1889 / 279 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

25önöehnnen

58. 897

eine Thee einzunehmen. Alsdann erfolgte die Abfahrt Aller⸗

höchstderselben, während die Uebrigen sich wieder in den großen Saal begaben.

Bei der gestrigen Wahl zur Stadtverordneten⸗Ver⸗ sammlung in der II. Abtheilung sind die 14 Kandidaten der bis⸗ herigen, also freisinnigen Mehrheit gewählt worden.

Um den Plan der Erbauung eines deutschen Hospitals in Zanzibar seiner Verwirklichung näher zu führen, haben sich laut Mittheilung der „Voss. Ztg.“ hiesige Kreise vereinigt. Zu diesem Zwecke sollen Anfang Dezember, gestellt von hervorragenden Künstlern, eine Reihe von Aufführungen lebender Bilder stattfinden unter Mitwirkung von Musik und Poesie. Die Bilder, nach den Werken berühmter Maler ausgeführt, umfassen zwei Abende und stehen, wenn auch nicht in unmittelbarem, so doch in ideellerem Zusammenhange mit dem geschichtlichen Kulturleben des dunklen Erd⸗ theils. Die Proben werden mit den etwa 60 Personen zählenden Darstellern demnächst beginnen.

In der Kommandantenstraße 10/11 veranstaltet soeben der Ber⸗ liner Kanarienzüchterverein seine zweite Allgemeine Ausstellung von Sing⸗ und Schmuckvögeln, Aquarien u. s. w. Dieselbe ist sehr gut beschickt und zeichnet sich durch große Mannigfaltigkeit aus, an 300 durch besondere Eigenschaften hervor⸗ ragende Kanarienvögel sind vertreten, sodaß den Freunden dieses beliebten Sing⸗ und Ziervogels vollauf Befriedigung geboten wird. In großer Anzahl findet man ferner in⸗ und ausländische Garten⸗, Feld-, Wald⸗ und Wiesenvögel, die ein interessantes Bild in ihrer bunten Zusammenstellung und ihren verschiedenen Gestalten und Eigenarten bieten. Um die Ausstellung recht belehrend zu machen, hat man auch eine Kollektion von Käfigen, Nistkästen, Futterproben, Druckschriften u. dgl. m. zur Anschauung gebracht, wodurch das Unternehmen an Anziehungskraft nur Feminnt. Ein gedruckter Führer erleichtert die Besichtigung wesentlich.

Danzig, 21. November. (W. T. B.) Heute Vormittag wurde das Luisen⸗Denkmal in Oliva unter Betheiligung der Spitzen der Militär⸗ und Civilbehörden, der Kriegervereine und einer tausendköpfigen Volksmenge enthüllt. Nach einer vom Danziger Männergesang⸗ verein vorgetragenen Motette hielt Direktor Dr Scherler die Festrede, worauf unter Kanonendonner und Glockengeläute die Hülle des Denk⸗ mals fiel. Mittags findet eine Parade der Kriegervereine vor dem General⸗Lieutenant von Dresow statt. Später ist Diner im König⸗ lichen Schlosse in Oliva, Abends wird das Denkmal bengalisch be⸗ leuchtet. 1

Hanau. Das bei der Pulverexplosi ü junge Mädchen aus Rückingen, welches die Aerzte durch Amputation beide Arme und eines Beines am Leben zu erhalten hofften, ist, wie man dem 1 Journal“ mittheilt, nun auch ihren Brandwunden unter qualvollen Schmerzen erlegen.

Rhein, 18. November. (Dtsch. Tagebl.) Die hierselbst vor mehreren Jahren neu erbaute Kirche, für welche ein sehr erhebliches Darlehn Seitens der Kirchengemeinde beschafft werden mußte, er⸗ forderte eine für das Kirchspiel verhältnißmäßig sehr hohe Dezem⸗ abgabe. Se. Majestät der Kaiser hat nunmehr, in Folge einer Bitte des Kirchenraths, der hiesigen Gemeinde ein Geschent von 15 000 überwiesen, welches zur Tilgung des Darlehns verwandt werden soll.

London, 18. November. (A. C.) Am Sonnabend wurde in Belfast eine Reiterstatue König William's III. enthüllt, welche sich oben auf der Orange Halle befindet. Nachdem die Oran⸗ gisten, welche von Nah und Fern nach Belfast gekommen waren, einen Umzug durch die Stadt veranstaltet hatten, hielt ihr Großmeister, Dr Kane, von einem Fenster der Halle aus eine Ansprache an die Versammlung.

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8.

London, 19. November. (A. C.) Canonicus Scott Robertson hat seine Jahresübersicht über die für die ausländischen Missionen im Finan jahre 1888/89 eingegangenen Gelder voll⸗ endet. Der Betrag stellt sich auf 1 334 491 Pfd. Sterl., d. h. 105 732 Pfd. Sterl. mehr als im Vorjahre. Canonicus Scott Robertson meint, daß von der Gesammtsumme etwa 646 009 Pfd. Sterl. von Mitgliedern der Staatskirche beigesteuert worden sind. Bei den Missionsgesellschaften der Hochkirche gingen ein 541 773 pfd. Sterl, bei aus Anhängern der anglikanischen Kirche und Noncon⸗ ormisten bestehenden Gesellschaften 208 472 Pfd. Sterl., bei eng⸗ lischen und wallisischen nichtconformistischen Gesellschaften 392 272 Pfd. Sterl., bei schottischen und irischen presbyterianischen Gesell⸗ schaften 183 219 Pfd. Sterl., bei römisch⸗katholischen Gesellschaften 8755 Pfd. Sterl.

London, 19. November. (A. C.) Zur Erinnerung an den Deutschen Kaiser Friedrich hat der Prinz von Wales eine vom Bildhauer Sir Edgar Böhm gefertigte Marmortafel mit einem Medaillon⸗Bildniß des verewigten Fürsten in der Kirche von Sandringham, Norfolk, anbringen lassen.

London Am Anfang des nächsten Jahres werd mit der Legun des neuen Kabels über den Atlantischen Ozean na Canada begonnen werden. Die „A. C.“ berichtet darüber: Die Kosten werden auf 1 600 000 Doll. veranschlagt und sind um ein Fünftel bis ein Viertel niedriger, als die Kabel nach den Vereinigten Staaten beansprucht haben. Das neue Kabel soll von der Clew Bay in Irland nach der Greenly Insel in der Meerenge von Belle Isle laufen. An den beiden Endpunkten wird ein Anschluß an die Re⸗ seernesteer, hergestellt werden. Das Kabel ist nur 1900 Meilen ang.

London. Unter der Bezeichnung „English Channel and Ocean Fisheries Company“ ist hierselbst eine Aktiengesellschaft gegründet worden, welche vier Reservoirs oder Marinebassins an der Küste Frankreichs erwerben und für die Austern⸗ und Fischzucht verwenden, sowie Tiefsee⸗ und alle anderen Arten von Fischerei betreiben will. Die Reservoirs umfassen den (an der Mündung des Flusses Anray gelegenen) Ort Célino, der, wie man glaubt, 20 000 000 Austern, deren Qualität sich englischen Natives gleichstellen dürfte, für Marktzwecke erzeugen wird; ferner das Reservoir in Reaneville an der französischen Küste des englischen Kanals, welches innerhalb seines Bereiches 12 kleinere Bassins sammt einem Süßwasserbassin enthält, sowie zwei andere Bassins im Departement Finisterre. Der Kauf⸗ preis für das ganze Eigenthum, einschließlich des Vorraths an Austern und lebendigen Fischen in den verschiedenen Reservoirs, ist auf 110 000 Pfd. Sterl. festgestellt, wovon 60 000 Pfd. Sterl. baar und 50 000 Pfd. Sterl. in Kassa oder Aktien nach dem Belieben der Direktoren entrichtet werden. Das Gesellschaftskapital beträgt 160 000 Pfd. Sterl. in Aktien von je 1 Pfd. Sterl.

Queenstown, 20. November. (W. T. B.) Nach Berichten aus China ist durch eine Ueberschwemmung im Gebiete des eine schreckliche Katastrophe erfolgt. Der

luß trat am 11. Oktober in einer Strecke von etwa 100 Meilen

aus seinen Ufern. Mehr als 1000 Personen sind ertrunken, etwa 15 000 Menschen sind ohne Unterkunft und ohne Lebensmittel. Einige Häfen wurden vom Fluß weggerissen, die Ernten sind vernichtet.

Paris, 18. November. (Köln. Ztg.) Bei der hiesigen Geographischen Gesellschaft eingelaufene Nachrichten lassen keinen Zweifel mehr darüber, daß der französische Reisende Camille Doules in Tuat in der Sahara nicht weit von In⸗ sulah, in der nämlichen Gegend ermordet worden ist, wo vor einigen Jahren der Lieutenant Palat umgebracht wurde.

Grenoble. Unsere Stadt hat ihrem Mitbürger Jouvin ein Denkmal errichtet, das am 17. d. M. in feierlicher Weise enthüllt wurde. Jouvin ist, wie die „Nat. Ztg.“ schreibt, der berühmte Hand⸗

schuhmacher, nach welchem eine bei unserer Damenwelt sehr belieztz Art von Handschuhen benannt wird. Sein Verdienst besteht dann; die Verhältnisse der Hand, nuch welchen die Handschuhe geschnitte werden, genau festgestellt und dadurch der Handschuhfabrikation eina neuen Aufschwung gegeben zu haben. Durch seine Anregung ist dieße Industrie, welche im Jahre 1840 erst 8 Millionen Handschuhe lieferte jetzt auf 35 Millionen gestiegen und beschäftigt gegenwärtig in Franm⸗ reich 30 000 Personen. Hauptort der Handschuhmacherei ist Grenoble welches in 115 Etablissements 2000 Arbeiter und 20 000 Näherinne beschäftigt und jährlich ca. 6 Millionen Paar Handschuhe im Wertze von 17 Millionen Francs liefert.

Genua, 20. November. (W. T. B.) Auf dem Bahnhof von Rapallo erfolgte in Folge falscher Weichenstellung ein Zusammen⸗ stoßß eines Personenzuges mit einem Güterzuge. En Schaffner des Personenzuges wurde getödtet, ein Obereonductem schwer verwundet. Es heißt, daß noch mehrere andere Verwundunger vorgekommen seien.

Bern. Ueber den Lämmergeier (Ggopastos barbatus L.) hat, wie der „Hannov. Cour.“ mittheilt, der Schweizer Naturforscher Dr. Girtanner vor Kurzem eine interessante Arbeit veröffentlicht aus welcher ersichtlich ist, daß dieser gewaltige Raubvogel nichtmehr im deutschen Alpengebiet vorkommt. bewohntr dieser größte aller europäischen Raubvögel so ziemlich all Theile der Hochalpen. Seine geringe Vermehrung, Abnahne des Wildstandes und Nachstellungen aller Art haben ihn vermindert, zurückgedrängt und endlich sein Verschwinden herbeigeführt. In den nordöstlichen Kalkalpen, in denen der Lämmen⸗ nach Ueberlieferungen häufig war, wurde er schon seit dem ersten

ahrzehnt unseres Jahrhunderts nicht mehr gesehen. In den Glarne⸗ Alpen wurde noch ein Geier im Jahre 1830 geschossen In den Alper des Waadtlandes erbeutete man oberhalb Grion an den Diablerets das letzte schöne Exemplar. Im Kanton Unterwalden wurde ein alter Lämmer geier von Michael Sigrist noch auf dem Allzellerberge erlegt. In den schnee⸗ bedeckten Bergen des Grindelwaldes sah man zu gewissen Zeiten einen alten Vogel ehel mügt auf einer Felsenspitze in solcher Höhe sitzen, daß keine Büchsenkugl ihn erreichen konnte. In den Tessiner Bergen wurden noch im vorletzten Jahrzehnt sechs bis acht Exemplare erbeuter auch war noch später ein Geierflug im Val Maggia bekannt. Im Berner Oberland horstete seit etwa 30 Jahren ein sehr altes Paar. Lange entzogen sich die beiden Horstvögel den Nachstellungen der Jäger, bit endlich im Jahre 1862 das Männchen von einer Kugel getroffen wurde Seit dieser Zeit bis zum Jahre 1887 blieb das verlassene Weibchen

allein; kein Männchen fand sich mehr zu dem alten „Wyb“, wie der

Vogel im Volksmunde hieß. Da verbreitete sich plötzlich im vorigen

Jabre die Kunde, daß das alte Weibchen todt sei; es war unfern von

Viege bei einem vergifteten Fuchse verendet aufgefunden worden.

Jetzt ziert der gewaltige Raubvogel ausgestopft das Museum von

Lausanne. Das Verbreitungsgebiet des Lämmergeiers ist ein aus⸗ edehntes. Er bewohnt fast alle südlichen Gebirge von Europa, den aukasus und die ungeheuren Gebirge Asiens.

MNew⸗York. In Ocean Grove, unweit New⸗York, hat man jetzt, wohl zum ersten Mal, einen ernstlichen Versuch zur Aus⸗ nutzung der Kraft der Wellen gemacht. Die „Didaskalia⸗ schreibt darüber: Der dortige Wellenmotor besteht aus Brettern, die zwischen den Pfeilern des Landungssteges in Angeln hängen. Die heranstürmenden Wellen bringen die Bretter in eine pendelnde Be⸗ wegung, welche in geeigneter Weise auf Pumpenkolben übertragen wird. Die Pumpen aber befördern Seewasser in ein zwölf Meter hoch gelegenes Wasserbecken, aus welchem man es zur Sprengung der Straßen der Stadt entnimmt, zu welchem Zwecke sich Salzwasser besser eignen soll, als Süßwasser, weil es Luftfeuchtigkeit ansaugt und somit die Staubbildung länger hintertreibt. Der Betrieb des Wellen⸗ motors kostet nichts, und es ist eine solche Maschine hier sehr gut am Platze. Das Schlimmste, was sich erreignen kann, ist, daß er einige Tage stillsteht und man das Sprengen einstellen muß. Den ist aber durch die Anlage des Wasserbeckens mit seinem erbheblichen Wasservorrath in der Regel vorgebeugt.

Wetterbericht vom 21. November, Sonnabend:

Opernhaus. 239. Vorstellung.

Morgens 8 Uhr.

Wetter.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim. 8 3 in ° Celsius 50 C = 40 R.

Temperatur

SS8SSSSSOGS 88 8882590

—,—8C 2ODoU SD

heiter wolkig wolkig Dunst bedeckt halb bed. bedeckt bedeckt

Mullaghmore 767 Aberdeen . 771 Christiansund 766 Kopenhagen. 779 Stockholm. 773 Haparanda. 761 StPetersburg 769 Moskau 763

8 8

Cork, Queens⸗ toww 770 Cherbourg. 774 elder 777 (6178 amburg.. 779 winemünde 780 Neufahrwasser 778 Memel 776 aris 777 ünster.. 778 Karlsruhe.. 779 Wiesbaden. 780 München 779 Chemnitz 781 Berlin 7781 Wien 417681 Breslau 781 Ile d'Aix.. 775 Triest 777

¹) Reif. ²) Reif. ³) Reif.

Uebersicht der Witterung.

Das barometrische Maximum hat sich etwas ost⸗ wärts verschoben, seinen Wirkungskreis über ganz Europa ausbreitend. In Central⸗Europa dauert die ruhige; vielfach neblige, sonst trockene Witterung fort. In Belgien, Holland, Ostfrankreich und West⸗ deutschland herrscht leichter Frost. Dagegen in Ost⸗ deutschland ungewöhnlich mildes Wetter; in Memel liegt die Temperatur 6 Grad über der normalen.

Deutsche Seewarte.

bedeckt Dunst Nebel wolkenl. ¹) wolkenl. ²) bedeckt bedeckt bedeckt

Nebel wolkenlos bedeckt bedeckt Dunst wolkenl. ²) bedeckt bedeckt bedeckt

heiter wolkenlos

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Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗ haus. 238. Vorstellung. Die Zauberflöte. Oper in 2 Akten von Mozart. Text von Schikaneder. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 253. Vorstellung. Die Onitzows. Vaterländisches Drama in 4 Aufzügen von Ernst von Wildenbruch. Anfang 7 Uhr.

Lohengrin. Romantische Oper in 3 Akten von

Richard Wagner. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 254. Vorstellung. Neu ein⸗ studirt: Die Räuber. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Schiller. In Scene gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient.

Besetzung: Maximilian, regierender Graf v. Moor, Hr. Krause. Karl, Franz, seine Söhne, Hr. Matkowskyv. Hr. Grube. Amalie von Ehdelreich, Fr. von Hochenburger. Spiegelberg, Schweizer, Grimm, Ratzmann, Schufterle, Roller, Kosinsky, Schwarz Libertiner, nachher Banditen, Hr. Vollmer, Hr. Nesper, Hr. Hartmann, Hr. Berthold, Hr. Link, Hr. Keßler, Hr. Müller, Hr. Herrmann. Herrmann, Bastard von einem Edelmaimn, Hr.

urschian. Daniel, Diener des Grafen von Moor, r. Bornemann. Pastor Moser, Hr. Sauer. in Pater, Hr. Oberländer. Erster, zweiter, dritter Räuber, Hr. Winter, Hr. Veringer, Hr.

Schoof. Ein Dienex, Hr. Schippang. F

Anfang 7 Uhr. 8 8

Zeutsches Theater. Freitag: Faunst I. Theil. Sonnabend: Nächstenliebe. Sonntag: Faust’s Tod. Die naͤchste Aufführung von Der Sohn der Wildniß findet Montag, den 25. November, statt.

Verliner Theater. Freitag: 12. Abonnem

Vorstellung. König Lear. Sonnabend: Die Nibelungen. Sonntag: König Lear.

Tessing-Theater. Freitag: Der Fall Clémencean. Schauspiel in 5 Akten von A. Dumas und A. d'Artois.

Sonnabend: Der Zaungast. Lustspiel in 4 Akten

ents⸗

F1“

von Oscar Blumenthal. Sonntag: Der Zaungast.

Wallner-Theater. Freitag: Zum vor⸗ letzten Male: Verfolgt. Schwank in 4 Akten von Meilhac, Grangé und Bernard. Vorher: Der Herr von Lohengrin. Dramatischer Scherz in 1 Akt von A. Günther. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Zum letzten Male: Berfolgt. Der Herr von Lohengrin.

„Sonntag: Unser Doctor. (Einmalige Auf⸗ führung.)

In Vorbereitung: Koko. Posse in 3 Akten von A. Bisson. Der Scheidungsgrund. Schwank in 1 Akt von E. Pansa und C. Pauli.

Bictoria-Theater. Freitag: Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 11 Bildern von Alex. Moszkowski und Rich. Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet von C. Severini. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater.

Freitag: Mit neuer, glänzender Ausstattung: Zum 30. Male: Der Polengraf. Operette in 3 Akten, nach einem G. de Grahl'schen Entwurfe von Richard Gense und J. Fritzsche. Musik von Louis Roth. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Feder⸗ mann. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Der Polengraf.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Freitag: Zum 28. Male: Schwieger⸗ mama. (Belle-maman.) Lustspiel in 3 Akten von Victorien Sardou und Raimund Deslandes. Deutsch von Ernst Schubert. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend u. folgde. Tage: Schwiegermama.

Central-Theater. Direktion: Emil Thomas.

Freitag: Zum 71. Male: Leute von Heute. Gesangsposse in 4 Akten von Jean Kren und Fritz Brentano. Musik von G. Steffens. In Scene gesetzt vom Direktor Emil Thomas. Anfang 7 ½ Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72.

Freitag: Zum 93. Male: Flotte Weiber. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Mrania. Invalidenstraße 57/62, geöffnet von 12 11 Uhr. Freitag, von 1—7 Uhr: Der neue Phonograph. Abends 7 ½ Uhr: Von der Erde bis zum Monde. Abends 8 Uhr im Hörsaal: Phonographisch⸗telephonische Musik⸗ aufführung.

Circus Renz, Karlstraße. Freitag, Abends

7 Uhr: Große Komiker⸗Vorstellung unter Mit⸗ wirkung von sämmtlichen Clowns der Gesellschaft in ihren höchst komischen Entroses und Intermezio's. Ganz neu arrangirt: Zum 1. Male: Bacchus und Gambrinus, oder der Sieg des Champagners. Komische Pantomime mit Tänzen und internationalen Charakterbildern, arrangirt und in Scene gesetzt vom Direktor E. Renz. Konkurrenzreiten der beiden Jockey⸗Reiterinnen Geschw. Meers. Königs⸗ Quadrille, geritten von 8 Damen, 8 Herren. Horaz und Mercur, Fuchshengste, in Freiheit vor⸗ geführt von Hrn. Oscar Renz. Auftreten der Schulreiterin Frl. Guerra. Die renommirte Künstlerfamilie Briatore.

Sonnabend: Gala⸗Vorstellung.

Sonntag: Eine große Extra⸗Vorstellung. An⸗ fang 7 ½ Uhr.

Concert⸗Anzeigen.

Sing -Akademie. Freitag, 22. Nov.: Concert von Bernhard Stavenhagen. Anfang 7 ½ Uhr.

Philharmonie. Freitag, 22. Nov.: Concert der

Berliner Liedertafel. (Dirigent: A. Zander.) An⸗ fang 8 Uhr.

Concert-Haus, Leipzigerstr. 48 (früher Bilse), Karl Meyder⸗Concert. Freitag, 22. Nov.: Liszt⸗ Wagner⸗Abend.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Mary Graff mit Hrn. Ghteb he Wilhelm Hirschberger (Memel). Frl. Elise Fel mit Hrn. Kaufmann Ernst Heinicke (Magde⸗

urg). vn Agnes Bailleu mit Hrn. Oekonomen Robert Spieth4 (Burg b. M.). Frl. Hedwig Roeder mit Hrn. Kaufmann Mal ledath (Berlin). Frl. Valesca Stahlen⸗ recher mit Hrn. Gustav Schramme (Berlin- Breslau).

Verehelicht: Hr. Johannes Rohde mit Fll. Elise Steinbach (Magdeburg). Hr. Kassen⸗ Controleur Rich. Noack mit Frl. Martha Koch (Lindenau). Hr. Emil Lange mit Frl. Gertrud Roll (Berlin). Hr. Friedrich Moers mit Frl. Anna Wien (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Julius Freyhan (Berltn) Hrn. Freiherrn B. von Hammerstein Apelern). Hrn. Lehrer Loges (Egestorf). Hrn. Otto Rosencrantz (Memel). Hrn. Prem⸗ Lieut, von Leyser (Steglitz). Eine Tochter: Prem.⸗Lieut. Hans von Kalckreuth (Berlin).

rn. Polizei⸗Direktor Dr. Oppermann (Hannover).

Gestorben: Frl. Ida von Eckartsberg (Lüben). Hr. Hüttenwerksbesitzer C. Wilhelm Kavser (Berlin). Frau verw. Rentier Rosalie Schulz,

geb. Lerch (Berlin). Hrn. Paul Daimler

.Tochter Thusnelde (Stuttgart). Hr. Organist und Lehrer emer. Karl Boehme (Roßla). Hr. Kaufmann Rudolf Spieß —— g Hr. Amtsrath Henrich Carl (Haynsburg). Frau

verw. Gutsbesitzer Katharine Bach, geb. Kiderlen

(Reutlingen).

Redacteur: Dr. H. Klee.

Berlin: 1b Verlag der Expedition (Scholzz5. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlaot⸗ Anstalt. Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), und ein Prospekt des Verlages Jul. Hoff⸗

mann in Stuttgart, Hoffmann’'s Haushaltungs⸗ buch für das Jahr 1890.

Erste Beilage

zum Deutj

Berlin, Donnerstag, den 21. November

chen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staa

ts⸗Anzeiger.

2729.

1889.

Deutsches Reich.

Zuckermengen,

welche in der Zeit vom 1. bis 15. November 1889 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Steuervergütung abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den freien Verkehr zurückgebracht worden sind.

[710: Rohzucker von mindestens 90 Proz. Polarisation und raffinirter Zucker von unter 98, aber mindestens 90 Proz. Polarisation.

711: Kandis und Zucker in weißen vollen harten Broden ꝛc., oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerkleinert, sogenannte Crystals ꝛc. .

712: Aller übrige harte Zucker, sowie aller weiße trockene (nicht über 1 Proz. Wasser enthaltende) Zucker in Krystall⸗, Krümel⸗ und Mehlform von mindestens 98 Proz. Polarisation.] 3

—V—Z—Z—’BY—Z—x—x-—--——C—

Mit dem Anspruch auf Steuervergütung

wurden abgefertigt: Aus öffentlichen Niederlagen

oder Privatniederlagen unter amtlichem Mitverschluß wurden gegen Erstattung der Vergü⸗ tung in den freien Verkeh zurückgebracht

Staate zur Aufnahme in eine öffent⸗

bezw. 8 zur unmittelbaren Ausfuhr ce e 1 Verwaltungs⸗Bezirke. lichem Mitverschluß 1“ 10 J„„n1n 71o 211 712 kg kg kg kg kg kg Im“

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Preußen. 8 V

Provinz Ostpreußen 450 000 V 154 995 Westpreußen. 1 250 5 955/12 282 452 Brandenburg. 750 000 Pommern. 1 859 614 521 303 17 709] 6 162 189 22 500 w1n“] 9 898 29 760% 250 000 Schlesien . . . . . . . . 1100 816 198 706 35 387] 2 749 598 439 205 Sachsen, einschl. der schwarzb. 1 V

Unterherrschaften. 1 367 339 5 082 932 354 714] 7 674 227 171 492 Schleswig⸗Holstein . . . . . 679 050 156 730 85 303 ¹⁷3 290 3411 139 297 ͤaaö1114X“ 1 349 954 78 8741 200 001 v“”“”“; - b520 476 9277] 1590 003. 18 350

Sa. Preußen 6 806 773 6 491 295 616 97935 103 806 882 384 405 769

14*“ 7 457 353 115 199] 2 856 524

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* 75 742 913 539 1 150 000

ͤ11144“ 1 507 984 300 000

4* 849 838

J111a* 4 631 969 955 152 8 450 009

Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet. 13 879 763 9 125 184 602 38 960 344 882 384 246 378 405 769 196 235 199 500

jerzu in der Zeit vom 1. August bis Dnene8 1889)9. . „gust br 39 697591 22 826 772 2 602 84858 884 155 2 345 324 .439 005, 3 858 219.—448 891. —619 900

Zusammen 52 577 354 31 951 956 3 428 450,97 844 499 3 227 708 685 383] 4 263 988 645 126 819 400

emselben Zeitraum des Vorjahres 2) 1 76 548 014 25 433 520] 4 429 971157 809 439 3 000 985 214 941113 066 918 660 719 99 600 ¹) Davon 1 360 107 (100 kg), welche in der zweiten Hälfte des Oktobers abgefertigt wurden, aber erst nachträglich zum Nachw eis

elangt sind. 4 G 2) Die Abweichungen von der vorjährigen und der zuletzt veröffentlichten Uebersicht beruhen auf nachträglich eingegangenen Be⸗

1 gtigungen. Berlin, im November 1889.

Kaiserliches Statistisches Amt. Becker.

ische2 3 8 treten, um die Abgrenzung der einzelnen Bezirke für F“ die Versicherungsanstalten vorzubereiten. Diese Vorberei⸗

Schlußbericht der gestrigen (19.) Sitzung des Reichs⸗ tung ist jetzt so weit gefördert, daß sehr bald der

tages; Schluß der Berathung des Etats des Reichsamt Bundesrath in der Lage sein wird, diese Bezirke

des Innern. Zu dem Kapitel „Reichs⸗Versicherungs⸗ festzustellen. Außerdem ist, um eine möglichst einheitliche amt“ nimmt der Staatssekretär Dr. von Boetticher zu Organisation der Versicherungsanstalten Fzu gewährleisten, die folgender Rede das Wort: Ausarbeitung eines Normalstatuts im Reichsamt des Innern Was zunächst den letzten Gegenstand anlangt, welchen der in Angriff genommen, und dieses Normalstatut wird dem⸗ Herr Vorredner zur Sprache gebracht hat, so liegt es nicht allein nächst den Versicherungsanstalten zur Berathung und Fest⸗ in der fortgesetzten Absicht der Regierung, auch für die See⸗ stellung hingegeben werden. Wenn der Herr Vor⸗ fischer die Unfallversicherung ins Leben treten zu lassen, son⸗ redner nun schließlich einen Zweifel angeregt hat dern es ist auch bereits ein Gesetzentwurf über die Aus⸗ aus dem §. 161 des Gesetzes dahin, daß nicht dehnung der Unfallversicherung auf dieses Gewerbe aus⸗ konstire, ob die Bescheinigung, welche der Arbeit⸗ gearbeitet. Die Seesischer mit in die Seeberufsgenossen⸗ geber dem Arbeiter, der sich einen zur Vergünstigung des schaft einzubeziehen, erscheint aus den Gründen nicht 8 157 nothwendigen Nachweis sichern will, auszustellen hat, ausführbar, welche schon früher hier bei der Berathung dloß der Beglaubigung der Unterschrift oder auch der Be⸗ des See⸗Unfallgesetzes hervorgehoben worden sind. Der Ge⸗ glaubigung shra Zübans bedürfe, so, glaube ich, kann dieser werbebetrieb der Seefischer ist von demjenigen der Seeschiffer Zweifel wohl nicht als begründet angesehen werden. Eine außerordentlich verschidden. Es fehlt auch bei den See⸗ Beglaubigung der Bescheinigung 226 sich immer zunächst fischern in der Regel an leistungsfähigen Arbeitgebern, und nur, wenn nicht irgend etwas Anderes gesagt wird, man wird deshalb von diesem Modus absehen müssen. auf die Identität des Ausstellers. Also es wird durch Man wird aber auf anderem Wege zu dem gewünschten diese Beglaubigung festgestellt, daß der Aussteller, welcher Ergebniß kommen, und ich hoffe, daß auch in dieser als solcher als Arbeitgeber anzugeben ist, auch wirklich der Beziehung der Reichstag in nicht zu ferner Frist mit berechtigte Arbeitgeber, die zur Ausstellung der Urkunde einer Gesetzesvorlage befaßt werden wird. Was die Be⸗ berechtigte Person ist. Damit habe ich wohl sämmtliche Be⸗ merkungen des Herrn Vorredners zum Invaliditäts⸗ und merkungen des Herrn Vorredners erledigt. Die Ausführung Altersversicherungsgesetz anlangt, so kann ich mittheilen, des Gesetzes wird, so hoffe ich, sich noch zu dem von mir in daß zur Erleichterung der Ausstellung der Bescheinigungen, der vechngene Sitzung bezeichneten Termine ermöglichen welche zur Sicherung der Wohlthaten des §. 157 des Gesetzes lassen. Ich glaube, wenn nicht besondere Umstände eintreten, erforderlich sind, dem Bundesrath in diesen Tagen von mir daß wir dann zum 1. Januar 1891 das Gesetz in Wirksamkeit eine Vorlage gemacht worden ist, womit demselben der Ent⸗ treten lassen können, . ananAee 8 wurf zu einer Kaiserlichen Verordnung unterbreitet wird, Abg. Klemm (Sachsen): in Herrn ( ebhard für welche darauf abzielt, den §. 140, welcher die Stempel⸗ und seine Anregung und dem Herrn Staatssekretär für seine Aus⸗ Gebührenfreiheit für die auf Grund des Invaliditäts⸗ und kunft sehr dankbar, 5 möchte aber noch Eines hinzufügen. Altersversicherungsgesetzes auszustellenden Bescheinigungen vor⸗ Die Wirkung des Alters⸗ und Invalidengesetzes und der sieht, schon jetzt in Kraft zu setzen. Damit würde also die Beifall, mit dem es aufgenommen wird, wird davon ab⸗ Möglichkeit gegeben sein, ohne Kosten schon jetzt die Sicherung hängen, daß die Arbeiter so bald wie möglich in den für den späteren Erwerb der Wohlthaten des §. 157 vorzu⸗ Besitz der Wohlthaten des Gesetzes treten, sich also so bald nehmen. Die Regierung kann nur wünschen, daß die wie möglich versichern. Nun hat ja die Presse aller interessirten Kreise im weitesten Umfange sich diese Parteien in populärer, faßlicher Weise das Publikum über Wohlthaten sichern. Es ist in dieser Absicht auch die sehr komplizirten Uebergangsbestimmungen des Gesetzes von mir wiederholt veranlaßt worden, daß in der instruirt. Aber die wunder chönste Broschüre, der schönste Presse hierauf aufmerksam gemacht wird. Etwas Weiteres Artikel kann nicht die viva vox ersetzen. Eine viertelstündige u thun ist nicht Aufgabe der Reichsverwaltung. Die Auseinandersetzung klärt oft leichter auf als ein langer Artikel, egierungen der Einzelstaaten werden ihrerseits gewiß gern den man bald aus der Hand legt. Ich möchte deshalb die bemüht sein, wo es noch an der Kenntniß dieses Paragraphen geehrten Redner dieses Hauses bitten, derartige populäre Vor⸗ fehlt, durch den Hinweis auf seine Wohlthaten abzuhelfen. träge zu halten und das Publikum zu belehren. Der as zur Ausführung des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗ Buchstabe tödtet, aber das Wort macht lebendig. 8

esetzes bisher geschehen ist, ist Folgendes: Wir sind mit Abg. Dr. Baumbach: Diese Anregung ist gewiß sehr . Regierungen der Einzelstaaten in Verbindung ge⸗] dankenswerth; es ist auch in Versammlungen bereits über die

Ausführung des Gesetzes diskutirt worden, in den Kartell⸗ versammlungen freilich, wenn ich nicht irre, mit Angriffen auf die freisinnige Partei und die Gegner des Gesetzes über⸗ Wenn Hr. Gebhard meint, das freisinnige ABC⸗Buch tarre von Unwahrheiten, so haben Sie ja die Kartellpresse. Da können Sie diese „Unwahrheiten“ widerlegen, und die Verfasser des Buches außerhalb dieses Hauses werden die Antwort gewiß nicht schuldig bleiben. Wie steht es denn mit der in Aussicht gestellten Novelle zum Krankenversicherungs⸗ gesetz? Eine Veröffentlichung des Entwurfs wäre sehr er⸗ wünscht, damit die Vorstände der Krankenkassen, die Gemeindebehörden ein kompetentes Urtheil darüber ab⸗ geben können. Noch dringlicher erscheint mir eine Novelle zum Unfallversicherungsgesetz. In der Presse ist von industrieller Seite wiederholt eine Verbesserung dieses Gesetzes angeregt worden. Im Anschluß hieran möchte ich an den Bundesrath eine andere Frage richten, nämlich die: Wie denken Sie über die Berufsgenossenschaften? Soll ihre Orga⸗ nisation beibehalten oder eine Aenderung vorgenommen werden! Man kann über diese Frage heute ruhiger und sicherer disku⸗ tiren als früher. Als ich s. Z. hier zunächst mir ein Wort gegen die Organisation der Berufsgenossenschaften gestattete, stand ich eigentlich ganz allein. Selbst aus meiner eigenen Partei der Herr Staatssekretär sprach gestern stets von der Fortschrittspartei; er hat künftig vielleicht die Liebenswürdigkeit, davon Notiz zu nehmen, daß eine Fusion stattgefunden hat und daß es jetzt vielleicht besser wäre, nicht von der Fortschrittspartei, auch nicht, wie Hr. von Bennigsen, von der radikalen Partei, son⸗ dern von der freisinnigen Partei zu sprechen erhoben sich gewichtige Stimmen, die mit mir garnicht zufrieden waren. Nun habe ich ja die Herren Goldschmidt oder Schmidt (Elber⸗ feld), die sehr eifrig und ersolgreich in Berufsgenossen⸗ schaften thätig sind, garnicht angegriffen noch angreifen wollen; meine Angriffe richten sich gegen die Organisation selbst, gegen das Unfallgesetz. Als die Thronrede zur Eröffnung des Reichstages 1881 das Zusammenfassen der realen Kräfte des christlichen Volkslebens in der Form von korporativen Genossenschaften als die Grundlage zum Aufbau der sozialen Gesetzgebung hinstellte, da galt dieser Satz als ein unumstößliches Dogma; wer etwas dagegen sagte, war Reichsfeind oder radikaler Reichsnörgler. Inzwischen haben sich die Anschauungen doch ganz erheblich geändert. Noch im vorigen Jahre wird in einer Denkschrift des Verbandes der deutschen Berufsgenossenschaften davon gesprochen, daß es sich hier um eine für alle Völker vorbildliche Neuordnung handle, daß alle Welt erkannt habe, daß die Zusammenfassung der gewerblichen Gruppen in Berufsgenosseaschaften von hoher Bedeutung für die Neugestaltung des Erwerbslebens sei und daß ihr die Zukunft gehöre, wenigstens auf dem Gebiet der ge⸗ sammten Arbeiterversicherung. Man glaubteordentlich den Flügel⸗ schlag einer neuen Zeit zu hören. Als diese Denkschrift in die Welt hinausging, hätten sich die Verfasser doch darüber klar sein müssen,

daß ihr die Gegenwart nicht mehr gehörte, denn damals war die landwirthschaftliche Unfallversicherung bereits geschaffen, welche jene Grundlage von 1881 verließ. Ebenso ist mit dem Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz das Prinzip ver⸗ lassen worden; der regierungsseitig gemachte Versuch, die Be⸗ rufsgenossenschaften auch zu Trägern dieser Versicherung zu machen, ist bekanntlich mißglückt. Auch von der rechten Seite ist über das Institut recht abfällig geurtheilt wor⸗ den, von den Landräthen Hrn. von Kardorff hier und Hrn. von Rauchhaupt im Abgeordnetenhause. Ich selbst, der ich auch in meiner Berufsstellung vielfach mich damit zu be⸗ schäftigen habe, kann mich dem Urtheil der beiden Herren nur anschließen. Ich bin überzeugt, daß diese Orga⸗ nisation auf die Dauer nicht zu halten sein wird; man wird und muß Sege zu einer territorialen Abgrenzung, wie sie für die Landwirthschaft und für die Invalidenversicherung bereits besteht. Die gewerblichen Berufs⸗ genossenschaften sind schon um deswillen ein etwas bedenkliches Institut, weil die Grenze zwischen den einzelnen Arbeits⸗ branchen gar nicht so schar⸗ zu ziehen ist, wie es für die Brauchbarkeit und Bewährung der Organisation nöthig wäre. Ich lege darauf kein entscheidendes Gewicht, aber eine Reihe von Fällen ist bekannt, wo die Frage der Zugehörigkeit eines Betriebes zu dieser oder jener Berufsgenossenschaft außer⸗ ordentlich zweifelhaft war, ebenso wie die Frage, wer die Entschädigung zu leisten habe. In dieser Beziehung ist beim Reichs⸗Versicherungsamt eine kleine Sammlung von Präjudizien entstanden. Ich führe ein Beispiel an: An einem öffentlichen Gebäude wird ein Bilttzableiter angebracht, die Arbeit fällt in den Kreis einer Bau⸗ gewerks⸗Berufsgenossenschaft. Um den Blitzableiter anbringen zu können, wird die Anlegung einer Grube nöthig. Dazu nimmt der Unternehmer einige Arbeiter, welche der Tiefbau⸗ Berufsgenossenschaft angehören. Die Grube bricht zusammen, einer der Arbeiter wird getödtet. Wittwe und Kinder müssen entschädigt werden; aber wer ist der Verpflichtete? Jede der beiden Genossenschaften schob die Verpflichtung der andern zu; inzwischen geriethen die Hüntertebenn des Verunglückten in die bedrängteste Lage. ch weiß nicht, ob zur Stunde der Streit bereits geschlichtet ist. Viel wichtiger aber als dieses Moment ist die große Ausdehnung der Bezirke der Berufs⸗ genossenschaften. Dadurch sind die Vorstände und die Sektionsvorstände auf den schriftlichen Verkehr hingewiesen, und es entsteht eine Vielschreiberei, von der sich nur der den Dingen Näherstehende einen Begriff machen kann. Es entsteht daraus ferner eine Schablonenhaftigkeit des ganzen Verkehrs. Es existirt bezüglich der Unfallentschädigung ein förmlicher Tarif; es sind zwar nicht amtlich festgestellte Sätze des Reichs⸗Versicherungsamts, aber Jedermann weiß, daß im Durchschnitt nach diesen Prozentsätzen die Entschädi⸗ gungen Seitens der Genossenschaften gezahlt werden. Ich citire aus diesem Tarif: Verlust beider Augen volle Rente, Verlust eines Auges 33 ⅛6 Proz., Verlust beider Beine volle Rente, Verlust eines Beines 75 Proz., Bruch oder Steifheit eines Beines 50 Proz., Verlust beider Arme volle Rente, Verlust eines Armes 60 Proz. u. s. w. Eine solche Schablonenhaftigkeit kann zu den bedenklichsten Kon⸗ sequenzen führen, und doch wird Seitens der Berufs⸗