Abg. Freiherr von Ow: Es wird immer so dargestellt, als ob Diejenigen, welche die Schutzpolitik vertreten, in erster Linie und einseitig für die Interessen des Großgrundbesitzes kämpfen. Da diese Behauptung immer wieder ins Land ge⸗ schleudert wird, muß ich als Süddeutscher energisch dagegen protestiren. Auch ich habe die badische Enquete gelesen, aber ganz andere Schlüsse daraus zu ziehen vermocht. Ich bedaure, daß viele Kollegen so wenig mit den wirklichen Verhältnissen des ganzen Vaterlandes bekannt sind, und wüuüͤnschte deshalb, daß die alten Freikartenverhältnisse wieder eingeführt würden. Ich selbst habe diese Freikarte dazu benutzt, um auch den Nordosten Deutschlands kennen zu lernen, und meine Erfahrungen so zu bereichern. Ein solcher Austausch zwischen Nord⸗ und Süddeutschland würde in vieler Beziehung sehr vortheilhaft sein. — In Süd⸗ und Mitteldeutschland ist von einem Großgrundbesitz wenig die Rede. Wir können deshalb
nchf⸗ ine Mereffeies Mrtreten. *9ns wer berne vene treten bei unserer Schutzzollpolitik, sind die Interessen des kleinen und mittleren Bauernstandes. Unsere Wähler im Süden wissen das sehr wohl! Eine Beseitigung der Schutz⸗ zölle würde den Ruin des süddeutschen Bauernstandes bedeuten. Daß, wie selbst in meinem Bezirke, einzelne Bauern Getreide kaufen, ist noch kein Grund gegen die landwirthschaftlichen Zölle, denn diese Bauern bauen dafür desto mehr Gerste, Hafer, Handelsgewächse und treiben Viehzucht. Alle diese Produktions⸗ arten schützen die Zölle. Würden freisinnige Abgeordnete, wie der Abg. Rickert, ihre Angriffe gegen die Zölle in unseren Wahlkreisen wiederholen, so wäre das eine Gewähr dafür, daß sie nächstens noch in geringerer Zahl hier wiederkehren werden.
Abg. von Fischer: Ich muß dem Abg. von Omw voll⸗ säändig Recht geben, obwohl ich von dem Verdacht, Großgrund⸗ besitzer zu sein, vollständig frei bin. Gerade in jenen Gegenden, wo der kleine und mittlere Bauer ausschlaggebend ist, ist der Ruf nach den Getreidezöllen, nach einem festen Schutz der landwirthschaftlichen Arbeit, seit Jahren erschollen. Hr. Kröber schüttelt den Kopf: er hat die Wahrheit meines Wortes doch an seinem eigenen Leibe erfahren können, denn die württembergischen Bauern kennen ihre Interessen ebenso gut, wie die bayerischen. Der Abg. Hoffmann will aus seinen Zahlen die schädliche Wirkung der Ge⸗ treidezölle erkennen können. Mir ist aus seinen Zahlen
r eins klar: daß weniger gute Ernten die Getreidepreise steigern. Ueberrascht hat mich diese Wahrnehmung allerdings
nicht, denn sie ist durchaus nicht neu. Wir haben Zeiten in Deutschland gehabt, wo ohne Getreidezölle die Preise höher standen wie gegenwärtig. Die deutsche Landwirthschaft ist überwiegend auf den Getreidebau angewiesen. Was soll aus ihr werden ohne den nothwendigen Schutz? Auch die mittleren und kleineren Städte würden bei dem Niedergange der Land⸗ wirthschaft empfindlich zu leiden haben. Obgleich ich einer Stadt geboren bin, thut es mir immer
id, wenn ich die Frage lediglich „vom Stand⸗ punkt eines Städtebewohners beurtheilen höre; als ob nicht alle Klassen Mitglieder einer großen Familie, sondern getrennte Heerhaufen wären. Auch der Abg. Rickert wird zu⸗ geben müssen, daß meine Meinung mehr und mehr diejenige
uf Handel wie Gewerbe zu unden hat, wie in den 60 er hr viel höher war als jetzt. mel's, daß die Getreidezölle nur eine Steige⸗ begründet. Er hat über⸗ bestimmte Arbeit ver⸗ n, in dem er sich diese 800 ℳ, die s in Anrechnung gebracht sind, Sie sind lediglich eine nem Sumpf fruchtbaren Broemel an der Hand nachweisen, dem Preise, den bekommen, ie und ihre Vorfahren hineingesteckt
selgi drunabeüug. rd gewiß au Ich möchte ihn bitten, der letzten zehn überzeugt, Zinsfuß herausbekommen hat, Landwirthe
Königsberg sich sowohl in Bezug a keiner Zeit in so günstiger Lage bef Jahren, in denen der
ie Auffassung Broe rung der Grundrente erzwingen sollen,ist un sehen, daß der Grund und Boden eine hn in den Stand zu bringe Es ist durchaus irrig,
Getreidepreis se
ursacht hat, um i gegenwärtig befindet. für den Preis des Weizenbaue als Grundrente ansehen zu wollen. Entschädigung für die Arbeit, aus ei Boden zu machen. Ich will dem Abg. des Kaufvertrages und der daß fast alle Grundbesitzer in Ostpreußen in ihren Grund wiederbekommen, was sie er und tüchtiger Mann wi tiger hervorragender Landwirth sein.
einmal die Jahresabschlüsse vorzulegen; ich landesüblicher großen Mehrzahl an Tüchtigkeit erreicht wird. Abg. Broemel dasselbe gefallen lassen, in größeres Ge⸗ daß man lange auf die Kon⸗ lang einen höheren elbe auf dem Weltmarkt war.Man städtischen Arbeiter hingewiesen; unsere Arbeiter in den östlichen Provinzen sind als die städtischen, die zusammen⸗ Die Landarbeiter bei materiell besser da als die Stadt⸗ sondern den Real⸗
Versicherungspolice
hervorragend
Reichstage annähernd den
nicht annähernd meinte, die Grundbesitzer müßten sich wie die Kapitalisten. schenk dadurch gemacht worden, vertirung verzichtete, Zinsfuß gab als ders hat auf die Lage der landwirthschaftlichen doch noch immer besser daran, gepfercht in engen Räum Osten stehen auch arbeiter, wenn man nicht den Geldlohn, in Betracht zieht. (Ruf links: Auswanderung!) deshalb in die großen Städte aus, weil sie dort größere Vergnügungen erwarten. Wie die des Getreidebaues ein ganzes Land ruinirt, wirthschaftlich und Irlands, wo in wenigen Jahr⸗ S auf 5 Millionen zurückgegangen r Landwirthschaft kein anderes nken kein anderes
Den Kapitalisten ist e
was ihnen Jahre
en wohnen.
Leute wandern nur
politisch, zeigt das Beispiel zehnten die Bevölkerung von Da es gegen den Ruin de Mittel giebt und auch die Herren von de Mittel angeben können, so bleibt uns nichts Anderes als die Getreidezölle aufrecht zu erhalten.
Abg. Wenzel: anschließen, obwohl ich in poli Vielleicht gewinnt mein Urtheil bin für die Getreidezölle, weil die Noth nem Wahlkreise, sie 1 süddeutschen seine Wähler schüchtern äßige Getreidezölle eintreten solle, sondern für unmäßige Ge⸗ die Arbeiter mit den Zöllen hr Arbeit be⸗
Ich kann mich dem Abg. von Fischer nur tischer Beziehung ihm nicht nahestehe. dadurch nur an Beweiskraft. gerade der kleinen Bauern, speziell in meir gebieterisch erheischt. Wahlkreise ein Reichstagskandidat fragte, ob er für m ihm zugerufen, nicht für mäßige, treidezölle. Ich glaube, daß auch einverstanden sein können, wenn sie nur me
Als einmal
der großen Mehrheit des deutschen Volks geworden ist. Dar⸗
über freue ich mich. Es ist allerdings schon viel dadurch ver⸗
loren, daß jene Meinung nicht rechtzeitig durchgedrungen ist. Sie werden den Kampf gegen die Zölle fortsetzen. Ich glaube aber nicht, daß es Ihnen gelingen wird, die Stimmung des Landes wieder ins Gegentheil umzukehren. Die Leute draußen sind in den letzten Jahren unendlich viel klüger geworden, und auch der Bauer weiß bei uns, daß seine Interessen und die des Großgrundbesitzes identisch sind. Heute läßt sich der Bauer nicht mehr dadurch scheu machen, daß man ihm sagt, der Großgrundbesitzer hat zwar dieselben Interessen wie Du, er ist aber Dein Feind, also mußt Du auch Deine Sache zurücksetzen. Früher ist das gelungen, heute geht das nicht mehr. Wenn man der Landwirthschaft den Uebergang zu anderen Betrieben, auch zur Viehzucht räth, so sucht man auf der anderen Seite sofort wieder, sobald die Landwirth⸗ schaft Miene macht, dazu überzugehen, die Viehzölle abzu⸗ schaffen. Dem Abg. Kröber möchte ich rathen, seinen Einfluß doch dahin geltend zu machen, daß die Industriearbeiter besser gelohnt werden. Auch mein Bemühen wird es sein, die Arbeiter an dem Schutz der nationalen Arbeit und seinen Segnungen theilnehmen zu lassen; aber daß man, um ihre Verhältnisse zu bessern, die Hälfte der Nation, die Landwirth⸗ schaft, zu Grunde richtet, dazu bin ich nicht bereit.
Abg. Broemel: Auch von uns wird Niemand mit⸗ heilfen, die deutsche Landwirthschaft zu Grunde zu richten. Die Interessen des landwirthschaftlichen Betriebes sind aber keineswegs identisch mit denen des Großgrundbesitzes. Man hat den Werth des Grund und Bodens mit enormen Be⸗ trägen in die Produktionskosten eingestellt, und zwar in Holstein den Werth des Weizenbodens mit 800 ℳ pro Morgen, den Werth des Roggenbodens mit 600 ℳ und den des Hafer⸗ bodens mit 700 ℳ Nun ist die Berechnung derartig auf⸗ gestellt worden, daß die Rente des Grund und Bodens als solche von den gesammten Produktionskosten bei Weizen einen Zuschlag von 40 Proz. ausmacht. Für Roggen ist sogar ein solcher Zuschlag von 48 Proz. gemacht worden. Nur auf diese Weise konnte man zu solchen Produktionsziffern kommen. Die Getreide⸗ zölle haben also die Tendenz, die Grundrente wieder zu steigern, und aus der Mitte der Herren Agrarier ist auch offen aner⸗ kannt worden, daß sie ein Recht auf Rente haben. Dem gegenüber muß daran erinnert werden, daß der Grundbesitz ebenso wie das Kapital die wechselnden Chancen des Ertrages tragen muß. Von den 60er bis 70er Jahren ist der Werth
der Grundstücke enorm gestiegen; mit der Verbesserung der Transportmittel hat sich dann andererseits der Import gesteigert, und die Landwirthe müssen sich diesen Niedergang ihres Gewinnes ebenso gefallen lassen, wie das immobile Kapital die Reduktion des Zinsfußes von 5 Proz. auf 3 Proz. Bei dem Getreidekonsum und der Vertheuerung des Brotes handelt es sich nicht bloß um die paar Großstädte, wie der Abg. von Fischer meinte, sondern um die vielen Industrie⸗
bezirke, auf welchen die indirekte Steuer wie eine Kopfsteuer
—
lastst. Diese Belastung bekämpfen wir heute und werden sie
immer bekämpfen.
Abg. Gamp: Ein großer Theil der Landwirthe in Ost⸗
preußen ist allerdings neuerdings genöthigt gewesen, einen
Theil seines Bedarfs an Brot und Korn zu kaufen, daraus ist aber nicht der Schluß herzuleiten, daß Ostpreußen keinen Vortheil von den Getreidezöllen hat. Der. Grundbesitz ist sehr wohl vorübergehend im Stande, Brot oder selbst Getreide zu kaufen, wenn nur in den übrigen Jahren der Preis des ver⸗ kauften Getreides in Folge der Zöllk entsprechend höher gewesen ist. Dem Abg. Hoffmann wird es nicht unbekannt sein, daß
Der Titel 1 (Zölle) wird bewilligt.
Bei Titel 2 (Tabacksteuer) weist der Referent, darauf hin, daß in den letzten sich der Grundfläche nach um der vorigen Session hat der efordert, Erhebungen anstellen eranlagung und Erhebung der ie Steuersätze überhaupt. Schatzsekretär in der Kommission mit⸗ lossen, die Regierung will aber Tabackbauer wohlwollend prüfen. ögen diese Erhebungen in möglichst 180 000 Pflanzer
von Wedell⸗Malchow, drei Jahren der Tabackbau 4000 ha vermindert hat. In Reichstag die Regierung aufg zu lassen über die Form Tabacksteuer und über d hebungen sind, wie der getheilt hat, noch nicht abgesch die verschiedenen Wünsche der
Abg. Dr. Bürklin: M beschleunigtem Temp dieser Entsche und ehrlich, aber auch erfolg ind nicht Großgrundbesitzer —
Diese Er⸗
o vorgenommen werden. idung mit Ungeduld entgegen; los, müßten sich diese kleinen durch rationelle ch Fruktifizirung der neuesten ohnende Erträge aus dem Tabackbau wenn ihnen nicht
Leute — es s Ausnutzung des Bodens, Fortschritte einigermaßen Sie können nicht weiter kommen, die schon in der vorigen Session verlangten Erleichterungen zu Theil werden. Abg. Menzer: von der Regierung bald abgeschlossen und uns mitgethe Noth der Tabackbauer Besonders schädigt unseren Es handelt s mindestens ebenso großen Wichtigkeit, denn beinahe zwei Millionen Menschen Der Zoll schützt den Tabackbau nicht genü leinen Tabackbauern würden die Auf⸗ Diese Behauptung Die frühere n Baden ist so zurück⸗ bei beschäftigten Arbeiter jetzt fast alle Wir erwarten von Wünschen Wohlwollen ent⸗ aber das etwas langsame Tempo, Ich hoffe, daß das Tabackbau
Ich kann auch nur wünschen, daß die in Aussicht gestellten Erhebungen recht Denn die That eine sehr große. Tabacksbau die Konkurrenz des ich hier um eine Frage von einer wie die Kolonialfrage, sind beim Tabackbau
ist in der
Auslandes.
beschäftigt. Herr Kröber meint, die k hebung des Tabackzolls sel entspricht den thatsächlichen blühende Entwickelung gegangen, daß die da von der Sozialdemokratie ange der Regierung, s gegenbringt, wir beklagen in dem sich dieses Wohlwollen kund Tempo etwas rascher werden wird. muß wieder eine sichere, solide Grundlage gegeben werden, um ihn zum alten Wohlstande zurückzuführen. eau: Der nicht zu verkennende Niedergang ängt mit anderen Ursachen zusammen, als Nach der „Badischen Landeszeitung“ J. geht das Geschäft in Baden aber gut, Wo guter Taback gebaut wird, ist auch Die Erträg⸗
ber wünschen. Verhältnissen nicht. des Tabackbaues i
fressen sind. daß sie unseren
Dem deutschen
Abg. Duvign des Tabackbaues h allein mit der Steuer. vom 1. Dezember d. die Preise sind hoch. ein kolossaler Begeh nisse der Tabackneuer sind in, Ganz und gar zurückgegangen allerdings in Mecklenburg, überhaupt nicht zum Ta Württemberg, Hessen Elsaß⸗Lothringen sogar um 100 Proz keine Herabsetzung der mäßig vermehrt wird. diesem Augenblicke schäd herabsetzung im Interesse de mich nicht dagegen sträuben.
r danach bei guten Preisen. allerdings langsamem An⸗ ist der Tabackbau Oldenburg und Anhalt, bau eignen. Dagegen ist in Preußen, und den thüringischen Staaten und in Sachsen Die Interessenten wollen Steuer, weil sonst der Anbau über⸗ Die Erhöhung des Zolles wäre in lich. Glauben Sie, daß die Steuer⸗ s Tabackbaues liegt, so will ich Aber ich halte sie nicht im In⸗ Es wäre auch ein großer
der Steuerertrag gestiegen, .in drei Jahren.
Staatssekretär Freiherr von Maltzahn: Meine Herren! Es ist von mir bereits in der Budgetkommission
erklärt worden, daß der Beschluß des Reichstages:
die verbündeten Regierungen zu ersuchen, den mehrfach hervorgetre⸗ tenen Klagen und Wünschen von inländischen Tabackbauern gegen⸗ über, in eine Prüfung der Frage einzutreten, inwieweit eine Er⸗ leichterung der Formen der Veranlagung und Erhebung der Taback⸗ steuer, sowie der Steuersätze für Taback sich empfiehlt und das -eg dieser Untersuchung dem Reichstage baldthunlichst vor⸗ zulegen
— daß man diesem Beschluß Seitens der verbündeten Regierungen da⸗ durch gerecht geworden ist, daß die einleitenden Schritte geschehen sind. Schon vor dem Moment, wo dieser Beschluß gefaßt wurde, war von Seiten der Reichsverwaltung eine Correspondenz mit den verschiedenen Landesregierungen über die einschlägigen Fragen ein⸗ geleitet. Die sehr eingehenden Antworten der letzteren sind zum Theil erst im Laufe der neuesten Zeit eingeganzen, und es ist Daber wohl erklärlich, daß 8 ganze e. v b bs hes uß Fb i Ich bin, daber auch ü er die Ergebnisse können die Herren versichert sein. daß die Wünsche der inländischen Tabackbauer auf das Wohlwollendste geprüft werden. Denn darüber find die verbündeten Negierungen mit Ihnen einig, daß an und für sich die Erhaltung des inländischen Tabackbaues wünschenswerth ist, soweit dies mit der Besteuerung des Tabacks, wie sie in Deutschland zu Recht besteht, mit den übrigen Interessen des Landes vereinbar ist. Aber bei der Prüfung der ein⸗ zelnen Fragen, die aufgeworfen werden, bei der Prüfung der einzelnen Wünsche, die von Seiten der Taba bauer und ihrer Vertreter im Parlament vorgebracht sind, stellten sich, wie ich nicht verhehlen will, eine sehr große Menge Schwierigkeiten heraus und e kann sehr leicht sein, daß das schließliche Resultat der augenblicklich noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen den Wünschen der Interessenten keineswegs voll entspricht. Ich will das ausdrücklich
erwähnen, damit nicht etwa durch den Gang der Diskussion und
mein Schweigen Hoffnungen erregt werden, die demnächst nicht erfüllt werden könnten. Ich will einen Punkt herausgreifen, um die
Schwierigkeiten zu zeigen.
Es wird Seitens der Interessenten vielfach, und von ihrem Stand⸗ punkt aus mit vollem Recht, ausgeführt, daß es für sie eine Härte sei, bei Beschädigungen durch Naturereignisse zwar für den ganz ver⸗ nichteten Taback Steuererlaß zu bekommen, aber nicht für den in seinem Werth verminderten Taback. Nun liegt die Sache nicht etwa so, daß jede partielle Schädigung durch Hagelschlag nicht berücksichtigt würde, fondern, soweit der Hagel einen Theil der Tabackernte vernichtet hat, erfolgt ein Nachlaß der Steuer. Es geht aber der Wunsch der Interessenten dahin, daß auch der nicht im Gewicht der demnächst grernteten Blätter sich ausdrückende Schade, den sie durch Hagel erlitten haben, ihnen bei der Steuer zurückgerechnet werden müßte. Das ist aber etwas, was bei der bestehenden Gewichtssteuer schwer ausführbar, vielleicht undurchführbar ist. Wer soll die Werthverminderung abschätzen? Und dann unterliegt doch der Taback, er mag gebaut werden, wo er will, immer derselben Steuer nach dem Gewicht, und der Taback des Pfälzer Landes, selbst wenn er durch Hagel geschädigt ist, ist oft noch mehr werth, als der nicht verhagelte Taback eines ostpreußischen oder schlesischen Distrikts, der zum Tabackbau nach Klima und Lage nicht so geeignet ist, als die Pfalz. Ich will an diesem Beispiele nur zeigen, daß es wirklich in der Sache liegende Schwierigkeiten sind, die den Abschluß der Er⸗ zrterungen bisher aufgehalten haben und die vielleicht der Bewilligung eines Theils der Wünsche entgegentreten.
Ein Gesichtspunkt darf ja von den verbündeten Regierungen nicht außer Augen gelassen werden, daß der inländische Taback in unserem Etat mit 10 Millionen figurirt und daß wir Alles zu vermeiden haben, was diese für das Reich nothwendige Einnahme wesentlich vermindert. 1
Nun komme ich noch mit einem Wort auf die Frage des an⸗ eblichen Rückgangs des inländischen Tabackbaus. Es ist angeführt
im Jahre 1889/90 etwa nur 17 000 ha in Deutschland mi
ack bebaut seien, und es ist gesagt worden, das sei di
igste Zahl, die wir überhaupt bisber gehabt haben. Dies
gehört allerdings mit zu den niedrigsten, aber wir habe
geringe Anbauflächen gehabt in den Jahren 1879/80 un
8. Es bewegen sich überhaupt, wenn man bis auf das Jahr 1871/72 zurückgeht, nach den Zahlen, die mir vorliegen, die Größe der Anbauflächen zwischen rund 17 000 hs und 30 000 hs im Jahre 1873. Wenn ich aber von den beiden Jahren 1872 und 1881 absehe, so sind nicht über 24⸗ bis 25 000 hs und nickt unter 17 000 ha bis jetzt bebaut worden; in den einzelnen Jahren hat die Sache aber immer geschwankt. Di augenblickliche günstige Konjunktur für den Tabackbauer — es ist mi in den letzten Tagen aus der Uckermark mitgetheilt, daß dort dem kleinen Tabackbauer Preise gezahlt werden, die fast doppelt so hoch sind als im Vorjahre — wird wahrscheinlich den Erfolg haben, daß im nächsten Jahre wieder eine größere Anbaufläche erscheint. Ich will daraus nur das folgern, daß man nicht aus der angeblichen Ver⸗ ringerung der Anbaufläche in Deutschland einen zwingenden Schluß darauf ziehen kann, daß der Tabackbau nicht mehr lohnt; im Gegen⸗ theil, die Korrespondenz mit den verbündeten Regierunzen hat mich wenigstens zu der Ueberzeugung gebracht, daß zur Zeit auch unter den jetzigen Verhältnissen in Deutschland der Tabackbau in den allermeisten Fällen, wenn auch nicht voll so lukrativ wie früher, doch immer noch lohnend ist, und ich glaube, namentlich in der gesegneten Pfalz und anderen gut gelegenen süddeutschen Gebieten wird man zur Zeit noch nicht annehmen können, daß der Tabackbau dem Untergang ent⸗ gegengeht. 8
Ich will Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, und hiermit meine Ausführungen für heute schließen.
Um 51 ¼ Uhr wird die Fortsetzung der Berathung auf Montag 12 Uhr vertagt.
Vorbereitungen für die Wahlen. ““
In der sozialdemokratischen Berliner „Volkstribüne“ wird im Gegensatz zu verschiedenen Parteibeschlüssen verkündigt: „Zwar habe der St. Gallener Kongreß den Sozialdemo⸗ kraten bei Stichwahlen gegnerischer Parteien Wahlenthaltung vorgeschrieben, aber falls sich der Deutschfreisinn zu energischem Handeln aufschwinge, würde er allerdings auf die Unterstützung der Sozialdemokraten zu rechnen haben. Denn wie schon Marx 1877 ausgeführt hätte, sei es die Aufgabe der Proletarier, alle radikalen Bewegungen na Möglichkeit zu unterstützen.“ .
In Braunschweig hat der freisinnige Verein, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, den von den Nationalliberalen angebotenen Kompromiß, den Stadtrath Retemeyer wieder als gemeinsamen Kandidaten für die nächste Reichstagswahl auf⸗ zustellen, abgelehnt. Der Vorsitzende des Vereins und eine Anzahl Mitglieder waren nachdrücklich für den Kompromiß eingetreten und hatten darauf hingewiesen, daß dessen Ab⸗ lehnung nur zur Wahl eines Sozialdemokraten führen werde — vergeblich, mit zwei Drittel Mehrheit wurde der Kompromiß abgelehnt.
An Stelle des Abg. Freiherrn von Hammerstein, welcher ein Mandat nicht wieder annehmen will, werden die Konser⸗ vativen im Kreise Stolp, der „N. Pr. Ztg.“, zufolge den Staats⸗Minister von Puttkamer als Reichstags⸗Kandidaten
tetesse des Tabackbaues liege
pekuniärer Schaden für 1 Reich.
aufstellen.
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Hannover, 8. Dezember. (W. T. B.) Die heu stattgehabte 111 der — artei verlief unter sehr lebhafter Betheiligung. Der Vize⸗ räsident des Reichstages, Dr. Buhl, sprach über die nanzielle Lage des Reichs, die Steuergesetzgebung, das Sozialistengesetz und die Arbeitergesetzgebung; sodann be⸗ rührte der Redner noch kurz die Koloralpoltät. Besonders lebhaften Beifall fanden die Ausführungen über die Sicherung der Militärkraft, die Erneuerung des Kartells und die Kolonial⸗ politik. Der Landtags⸗Abgeordnete Dr. Sattler erörterte die Aufgaben der nationalliberalen Partei im Wahlkampf. Zum Schlusse brachte der Ober⸗Bürgermeister Lauenstein ein
Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus, in welches die 8 11.“
Versammlung begeistert einstimmte.
Der „Düsseldorfer Anzeiger“ begrüßt die Er⸗ neuerung des Kartells mit folgender Betrachtung: „‚Die drei nationalen Parteien, die sich zum ersten Mal zu ge⸗ meinsamem Vorgehen bei den Reichstagswahlen im Januar 1887 zusammenthaten, haben soeben für die bevorstehenden Wahlen ihr Kartell erneuert. War es damals ausgesprochener Zweck, das durch die Opposition in Frage gestellte Septennat zu retten, so wird in der jetzigen gemeinsamen Erklärung in erster Linie die „Aufrecht⸗ erhaltung des Besitzstandes“ empfohlen. 8 Es liegt auf der Hand, daß mit dieser Empfehlung nicht ein Zweck selbst, sondern nur ein Mittel zu einem höherem Zweck gegeben ist. In der oppositionellen Presse hat man an die „Aufrechterhaltung des Besitzstandes“ Glossen über die angebliche Angst der Kartell⸗ parteien, aus ihrem Besitzstande verdrängt zu werden, geknüpft und man stellt es so dar, als ob auf dieser Seite nichts Anderes treibende Kraft habe, als der Gedanke der Selbsterhaltung. Das ist offenbar im höchsten Grade verkehrt. Wenn jemals Parteien, trotz ihres Unterschieds, sich gemeinsam von höheren idealen Zielen haben leiten lassen, so ist dies gerade jetzt der Fall, wo ein so greifbares Objekt, wie es vor drei Jahren das Septennat war, nicht vorhanden ist. Die Hingabe an Kaiser und Reich, das Eintreteng für die bisberigen Wege der staatlichen Ent⸗ wickelung haben sie in den letzten Jahren stets zusammengeführt wo es galt, die Interessen des Vaterlandes wirksam zu för⸗ dern. Aus dieser gemeinsamen Arbeit ist die Ueber⸗ jeugung von der Nothwendigkeit auch ferneren gemein⸗ samen Zusammengehens ermachsen, und wenn sie jetzt das Kartell „zur Aufrechterhaltung des Besitzstandes“ erneuert haben, so legen sie damit Bekenntniß ab von der Nothwendigkeit, auch ferner bei den Wabhlen für die Eüter einzutreten, für welche sie im Reichstage Schulter an Schulter gekämpft haben. Daß das gemeinsame Ziel nur erreicht werden kann, wenn es den Parteien gelingt, ihren Besitz⸗ stand zu bewahren, liegt auf der Hand. 1 8 Die Erneuerung des Kartells wird im Lande um so freudiger begrüßt werden, als darin eine schöne Harmonie mit den Ueber⸗ zeugungen und Auffassungen zu Tage tritt, welche vor zwei Mona⸗ ten (am 2. Oktober) von Allerhöchster Stelle durch den „Reichs⸗
gzeiger“* „dgeb⸗ 25 D bjsß 5 Anzeiger“ kundgegebe worden. Dort hieß es, der Kaiser
sehe in der Verständigung und gegenseitigen Schonung der staatserhaltenden Parteien untereinander eine für unser parla⸗ mentarisches Leben sachlich nützliche Einrichtung, und speziell in dem Kartell erblicke der Kaiser eine den Grundsätzen seiner Regierung entsprechende politische Gestaltung. Wie diese Ueberzeugungen unseres Kaisers auf der Beobachtung von dem fruchtbringenden Zusammen⸗ wirken der drei Parteien beruhten, so haben diese Parteien ihrerseits aus der Vergangenheit auch nur die ganz selbstverständlichen Kon⸗ sequenzen gezogen. Die innere Wahrheit der wirklichen Verhältnisse hat sich Bahn gebrochen und sie wird auch den Sieg erringen.
„Wie man weiß, hat es an Versuchen, das Kartell zu hinter⸗ treiben, nicht gefehlt. Nicht nur, daß die gemeinsamen Gegner alle ihre Anstrengungen auch jetzt noch darauf richten, es zu sprengen und zu vernichten, es haben auch Elemente, welche sich zum Kartell gehörig betrachten, daran gearbeitet, seine Fortsetzung und Erneuerung un⸗ möglich zu machen. Aber diese Elemente waren doch nur Zeitungen welche Politik auf eigene Faust trieben, und noch heute kann man die Beobachtung maben, daß einzelne Zeitungen sich bemühen, dem Kartell Deutungen und Bedingungen unterzulegen, welche, wenn sie wirklich etwas zu bedeuten hätten, die Gefahr ernster Verwickelung in sich enthielten. Alle diese Preßkundgebungen aber erblassen vor der gemeinsamen Erklärung der drei Partei⸗ vorstände, welche zugleich den schlagendsten Beweis dafür liefert aß jenen Preßstreitigkeiten keine Bedeutung beige⸗ wohnt hat. Aber sie wird hoffentlich auch davor warnen, fernere Zeitungserörterungen, welche an dem Kartell hberumzumäkeln sich bemühen, zu überschätzen. Für die Wähler darf fortan die Einigkeit der drei nationalen Parteien in allen großen Hauptfragen unumstößlich feststehen, und ebenso die Ge⸗ wißheit, daß sich allein auf dieser Grundlage ein fruchtbringendes Zu⸗ sammenwirken des Parlaments mit der Regierung unseres Kaisers ermöglichen lassen wird“ 8
Von süddeutschen Stimmen führen wir diejenige des „Schwäbischen Merkurs“ an, welcher schreibt:
Der neue Abschluß bedeutet, daß das Kartell von 1887 sich nach jeder Richtung bewährt hat. Die verbündeten Parteien haben nach fast dreijährigem Bestehen ihres Verhältnisses gefunden, daß dasselbe der großen Sache wie ihnen selbst von Vortheil gewesen ist. Sie hoffen, bei den bevorstehenden Neuwahlen in diesem Zeichen ebenso sicher und glänzend zu siegen, wie vor drei Jahren. Daß dies ge⸗ schebe, dazu gehört aber nicht bloß der Bluchstabe, sondern auch der Geist des Kartells. Und dieser wird sich finden, und mächtig wird er in die Segel des Schiffes blasen, das verschiedene Mannschaft, aber nur die eine nationale Flagge trägt. Dazu werden uns unsere Gegner helfen, denen die Grüͤnde ausgegangen sind und welche dafür im kommenden Wahl⸗ kampfe rvoraussichtlich mehr als je die geheime Minirarbeit anwenden werden. Solche Arbeit ist gefährlich, und dagegen hilft nur treues Zusammenstehen der Verbündeten. Wird der Boden unter einem Kandidaten des Kartells abgebröckelt, so muß Ersatz aus den verbündeten Reihen den Schaden bessern. Die Gegner haben unter sich nichts weniger als ein geschlossenes Kartell, vor der Hand sogar den offenen Krieg. Aber wenn es dann einmal entscheidend gegen uns geht, wird man sie, wie immer, über⸗ raschend einig finden, wenn auch ihr Abkommen ganz geheim bleiben, oder überhaupt nur aus dem natürlichen Triebe des Hasses wie von selbst, ohne formellen Abschluß hervorgehen wird. — An dem Kartell ist seit seinem Bestehen hie und da einmal von seinem Innern aus gerüttelt worden. Das ist unvermeidlich, wo so verschiedene Geister 2b. Einen Hut gebracht sind. Aber immer wieder überwog die ssere Einsicht, und jetzt hat sie zu dem neuen Abschluß geführt. auch nicht ein Verhältniß erneuern, für das die stärksten 3 ünde sprechen? Eine Sache muß ja gut sein, die so von den Fegnern angefeindet wird, wie diese.“
—
Statistik und Volkswirthschaft.
“ Zur Arbeiterbewegung. 8 Der Vorstand des bergbaulichen Vereins des Ober⸗ 8e:st e bis ef⸗ „Dernn 181” in seiner Sitzung am en wie die „Rheinisch⸗Westfälis 1 8 eee Reülubn. heinisch⸗Westfälische Zeitung“ meldet,
Ausdruck „Sperre“ die Entlassung widersetzlicher und aufsässiger Bergleute von der Arbeit auf einzelnen Zechen gemeint sei, irgend welcher Grund zu einer allgemeinen Beschwerde nicht vor⸗ liege. Soweit unter jenem Ausdruck „Sperre“ dagegen eine Beschränkung von einer Grube abkehrender Bergleute, in der freien Wahl, sich Arbeit auf anderen Gruben zu suchen verstanden werde, stellt der Vorstand einstimmig fest, daß eine solche Maßregel, wie sie bisher bestanden haben sollte, lnicht mehr geboten sei, und beschloß derselbe, die sämmtlichen Zechen des Ober⸗Bergamtsbezirks Dortmund zur Aufhebung entgegen⸗ EEEE““ aufzufordern, damit lde Be⸗ ränkung der Zechenverwaltun 1 Uebl 441 gen bei der Annahme von Arbeitern IFm späteren Verlauf der Sitzung erschienen die Ober⸗Präsidenten der Rheinprovinz und von Westfalen, sowie der Berghauptmann des Ober⸗Bergamtsbezirks und die Präsidenten der Regierungen zu Düssel⸗ dorf und Arnsberg. Der Ober⸗Präsident Freiherr von Berlepsch erklärte, nachdem er von den Beschlüssen des Vorstandes Kenntniß genom⸗ men hatte, Folgendes: „Nachdem der Vorstand beschlossen hat, den Zechen die
* Tesben en saa eeSSeremnerarben, redie ecmeeroder
Essener Zechen, gemäß der Erklärung des Hrn. Direktors Krabler sich mit diesem Beschluß einverstanden erklärt haben werde ich den Vertretern der Bergarbeiter, Fischer, Margraf und Boll⸗ mann, noch heute Abend oder morgen früh von diesen Beschluͤssen Kenntniß geben, und ihnen dabei eröffnen, daß wenn die Bergleute des Essener Reriers, trotz dieser Erklärung den Strike beschließen würden, sie sich jeder Sympathie der Regierungsbehörden begeben würden“ — Der Ober⸗Präsident von Westfalen schlos sich dieser Erklärung in Bezug auf die Bergleute Westfalens an. Die
Dortmund eine Konferenz mit den Delegirten der Bergarbeiter.
ungefähr 4000 Bergarbeitern besuchte Versammlung statt, die dem „W. T. B.“ zufolge einen sehr erregten Verlauf nahm. Unter An⸗ deren sprachen Bunte, Schröder, Siegel, Brodam, Dickmann und Bauer. Während der Versammlung lief eine Depesche ein vom Ober⸗Präsidenten Studt, sowie von dem Landrath von Dortmund, dahin lautend: „Die Vertretungen der Essener Zechen haben die Sperre aufgehoben. Der Vereins⸗ vorstand beschloß einstimmig, die übrigen Zechen zu einem gleichen Entschluß aufzufordern, und zweifelt nicht an der Annahme.“ Diese wurde von der Bergarbeiter⸗Versammlung mit einem leb⸗ aften Braro aufgenommen. Nach einer weiteren Debatte beschloß die Versammlung bis zum 15. Dezember die Antwort der Grubenbesitzer, ob überall die Sperre aufgehoben ist abzu⸗ warten. Die Versammlung ging hierauf ruhig auseinander. Bei der gestern in Essen stattgehabten, von etwa 5000 Berg
arbeitern besuchten Versammlung wurde ebenfalls beschlossen, 8 zu warten, ob die Arbeitersperre wirklich in j Hinsicht aufgehoben würde. Im Laufe der Debatte w namentlich die Nothwendigkeit des Zusammengehens mit den übrigen Revieren betont. 8 1 8 Eine in Gelsenkirchen gestern stattgebabte, von 3000 Per⸗ sonen besuchte Bergarbeiter⸗Versammlung trat den Beschlüssen der in Dortmund stattgehabten Versammlung gleichfalls bei.
„Die Magd. Ztg.“ schreibt: Die Idee des
digen Arbeitstags ist kaum angeregt und sie von den „fortgeschritteneren Arbeitern⸗ für unzureichend erklärt. In zwei Versammlungen, die von gewerblichen Hülfsarbeitern und Maurern in Berlin abgehalten wurden, wurde erklärt, daß der achtstündige Arbeitstag auf die Dauer nicht haltbar sei und bald kinem kürzeren werde weichen müssen. Die Verringerung der Arbeitszeit müsse erfolgen, sobald sich Arbeitslosigkeit bemerkbar mache.
In Mannheim hat sich, wie die „Karlsr. Ztg.“ mittheilt, vor Kurzem ein nationaler Arbeiterverein gebildet, dessen Wirk⸗ samkeit sich gegen die in die Arbeiterkreise hineingetragene sozialdemo⸗ kratische Agitation richten soll. 1 Ueber einen Gasarbeiter⸗Strike in England berichtet die „A. C.“ aus London: Beide Parteien, die South Metropolitan Gasgesellschaft und deren Heizer und Kohlenträger, treffen jetzt ihre Vorbereitungen für den am nächsten Freitag in aller Form zu eröffnenden sozialen Krieg. Die Gesellschaft laßt Baracken zur Unterbringung und Sicherung der neuen Arbeiter bauen, und schon jetzt patrouilliren Mitglieder des Gewerkvereins die verschiedenen Stationen der Gesellschaft ab, um neuen Zuzug zu ver⸗ hindern. — Manchester und Salford spürten schon am vorigen
der dortigen Gasfabriken. Die Anstalten gaben nur die Hälfte der sonstigen Menge Gas ab. — Einem Telegramm des „W. T. B.“ zufolge war infolge des usstandes der Heizer am Sonn⸗ abend in Manchester eine große Anzahl Fabriken ohne Licht und die Arbeit in denselben unterbrochen. Die Bewohner der meisten Privathäuser waren genöthigt, sich zur Beleuchtung der Lampen und Kerzen zu bedienen. Diese Störung wurde dadurch noch beträchtlich vermehrt, daß dichter Nebel herrschte.
Literatur.
Die glückliche Rückkehr der so lange verschollen gewesenen Helden der Afrikaforschung, Emin Pascha und Stanley, wird die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Schriften lenken. Ein Hinweis auf dieselben dürfte deshalb gegenwärtig willkommen sein. Emin Pascha's Name ist seit wenigen Jahren in Aller Mund; was er aber unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen in der Aequa⸗ orialprovinz als Gouverneur und als Forscher geleister, ist erst durch das von seinen Freunden Schweinfurth und Ratzel herausgegebene Werk „Emin Pascha. Eine Sammlung von Reisebriefen und Be⸗ richten Dr. Emin Pascha's“ in weitern Kreisen bekannt geworden. In diesen Schilderungen voll frischer Ursprünglichkeit und plasti⸗ scher Darstellungskraft ist dem deutschen Volke ein großer Schbtz aufgethan; sie tragen die Züge eines echt deutschen Charak⸗ ters, eines Mannes von treuester, heldenmüthiger Pflichterfüllung, eines „Kulturapostels“ im edelsten Sinne. Emin Pascha's kühner Befreier, H. M. Stanley, ist dem deutschen Publikum aus seinen drei Werken seit Langem bekannt. Wer sich rasch über seine wichtigste Reise orientiren will, findet eine anziebende Schilde⸗ rung derselben in dem Volksbuche „H. M. Stanley's Reise durch den dunklen Welttheil. Nach Stanley's Berichten für weitere Kreise bearbeitet von Berth. Volz“, welches bereits in 4. Auflage vorliegt. Die meisten Leser dieser Schrift werden dann aber nach den von Stanley selbst geschriebenen drei Werken verlangen. Das erste der⸗ selben betrifft die Aufsuchung und Auffindung Livingstone's. Wie er zu diesem Zwecke kurz entschlossen Afrika betrat, wie er seinen ersten Erfolg errang und der Welt die Nachricht brachte, daß Livingstone noch lebe, schildert Stanley in dem Werke „Wie ich Livingstone fand.“ Von da an hat ihn das Glück nicht mehr verlassen. Er stellte die seit zwei Jahrtausenden gesuchten Nilauellen fest und erschloß der Kultur durch seine abenteuerreiche Fahrt auf dem Congo das Herz Afrikas; sein zweites Werk „Durch den dunklen Welttheil“ bringt diese Er⸗ lebnisse und Entdeckungen zu lebendiger Darstellung. An die Ent⸗ deckung des mächtigen Stromes reihte sich als Stanley's nächster Schritt die Gründung des freien Congo⸗Staates, dessen Bedeutung im Anschluß an die wissenschaftliche Beschreibung seines an natür⸗ lichen Hülfsmitteln reichen Gebiets Stanley selbst in unparteiischer Weise in seinem Werke „Der Congo und die Gründung des Congo⸗ staates. Arbeit und Forschung“ kennen lehrt. Zahlreiche Abbildungen und Karten erläutern den Text in allen genannten Stanley⸗Werken, die gleich dem Werke Emin Pascha's im Verlage von F. A. Brock⸗ haus in Leipzig erschienen sind und sicherlich vielfach den diesjährigen Weihnachtstisch schmücken werden. —, Koloniales Jahrbuch. Herausgegeben von Gustav Meinecke. Zweiter Jahrgang. Mit 7 Karten. Carl Heymann'’s Verlag, Berlin. — Der vorliegende Jahrgang bringt wie der erste,
„Der Vorstand war sich darüber einig, daß, insoweit mit dem
eine Uebersicht über die einzelnen deutschen Kolonien und die in ihnen
beiden Ober⸗Praß S beiden Ober⸗Präsidenten hatten noch am Sonnabend in Essen, bezw.
In Dortmund fand nun am Sonntag eine allgemeine, von
Freitag die Wirkungen des Strikes und der Arbeitssperre der Heizer
während des Berichtsjahres stattgefundenen Vorgänge sowie eine Reihe von Artikeln, welche auf Fragen Bezug haben, die aufs Engste mit der Fortentwicklung der Kolonien zusammenhängen. Die Beschreibung der einzelnen Kolonien wird durch einige besonders gezeichnete Karten unterstützt, unter denen die des Theiles von Südwest⸗Afrika welcher die neuentdeckten Goldfelder enthält, ganz besonders hervor⸗ zuheben ist. Außerdem bringt das Jahrbuch alle auf die Kolonien hezüglichen Gesetze und Verordnungen, welche im Laufe des Jahres erschienen sind, und bildet dadurch ein werthvolles Nachschlagewerk für Alle, welche an der fortschreitenden kolonialen Bewegung Interesse nehmen. E ““ —. Reisen im Congolande. Ausgeführt im Auftrag Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland I1 Füch arh Büttner. Mit einer Karte von Dr. Richard Ringert. Leipzig G. C. Hinrichs'sche Buchhandlung. — In dem letzten Bande der „Mittheilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland“, welche sich im Januar v. J. aufgelöst hat, hat Dr Büttner bereits die wissenschaftliche Ausbeute der von ihm im Anuftrage der Gesellschaft in der Zeit vom August 1884 bis Ende April
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den Werke hat er nur eine sachgemäße Darstellung seiner Reise welche vom Congo nach San Salvador, von dort zum Quango und dann nach Stanleypol ging, gegeben. Die Auffassung der dortigen Verhältnisse ist eine sehr objektive, und es werden, im Gegensatze zu anderen Ber chten, nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Miß⸗ “ Congo⸗Unternehmens in freier und unparteiischer Weise e““ vergleichende Di⸗ Broschüre ist eine L“ ““ v hi⸗ Broschüre ist eine Entgegnung auf eine vor einiger Zeit erschie⸗
nene Schri t „Die Schäden der reitenden Artillerie und deren Be⸗ seitigung“, in welcher die Organisation dieses Theiles der Artillerie als nicht mehr jeitgemäß und der Bestimmung dieser Waffe nicht mehr entsprechend, dargestellt wurde. Der Verfasser des vorliegenden Werkes, augenscheinlich der reitenden Artillerie angehörend, tritt mit Entschiedenheit für die Beibehaltung, ja für die Vermehrung dieser Truppe ein, geht aber weiter, indem er die seiner Meinung nach bei der Artillerie vorhandenen Mängel bespricht und Vor⸗ schläge macht, wie dieselbe auf das für eine tüchtige Feld⸗ truppe erforderliche Niveau gebracht werden könne Namentlich befürwortet der Verfasser eine nähere Verbindung bez. eine Ver⸗ quickung der Feldartillerie mit der Kavallerie und macht Vorschläge wie eine bessere Berittenmachung der Offiziere der fabrenden Batterien und die Beschaffung eines besseren Pferdematerials im Falle einer Mobilmachung ohne Mehrkosten für den Staat bergestellt werden könne. Ein so umfangreicher Stoff kann nakürlich in dem engen Rahmen einer Broschüre nicht erschöpfend behandelt wenhgh immerhin aber bietet diese allen Denen, welche dem angedeuteten Stoffe Interesse schenken, mannigfache Anregungen. “ — Einleitung in das Studium der Numismatik von
H. Halke. Berlin, Verlag von F. und P. Lehmann. — Dieses 8 — . klllsg 4 ehs Denma. Dieses jett in zweiter Auflage erschienene Werk ist nicht für den eigentlichen Numismatiker und Mürzforscher geschrieben, sondern für den gebildeten Laien, welcher sich über das Wissenswertheste auf dem Gebiete der Numismatik im Allgemeinen unterrichten will, sowie für den Anfänger in dieser Wissenschaft, namentlich für den angehenden Münz⸗ sammler, dem daran liegen muß, eine Uebersicht über das ganze Gebiet der Münzkunde zu erhalten. Seinem Zweck⸗ den es vollständig erfüllt, entsprechend, ist das Werk in der knappsten Form gehalten, und in dem engen Rahmen, welchen sich der Ver⸗ fasser gesetzt hat, will und kann es keinen Anspruch auf Voll⸗ ständigkett erheben. So ist es bei der Darstellung des späteren Münzwesens des Mittelalters und der neueren Zeit vorzugsweise auf Deutschland beschränkt geblieben und berührt die übrigen Länder nur nebenbei. Dagegen sind einzelne Punkte welche streng genommen nicht in das Gebiet der eigentlichen Münzkunde gehören, sondern in das der Geldlehre, wie metrologische Fragen und Währungsverhältnisse erörtert und ein besonderes Kapitel den Münzverfälschungen gewidmet worden. Die einzelnen Theile des Stoffes sind in Parasraphen geordnet, deren jeder für sich eine selbständige Abhandlung bildet, doch sind diese so aneinandergereiht und miteinander in Verbindung gebracht, daß der Zusammenhang der Darstellung in keiner Weise gestört wird. Ein ausführliches Register erleichtert das Auffinden der einzelnen Gegenstände. Einen wesent⸗ lichen Vorzug vor der ersten Ausgabe besitzt die jetzt erschienene darin, daß ihr durch Lichtdruck hergestellte Abbildungen beigegeben sind welche durch ihre Schärfe und gelungene Ausführung vortreffich ge⸗ eignet sind, auch dem Laien eine richtige Vorstellung der Originale
(zu geben.
— Die von F. A. Brockhaus in Leipzig besorgte zweite umgearbeitete deutsche Ausgabe von Thomas Carlyle's Buch „Die französische Revolution“, auf welches wir wiederholt hingewiesen haben, liegt nunmehr vollständig vor. Die letzte, 12. Liefe⸗ rung enthält eine dankenswarthe chronologisch geordnete Uebersicht der Ereignisse von 1774 bis 1795, sowie ein sehr ausführliches alpha⸗ betisches Namen, und Sach⸗Register. Das Werk des genialen englischen Historikers erscheint in dieser Umarbeitung, welche vieles früͤher Ausgelassene wieder eingefügt hat, in verbesserter und vervoll⸗ ständigter Form; sie dürfte daher den Freunden Carlyle's und seiner originellen, packenden und unwiderstehlich fesselnden Schreibweise will⸗ kommen sein. b
— „Deutsche Denker“ und ihre Geistesschöpfungen, heraus⸗ gegeben von Adolf Hinrichsen. 6. Heft. Paul von Lilienfeld Von Dr. Otto Henne am Rhyn. Danzig, Leipzig, Wien, Carl Hinstorff's Verlagsbuchhandlung. — Lebenden deutschen Denkern „einen Denkstein zu setzen“, ist der Zweck dieses Unternehmens. So war Heft 1 Rudolf von Gneist, Heft 2 und 3 J. Frohschammer Heft 4 Ernst Luthardt, Heft 5 Ign. von Döͤllinger gewidmet. Im vorliegenden 6. Hefte wird nun nach Darbietung eines biographisch⸗ literarischen Lebensbildes das Verdienst Paul von Lilienfeld's ge⸗ würdigt. Wie überaus umfangreich das von v. Lilienfeld bebaute Gebiet ist, deutet schon eine bloße Anführung seiner Schriften an. „Grundlage der Nationalökonomie’“. — „Land und Frei⸗ heit“. — „Soziale Embryologie“. — „Soziale Pathologie“. — „Gedanken über die Sozialwissenschaft der Zukunft“. — „Soziale Physiologie“. — „Versuch einer natürlichen Theologie“ u. a., woraus gleichzeitig zu entnehmen, daß v. Lilienfeld’s Hauptverdienst speziell auf national⸗ökongmischem Gebiete liegt: u. a. ist die konkrete Auffassung des sozialen Organismus mit allen daraus entspringenden Folgerungen und Analogien, die Eintheilung der Bedürfnisse in positive, negative und neutrale, sowie die Klassifizirung der Gebrauchswerthe u. s. w sein geistiges Eigenthum. l 1
— Französisch zum Vergnügen. Sammlung französischer Anekdoten, Bonmots, Scherzfragen ꝛc. Verlag von J. B. Schorpp Leipzig. — Das Buch bietet dem Schüler des Französischen, welcher im Stande ist, einfach gehaute Sätze zu verstehen, Gelegenheit zu weiterer Fortbildung, und ist umsomehr zu empfehlen, als unbedingt anekdotenhafte Darstellungen mehr zu fesseln und zum selbständigen Weiterstudium anzuregen geeignet sind, als lange Erzählungen und Auszüge aus größeren Werken. 9
— Das Andenken Nicolaus Lenau's im deutschen Volke ist ein noch so frisches, daß jede Publikation, welche den Dichter berührt auf lebhaftes Interesse rechnen darf, umsomehr, wenn zum ersten Male Licht über die Jugendangelegenheiten des Poeten verbreitet wird. Einen derartigen Beitrag, welcher berechtigt ist, weitgehendes Aufsehen zu erregen, enthält das Dezemberheft der „Deutschen Rundschau“ unter dem Titel: „Lenau und Marie Behrends. Auf⸗ zeichnungen der Braut Lenau's und Briefe des Dichters an sie’, mitgetheilt von Paul Weisser. Marie Behrends ist vor Kurzem in Frankfurt am Main gestorben, und ihrem Nachlasse entstammen die Tagebuchblätter und Briefe, welche den intimsten Einblick in das Seelenleben Lenau's gewähren und das wichtigste Material zum Verständniß der inneren Ferrissen⸗ heit des Sängers beitragen. Nur mit tiefer Ergriffenheit kann man
die Briefe lesen, welche die hingebendste, reinste Liebe, die größte