1889 / 275 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

ꝙt Posen, 18. November.

heute Mittag 11 ½ Uhr geschlossen worden.

Weesbaden, 16. November. Königliche Hoheit die Prinzessin Luise von Preußen traf heute zu ständigem Aufenthalt hier ein.

Bayern. München, 16. November. (W. T. B.) In der Sitzung der Abgeordnetenkammer betonte bei der erathung des Etats der Bodensee⸗Dampfschiffahrt der Referent Abg. vonSchauß: es sei eine internationale Pflicht Oesterreichs, für den im Jahre 1887 niedergerannten bayerischen Dampfer „Stadt Lindau“ an den bayerischen Fiskus und an die Hinterbliebenen der dabei umgekommenen Bayern eine Entschädigung zu zahlen. Der Staats⸗Minister Freiherr von Crailsheim gab hierzu die Erklärung ab: die Regierung werde bei den neuerlichen diplomatischen Verhandlungen mit Oesterreich auch die Ansprüche der Hinterbliebenen nochmals nachdrücklich wahrnehmen lassen. Hierauf wurde für einen neuen Salondampfer auf dem Bodensee die Summe von 290 000 bewilligt. 2

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 16. November. Den „Meckl. Nachr.“ wird aus Cannes gemeldet, daß es Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog in den letzten Tagen wiederum etwas besser ging und daß die Kräfte sich heben, wenn auch der Gesundheitszustand noch keineswegs wieder als normal bezeichnet werden kann. Ihre Kaiserliche Hoheit die Großfürstin Wladimir befindet sich auch etwas besser, jedoch macht das Befinden noch viel Schonung nöthig.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 16. November. (Straßb. Post.) Bei der heute durch den Gemeinderath voll⸗ zogenen Wahl eines Abgeordneten der Stadt Straßburg um Landes⸗Ausschusse von Elsaß⸗Lothringen wurde

der erste Beigeordnete Hochapfel mit 21 gegen 2 Stimmen gewählt.

3 Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 16. November. (W. T. B.) Der König Milan von Serbien ist heute Nachmittag hier eingetroffen. Der bulgarische Geheime Rath von Laaba, Chef der Kanzlei des Prinzen Ferdinand von Coburg, ist heute in Hitzing gestorben. Der Bau⸗Ausschuß des niederösterreichischen Land⸗ tages hat, wie die „Wien. Ztg.“ mittheilt, im Vereine mit dem Finanz⸗Ausschusse über die Petitionen, betreffend die J des Donau⸗Elbe⸗ und Donau⸗Oder⸗ Kanals, einen eingehenden Bericht vorgelegt, in welchem die dringende Nothwendigkeit der Herstellung von Wasserstraßen für billigen Massentransport minderwerthiger Produkte dargelegt und dem Landtage der Antrag unterbreitet wird, mit Rücksicht auf die vorwiegende volkswirthschaftliche Bedeutung des Donau⸗Oder⸗Kanals von der früher beschlossenen Bedingung der gleichzeitigen Herstellung beider Kanalprojekte ab⸗ zusehen und sich an den Herstellungskosten des Donau⸗Oder⸗Kanals eventuell mit einem höheren als fünfprozentigen Beitrage zu betheiligen. Die K. K. Regierung soll dringend ersucht werden, den Bau eines von Wien ausgehenden Donau⸗Oder⸗Kanals moöglichst zu fördern und eventuell eine Privatunternehmung auch materiell zu unterstützen. . Prag, 16. November. (Wien. Ztg.) In der Budget⸗ kommission des böhmischen Landtages erstattete heute Abg. Mattus den Generalbericht. Die Gesammtausgaben betragen 11 558 170 Fl., die Einnahmen 913 727 Fl., das Defizit per 10 644 443 Fl. soll durch eine Anleihe aus dem Domestikalfonds per 250 000 Fl. und durch eine Landesumlage von 39 Proz. gedeckt werden. Innsbruck, 16. November. (W. T. B.) Der tiroler Landtag nahm heute mit 34 gegen 21 Stimmen einen Aus⸗ schußantrag an, durch welchen das Bedürfniß anerkannt wird, denitalienischen Landestheilen von Tirol zur besseren Besorgung ihrer Angelegenheiten besondere Ein⸗ v estthhen der Organe der Selbstverwaltung zu⸗ zugestehen. Demgemäß wurde der Landesausschuß beauf⸗ tragt, zweckmäßige Erhebungen und die nothwendigen Ver⸗ handlungen einzuleiten, sowie diesb Aügliche konkrete Anträge von Seiten der Abgeordneten Wälsch⸗Tirols entgegenzunehmen. Triest, 18. November. (W. T. B.) Eine größere Anzahl von Offizieren des hier ankernden deutschen Geschwaders unternahm gestern früh mit dem deutschen Vize⸗Konsul und anderen hervorragenden Persönlichkeiten einen vom Vize⸗ Admiral von Wiplinger veranstalteten Ausflug nach der Adelsberger Grotte. Der Eingang zu dieser war mit deutschen und österreichischen Flaggen und mit dem deutschen Reichswappen geschmückt. Im großen Tanzsaal der festlich be⸗ leuchteten Grotte, in welchem der Namenszug des Deutschen Kaisers unter einer Krone erglänzte, brachte Vize⸗Admiral von Wiplinger ein dreifaches Hoch auf Se. Majestät den Kaiser Wilhelm aus, welches begeistert aufgenommen wurde, eine Musikkapelle intonirte die Nationalhymne. Im Grotten⸗ raume „Belvedere“ waren die Initialen des österreichischen Kaisers mit der Krone von bengalischem Feuer be euchtet. Hier brachte Kapitän zur See von Reiche ein dreifaches Hurrah auf Se. Majestät den Kaiser Franz Joseph aus, weiches ebenfalls herzlich erwidert wurde, während die Musikkapelle die österreichische Hymne spielte. ola, 18. November. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen und der Erzherzog Karl Stephan unternahmen vorgestern früh mit zahlreichen Gästen einen Jagdausflug auf die Inseln in der Umgegend von Pola. Abends fand im Marine⸗Kasino großes Concert und Tanz statt, an welchem die Erzherzogin Maria Theresia, 125 Heinrich von Preußen, die Erzherzöge Leopold und arl Stephan, sämmtliche Admirale, Stabs⸗ und Oberossiziere, sowie andere distinguirte Persönlichkeiten Theil nahmen. Gestern fand bei Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen einrich auf der „Irene“ ein Dejeuner statt, an welchem die zherzöge Leopold und Karl Stephan, Flügel⸗Adjutant Major von Deines, der Hafen⸗Admiral Baron Pitner und die übrigen Contre⸗Admirale theilnahmen. Zu dem Diner bei dem Hafen⸗ Admiral Baron Pitner hatten die Erzherzogin Maria Theresia, Prinz Heinrich von Preußen, die oben enannten Erzherzöge, Major von Deines, das Gefolge und zahlreiche deutsche und österreichische Offiziere Einladungen erhalten. Hierauf besichtigten die Herr⸗ schaften die festlich erleuchtete Arena; später besuchten die⸗ selben die Politeama Rosetti, wo eine Gala⸗Opernvorstellung

Nover Der Provinzial⸗Land⸗ tag der Provinz Posen ist nach Beendigung seiner Arbeiten

(Wiesb. Presse.) Ihre

GSGroßbritannien und Irland. London, 16. November. (W. T. B.) Im egyptischen Saale des Mansion House wurde gestern unter dem Vorsitz des Lordmayors, Sir Henry Isaacs, ein Meeting des neugegründeten City⸗ zweiges der Reichs⸗Föderationsliga abgehalten. Lord Rosebery (der Präsident der Liga), Kardinal Man⸗ ning, Lord Carnarvon und Andere betonten die Nothwendigkeit einer Reichsföderation. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, welche sich für eine baldige Wieder⸗ holung der im Jahre 1887 abgehaltenen Kolonialkonferenz ausspricht und die Reichsregierung ersucht, dieserhalb die nöthigen Schritte zu thun.

Dem Vernehmen nach soll das 1. Armee⸗Corps im Februar n. J. mit dem neuen Magazingewehr aus⸗ gerüstet werden. Die Staatsfabriken in Enfield und Sparkbrook arbeiten volle Zeit, und auch einige Privat⸗ fabriken haben von der Regierung Bestellungen auf Anferti⸗ gung von Gewehrtheilen erhalten, die dann in Enfield später zusammengesetzt werden. Zur Herstellung der neuen Munition sind auch schon die nöthigen Bestellungen ertheilt.

Aus Hyderabad in Indien, vom 15. November, wird telegraphirt:

Prinz Albert Victor von Wales kam heute hier an und wurde auf dem Bahnhofe von dem Nizam empfangen. Große Volks⸗ massen begrüßten den Prinzen mit Begeisterung.

Besuche ab. zu Ehren des hohen Gastes statt, welchem der Prinz beiwohnte.

Frankreich. Paris, 16. November. In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer wurde, wie das „Journal des Débats“ meldet, bei der definitiven Wahl des Bureaus Floquet Ier583 von 400 abgegebenen Stimmen zum Prä⸗ sidentennaf Kammer gewählt. Schweiz. Bern, 17. November. (W. T. B.) Die heutige Volksabstimmung über das Bundesgesetz, betreffend die Schuldbeitreibung und das Konkurs⸗ verfahren, hat, soweit bis jetzt bekannt ist, 236 000 Ja und 217 000 Nein ergeben.

Belgien. Brüssel, 16. November. (W. T. B.) Die Konferenz zur Berathung der Sklavereifrage wird am Montag, den 18. d. M., Nachmittags 2 Uhr, unter dem Vorsitz des Ministers des Aeußeren, Fürsten von Chimay, im Ministerium des Aeußeren zusammentreten.

Rumänien. Bukarest, 17. November. (W. T. B.) Das neue Kabinet ist gebildet und hat folgende Zusammen⸗ setzung: Mano Präsidium und Inneres, Lahovary

Vladesco Krieg, Maryhiloman Arbeiten, Paucesco Domänen. Der bisherige Justiz⸗Minister Rosetti hat inter⸗ imistisch das Ministerium des Unterrichts übernommen. Heute fand die Vereidigung des neuen Kabinets statt.

Süd⸗Amerika. Brasilien. Ueber die in Rio de Janeiro ausgebrochene Revolution sind im „W. T. B.“ folgende weiter⸗ Telegramme eingegangen:

Die „Western⸗ und Brasilian⸗Telegraph⸗Company“ be⸗ richtet aus Rio de Janeiro vom 15. November: Der vom Militär ausgegangene Aufstand sei ein sehr bedeutender. Der Marinc⸗Minister liege schwer verwundet darnieder. Die Verkaufsläden der Stadt seien geschlossen und alle Ge⸗ schäfte ruhen; die Minister seien gefangen gesetzt.

Das provisorische Ministerium soll folgende Zu⸗ sammensetzung haben: Theodoro Fonseca, Minister⸗Präsident und Minister ohne Portefeuille; Aristide Lobo, Inneres; der Journalist Quintin Bacagyura, Aeußeres; der Deputirte Dr. Barboza, Finanzen; Campos Salles, Justiz; Benjamin Constant, Krieg; Contre⸗Admiral van der Holz, Marine; Demetrio Ribetro, Ackerbau. Die Kammer ist aufgelöst, der Staatsrath abgeschafft.

Die provisorische Regierung hat am Sonnabend Mittag ein Manifest erlassen, in welchem sie die Monarchie für abgeschafft erklärt und ihre Absicht kundthut, jede Un⸗ ordnung vermeiden zu wollen. Das Manifest erklärt ferner: die provisorische Regierung habe aus den einzelnen Provinzen Brasiliens zahlreiche Zustimmungs⸗ und Anerkennungs⸗ Erklärungen erhalten. Andererseits verlautet, die auf⸗ rührerische Bewegung finde nicht im ganzen Lande Anklang; die Provinz Bahia stehe derselben feindlich gegenüber.

Die neue provisorische Regierung übernahm die Garantie für die Sicherheit der Kaiserlichen Familie. Der Kaiser befand sich beim Ausbruch des Aufstandes in Petropolis. Am Sonntag Vormittag hat der Kaiser die Reise nach Europa angetreten.

Nach über Paris eingetroffenen Nachrichten vom 17. d. M. aus Rio de Janeiro scheint die Mehrzahl der Provinzen der Gründung einer Föderativ⸗Republik zustimmen zu wollen. Der Finanz⸗Minister babe erklärt: alle Ver⸗ träge und Abmachungen würden aufrecht erhalten werden. Die Bevölkerung verhalte sich ruhig. Der Handel sei gelähmt. 8

Die portugiesische Korvette „Bartolomeo Diaz“ hat Seitens der portugiesischen Regierung Befehl erhalten, nach Brasilien in See zu gehen.

„— Ueber die Vorgeschichte des Aufstandes enthält die „Köln. Ztg.“ folgende thatsächliche Mittheilungen:

Obgleich Brasilien als einziges monarchisches Vorwerk der neuen Welt rundum von Republiken, zum Tbeil blühenden Staatswesen, umgeben war, gab es, wenn auch Republikaner, so doch eine eigent⸗ liche republikanische Partei bis zum vorigen Jahr richt. Am 13. Mai 1888 wurde das Gesetz verkündet, das die Sklaverei in Brasilien aufbob, und ein eigenthümliches Verbängniß wollte, daß

diese schͤnste That der Monarchie der Ausgangspunkt ihres Ver⸗ derbens wurde.

Bereits durch die vorhergehende Propaganda der Abolitionisten (der Gegner der Sklavperei) war eine allgemeine Bewegung im ganzen Lande entstanden, welche besonders auch die Sklaven ergriff; da diese eigentlich nicht verstanden, um was es sich zunächst handelte, und theilweise in dem Glauben waren, sie seien bereits frei, nur wollten ihre Herren sie nicht loslassen, so liefen sie in vielen Fällen davon. Viele Zeitungen, die in leichtfertigster Weise aus bloßer Sensationslust und meistens mit Himansetzung der Waͤhrbeit tagtäglich die schauderhaftesten Geschichten über Mißhandlungen von Sklaven, besonders von Sklavinnen, über gewaltsame Wiedereinfangung von entwichenen Negern u. s. w. ver⸗ öffentlichten, machten für die Vorkommnisse die Behörden verant⸗ wortlich, sodaß diese, eingeschüchtert, sich veranlaßt saben, nach und nach den Besitzern ihren Schutz zu entziehen, und es unmöglich wurde, die Reger festzuhalten.

Dann wurde das Gesetz, welches die Sklavereibedingungslos aufhob, anstandslos bewilligt. Im Anfang herrschte maßloser Jubel,

stattfand. Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich ist heute nach Adelsberg zur Pesichtfgung der dortigen Grotte 112

n Bald nach seiner Ankunft stattete der Prinz dem Nizam und seinem Premier⸗Minister Abends fand beim britischen Residenten ein großer Ball

Aeußeres, Rosetti Justiz, Ghermane Finanzen, General⸗-

Rückschlag kommen. Das Gesetz vom 13. Mai 1888 so gerecht und nothwendig es vom Standpunkt der Menschlichkeit auch war hatte Tausende bisher wohlhabende Grundbesitzer des größten Theils ihres Vermögens beraubt. Ein Antrag auf Bewilli gung einer Entschädigung wurde von beiden Häusern der Volks⸗ vertretung ohne Berathung abgelehnt. Trotzdem schien es Anfangs, als würde sich diese Umwälzung ohne größere Erschütterung durch⸗ führen lassen.

Doch es kam anders; nach der eingeholten Ernte verließen die ehemaligen Sklaven in großen Schaaren die Fazendas, zogen nach den Städten oder im Lande umher, arbeiteten nur so lange, bis sie sich eine Kleinigkeit verdient hatten, um dieses dann wieder zu verthun. Der größte Theil der ehemaligen Sklavenbesitzer sah sich zu Grunde gerichtet.

Die Folge davon war, daß sie ihren ganzen Haß auf die Kron⸗ prinzessin⸗Regentin und ihren Gemahl, den Grafen d'Eu, den sie für den geistigen Urheber der Maßregel halten, und zugleich auf die Monarchie warfen. Diese zu Ende des vorigen Jahres herrschende Stimmung benutzten die Republikaner und brachten mit aller Macht eine republikanische Agitation in Gang, wie sie in Brasilien bisher noch nicht stattgefunden. Republikanische Reiseprediger hielten überall Vorträge und gründeten Vereine. Zahlreiche Beitrittserklärungen fanden statt, hauptsächlich in den Provinzen Rio de Janeiro, Minas Geraes und Sao Paulo. Ein großer Theil der ehemaligen Sklavenbesitzer trat zu den Republikanern über.

Seit Anfang Mai und besonders seit Eintritt der Krisis im vor⸗ letzten Ministerium wurde die Agitation immer beftiger, ja selbst leidenschaftlich; die drei großen Tagesblätter „Paiz“, „Gaceta de Noticias“ und „Diario de Noticias“ richteten eigene Rubriken für die republikanische Propaganda ein und erklärten den Zusammensturz der Monarchie für unausbleiblich, der nunmehr thatsächlich erfolgt ist.

Der „Politischen Correspondenz“ wird über Paris ge⸗ meldet, daß der Umsturzversuch ausschließlich von einem Theile des Heeres ausgegangen sei. Der Gewährsmann der Correspondenz schreibt:

„Da Fonseca, der im Vereine mit Benjamin Constant an die Spitze einer provisorischen Regierung trat, ist General und Komman⸗ dant einiger Truppenbataillone, die von dem früheren konservativen Kabinete wegen der in diesem Heereskörper zu Tage getretenen meuterischen Gelüste in eine entlegene Grenzprovinz Brasiliens verlegt, von dem gegenwärtigen liberalen Kabinete aber, das seit Juni dieses Jahres an der Spitze der Geschäfte steht, nach Rio de Janeiro zurückberufen wurden. Der Aufstand ist allem Anscheine nach von den Befehlshabern dieser Truppen ins Werk gesetzt worden. Benjamin Constant ist seinem Berufe nach Professor.“

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (17.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Maltzahn sowie andere Bevollmächtigte zum Bundes⸗ rath nehst Kommissarien beiwohnten, stand als erster Gegen⸗ stand auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Kom⸗ mission für die Geschäftsordnung, betreffend die Frage über die Fortdauer des Mandats des Abg. Dr. Bürklin. Der Berichterstatter Abg. Freiherr von Ellrichshausen beantragte Namens der Kommission: „zu erklären, daß das Mandat des Abg. Dr. Bürklin durch seine Ernennung zum Intendanten des Hof⸗Theaters in Karlsruhe nicht er⸗ loschen sei.“ 8 Das Haus beschloß ohne Debatte diesem Antrage gemäß. Es folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1890 91, und zwar zunächst des Spezial⸗Etats: „Reichsamt des Innern“ Die Berathung wurde fortgesetzt mit Titel 12 des Kapitels 7a der fortdauernden Ausgaben (zur Unterhaltung deutscher Postdampferverbindung 4 400 000 ℳ).

Abg. Richter regte die Aufhebung der australischen Zweiglinie von Sydney nach Tonga und Samoa an; der Verkehr auf dieser Linie sei außerordentlich gering und un⸗ lohnend, und der „Norddeutsche Lloyd“ würde gewiß gern ein⸗ willigen, von dieser Linie entbunden zu werden, zumal er auch im Jahre 1888 trotz des Reichszuschusses nicht einmal die Kosten der Fahrten nach Ost⸗Asien und Australien gedeckt habe. Weder finanziell noch kommerziell rechtfertige sich die Aufrechterhaltung der Zweiglinie.

Abg. Broemel bezeichnete die Subvention als im Mifß⸗ verhältniß zu dem Verkehr auf den subventionirten Linien stehend; trotz des in letzter Zeit gestiegenen Verkehrs be⸗ trügen die Kosten nach China, Japan und Australien im Jahre 1888 nur 16 ½ Millionen Mark; was das Reich und der Lloyd zusammen zugeschossen, aber 5 ½ Millionen, also ein volles Drittel des ganzen Verkehrswerthes. Die Sub⸗ vention sei also wirthschaftlich nicht gerechtfertigt. Wünschens⸗ werth sei eine ausführlichere Statistik über den Verkehr auf den subventionirten Linien.

Staatssekretär Dr. von Boetticher wies auf die Steige⸗ rung der Ausfuhr von Bremen nach Japan, China und Australien hin, die im Jahre 1885 nur 605 000 ℳ, im Jahre 1888 aber bereits 20 151 000 betragen habe; es sei dies ein Mehr von fast 20 Millionen in drei Jahren. Zu bedenken sei dazu, daß die Subvention ja auf 15 Jahre gewährt sei, und es lasse sich mit Bestimmtheit erwarten, daß ein weiterer Aufschwung der deutschen Ausfuhr eintreten werde; es sei bereits das dringende Verlangen nach Vermehrung der Verbindungen gestellt. Was die Forderung einer ge⸗ naueren Statistik betreffe, so solle sie erfüllt werden, soweit nicht nationale Rücksichten entgegenständen. Die Samoa⸗Zweiglinie habe eine große handelspolitische Be⸗ deutung nicht; sie sei aber mit den politischen Interessen Deutschlands in der Südsee verknüpft, und bisher habe das Auswärtige Amt auf die Aufrechterhaltung der Linie großen Werth gelegt. (Schluß des Blattes.)

I der am Freitag stattgehabten Sitzung der Kommission für Berathung des Sozialistengesetzes wurde, wie nachträglich bemerkt sei, bei §. 13 beschlossen daß die Beschwerde gegen Verbot des ferneren Erscheinens einer Druckschrift aufschiebende Wirkung D 8

n der Sonnabend⸗Sitzung trat die Kommission in die Berathung des §. 26 der Vorlage ein, welcher in dem Gesetz von 1878 folgender⸗ maßen lautet: „Zur Entscheidung der in den Fällen der §§. 8. und 13 erhobenen Beschwerden wird eine Kommission gebildet. Der Bundesrath wählt vier Mitglieder aus seiner Mitte und fünf aus den Mitgliedern der höchsten Gerichte des Reichs oder der einzelnen Bundesstaaten. Die Wahl dieser fünf Mitglieder erfolgt für die Zeit der Dauer dieses Gesetzes und für die Dauer ihres Verbleibens im richter⸗ lichen Amt.“ Die Regierung schlägt dafür folgenden (nach Ausfall der früheren §§. 22 25 als §. 22 nummerirten) Wortlaut vor: „Zur Ent⸗ scheid ung der in den Fällen der §§. 8 und 13 erhobenen Beschwerden wird eine Kommission mit dem Sitze in Berlin gebildet. Dieselbe besteht aus einem Vorsitzenden und elf Mitgliedern. Der Kaiser ernennt den Vorsitzenden und aus der Zahl der Mitglieder der Kom⸗ mission dessen Stellvertreter. Die Mitglieder der Kommission

ein Freudenrausch ging durch das ganze Land. Aber bald sollte der

werden von dem Bundesrath aus den Mitgliedern der

höchsten Gerichte und Verwaltungsgerichte des Reichs oder der einzelnen Bundesstaaten gewählt. Die Wahl der Mit⸗ glieder erfolgt für die Dauer ihres Verbleibens im richterlichen beziehungsweise verwaltungsgerichtlichen Amte“. Nachdem ein Antrag des Abg lemann: „Die Entscheidung über die erhobenen Be⸗ schwerden erfolgt in den Fällen der §§ 8 und 13 durch ein Reichs⸗ Verwaltungsgericht“ mit 16 gegen 9 Stimmen abgelehnt worden war, wurde der erste Satz der Regierungsvorlage mit 21 Stimmen an⸗

genommen.

Zeitungsstimmen

8 Der „Schwäbische Merkur“ kommt aus Anlaß de Rückkehr Ihrer Kaiserlichen Majestäten in die Heimath zu folgenden Betrachtungen: 8 8 „Mit freudigem Stolz darf das deutsche Volk sich sagen, daß ebensoweit, als die Reise des Kaiserpaares sich erstreckt hat, auch moralische Eroberungen des deutschen Namens und neue Bürgschaften für den Frieden der Welt zu verzeichnen sind. Und so macht sich auch am Ende der orientalischen Kaiserreise, die einen schönen Abschluß des vielbewegten Jahres 1889 bildet, die Thatsache der nach einem Ausdruck des „Globe“ „seltsamen Fronie des Schicksals“ geltend, daß im Jahr der Jahrhundertfeier der französischen Revolution das monarchische Wesen fester begründet er⸗ scheint, als es in den letzten 100 Jahren jemals der Fall gewesen. Mit welcher Theilnahme hat das ganze deutsche Volk seinen Kaiser auf dieser Reise begleitet, wie begierig hat es den Verlauf derselben verfolgt, die Nachrichten über dieselbe ent⸗ gegengenommen! Es ist so wie jenes Blatt sagt: „Die Träumer, welche Gesichte sehen von Republiken, können, wenn es ihnen auch noch so schmerzlich sein sollte, doch der Einsicht sich nicht verschließen, daß die gegenmwärtige wie die jüngst vergangene Geschichte Europas in einer Richtung sich bewegt, welche ihnen kaum eine Hoffnung übrig läßt. Mag das heutige Europa für besser oder schlechter gehalten werden als das vor einem Menschenalter, soviel steht fest, es ist geschaffen und wird auf⸗ recht erhalten wesentlich durch die monarchische Regierungsweise. Eben in diesen Tagen war unser Kaiser der Gast des Königs von Italien, und am 14. November drückte er dem Kaiser von Oesterreich als treuem Bundesgenossen die Hand. Das legt uns die Frage nahe: wie stände es um die Verwirklichung der ita⸗ lienischen Einheit ohne den König Viktor Emanuel? Was wäre die bunte Menge von Völkerschaften und Volkstheilen, welche zusammen Oesterreich⸗Ungarn genannt werden, und die wir in den letzten Tagen in so gewaltiger Erregung sich unter einander befehden sehben, ohne den babsburgischen Kaiser, dessen Hand sie alle zusammenhält? Was wäre heute Deutschland ohne den greisen Kaiser Wilhelm I. und den jugendlichen Wil⸗ helm II., deren einer für die nationalen Bestrebungen der feste Mittelpunkt rrar, der andere es ist, um welchen die deutschen Staaten sich zusammenschlossen und nun verbunden bleiben für immerdar! Angesichts dieser Thatsachen gewinnen die Reisen unseres Kaisers, gewinnt zumal diese letzte Reise in das Morgenland mit ihren Begegnungen zwischen Sultan, Kaiser und König erhöhte Be⸗ deutung, und es kommt ans freudig bewegten Herzen, wenn das deutsche Volk seinem Kaiserpaar bei der Heimkehr zuruft: Willkommer in der Heimath!“

Zu der Monarchenbegegnung, welche am Donnerstag in Innsbruck stattfand, schreibt das „Prager Abend⸗ blatt“: 8

„Die zahllosen Kundgebungen der Genugthuung, der die Presse über diese neuerliche Bekräftigung der österreichisch⸗deutschen Freund⸗ schaft Ausdruck gegeben, beweisen die ungetheilte Befriedigung über dieses Ereigniß. Nicht zu zweifeln ist daran, daß die Monarchen selbst von dieser Befriedigung erfüllt sind. Die Inns⸗ brucker Kaiserbegegnung war auch noch von einer anderen Kundgebung begleitet, die in Triest stattgefundeg, wo die Anwesenheit des deut⸗ schen Geschwaders dem österreichischen Seebezirks⸗Kommandanten einerseits und dem deutschen Kommodore andererseits Gelegenheit boten, in warmen Trinksprüchen die Freundschaft der beiden Staaten zu feiern. In den wiederholten Bethätigungen der innigen Beziehun⸗ gen, in denen die der Tripel⸗Allianz angehsrenden Staaten zu einander stehen, ist nach wie vor die Stütze der Hoffnungen auf fernere Er⸗ haltung des Friedens zu erblicken“.

Den heute in Brüssel erfolgenden Zusammentritt der Antisklaverei⸗Konferenz begleitet die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mit folgenden Worten:

„In den nächsten Tagen treten auf Anregung der belgischen Re⸗ gierung die Vertreter der Staaten, welche an dem Congokongreß von 1884/85 theilgenommen, in Brüssel zu einer Konferenz zusammen, die es sich zur Aufgabe macht, durch gemeinsames Vorgehen der betheiligten Maͤchte auf die Ausrottung der Sklaverei hinzuwirken.

Die Brüsseler Konferenz will mit dem Werk, welches sie beginnt, den in der Congoakte enthaltenen Vereinbarungen praktische Bethäti⸗ gung geben, indem sie den Unterzeichnern jenes internationalen Ver⸗ trages die gemäß Erklärung II der genannten Akte übernommene Verpflichtung in das Gedächtniß zurückruft. Diese Verpflichtung, welche allen in Afrika Souveränetätsrechte oder einen Einfluß aus⸗ übenden Staaten auferlegt ist, bezieht sich bekanntlich auf das Obligo der Vertragsmächte, den Sklavenhandel mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen und Diejenigen, die ihm obliegen, zu bestrafen.

Der Zeitpunkt, in welchem die Konferenzihre Arbeit beginnt, ist ganz be⸗ sonders geeignet, die Erwägung nahe zu legen, wie es ebensowohl im Interesse der Civilisation und Humanität, wie der kolonialpolitischen und wirthschaftlichen Raison liegt, nicht länger einen Zustand zu ertragen, der auf die Dauer eine beständige Bedrohung der in Afrika mühsam geschaffenen Kulturwerke bedeuten würde 8

Dem König Leopold II. gebührt von Neuem das Verdienst, den Impuls zu einem Werk der Kultur und! Gesittung gegeben zu haben, welches wiederholt Zeugniß dafür ablegt, wie sehr der genannte, von echt humanistischem Streben beseelte Monarch es als eine der schönsten Pflichten seines hohen fürstlichen Berufs ansieht, den Ge⸗ boten der Menschlichkeit und werkthätiger Nächstenliebe Achtung und Geltung zu verschaffen und die Segnungen der Civilisation auf den Welttheil zu übertragen, der nach so verschiedenen Richtungen hin das Ziel europäischer Kulturbestrebungen ist.“

Das „Journal de St. Pétersbourg“ bedauert, wie „W. T. B.“ meldet, den Umsturz des Thrones Dom Pedro's von Brasilien und sagt: der Kaiser habe sich während seines wiederholten längeren Aufenthaltes in Europa Achtung und allgemeine Sympathie durch seine hervorragenden Eigenschaften erworben; allerseits werde das Geschick, welches ihm die Undankbarkeit eines Theiles seiner Unterthanen soeben bereitet habe, lebhaft beklagt werden. Was Brasilien anbetreffe, so sei zu befürchten, daß das Land für lange Zeit Ordnung und Sicherheit verloren haben werde.

Statistik und Volkswirthschaft.

Viehexport. b Der vollen Ausnutzung des für Schleswig⸗Holstein besonders wichtigen Erwerbszweigs der Viehgräserei steht, wie von dort ge⸗ schrieben wird, immer noch das von England erlassene Vieheinfuhr⸗

verbot im Wege. Zwar ist das in Folge dessen zu erwartende Sinken der Viehpreise noch nicht in dem Umfange eingetreten, daß dadurch eine Schädigung der Landwirthe und Händler herbeigeführt worden wäre. Es kann aber die Befürchtung nicht als ausgeschlossen be⸗ trachtet werden, daß die Fortdauer des jetzigen Zustandes eine erheb⸗

lichere Stockung des Absatzes von Vieh und damit schwere wirth⸗ schaftliche Nachtheile für die Landwirthschaft, den Handel und die Schiffahrt der Nordseeküste nach sich ziehen wird.

Wohlfahrtseinrichtungen.

Die Erben des Hrn. Oscar Schüll in Düren haben, wie das „Echo“ meldet, die beträchtliche Summe von 60 000 zur Er⸗ richtung einer Koch⸗ und Haushaltungsschule für Fabrik⸗ arbeiterinnen, in Verbindung mit der von gleich einsichtsvoller Munificenz gegründeten und bewährten Volksküche, gestiftet.

Zur Arbeiterbewegung.

Ueber die Londoner Strike⸗Bewegung meldet die „Allg. Corr.“: Noch immer wollen Strike und Strikegeschrei in den Londoner Docks und den mit denselben verbundenen Gewerken nicht verstummen. Die Arbeiter in den Tilbury Docks fordern, daß die Aufseher und Kommis sich ihrem Gewerkverein an⸗ schließen. Letzteren ist dieses aber nach ihrem Vertrage mit den Dockgesellschaften unmöglich; überdies würden sie aller Krankengelder, Pensionen und sonstigen Vergünstigungen verlustig gehen. Die Arbeiter kündigten an, daß sie einen Strike beginnen würden, falls die Aufseher und Kommis ihrem Ersuchen nicht nach⸗ kommen.

Die Folgen des Dockarbeiterstrikes machen sich den Schiffsrhedern bereits fühlbar; dieselben erklären, daß Tausende von Tonnen Fracht jährlich dem Hafen von London entzogen worden sind. Ausländische Kaufleute ziehen vor, ihre für die Hauptstadt bestimmten Waaren zu Schiffe nach Hull und Harwich zu schicken, als sich neuen Verkehrsstörungen, die jeden Augenblick eintreten können, aus⸗ zusetzen. Die gesteigerte Einnahme der von Hull und Harwich nach London fahrenden Eisenbahnen beweist allein zur Genüge, daß der Handel andere Wege einschlägt. 4 australische mit Wolle befrachtete Schiffe wollten in Grimsby statt in der Themse löschen, wo die Hafengebühren geringer sind. Außerdem liegt der Platz den großen Mittelpunkten des kontinentalen Wollhandels näher. Die Rheder heben mit Recht hervor, daß der Handel, wenn er sich einmal fort⸗ gezogen hat, nicht leicht wiederzuerlangen ist.

Es war Lord Brassey's unermüdlichen Anstrengungen zu ver⸗ danken, daß die Lichterleute einen zwölfstündigen Arbeits⸗ tag erhielten. Jetzt entsteht aber eine eigenthümliche Streitfrage. Ist dieses Zeitmaß beweglich und richtet es sich nach Eintritt der Fluth? Dies ist die Auffassung der Meister, während die Leute wollen, daß der Arbeitstag an einem gewissen festen, unabänderlichen Zeitpunkt beginnen solle. Kühn oder trunken gemacht durch ihre bisherigen Erfolge, fordern die Lichterarbeiter, daß die Meister bis zum nächsten Freitag nachgeben, andernfalls das Allheilmittel Strike

Das Strikecomité der Bäckergesellen empfing am Freitag 140— 150 weitere Zuschriften von Meistern, die die Forderung der Leute auf einen 10 stündigen Arbeitstag bewilligten. Im Ganzen haben somit etwa 1500 Meister sich gefügt. John Burns hat an die Genossen nach Deutschland telegraphirt, dafür zu sorgen, daß der Zugang von Gesellen nach London möglichst verhindert werde. Das Comité beschloß, London für den Strike in 9 Distrikte einzutheilen. Wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, ist der Bäckerstrike am Sonnabend wirklich ausgebrochen, hat aber nur einen geringen Umfang ange⸗ nommen, da viele Bäckermeister die Forderungen bewilligt haben.

Die Angestellten der „Road Car' Omnibus⸗Gesellschaft werden auch wahrscheinlich allernächst einen Strike beginnen. Die Leute verlangen einen 12stündigen Arbeitstag, 2 Stunden Ruhepause inbegriffen, und außerdem Extravergütung für die Bezahlung der Leute, welche die Pferde umspannen müssen, Reform der Kranken⸗ und Unfallkassen ꝛc. Die Kutscher der Gesellschaft erhalten 6 s täg⸗ lich, die Conducteure 31s 10 d. Gegenwärtig gehören über zwei Drittel aller Angestellten der Gesellschaft zum Gewerkverein. In⸗ zwischen sind, wie „W. T. B.“ berichtet, Unterhandlungen eingeleitet und der Ausstand auf 8 Tage verschoben worden.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium.

Einen weiteren Gegenstand der Berathung in der vorgestrigen Sitzung des Landes⸗Oekonomie⸗Kollegiums bildete die Frage: „Ist die Berufung auf den öffentlichen Glauben des Grundbhuchs Dem⸗ jenigen zu versagen, welcher das Eigenthum oder ein sonstiges Recht von dem Eigenthümer oder eine Hypothek von dem Gläubiger ohne Entgelt erworben hat?“ Der Referent, Ober⸗Landeskulturgerichts⸗ Rath Metz (Berlin) befürwortete folgenden Antrag: „Das Landes⸗ Oekonomie Kollegium wolle beschließen: 1) Die Berufung auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs ist Demjenigen zu versagen, welcher das Eigenthum oder ein sonstiges Recht von dem Eigen⸗ thümer oder eine Hypothek von dem Gläubiger ohne Entgelt erworben. 2) Ein solcher gutgläubiger Erwerber ist zur Herausgabe des Grund⸗ stückes nur gegen Vergütung aller auf dasselbe vor Eintritt der Rechts⸗ hängigkeit gemachten Verwendungen verpflichtet; er hat jedoch ein Recht auf Vergütung der Verwendungen nur insoweit, als er nicht durch Nutzungen, welche ihm verbleiben, bereichert ist.“ Nach kurzer Debatte gelangte dieser Antrag zur Annahme.

Hierauf wurde nach längerer Debatte folgender Antrag der Kom⸗ mission angenommen: „Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium wolle be⸗ schließen: 1) Der Anspruch auf Beseitigung der auf der Grenze stehenden Bäume muß fortfallen, wenn letztere die ausschließlichen Grenzzeichen sind. 2) Der Eigenthümer eines Baumes darf von dem Eigenthümer des Nachbargrundstücks nicht gezwungen werden können, Wurzeln, welche binüberragen. abzuschneiden, sondern er hat nur zu dulden, daß dieses durch den Eigenthümer des benachbarten Grundstücks geschieht. 3) Zu den Anlagen, welche nach §. 864 nicht bergestellt oder gehalten werden dürfen, weil ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf ein Nachbargrundstück zur Folge vaben würde, sind Baumschlagungen nicht zu rechnen.“ b

Zu der Frage: „Entsprechen die Vorschriften über sogenannte Rothwege in Verbindung mit dem Vorbehalt im §. 866 dem Be⸗ dürfniß der Landeskultur?“ befürwortete Landes⸗Direktor Krein (Düsseldorf) folgenden Vorschlag: „Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium wolle beschließen: Die Beschränkungen des §. 863 des Entwurfs für die Gestattung des Nothweges gehen insofern zu weit, als 1) der Nothweg nur für die bisherige ordnungsmäßige Benutzung gestattet, 2) der Verbindung mit einem öͤffentlichen Wege nicht die Verbin⸗ dung mit einer Wasserstraße oder Eisenbahn gleichgestellt und endlich 3) der Nothweg alsdann versagt wird, wenn der Nothstand von dem Rechtsvorgänger vorsätzlich oder fahrlässig verursacht worden ist.“ Nach kurzer Debatte gelangte dieser Antrag zur Annahme.

Auf Befürwortung des Ober⸗Landeskulturgerichts⸗Raths Siber (Berlin) wurde ferner beschlossen: „Das Landes Oekonomie⸗Kollegium erklärt: Im Fall des § 867 ist der Eigenthümer der Sache zur vorgängigen Sicherheitsleistung nicht zu verpflichten“.

Ober⸗Landesgerichts⸗Rath Struckmann (Berlin) trat für fol⸗ genden Antrag ein: „Das Landes⸗Oekonomiec⸗Kollegium wolle beschließen: Die Ausschließung der Ersitzung als Erwerbsart des Grundeigenthums ist rücksichtlich der nichtgebuchten und der vom Buchungszwange be⸗ freiten Grundstücke nicht gerechfertigt.“ 1

Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Hermes (Berlin) beantragte, den Vorschlag folgendermaßen zu fassen: „Die Ausschließung der Ersitzung als Erwerbsart des Grundeigenthums ist rücksichtlich der nicht oder mehrfach gebuchten und der vom Buchungszwange befreiten Grundstücke nicht gerechtfertigt“. Der Vorschlag gelangte schließlich in dieser veränderten Fassung zur Annahme. 8

Es folgte ein Antrag, betreffend die Aufnahme einer Bestimmung in den Entwurf, wonach die Auflassung außer vor dem zuständigen Grundbuchamt auch vor einem deutschen Notar gestattet sein soll Die Mehrheit der Kommission hat jedoch diesen Antrag abgelehnt.

Landes⸗Direktor Krein (Düsseldorf) nahm nunmehr diesen Antrag wieder auf und bemerkte: Die beantragte Bestimmung bilde zur Zeit bereits in Bayern und im Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Köln geltendes Recht; sie sei aus einem praktischen Bedürfniß hervor⸗

gegangen. Die große Parzellirung des Grundbesitzes, die daraus ent⸗

springenden verwickelten Verhältnisse, sowie die oftmalige große Ent⸗ 8

fernung der Parteien von dem Sitze der Amtsgerichte würden auch in Zukunft den Abschluß der Kaufgeschäfte vor dem Grundbuchrichter so erschweren, daß in der Regel ein notarieller Vertrag nicht werde ent⸗ behrt werden können. Es würde zu einer namentlich für kleinere Objekte äußerst drückenden Häufung der Kosten, sowie zu einer großen Belästigung der Vertragsschließenden führen, wenn neben dem no⸗ tariellen Akt noch die Auflassungserklärung vor dem Grundbuchamt erfolgen müßte.

In ähnlicher Weise äußerte sich Rittergutsbesitzer von Bem⸗ berg (Flamersheim, Rheinprovinz), der folgenden Antrag stellte: „Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium wolle beschließen: dahin zu wirken, daß eine Bestimmung in den Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs aufgenommen werde, wonach die Auflassung außer vor dem zustän⸗ digen Grundbuchamt auch vor einem deutschen Notar gestattet sein soll.“ 1

Der Präsident des Ober⸗Landeskulturgerichts Glatzel (Berlin) wandte sich gegen diesen Antrag, während der Geheime Ober⸗Regie⸗ rungs⸗Rath Dr. Thiel (Berlin) dafür eintrat. Der Antrag wurde schließlich abgelehnt und die Sitzung sodan auf heute vertagt.

Der heutigen Sitzung wohnte der Staatssekretär des Reichs Justizamts, Dr. von Oehlschläger bei.

Den ersten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildeten die Fragen: 1) Welche Stellung hat das neue Gesetzbuch der aus landwirthschaftlichen Kreisen erhobenen Forderung gegenüber: „daß für die ländlichen Grundstücke nur die Belastung mit unkündbaren Renten als einzig zulässige Form der Belastung zu⸗ gelassen werde“, einzunehmen? 2) Ist das Institut der auf Grund⸗ stücken ruhenden festen Geldrenten in der Richtung näher auszuge⸗ stalten, daß die Forderung des Rentenberechtigten (Rentenkäufers) etwa durch Einführung von Rentenbriefen verkehrsfähig gemacht wird?

Der Referent, Landesdirektor Klein (Düsseldorf) befürwortete folgenden, von der Kommission vorgeschlagenen Antrag: „Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium wolle beschließen: 1) Im Hinblick darauf, daß die Belastung des städtischen wie ländlichen Grund⸗ besitzes sich in ganz Deutschland in der Form der Kapital⸗ hypothek bis jetzt vollzogen hat, und in Anbetracht, daß diese Belastungsform wenigstens für die städtischen Grundstücke unter allen Umständen auch für die Folge allgemein üblich bleiben wird mußte es als nächste Aufgabe betrachtet werden, die Belastung der Grundstücke in Form der Kapitalschuld gesetzlich zu regeln, und er scheinen die bezüglichen Bestimmungen des Entwurfes im Allgemeinen zweckmäßig und dem Bedürfnisse des Verkehrs entsprechend. 2) Da indessen die Kapitalbypothek der Natur des landwirth⸗ schaftlichen Betriebes weniger entspricht und, wie die Er⸗ fahrung gezeigt hat, leicht zur Ueberlastung des ländlichen Grund⸗

besitzes mit Schulden führt, so erscheint es dringend wünschenswerth, daß das neue Gesetzbuch, der aus landwirtbschaftlichen Kreisen gegebe⸗ nen Anregung folgend, auch die der Landwirthschaft zusagendere Form der Grundverschuldung mittels unkündbarer Renten weiter aus⸗ bildet, als dieses durch §. 1051 des neuen Gesetzbuches und Ar⸗ tikel 70 des Einführungsgesetzes geschehen ist, insbesondere ist die Rentenforderung durch Einführung von Rentenbriefen verkehrsfähig zu machen. 3) Die aus landwirthschaftlichen Kreisen weiter an⸗ geregte Frage, ob die Kaäapitalhypothek für den ländlichen Grundbesitz gesetzlich zu beseitigen und hierfür als ausschließliche Belastungsform die Seitens des Gläubigers unkündbare Rentenschuld zuzulassen sei, gehört mehr dem wirthschaftlichen wie dem rechtlichen Gebiete an. Die daran geknüpften Hoffnungen kann das Landes⸗ Oekonomie⸗Kollegium in keiner Weise theilen. Auch würde diese Frage jedenfalls nur unter eingehendster Abwägung der mit einer solchen zwangsweisen Reform des ländlichen Kreditwesens ver⸗ bundenen wirthschaftlichen Vortheile und Nachtheile, sowie unter sorg⸗ fältiger Berücksichtigung der Schwierigkeiten und Gefahren des Ueber⸗ ganges von der bestehenden Kapital⸗ zur Rentenversicherung und der zur

Beseitigung dieser Gefahren unerläßlichen Einrichtungen gelöst werden.

Die Entscheidung über diese, zur Zeit wenigstens noch nicht spruchreifen,

wirthschaftlichen Fragen kann nicht als Aufgabe des neuen deutschen

Gesetzbuches betrachtet werden; es genügt vielmehr, wenn letzteres die Grundverschuldung in Form der Rentenschuld neben der Kavpitalschuld

gesetzlich in ausreichender Weise regelt und alsdann dem Verkehr

sowie nöthigenfalls der Sondergesetzgebung die Umwandlung der

Kapitalschulden in Rentenschulden für den ländlichen Grundbesitz

überläßt.“ Die Diskussion hierüber nahm eine größere Ausdehnung an und war bei Schluß des Blattes noch nicht beendigt.

Maul⸗ und Klauenseuche.

Nach einer Zusammenstellung der „Nordd. Allg. Ztg“ waren zu Ende vorigen Monats seuchenfrei nur Berlin, die Regierungs⸗ bezirke Stralsund, Stade, Osnabrück, Aurich, Münster, Koblenz und Aachen, sowie die Provinz Schleswig⸗Holstein und die Hohenzollernschen Lande.

8 6 Saatenstand im Königreich Sachsen.

Ueber den Saatenstand im Königreich Sachsen Ende Oktober berichtet die „Sächsische landwirthschaftliche Zeitschrift“: Die kühle, nasse Witterung der zweiten Hälfte des Septembers bebauptete sich is gegen Mitte Oktober, von wo ab dann schönstes Herbstwetter eintrat. Dieser Witterung entsprechend verzögerten sich die Beendigung der Herbstbestellung und das Einbringen der Hackfrüchte, während die günstige Witterung der zweiten Monatshälfte das Versäumte nur theilweis nachholen ließ. Die vorherige Feuchtigkeit und die darauf⸗ folgende Wärme begünstigten den Stand der zeitig bestellten Saaten ungemein, sodaß stellenweis über zu üppig entwickelte Saateu berichtet wird, während in nassen Lagen und auf nicht drainirten Feldern die⸗ selben lückenhaft aufgelaufen und gelb geworden sind.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Portugal.

Durch eine im „Diario do Governo“ Nr. 250 vom 5. November 1889 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministe⸗ riums des Innern ist der Hafen von Parä seit dem 5. Oktober d.⸗J. vom gelben Fieber für „verseucht“ erklärt worden.

Rußland. 18

Zufolge einer Bekanntmachung des Stadthauptmanns zu Odessa (Amtsblatt vom 5. November/ 24. Oktober 1889) sollen Schiffe, welche im Hafen von Odessaraus der Pest oder der Cholera verdächtigen Gegenden ankommen, und auf welchen während der Reise oder der Observation nach Ankunft in Odessa Pest, Cholera oder andere ver⸗ dächtige Erkrankungen vorgekommen sind oder vorkommen, nach Theodosia in Quarantäne beordert werden. Alle anderen Schiffe aus den gedachten Gegenden können die angeordnete Observation im Hafen von Odessa abhalten.

.“ Handel und Gewerbe.

(W. T. B.) In der heutigen Generalversammlung der Berliner Handelsgesellschaft, in welcher 6544 Antheile vertreten waren, wurde die Erhöhung des Kommandit⸗Kapitals der Gesellschaft um 10 Millionen Mark Nominal, mithin auf 50 Mil⸗ lionen Mark nach dem Antrage der Verwaltung beschlossen und der Mindestcours für die auszugebenden Kommandit⸗Antheile auf 150 % festgesetzt. Es sollen hiervon 8 Millionen Mark Mominal den Kommanditisten derart zum Bezuge angeboten werden, daß auf je 5000 alter Kommanditantheile ein neuer An⸗ theilschein von 1000 zu 150 % erhoben werden kann; an dem aus der Realisirung der restlichen 2 000 000 Nominal über den Ueber⸗ nahmepreis von 150 % hinaus zu erzielenden Gewinn wird die Ber⸗ liner Handelsgesellschaft betheiligt sein, und wird dieser Gewinn⸗

antheil sowie das Agio von 50 % dem gesetzlichen Reservefonds zu⸗ geführt werden.