1889 / 284 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Der Landgerichts⸗Präsident Dr. von Rotteck trat diesem Antrage bei und schlug gleichzeitig vor, derselben Kommission auch den Gesetzentwurf, betreffkend das Recht zur Ausübung der Fischerei zu überweisen, da auch dieser Entwurf wesentlich juristische und Verwaltungsfragen berühre. Der Vorschlag des Präsidenten wurde hierauf angenommen und von dem⸗ selben beantragt, auch den weiteren Gesetzentwurf, betreffend das Recht zur Ausübung der Fischerei derselben Kommission zu überweisen. Die Kammer trat auch diesem Vorschlage bei und vertagte sich darauf bis zum Nachmittag. In der Nachmittags⸗Sitzung wurde sodann der Gesetzentwurf, betreffend die Steuererhebung in den Monaten Dezember 1889, Januar und Februar 1890 einstimmig angenommen.

In der Zweiten Kammer übergab der Staats⸗ Minister Dr. Turban einen Gesetzentwurf, betreffend die Versicherung der Rindviehbestände. Auf der Tages⸗ ordnung stand die Bildung der ständigen Kom⸗ missionen. Die neugewählte Budgetkommission konstituirte sich sofort und wurde auf Antrag der Kammer um 12 Mit⸗ glieder verstärkt, um sofort in die Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Forterhebung der Steuern, ein⸗ zutreten. Nach einer kurzen Pause erschienen die Mitglieder der genannten Kommission wieder im Saale, in deren Namen der Abg. Friderich über den Gesetzentwurf berichtete und den Antrag auf Zustimmung zu der Regierungsvorlage stellte. Der Abg. Reichert bemerkte, daß bei der gegen⸗ wärtigen Lage der Landwirthschaft viele Leute ihre Steuer nicht bezahlen könnten; es möge die Regierung auf Mittel denken, in wie weit die Behörde diesen Leuten Steuernachlaß gewähren oder doch einen anderen Termin gestatten könne. Der Abg. Friderich glaubte, die Kammer sei nicht in der Lage, dahingehende Vorschläge machen zu können. Der An⸗ trag der Budgetkommission wurde hierauf angenommen und 62 Beschluß der Kammer sofort der Ersten Kammer mit⸗ getheilt.

Hessen. Darmstadt, 25. November. (Darmst. Ztg.) Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Christian zu Schleswig⸗Holstein ist heute nach Wiesbaden zurück⸗ gereist.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. (Cob. Ztg.) Se. Hoheit der Herzog ist gestern wieder hier eingetroffen.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 26. November. (Reg.⸗ u. Nachr.⸗Bl.) Gestern trafen zu mehr⸗ tägigem Besuch am hiesigen Hofe Ihre Hoheiten der Herzog, die Herzogin und die Prinzessin Alexandra von Anhalt, sowie Se. Durchlaucht der Prinz Albert zu Sachsen-Altenburg ein.

Waldeck. Arolsen, 23. November, Der Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont erledigte in heutiger Plenarsitzung die in den Kommissionssitzungen vorberathenen Forlagen. Den Hauptgegenstand der Beschlußfassung bildete ie Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats für die Jahre 1890, 1891 und 1892, welcher nach der Vorlage ein⸗ stimmig genehmigt wurde. Der Etat schließt in Einnahme und Ausgabe pro 1890 mit 1 201 420 81 ₰%, pro 1891 mit 1 187 810 02 und pro 1892 mit 1 186 802 02 in der laufenden Verwaltung ab. Der Zuschuß der preußischen Staatskasse beträgt wie bisher 310 000 jährlich, der Antheil an dem Ertrage der Zölle und der Tabacksteuer ist zu 182 140 ℳ, der Antheil an dem Ertrage der Verbrauchsabgabe vom Branntwein zu 133 600 und der Antheil an dem Ertrage der Reichs⸗Stempelabgaben für Werthpapiere ꝛc. zu 24 100 pro Jahr in Einnahme gestellt. Die Matrikularbeiträge sind zu 268 227 pro Jahr ver⸗ nschlagt. Die gesteigerten Erträge aus den Zöllen ꝛc. haben es ermöglicht, einem langgehegten Wunsche des Landes entgegenzukommen, nämlich die Gehalte verschiedener Beamten⸗ klassen aufzubessern und zu Dienstalterszulagen für Volks⸗ schullehrer und Lehrerinnen jährlich 13 500 ℳ, sowie zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekennt⸗ nisse jährlich 12 750 in den Etat einzustellen. Der Etat für die Immobiliar⸗Feuerversicherungs⸗Anstalt für die nächsten 3 Jahre wurde ebenfalls genehmigt; des⸗ gleichen ein Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Art. 52 der Forstordnung von 1853, wonach der Kostenbeitrag der Waldeigenthümer für die technische Bewirthschaftung und den Forstschutz der unter Verwaltung des Domaniums stehenden Interessenten- und Kommunal- 2ꝛc. Waldungen von 1 auf 1 50 pro Hektar erhöht wird. Außerdem wurde die Staatskassen⸗Rechnung vom Jahre 1887 geprüft und die vorgekommenen Etatsüberschreitungen genehmigt. Nach Erledigung noch einiger weiterer kleinerer Vorlagen erklärte der Landesdirektor von Saldern im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preußen den Landtag für geschlossen. Nach einem dreifachen Hochauf Se. Majestät den König von Preußen und auf Se. Durchlaucht den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont trennte sich die Ver⸗ ammlung.

Coburg, 25. November. aus Gotha

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 26. November. (W. T. B.) Ihre Majestät die Ka iserin besuchte heute in Begleitung der Frau Massicault, Gemahlin des französischen General⸗Resi⸗

denten, und der Frau des österreichisch⸗ungarischen Vize⸗ Konsuls Valensi den Harem in Tunis. Morgen wird der

Aviso „Miramare“ La Goletta wieder verlassen.

Prag, 26. November. Der böhmische Landtag er⸗ ledigte gestern den Landesvoranschlag und wurde darauf auf Grund Allerhöchster Ermächtigung durch den Statthalter Grafen Thun vertagt. Eine sehr erregte Debatte wurde dadurch hervorgerufen, daß, wie wir der „Wien. Ztg.“ ent⸗

nehmen, von jungczechischer Seite die Einreihung des

Huß in die Gedenktafeln im Museum beantragt wurde. Prinz Karl Schwarzenberg bezeichnete die Hussiten als Räuber und Mord⸗

brenner und die Jungcezechen als Neuhussiten, was diese mit

demonstrativem Lärm aufnahmen. Zuletzt wurde eine Re⸗

solution des Prinzen Schwarzenberg: der Landes⸗Ausschuß möge Sorge tragen, daß bei der Auswahl der Namen für die Museumgedenktafeln die religiösen Gefühle nicht verletzt würden, an die Kommission verwiesen.

Budapest, 26. November. (W. T. 89* In der heutigen

Sitzung des Untexhauses betonte Jokai bei der Fart setzung der Berathung des Budgets in einer sehr beifällig aufgenommenen Rede die Unerläßlichkeit des engsten

Anschlusses Ungarns an Oesterreich und der

auswärtigen Politik Oester⸗

Unterstützung der

nur moralisch, sondern auch nothwendig, mit Gut und Blut. Der Dreibund bilde eine Trias, welche den euro⸗ päischen Frieden lange Zeit vor Umsturz schütze. Der Redner hob sodann die ausgezeichneten Verdienste Tisza's hervor, Graf Apponyi rechtfertigte die Haltung der Opposition und sprach sich gegen das Budget aus; die Beseitigung Tisza's sei die Vorbedingung für ersprießliche Reformen.

Großbritannien und Irland. London, 26. November. Die amtliche „London Gazette“ veröffentlicht, wie „I. IW. I. meldet, eine von Lord Salisbury u. d. 21. d. M. an den englischen Gesandten Petre in Lissabon gerichtete Note, in welcher er energisch gegen die portugiesischen Dekrete vom 9. d. M. protestirt und daran erinnert, daß Mashona⸗Land unter englischem Einfluß stehe; England erkenne kein Recht Portugals über jenes Land noch überhaupt nördlich des Zambesi an. Außerdem weist Lord Salisbury in dem Dekret den englischen Gesandten an, den Protest vom 13. August 1887 zu erneuern.

In Elswick lief, der „A. C.“ zufolge, am 25. d. ein für die australischen Kolonien gebauter neuer Kreuzer vom Stapel. Das Schiff ist gänzlich aus Stahl gebaut; die Armatur besteht aus 16 schnellfeuernden Kanonen verschiedenen Kalibers, mehreren Mitrailleusen und vier Torpedoröhren. Die Besatzung wird 190 Mann stark sein. Die Kosten des Schiffes stellen sich auf nahezu 150 000 Pfd. Sterl. Der Kreuzer er⸗ hielt den Namen „Pelorus“.

Frankreich. Paris, 26. November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer erklärte in ihrer heutigen Sitzung die Wahl Dillon's, sowie die Arnault Montauban's, die letztere wegen des von den Klerikalen ausgeübten Drucks, für ungültig.

reich⸗Ungarns nicht thatkräftig und, wenn

Italien. Rom, 26. November. (W. T. B.) Die Deputirten⸗Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung den bisherigen Präsidenten Biancheri mit 242 von 267 Stimmen wiedergewählt.

Madrid, 27. November. (W. T. B.) In

der Kammer erklärten der Minister daß auf Cuba voll⸗

Spanien. der gestrigen Sitzung des Innern und der Arbeits⸗Minister, ständige Ruhe herrsche.

Niederlande. Einer Correspondenz der „Weser⸗Ztg.“ aus Amsterdam zufolge gehört zu den Gesetzentwürfen, mit welcher die Zweite Kammer nach der Behandlung des Budgets in erster Linie sich zu beschäftigen haben wird, auch ein Antrag, betr. die Einfuüͤhrung von Schutzzöllen gegen die Einfuhr von Korn, und zwar sollen gelegt werden: auf Weizen ein Zoll von 1,20 Fl. per 100 kg, auf Roggen von 0,60 Fl. per 100 kg, und auf Mehl, Weizen⸗oder Roggenmehl ist, 2,40 Fl. per 100 kg. Dieser Antrag hat bereits seit mehreren Monaten eine allgemeine Adressen⸗ bewegung hervorgerufen. Die meisten Landwirthe in den süd⸗ lichen, überwiegend katholischen Provinzen unterstützten den Antrag ihres Führers in der Zweiten Kammer, Dr. Bahl⸗ mann, und die Industriellen schlossen sich an. Die Frei⸗ händler haben jetzk aus allen Provinzen ebenfalls Adressen an die Zweite Kammer gerichtet, worin gebeten wird, den Antrag Bahlmann abzulehnen. Die Adresse, welche die Groß⸗ kornhändler einsandten, ist von allen großen Amsterdamer Firmen unterschrieben. Ob der Antrag der Schutzzöllner werde angenommen werden, sei so bemerkt der Korrespondent noch ungewiß. Die große Mehr⸗ heit der katholischen Partei sei schutzzöllnerisch, und auch ein Theil der anti⸗revolutionären Partei sei nicht abgeneigt, den Antrag zu unterstützen; allein des⸗ halb sei die Annahme des Entwurfs keineswegs gesichert. Jedenfalls aber sei es gewiß, daß die liberale Erste Kammer die Einführung von Schutzzöllen niemals gutheißen werde.

Belgien. Der Arbeitsplan der Antisklaverei⸗ Konferenz ist, wie der M. „Allg. Ztg.“ berichtet wird, nunmehr endgültig festgestellt; die Organe derselben sind in Funktion getreten, und man darf hoffen, daß die Verhandlungen ohne Unterbrechung den Zielen werden zugeführt werden. Die türkische Regierung hat über ihre Stellung zur Sklavereifrage für die Antisklaverei⸗Konferenz eine Denkschrift ausarbeiten lassen, in welcher sie ausführt, daß die aus Afrika fort⸗ geführten und als Sklaven in die mohammedanischen Länder eingeführten Schwarzen nicht zu beklagen seien. Diese Sklaven würden mit Milde behandelt und seien glück⸗ licher daran, als wenn sie inmitten der fortdauernden blutigen Kriege in ihrem Heimathslande verblieben. Günstiger stellt sich die persische Regierung zur Antisklavereisrage. Auch diese Regierung ist, wie ihr Bevollmächtigter auf der Brüsseler Konferenz, General Nazare⸗Agha, erklärt, davon überzeugt, daß die nach den mohammedanischen Ländern fortge⸗ schafften afrikanischen Neger durch diesen Wechsel in hohem Maße gewinnen. Dagegen gesteht sie ein, daß ihr Wohlbefinden Tausen⸗ den anderer Neger, welche die Sklavenjäger erworben, das Leben kostet. Der General wird daher auf der Konferenz sich zu Gunsten der Schließung der Sklavenmärkte aussprechen. Hinsichtlich dieser stehen sich jedoch die Anschauungen noch schroff gegenüber; mehrere Regierungen wollen dieselben auf alle Fälle, selbst mit Gewalt, unterdrücken; andere Regierungen sind für ein schonendes, friedliches Vorgehen, damit diese Märkte allmählich verschwinden.

Der Präsident, Baron Lambermont, hat, wie man der M. „Allg. Ztg.“ schreibt, Namens der Konferenz den englischen Konsul in Zanzibar, Smith, angewiesen, Stanley und Emin unmittelbar nach deren Eintreffen in Zanzibar einzuladen, nach Brüssel zu kommen, um inmitten der Konferenz zu erscheinen. Auch der König der Belgier hat persönlich den gleichen Wunsch nach Zanzibar gelangen lassen. Die Vernehmung des Bischofs Brincat, Koadjutors des Kardinals Lavigerie, ist von Seiten der Konferenz ab⸗ gelehnt worden.

Türkei. Konstantinopel, 27. November. (W. T. B.) Der Kaiserliche Ferman, betreffend die Amnestie für Kreta wird durch den Admiral Achmed Ratib Pascha überbracht werden. General von Hobe Pascha begiebt sich morgen nach Berlin, um im Auftrage des Sultans 6 edle arabische Pferde dorthin zu bringen, von denen 2 für Se. Majestät den Kaiser Wilhelm, und je 1 für Ihre Majestät die Kaiserin, Se. Königliche Hoheit den Prinzen Heinrich, den Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg⸗ Schwerin und den Staats⸗Minister Grafen Bismarck b stimmt sind. 1

ohne Unterschied, ob es

seien im

Hriechenland. Athen. (P. C.) Das Budget für das Finanzjahr 1890 schließt mit einem Ueberschuß von 2 885 735 Drachmen ab. Dasselbe setzt sich aus folgenden Positionen zusammen: Einnahmen: Direkte Steuern 20 167 230 Dr., Konsumsteuern 28 765 910 Dr., Zölle 15 986 000 Dr., Monopole 8 993 000 Dr., Pachtertrag und anderweitige Einkünfte der Staatsgüter 7 065 660 Dr., voraussichtliche Ersparnisse am Ausgaben⸗Etat 2 720 000 Dr., verschiedene Einkünfte 3 345 000 Dr., Straßenbaufonds 3 378 915 Dr., Leuchtthurmfonds 450 000 Dr., Gemeindezölle 756 000 Dr., internationale Telegraphengebühren 340 000 Dr., zusammen 93 967 720 Dr. Ausgaben: Dienst der Staatsschuld 29 587 219 Dr., Pensionen 4 880 144 Dr., Civilliste des Königs und Apanage des Kronprinzen 1 325 000 Dr., gesetz⸗ gebender Körper 401 658 Dr., Ministerium des Aeußeren 2 263 154 Dr., Justiz⸗Ministerium 5 133 878 Dr., Ministerium des Innern 4 721 930 Dr., Kultus⸗ und Unterrichts⸗ Ministerium 3 222 990 Dr., Kriegs⸗Ministerium 18 137 000 Dr., Marine⸗Ministerium 4 830 824 Dr., Finanz⸗Ministerium 1 464 318 Dr., Verwaltungs⸗ und Steuereinhebungskosten 8 413 370 Dr., verschiedene Ausgaben 6 400 500 Dr.; zu⸗ sammen 91 081 985 Dr.

Amerika. Washington, 25. November. (A. C.) Der Ausschuß des pan⸗amerikanischen Kongresses für die Prüfung von Beglaubigungsschreiben hat sich zu Gunsten der Zulassung der brasilianischen Delegirten zu dem Kongresse geäußert. Der diesbezügliche Bericht wurde ge⸗ nehmigt.

Brasilien. Im Auswärtigen Amt zu Paris sind, dem „W. T. B.“ zufolge, Depeschen aus Brasilien eingelaufen, welche berichten, daß bisher noch keine Regierung die Republik anerkannt habe. Die Regierung in Brasilien warte übrigens den Beschluß der demnächst zusammentreten⸗ den konstituirenden Versammlung ab, um alsdann für die von der Versammlung beschlossene Regierungsform die Anerkennung nachzusuchen. Die französischen Vertreter in Brasilien haben Instruktionen erhalten, die bisher zwischen Frankreich und Brasilien bestandenen Beziehungen auch ferner hin aufrecht zu erhalten.

Der brasilianische Finanz⸗Agent in London, De Castro, dementirt Namens der brasilianischen Regierung die Gerüchte, daß die Telegraphenkabel unter der Kontrole der provi⸗ sorischen Regierung ständen. Dem Depeschenverkehr würden nicht die mindesten Hindernisse bereitet. Er erklärt auch: der Kredit der Regierung werde aufrecht erhalten und alle vorher eingegangenen Verbindlichkeiten würden respektirt werden

Afrika. Egypten. Kairo, 25. November. Die im Budget für 1890 vorgeschlagenen Maßregeln für den Wegfall gewisser, besonders die ärmsten Klassen der Bevölkerung drückenden Steuern haben, wie ein Telegramm des „R. B.“ meldet, im Lande allgemeine Billigung gefunden, und es sind große Abordnungen aus den Provinzen in Kairo angekommen, um dem Khedive und der Regierung für die dadurch dem Volke erwiesenen Wohlthaten zu danken Weiteren Nachrichten aus Wady Halfa zufolge setzten die Derwische ihre Einfälle in Abessinien fort. Da der größere Theil der Aequatorial⸗Provinzen jetzt in der Gewalt der Derwische ist, haben diese eine größere Streitmacht für Operationen anderwärts verfügbar. Bei Omdurman wird, wie schon mitgetheilt, eine Streitmacht zur Verstärkung der Derwische in Dongola angesammelt.

Der Khalif hat die Haupt⸗Emirs nach Omdurman entboten, und es heißt, daß er aufs Neue in Egypten einfallen will. Die Derwische haben ihre Vorposten am Nil bis Suarda,

re t a7, 150 engl. Meilen südlich von Wady Halfa, vorgeschoben, ihre Patrouillen

aber streifen bis Firket und hindern die Ein⸗ wohner, nach dem Norden auszuwandern. Dennoch kommen Schaaren von Flüchtlingen nach Wady Halfa. Der Khalif hat deshalb, um dies zu verhindern, den Emirs befohlen, die Leute milder zu behandeln. Einige Derwische sollen unweit Abu Hamed stehen; dieser Platz wird befestigt. Sir E. Baring ist am 22. d. von Assuan nach Wady Halfa abgereist.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (24.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Graf von Bismarck und Freiherr von Maltzahn⸗Gültz sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Kommission für die Geschäfts⸗ ordnung, betreffend die Frage über die Fortdauer des Mandats des zum ordentlichen Honorar⸗Professor an der juristischen Fakultät der Königlichen Friedrich Wilhelms⸗ Universität ernannten Abg. Dr. von Cuny.

Der Berichterstatter Dr. Porsch betragte Namens der Kommission, das Mandat für nicht erloschen zu erklären.

Ohne Debatte beschloß das Haus diesem Antrage gemäß.

Es folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1890,91, und zwar des Spezial⸗Etats: „Auswärtiges Amt“. Die Berathung wurde fortgesetzt mit Kapitel 5 des Ordinariums „Gesandtschaften, Konsulate und Schutzgebiete“, Titel 111 (Kamerun).

Hierzu lag ein Antrag des Abg. Richter vor:

den Reichskanzler zu ersuchen, die Lokal⸗Etats für das Kamerun⸗ gebiet das Togogebiet und das südwestafrikanische Schutzgebiet im nächsten Jahre durch Einverleibung in den Reichshaushalts⸗Etat der Beschlußfassung des Reichstages zu unterbreiten.

Abg. Richter bezeichnete diesen Antrag als unbedenklich und kam dann auf die Einfuhr von Spirituosen in die deutschen Schutzg biete zurück. Nach den Angaben Woermann'’'s Jahre 1888 nach Kamerun 765 000, nach Togo 1 706 000 1 eingeführt worden. Gegenüber den gestrigen Erklärungen des Geheimen Raths Krauel sei es doch von Wichtigkeit, zu erfahren, wo denn und von wem dieser Branntwein getrunken werde. Die Missionäre führten im Widerspruch mit diesen Erklärungen Klage über die demoralisirende Wirkung des Branntweins in den Schutzgebieten. Es würde sich empfehlen, in Kamerun und Togo den Zollsatz von Reu⸗Guinea, d. i. 80 pro Liter, einzuführen. -

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn wies bezüglich des Antrages Richter darauf hin, daß die gegenwärtige Buchung der Einnahmen und Ausgaben nicht einseitig von den verbündeten Regierungen, sondern mit Zustimmung und auf

.“ nregung des Reichstages und Ausgaben der nicht durch den Etat,

eingeführt sei. Die Ein⸗ einzelnen Gebiete liefen 1t sondern es werde nur der Zuschuß des Reichs dazu im Etat aufge⸗ führt; die Buchung in dieser Weise sei allerdings nicht durch die Verfassung vorgeschrieben. Ein dringendes Bedürfniß zur Abänderung des Verhältnisses sei aber bis jetzt nicht hervorgetreten. Sollte das Haus die Resolution des Abg. Richter annehmen, so würden die verbündeten Re⸗ gierungen in Erwägung ziehen, ob es angezeigt sei, ihr Folge zu geben. x 88g Dr. von Bennigsen beantragte die Ueberweisung des Antrags an die Budgetkommission, da eine Frage von solcher Erheblichkeit nicht gut im Plenum ohne Weiteres entschieden werden könne.

Abg. Dr. Hammacher nahm auf Grund des Gesetzes über die Schutzgebiete vom Jahre 1886 die Finanzhoheit in den Schutzgebieten für den Deutschen Kaiser in Anspruch; diese Finanzen seien deshalb nicht so zu behandeln wie die allgemeinen Finanzen des Reichs. Auch aus wirthschaftlichen Gründen empfehle sich die Ablehnung des Antrags Richter.

Nach einigen kurzen Bemerkungen der Abgg. Richter und Baumbach wurde die Diskussion geschlossen, der Antrag Richter der Budgetkommission überwiesen und der Titel selbst bewilligt. (Schluß des Blattes.)

(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Zweiten bezw. Dritten Beilage.)

Die Kommission für das Sozialistengesetz trat gestern Abend in die zweite Lesung der Vorlage ein. Die ersten 23 Para⸗ graphen wurden ohne erhebliche Debatte angenommen. Die in erster Lesung beschlossenen Abänderungen gingen gegen die Stimmen der Deutschkonservativen durch. Die weitere Verhandlung, namentlich über §. 24 (Ausweisungsbefugniß), sowie über die Dauer des Gesetzes, wurde auf Antrag des Abg. von Helldorff, welchem die Abgeordneten Dr. von Marquardsen und Dr. Windthorst zustimmten, vertagt, damit zunächst die Fraktionen Stellung zu den streitigen Fragen nehmen können. Die nächste Sitzung wurde auf Mittwoch, 4. Dezember,

anberaumt.

Der Verwaltungsgerichts⸗Direktor von Rosenberg⸗ Gruszezynski, Mitglied des Hauses der Abgeord⸗ neten für den 5. Düsseldorfer Wahlbezirk (Essen, Mülheim g. d. Ruhr, Duisburg und Ruhrort), hat, der „Köln. Ztg.“ zufolge, sein Mandat aus Gesundheitsrücksichten niedergelegt.

8 Zeitungsstimmen.

Ueber die gestrigen Reichstags⸗Verhandlungen schreibt die „National⸗Zeitung“:

„Die gehässige Feindseligkeit gegen jede Ausdehnung der über⸗ seeischen Interessen Deutschlands hat heute den Führer der Deutsch⸗Freisinnigen, Hrn. Richter, zu einem Verhalten ver⸗ führt, dessen Gefährlichkeit für die Partei schließlich auch der Fraktionsgenosse Hr. Dr. Bamberger einsah und zu mildern ver⸗ suchte; es war aber zu spät. Um es mit einem Wort zu sagen: während über die Ansprüche des deutschen Handels im Niger⸗ gebiet eine diplomatische Verhandlung mit England schwebt, suchte Hr. Richter in tendenziösester Weise Gründe geltend zu machen, welche gegen die deutschen Forderungen zu verwerthen wäͤren! Es handelte sich um die in dem Weißbuch über das Niger⸗ gebiet dargelegten Verhältnisse. Hier kommt in keiner Weise „Kolonialpolitik' in Frage. Der Anspruch auf Gleichberechtigung, welcher in diesen Gegenden allen Stationen vertragsmäßig ver⸗ bürgt ist, wurde zu Gunsten der monopolistischen Bestrebungen der Royal Niger Company deutschen Kaufleuten gegenüber verletzt. Zu jeder Zeit, auch ehe von Kolonialpolitik überhaupt die Rede war, hat man von der Regierung des Reiches gefordert, daß sie solche An⸗ sprüche vertrete; man hat es in Preußen vor 1866 auch von der preu⸗ ßischen Regicrung verlangt, und sie bat es nach Möglichkeit gethan. Aber eine der Klagen, welche vor der Begründung des Nationalstaates überall ertönte und deren Abstellung man in erster Reihe von dem⸗ selben erwartete, war, daß der nichtpreußische Deutsche im Auslande schutzlos war. Jetzt aber, 2 Jahre nach der Einigung Deutschlands, mißbraucht ein Abgeordneter den Reichstag dazu, der Wahrnehmung solcher Interessen entgegenzuarbeiten! Als Hr. Richter merkte, daß er sich zu weit vorgewagt, wollte er nur dasselbe gesagt haben, wie der Reichskanzler vor einem Jahre bei der Erörterung der näm⸗ lichen Angelegenheit. Eine vergebliche Ausflucht! Hr. Richter hat nebenbei auch etwas erwähnt, was damals Fürst Bismarck betonte: nämlich, daß durch die monopolistischen Bestrebungen der Royal Niger Company auch Interessen englischer Privatleute verletzt werden, und daß deshalb auch im englischen Parlament und in der englischen Presse gegen diese Uebergriffe angekämpft werden sollte. Aber das war in den ersten Reden des Hrn. Richter ganz neben⸗ sächlich; seine hauptsächliche Argumentation ging dahin, daß dieselben Klagen, welche zu Gunsten der deutschen Forderungen gegen die Royal Niger Company erhoben werden, sich auch gegen die deutschen Ko⸗ lonial⸗Gesellschaften in Ost⸗Afrika und in Neu⸗Guinea er⸗ heben ließen! Die Abgg. Dr. Hammacher und Wör⸗ mann haben die Haltlosigkeit dieser Behauptung nachgewiesen. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, daß man sie sich in England gegen die deutschen Interessen aneignet mit der naheliegenden Argumentation, daß sie doch wobl begründet sein müsse, da sogar der Führer einer deutschen Partei sie im Deutschen Reichs⸗ tage aufgestellt. Wir hoffen indeß, daß wenigstens die maßgebenden Persönlichkeiten in England darüber im Klaren sein werden, wie es nur eine kleine und isolirte, im deutschen Volksleben immer mehr an Einfluß verlierende Partei ist.“

u der Diskussion über die Arbeiterschutzanträge am Montag im Reichstage bemerkt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“:

„Obwohl der im Namen der Antragsteller die Diskussion er⸗ zffnende Abg. Hitze sich darauf berief, diese Anträge seien keine Partei⸗ anträge mehr, sondern solche des ganzen Reichstages geworden, so daß also zu vermuthen gewesen wäre, von keiner Seite wesentliche Be⸗ denken auftauchen zu sehen, begegnet man in den Verhandlungen diesem Eingeständniß nicht. Im Gegentheil, von fast allen Seiten regnete es Bedenken, Bedenken oft gerade in den fundamentalsten Punkten, Bedenken, die z. B. bei dem für die Nationalliberalen sprechenden Abg. Duvigneau so weit gingen, daß, falls denselben Rechnung getragen würde, vom Inhalt des vorhandenen EGesetzentwurfs nichts übrig bleiben würde. Jede einzelne Bestimmung des letzteren erfuhr, wenn auch von verschiedenen Ausgangspunkten, eine tiefeinschneidende Kritik, nicht nur durch Hrn. Duvigneau, sondern auch durch andere Redner; dessen ungeachtet kamen aber faft alle Redner in ihrer Schlußkonklusion darauf hinaus, die Anträge der Herren Hitze und Dr. Lieber annehmen zu wollen. Wie dieses merkwürdige Ergebniß zu Stande gebracht wurde, daraus fällt aus der Rede des Abg. Schrader einiges Licht. Dieser Wortführer der „freisinnigen Sozial⸗ reformer“ meinte, die verbündeten Regierungen hätten eigentlich die Pflicht gehabt, dem Reichstage das thatsächliche Material zu liefern, um seine Arbeiterschutzbestrebungen verfolgen zu können; dieser Pflicht seien die verbündeten Regierungen nicht nachgekommen; es wäre als dem Reichstage nichts Anderes übrig geblieben, als sich das Material zur Beurtheilung des Thatbestandes selbst zu beschaffen. Dieses könne dadurch geschehen, daß, entsprechend dem englischen Parlamentsgebrauch,

eine parlamentarische Kommission für das Studium dieser Aufgaben;

eingesetzt würde, welche das Material zu beschaffen hätte, Zeugen ver⸗ nehmen könnte, sodaß auf diese Weise ein Gesetzentwurf vor⸗ bereitet würde. Aber bis heute sei dieser Weg nicht eingeschlagen und könne auch im Augenblick nicht gegangen werden; so sei nur der Ausweg geblieben, sich im Reichstage über diejenigen Punkte zu verständigen, über die man im Wesentlichen materiell übereinstimme Wie es mit dieser materiellen Uebereinstimmung beschaffen ist, zeigten aber doch gerade die auch vorgestern wieder von Seiten der den An⸗ trägen Zustimmenden vorgetragenen Bedenken. Aber abgesehen auch von diesem gewiß nicht unwichtigen Punkt, dürfte die Darstellung des Hrn. Schrader nicht zutreffen. Unseres Wissens haben doch die ver⸗ bündeten Regierungen dem Reichstage Material geliefert, 3. B. betreffs der Sonntagsarbeit, aber Hr. Schrader hat aus diesem Material eben andere Folgerungen gezogen, als die verbündeten Re⸗ gierungen, und über diesen Umstand hilft er sich dann einfach damit hinweg, daß er sagt: der Reichstag versteht mehr von diesen Dingen als der Bundesrath; die großen industriellen Arbeiterfreunde, wie Hr. Hitze, außerdem die Sozialdemokraten sind ja einig. Allerdings ist es ja verständlich genug, weshalb der Deutschfreisinn in diesen Fragen eine so überaus merkwürdige Rolle spielt; für die Wahlen braucht man ein nachgewiesenes Quantum von Arbeiterfreundlichkeit, man muß dort betheuern können, mit dem „herzlosen Manchesterthum“ nunmehr gründlichst und definitiv gebrochen zu haben: deshalb muß man! Zwar schon neulich, als über die wegen dieses Müssens vom Freisinn beantragte Resolution verhandelt wurde, mittelst deren man sich viel⸗ leicht davor zu schützen beabsichtigte, diese sormulirten Anträge an⸗ nehmen zu müssen, hat Hr. Dr. Windthorst darauf hingewiesen, daß er nicht verstehen könne, was das Jagen der Freisinnigen nach der Erörterung dieser Fragen bedeuten solle; „indessen so sagte Htb. Windthorst es werden doch wohl bei dieser Art des Vorgehens so kleine andere Gründe mit unterlaufen, die ich, um die Eintracht nicht zu stören lieber für mich behalte“. Pure Arbeiterfreundlichkeit war es also nicht, die vorgestern im Reichstage das Wort führte, dafür hat man das Zeugniß des Hrn. Windthorst, der wohl über die Coulissenmotive Derer informirt sein wird, die den Anträgen seiner Partei beipflichten wollen.“

Die italienische Thronrede findet in der „Köl—⸗ nischen Zeitung“ solgende Beleuchtung:

„Die italienische Thronrede athmet jene eigenartige Mischung von kräftiger Würde und peinlicher Sorge um das Volkswohl, die in dem Ursprung der Monarchie in Italien ihren Quellpunkt hat. Eingedenk der Bewegung, die seine Dynastie „durch den Willen der Nation“ auf den Thron berufen hat, ist das Streben des Königs, diesem Willen der Nation in den verfassungsmäßen Grenzen einen möglichst unverfälschten Ausdruck zu ermöglichen und ihn in seinen Regierungshandlungen zur Geltung zu bringen König Humbert ist deshalb stolz darauf, den von seinem Vater begonnenen Bau vollendet und die Gleichheit aller Bürger durchgeführt zu haben, er und jeder Italiener mit ihm ist stolz darauf, daß nach kaum 30 Jahren sein Land auf einer Höhe steht, die andere Nationen erst nach jahrhundertelangem Mühen erreichten, und er faßt sein Königliches Streben in den schönen Leitsatz: „Ich will, daß der Ruhm meiner Herrschaft hauptsächlich in dem Wohlergehen der kleinen Leute bestehe, damit aus der Uebereinstimmung Aller der größte Ruhm für Italien erwachse“. Die soeben nach dem er⸗ weiterten Wahlgesetz vollzogenen Gemeinderaths⸗ und Provinzial⸗ wahlen gaben der Regierung einen vollkommenen Anhalt zur Prüfung der Volksmeinung, und ihr Ausfall bestätigte ihr, daß sie, wenn auch nicht der Uebereinstimmung aller, so doch der Billigung der großen Mehrheit des Volks sicher ist. In dem Bewußtsein dieses kräftigen Rückhalts entwirft die Regierung der Volksver⸗ tretung das Programm, dem sie zu folgen gedenkt. In der aus⸗ wärtigen Politik hält Italien unentwegt fest am Dreibunde und seiner aufrichtigen, auf der Kraft begründeten Friedensliebe. Im Gegensatz zu dem Abschließungssystem, dem Frankreich zuneigt, be⸗ stätigt die Thronrede die Ankündigung Crispi's, daß Italien die Unterscheidungszölle gegen Frankreich aufheben wird, und benimmt damit den französischen Schutzzöllnern und Chauvinisten den Vor⸗ wand, unter dem bisher der Abbruch der handelspolitischen Be⸗ ziehungen der beiden Länder Italien zur Last gelegt wurde. Als werthvolle Errungenschaft der auswärtigen Politik wird dann die Umgestaltung in Abessinien, die Italien zu thätiger Mitwirkung in die Reihe der großen Kolonialmäͤchte beruft, hervorgehoben und die Ausfälle Mißgünstiger mit der einfachen Parade zurückgewiesen: „Der Erfolg fällt denen zu, die ihn zu verdienen wissen“ Auch auf die innere Politik eröffnet die Thronrede einen erfreulichen Ausblick. Sie weist weitere Ansprüche an die Steuerkraft des Landes klar und deutlich ab und stopft den Zweiflern im In⸗ und Auslande den Mund, indem sie die Thatsache, daß die Krisis überwunden ist, mit dem Königlichen Worte deckt. Wie die übrigen Staaten, die durch die Kraft ihrer Wehrfähigkeit sich nach außen gesichert wissen, hält auch die Regierung des Königs von Italien die Zeit für gekommen, da die Volksvertretung sich mit der Her⸗ stellung des inneren Friedens, dem Studium der sozialen Fragen zu beschäftigen hat, und wird ihr demgemäß bestimmte Vorlagen über die Reform der Wohlthätigkeitsanstalten, die Lebens⸗ und Unfall⸗ versicherung der Arbeiter, die Vereinheitlichung des Elementar⸗ Unterrichts und andere unterbreiten. Sache des Parlaments ist es, der Führung der Regierung auf dem Wege, den sie ihm gewiesen, zu folgen; weicht es ab, so ist der König gezwungen, sich andere Berather zu wählen, aber an der von Crispi befolgten auswärtigen Politik werden auch sie festhalten, das hat Nicotera, als er vor Kurzem die Leitung der Opposition übernahm, um jedem Mißverständniß im Auslande vorzubeugen, ausdrücklich erklärt.“

Neue Berichte über Stanley und Emin Pascha be⸗ finden sich in der Ersten Beilage.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur wirthschaftlichen Lage.

In der Stadt Koblenz hat sich der Wohlstand der Einwohner⸗ schaft im Allgemeinen gehoben. Wenn auch verschiedene Inhaber stehender Gewerbe bei dem Ueberhandnehmen kaufmännischer Betriebe über ungenügenden Ertrag klagen, so haben doch die gutfundirten Ge⸗ schäfte befriedigenden Absatz und die Arbeiter aller Klassen hinreichenden Verdienst. Leider wird der letztere von einem großen, an Sparsam⸗ keit nicht gewöhnten Theile der Arbeiter der Vergnügungssucht ge⸗ opfert, und die häufigen, stets gut besuchten Lustbarkeiten in Stadt und Umgebung stehen in äußerem Widerspruch, aber innerem Zu⸗ sammenhange mit der außerordentlichen Inanspruchnahme der Armen⸗ kassen. Andererseits können die zwar geringe, aber doch vorhandene Zu⸗ nahme an Einlagen bei der städtischen Sparkasse durch die im Kleinen erwerbende Volksklasse, die Abnahme der Pfandleihen bei dem Pfand⸗ hause und die zur Aufführung gelangenden Bauten als Beweise dafür betrachtet werden, daß der Wohlstand im Allgemeinen hier in erfreu⸗ licher Weise fortschreitet.

Kohlenförderunsg und Absatz.

In der Kohlenbranche war, wie aus dem Regierungsbezirk Breslau berichtet wird, in den letzten drei Monaten reger Absatz; im Vergleich zum Vorvierteljahr nabm die Förderung um 24,6 %, der Absatz um 28,2 % zu; ersterer betrug 779 511 t, letzterer 735 665 t;. Ebenso trat gegenüber dem gleichen Zeitraum im ver⸗ flossenen Jahre eine Steigerung in Förderung und Absatz um 6,8 bezw. 6,6 % ein. Der Bedarf an Kohlen ist ein großer, die Gruben können denselben nur schwer decken; die jetzt verkürzte Arbeitszeit kann durch Mehrannahme von Arbeitern, an denen es mangelt, nicht aus⸗ geglichen werden. In Folge dessen sind die Löhne

über die nach

dem allgemeinen Strike eingetretene Erhöhung hinaus gestiegen und die Kohlenpreise haben neue Steigerung erlitten.

Der Kohlenmarkt befand sich im letzten Quartal auch im Re⸗ gierungsbezirk Koblenz in fortwährender Aufregung; entgegengesetzt den früher herrschenden Verhältnissen hatten die Zechen nicht nöthig, Absatz zu suchen, sondern wurden mit Aufträgen förmlich bestürmt. Die in Folge des großen Strikes der Bergleute entstandene Kohlen⸗ noth, das Verschwinden der geringen Vorräthe, sowie das überall hervortretende Bestreben der Bahnen, industriellen Unternehmer und Großhändler, sich vor Eintritt des Winters größere Vorräthe zu be⸗ schaffen, als sie seit Jahren üblich waren, stellten im Verein mit dem andauernd starken Konsum die Marktlage vollständig zu Gunsten der Zechen, welche dann auch nicht zögerten, dieselbe auszunutzen.

Die natürliche Volksvermehrung in Preußen 1879—88.

Das natürliche Anwachsen der Bevölkerung, d. h. der Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle, ist in Preußen fast immer be⸗ deutend gewesen. Zur Veranschaulichung stellen wir die bezüglichen Ergebnisse für die letzten 10 Jahre hierunter zusammen. Es fanden statt:

Geburten Sterbefälle einschl. der Todtgeborenen

natürliche Vermehrung:

auf 1000 zu ersonen 8 x Anfang des SH Jahres Lebende 385 182

336 083

330 559 335 788

im Jahre

LWI. 111 1880. 332 7735 749 1881. 724 166 1882. 742 922 1883. 753 402 317 472 1884. 761 365 332 938 1885. 761 137 347 673 1886. 786 478 331 603 1887. 2* 730 213 398 851 188è8 1 133 9998 708 209 425 789 1 „Demnach hat im letzten Jahrzehnt der natürliche Zuwachs sowohl überhaupt wie auch in seinem Verhältnisse zur jeweiligen Bevölkerung vielfach geschwankt; beide Ziffern erscheinen jedoch 1888 auf einer Höhe, wie sie vorher nicht erreicht worden war. Diese erfreuliche Thatsache verdient um so mehr hervorgehoben zu werden, als die Zahl der Geburten von 1884 ab ununterbrochen gewachsen. diejenige der Sterbefälle dagegen (mit Ausnahme des Jahres 1886) trotz der großen Sterblichkeit der Kinder, welche z. B. 1888 ein Fünftel aller Lebendgeborenen vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres hinraffte, nicht nur relativ zurückgeblieben, sondern sogar absolut gefallen ist.

Die natürliche Vermehrung der Bevölkerung würde ein noch viel schnelleres Anwachsen der Volksmenge zur Folge haben, als durch die Zählungen festgestellt worden ist, wenn nicht ein erheblicher Theil des Ueberschusses durch den Mehrbetrag der Auswanderung über die Ein⸗ wanderung bezw. des Wegzuges über den Zuzug wieder verloren ge⸗ gangen wäre, wie nachstehende Berechnung für den Zeitraum zwischen den beiden letzten Volkszählungen zeigt. Es wurden gezählt: am 1. Dezember 1880 27 279 111, am 1. Dezember 1885 28 318 470 Personen, so daß die Vermehrung in diesen 5 Jahren 1 039 359 Köpfe betragen hat. Nach dem natürlichen Anwachsen der Bevölkerung hätten aber bei der letzten Zählung 28 943 541 Personen vorhanden sein müssen, wenn nicht durch die Wanderungen ein Verlust herbei⸗ geführt worden wäre, welcher sich für 1881—85 auf 625 071 Köpfe beziffert.

Da seit dem Schlusse des Jahres 1885 die Zahl der Geborenen von Jahr zu Jahr zugenommen, die Zahl der Gestorbenen und Aus gewanderten dagegen alljährlich abgenommen hat, so läßt sich sofern nicht das Jahr 1890 noch ein sehr ungünstiges Ergebniß liefern sollte, für die Volkszählungsperiode 1885—90 eine erheblich größere Volkszunahme, als für die Jahre 1880— 85 festgestellt worden ist, erwarten.

Hierdurch werden zum Theil Zahlen berichtigt, welche auf privatem Wege in die Oeffentlichkeit gelangt sind. (Statist. Corr.)

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Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Dänemark.

Durch Bekanntmachung des Königlich dänischen Justiz⸗Ministeriums vom 13. November 1889 sind die gesetzlichen Bestimmungen über gesundheitspolizeiliche Untersuchung g genüber den aus dem Hafen von Venedig kommenden Schiffen in Kraft gesetzt worden. Ferner ist die Einfuhr folgender Gegenstände aus dem genannten Hafen ver⸗ boten worden: gebrauchte Leinwand, gebrauchte Kleider und Bettzeug, Lumpen, gebrauchte Watte, Kratzwolle und Papierabfälle Lein⸗ wand, Kleidungsstücke und Bettzeug sind, insofern diese Gegenstände zum Reisegut von Personen gehören, einer Reinigung unter amtlicher Aufsicht zu unterziehen

Die unterm 8. Mai 1889 („R.⸗A.“ Nr. 119 vom 20. Mai 1889) angeordneten Quarantänemaßregeln, soweit dieselben die Häfen von Cuba, Hayti und Portorico betreffen, sind außer Wirksamkeit gesetzt worden.

andel und Gewerbe.

Das französische „Journal officiel“ vom 21. d. M. ver⸗ öffentlicht eine von dem französischen Ackerbau⸗Minister unter dem 20. d. M. erlassene Verordnung, wonach die Ein⸗ und Durchfuͤhr von Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen deutscher und österreichisch⸗ungarischer Provenienz in Frankreich sowohl auf dem Land⸗ als auf dem Seewege verboten wird. Vieh⸗ sendungen aus Ländern, aus welchen die Einfuhr nicht verboten ist, müssen vom 1. k. M. an von Gesundheits⸗ zeugnissen begleitet sein. Die Verordnung vom 25. April d. J., durch welche seiner Zeit bereits die Ein⸗ und Durchfuhr der genannten Viehgattungen nach bezw. durch Frankreich über die gesammte deutsche und luxemburgische Grenze ohne Unter⸗ schied der Provenienz verboten worden ist, wird durch das neue Ein⸗ und Durchfuhrverbot nicht berührt.

Submissionen im Auslande.

Niede lande.

4. Dezember, Vormittags 11 Uhr. Directie der Marine Amsterdam: Lieferung von: Nr. 1. ungetheertem Tauwerk, Nr. 2. getheertem Tauwerk. Auskunft an Ort und Stelle.

Rumänien.

15. Januar 1890. Bukarest. Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Bau einer Donaubrücke. W

Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs⸗Anstalten.

Hamburg, 27. November. (W. T. B.), Der Postdampfer „California“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft hat, von New⸗York kommend, heute 3 Uhr Morgens Lizard passirt.

London, 26. November. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Pretoria“ ist heute auf der Heimreise von Capetown an⸗

gekommen.

27. November. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Warwick⸗Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown an⸗ gekommen. Der Castle⸗Dampfer „Duart Castle' ist auf der Heimreise gestern in London angekommen.