höher als letzten Etatsperiode zu veranschlagen. Die Zahl der Grundsteuer⸗ einheiten ist von 75 799 327 am 2. Termin 1888 auf 77 461 155 aa gleichen Termin 1889 gestiegen und dürfte dem entsprechend bis zum 2. Termin 1890 um eine weitere Million steigen. Die Ein⸗ stellung des Urkundenstempel⸗ und Erbschaftsteuer⸗Ertrages ist unter dem Durchschnitt der Jahre 1886 bis 1888 (d. i. 2 236 579 ℳ) erfolgt, da ein wesentlicher Rückgang erwartet wird. Die Aus⸗ gaben der Verwaltung der direkten Steuern sind gegen das Vor⸗ jahr um 175 000 höher angesetzt, namentlich in Folge Ver⸗ mehrung des Beamtenpersonals und theilweiser Erhöhung der Besol⸗ dungen. Die Forstverwaltung erscheint mit einer Mindereinnahme von 98 940 gegen das Vorjahr, namentlich in Folge der Herab⸗ setzung des Durchschnittserlöses für den Festmeter Derbholz von 13,80 auf 13,60 ℳ, und einer Mehrausgabe von 55 060 ℳ, bei der u. A. eine Neuregulirung der Dienstaufwandsvergütungen der Oberförster vorgesehen ist. Der außerordentliche Staatshaushalts⸗Etat hat nur Auf⸗ wendungen für Eisenbahnzwecke zum Gezenstand und umfaßt einen Betrag von 22 556 150 ℳ, welcher aber nicht durch eine An⸗ leihe, sondern aus den rechnungsmäßigen Ueberschüssen und sonstigen verfügbaren Beständen des mobilen Staatsvermögens gedeckt werden soll. Unter den einzelnen Posten befinden sich 7 314 600 für Um⸗ bauten und Erweiterungsbauten von Bahnhöfen, 134 000 für weitere Ausdehnung der Gasbeleuchtung in den Personenwagen, 5 987 000 für Vermehrung der Betriebsmittel und 9 300 000 für den Bau neuer Eisenbahnen.

Mecklenburg⸗Schwerin. Sternberg, 14. November. Meckl. Nache’.) Der Landtag wurde gestern hier in der irche feierlich eröffnet. Als Schwerinsche Kommissarien

waren anwesend der Staats⸗Minister von Bülow und der Staatsrath Buchka, aus Strelitz der Kammerdirektor von Engel. Als Kontribution ist für Schwerin 10, für Strelitz 7⁄10o Edikt, für die Justiz die Prolongation des bis⸗ herigen Etats bis 1895 vorgeschlagen. In der heutigen Sitzung wurden die eingegangenen Etats der Schweriner Justiz⸗ verwaltung und der Rezepturkasse und der Strelitzer Centralsteuerkasse an die betreffenden Kommitten, be⸗ iehungsweise an die Stargarder Stände überwiesen. Sodann . w. Kommittenwahlen statt. Zum Vorsitzenden der Kommitte für Verstaatlichung der Privatbahnen ist der Landrath von Plüskow erwählt worden.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 14. November. (Reg.⸗ u. Nachr.⸗Bl.) Der Landtags⸗ ausschuß für die Prüfung der Staatshaushalts⸗ Rechnungen tritt am 18. d. M. hier zusammen.

Oesterreich⸗Ungarn. Pola, 14. November. (W. T. B.) Se. Kdnigliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen ist an Bord der Kreuzerkorvette „Irene“ heute hier einge⸗ troffen. Nach dem Flaggensalut legten sämmtliche Schiffe große Flaggengala mit der deutschen Flagge am Großtopp an. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten die Erz⸗ herzöge Leopold und Karl Stefan begaben sich zur Begrüßung an Bord der „Irene“, wo auch der Hafen⸗Admiral

Baron Pitner an Stelle des erkrankten Admirals von Sterneck erschienen war. Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich landete darauf am Franz⸗Josephs⸗Korso, wo eine Ehrencompagnie mit dem Marine⸗Musikcorps aufgestellt-war und wo Se. König⸗ liche Hoheit die Vorstellung der Admirale, der Stabsoffiziere, der Marinegeistlichkeit, der Beamten, des Bezirkshauptmanns und das Bürgermeisters entgegennahm. Später stattete der

b er. (W. T. B.) Ihre Majestäten der König und die Königin haben sich mit Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Georg und der Prinzessin Mathilde heute Mittag zu mehrtägigem

Kammer ver⸗ Vor⸗ die pro⸗ im betreffend, zur Schlußberathung, den Personal⸗ Landes⸗Brandversicherungs⸗ Der Gesetz⸗ Umwandelung der 4rozentigen in eine 3 ½ prozentige Staatsschuld, bez. die Tilgung der ersteren und die Aufnahme einer 3 prozentigen Renten⸗Anleihe be⸗ treffend, nebst dem damit zusammenhängenden Gesetzentwurf, betreffend die Begebung der durch die Gesetze vom 15. August und 7. September 1878 geschaffenen 3 prozentigen Rente und die dafür vereinnahmten Beträge, wurde an die erste Finanz⸗

in der

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Prinz den Erzherzögen Leopold und Karl Stephan einen Besuch ab und nahm am Abend an einem Familiendiner bei dem Erzherzog Leopold Theil.

Triest, 14. November. (W. T. B.) Zu Ehren der Offiziere des deutschen Geschwaders hatte Vize⸗Admiral von Wiplinger heute ein Diner veranstaltet, an welchem die Kommandanten der Schiffe des deutschen Ge⸗ schwaders, der deutsche General⸗Konsul, der deutsche Vize⸗Konsul sowie die Spitzen der hiesigen Militär⸗ und Civilbehörden theilnahmen. Der Speisesaal war mit den Bildern Ihrer Majestäten der Kaiser Wilhelm und Franz Joseph sowie mit deutschen und österreichischen Fahnen ge⸗ schmückt. Vize⸗Admiral von Wiplinger hieß im Namen des Marine⸗Kommandanten die Stäbe und Mannschaften der deutschen Kriegsschiffe in herzlicher Rede willkommen und schloß mit einem mit brausenden Rufen aufgenommenen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, Ihre Majestät die Kaiserin und das gesammte deutsche Kaiserhaus. Auf den Toast des Vize⸗ Admirals von Wiplinger antwortete der deutsche Kapitäan zur See von Reiche. Derselbe dankte Namens seiner Kameraden und der deutschen Schiffe für die wahrhaft freundschaftliche Bewillkommnung, wies auf das heute stattgehabte Zusammentreffen der beiderseitigen hohen Herrscher in Innsbruck hin und schloß mit den Worten: „Wir verehren in dem Kaiser von Oesterreich nicht nur den hohen Bundesgenossen und Freund unseres Kaisers, sondern auch den hohen Füpsben, welcher unentwegt und unberührt von äußeren Einflüssen uns als ein strahlender Stern auf dem Wege der Pflicht weithin voranleuchtet. In diesem Sinne bringe ich ein dreifaches Hoch auf den Kaiser von Oesterreich, die Kaiserin von Oesterreich und auf das ganze Kaiserliche Haus aus.“ In das Hoch stimmten die An⸗ wesenden dreimal begeistert ein.

Der Vertreter des Statthaltereileiters, Hofrath Reya, sowie der Präsident der Seebehörde, Baron Alber, und der Bürgermeister Bazzoni erwiderten heute den Besuch des Kommandanten des deutschen Geschwaders, Kapitäns zur See

von Reiche.

Prag, 14. November. (W. T. B.) Der Böhmische Landtag erklärte heute, in Folge Aufforderung des Oberst⸗ Landmarschalls Fürsten Lobkowitz, einstimmig diejenigen Abgeordneten, welche seit dem 10. November ohne Urlaub den Sitzungen des Landtages fernblieben und ihre Abwesen⸗ heit nicht rechtfertigten, als ausgetreten. Durch diesen Beschluß erscheinen die deutschen Abgeordneten, welche Enthaltung von der Theilnahme an den Landtags⸗Sitzungen beschlossen hatten, ihrer Mandate verlustig.

Budapest, 14. November. (W. T. B.) Der „Nemzet“ erblickt in der Innsbrucker Entrevue einen neuen Beweis für die Innigkeit der deutsch⸗österreichischen Allianz, von den Völkern der Monarchie, insbesondere auch von Ungarn werde die Begegnung der beiden Kaiser in Innsbruck mit der freudigsten und herzlichsten Theil⸗ nahme begleitet.

Großbritannien und vvasg London, 14. November. (W. T. B.) Bei dem gestern in Bristol veranstalteten Bankett der Konservativen hielt der Präsident Handels⸗Miniseriums Hicks⸗Beach eine Ansprache, in welcher er der Hoffnung Ausdruck gab, die Fusion der Konservativen und Unionisten vor den Wahlen unter dem Namen der Unionistischen Partei sich vollziehen zu sehen. Im Kabinet befinde sich kein Mitglied, welches nicht bereit wäre, jedes Opfer zu bringen, um die Regierung durch den Eintritt unionistischer Führer in das Kabinet zu stärken.

Frankreich. Paris, 14. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung beschäftigte sich die Deputirten kammer mit Wahlprüfungen. Gegen 7 Uhr Abends theilte der provisorische Präsident Floquet mit, daß etwa 360 Wahlen für gültig erklärt worden seien, und daß nunmehr die Bil⸗ dung des definitiven Bureaus erfolgen könne. Die Kammer beschloß, die Wahl des definitiven Bureaus am nächsten Sonnabend vorzunehmen und setzte den Beginn der morgenden Sitzung auf Nachmittags 4 Uhr fest.

Italien. Rom, 14. November. (W. T. B.) Der bis⸗ herige Gesandte in Madrid, Graf Tornielli, welcher als Botschafter nach London versetzt ist, wird sich unverzüg⸗ lich auf seinen neuen Posten begeben, da der Botschafts⸗Rath Catalani, welcher die Geschäfte der Londoner Botschaft interimistisch führte, zum Vertreter Italiens auf dem Anti⸗Sklaverei⸗Kongreß in Brüssel ernannt worden ist. Turin, 14. November. (W. T. B.) Der Prinz und die Prinzessin von Wales sind heute wieder abgereist. Der Herzog und die Herzogin von Aosta gaben ihnen bis zum Bahnhofe das Geleit.

Schweiz. Bern, 13. November. Der Bundesrath hat bei den eidgenössischen Räthen beantragt, in Ergänzung des Tagsatzungsbeschlusses vom 4. Juli 1815, das eid⸗ genössische Siegel und Wappen betreffend, zu be⸗ schließen: „Art. 1. Das Wappen der Eibgenossenschaft ist im rothen Felde ein aufrechtes, freistehendes weißes Kreuz, dessen unter sich gleiche Arme je einen Sechstheil länger als breit sind.“

13. November. Das Traktanden⸗Verzeichniß für die am 25. November beginnende Wintersession der eidgenössischen Räthe weist folgende Gegenstände auf: Wahl des Präsidenten und Vize⸗Präsidenten des Bundesraths für das Jahr 1890; Gesetz betreffend die Fabrik⸗ und Handels⸗ marken; Handelsvertrag mit Belgien; Gesetz betreffend die Nationalrathswahlen; Errichtung eines schweizerischen Landes⸗ Museums; Botschaft betreffend Veröffentlichung der Verhand⸗ lungender eidgenössischen Räthe; Subvention für die Grimselstraße; der Bundesarmee; ferner das Bundesbudget für 1890, das Budget der Alkoholverwaltung für 1890, die Kranken⸗ und Unfallversicherung, den Rekurs des Stadtrathes von Luzern und der dortigen Altkatholiken gegen den Bundes⸗ rathsbeschluß vom 25. März, betreffend die Benutzung der Mariahilskirche in Luzern, eine Petition des Grütli⸗Vereins betreffend Untersagung der Exerzitien der Heilsarmee auf schweizerischem Gebiet ꝛc., im Ganzen 32 Vorlagen.

Das Defizit des vom Bundesrath aufgestellten Budgets für 1890 beträgt 13 006 000 Fr., oder nach Abzug der außerordentlichen Ausgaben 4271 400 Fr. Mit dem Budget für 1889 verglichen, sind die Einnahmen des nächstjährigen 3 167 000 Fr. größer und zwar bei den Liegenschaften und Kapi⸗ talien 32 000 Fr., beim Departement des Auswärtigen 58000 Fr., beim Militärdepartement (Pulververwaltung) 569 000 Fr.,

des

und Eisenbahndepartement 1 456 000 Fr. Vom Gesammt⸗ betrag gehen ab 34 000 Fr. bei Verschierenem. Die Ausgaben übersteigen die diesjährigen um 7 554 000 Fr., die sich aus folgenden Posten zusammensetzen: Amortisation und Verzinsung der Anleihen 878000 Fr., allgemeine Verwaltung 2000 Fr., Depar⸗ tenent des Innern 1013 000 Fr., Justif und Polizeidepartement 7000 Fr., Militärdepartement 3 558 000 Fr., Finanz⸗ und Zolldepartement 310 000 Fr., Industrie⸗ und Landwirthschafts⸗ departement 183 000 Fr., Post⸗ und Eisenbahndepartement 1 603 000 Fr. Dagegen fallen beim Departement des Auswär⸗ tigen 262 000 Fr. (Ansatz für die Weltausstellung in Paris) weg. Die bezügliche Botschaft des Bundesraths 1* am Schluß: Es werde bei der nothwendig werdenden Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts die Aufsuchung neuer Einnahmequellen die Hauptarbeit bilden, wäh⸗ rend die Einschränkung der Ausgaben nur einen ver⸗ hältnißmäßig geringen Beitrag dazu werde leisten können. Zunächst werde die angebahnte Revision des Zoll⸗ tarifs auf dem Boden der gegenwärtigen Bestimmungen der Bundesverfassung berufen und befähigt sein, der Staats⸗ verwaltung neue Einnahmequellen zu eröffnen, wobei es selbst⸗ verständlich nicht ausgeschlossen sei, zu erwägen, inwiefern auch nach anderer Richtung hin Deckungsmittel zu suchen seien.

Türkei. Konstantinopel, 15. November. (W. T. B.) Die Regierung erließ folgende Bekanntmachung:

„Die Unterthanen des Sultans ohne Unterschied der Stände gaben durch ihre außerordentlich sympatbische Haltung gegen⸗ über Ihren Majestäten dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Augusta Victoria während Höchstderen Aufenthalts in der Haupistadt einen neuerlichen Beweis ihrer Treue und Ergebenheit für den Sultan, welcher von der loyalen Haltung der gesammten Bevölkerung höchst befriedigt ist.“

DDer deutsche Botschafter, von Radowitz, richtete nach⸗ stehendes Schreiben an den Großvezier:

„Anlößlich des Besuches Ihrer Majestäten des deutschen Kaiser⸗ paares haben alle Civil-, Militär⸗ und Munizipal⸗Behörden gewett⸗ eifert, Ihren Majestäten den Aufenthalt in Konstantinopel so angenehm als möglich zu gestalten. Auch die Bevölkerung der Stadt ohne Unter⸗ schied des Kultus oder Rasse gab durch ihre respektvolle sympathische Haltung einen neuerlichen Beweis der Ergebenbeit für ihren Sou⸗ verän, indem sie trotz der ungeheuren Menschenansammlungen jedesmal, so oft Jyre Majestäten sich öffentlich zeigten, vollkommen Ordnung aufrecht erhielt. Ich erachte es demnach für meine Pflicht, durch die Vermittelung Ew. Hobeit allen Kaiserlichen Behörden sowie den Bewohnern der Stadt, welche in so ausgedehntem Maße beigetragen haben, den Glanz der denkwürdigen Tage des Besuches Ihrer Majestäten zu erhöhen, die Gefüble der Dankbarkeit für das otto⸗ manische Reich auszudrücken, welche die gesammte deutsche Nation beseeligen.“

Griechenland. Athen, 14. November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beendete heute die Berathung der Interpellation über die Lage Kretas und nahm mit 72 gegen 54 Stimmen eine Tagesordnung an, in welcher der Regierung ein Vertrauensvotum ertheilt wird.

Rumänien. Bukarest, 14 November. (W. T. B.) Seit der Rückkehr des Königs fanden wiederholte Sitzungen des Ministerraths statt, welche sich mit der Frage betreffs Auflösung der Kammer und Umbildung des Kabinets beschäftigten. Ein diesbezüglicher Beschluß ist je⸗ doch noch nicht gefaßt.

Serbien. König Alexander machte gestern seiner Mutter, der Königin Natalie, einen Besuch.

Der bisherige Berliner Gesandte Christic hat dem Ministerium mittelst Schreiben angezeigt, daß er durch Krank⸗ heit gehindert sei, sein Abberufungsschreiben zu überreichen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, vember. (F.) Der König, der Kronprinz und Prinz Eugen werden morgen Abend mit Sonderzug nach Gothen⸗ burg abreisen und von da am Morgen des folgenden Tages mit dem Dampfer „Jsbrytaren“ sich nach Marstrand begeben, um die dort jetzt stattfindende Großheringsfischerei in Augen⸗

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schein zu nehmen. Die Rückkehr nach der Hauptstadt wird am

Sonnabend erfolgen.

Amerika. Washington, 13. November. Wahl der Staatsbeamten in Jowa fiel mit Aus⸗ nahme des Gouverneurs zu Gunsten der republikanischen Kandidaten aus.

Afrika. Zanzibar, 14. November. (W. T. B.) Der englische General⸗Konsul Portal ist an Bord des englischen Kanonenboots „Pigeon“ heute von hier abgereist.

Parlamentarische Nachrichten.

In der welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Maltzahn sowie andere Bevollmächtigte zum Bundes⸗

rath nebst Kommissarien beiwohnten, stand auf der Tages⸗

ordnung die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichs⸗ haushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1890/91, und zwar zunächst der Spezial⸗Etat: Reichsamt des Innern. Abg. Schmidt (Elberfeld) wünschte eine Ausdehnung

der Thätigkeit der Fabrikinspektoren, namentlich auch auf die Hausindustrie. Dazu sei eine Vermehrung der Inspektoren und die Bildung kleinerer Inspektionsbezirke nothwendig. Die Revision lege gegenwärtig zu viel Gewicht auf die for⸗ malen Dinge, z. B. die Prüfung der Arbeitsbücher u. dergl.; die Revision scheine sich in dem Rahmen, in dem sie Seitens der Polizeibehörde ausgeführt werde, zu bewegen; dieselbe sollte aber vielmehr den Hauptwerth auf die Dinge legen, die für Leben und Gesundheit der Arbeiter wichtig seien. Ferner sei darauf hinzuwirken, daß alle vier mit der Revision der Fabrik⸗ betriebe beauftragten Faktoren, die Ortspolizei, der Kessel⸗ revisor, die Beauftragten der Berufsgenossen und die brikinspektoren, zusammen arbeiten und sich bei ihren Anordnungen nicht mit einander in Wider⸗ spruch setzen. Wünschenswerth wäre eine Mittheilung Seitens der Regierung über das Untersuchungsresultat der Kommission, die zur Untersuchung des Bergarbeiterstrikes eingesetzt sei. Die Kommission verdiene und genieße volles Vertrauen; gegen⸗ über den Versuchen der Gegner der Arbeiter, die Kommission zu diskreditiren, würde eine solche Auskunft aber in weiten Kreisen beruhigend wirken. In Bezug auf den Schutz der weiblichen und jugendlichen Arbeiter sollten die verbündeten Regierungen endlich ihre Zurückhaltung aufgeben und zu positiven Maß⸗

beim Finanz⸗ und Zolldepartement 1 086 000 Fr., beim Post⸗

nahmen übergehen. Die Industrie könne eine Be⸗

Belgrad, 14. November. (W. T. B,) Der

12. No⸗

(A. C.) Die

heutigen (16.) Sitzung des Reichstages,

1u““ .“ 1 ““ schränkung dieser Arbeitskräfte in dem Umfange, sie der Reichstag fordere, wohl tragen. Redner polemisirte dann gegen die gestrigen Ausführungen der Abgg. Dr. von Frege und Freiherr von Stumm und schloß mit der Bemerkung, daß die ganze Verantwortlichkeit für die uer der gegenwärtigen Zustände auf dem Gebiete der Frauen⸗ und Kinderarbeit auf die verbündeten Regie⸗ rungen fallen werde, wenn sie die wiederholten Wünsche des Reichstages in dieser Beziehung auch ferner unberücksichtigt ießen. 2 Bei Schluß des Blattes sprach der. sächsische Bundes⸗ bevollmächtigte Graf von Hohenthal und Bergen.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.)

ie Kommission für die Novelle zum Bankgesetz bat in ihrer gestrigen Sitzung die von dem Abg. Grafen Stolberg vor⸗ geschlagene Resolution auf Kündigung der Antheilsscheine und Verstaatlichung der Reichsbank mit 10 gegen 3 Stimmen abgelehnt. Die Spezialberathung findet heute Abend statt.

Die Kommission zur Vorberathung des Sozialisten⸗ gesetzes hat in ibrer gestrigen zweiten Sitzung zunächst beschlossen, das bestehende Gesetz der Berathung zu Grunde zu legen. Die §§. 2 bis 8 wurden fast ohne Debatte, und zwar mit 16 gegen 11 Stim⸗ men in der von der Regierung vorgeschlagenen Fassung, §. 9 nach kurzer Debatte mit 16 gegen 10 Stimmen in der bisherigen Fassung angenommen.

Die Kommission für die Geschäftsordnung hat den Antrag estellt: Der Reichstag wolle beschließen: „zu erklären, daß das

andat des Abg. Dr. Bürklin durch seine Ernennung zum Intendanten des Hoftheaters in Karlsruhe nicht erloschen seit.

Die Uebersichten über die Geschäftsthätigkeit des auses der Abgeordneten in der letzten Session sind 8 ausgegeben worden. Sie sind in der bisherigen sorgfältigen Art von dem Bureau⸗Direktor des Hauses, Geheimen Rechnungs⸗ Rath Kleinschmidt, angefertigt und zerfallen in die Redner⸗ liste, die Uebersicht über den Staatshaushalts⸗Etat und die Hauptübersicht. Die Rednerliste ergiebt den Tag, an welchem, sowie den Gegenstand, über welchen jeder einzelne Redner gesprochen hat, unter Hinweis auf die betreffenden Seiten der steno⸗ graphischen Berichte. Die Etatsübersicht macht die bezüglichen Anfragen, Anträge und Verhandlungen ersichtlich und weist bei den verschiedenen Verwaltungen sämmtliche Etatstitel mit ihren Beträgen speziell nach. Die alphabetisch geordnete Hauptübersicht umfaßt, abgeseben von dem Staatshaushalts⸗Etat, alle zur Erörterung elangten Gegenstände, unter Darlegung des Verlaufes der Berathung. Pie Regierungsvorlagen sowie die Anträge zu denselben sind darin in ihrem Wortlaut übernommen und die Verhandlungen über ein und denselben Gegenstand, auch wenn dieselben zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenbeiten stattgefunden haben, auf einer Stelle verzeichnet. Zu der Hauptübersicht gehört ein besonderes Inhalts⸗ verzeichniß, welchem eine Gesammtübersicht der Berathungsgegenstände beigefügt ist.

Zeitungsstimmen

Die Rückkehr Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten in die Heimath begrüßt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mit folgenden Worten:

„Unser erlauchtes Kaiserpaar kehrt heute von der in das Aus⸗ land unternommenen längeren Reise in die Heimath zurück, wo Aller⸗ öe“ die Herzen in ganz besonders warmer Weise entgegen⸗

agen. 1

Wiederum war Kaiser Wilhelm ausgezogen, von dem Streben beseelt, den Kreis seiner Anschauungen zu erweitern und mit eigenen Augen die reichen Geistesschätze zu sehen und zu durchforschen, welche uns in den Ländern, die als die Wiegestätten menschlicher Geistesbildung und Kultur gelten, von längst vergangenen Geschlechtern überliefert worden sind.

Daneben hat der thatkräftige, so rastlos Seinem hohen Beruf hingegebene Herrscher auch, wie hinlänglich bekannt, die freund⸗ lichen und guten Beziehungen gefestigt und erweitert, welche uns mit 19 Staaten und Völkern im Süden und im Osten Europas ver⸗ inden.

Das deutsche Volk hat mit Stolz und Freude den Widerball der jubelnden Zurufe vernommen, welche seinem Kaiser in jenen Ländern entgegentönten, sowie er den Boden derselben betreten. Galten diese Jubelrufe doch in erster Linie der Person des Monarchen, der in der kurzen Spanne seiner bisherigen Regierung das Wort König Friedrich's, der erste Diener des Staats zu sein, in so bin⸗ gebungsvoller Weise bethätigt. Sie galten aber nicht minder dem Friedensfürsten, der unablässig bemüht ist, die Bürgschaften des Ver⸗ trauens und der Eintracht, die zwischen Deutschland und seinen Ver⸗ bündeten und den anderen Nationen bestehen, mit dem ganzen Voll⸗

gewicht Seiner Person zu vertreten, und mit dem Ansehen und der ürde Seines hohen Amtes 2 bekräftigen

Durchdrungen von dankbar freudigen Empfindungen über diese Erfolge, rufen wir heute, inniger denn je, dem hoben zurückkehrenden Paare ein herzliches „Willkommen in der Heimath!“ zu.“

1 Aus gleichem Anlaß schreibt das „Deutsche Tage⸗ att“:

„Als unser Kaiser am Vorabend des 18. Oktober den heimath⸗ lichen Boden verließ, um auf dem Wege über Monza sich zunächst nach Athen einzuschiffen und dann nach der Theilnahme an den Feierlichke ten und Festen zur Vermählung seiner dritten Schwester mit dem Kronprinzen von Griechenland dem Sultan in Konstantinopel einen Besuch abzustatten, da wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die auf die Befestigung der inter⸗ nationalen Beziehungen und des europäischen Friedens gerichtete

olitik des Deutschen Kaisers und des Deutschen Reichs wie seiner eit die erste nordische, so jetzt die südöstliche Meerfahrt Kaiser ilbelm's II. als Leitstern begleiten werde. 1

Daß diese Hoffnung eine begründete gewesen sei, darf heute als unbedingt sicher angenommen werden. Gleichwohl bleibt es wahr, daß ein eigentlich politischer Zweck der Orientreise des Kaisers nicht zu Grunde lag. Aber vielleicht gerade deshalb war die Fahrt um so gewinnbringender für den Kaiser wie für sein Reich und für ganz Europa. Je mehr die Politik den Besuchen in Athen und Konstantinopel fernblieb, um so aufrichtiger und lebbafter konnten die warme Begeisterung des Kaisers für das klassische Land der bildenden Kunst und seine rückhaltlose Bewunderung des unvergleich⸗ lichen Morgenlandes in ihre Rechte treten Noch überall, wo unser jugendkräftiger Kaiser und König bis jetzt erschienen ist, gleichviel, ob im In⸗ oder im Auslande, hat sein ritterliches Auf⸗ treten und sein großer Ernst wie seine geradsinnige, von Herzen kommende Freundlichkeit die Gemüther der Bevölkerung rasch und in hohem Maße gefangen genommen.“

Eine 1 über die Friedenskundgebungen der letzten Zeit schließt der „Düsseldorfer Anzeiger“ mit folgenden Worien: „Wenn die Friedensaussichten gerade jetzt eine so greifbare Gestalt annehmen, so darf Deutschland die höchste Genugthuung darüber empfinden, daß unserem Kaiser das Hauvptverdienst hierfür gebührt. Mit Gefühlen des Danks und der Freude wird er bei seiner Rückkehr begrüßt, und es wird zugleich von Allen als Püücht empfunden werden, die mit so sichtbarem Erfolge gekrönten riedensbemühungen unseres Kaisers, ein Jeder an seinem Theile,

v1114“ 1u1““ kräftig zu unterstützen und Alles, was zur weiteren Sicherung Friedens für erforderlich erachtet wird, mit Vertrauen dem Aller⸗ höchsten Kriegsherrn zur Verfügung zu stellen.“

u dem neuen Antrag der freisinnigen Partei betreffs der Frauen⸗ und Kinderarbeit, welcher auch im Reichstage zur Erörterung kam, bemerkt die „Straßburger Post“: 3 „Während jede Regierungsvorlage, die auf das Wohl der ar⸗ beitenden Klassen und auf den Schutz von Landwirthschaft, Industrie und Gewerbe sich richtet, bei den Deutschfreisinnigen des Reichstages von vornherein jeder Gegenliebe entbehrt, ja gewöhnlich auf den heftigsten Widerstand stößt, geberden sich diesmal die politischen Freunde des Hrn Richter so, als ruhe allein auf ihren Schultern das Wohl des Deutschen Reiches und als wären sie die einzige Partei im Reichstage, welche über den Ausbau des Reiches und über die Erweiterung der Schutz⸗ und Wohl⸗ fahrtseinrichtungen zu wachen den Beruf fühlten. Nulla dies sine linea kein Tag, ohne daß ein deutschfreisinniger Antrag einge⸗ bracht wird, merkwürdiger Weise aber sind die Anträge meist derart, daß sie weniger praktische Ziele als günstige Agitationszwecke zu ver⸗ folgen scheinen. Während nun der Deutschfreisinn der Einrichtung der Fabrikinspektoren, die lediglich zum Schutze der Arbeiter ins Werk gesetzt wurde, nie hold war, haben die Herren jetzt einen Antrag ein⸗ gebracht, die Regierung möge dem Reichstage den Entwurf eines Ge⸗ setzes über die weitere Ausdehnung der auf Frauen und Kinder vorlegen. Es wäre ein Ziel, dessen baldige Erreichung aufs Innigste zu wünschen wäre, wenn die Fabrikarbeit der Frauen und Kinder ganz beseitigt werden könnte. Dazu aber ist nach Lage der Dinge leider für lange hinaus noch keine Aus⸗ sicht vorhanden und man wird sich daran genügen lassen müssen, die bestehenden Bestimmungen über Frauen⸗ und Kinderarbeit streng aufrecht zu erbalten. Denn wenn die Industrieen, in welchen Frauen und Kinder beschäftigt werden, konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt erhalten werden sollen, dürfen die Herstellungskosten in denselben nicht wesentlich erhöht werden, und wenn auf der anderen Seite die wirth⸗ schaftliche Lage der in Betracht kommenden Arbeiterfamilien nicht noch mehr unter die Grenze des Nothdürftigsten hinuntergedrückt werden soll, darf das Einkommen dieser Arbeiterfamilien nicht noch mehr beschränkt werden. Das sind die beiden Klippen, an denen bisher jeder Versuch einer gründlichen Abbülfe gescheitert ist. Wir stehen hier eben leider unter einer Nothlage, gegen deren Härte sich durch einfache Gesetzesvorschriften nicht ankommen läßt.“

Statistik und Volkswirthschaft.

In der Zweiten Beilage veröffentlichen wir eine Nach⸗ weisung der Arbeiterlöhne im Steinkohlenbergbau von Mitte 1888 bis dahin 1889.

8 Kohlenförderung.

Die Gesammtförderung auf den staatlichen Gruben im Saar⸗ gebiet hat, wie wir hbören, im Juli 541 304, im August 550 403 und im September 504 843, in Summa 1 596 550 t betragen. Im Vergleich zu dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres, in welchem die Förderung nur 1 581 602 t betrug, wird diese sonach um 14 948 t übertroffen. Nur wenige Gruben haben bei der verkürzten Arbeitszeit dieselbe Förderung wieder erreicht, wie vor dem Ausstande. In Folge der gesteigerten Nachfrage Eisenbahn⸗Verwaltungen, Gasanstalten, Hüttenwerke und andere Fabriken haben ansehnliche Vorräthe aufgespeichert und des Anwachsens der Selbstkosten durch Erhöhung der Löhne und Vertheuerung der Materialien bei gleichzeitiger Verkürzung der Arbeitsschichtdauer und Verminderung der Arbeitsleistung sind die Kohlenpreise erheblich gestiegen. Die Preiserhöhungen sind mit durchschnittlich 1 für die Tonne seit dem 1. Juli für Vertrags⸗ lieferungen und Tagesbestellungen, und einer abermaligen Steigerung um durchschnittlich 80 für die Tonne seit dem 1. September für laufende Aufträge in Kraft getreten.

Zur Arbeiterbewegung. Wie die „Allg. Corr.“ aus London meldet, haben am 13. d. etwa 550 Bäckermeister, darunter einige der größten Firmen, die von den Gehülfen geforderte Herabsetzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden im Tage bewilligt, sodaß nunmehr Aussicht auf Ver⸗ hinderung einer Arbeitseinstellung vorhanden ist. Jehn Burns sandte Telegramme nach Deutschland, um die Einwanderung deutscher Bäcker⸗ gesellen in London zu verhindern, falls der Ausstand der Londoner Bäckergesellen nothwendig werden sollte. 88 Der Ausstand unter den Werftarbeitern und Schiffs⸗ stauern der General Steam Navigation Company in St. Katha⸗ rine’s Werft hat ein rasches Ende gefunden, indem die Direktoren der Gesellschaft die höbere Lohnforderung der Arbeiter bewilligten. Die Direktion erklärt jedoch, daß sie in Anbetracht der höheren Betriebskosten ihren Wirkungskreis einschränken müsse, was natürlich nilassung einer großen Anzahl von Arbeitern führ wird

Handel und Gewerbe.

Nach einer Bekanntmachung der Madrider Stadt⸗ verwaltung werden der Zinsschein Nr. 55 der Carpetas von Nr. 184 an und ff. der 1861er Anleihe und der Zins⸗ schein Nr. 20 der Carpetas Nr. 2517 2552 der 1868er An⸗ leihe etzt eingelöst.

Verkehrs⸗Anstalten.

Ueber den im Reichshaushalts⸗Etat vorgesehenen Neubau eines Postgebäudes in Frankfurr a. M. wird uns geschrieben:

Kein neuer Kaiserpalast. Unter der Ueberschrift: „Ein neuer Kaiserpalast“ hat die „Freisinnige Zeitung“ über den im Reichsbaushalts⸗Etat vorgesehenen Neubau eines Postgebäudes in Frankfurt a. M. Angaben vorgebracht, welche Fäfiche sind, die öffentliche Meinung irre zu führen. Diese Angaben bipfeln in der Behauptung, daß für den Frankfurter Neu⸗ au der Post⸗ und Telegraphendienst nur Nebenzweck sei, und daß es sich in der Hauptsache darum handeln soll, einen stattlichen Kaiserpalast in Frankfurt zu errichten. Daß die Räume, in denen sich der Post⸗ und Telegraphendienst in dem 1867 mit dem Taxis'schen Postwesen übernommenen Haupt . postgebäude an der Zeil in Frankfurt a. M. abwickelt, schlecht⸗ hin unzureichend, für das Publikum wie für die Beamten geradezu unmöglich sind, das weiß Jeder, der auch nur einen Blick in die drangvoll fürchterliche Enge der Räume gethan hat, die für den mächtig anwachsenden Verkehr der Mainstadt dienen müssen. Es darf sicher darauf gerechnet werden, daß in der bevor⸗ stehenden Berathung des Post⸗Etats im Plenum des Reichstages der Nachweis, daß der Bau eines neuen Post⸗ und Telegraphengebäudes in Frankfurt a. M. zur Sicherstellung des Post⸗⸗ und Telegraphen⸗ dienstes absolut notbwendig und daß dieser Neubau ohne Ge⸗ fährdung der wichtigsten Verkehrsinteressen durchaus unaufschieb⸗ lich ist, von zuständiger Seite in bündigster Weise erbracht werden wird.

Wie steht es nun mit dem neuen Kaiserpalast der „Freisinnigen Zeitung“? Sie hat den Anlaß zu dieser Gründung, die ein richtiges Luftschloß ist, aus der Bemerkung in dem Etats⸗ entwurfe entnommen, worin es beißt: „Es liegt in der Absicht, in dem Neubau, ebenso wie im alten Ge⸗ bäude, ein Absteigequartier für Se. Majestät den Kaiser und König einzurichten“. Dies Absteigequartier soll nun, wie die „Freisinnige Zeitung“ nach Einsichtnahme der Baupläne ver⸗

sichert, das gesammte Mitttelgeschos des ganzen Gebäudes,

außerdem vom Untergeschoß den

gesammten mittleren Theil in Anspruch nehmen, so daß für den Post⸗ und Telegraphendienst noch nicht zwei Drittel des Untergeschosses übrig bleiben, während das Obergeschoß zu Dienstwohnungen für Beamte hergerichtet wird. Dabei wird aber mit Stillschweigen übergangen, daß das, was die „Freisinnige Zeitung“ das ganze Gebäude nennt, lediglich der an der Straßenfront belegene Vordertheil des Gebäudes ist, daß außer diesem Vordertheil in der gesammten Tiefe und Breite des Grundstücks umfangreiche Seiten⸗ und Quergebäude geplant sind und daß von dem Raum, der in dem ganzen Gebäude vorhanden ist, der bei weitem größte Theil für Zwecke des Post⸗ und Telegraphendienstes bestimmt ist. Statt der 28 größeren und kleineren Zimmer, die nach der Versicherung der „Freisinnigen Zeitung“ allein im Mittelbau für das Kaiserliche Absteigequartier in Aussicht genommen sein sollen, weist der Bauplan für dasselbe nur 15 Zimmer auf, gerade so viel wie das im alten Postgebäude vorhandene Absteigequartier, wenn auch in kleineren Abmessungen, enthält. Und so wenig bisher irgend Jemand auf den Gedanken gekommen ist, das Frank⸗ furter Posthaus wegen des seit 1867 darin befindlichen, von dem Hochseligen Kaiser Wilhelm öfers benutzten Kaiser⸗ lichen Absteigequartiers für einen Kaiserpalast zu bealten, grade so wenig ist man berechtigt, den lediglich aus Gründen der wichtigsten Verkehrsinteressen nothwendig gewordenen Neubau deshalb, weil in ihm, wie in dem alten Hause, ein Absteige⸗ quartier für Se. Maäjestät den Kaiser und König vorgesehen ist, für einen neuen Kaiserpalast auszugeben. Handgreiflich un⸗ richtig ist es endlich, wenn die „Freisinnige Zeitung“, um die Errichtung des Absteigequartiers als völlig überflüssig hinzu⸗ stellen, anführt, das alte Gebäude solle neben dem Neubau bestehen bleiben. Grade um den Ersatz dieses zum Theil aus dem 17. Jahr⸗ hundert stammenden, baufälligen alten Gebäudes durch einen den Bedürfnissen des gegenwärtigen Verkehrs von Frankfurt a. M. ent⸗ sprechenden Neubau handelt es sich in der Vorlage, deren Zweck von der „Freisinnigen Zeitung“ in ärgster Weise entstellt worden ist.

London, 14. November. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Anglian“ ist heute auf der Heimreise in Southampton an⸗

gekommen. 6 1 15. November. (W T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Garth Castle“ ist am Donnerstag auf der Ausreise in Cape⸗

own angekommen.

Theater und Mufik.

Deutsches Theater.

Am nächsten Mittwoch, den 20. d. M. wird „Hamlet“ neu ein⸗ studirt wieder aufgenommen. Ferner findet in der nächsten Woche wieder eine Zusammenstellung von Faust I. Theil und Faust's Tod statt, und zwar am Freitag, 22., Faust I. Theil und am Sonntag,

24., Faust's Tod. B Berliner Theater.

Gestern Abend gelangte das dreiaktige Schauspiel „Thyra“ von Heinrich Stobitzer zur ersten Aufführung und fand beim Publikum eine recht freundliche Aufnahme. In der That besitzt das Schauspiel mancherlei Vorzüge, denen aber auch recht erhebliche Mängel der Komposition gegenüͤberstehen. Der Verfasser hat den Stoff seines Schauspiels der Gegenwart entlehnt; den Schau⸗ platz der Handlung, welche in uns etwas fremdartigen Verhältnissen politischer Natur gipfelt, bildet Rußland. Ein polnischer Flüchtling, Oberst Sieminski, schürt die Unzufriedenheit des Volkes und agitirt mit allen Mitteln gegen das mächtige Czarenreich, um den Tod seines geliebten Weibes, welches während des letzten Polenaufstandes umgekommen, und den Untergang seines Vaterlandes zu rächen. Sein blinder Haß geht so weit, daß er nicht davor zurückschreckt, mit dem Glück seiner ahnungs⸗ losen Tochter Thyra ein leichtfertiges Spiel zu treiben. Er verlobt sie mit einem russischen Kammerherrn, um alsdann durch ihre Hülfe wichtige Dokumente in die Hände zu bekommen. Jede edlere Regung wird nach und nach von der wahnwitzigen Rachsucht erstickt; der Vater ist bereit, sein einziges Kind zu verleumden und zu opfern, um seine nichtswürdigen Thaten zu verdecken. Erst als Thvra's großmüthiges Flehen ihm Freiheit und Leben wieder⸗ geben, legt er ein schriftliches Bekenntniß seines Verraths ab, ent⸗ lastet den Verlobten der Tochter von dem schweren Verdachte eines Vaterlandsverräthers und rettet damit der Tochter Lebensglück. Der Vater will nun die Flucht ergreifen, wird aber daran verhindert und sühnt seine Schuld mit dem Tode. Die Person des Verschwörers kann unsere Sympathie nicht erwecken, da dem Charakter wahre sitt⸗ liche Größe mangelt, sein Schicksal erscheint uns nicht mitleidswürdig, weil seine Handlung nicht edel und rein ist. Wirkungsvoller ist die Titelheldin, die wahrheitsliebende, aufrichtige Thyra gezeichnet; befremden aber muß die schnelle, im Geschäftston abgewickelte Ver⸗ lobung der empfindungsvollen jungen Dame mit einem von ihr zwar geschätzten, aber ungeliebten Manne; später entwickelt sich der Cha⸗ rakter folgerichtiger; das Erwachen wirklicher Liebe zu dem Er⸗ wählten, das Schwanken zwischen der Liebe zum Vater und zum Verlobten hat der Dichter geschickt und wahr zum Ausdruck ge⸗ bracht. Der zweite Akt läßt echt dramatische Bewegung er⸗ kennen, die im ersten vermißt wurde. Freilich sind die Effekte fast nur äußerlicher Natur, aber doch im Moment von starker Wirkung; das zeigte sich auch im letzten Akt. Im Ganzen ist das Stück ein Intriguenspiel des Verstandes, dem die belebende Seele, das warme Herzblut der Empfindung fehlt. Der Dialog zeichnet sich nicht gerade durch Feinfühligkeit oder Originalität aus; ein einziges Mal, wo wirkliche poetische Stimmung wach⸗ gerufen wird, ist ein polnischer Dichter der Urheber. Frl. Butze, welche die Titelrolle gab, sprach die Verse sehr gut; überhaupt war ihre Leistung die vorzüglichste des Abends und riß durch heldenhafte Leidenschaft und Kraft die Zuschauer zu rauschendem Beifall hin. Hr. Drach verlieh dem pflichttreuen, aber etwas schwer⸗ müthigen Kammerherrn Vornehmheit in den Bewegungen und Wärme der Empfindung. Die Rolle des intriguirenden Obersten gab Hr. Kraußneck düster und bestimmt. Von den übrigen Dar⸗ stellern feien noch die Hrrn. Nollet, Eckert und Basil sowie Frl Baumeister und Frl. Elisabeth Hagedorn, welche Letztere als Debutantin einen recht gefälligen Ein. druck machte, mit Anerkennung erwähnt. Dem Schauspiel „Thyra“ ging ein dramatisches Gedicht in einem Aufzuge „Der Wanderer“ von Frangois Coppée vorauf. Das dialogische Gedicht ist voll echt dichterischer Stimmung und fein⸗ fühliger Empfindung, edel und zart in der Sprache; inhaltlich bietet es ein schnelles Erlebniß einer vornehmen Florentiner Courtisane. Ein armer jugendli ver Wanderer erweckt in dem Herzen Sylvia's das erste wahrhafte Gefühl der Liebe, welche wiederum das gesammte Empfindungsleben veredelt, so daß sie den Feneste Fii pehng zu seinem eigenen Heile für immer aus ihrer Nähe verbannt. Frl. Odilon sprach die Partie des Jünglings frisch und natürlich; Frl. Tondeur drückte tiefe schwärmerische Empfindung wirkungsvoll aus, ließ aber den Gegensatz von zarter Liebe und dem Erwachen des Widerwillens vor der eigenen Lebensweise nicht scharf genug hervortreten. Der von dämmerndem Mondlicht überfluthete florentinische Garten bot einen stimmungsvollen scenischen Hintergrund für die poetischen Gespräche. 1

Sing⸗Akademie.

Ein junger Bassist, Hr Plunket Greene aus England, dem schon ein sehr günstiger Ruf vorausging, erschien gestern im Saal der Sing⸗Akademie zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum. Mit einer sehr wohlklingenden, vollen und umfangreichen, in allen Lagen leicht und ungezwungen ansprechenden Stimme verbindet der Künstler zugleich eine edle, tief empfindende Ausdrucksweise. Die sichere Behandlung des Technischen, die deutliche Aussprache auch deutscher Textesworte und die reine Intonation zeugen von sehr

gruͤndlichen Studien, die er in dem Royal⸗College zu London unter Hrn. Blume'’s (eines deutschen Lehrers) Leitung gemacht