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mann von Klitzing, Ober⸗Forstmeister Freiherr von der Reck, Graf Tschirschkyv⸗Renard, Graf Saurma⸗Laskowitz, Graf Saurma⸗ Jeltsch, Graf Vork von Wartenburg, Landrath von Puttkamer und Oberst⸗Lieutenant von Müller. Vom Kaiserlichen Gefolge nahmen Theil: der Minister des Königlichen Hauses von Wedell, die Flügel⸗ Adjutanten Major von Zitzewitz und Kapitän zur See Freiherr von Senden⸗ Bibran. Die Jägerei stand unter der Leitung des Vize⸗Ober⸗Jäger⸗ meisters vom Dienst, Freiherrn von Heintze, dem bei Ausführung der Jagd Forstmeister Richter und Oberförster Kloer zur Seite standen. Die Jägerei empfing den Kaiser mit dem „Waidmannsruf“. Nach⸗ dem Se. Majestät sich noch einige Zeit mit seinen Jagdgästen unter⸗ halten hatte, ward das Zeichen zum Beginn der Jagd gegeben. Das Jagdgebiet lag auf dem rechten Ufer der Oder. Etwa gegen 9 ¼ Uhr wurde die Jagd eröffnet, und der erste Trieb auf Fasanen begann. Es wurden zwei Standtreiben auf Fasanen und eine Hasenstreife abge⸗ halten. Als recht ergiebig erwies sich die Fasanenjagd. Die Standlinie der Jäger war derart aufgestellt. daß der Aller⸗ höchste Jagdherr von der Mitte der Linie aus vorging. Zur Rechten und Linken Sr. Majestät befanden sich abwechselnd Herzog von Ratibor, Fürst Hatzfeldt, Fürst Lichnowsky, Prinz Friedrich Wilbelm zu Hohenlohe⸗Ingelfingen, Graf York von Wartenburg u. s. w. Mehr⸗ fach gab der Kaiser seine hohe Befriedigung darüber zu erkennen, daß die Jagd von so prächtigem Wetter begünstigt sei. Gegen 12 Uhr Mittags wurde die Jagd abgebrochen und man begab sich nach dem am jenseitigen Ufer gegenüber von Linden errichteten Jagdzelt. Dort war Seitens der Königlichen Hofküche ein Frühstück bereitet worden. In der ungezwungensten und leutseligsten Weise verkehrte Se. Majestät mit den Gästen in hbeiterer Unterhaltung. Die Musik stellte die Kapelle des Husaren⸗Regiments von Schill. Kurz nach 1 Uhr wurde die Tafel aufgehoben und die Jagd fortgesetzt. Es fanden dann Fasanentreiben und Hasenstreifen statt. Gegen 3 Uhr war der letzte Trieb beendet, der eine besonders anstrengende Feldstreife über Sturzacker im Schnee war. Es wurde bierauf die Strecke bereitet und von dem Kaiser und der Jagdgesellschaft besichtigt. Alsdann ertönte das „Hallali“ der Jägerei. Der Kaiser sprach den Leitern der Jagd seine Befriedigung aus und entbot der Jägerei ein „Waidmannsheil“. Nachdem der Kaiser das Zeichen zum Aufbruch gegeben hatte, bestieg Allerhöchstderselbe sowie die Jagdgesellschaft die bereitgehaltenen Wagen, und nun ging es wieder in kurzem Trabe der Stadt zu. Einige Minuten nach 4 Uhr langte der Kaiserliche Wagen an der Oderbrücke vor Ohlau an. In der Stadt hatten inzwischen die Bewohner noch Alles aufgeboten, um die Straßen, welche der Kaiser auf der Rückfahrt berühren sollte, prächtig zu schmücken. Vor den durchweg mit Flaggen geschmückten Häusern waren Tannenbäume aufgestellt worden; an dem Postgebäude war eine mit Jagdbildern ausgestattete Ehrenpforte errichtet. Viele Häuser er⸗ glänzten in hellem Lichterglanze. Als der Kaiser in der Stadt an⸗ langte, ertönten die brausenden Hurrahs der jubelnden Menge; die Musikcorps der spalierbildenden Kriegervereine ließen patriotische Weisen erklingen. So pflanzte sich der Jubel fort bis zum Bahn⸗ hofe. Nach kurzem Aufenthalt in dem schön geschmückten Wartesaale und nachdem sich das Gesolge gesammelt hatte, bestieg der Kaiser, begleitet von dem Major von Zitzewitz, den Salonwagen. Fünf Minuten vor halb fünf ÜUhr setzte sich der Kaiserliche Sonderzug unter anhaltenden Hochrufen der Bevölkerung in Bewegung
— Ihre Majestaͤt die Kaiserin und Königin Friedrich begab Sich, wie „W. T. B.“ berichtet, am Sonn⸗ abend Nachmittag 1 Uhr in Begleitung des Kommandanten der „Surprise“ von Messina nach Taormina, um die dortigen Alterthümer zu besichtigen. Die Rückkehr war auf 7 Uhr 20 Min. Abends festgesetzt, worauf die Weiterfahrt erfolgen
— Der General⸗Feldmarschall Graf von Moltke, Präses der Landes⸗Vertheidigungs⸗Kommission und Chef des Kol⸗ bergschen Grenadier⸗Regiments Graf Gneisenau (2. Pom⸗ merschen) Nr. 9, ist von Preetz hierher zurückgekehrt.
— Der bisherige Gerichts⸗Assessor Klotzsch zu Naum⸗ burg a. S. ist nach Uebernahme in die allgemeine Staats⸗ verwaltung zum Regierungs⸗Assessor ernannt und der König⸗ lichen Regierung zu Potsdam überwiesen worden.
— S. M. Kreuzer⸗Korvette „Carola“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän Valette, ist am 29. November in Bombay eingetroffen.
ꝙ† Görlitz, 29. November. Die gestrige dritte Sitzung des Kommunal⸗Landtages der preußischen Oberlausitz wurde von dem Vorsitzenden, Landeshauptmann und Landes⸗ Aeltesten Grafen von Fürstenstein, mit der Mittheilung er⸗ öffnet, daß der Ober⸗Präsident Dr. von Seydewitz wegen dringender Dienstgeschäfte den Landtag verlassen habe. Es wurde darauf in die Tagesordnung eingetreten, auf welcher als erster Gegenstand der Verwaltungsbericht der Direktion der Oberlausitzer Provinzial⸗Spar⸗ kassestand. Aus diesem Bericht entnahm der Landtag mit Befriedi⸗ gung, daß die Verwaltungsergebnisse des Jahres 1888 sehr günstige find, daß aber infolge des Zurückganges des Zinsfußes die Spar⸗ kassenverwaltung der Frage näher treten müsse, ob nicht bei der starken Zunahme der Spareinlagen eine Herabsetzung des Zinsfußes bezüglich der neuen Spareinlagen von 3 ⅛3 Proz. auf 3 Proz. geboten erscheine. Nach eingehender Diskussion der obwaltenden thatsächlichen Verhältnisse, wozu auch gehört, daß die Stadt Görlitz bezüglich der gesammten Spareinlagen die Zinsherabsetzung auf den 1. April 1890 festgesetzt hat, beschloß der Landtag, das Direktorium der Oberlausitzer Spar⸗ kasse zu ermächtigen, den Zinsfuß der neuen Spareinlagen auf unter 3 3 Proz. zu ermäßigen, sobald dieselbe den Zeitpunkt hierfür gekommen erachte. Demnächst bestätigte der Landtag die in Folge eingetretener Veränderungen erforderlich gewordene Er⸗ nennung von neuen Kuratoren und Rendanten einzelner Neben⸗ Sparkassen und ging sodann zu einer Reihe anderer Vorlagen, welche Gesuche um Beihülfen von Gemeinden u. s. w. be⸗ treffen, über. Ferner beschloß der Kommunal⸗Landtag, zu der von der Schlesischen Provinzial⸗Verwaltung gewährten Sub⸗ vention für die Errichtung eines Kaiser Wilhelm⸗ Denkmals in Breslau, welche aus der Schlesischen Pro⸗ vinzial⸗Darlehnskasse, an der die Oberlaufitz keinen Antheil hat, entnommen wird, einen Beitrag zu “ Damit war die Tagesordnung für die gestrige Plenarsitzung erledigt.
Frankfurt a. M., 1. Dezember. Der Magistrat hat, wie wir aus der „Frkf. Ztg.“ ersehen, nachstehenden Aufruf an die Bürger⸗ und Einwohnerschaft Frankfurts erlassen:
Se. Majestät der Kaiser und König wollen am 9. De⸗ zember unsere Stadt mit dem ersten Besuche nach Allerhöchstihrer Thronbesteigung beehren. Mit froher Erwartung sieht die gesammte Bürgerschaft diesem bedeutungsvollen Tage entgegen. Unserem erhabenen Kaiser und König freudige, Huldigung und Ver⸗ ehrung darzubringen, ist unser Aller Wunsch. Wir brauchen unsere Mitburger nicht besonders zu bitten, in allen Straßen durch reichen Schmuck und Beleuchtung der Häuser unserem Kaiser und König inen festlichen Empfang in der alten gastlichen Kaiserstadt zu be⸗ reiten! Se. Majestät werden nach der um 1 Uhr Mittags statt⸗ findenden Ankunft durch die neu zu eröffnende Verlängerung
der Kaiserstraße
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zur Stadt fahren, an deren E städtischen Behörden zum Empfang versammelt sein werden. Die Fahrt wird sodann durch die Kaiserstraße, über den Roß⸗ markt (wo eine Begrüßung durch Vertreter von Handel und Ge⸗ werbe, Kunst und Wissenschaft stattfinden wird) durch die Zeil und Febegaffe nach dem Dom, von hier über den alten Markt nach dem
ömer und von da vielleicht über die Neue Kräme und Liebfrauen⸗ straße nach dem Postgebäude stattfinden. Es ist indessen nicht un⸗ wahrscheinlich, daß Se. Majestät vom Römer aus noch andere Sehenswürdigkeiten, etwa den Hafen, besichtigen und zu diesem Behuf die Neue Kräme, Liebfrauenstraße, Kaiser⸗ und Friedens⸗ straße sowie den Mainkai passiren werden. Hierüber behalten wir uns nähere Mittheilung vor. Gegen 5 Uhr wollen Se. Majestät Sich von dem Postgebäude über die Zeil, Hauptwache, Steinweg, große Bockenheimergasse und Bockenheimer Landstraße nach dem Palmengarten zu dem von der Stadt angebotenen Festmahl begeben, um 7 Uhr die Festoper besuchen, nach deren Beendigung die Heim⸗ reise angetreten werden soll. Wir sind sicher, daß nach dem Vorbilde früherer festlicher Gelegenheiten der 9. Dezember sich zu einem Ehren⸗ tag für unsere Stadt gestalten wird. Frankfurt a. M., den 1. Dezember 1889. Der Magistrat. Miquel.
Sigmaringen, 2. Dezember. (W. T. B.) Se. Hoheit der Fürst und Ihre Königliche Hoheit die Fürstin von Hohenzollern sind nach Capri zum Winteraufenthalt ab⸗ gereist.
Sachsen. Dresden, 30. November. Der König hat, wie das „Dresd. Journ.“ amtlich bekannt macht, den Kammerherrn Grafen Hans Joachim von Wallwitz zum Gesandten am Wiener Hofe ernannt.
FWürttemberg. Stuttgart, 1. Dezember. Das „Ulm. Tabl.“ schreibt: Gutem Vernehmen nach begeht das Grenadier⸗ Regiment König Karl Nr. 123 am 19. Dezember die Feier der 25jährigen Regiments⸗Inhaberschaft Sr. Majestät des Königs mit einer großartigen Festlichkeit. Die Einladungen an Ihre Majestäten den König und die Königin sind bereits ergangen, ebenso an die früheren Regiments⸗ Commandeure, Offiziere des Regiments ꝛc. Die Vorberei⸗ tungen für das Fest werden jetzt schon aufs eifrigste betrieben.
Baden. Karlsruhe, 29. November. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde, wie bereits erwähnt, eine Interpellation von Seiten einiger Mitglieder des Centrums angekündigt, unterschrieben von dem Abg. Buol und Genossen, die Zulassung der Niederlassung von Klöstern betreffend, mit der Anfrage, welche Stellung die Regierung zu der Frage einnehme. Darauf wurden Namens der Budgetkommission die Berichte über die Rech⸗ nungsnachweisungen des Großherzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts für 1886,/87 er⸗ stattet, und zwar im ordentlichen und außerordentlichen Etat über die Ausgabetitel I Ministerium, II Ober⸗ Landesgericht, III Landgerichte, IV Staatsanvwaltschaft, V Amtsgerichte, VI Allgemeine Ausgaben für die Rechts⸗ pflege, XI Allgemeiner Remunerationsfonds und XII Ver⸗ schiedene und zufällige Ausgaben, sowie den Einnahmetitel I Justizverwaltung; über den Ausgabetitel VII und S h. titel II Strafanstalten; über die Ausgabetitel VIII Kultus, IX Unterrichtswvesen und X Wissenschaften und Künste, sowie über Einnahmetitel III Unterrichtswesen. Zu Titel IX der Ausgaben und Titel III der Einnahmen führte der Berichterstatter, Abg. Fieser, in eeingehender Begründung aus, die Kummission sehe sich veranlaßt, zu beantragen, die Anlagen der Großherzoglichen Ober⸗ Rechnungskammer zu diesen Titeln als durch die der Kom⸗ mission gegebenen Erklärungen der Regierung erledigt zu erklären, nachdem die Kommission die Ueberzeugung gewonnen, daß Seitens der Regierung hinsichtlich zweier — allerdings sehr erheblicher — Budgetüberschreitungen Alles geschehen sei, was verlangt werden könne. Den Ausführungen des Bericht⸗ erstatters schloß sich der Abg. Friderich an, unter besonderer Hinweisung auf §. 15 des Ausgabetitels IX, der eine Ueber⸗ schreitung des budgetmäßigen Ansatzes von 33 000 ℳ für die Erweiterung des anatomischen Hörsaals der Univerfität Freiburg um 24 273 ℳ 82 ₰ feststelle. Er mißbilligte auf das Entschiedenste das Vorgehen der bauleitenden Behörde, gab aber zu, daß nach den vernommenen Erklärungen die Regierung, die das Verhalten des betreffenden Beamten auch durch Versetzung im Disziplinarwege geahndet, das Erforderliche gethan habe. Bei den übrigen Titeln ergriff Niemand das Wort. Den Anträgen der Berichterstatter ent⸗ sprechend, erklärte das Haus sämmtliche Titel für un⸗ beanstandet und die bei Titel IX der Ausgaben und III der Einnahmen gemachten Anmerkungen der Großherzoglichen Ober⸗Rechnungskammer als durch die Erklärungen der Regie⸗ rung für erledigt.
Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 29. November. Dem Landtage des Herzogthums Meiningen ist der „Köln. Ztg.“ zufolge eine Vorlage zugegangen, welche dem Verein zur Begründung und Unterhaltung einer Arbeiter⸗ kolonie in Thüringen ein unverzinsliches Darlehn von 27 000 ℳ unter der Bedingung hypothekarischer Sicherstellung bewilligt wissen will. Zu dem behufs Errichtung der Kolonie erfolgten Ankauf des Rittergutes Geilsdorf bei Stadtilm hat das Großherzogthum Weimar 40 000 ℳ, das Herzogthum Coburg⸗Gotha 25 000 ℳ, das
erzogthum Sachsen⸗Altenburg 20 ℳ, das Fürstenthum Schwarzburg⸗Rudolstadt 10 500 ℳ, Schwarzburg⸗Sonders⸗ ausen 9000 ℳ und Reuß ä. L. 6000 ℳ beigesteuert. Das Fürstenthum Reuß j. L. besitzt selbst eine derartige Ein⸗ richtung.
Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 28. November. (K. Z.) In der gestrigen Sitzung des Landtages wurden nach einer lebhaften örterung die Wahlen sämmtlicher Abgeordneten des zweiten Wahlkreises, welcher die Städte des Ostkreises, Ronneburg, Schmölln, Lucka, Gößnitz und Meusel⸗ witz umfaßt, für ungültig erklärt. Zur Leitung der Nach⸗ wahlen ist vom Ministerium bereits ein Kommissar bestellt worden. Der Grund der Ungültigkeitserklä⸗ rung ist darin zu suchen, daß an dem Tage, an welchem in Gößnitz die Wahlen stattfinden, sollten, der Wahlkommissar nicht zur rechten Stunde erschienen war und dadurch möglicherweise das Wahlergebniß verschoben worden ist. In der nämlichen Sitzung gab der Landtag dem Nachtragsvertrage zu dem Staatsvertrage über die Bildung der Schwurgerichtsbezirke im Ober⸗Landesgerichtsbezirk Jena seine Zustimmung.
Reuß ä. L. Greiz, 30. November. (+) Ihre Durch⸗ lauchten der Fürst und die Fürstin haben sich gestern gegen Abend nach Dresden begeben, nachdem Ihre Durchlauchten der Fürst, die Fürstin und Prinz Hermann zu
Eingang die
Schaumburg⸗ pe
ittags die Rückreise nach Bücke⸗ burg fortgesetzt hatten.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 30. November. Gelegentlich einer Abendgesellschaft beim Präsidenten des z. Z. hier tagenden Landwirthschaftsraths, Baron Hugo Zorn von Bulach, brachte nach der „Str. Corr.“ 1 Statthalter Fürst zu Hohenlohe folgenden Trinkspruch aus:
„Indem ich dem Herrn Präsidenten des Landwirthschaftsraths meinen Dank für seine freundliche Begrüßung ausspreche, benutze ich mit Vergnügen die Gelegenheit, zu konstatiren, daß der Landwirth⸗ schaftsrath nach nun fast zweijährigem Bestehen den Beweis geliefert hat, daß er seiner Aufgabe gewachsen ist und den Zwechk erfüllt, für den er geschaffen wurde. Es zeigt sich mehr und mehr, daß ein Organ für Berathung landwirthschaftlicher Angelegenheiten eine Nothwendigkeit war, und daß es, wie die heutige Beratbung wieder bewiesen hat, gute Früchte trägt. Und wenn der Austausch der Anschauungen zwischen der Regierung und den Landwirthen gute Erfolge erzielt hat, so ver⸗ danken wir es der tüchtigen und umsichtigen Thätigkeit des Land⸗ wirthschaftsraths und seines vortrefflichen Präsidenten. Ich lade Sie ein, auf das Wohl des Landwirthschaftsraths und seines Präsi⸗ denten das Glas zu leeren. Sie leben hoch!“ ““ 1
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 30. November. (Presse.) Se. Majestät der Kaiser wird am 3. Dezember aus Gödöllö hier eintreffen. Am 4. Dezember, Vormittags, wird auch Ihre Majestät die Kaiserin, welche am 2. Dezember wieder zu kurzem Aufenthalt in Miramar eintrifft, in Wien anlangen. Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Erzherzogin Marie Valerie kehrt bereits am Dienstag Nachmittag aus Gödöllö hierher zurück.
Gestern hat sich, wie dem „Prag. Abdbl.“ berichtet wird, der Ministerrath unter dem Vorsitz des Minister⸗ Präsidenten Grafen Taaffe versammelt, um über die Vor⸗ lagen für den Reichsrath endgültig zu berathen. Der Finanz⸗Minister Dr. Ritter von Dunajewski legte dem Ministerrathe sein Finanz⸗Exposé vor.
Lissa, 1. Dezember. (W. T. B.) Der Chef des hier eingetroffenen deutschen Geschwaders, Contre⸗ Admiral Hollmann, stattete dem Bürgermeister Gjaxa einen Besuch ab und empfing dessen Gegenbesuch. Abends waren die Ortschaft und der Hafen zu Ehren des deutschen Geschwaders glänzend illuminirt.
Großbritannien und Irland. London, 30. November. (A. C.) Das Kabinet sowie die engeren Ausschüsse des⸗ selben beschäftigen sich seit einiger Zeit eingehend mit der neuen irischen Bodenankaufs⸗Vorlage. Es ist im Plane, die unzufriedenen Theile Irlands zuerst zu berück⸗ sichtigen, und es wird für den Bodenankauf daselbst zunächst ein Kredit von 7 bis 10 Mill. Pfd. Sterl. erforderlich sein.
Am Montag wird in Manchester die Jahres— konferenz des nationalen Verbandes der liberalen Vereine unter dem Vorsitz des Earls von Aberdeen eröffnet. Gladstone trifft am Montag in Manchester ein und wird gleich nach seiner Ankunft in Beantwortung einer ihm überreichten Bewillkommnungs⸗Adresse eine An⸗ sprache an die Delegirten halten. Dann wird er in großem Aufzuge durch die Hauptstraßen der Stadt nach seiner Wohnung in Didsbury geleitet werden. Am Dienstag Abend spricht er in einer großen Volksversammlung. In Beantwortung einer Anfrage hat Gladstone erklärt: es werde am Montag oder Dienstag in Manchester seine Pflicht sein, über seine Haltung in Bezug auf fernere Reformen klaren Aufschluß zu geben.
Aus Bangalore in Indien, vom 29. November, meldet „R. B.“:
Prinz Albert Victor von Wales traf gestern von Mysore kommend bier ein. In Mvsore legte er den Grundstein zu einem von dem Maharadschah zu erbauenden College.
(Fr. C.) Im
Frankreich. Paris, 30. November. Beginn der gestrigen Sitzung des Senats wurde die Wahl des neuen Mitgliedes des Hauses, Gaillard, im Puy⸗de⸗ Dome bestätigt und sodann eine Nachtragsforderung von 300 000 Fr. für das außerordentliche Heeres⸗Budget sowie eine solche von 132 000 Fr. für das ordentliche Budget desselbenRessorts bewilligt. Den Rest der Sitzung widmete das Haus der Berathung eines Zusatzes des Senators Le⸗Guen zum Artikel 5 des Gesetzes über die Arbeit der Frauen, minderjährigen Mädchen und Kinder in den Fabriken. Dieser Zusatz zielt darauf ab, den Sonntag als die gesetzlich vorge⸗ schriebene allwöchentliche Rast zu bezeichnen. Berichterstatter Charles Ferry führte aus, in der Praxis ver⸗ stehe es sich von selbst, daß der Sonntag bevorzugt werde; wenn man ihn aber in das Gesetz aufnähme, so könnte das so gedeutet werden, als hielten die Gesetzgeber die Sonntagsarbeit für eine Entweihung und dem dürfte sich der neutrale Staat nicht aussetzen. Dieser Auffassung entsprach die Abstimmung, in welcher der Zusatz mit 170 gegen 87 Stimmen verworfen wurde. Hierauf werden die übrigen Paragraphen und dann das Gesetz im Ganzen angenommen.
Rouen, 2. Dezember. (W. T. B.) An Stelle des verstorbenen Deputirten Duvivier wurde gestern Ricard (Republikaner) zum Deputirten gewählt.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. November. (W. T. B.) Das Gesetz, betreffend die Bildung zweier leichter Batterien bei der 24. Artillerie⸗Brigade mit dem Stabsquartier in Helsingfors, ist nunmehr publizirt worden. — Wie der „Revaler Beobachter“ meldet, ist un⸗ längst das Gesetz vollzogen worden, welches die Städte⸗ ordnung der baltischen Gouvernements dahin abändert, daß den Literaten das Wahrrecht entzogen und die russische Sprache statt der deutschen als Geschäfts⸗ sprache eingeführt wird.
Italien. Rom, 30. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer legte der Minister des Schatzes das definitive Budget für 1888,89, das berichtigte Budget für 1889/90 und den Budget⸗Vor⸗ anschlag für 1890/91 vor. Der definitive Voranschlag des Budgets für 1888/89 enthielt einen außerordentlichen Kredit von 127 Millionen Lire zu außerordentlichen militärischen Ausgaben; es stellte sich jedoch eine Differenz von 197 500 000 Lire zwischen den effektiven Einnahmen und Ausgaben heraus. Das zu Lasten des Staats⸗ Schatzes verbleibende Defizit betrug 230 500 000 Lire. Die Ergebnisse der Staats⸗Kassengebahrung, welche durch die gewöhnlichen Mittel der Schatzverwaltung bewirkt werden konnte, sind sehr zufriedenstellend. Die Rekti⸗
fikation des Budgets für 1889/90 enthält eine Besserung
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um 1 ½ Millionen gegenüber den ersten Voranschlägen. In Folge dieser Aenderung vermindert sich die Differenz zwischen den wirklichen Einnahmen und den Ausgaben, welche in dem Voranschlag für 1889/90 mit 48 5 Millionen vorgesehen war, auf 47 ½ Millionen. Die Kassengebahrung für 1889/90 ist vollkommen gesichert. Für das Ende des Rechnungsjahres erwartet man einen Kassenbestand von 275 ½ Millionen, also fast 64 Millionen mehr als am 1. Juli 1889. Die Budgetverhältnisse haben sich für das Rechnungs⸗ jahr 1890/91 merklich besser gestaltet. Der Voranschlag der wirklichen Einnahmen hat sich um 36 ½ Millionen gehoben. Die Kategorie der wirklichen Einnahmen und Ausgaben schließt mit einem Defizit von 21 800 000 Lire. Es ist hierbei in Betracht zu ziehen, daß bei den Ausgaben dieses Budgets die Pensionszahlungen eingestellt sind, welche früher der jüngst abgeschafften Pensions kasse mittels eines derselben überwiesenen Rentenbetrages oblagen. Es muß ferner berücksichtigt werden, daß gewisse für außerordentliche militärische Ausgaben bestimmte Beträge erschöpft sind. Es wird daher nöthig sein, einen Gesetzentwurf einzu⸗ bringen, betreffend die Bewilligung einer außerordent⸗ lichen Ausgabe von 10 600 000 Lire. Indem man diese Summe zu dem effektiven Defizit hinzufügt, ergiebt sich ein Gesammtdefizit von 32 500 000 Lire. Die wesentlichen Ur⸗ sachen dieser Vermehrung der Ausgaben sind in Aussicht gestellte Eisenbahnbauten und neue Kredite für Zwecke des Heeres und der Marine. — Zu Mitgliedern der Budget⸗ Kommission wurden sämmtliche ministeriellen Kandidaten gewählt. — Der Handels⸗Minister Miceli hat der Kammer einen Gesetzentwurf, betreffend die Verlänge⸗ rung des Privilegiums der Zettelbanken und die Reorganisation derselben vorgelegt. — Wie der „Esercito“ meldet, wird demnächst eine Kreditforderung von 17 Mil⸗ lionen Lire für den Bau einer großen Pulverfabrik zur Erzeugung von rauchlosem Pulver für Gewehrpatronen in der Deputirtenkammer eingebracht werden.
Der zum Nachfolger des Generals Baldissera in Massovah ernannte General Overo vird sich am 4. De⸗ zember in Neapel einschiffen. — Dem „Esercito“ zufolge wird die italienische Gesandtschaft für Massovah morgen abreisen.
Portugal. Lissabon, 30. November. (W. T. B.) Der Kaiser Dom Pedro traf mit der Kaiserlichen Familie an Bord des Dampfers „Alagoas“ heute Mittag wohlbehalten am Kap St. Vincent ein und telegraphirte von dort an den König von Portugal, daß er in Lissabon wie ge⸗ wöhnlich im Hotel Braganza absteigen werde und die ihm angebotene Wohnung im Königlichen Schlosse dankend ab⸗ lehne. An Bord befinden sich Alle wohl.
Amerika. Brasilien. (A. C.) Nach in New⸗York eingegangenen Meldungen aus Rio de Janeiro hat die vorläufige Regierung die alte Flagge wieder adoptirt. Dieses Vorgehen, so heißt es, habe Erbitterung ver⸗ ursacht. Der Finanz⸗Minister, Dr. Ruy Barboza, hat eine Versammlung der bedeutendsten Bankiers und Makler in Rio de Janeiro einberufen zwecks Erlangung ihres Beistandes bei der Erledigung von kommerziellen Ge⸗ schäften, falls dies erforderlich werden sollte.
Afrika. Einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Kairo vom 1. Dezember zufolge, wird, nach einer Mel⸗ dung aus Zanzibar, die Ankunft Stanley's in Baga⸗ moyo am nächsten Mittwoch erwartet.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (27.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher, der Präsi⸗ dent der Reichsbank von Dechend, sowie andere Bevoll⸗ mächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien beiwohnten, stand auf der Tagesordnung: die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Bankgesetzes vom 14. März 1875.
Den Art. I sowie die dazu gestellten Anträge der Abgg. Graf Stolberg und Freiherr von Huene haben wir bereits mitgetheilt.
Der Präsident der Reichsbank von Dechend hob gegenüber den Ausführungen der Abgg. Graf Mirbach und von Kardorff am verflossenen Freitag hervor, daß die Reichsbank in keiner Weise hinter der Bank von Frankreich zurückstehe. Nach der letzten Uebersicht habe diese einen Goldbestand von 1030 Millionen und 997 Millionen Mark Silber; früher sei der Metallbestand noch geringer gewesen; die Reichsbank sei von 1000 Millionen Francs oder 800 Millionen Mark wiederholt nicht fern gewesen. Der gegenwärtige hohe Goldbestand der Bank von Frankreich sei beson⸗ deren Umständen, namentlich der Industrieausstellung zu danken und habe auch bereits angefangen zurückzugehen. Der Unterschied zwischen der Bank von Frankreich und der unsrigen sei nicht entfernt so groß, wie ihn die Abgg. Graf Mirbach und von Kardorff angenommen hätten. Der Silber⸗ bestand der Bank von Frankreich sei allerdings ein sehr viel größerer. Sachverständige und die Bank von Fettns selbst würden dies aber eher als einen Mangel an⸗ ehen, denn über die Silberbestände könne sie bei dem jetzigen niedrigen Preise nicht verfügen. Die Reichsbank, die sehr viel weniger Silber besitze, habe nicht viel mehr, als wir brauchten, wenn wir die neue Währung durchführen, namentlich wenn wir die österreichischen Silberthaler, was früher oder später geschehen müsse, abstoßen wollten. Ferner sei fest⸗ zuhalten, daß unterwerthiges Gold bei uns nicht cir⸗ kuliren könne. In Frankreich sei E“ Gold überhaupt nicht oder nur gegen ein nicht unbeträchtliches Agio zu haben. Die Bank von Frankreich habe 131, wir 240 Filialen. In Frankreich könne nur eine ausgewählte Anzahl von Firmen diskontiren, es gäbe dort nur etwa 11 000 Disconteure; bei uns diskontire eine mehrfach größere Zahl. Den Lombard⸗ und Gutsbesitzerwechselzkenne die Bank von Frankreich gar nicht. Das Comtoir für Werthpapiere beschränke sich dort auf das Couponabschneiden, bei uns werde die gesammte Verwaltung der Papiere einschließlich der Verloosung von der Bank besorgt. Das Stammkapital der Bank von Frankreich sei allerdings um 26 oder 27 Millionen froßer als das der Reichsbank; dasselbe sei aber ebenso wie ie Reserve in Renten festgelegt, die sie nicht verkaufen könne. Nach keiner Richtung ständen die Leistungen der Reichsbank hinter denen der Bank von Frankreich zurück, und die Abgg.
Graf Mirbach und von Kardorff würden hoffentlich nach dieser Darlegung ihre Behauptungen zurücknehmen.
Der Direktor im Reichs⸗Schatzamt Aschenborn wandte gegen den Abg. Grafen Mirbach ein, daß derselbe seine Rechnung auf die Ausgabe von 3prozentigen Konsols aufbaue, während man naturgemäß von 31 ⁄½ prozentigen ausgehen müßte. Ebenso sei es unrichtig, statt der 120 Millionen nur 107 Millionen als Grundkapital anzunehmen; der Reservefonds von 13 Mil⸗ lionen dürfte nicht in Anrechnung gestellt werden; das Reich könne ebenfalls nicht ohne Reservefonds bestehen. Der finan⸗ zielle Effekt bei einem Kapital von 120 Millionen und bei der Ausgabe von 31 ⁄ prozentigen Schuld⸗ scheinen würde im Falle der Verstaatlichung der Bank nur ein Mehrergebniß für die Reichskasse von 2 930 000 ℳ bedeuten, und nicht, wie man ausgerechnet habe, über 4 Millionen, und auch dies nur in der Voraussetzung, daß die Reichsbank auch in Zukunft stets dieselben Erträge ab⸗ werfe, was mindestens zweifelhaft sei. — Der Antrag Huene wolle dem Reich etwa 461 000 ℳ mehr zuwenden. Man könne nicht sagen, daß die Ziffer der Regierungsvorlage das absolut Richtige getroffen habe, und daß der Vor⸗ schlag Huene absolut verwerflich sei. Trotzdem ver⸗ diene die Regierungsvorlage unter Ervägung aller Verhältnisse den Vorzug. Der allgemeine Rückgang des Zinsfußes auf dem Weltmarkt rechtfertige eine weitere Herab⸗ setzung der Dividende nicht; viele große Privatbanken zahlten höhere Dividende. Die unveränderte Annahme der Re⸗ gierungsvorlage sei ebenso nützlich für das Reich wie billig gegen die Antheilseigner.
Abg. Mooren hatte folgenden Antrag gestellt:
Der Reichstag wolle beschließen: In Erwägung, daß die Reichsbank die Aufgabe hat, da, wo es der Verkehr erfordert, Zweiganstalten zu errichten, wolle der Reichstag erklären, daß es nicht seinen Absichten entspricht, wenn die Reichsbank sich für die Erfüllung dieser Aufgabe ven den betheiligten Gemeinden Steuerbefreiungen oder andere Zuschüsse bewilligen läßt
Er begründete den Antrag mit dem Hinweis auf einige Fälle, in denen die Reichsbank die Errichtung von Filialen davon abhängig gemacht habe, daß ihnen von den betreffenden Städten Steuerfreiheit oder anderweitige Leistungen zugesichert würden.
Bei Schluß des Blattes sprach der Präsident der Reichs⸗ bank, von Dechend.
Zeitungsstimmen.
Zu den kolonialpolitischen Verhandlungen im Reichstage bemerkt die „Nationalliberale Correspon⸗ denz“:
„Die langen kolonialpolitischen Verhandlungen im Reichstage haben mit einer vollen Niederlage der Opposition geendet. Sämmt⸗ liche Forderungen sind mit großen Mehrheiten bewilligt worden; der Nachtrags Etat zur Fortführung der Wissmann'schen Expedition hatte nur d ie Deutschfreisinnigen und Sozialdemokraten gegen sich. Die ersteren erlebten dabei noch den Verdruß, zwei ihrer Mitglieder, die Abgg. Siemens und Goldschmidt, mit der Mehrheit stimmen zu sehen; dieselben werden ja nun wohl wegen fortgesetzter Unbotmäßigkeit gegen die Hrrn. Richter und Bamberger bald ihren Abschied aus der Partei nehmen müssen, ebenso wie es Hr. Thomsen gethan, als er für das Inval’ditätsversicherungsgesetz gestimmt hatte. Oder kann man deutschefreisinnig sein und doch die Kolonialpolitik unter⸗ stützen? Das Centrum hat sich diesmal an der ganzen Debatte so gut wie gar nicht betheiligt, und darin kam die erfreuliche kolonial⸗ politische Schwenkung dieser Partei in sehr bezeichnender Weise zum Ausdruck. Hr. Wirdthorst machte nur ein paar kurze Bemerkungen über die Zustimmung seiner Partei zu dem Nachtrags⸗Etat für die Wissmann'sche Expedition, und es hätte doch auch die deutschfrei⸗ sinnigen Zuhörer beschämen müssen, als sie aus diesem Munde über die nationale Ehrenpflicht zur Fortführung des begonnenen Werkes be⸗ lehrt wurden. So ist der groß angelegte Feldzug, ven dem sich die Deutschfreisinnigen einen vernichtenden Schlag gegen unsere Kolonial⸗ politik versprochen hatten, kläglich gescheitert.“
Zu demselben Gegenstand bemerkt der „Hamburgische
Correspondent“:
Die Wirkung des von den Vertretern des Radikalismus gegen die Kolonialpolitik des Reichs unternommenen Angriffs ist nach jeder Richtung hin gleich Null geblieben. Daß der Nachtrags⸗Etat ange⸗ nommen werden würde, war ja von vornherein außer Zweifel gestellt, aber auch der Eindruck, den der „Elan“ der Hrrn. Richter, Bam⸗ berger und Barth auf die „Massen“ der freisinnigen Wähler hervor⸗ bringen soll, dürfte den Erwartungen der freisinnigen Partei⸗ leitung nicht entsprechen. Allzu scharf macht schartig. Der Ver⸗ treter Hamburgs im Reichstage, Herr Adolf Woermann, hat den tendenziösen Aufstellungen Richter’scher Stubengelehrsamkeit die Erfahrungen und Bedürfnisse des praktischen Lebens entgegengesetzt. Nach zwanzig Jahren wird man es nicht begreifen können, daß Mäaͤnner des „deutschen Fortschritts“ gegen die Kolonialpolitik mit Verbissenheit zu einer Zeit noch kämpfen konnten, als das deutsche Volk längst von den segensreichen Erfolgen auf kolonialpolitischem Gebiet üverzeugt war. Hr. Woermann bat sich in diesem Sinne ausgesprochen und damit das Maß angegeben, nach welchem die öffent⸗ liche Meinung in Deutschland den Werth der Richter'schen Reden abwägen wird.“
Die „Hamburger Börsenhalle“ spricht sich über die Kolonialpolitik wie folgt aus: eEs ist ganz richtig, wenn der g9 Woermann bemerkte, daß sich der Nutzen kolonialen Besitzes nicht bloß in den Ziffern der Ein⸗ und Ausfuhr ausweist, und daß es unberechtigt — der Abgeordnete sagte kleinlich — sei, von jeder Ausgabe sofort ein Erträgniß sehen zu wollen. Man kann über diese Dinge, wie es in den Hansestädten geschieht, ganz ruhig und nüchtern denken und doch der Ueberzeugung sein, daß neben der wirthschaftlichen Bedeutung unserer Kolonien deren Besitz als gegenwärtig, namentlich aber künftig, für unser Volks⸗ thum und dessen Weltstellung werthvoll zu betrachten ist. Wir sind überzeugt, daß sich ein Theil unserer stetig wachsenden überschüssigen Volkskraft in jenen Gebieten einmal wird in der einen oder anderen Weise bethätigen können. In keinem Falle aber wollen und dürfen wir das bereits Erworbene aufgeben und zwar zu Gunsten anderer Nationen, die sogleich ihre Hand auf die von uns preisgegebenen Gebiete legen würden. Ist man aber dieser Ansicht, so müssen auch die nöthigen Mittel zur Wahrung unserer Interessen bereitgestellt und bewilligt werden. Wir sind denn auch überzeugt, daß das in der Bewilligung der von den verbündeten Regierungen im Reichs⸗Etat geforderten Beträge gipfelnde praktische Ergebniß der Kolonial⸗ debatten die Zustimmung der überwiegenden Mebrheit des Volkes finden wird.“
Land⸗ und Forsftwirthschaft.
Der Deutsche Fischereiverein und die Deutsche Land⸗ wirthschaftliche Gesellschaft werden, wie die „Wes.⸗Ztg.“ meldet, demnächst in eine gemeinschaftliche Berathung über die
Wasserrechtsgesetzgebung treten, um eventuell Abänderungs⸗ wünsche zum Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs auf diesem
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Gebiet zu formuliren. Die beiden Vereine haben sich damit einver⸗ standen erklärt, daß an diesen Berathungen anch Delegirte des Ver⸗ bandes deutscher Müller theilnehmen.
Tanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.
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b 8 . Süd⸗Amerika. Die Gesundheitskommission zu Montevideo hat unterm 21. Oktober 1889 folgende Beschlüsse gefaßt: Jedes Schiff, auf
welchem ein oder mehrere Beriberikranke sich befinden, ist als ver⸗ Etwa vorhandene Kranke sind in das Lazareth der Die Kleider der übrigen Reisenden werden Das Schiff selbst üüt
dächtig anzusehen. Insel Flores zu schaffen. einer 48 stündigen Desinfektion unterworfen. in allen seinen Räumen desinfieirt.
Theater und Musik.
Königliches Opernhaus.
In der Vorstellung des „Lohbengrin“ am Mittwoch tritt Fr. Sucher als Elsa zum ersten Male nach ihrem Urlaub wieder auf. Der
Darsteller des Lohengrin ist Hr. Rothmühl. Hr. Heinrich Ernst wird voraussichtlich bis zum Donnerstag so weit wiederhergestellt sein, um die erste Aufführung der Hoffmann'’schen Oper „Aennchen von Tharau“, die wegen der Erkrankung des Künstlers hatte vertagt werden müssen, nunmehr zu ermöglichen. Die Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ gelangt im Dezember zu erneuter Gesammtdarstellung und beginnt am Montag, den 9. Dezember, mit der Aufführung des „Rheingold“. Königliches Schauspielhaus.
Das einaktige Lustspiel „Gaudeamus“ von Otto Vischer hatte sich am Sonnabend nur sehr getheilter Aufnahme zu erfreuen, und nach dem letzten Fallen des Vorhangs mischten sich in das Bei⸗ fallklatschen derer, denen das Stück gefallen, Zeichen des Miß⸗ fallens. Daß letztere nicht unberechtigt waren, muß bei allem Wohl⸗ wollen, welches man dem Vischer'schen Lustspiel entgegen zu bringen geneigt sein könnte, zugegeben werden. Es ist im Großen und Ganzen ein liebenswürdiges Werk, aus welchem Gemüth und Humor sprechen. Die Idee ist eine recht glückliche: einem Professor der Medizin, dem jedes Streberthum verhaßt ist, wird von seinen Freunden und Schülern die Erfüllung eines Lieblingswunsches ermöglicht, indem sie mit Anwendung von List die nöthigen Gelder zur Er⸗ richtung einer großen Kinderklinik beschaffen. Hierbei gerathen sie in Konflikt mit dem etwas halsstarrigen alten Herrn und die Lösung dieses Konflikts bildet den hauptsächlichen Inhalt des Stücks. Wäre die Handlung knapp und rasch durchgeführt, so würde sie gewiß unterhaltend und belustigend wirken, aber der Verfasser ist gar zu sehr in die Breite gegangen und ermüdet durch Längen und Episoden. Eine umfassende Kürzung des Lustspiels ist nöthig, wenn es sich auf der Bühne behaupten soll. Die Darsteller gaben sich die redlichste Mühe, einen Erfolg zu sichern, was ihnen jedoe nicht recht gelang. Hr. Oberländer spielte den Professor Horst genau nach den Intentionen des Dichters, auch Frl. Bergmann ließ es sich angelegen sein, uns die schwatzhafte Amtmaͤnnsfrau glaublich zu machen. Recht gefällig gab Frl. Conrad die Käthe, und Frl. Abich hatte Gelegenheit, in der kleinen Rolle des Dienstmädchens sich von einer ganz neuen Seite zu zeigen, indem sie das Derbkomische dieser Figur treffend zur Geltung brachte. Von den Herren seien Hr. Keßler Hr. Vollmer, Hr. Hartmann und Hr. Link lobend erwähnt.
Deutsches Theater.
Se. Hoheit der Erbprinz und Ihre Königliche Hoheit die Erb⸗ prinzessin von Sachsen⸗Meiningen besuchten am Sonntag die Aufführung von „Der Sohn der Wildniß“ und wohnten derselben bis zum Schluß bei.
Central⸗Theater.
Der „Historische Possen⸗Abend“ brachte am Sonntag ein aus⸗ verkauftes Haus, und nach der höchst beifälligen Aufnahme zu ur⸗ theilen, wird diese Possen⸗Revue der Zugkraft der ersten Theile des „Lachenden Berlin“ nicht nachstehen.
Sing⸗Akademie . Der gestern stattgehabte Lieder⸗Abend des Frl. Hermine Spies war wieder wie in früheren Jahren ein Ereigniß für unsere musikalische Welt. Dies konnte man an dem außerordentlich zahl⸗ reich erschienenen Publikum erkennen, das alle Räume der Sing⸗ Akademie gefüllt hatte. Die gefeierte Sängerin, die weder großen Stimmenumfang besitzt, noch durch Kehlfertigkeit in Koloraturen und Trillern glänzt, hat andere Vorzüge, die höher anzuschlagen sind. Die Klangfülle und Biegsamkeit ihres Organs, das gleichmäßige Aus⸗ halten des Tons, die vieltaktigen Bindungen sowie andererseits das zarte und saubere Staccato in heiteren Liedern sind von entzückender Wirkung. Vor Allem ist es aber die stets an ihr gerühmte edle und tief ergreifende Vortragsweise, die die Zuhörer auch gestern wieder zu enthusiastischem Beifall hinriß. Nichts an ihr macht den Eindruck des Einstudirten, sondern Alles den des Selbstempfundenen. Ihre eigene Gefühlsregung theilt sich unmittelbar dem Hörer mit. Dies Pulsiren des Vortrags, dies Auf⸗ und Niedersteigen der Tempobewegung und das An⸗ und Ab⸗ schwellen der Töne üben eine eigene, stets von Neuem fesselnde Gewalt über uns aus. Sie ist die echte deutsche Lieder⸗ sängerin, die vielleicht unübertroffen in ihrer Art dasteht. In den sechs poetisch gehaltenen Weihnachtsliedern von Peter Corne⸗ lius empfand man die tiefe religiöse Weihe des Christfestes. Den Ausdruck des Schmerzes in Schumann's „Mit Myrthen und Rosen“, den des Naiven in dem Volksliedchen „Wenn ich früh in den Garten geh’“ und die leidenschaftliche Erregung in seinem Liede „Widmung“ wußte die geniale Künstlerin treffend wiederzugeben. Die beiden letz⸗ teren wiederholte sie mit freundlicher Bereitwilligkeit. Unter vier Liedern von J. Brahms wurden die beiden ersteren „Mainacht“ und „Der Jäger“ mit ganz besonderem Beifall aufgenommen, der eine Wiederholung der zweiten zur Folge hatte. Gleich günstiger Auf⸗ nahme und eines Dacapo⸗Rufes erfreute sich d'Albert's hübsches Lied „Zur Drossel sprach der Fink“, dem der „Abendreih'n“ von B. Scholz folgte. Nach dem Vortrag eines recht stimmungsvoll gehaltenen Liedes „O Lust“ von Clara Schumann erscholl ein nicht endenwollender Beifall, der die Künstlerin, die trotz der vielfachen Doppelleistungen keinerlei Ermüdung spüͤren ließ, noch zu der Wiederholung des bereits erwähnten Liedes „Abendreih'n“ veranlaßte. Die vortheilhaft bekannte Pianistin Frau Margarethe Stern unterstützte das Concert durch den Vortrag der C-dur-Phantasie von Schumann und einiger kleinerer Stücke von Scarlatti, Paderewski und Lisst. Der reiche Beifall bewog die Künstlerin, das graziöse Capriccio von Scarlatti zu wiederholen.
Der Verein zur Veranstaltung von Muster⸗Militär Concerten wird seine zweite Aufführung bereits am Sonntag den 8. Dezember, Mittags 12 Uhr, in den Räumen des Victoria⸗ Theaters haben, und zwar werden dabei mitwirken die Musikcorps des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2, des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 1 und des Garde⸗Kürassier⸗ Regiments unter Leitung der Königlichen Stabshoboisten John und Jänisch, sowie des Königlichen Stabstrompeters Ruth. Das Programm ist ein sehr gewähltes; u. A. gelangt „Die Schlacht bei Leipzig“ von Wilhelm Wieprecht zur Aufführung. Eintrittskarten werden bereits von heute ab zu ermäßigten Preisen an der Kasse des Victoria⸗Theaters, in der Hof⸗Musikalienhandlung von Weinholtz (Kochstr. 62), der Trautwein'schen Musikalienhandlung (Leipziger⸗ straße 8) und im Bureau der „Deutschen Militär⸗Musiker⸗Zeitung“ (Dessauerstr. 32) ausgegeben.
Mannigfaltiges. Offizieller Jagd⸗Rapport.
Die am Sonnabend, den 30. v. M., im Fürstenwald bei Ohlau abgehaltene Hofjagd war zwar vom schönsten
Wetter — hellem Sonnenschein und 3 Grad Kälte — be⸗
günstigt, durch den frisch gefallenen Schnee aber doch sehr