1890 / 11 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Nachbarstaaten ziehen.

schauungen habe, als früher. Die Kommissionsberathung 38 . überzeugt, daß die Umwälzungen im Schiffs⸗ bau in der ganzen Welt die überraschende Steigerung der Marineausgaben veranlaßt haben. Als Steuerzahler be⸗ rührt uns das ebenso gut wie die Herren auf der Linken, aber die Nothwendigkeit der Ausgaben ist nachgewiesen. Von der Entwickelung des Torpedowesens erwartete man ursprüng⸗ lich eine völlige Beseitigung der Panzerschiffe; die technischen Versuche haben aber doch das abschließende Urtheil ergeben, daß die großen Panzerschiffe für keine Flotte auf die Dauer zu entbehren sind. Unsere Schiffe sind jetzt veraltet und müssen ersetzt werden. Soll man sich bei der Behaup⸗ tung des Abg. Rickert, daß unsere Küstenvertheidigung so ausgezeichnet wäre, daß wir mit der Flotte der siebziger Jahre völlig gesichert wären, beruhigen, oder sollen wir der Autorität der Männer folgen, die sich unausgesetzt

berufsmäßig mit diesen Fragen beschäftigt haben und uns

nachweisen, daß wir die Fortschritte der anderen Nationen mitmachen müssen? Wir haben schon das Aeußerste von Zeit gewartet, ehe wir mit diesen Neubauten vorgegangen sind. Wir müssen die Konsequenzen der Marineentwickelung unserer In Bezug auf die Tüchtigkeit unserer Marine stimme ich mit dem Abg. Rickert überein, aber eine Vermehrung des Marine⸗Offiziercorps ist trotzdem nöthig, sogar im finanziellen Interesse, denn der Beaufsichtigung der Marineverwaltung untersteht ein noch viel kostbareres Ma⸗ terial als beim Landheer. Gerade vom finanziellen Stand⸗ punkt begrüßen wir es mit Freude, das unsere Regierung alle Offiziersstellen voll besetzen will. Was den einen neuen PVize⸗Admiral betrifft, so halte ich Hrn. Rickert entgegen, daß wir beim Landheer auch Hunderte von Offizieren haben, im Generalstabe, die für die ganze Armee thätig sind. Der neue Vize⸗Admiral soll die Erfahrungen bei den Uebungen für die ganze Flotte nutzbar machen, deshalb muß ein älterer Offizier an die Spitze gestellt werden. Unsere Marine hat sich an der englischen Küste als ausgezeichnet erwiesen, trotz unseres jungen Marinepersonals. Hier kann die Mehrbelastung nicht ausschlaggebend sein, diese ist in der Kommission bei den einmaligen Ausgaben genügend berücksichtigt worden, indem 5 Millionen allein in diesem Etat gestrichen sind. Die Kommission hat sich nach gewissenhafter Prüfung durch die Ausführungen der Regierung überzeugen lassen. Die Geschichte Hollands zeigt uns gerade, wie traurig ein reiches und seetüchtiges Land durch falsche Sparsamkeit am falschen Orte zurückgekommen ist. Wir müssen nicht nur unsere Ost⸗ und Westgrenze schützen, sondern auch unsere Nord⸗ küste. Gott sei Dank, daß wir so weise und einsichtsvolle Staatsmänner an der Spitze Deutschlands haben. Der Hin⸗ weis des Abg. Rickert auf die Vertheuerung der Schiffs⸗ bauten ließe sich auf alle nothwendigen Staatsbauten in der steigenden Lohnbewegung anwenden. Daß die Löhne ho sind, wird der Abg. Rickert nicht als ein Unglück darstellen wollen, das ist eine erfreu⸗ liche Wahrnehmung unserer wirthschaftlichen Entwicke⸗ lung. Unter diesen Umständen kann das Volk die neuen Lasten auch leichter tragen. Die Vermehrung der Indienst⸗ stellungen ist erfreulich zu Gunsten unserer Kolonien, mit denen wir uns hoffentlich am Anfang einer Blüthezeit be⸗ finden. Unter dem Schutz unserer Marine entwickelt sich der deutsche Ausfuhrhandel, und diese Entwickelung des Handels, für den der Abg. Rickert doch immer eintritt, dient auch zur Sicherung unserer Verhältnisse. Sollen die Schiffe ihren Zweck erfüllen, müssen sie schneller laufen als früher, und diese Nothwendigkeit der größten Schnelligkeit bedingt die hohen Kosten. Diese können wir ebenso wenig sparen, wie die für das neue Pulver und die Befestigungen. Wenn wir für Jahre ein bestimmtes Marine Programm aufstellen wollten, könnten wir nicht fortschreiten. Wir würden einen schweren Fehler machen, wenn wir nicht zur rechten Zeit den anderen Nationen folgen. Mannschaften, an denen früher großer Mangel herrschte, haben wir jetzt genügend, damit muß auch die Vermehrung des Offizier⸗Corps verbunden werden. Daß die Kommission schon verschiedene Stellen gestrichen hat, bedauere ich, verzichte aber auf den Antrag, dieselben wiederherzustellen. Wir wollen dazu beitragen, Deutschland auch zur See wehrfähig zu erhalten.

Abg. Graf Behr: Von der gegnerischen Seite, haupt⸗ sächlich vom Abg. Rickert, wird die Sache immer so dargestellt, als wenn unsere Marineverwaltung jetzt ganz andere Absichten und Zwecke verfolge wie frühen, als wenn sie unsere Marine jetzt zu einer Schlachtmarine auch für den Angriff im Seekriege umwandeln will. Ich glaube, es ist Methode in diesem Vorgehen; man will das Volk auf⸗ regen und sagen: Das können wir nicht erreichen! (Unruhe links; Abg. Rickert: Das ist nicht übel! Aufregen! Ist das erlaubt?) Im vorigen Jahre, als es sich um die Schaffung der großen Schlachtschiffe handelte, wurde uns klar nachgewiesen, daß wir diese zur Vertheidigung unserer Küsten haben müßten, daß die Vertheidigung viel leichter und besser wäre, wenn diese Schiffe auch einmal einen Vorstoß gegen die feindlichen Streitkräfte machen könnten, und die Noth⸗ wendigkeit solcher Schiffe hat man auch auf der Linken durch Bewilligung eines derselben anerkannt. Unsere Marine soll also nur nach wie vor voll und ganz befähigt sein. unsere Küsten mit Erfolg zu vertheidigen. Ueber das Maß der dazu nothwendigen Ausdehnung der Marine kann man verschiedener Meinung sein. Man bedenke doch aber auch, wie viel Millionen seitdem für die Landarmee bewilligt sind, wie sich seitdem unser Handel im Auslande vermehrt und größere Veranstaltungen zu seinem Schutz durch die Marine erfordert hat. Ich wenigstens bewillige hier nichts für eine Schlachtmarine, sondern was ich für die Küstenvertheidigung für nöthig halte. Ich habe in der Kommission manche Ab⸗ striche angeregt und werde z. B. auch heute gegen den neuen Vize⸗Admiral stimmen.

Vize⸗Präsident Freiherr von Unruhe⸗Bomst: Ich habe den durch einen Zuruf des Abg. Rickert beanstandeten Ausdruck in der Rede des Grafen Behr nicht verstanden. Es ist mir aber jetzt von den Schriftführern mitgetheilt worden, daß er lautete: Man will das Volk aufregen, und da der Redner kurz vorher von der gegnerischen Seite sprach und den Namen des Abg. Rickert genannt hat, so kann ich das nicht anders auffassen, als daß er jenen Ausdruck auf den Abg. Rickert beziehen wollte. Das halte ich aber für unparlamen⸗ tarisch und muß den Grafen Behr für niese Aeußerung zur Ordnung rufen.

Abg. Dr. von Bennigsen: Als Vorsitzender der Budget⸗ Kommission bitte ich, mir auch ein paar Worte über die Kosten der Marine⸗Verwaltung zu gestatten. Nach den Anträgen der

lssion hätte ich laum erwartet, daß Hr. Rickert

einen solchen Frontalangriff gegen die ganze Vorlage machen würde, ich hatte mir vielmehr gedacht, die Kommission würde sich mit ihren Anträgen seinen besonderen Dank erwerben. Die Rücksicht auf die Finanzlage und auf die gebotene Sparsamkeit ist in der That in diesen nträgen recht weitgehend; können denn die Summen für so gering erachtet werden, wenn allein im Extraordinarium 9 Millionen abgestrichen sind, darunter rot. 7 ½ Millionen für Bau und Ausrüstung von Schiffen? Das sind doch ganz außerordentlich beträchtliche Summen. Ich bin mit dem Abg. Rickert der Meinung, daß es nicht die Aufgabe Deurschlands sein kann, eine Marine ersten Ranges zu begründen und zu erhalten. Es würden dazu auch wohl die Mittel nicht ausreichen. Aber in dem beschränkten Umfange, wie sie nöthig und in Aussicht genommen ist, kommt es doch wesent⸗ lich darauf an, daß die innere Einrichtung und Ausstattung dieser Marine so vorzüglich ist, daß sie durch Intensität ersetzt, was sie an Extensität nicht erreichen kann, und da wird hin⸗ sichtlich der jährlichen Uebungen und Indienststellungen auch mehr als bisher den Anstrengungen und Fortschritten der auswärtigen Marinen gegenüber zu geschehen haben. Hin⸗ sichtlich der Bauten wiederhole ich, daß im Grundsatz dasjenige, was hier beantragt ist, im Vorjahre von der Mehcheit un⸗ widersprochen angenommen worden ist. Das Einzige, was im Etat über die Denkschrift hinaus neu eingestellt war, ist ein Aviso, und der ist vollständig gestrichen. Nun ist allerdings damals dasjenige, was die Denkschrift für die künftigen Jahre gefordert hat, nicht bewilligt worden, das mußte man sich natürlich vorbehalten, dagegen ist der Plan der Denkschrift für eine Marine zweiten Ranges von der Mehrheit im Großen und Ganzen angenommen worden. Daß die Minorität, Hr. Rickert und seine Freunde, im vorigen Jahre auch die Entwickelung einer Marine im Umfange der damaligen Denkschrift bekämpft haben, ist ja zweifellos. Wir können ja in Deutschland gar nicht daran denken, eine Marine, wie England, Frankreich und andere Staaten sie haben, etabliren zu wollen. Für uns, die wir unter Umständen nach zwei Seiten mit der Landarmee Front zu machen haben, wird die Entscheidung immer durch die Landarmee gegeben werden müssen. Aber auch nur in diesem mäßigen Umfange haben sich die vorjährigen und die jetzigen Bewilligungen für die Marine bewegt. Viel langsamer als die Kommission in Vorschlag bringt, können wir ohnehin die Schlachtschiffe nicht bauen. Der Bau dauert drei, auch vier Jahre, und es können also immer nur einzelne Raten bewilligt werden. Ein längerer Zeitraum ist erforderlich, ehe wir unsere Flotte so ausgerüstet sehen werden, wie wir es für nothwendig halten. Wir haben aber in der Kommission auch für dieses Jahr den Bau möglichst einzuschränken ver⸗ sucht. Wenn Hr. Rickert sich auf Holland beruft, so darf er doch nicht übersehen, daß dieses Land in seiner Stellung sehr wesentlich durch Unthätigkeit auf dem Gebiet der Marine zurückgegangen ist. Die jetzigen Kolonien Hollands: Java, Timor u. s. w., sind ja immer noch sehr bedeutend, aber die werthvollsten Kolonien, Ceylon und das Kapland, hat es verloren. Als Handelsstaat besitzt Holland ohnehin nicht die Bedeutung wie Deutschland. Hollands Handel beschränkt sich auf den Verkehr zwischen dem Heimath⸗ lande und den Kolonieen; Deutschland handelt mit der ganzen Welt. Diesen bedeutenden Handel zu schützen ist auch die Aufgabe Deutschlands, und dafür ist auch unsere Marine bestimmt. In den Handelsstädten der Ost⸗ und Nordsee werden auch die Freunde des Hrn. Rickert die Bedeutung der Marine für diese Zwecke nicht unterschätzen. Die Ver⸗ theidigung unserer Küsten wird unter allen Umständen erfolg⸗ reicher durchzuführen sein, wenn mit schweren Schlachtschiffen auch einmal ein Vorstoß unternommen werden kann. Besitzen wir diese Panzerschiffe nicht, so würden, wenn fremde Panzer⸗ stottillen in der Nord⸗ und Ostsee erscheinen, unsere Schiffe in den Häfen von Wilhelmshaven und Kiel sich zu verkriechen haben, und wir müßten ruhig die Blockade mit allen ihren nachtheiligen Folgen über uns ergehen lassen. Wenn wir da in einer Marine zweiten Ranges diese mäßige Zahl größerer Schlachtschiffe zur Verfügung haben, dann wird die Erreichung der beiden Zwecke einer wirksamen Vertheidigung der Küsten und eines angemessenen Schutzes unseres bedeutenden, immer mehr wachsenden Handels erheblich leichter sein. Ich hoffe, daß man nicht in diesem Jahr die Beschlüsse des vorigen Jahres wird rückgängig machen wollen.

Abg. Freiherr zu Franckenstein: Was meinen Antrag auf Streichung des neuen Vize⸗Admirals angeht, so halten wir nach wie vor die Nothwendigkeit der neuen Stelle nicht für erwiesen. Auf die Denkschrift ist hingewiesen, als seien wir durch dieselbe verpflichtet, eine bestimmte Haltung einzu⸗ nehmen; ich weise aber darauf hin, daß über die Denk⸗ schrift nirgends, weder im Plenum noch in der Kom⸗ mission, eine Abstimmung stattgefunden hat, es war nur eine Erläuterung der Neuforderungen der Regierung. Auf Grund dieser Denkschrift haben auch meine Freunde sich überzeugen müssen, daß eine Reihe von Neu⸗ forderungen nöthig ist, nur haben wir unsererseits geglaubt, von jeder Kategorie von Schiffen vorläufig nur je eines be⸗ willigen zu sollen, weil wir nicht wollten, daß die zweite Flotte wieder so schnell gebaut werden sollte wie die erste, und nicht alles nach derselben Schablone. Wir wollten die neuen technischen Fortschritte ausnützen können und nicht wieder vor den jetzigen Zustand gestellt werden, in Kurzem etwa noch eine dritte Flotte bauen zu müssen. Die Noth⸗ wendigkeit einer Erneuerung der Flotie haben wir niemals bestritten, nur wollen wir langsamer bauen, um sicher zu sein, bassche Schiffe auf längere Zeit nun auch ihrem Zwecke ent⸗ prechen.

Abg. Rickert: Jeder der Herren, der für die Bewilli⸗ gung eintritt, thut es aus anderen Motiven, und das macht mich schon von varn erlein bedenklich. Hr. von Frege hat dabei einen Ton angeschlagen, der mich lebhaft an die Zeit der Wahlbewegung von 1887 erinnerte; soll das vielleicht in den nächsten Wochen so fortgehen? Er malt das Gespenst eines unglücklichen Krieges an die Wand; ja, aber eine ver⸗ lorene Seeschlacht kann für uns niemals einen Krieg ent⸗ scheiden. Wir halten uns an die unbestreitbare Thatsache, daß unsere heutige Marineverwaltung ganz andere An⸗ sichten, Zwecke und Ziele hat, wie vor wenig Jahren, als uns die bekannte Denkschrift vorgelegt wurde. 1887 noch wurde in der Denkschrift gesagt, die Marineverwaltung würde es dankbar anerkennen, wenn für die nächsten Jahre jährlich acht Millionen zu Ersatz⸗ und Neubauten bewilligt würden; heute werden statt 8 volle 38 Millionen verlangt. 8 und 38 sind doch ein ge⸗

er Unterschied. Dabei handelt es sich auch gar

nicht, wie die Herren Vert anführen, um die Siche⸗ rung unserer Küsten, sondern schlechthin um eine Vermehrung unserer Marine. Die Vertheidigung der Küste wollen wir so gut wie Sie. selber bin Bewohner der Küste und habe 1870 vom meinem Fenster aus gesehen, wie die großen französischen Panzerschiffe vor Danzig an⸗ kamen. Furcht haben wir allerdings dabei weiter nicht gehgbt. nser Handel weiß recht gut, daß unsere Marine sehr wohl im Stande ist, die deutschen Handelsinteressen genügend zu schützen, er weiß aber auch, daß die Sicherung unserer Grenzen zu ammenhängt mit unserer Finanzkraft, und wenn die Sache so weiter geht wie jetzt, so wird Graf Behr nach acht bis zehn Jahren, wenn das In⸗ validitätsgesetz ganz zur Durchführung gelangt, keinen Heller aus den Erträgen der Branntweinsteuer mehr zur Verfügung für diese sozialen Zwecke haben. Ueber den Werth der Panzer⸗ schiffe vier werden von uns neu verlangt sind die Akten doch auch noch nicht geschlossen; Hr. von Caprivi hat sich stets etwas reservirt ausgesprochen. Es wäre wahrlich jammerschade um die vielen Millionen, die wir für unsere Marine ausgegeben haben, wenn wir nicht einen genügenden Küstenschutz bereits hätten.

Abg. Graf von Behr: Ich beneide Hrn. Rickert um seine optimistische Auffassung hinsichtlich der Sicherheitsver⸗ hältnisse unserer Küsten, und erinnere ihn daran, daß schon im vorigen Jahre in der Budgetkommission auf eine Anfrage von mir Seitens der Marineverwaltung erklärt ist, daß unsere großen Kriegsschiffe nicht dazu ausreichen, auf dem Meere offensiv vorzugehen, sondern daß wir auf die bloße Defensive angewiesen sind. Demgegenüber glaube ich eine Verant⸗ wortung für die Ablehnung der neuen Forderung nicht über⸗ nehmen zu können.

Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Contre⸗Admiral Heusner:

Ich wollte nur einige Worte sagen, um dem entgegenzutreten, was dier wiederholt und immer mit großem Nachdruck betont worden ist, besonders vom Hrn. Abg. Rickert, daß ein vollständiger Umschwung in allen Ideen eingetreten ist, die man bisher über den Umfang und die Bedeutung der Marine gehabt hat, und zwar immer wieder mit dem Hinweis darauf, daß wir auf einmal 4 Panzerschiffe einstellen und nach der Bewilligung im vorigen Jahre angefangen haben, diese 4 Panzerschiffe zu bauen.

Als Hauptargument führt der Hr. Abg. Rickert immer wieder an, daß der General von Stosch und der General von Caprivi ganz entgegengesetzter Ansicht gewesen wären und diese Panzerschiffe, wie wir sie jetzt fordern, zur Vertheidigung nicht für nothwendig gehalten haben. Demgegenüber muß ich doch daran erinnern, daß der General von Stosch in der Denkschrift, die 1873 vorgelegt worden ist über die Erweiterung des Flottengründungsplans, gerade die Panzerschiffe betont hat als neuen nothwendigen Theil der Küsten⸗ vertheidigung, weil er aussprach: es ist eine wirksame Ver⸗ theidigung nur dann möglich, wenn Panzerschiffe dahinter stehen und einen momentanen Erfolg ausnutzen. Ganz denselben Standpunkt vertrat der General von Caprivi. Ich möchte aus der Denkschrift, die Ihnen zur Weiterentwickelung der Marine im Jahre 1884 vorgelegt ist und die theilweise in Auszügen von Hrn. Rickert angeführt ist, auch einige Auszüge geben. Da ist z. B gesagt:

Und wenn in einem größeren Kriege gegen zur See überlegene Mächte die deutsche Flagge allein sich auf dem Meere nicht behaupten könnte, so würde sie ohne Panzerschiffe für maritime Bundesgenossen keinen Werth haben. Man scheint neuerlich hier und da geneigt, sich eine wirkungsvolle Küstenvertheidigung auch ohne gepanzerte Schiffe zu denken. Abgesehen davon, daß die wirksamste Weise der Vertheidi⸗ digung der vaterländischen Küste unter allen Umständen der Sieg in einer Schlacht auf hoher See bleiben wird, würde eine Küsten⸗ vertheidigung sich immer nur mit dem negativen Vortheil der reinen Abwehr begnügen, und auf die ans e errungener Vor⸗ theile verzichten müssen, wenn sie keine Schiffe besäße, die im Stande sind, Momente der Schwäche beim Gegner benutzend, ihn anzugreifen.

Ich wilb nicht weiter fortfahren in diesen Anführungen; ich wollte nur das widerlegen, was der Hr. Rickert so in den Vordergrund rückte, als ob die angeführten Chefs der Admiralität ihrerseits Panzerschiffe sür gänzlich überflüssig gehalten haben zur Küsten⸗ vertheidigung.

Der General von Stosch und dafür müssen wir ihm dankbar

sein hat doch die Panzerschiffe geschaffen, die wir augenblicklich haben. Es ist aber selbstverständlich, daß im Laufe der Zeit, und in einer Zeit, in der sich die Technik mit solcher Rapidität entwickelt hat, neue Erfindungen sich immer schneller gefolgt sind, daß die Schiffe, die 1873 entworfen sind, heute nicht mehr auf der Höhe der Zeit stehen. Und wenn wir jetzt Panzerschiffe bauen und zwar vier zugleich, so ist es, nachdem wir die Ueberzeugung gewonnen haben, in Bezug auf den rein defensiven Küstenschutz mit den Mitteln, die wir besitzen, wird es jetzt die allerhöchste 8 einen Ersatz zu schaffen, damit wir die Küsten wirksam vertheiden können, und der ersaß besteht eben darin, daß wir diese Panzerschiffe be⸗ kommen; sie sind theils Ersatz für schon ausrangirte, durch Unglücks⸗ fälle verlorene Schiffe, theils von Schiffen unserer ältesten Klasse, die überhaupt noch kaum zu rechnen sind als Panzerschiffe in dem Sinne, wie Sie die Panzerschiffe damals bewilligt haben.

Damit erledigt sich die Frage, die der Hr. Abg. Rickert an mich richtete, ob die Küstenvertheidigung gesichert wäre, von selbst. Es ist hier nicht der Platz, eingehend auf die Mittel und sonstigen Umstände einzugehen, wie die stalten wird. . ist gesichert durch die Mittel, die wir haben, und die Mittel, die wir von Ihnen fordern, damit die Küstenvertheidigung, nicht allein für den heutigen Tag, sondern auch weiter, gesichert ist.

Ich will die Generaldebatte nicht weiter verlängern, sondern nur noch eingehen auf die Titel, die augenblicklich zur Verhandlung stehen, und da ist es von dem Hrn. Abg. von Franckenstein so hingestellt, als ob wir mit der Forderung des Admirals eine Forderung gestellt haben, die dem Bedürfniß nicht entspricht, und daß wir ohne diesen

sehr gut auskommen können. Es ist ferner auch von anderer Seite

darauf hingewiesen, daß wir, wenn der Geschwader⸗Chef ein Vize⸗Admiral sein soll, einen der Stations⸗Chefs nehmen und seine Stelle durch einen Contre⸗Admiral ausfüllen lassen können. Das würde zunächst, abge⸗ sehen von allem Uebrigen, jeder militärischen Tradition, jedem militä⸗ rischen Gebrauch widersprechen, wenn der älteste Offizier eines großen Bezirks, der für Alles verantwortlich ist, im Range jünger ist als Offiziere, die ihm theilweise unterstellt sind, in gewissen Zeiten wenigsten.a. 8 Daß wir in unseren Forderungen für höhere Stellen auf’s Aeußerste bescheiden gewesen sind, dafür möchte ich Ihnen anführen, wie die ahlen sich bei andern Nationen stellen: England hat auf 1423 Offiziere 5 Admirale; es kommt also auf 19 Offiziere immer ein Admiral, Frank⸗

reich hat auf 1625 Offiziere 48 Admirale, Rußland auf 1340 61, Italien auf 504 18, Oesterreich auf 385 10, Deutschland auf 559

11, wie der Etat gestellt ist und, wenn Sie das zurechnen, wie wir uns jetzt geholfen haben, daß wir in Folge des Dispositivs an ver⸗ schiedenen Stellen Ober⸗Werftdirektoren in außeretatsmäßigen Stellen zu Admiralen nehmen und außerdem den Direktor des Bildungs⸗

wesens und den Chef des Hydrographischen Amts, so kommen wir

15 Admirale. Bei uns stellt sich das Verhältniß so, daß wir au 37 Offiziere einen Admiral haben, während die anderen Na⸗ tionen auf 19, 34, 32, 28 Offiziere je einen Admiral haben. Ich glaube, daß, wenn das auch nicht ein ausschlaggebendes Material für uns sein kann, daß wir nun den

r Küstenvertheidigung sich ge⸗ Soviel kann ich sagen: Die Küstenvertheidigung

Admiral in demselben Verhältniß einstellen müssen, es jedoch ein Be⸗ weis dafür ist, wie bescheiden wir in unseren Forderungen in Bezug auf höhere Stellen gewesen sind und bis aufs Aeußerste gewartet haben, bis die Forderung hier herangetreten ist.

Abg. Richter: Es wird dem Chef des Marineamts trotz aller Beredsamkeit nicht gelingen, den Umschwung in den An⸗ schauungen bei der Marineverwaltung 9 leugnen. Das geht ziffernmäßig aus dem einfachen Umstande hervor, daß Hr. von Caprivi noch 1888 für die Zeit bis 1893 eine Summe von jährlich 8 Millionen zu Schiffsbauten für durchaus ausreichend bezeichnete, während sein Nachfolger unmittelbar darauf diese Summe geradezu verdreifachte. Die Auffassung von der W“ der Marine in dem Umfange von 1888, welche

r. von Caprivi als eine melancholische und falsche bezeich⸗ nete, wurde schon 6 Monate später in der obersten Marineverwal⸗ tung die maßgebende. Hr. von Bennigsen bemerkte, man könne sehen, zu welchen schlimmen Dingen es führe, wenn ein Staat nicht genug für seine Marine verwende. Er wies auf Holland und den Verlust von Ceylon und Kapland hin. Der Verlust von Ceylon fand 1796, der von Kapland ebenfalls vor Beginn des 19. Jahrhunderts statt. Diese beiden Verluste hängen he dan mit dem englisch⸗französischen Kriege. Holland stand damals auf Seiten Frankreichs, allerdings gezwungen, weil es von Frankreich okkupirt war, und diese Okkupation war erfolgt zu Lande und hätte durch keine noch so starke

Flotte verhindert werden können. Man kann nicht unglück⸗ icher ein welthistorisches Ereigniß mit diesem Etat in Ver⸗ bindung bringen, als es hier geschehen ist.

Die Diskussion wird geschlossen.

Abg. Dr. von Bennigsen: Dem Abg. Richter kann doch nicht unbekannt sein, daß, während die Holländer früher die Engländer allein zur See geschlagen haben, sie dies im An⸗ fange dieses Jahrhunderts nicht einmal mit den Franzosen zusammen thun konnten. Ueber die Denkschrift ist im vorigen Jahre nicht abgestimmt worden, über die Zahlen derselben noch weniger. Das habe ich auch nicht behaupten wollen. Ich habe nur gesagt, daß die Mehrheit des Hauses ihr Ein⸗ verständniß im Großen und Ganzen mit dem Inhalt der Denkschrift und der aus derselben sich ergebenden Vermehrung der Flotte ausgesprochen hat. Demgemäß würden Diejenigen in Widerspruch mit sich selbst gerathen, welche nicht die Kon⸗ sequenzen des vorjährigen Beschlusses ziehen wollten.

Das Schlußwort nimmt der Referent, Abg. Kalle: Die Kommission hat sich auch mit den Detailfragen auf das Eingehendste beschäftigt. Die Docks werden voraussichtlich reichen. Da die Hafenanlagen, die Magazine, bei einer Neu⸗ einstellung von Schiffen nicht genügen würden, so hat die Kommission an die Verwaltung das Verlangen gestellt, mit dem Verkauf der alten Schiffe möglichst rasch vorzugehen. Die Abgg. Rickert und Richter haben behauptet, daß die jetzige Marineverwaltung andere Ziele verfolge, als die früheren Chefs der Admiralität erstrebt hätten. Das ist unrichtig. Hr. von Caprivi hat allerdings am 17. Ja⸗ nuar 1888 gesagt, er sei überzeugt, daß die Marine alle ihre Kräfte einsetzen würde, um das Mögliche zu leisten. Dies bezog sich aber lediglich auf die Offiziere und Mann⸗ schaften, nicht auf das Schiffsmaterial. Er hat in derselben Rede hervorgehoben, daß unsere Marine denen anderer Nationen nicht gleichkomme. Wir dürfen, meine ich, andere Nationen uns nicht über den Kopf wachsen lassen. Denken Sie doch daran, mit welcher Begeisterung gerade die liberale Partei seit der Schaffung des Norddeutschen Bundes für eine deutsche Flotte eingetreten ist! Wir bewegen uns also auf derselben Linie, wenn wir heute in Konsequenz des vorjährigen Beschlusses die Mehrforderungen bewilligen.

Der Titel 1 wird unverändert bewilligt. Gegen die Mehrforderung für einen Vizeadmiral stimmen die Freisinnigen, das Centrum, die Sozialdemokraten, ferner von der Reichs⸗ die Abgg. Gra⸗ Behr, Henning, Ampach, Merbach und

rauer, von den Nationalliberalen die Abgg. Kulemann, Geibel und Henneberg. Die Anträge der Budgetkommission zu Titel 2 (Streichung von fünf neuen Stellen für See⸗ offiziere) werden angenommen. Der Rest des Kapitels wird ohne Debatte bewilligt. 8

Bei Kapitel 52 „Indiensthaltung der Schiffe und Fahrzeuge“ bemerkt der Abg. Richter: Ein großer Theil der Mehrkosten des Ordinariums entfällt auf die Kosten er⸗ weiterter Indienststellung von Fahrzeugen. Die Summe würde noch größer sein, wenn nicht ein Betrag von 300000 aus den Restbeständen gedeckt werden könnte. Wir sind jetzt lücgich dahin gekommen, von den 12 Panzerschiffen, die wir

esitzen, lährlich 10 in Dienst zu stellen. Zu der Manöver⸗ flotte, die im Sommer fünf Monate auf See geht, und zu den Panzerschiffen als Reserve, kommt nunmehr noch eine Flotte von 4 Panzerschiffen, die für die Dauer des ganzen Jahres in Dienst gestellt ist, statt der bisherigen 4 Kreuzer⸗ korvetten. Zu dem Zwecke, den Mannschaften der Panzer⸗ fahrzeuge auch im Frieden eine entsprechende Uebung zu ge⸗ währen, ist ja die Sommerflotte eingerichtet worden. Seit einiger set ist ferner ein Schiff zur Allerhöchsten Disposition in Dienst gestellt worden. Diese Indienststellung betrug im vorigen Jahre stationär 8 Monate, seegängig 4 Monate. In diesem Fahte ist eine stationäre wie eine segmängige Indienst⸗ stellung für 6 Monat in Aussicht genommen. Wenn dieses Schiff sn größeren Fahrten verwendet wird, wie z. B. zu der Nord⸗ andfahrt, die wissenschaftlich einen privaten Charakter, keinen politischen, auch keinen für Zwecke der Marineverwaltung geeigneten trägt, müßten die Kosten solcher Indienststellung nicht auf den Marine⸗Etat gesetzt, sondern aus der Kron⸗ dotation bestritten werden. Ebenso gehören die Kosten für die Dampfbarkasse des Gouverneurs von Kamerun von 40 000 jährlich nicht in den Marine⸗Etat, sondern in den Lokal⸗Etat für Kamerun. Endlich ist für kolonialpolitische Zwecke, beson⸗ ders für die ost⸗afrikanische Expedition an Stelle eines Kreuzers eine Kreuzerkorvette getreten. Da wir die gegenwärtige Kolonialpolitik nicht für richtig halten, kann uns Niemand verdenken, wenn wir 8n diefe Bewilligung ablehnen. Ich werde daher gegen jede Erhöhung der vorliegenden Fonds stimmen.

Staatssekretär Heusner:

An Stelle der Kreuzer⸗Korvetten, die bisher das Uebungsgeschwader bildeten, sind Panzerschiffe getreten, weil dies für die Ausbildung der Mannschaften für nothwendig gehalten wird, und es ist damit keine Erhöbung der Zahl der in Dienst zu stellenden Schiffe oder eine wesent⸗ liche Erhöhung der Kosten verbunden, sondern die Kreuzer⸗Fregatten werden eben nicht in Dienst gestellt, und an ihre Stelle treten die Panzerschiffe. Dieses Uebungsgeschwader bildet mit dem Manövergeschwader zusammen im Herbst die Manszsverflotte, und diese Zusammensetzung hat sich als

noooethwendig herausgestellt, um die Uebungen in größerem Maßstabe

durchführen zu können und ein Bild der Wirklichkeit zu geben. Es

kann uns nicht helfen, wenn die Schiffe immer supponirt werden, respektive ganz andere Schiffe, die den Bedingungen eines solchen

8

Manoͤvers absolut nicht entsprechen, eingestellt werden statt der wirk⸗ lichen Schiffe; es giebt ein falsches und verschobenes Bild. Es giebt ferner ein falsches und verschobenes Bild, wenn wir die Aus⸗ bildung nur auf den se mänischen Standpunkt einrichten, das heißt, Schiffe mit Takelage hinstellen und nachher die so ausgebildeten Leute auf Schiffen ohne Takelage mit Einrichtungen für das Gefecht der Schlachtfloite verwenden wollten. Das sind die Gründe, die dahin geführt haben, statt der Kreuzer⸗Fregatten Panzer⸗ schiffe in Dienst zu stellen. .

Daß auf der ostafrikanischen Station eine Korvette statt eines Kreuzers in Dienst gestellt wird, resultirt daraus, daß wir leider den Verlust zweier Kreuzer zu beklagen haben, und im Uebrigen diese Klasse von Fahrzeugen so gering an Zahl bemessen ist, daß wir den e gen Dienst auch in bescheidenem Umfange damit nicht thun

en.

Das Kapitel wird bewilligt.

Bei Kapitel 55 „Servis⸗ und Garnisonverwal⸗ tungswesen“ bemerkt der Referent Abg. Kalle: Es wurde in der Kommission Auskunft über die jüngst stattgehabten Unregelmäßigkeiten im Lieferungswesen gewünscht. Der Staatssekretär bemerkte, so tiefgreifend, wie mitunter geglaubt werde, seien die vorgekommenen Unregelmäßigkeiten nicht, man sei aber bestrebt, Alles genau festzustellen und habe die Sache den Gerichten übergeben, um letzteren nicht vorzu⸗ greifen, müßte er sich einstweilen jeder Aeußerung ent⸗ halten. Gegenüber den in Betreff der Art der Materialien⸗ beschaffung geäußerten Bedenken machte der Staatssekretär Mittheilungen über das hierbei beobachtete Verfahren. Die von einer Seite empfohlene Centralisation des Beschaffungs⸗ wesens wurde mehrfach und auch vom Staatssekretär als nach mehreren Richtungen unzweckmäßig bezeichnet. Der Staats⸗ sekretär meinte insbesondere, es schwinde dadurch das Ver⸗ antwortlichkeitsgefühl. Der beste Schus gegen Betrügereien liege in der ehrlichen anständigen Gesinnung der Beamten und auf diese wirke die Verwaltung hin. Die Annahme von Geschenken sei natürlich streng untersagt.

Abg Kruse: Bezüglich der Vorgänge im Lieferungs⸗ wesen herrscht eine große Erregung in den betheiligten Kreisen, weil behauptet wird, daß die Unregelmäßigkeiten noch weiter gehen, als bis jetzt zur öffentlichen Kenntniß gekommen ist. Die Erklärungen des Staats⸗Sekretärs in der Kommission bezüglich der Preissteigerung der Teakholzlieferungen, stimmen nicht überein mit mir gewordenen Mittheilungen. Danach sollen die Techniker bei der Entscheidung über den Zuschlag von Lieferungen nicht den genügenden Einfluß haben; sie sollen nur eine Begut⸗ achtung abgeben und die Entscheidung den Verwaltungs⸗ beamten überlassen 8 Ich möchte anfragen, ob bei der Marineverwaltung die Absicht besteht, eine Aenderung in der Form der Lieferungen vorzunehmen, die ähnliche nissen, wie bisher, vorbeugt.

Staatssekretär Heusner:

„Ich bin zu meinem Bedauern nicht in der Lage, die erste Frage die der Hr. Abg. Dr. Kruse stellte, ausführlich zu beantworten, und zwar aus dem Grunde, der schon in der Kommission angegeben ist. Es haben sich Unregelmäßigkeiten ergeben; um den Umfang und die Bedeutung rieser Unregelmäßigkeiten in vollem Umfange festzustellen, ist die Sache den Gerichten übergeben; es wird da konstatirt werden, welche Bedeutung sie hatten. Es ist mir deshalb unmöglich, ohne der Entscheidung der Gerichte vorzugreifen, ich würde auch nicht in der Lage sein, mit dem Material, was ich augenblicklich habe, es so zu beantworten, daß nicht möglicherweise Widersprüche mit den Gerichten sich ergeben. Ich muß das Haus bitten, sich zu gedulden, bis das Resultat der gerichtlichen Untersuchung vorliegt.

Wenn dann der Hr. Abg. Dr. Kruse weiter erwähnte, daß nach ihm zugegangenen Nachrichten die Techniker, die Sachverständigen nicht den Einfluß haben bei Vergebung der Lieferungen und bei Fest⸗ stellung der geeigneten Proben, so ia ich dem widersprechen. Ich weiß nicht, aus welchen Quellen dem Herrn Abgeordneten diese Nach⸗ richten zugegangen sind; es ist aber thatsächlich nicht der Fall, sondern die Techniker haben im Allgemeinen bei den Submissionen, soweit sie eben Sachverständige sind, speziell bei den Lieferungen, um die es sich handelt und die der xr. Abg. Dr. Kruse hier erwähnte, die entscheidende, die ausschlaggebende Stimme in Bezug quf die Qualität des Materials, welches in Frage steht. Die Verwaltungs⸗ behörden sind eben nur das ausführende Organ, dem es zufällt, die Verwaltungsbestimmungen inne zu halten und zu sehen, daß der recht⸗ liche Standpunkt gewahrt wird, so daß daraus sich nicht Schwierig⸗ keiten ergeben. Die ausschlaggebende Stimme in Bezug auf die Geeignetheit der zu beschaffenden Gegenstände hat sowohl bei der Einforderung von Offerten, wie bei der Abnahme der zu liefernden Gegenstände der Techniker.

„Es ist mir nahe getreten, ob sich in der Form der Lieferungen und in der Form der Ausschreibungen der Kontrakte etwa Mängel ergeben haben, die darauf hinweisen könnten, daß hierin ein Grund läge, daß das Lieferungs⸗ verfahren Mißtrauen erweckt. Da habe ich Erhebungen angeordnet darüber, ob nicht in diesem Sinne etwa die Lieferungsbedingungen, die ganzen Bedingungen unserer Kontrakte zu ändern wären, und zwar in dem Sinne, daß den Usancen, wie sie im Handel üblich sind, mehr Rechnung getragen wird, und daß nicht schärfere Bedingungen in unseren Kontrakten gestellt werden, als es für eine solide Firma möglich ist auszuführen. Diese Erhebungen sind noch nicht abge⸗ schlossen und können in ihrem ganzen Umfang noch nicht abgeschlossen werden, bis die Resultate der gerichtlichen Untersuchung vorliegen

„Abg. Rickert: Aus den mir bekannten Fällen kann ich bestätigen, daß die Techniker die entscheidende Stimme haben. Die düsses ee set angen sind allerdings so rigoros, daß auch ganz ehrliche und zuverlässige Geschäfte sie manchmal beim besten Willen nicht erfüllen und in Ungelegenheiten bei der Ablieferung kommen können. Ich bitte den Chef der Marineverwaltung, noch bevor eine solche Neuerung, die ich mit Freuden begrüßen würde, eintritt, schon jetzt Milde walten zu lassen gegen anständige und als zuverlässig bekannte Firmen.

Abg. Woermann: Zu meiner Freude kann ich bestätigen, daß vor einigen Tagen von der Marineverwaltung an die Hamburger Hondelskammer ein Exemplar der Lieferungs⸗ bedingungen gekommen ist mit der Aufforderung, vorzuschlagen, in welchen Punkten eine Aenderung derselben eintreten kann. Es müßte der Punkt geändert werden, nach welchem die Schiedsgerichte von Denen ernannt werden, die die Waaren empfangen haben, sodaß also gerade diese von vorn herein die Majorität in denselben haben. Solide Kaufleute, die regelmäßig große Geschäfte machen, sehen Kontrakte mit vielen Paragraphen überhaupt nicht gern, wir machen unsere kaufmännischen Geschäfte auf Treu und Glauben mit wenigen Worten. Die großen Rhedereien haben für die Bieserungen besondere Beamte, die die Einkäufe an Schiffsbedarf und Proviant machen, wann und wo sie es günstig können. Fur die Marineverwaltung würde dieses Verfahren sedoch schenterig sein. Ich danke der Marineverwaltung für die Bemühungen, bessere Lieferungs⸗ bedingungen herbeizuführen. 8

as Kapitel wird bewilligt.

Zum Kapitel „Werftbetrieb“ bemerkt der Referent Abg. Kalle: Zu diesem Kapitel gehört die dem Etat bei⸗ gefügte Denkschrift, betreffend die Neuorganisation des Marine⸗

orkomm⸗

Ingenieurcorps. Diese Organisation schließt sich an diejenige der preußischen Bauverwaltung an. An Stelle von 42 In⸗ enieuren I. und II. Klasse treten ebensoviel Baumeister, an telle von 22 Ober⸗Ingenieuren 18 Bauinspektoren, und es werden zwischen die alten Direktoren, die nunmehr den Titel Marine⸗Ober⸗Bauräthe erhalten, die Inspektoren, 8 Be⸗ triebs⸗Direktoren mit dem Titel Marine⸗Baurath eingeschoben. Aus Kommission wurden Zweifel darüber geäußert, ob die durch diesen Plan gebotenen Vor⸗ theile genügen würden, um der Marine die nöthigen tüchtigen Kräfte zuzuführen und dauernd zu erhalten. Die preußische Verwaltung gebe allen ihren etatsmäßig angestellten Beamten den Titel Bauinspektor, Baumeister seien dort nur remuneratorisch angestellt, es stehe zu befürchten, daß die Marine⸗Baumeister sich hierdurch zurückgesetzt fühlten. Es sei zu erwägen, ob man nicht die Zahl S verringern, dafür diejenige der Bauinspektoren entsprechend vergrößern solle; jedenfalls müsse man bei späterer Vermehrung der Stellen diese Vermehrung den Inspektor⸗ und Direktor⸗ posten zu Gute kommen lassen. Unter Bezugnahme auf die im vorigen Jahre in der Art der Ausbildung der Ingenieure beklagten Mängel, wurde Auskunft über die in dieser Be⸗ ziehung geplanten Schritte erbeten. Sodann wurde darauf aufmerksam gemacht, daß es erwünscht scheine, die militärische Dienstpflicht der Ingenieure so zu gestalten, daß ihre Erfüllung

möglichst erleichtert und andererseits der Dienst der berufs⸗

mäßigen Ausbildung und somit dem Reiche nutzbringend gemacht werde, in ähnlicher Weise wie dies bich den Mevigigern geschieht. Endlich wurde darauf hingewiesen, daß Angesichts der Schwierigkeit, akademisch gebildete Techniker in genügender Zahl zu gewinnen, die Anstellung einer größeren Zahl von Technikern zweiten Ranges, von Konstruktionszeichnern, Ober⸗ meistern ꝛc. zur Uebernahme eines Theils der Schreib⸗, Rechnen⸗ und Zeichnenarbeit, sowie der Aufsicht über den Werkstättenbetrieb zweckmäßig erscheine. Von anderer Seite wurde allerdings betont, man dürfe die Verwaltung nicht zu Schritten drängen, die zu größeren Ausgaben führen, aber insofern doch dem vorher Vorgetragenen zugestimmt, als man es für nöthig erklärte, durch Verbesserung der Aussichten einen genügenden Zugang von Ingenieuren zu sichern. Aus den vom Staatssekretär gemachten Mittheilungen über die in Betreff der Ausbildung geplanten Vorschriften geht hervor, daß die mit dem Reifezeugniß eines Gymnasiums oder einer Ober⸗Realschule eintretenden jungen Leute zuerst ein Jahr mit praktischen Arbeiten auf einer Kaiserlichen und aus⸗ nahmsweise auch auf einer Privatwerft beschäftigt werden sollen, dann folgt zweijähriges Studium auf einer technischen Schule des Reiches, hierauf Vorprüfung in den technischen Hülfswissenschaften, dann zweijähriges Studium auf der Technischen Hochschule in Berlin in den Sektionen für Schiffsbau resp. Schiffsmaschinenbau, dann erste Haupt⸗ prüfung und Ernennung zum Regierungs⸗Bauführer für Schiffbau ꝛc. Zweijährige Ausbildung in allen Berufs⸗ zweigen auf Kaiserlichen Werften, zweite Hauptprüfun vor der ö des Reichs⸗Marineamts und nac deren Bestehen Ernennung zum Marine⸗Baumeister, worau bei Vakanz sofort die etatsmäßige Anstellung erfolgt. So erwünscht die Nutzbarmachung der Militärdienstzeit für die Fachausbildung sei, so dürfe doch das Prinzip der allgemeinen . ehrpflicht nicht verletzt werden. Bei wesentlicher Reduktion der Baumeisterstellen würden sich die Uebrigbleibenden erst recht verletzt fühlen. Die neu zu schaffenden Stellen wolle man gern zu höheren machen. Die von einer Seite ge⸗ wünschte Anwerbung von Leuten, welche die Carrière ncht durchgemacht hätten, aber besonders tüchtig seien, sei nicht ganz ausgeschlossen, jedenfalls handle es sich aber hier um Ausnahmefälle, für die im Etat keine Vorsorge getroffen werden könne. .

Abg. Rickert: Es soll eine Verfügung bestehen, wonach auf den Werften Arbeiter über 40 Jahre nicht angenommen werden sollen. Ist dies richtig, so würde es der neuen sozial⸗ politischen Gesetzgebung durchaus gemäß sein, eine so harte Bestimmung fallen zu lassen.é Was die Neuorganisation des technischen Betriebes angeht, so habe ich den Eindruck, daß d 8 selbe den gewünschten kaum ganz erreichen wird. Die Ingenieure scheinen bei der Marine immer noch nicht die ge⸗ bührende Stelle einzunehmen. So ist in Apia die „Olga“ reparirt worden, ohne daß angeblich ein Techniker und Ingenieur zu⸗ gezogen wären. Bei Uebungen werden zwar Intendantur Assessoren ꝛc. mitgenommen, dagegen die Ingenieure zu Hause gelassen. Endlich möchte ich zur Erwägung geben, ob es sich nicht empfehlen möchte, Marine⸗Ingenieure zeitweilig zu Studienzwecken nach dem Auslande zu senden; die finanziellen Aufwendungen könnten sich für die Entwicklung unseres Schiffsbaues reichlich bezahlt machen.

Staatssekretär Heusner:

Die erste Anfrage des Hrn. Abg. Rickert, oh eine Bestimmung aufrecht erhalten wird und besteht, daß Arbeiter über 40 Jahren nicht angenommen werden, kann ich dahin beantworten, daß eine Bestimmung darüber nicht besteht. Allerdings ist es bei den Werften so gehand⸗ habt worden, und ich werde die Sache in Erwägung nehmen, inwieweit Abänderung zu treffen ist. .

Wenn der Hr. Abg. Rickert meinte, daß die Techniker der Ver⸗ waltung untergeordnet sind und da nicht zur Geltung kommen können, so ist das nicht der Fall, sondern sie in Bezug auf ihr Ressort, auf alles Technische vollständig von der Ver⸗ waltung unabhängig, und die vier,g hat, eben nur das zu thun, was der Name besagt, das heißt, zu verwalten Die Organisation, wie sie jetzt getroffen ist, oder Ihnen vorgeschlagen ist für die Werft⸗Ingenieure, hat nach verschiedenen Richtungen die Absicht, bestebenden Mängeln abzuhelfen, einmal daß in der äußern Lebensstellung, die den Ingenieuren gegeben wird, dies auch zum Ausdruck gebracht werden soll, daß sie mit den übrigen Beamten gleich stehen. Es zielt darauf ab. die Art der Ausbildung und Gliederung der Ingenieure, wie sie Ihnen jetzt vorgeschlagen ist, und daß, wenn sie eine bestimmte Dienst⸗ zeit erreicht haben, ebenso wie in den anderen Beamtenkategorien, ihnen auch der Titel „Rath“ beigelegt wird. Die eee- der Ingenieure sind bisher schon nicht ungünstige gewesen, jedenfa günstiger als in anderen Beamtencarridren, und sind noch verbessert worden.

Es besteht ferner die Absicht, mit der neuen Organisation einen regeren Wechsel zwischen der reinen Theorie und Praxis eintreten zu lassen. Es ist beabsichtigt durch diese vorgeschlagene Einrichtung, einen leichteren Wechsel der rein konstruirenden Thätig⸗ keit, wie sie hier im Marineamt vertreten ist, und der praktischen Thätigkeit herbeiführen zu können. Während bisher eine Komman⸗ dirung an Bord oder nach dem Auslande zur Information, zum Studium in sehr beschränktem 28 eingetreten ist sie ist nicht ausgeschlossen worden, sondern sie ist nur in beschränktem Maße ein⸗ getreten, wie z. B. bei den Geschwadern stets Techniker kommandirt wurden, soweit es überhaupt möglich war in Rücksicht auf die vor⸗ handenen personalen Kräfte. Aber wenn dies nicht in größerem Um⸗ fange bisher geschah, so lag es daran, daß die Bedürfnisse des praktischen