1890 / 13 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

vesonders angelegten Buch bescheinigen lassen, daß die Kinder 8. den namhaft gemachten Tagen die Schule besucht haben. vegisesn davon, daß bei einem derartigen Verhalten die

1 Seßhaftigkeit der Zigeuner eher behindert als gefördert wird,

stehen der Zulafang der Zigeunerkinder zu einem vorüber⸗ gehenden Besuch der Volksschule noch andere Bedenken entgegen. Eine derartige vorübergehende Einreihung von durchwandernden Zigeunerkindern ist geeignet, auf die übrigen Schulkinder in sittlicher Bezzehung nachtheilig zu wirken und hat für den behrer selbst mancherlei Unannehmlichkeiten im Gefolge; dieselbe kann auch weder für die Zigeunerkinder selbst von genügendem Erfolge, noch für die Fortschritte der von ihnen besuchten Schulen von günstigem Einfluß sein. Die Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten und des Innern haben daher in einem Cirkularerlaß die Regierungs⸗Präsidenten u. s. w. ersucht, zur Vermeidung derartiger Unzuträglichkeiten für eine strenge und zweckentsprechende Handhabung der Be⸗ stimmungen der Gewerbeordnung (§. 62, §. 148 Nr. 7 d, wonach die Mitführung von Kindern unter 14 Jahren zu gewerblichen Zwecken verboten und unter Strafe gestellt ist, und §. 57 b Nr. 4, wonach die Ertheilung des Wander⸗ gewerbescheins versagt werden kann) Sorge zu tragen und andererseits Anordnung zu treffen, daß den Volksschul⸗ lehrern untersagt wird, den Kindern von durchwandernden Zigeunern die Theilnahme an dem Schulunterricht zu ge⸗ statten und zu bescheinigen, sowie daß die Lehrer angewiesen werden, von jedem einzelnen Fall, in welchem ein solches Kind zur Theilnahme am Schulunterricht sich meldet, der Orts⸗Polizeibehörde, welche mit entsprechender Weisung zu versehen sein wird, sofort Anzeige zu machen.

In der Königlich Preußischen Armee werden dem „Militär⸗Wochenblatt“ zufolge das sechzigjährige Dienst⸗ jubiläum begehen: der General⸗Oberst der Infanterie von Pape, Oberbefehlshaber in den Marken und Gouverneur von Berlin, am 17. April 1890 und der General der Infanterie Prinz Alexander von Preußen Königliche Hoheit, Chef des Infanterie⸗Regiments Freiherr von Sparr (3. West⸗ fälischen) Nr. 16, am 21. Juni 1890; ferner das fünfzig⸗ jährige Dienstjubiläum der General der Infanterie von Schweinitz, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Botschafter in St. Petersburg, am 28. No⸗ vember 1890.

Nach Beendigung der Trauerfeierlichkeiten für Ihre hochselige Majestät die Kaiserin und Königin Augusta haben Berlin wieder verlassen: der General der Infanterie Freiherr von Barneckow, Chef des 6. Rheinischen Infanterie⸗Regi⸗ ments Nr. 68, der General der Kavallerie Freiherr von Loë, General⸗Adjutant weiland Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I. und kommandirender General des VIII. Armee⸗Corps, der General der Kavallerie von Albedyll, General⸗Adjutant weiland Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I. und kommandirender General des VII. Armee⸗ Corps, der General der Infanterie Bronsart von Schellendorff I., Chef des Grenadier⸗Regiments König htnrc I. (4. Ostpreußischen) Nr. 5 und kommandirender

eneral des I. Armee⸗Corps, der General der Infanterie von der Burg, kommandirender General des II. Armee⸗ Corps, der General der Infanterie von Grolman, kommandirender General des XI. Armee⸗Corps, der General der Infanterie von Leszezynski, kommandirender General des IX. Armee⸗Corps, der General der Infanterie von Schlichting, kommandirender General des XIV. Armee⸗ Corps, der General⸗Lieutenant von Lewinski I., kom⸗ mandirender General des VI. Armee⸗Corps, der General⸗ Lieutenant von Hänisch, kommandirender General des IV. Armee⸗Corps, der General⸗Lieutenant von Derenthall, General à la suite weiland Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I. und Commandeur der 17. Division.

Das kombinirte Bataillon des Königin Augusta Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 4 ist heute Morgen 9 Uhr vom Potsdamer Bahnhof nach Koblenz zurückgekehrt.

Der Regierungs⸗Assessor Dr. Porcher ist der König⸗ lichen Regierung zu Kassel, der Regierungs⸗Assessor Schwindt der Königlichen Regierung 7 Danzig und der Regierungs⸗ Assessor Gerbaulet der Königlichen Regierung zu Oppeln überwiesen worden. Dem Regierungs⸗Assessor Schroeter zu Oppeln ist die kommissarische Verwaltung des Landraths⸗ amts im Kreise Tost⸗Gleiwitz übertragen worden.

S. M. Kreuzer⸗Fregatte „Leipzig“ Fagaschif des Kreuzergeschwaders), Kommandant Kapitän zur See Plüdde⸗ mann, mit dem Geschwader⸗Chef, Contre⸗Admiral Dein⸗

hard an Bord, ist am 11. in Aden eingetroffen und beabsichtigt heute die Reise fortzusetzen.

Potsdam, 11. Januar. (W. T. B.) Dem hiesigen Magistrat und den Stadtverordneten sind auf die Neujahrs⸗Glückwünssche an Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten sowie an Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta nachfolgende Schreiben zugegangen:

Als einen erneuten Beweis der treuen Anhänglichkeit, von welcher die Bürgerschaft Meiner Residenzstadt Potsdam gegen Mich und Mein Haus beseelt ist, habe Ich die Glückwünsche des Magistrats und der Stadtverordneten⸗Versammlung zum Jahreswechsel mit Freuden entgegengenommen.

Unter dem Ausdrucke Meines herzlichen Dankes erwidere Ich

88 dieselben mit der Versicherung Meines unveränderten Wohlwollens. .Berlin, den 6. Januar 1890.

* Wilhelm R M8 An den Magistrat und die Stadtverordneten⸗Versammlung zu Potsdam.

Ich spreche dem Magistrat und den Stadtverordneten der Refidenzstadt Potsdam für die Mir und Meiner Familie zum Jahres⸗ moechsel dargebrachten Segenswünsche aufrichtigen Dank aus. Es war Mir eine Freude, im vergangenen Jahre so lange in Potsdam bleiben zu können, an welches sich für Mich so viele theure Erinnerungen knüpfen und wo sich auch jetzt wieder Magistrat und Stadtverordnete in so treuer herzlicher Weise mit Mir zu dem Gebet um den Segen Gottes für das kommende Jahr vereinigen. Beerlin, den 4. Januar 1890. 1 Auguste Victoria Kaiserin und Königin. An den Magistrat und die Stadtverordneten der Residenz⸗ stadt Potsdam. 1

Berlin, den 3. Januar 1890.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta haben die Allerhöchstderselben im Namen der gesammten Bürgerschaft Potsdams zum Jahreswechsel dargebrachten Glückwünsche entgegen⸗ zunehmen geruht und lassen dem Magistrat und den Stadtverordneten für dieselben Allerhöchstihren besten Dank aussprechen. 1 Im Allerhöchsten Auftraaga deer Kabinets⸗Rath und Königliche Kammerherr .“ von dem Knesebeck. Magistrat und die Stadtverordneten zu Potsdam.

Dem Magistrat und den Stadtverordneten ist ferner folgendes Schreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich zugegangen:

Der Magistrat und die Stadtverordneten von Potsdam haben aus der Veranlassung der Vermählung Meiner Tochter, der Prinzessin Sophie, mit dem Kronprinzen von Griechenland und zu Meinem eigenen Geburtstage Mir den Ausdruck treuer Anhänglichkeit nach Athen übermittelt.

Indem Ich dafür Meinen besten Dank sage, füge Ich die Versicherung hinzu, daß Ich Meinerseits stets in herzlicher Theilnahme die Geschicke der Stadt begleiten werde, an die sich die theuersten und zugleich die schmerzlichsten Erinnerungen Meines Familienlebens knüpfen.

Neapel, 6. Dezember 1889.

Victoria, Kaiserin und Königin Friedrich.

Merseburg, 10. Januar. Die gestrige Sitzung des Landtages der Provinz Sachsen eröffnete der stellver⸗ tretende Vorsitzende, Ober⸗Bürgermeister Bötticher⸗Magde⸗ burg, mit der Mittheilung, daß auf die Beileidsadresse, welche der Provinzial⸗Landtag anläßlich des Hinganges Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta an Se. Majestät den Kaiser ab⸗ gesandt habe, folgende Antwort eingetroffen sei:

„Tiefergriffen von der warmen Theilnahme, welche der Provinzial⸗ Landtag an Meinem Schmerze um das Hinscheiden Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta kundgegeben hat, bitte Ich den Vorstand, Landtage Meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.

3 Wilhelm.“ 1

Der Vorsitzende gab sodann dem Wunsche und der Hoff⸗ nung Ausdruck, daß nach den kummervollen Tagen der letzten Trauerjahre dem geliebten Kaiserhause recht viele sonnige Jahre beschieden sein möchten.

Hierauf fanden die Wahlen zum Provinzial⸗Aus⸗ schuß, die Wahl eines stellvertretenden Vorsitzenden des Provinzial⸗Ausschusses und die Wahl des 12. Mit⸗ gliedes der Bezirkskommission für die klassifizirte Einkommensteuer im Regierungsbezirk Merseburg statt. Der Bericht der Anstaltskommission über die Vorlage des Provinzial⸗ Ausschusses, betr. die Erwerbung eines Grundstücks und Erbauung der erforderlichen Gebäude für die Pro⸗ vinzial⸗Taubstummen⸗Anstalt in Osterburg, wurde an⸗ enommen, ebenso wurde der Ankauf eines Grundstücks ür die Provinzial⸗Taubstummen⸗Anstalt in Weißenfels ge⸗ nehmigt. Den Anträgen der Kommission für Feuer⸗ Sozietäts⸗Angelegenheiten wurde Folge gegeben und dann der Bericht der Rechnungskommission über die Prüfung und Entlastung von Rechnungen entgegengenommen.

Bayern. München, 11. Januar. (W. T. B.) In der gestrigen Stzung der Kammer der Abgeordneten wurde in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend Vollziehung der von den Militärgerichten er⸗ kannten Todesstrafe durch Enthauptung, Artikel 1, wonach diese Vollziehung den Civilgerichten übertragen wird, abgelehnt, nachdem die Abgg. Frhr. von Stauffenberg, Beck, Walter und FS. Bedenken erhoben hatten. Der Etat der Königlichen Bank in Nürnberg wurde genehmigt, wobei der Finanz⸗Minister auf verschiedene Anregungen zu⸗ sagte, daß den Raiffeisen’schen Darlehnskassen auch fernerhin Kredit zu einem so billigen Zinsfuß, als der Geldmarkt ge⸗ statte, gewährt werden solle; unter vier Prozent könnte man jedoch kaum herabgehen.

In dem Finanzausschusse sprach sich, wie „W. T. B.“ meldet, der Minister Frhr. von Crailsheim gegen eine Ermäßigung der Kohlentarife aus; dieselbe nütze nur den Zwischenhändlern und schädige die Staatskasse; die Uni⸗ fizirung der bestehenden Tarifvorschriften werde zur Zeit er⸗ wogen; auf böhmische Kohlen fände der neue Tarif keine Anwendnng; die inländischen Kohlen blieben geschützt.

Baden. Karlsruhe, 10. Januar. Se. Großherzoögliche Hoheit der Prinz Karl von Baden ist, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, seit gestern an der Influenza erkrankt.

Hessen. Darmstadt, 11. Januar. (Darmst. Stg. Ihre Hoheiten der Prinz Victor und die Prinze sin Victoria zu Schleswig⸗Holstein trafen gestern Nach⸗ mittag im Großherzoglichen Neuen Palais ein, um die hier krank zurückgebliebene Prinzessin Luise zu Schleswig⸗ Holstein zu besuchen. Die Herrschaften kehrten darauf nach Wiesbaden zurück.

Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 11. Januar. 8. Ztg.) Der Landtag hat die Etatsberathung egonnen und die Aufnahme eines Anlehens zu Waldwege⸗ bauten in Höhe von 400 000 genehmigt. Der von der Regierung vorgeschlagene Steuererlaß der unteren Klassensteuerstufen befreit 40 233 Personen von der Steuer und bedingt einen Einnahme⸗Ausfall von 110 835 Der Staatsrath Zöller stellte auch noch einen weiter gehen⸗ den Steuererlaß in Aussicht, während er eine weitere Ent⸗ lastung der Gemeinden, Besoldungserhöhungen und Entschä⸗ digung für Aufhebung des Chausseegeldes noch vertagt wissen wollte, bis das neu einzubringende Steuergesetz höhere Ein⸗ nahmen gewähre.

Sachsen⸗Altenburg. () Altenburg, 11. Januar. Der Herzogliche Hof hat aus Anlaß des Ablebens Ihrer Maäjestät der Kaiserin und Königin Augusta auf sechs Wochen Trauer angelegt und hat auch Se. Hoheit der Herzog den Beisetzungsfeierlichkeiten in Berlin beigewohnt.

Nach einmonatlicher Pause ist der Landtag des Herzog⸗ thums zur Wiederaufnahme seiner Berathungen zum 16. Januar aufs Neue einberufen worden.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 10. Januar. (Cob. 8üg.) In der gestrigen Sitzung des gemeinschaftlichen andtages der Herzogthümer Coburg und Gotha wurde zunächst der Gesetzenwurß betreffend die öffentlichen Geld⸗

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sammlungen von der Regierung zurückgezogen. Alsdann wurde dem Vertrag vom 20. November 1889 wegen Fort⸗ dauer des thüringischen Zoll⸗ und Handelsvereins einstimmig und ohne Debatte die Zustimmung ertheilt. Gleichfalls einstimmig gelangte der Gesetzentwurf zur Annahme, welcher den Verkauf von Loosen zu nicht ausdrücklich erlaubten Lotterien bei einer Strafe bis zu 50 und die Verbreitung von Ankündigungen oder Gewinnlisten solcher unerlaubten Unter⸗ nehmungen bei einer Strafe bis zu 100 verbietet. Der mit der Königlichen Sächsischen Regierung abgeschlossene Ver⸗ trag, betreffend den Vertrieb der Loose zur sächsischen Lotterie ist unter Erhöhung des Konzessionsgeldes bis Ende 1898 ver⸗ längert worden.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 11. Januar. Der vom Bundesrath genehmigte Entwurf des Landeshaus-

halts⸗Etats von Elsaß⸗Lothringen für 1890/91 balancirt in Ausgabe und Einnahme mit 46 935 787

Davon entfallen auf den ordentlichen Etat in Ausgabe 44 628 587 (nämlich 42 383 937 an fortdauernden und 2 244 600 an einmaligen Ausgaben) und in Einnahme 45 474 986

Die Ausgaben des außerordentlichen Etats belaufen sich auf 2 307 200 ℳ, welche Ausgaben durch den Einnahme⸗Ueberschuß

des ordentlichen Etats und eine eigene Einnahme des außerordentlichen

Etats von 1 460 801 gedeckt werden.

In seiner finanziellen Gestaltung folgt der Etatsentwurf im Wesentlichen dem Etat für 1889/90, indem wiederum ein Ueberschuß aus verfügbaren Beständen des abgeschlossenen Rechnungsjahres

1888/89 hat eingestellt werden können. Derselbe beziffert sich auf

1 377 133 Während der aus dem Rechnungsjahr 1887/88 ver⸗ bleibende Ueberschuß von 906 571 im Wesentlichen darauf zurück⸗ zuführen war, daß aus dem Ertrage der Branntwein⸗Nachsteuer und

Branntwein⸗Verbrauchsabgabe vom 1. Oktober 1887 bis 31. März 1888 eine im Etat nicht vorgesehene Einnahme von 645 000 vom

Reiche überwiesen worden war, ist das günstige Ergebniß des Rechnungs⸗ jahres 1888/89 hauptsächlich dem Umstande zu verdanken, daß die

Einnahmen der Enregistrementsverwaltung das Etats⸗Soll um 639 349 “ℳ und die Ueberweisungen des Reichs den Etatsansatz um 361 251 überstiegen haben. Mit Hülfe des aus 1888/89 verbliebenen Ueber-

schusses, der weiteren günstigen Gestaltung der Ueberweisungen des

Reichs und der voranschreitenden Mehrung der Erträgnisse aus den

eigenen Einnahmequellen des Landes haben auch in dem vorliegenden

Etatsentwurfe, ungeachtet der Erhöhung der Matrikularbeiträge, wiederum reichliche Mittel zur Befriedigung der öffentlichen Interessen auf allen Gebieten der Verwaltung vorgesehen werden können. Es haben namentlich alle im landwirthschaftlichen und Verkehrsinteresse

wünschenswerthen Einrichtungen und Unternehmungen, soweit dieselben

als im nächsten Jahre ausführbar erscheinen, Berücksichtigung finden Dabei ist es angängig gewesen, den zur Bildvng eines Schuldentilgungsfonds durch den Etat für 1888/89 bestimmten Be- trag von 936 821 und den durch den Etat für 1889,90 zur Bil⸗

können.

dung eines Fonds für Verbesserung und Ausbau des elsaß⸗ lothringi⸗

schen Kanalnetzes bestimmten Betrag von 714 483 weiter zur Ver⸗

fügung zu halten und außerdem für Beihülfen zu Schulhausbauten

einen außerordentlichen Kredit von 100 000 und namentlich auch zu Beihülfen für außerordentliche Reparaturbauten an Kirchen reichliche

Mittel neu zur Verfügung zu stellen.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 11. Januar. (Wien. 5 er

Die heutige Sitzung der Ausgleichskonferenz, an we

auch Graf Clam⸗Martinitz theilnahm, begann um 1 Uhr Nach⸗ mittags. Die Berathung über die Justizangelegenheiten

wurde fortgesetzt.

Budapest, 11. Januar, (Wien. Ztg.) Das Unter⸗ haus nahm heute die Vorlage über die Marchthal⸗Bahn sowie die Vorlage, betreffend den Ausbau der Linie Debreczin

Flügellinie Ohat Polgan an

terner wurden genehmigt: die Linie Csaktornya Zala zentivan— Ukk, die Popradthal⸗Bahn und die Ver⸗

vane⸗ abony und deren

bindung der ungarischen Staatsbahnen mit der Soroksarer

Vizinalbahn. Schließlich wurden die Gesetzentwürfe über die Inartikulirung der Verstaatlichungsverträge

bezüglich der Budapest⸗Fünfkirchner und der un

garischen Westbahn angenommen.

Großbritannien und Irland. London, 12. Januar. Das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, daß dem von Londoner Zeitungen verbreiteten Gerücht: die letzte Depesche Lord Salisbury's an die portugiesische Regierung habe die Räumung des Gebietes im Norden des Ruo⸗ Flusses durch die Portußiesen verlangt, jegliche Be⸗

gründung fehle. Die englische Regierung habe verlangt, daß

Portugal sich positiv verpflichte, keinen Akt der Jurisdiktion in den Distrikten auszuüben, über welche England das Protektorat beanspruche. Die Antwort des portugiesischen Ministers des Auswärtigen, de Barros Gomes, habe dies zugestanden unter der Bedingung, daß Seitens Englands das Gleiche geschehe, und hinzugefügt, daß die portugiesische Regierung bereit sei, sich in dieser Frage einem Schiedsgericht oder einer

Konferenz zu unterwerfen. Zu gleicher Zeit habe die por

tugiesische Regierung an alle Mächte die Bitte um

ihre guten Dienste in dem Streit mit England gerichtet. Alle Mächte hätten darauf geantwortet und den Beweis ihrer

freundschaftlichen Gesinnung gegeben. Jedenfalls habe dieser Schritt jetzt kein praktisches Ergebniß, da ja die eng⸗ lische Regierung durch die Antwort Portugals hinreichend

zufrieden gestellt sei, um darein zu willigen, daß die Ver⸗ handlungen fortgesetzt würden.

Frankreich. Paris, 13. Januar. den gestrigen Nachwahlen zur wurden gewählt: in Poitier der Konservative Dupuytrem, in Rochechouart der Republikaner Puyboyer, in Montauban der Republikaner Cambe, in Bergerac der Republikaner Clament. In St. Etienne wurde Neyrand, vef vorher ungültig erklärt worden war, wiedergewählt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 12. Januar.

T. B.) Anläßlich der Frage des Protestes Ruß⸗ ands gegen die bulgarische Anleihe erklärt das „Journal de St. Pétersbourg“: Das Kaiserliche Kabinet habe sich darauf beschränkt, seinen Standpunkt gegenüber einer Maßregel zur Kenntniß zu bringen, welche von einer Regierung ausgehe, deren Gesetzmäßigkeit nicht anerkannt sei, und die man höchstens als geduldet ansehen könne. Diese bulgarische Regierung habe in⸗ dessen, weit entfernt, sich innerhalb der Reserve zu halten, die ihr diese Lage zur Pflicht mache, bulgarische und ostrumelische Eisenbahnen mit der öglichkeit der Ent⸗ äußerung verpfändet, und dadurch eine Hypothek, auf welche äßheit des Berliner Vertrages und späterer

Abmachungen das Recht der Priorität habe, in empfindlicher

Plänen,

(W. T. B.) Bei Deputirtenkammer

en Wahl

Wunden zu heilen,

Weise beeinträchtigt. handle sich dabei um den Artikel 22 des Berliner Vertrages, welcher Rußland die Zahlung der Okkupationskosten zusichert. Für die Zahlung, welche durch ein besonderes Uebereinkommen festgesetzt und seit 1886 im Rückstande sei, wären die Einkünfte der bulga⸗ rischen Eisenbahnen verschrieben. Die Regierung in Sofia verfüge über die finanziellen Hülfsquellen des Staats und benachtheilige schwer die Rechte Rußlands, welche sich aus dem Artikel 22 ergäben.

„Der gestern veröffentlichte Budgetvoranschlag des Finanz⸗Ministers pro 1890 weist an ordentlichen Ein⸗ nahmen 889 Millionen Rubel, an ordentlichen Ausgaben 887 Millionen Rubel auf. Der Ueberschuß der ordentlichen Einnahmen gegen die Ausgaben beträgt 1 440 000 Rubel. Gegen das Budget des vorigen Jahres weisen die ordentlichen Einnahmen 27 Millionen Rubel, die ordentlichen Ausgaben 28 Millionen Rubel mehr auf. Der Budgetvoranschlag pro 1890 ist nach einer Verfügung des Kaisers zu⸗ sammengestellt, . Steuererhöhung und Vermeh⸗ rung der Lasten der Bevölkerung. Bei der Pu⸗ blikation wird bemerkt: indem der Kaiser diese Ver⸗ fügungen im Zusammenhange mit der Sorge um die Bedürfnisse des Volkes getroffen hat, offenbart er neuerdings den unabänderlichen Entschluß, fortwährend für die Erhaltung eines für Rußland ehrenvollen Friedens bemüht zu sein, damit unter dessen Schatten alle für die Produktionskräfte und die Vermehrung des Volkswohlstandes vom Kaiser vorgezeichneten Pläne unbehindert ausgeführt werden können.

Italien. Rom, 12. Januar. (W. T. B.) Der König und die Königin empfingen heute Nachmittag den Prinzen Arisugawa von Japan und seine Gemahlin.

Spanien. Madrid, 12. Januar. (W. T. B.) Seit gestern Abend ist in dem Befinden des Königs eine merkliche Besserung hervorgetreten. Die Schwäche und die Mattigkeit sind gewichen und dagegen Zeichen wieder⸗ kehrender Kräfte sichtbar geworden. Die Aerzte fahren mit zweckentsprechender Ernährung des Kranken fort, welcher viel Appetit zeigt. Am Sonnabend früh 2 ½ Uhr celebrirte der päpstliche Nuntius in der Hauskapelle der Königin⸗ Regentin eine Messe für die Wiedergenesung des Königs, welcher die Mitglieder der Königlichen Familie beiwohnten. Die Königin⸗Regentin wachte des Nachts auf einem Sopha neben dem Bett des Königs.

Nach den in den Ministerien des Innern und des Krieges Nachrichten herrscht im Lande vollkommene uhe.

Portugal. Lissabon, 12. Januar. (W. T. B.) Der Kaiser Dom Pedro ist nach Pau abgereist, woselbst er

morgen früh 5 Uhr eintreffen wird; von dort begiebt sich der

Kaiser nach Cannes.

Gestern fand ein Ministerrath statt, welcher bis 1 Uhr früh dauerte. Gerüchtweise verlautet, die portugiesische Regierung habe befohlen, die portugiesischen Streit⸗ kräfte vom Shirefluß und aus dem Mashowaland zurückzuziehen.

Schweiz. Luzern, 12. Januar. (W. T. B.) Der Chef des schweizerischen Generalstabes, Oberst Pfyffer, ist heute früh gestorben.

Türkei. Die „Politische Correspondenz“ meldet aus Konstantinopel: Die Darstellungen, nach welchen jüngst in Armenien eine gewisse Gährung ausgebrochen, sowie die Meldungen von Ruhestörungen und blutigen Zusammenstößen, die in Satum, Bezirk Musch, vorgekommen sein sollen, sind völlig unbegründet. Die Zustände in Armenien sind vollkommen normal; ebenso unrichtig ist es, daß die Pforte Schakir Pascha an Stelle Mukhtar Pascha's zum außerordent⸗ lichen Kommissar in Egypten ernennen und Mukhtar Pascha Behufs Durchführung angeblich geplanter Reformen nach

Armenien zu senden beabsichtige.

Serbien. Belgrad, 12. Januar. (W. T. B.) Die serbische Regierung sowie die Pforte, vom Wunsche beseelt, den Grenzverletzungen der Arnauten ein Ende zu setzen, ernannten je einen Kommissär, welche die Grenz⸗ linie begingen, Anordnungen trafen und ein Protokoll auf⸗ nahmen, welches von der serbischen Regierung bereits an⸗ genommen wurde; es ist gegründete Aussicht vorhanden, daß auch die Pforte dasselbe annehme.

Das „Amtsblatt“ veröffentlicht das Budget pro 1890. Der unbedeckte Betrag von 2 606 000 Fr. soll durch Ver⸗ mehrung der Einnahmen bei den 8 ahnen, dem Salz⸗ monopol sowie durch Ersparnisse aufgebracht werden.

Beileids⸗Kundgebungen.

Ihrer Hochseligen Majestät der Kaiserin und Königin Augusta widmet der Berliner Magistrat in Organ, dem „Gemeinde⸗Blatt“, folgenden

achruf:

„Ihre Majestät die Kaiserin Augusta ist am 7. d. M., Nach⸗ mittags 4 ½ Uhr, von uns geschieden. Seit Jahrzehnten war das preußische und deutsche Volk, war vor Allem die Berliner Bürgerschaft gewohnt, zu der Hohen Frau, als dem Vorbilde edelster Frauentugend, empor⸗ zuschauen. Als Gemahlin des Prinzen von Preußen in den Tagen der Morgenröthe einer neuen Zeit, als Königin und Kaiserin des Deutschen Reiches auf der Sonnenhöhe irdischer Macht, im Wittwen⸗ schleier und am Sterbelager des unvergeßlichen Kaiserlichen Sohnes, in jedem Abschnitt Ihres reich bewegten Lebens hat die heimgegangene Fürstin Ihren hohen Beruf mit dem edelsten Inhalt zu erfüllen verstan⸗

und in unwandelbarer Treue, gleich Ihrem ruhmvollen Gemahle, bis zum letzten Athemzuge desselben gewaltet. Mit der Wärme des Her⸗ zens und dem weiten Blick eines erleuchteten Verstandes überschaute, eitete und förderte die Erlauchte Frau alle Bestrebungen in Kriegs⸗ und Friedenszeiten, welche darauf abzielten, „Thränen zu stillen, Kummer zu lindern, glückliche Menschen zu macken. Unermeßlich ist der Segensstrom, der auch über unsere Stadt aus Ihrem anregungs⸗ und planvollen Wirken sich ergossen hat; in dankbarer Verehrung blicken wir trauererfüllt in Ihre

Gruft!“

München, 11. Januar. Die Adresse, welche die C11““ München aus Anlaß des Ablebens Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta an Se. Maäjestät den Kaiser Wilhelm gerichtet hat, hat nach der „Allg. Ztg. folgenden Wortlaut:

Alllerdurchlauchtigster Feeosma gichfte Kaiser! Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Geruhen Ew. Kaiserliche Majestät in den

schweren Stunden des Schmerzes den Ausdruck ehrfurchtsvollsten Beileids in Gnaten entgegenzunehmen von der trauernden Stadt

München. Die Verklärte, Ihre Majestät die Kaiserin⸗Wittwe Angusta, hat nicht nur ihre besondere Aufgabe auf der Höhe des Thrones in Würde und Hobeit erfüllt, sie ist dem Volke auch in allen weiblichen Tugenden zum leuchtenden Vorbilde . worden. Was sie im Kriege zur Pflege der Verwundeten, was sie im Frieden zur Förderung des Volkslebens, an Werken der Menschen⸗ liebe, in der Pflege deutschen Geistes und deutscher Ideale gethan, das hat sie auch innerlich auf die Höhe gestellt, welche ihrer Kaiser⸗ lichen Würde entsprach. Das deutsche Volk trauert tief um ihren Verlust, es wird ihr Bild auch nach dem Tode im Herzen bewahren als das Bild der edelsten deutschen Frau, als das Bild seiner gütigen Wohlthäterin; es wird ihren Namen segnen allezeit. Gott tröste Ew. Kaiserliche Majestät und das Kaiserliche Haus! Gott schütze das Vaterland! 18 In allertiefster Ehrfurcht und Ergebenheit Ew. Kaiserlichen Maäjestät allerunterthänigst treu gehorsamster Magistrat und Gemeindebevollmächtigte der Königlichen Haupt⸗ und Residenzstadt München.“

Augsburg, 11. Januar. In der heutigen Fsthung des Magistrats widmete Bürgermeister von Fischer der Kaiserin Augusta einen warm empfundenen Nachruf.

„Dresden, 11. Januar. Anläßlich der Beisetzung weiland Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta fand heute Mittags einstündiges Trauergeläute statt. Heute Abend bleibt das Hoftheater geschlossen.

Karlsruhe, 12. Januar. Gemäß höherer Anordnung wurde heute in allen evangelischen Kirchen des Landes ein Trauergottesdienst zum Gedächtniß der Hochseligen Kaiserin Augusta abgehalten. Der Stadtrath von Baden⸗ Baden richtete aus Anlaß des Ablebens Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta an Se. Majestät den Kaiser und Ihre Königlichen Hoheiten den Großherzog und die Groß⸗ herzogin auf telegraphischem Wege Beileidsbezeugungen. Der Stadtrath entsandte ferner als Vertreter der Stadt⸗ gemeinde die Herren Bürgermeister Dr. Fuchs und Stadt⸗ rath von Bömble nach Berlin zu den Leichenfeierlichkeiten. Die Herren haben am Sarge der dahingeschiedenen Kaiserin einen von der Stadt Baden gewidmeten Kranz niedergelegt. Auch die Stadträthe von Mannheim und Pforzheim Beileidsdepeschen an den Großherzog und die Groß⸗

erzogin abgesandt. Aus Konstanz wird gemeldet, daß der Vorstand des Höhgau⸗Militärverbandes im Namen der alten Soldaten dieser Vereinigung ein Beileidschreiben an Ihre Königlichen Hoheiten den Großherzog und die Groß⸗ herzogin nach Berlin abgehen ließ.

Bremen, 11. Januar. Der Senat hat sofort nach dem Ableben der Kaiserin Augusta dem Kaiser seiner Theilnahme an dem schmerzlichen Verluste telegraphisch Ausdruck gegeben.

Triest, 11. Januar. Das deutsche Avisoschiff „Wacht“ feuerte heute anläßlich der Leichenfeierlichkeiten in Berlin in Pausen von 5 Minuten von 8 Uhr Morgens bis Mittags Kanonenschüsse ab.

London, 12. Januar. Der Trauergottesdienst jumn Gedächtniß weiland Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta and heute in der deutschen Kapelle von St. James statt. Das Personal der deutschen Botschaft, der Admiral Prinz Victor zu Hohenlohe, Graf von Gleichen, mehrere Vertreter auswärtiger Mächte und die Angehörigen der deutschen Kolonie wohnten dem Gottesdienst bei.

Konstantinopel, 11. Januar. Aus Anlaß der Leichen⸗ feierlichkeiten in Berlin fand in der hiesigen protestantischen Kirche heute ein Trauergottesdienst für weiland Ihre Majestät die Kaiserin Augusta statt, welchem das gesammte Personal der deutschen Botschaft und des Generalkonsulats beiwohnte. Der Sultan war ver⸗ treten durch den Finanz⸗Minister Agob Pascha und Artin Pascha. Ferner waren viele andere ottomanische Würden⸗ träger, alle akkreditirten Botschafter und Gesandten sowie die vornehmsten Mitglieder der deutschen Kolonie zugegen. Pastor Suhle hielt die Gedächtnißrede.

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Die „Karlsruher Zeitung“ schreibt unter dem 11. Januar:

„Am heutigen Tage hat sich die Gruft über der sterblichen Hülle der Hochseligen Kaiserin Augusta geschlossen und die edle Gestalt der hochberzigen Wohlthäterin der Menschheit, der glaubens⸗ und willensstarken Dulderin ist damit den Blicken der Zeitgenossen ent⸗ schwunden; aber in ihren großen Werken, wie in den Herzen der dankbaren Nation lebt das Bild der Kaiserin in unver⸗ änderlicher Klarheit und Reinheit fort. Die dankbare Erinnerung der Mitwelt und die Bewunderung der Nachwelt wird die Kaiserin Augusta stets mit ihrem ruhmgekrönten Gemahl zusammen nennen und Beider Andenken wie ein unzertrennlich Ganzes in Ehren halten und segnen. Künftige Geschichtsschreiber werden sagen, daß nur eine Frau von der Fülle des Geistes und der umfassenden 1 Menschenliebe wie die Kaiserin Augusta an der Seite eines solchen Gatten durchs Leben gehen konnte, ohne daß ihre Gestalt neben der strahlenden Heldengröße ihres Gemahls verblaßte; sie werden sagen, daß Kaiser Wilhelm und Kaiserin Augusta zwei einander ergänzende, in jedem Zuge ihres edlen Wesens einander werthe Naturen waren, Beide miteinander wett⸗ eifernd in aufopferndster Hingabe an ihre hohe Stellung bis zum letzten Athemzuge in Edelmuth und Herzensmilde. Nun schläft die erste Deutsche Kaiserin im neuen Reiche den letzten Schlaf an der Seite ihres in die Ewigkeit ihr vorangegangenen emahls, und der Schmerz des deutschen Volkes über diesen großen plötzlichen Verlust verklärt sich zu stiller Wehmuth. An diesem für das Kaiserhaus und für die Großherzogliche Familie so erschütternden Tage aber weilen unsere Gedanken und Empfindungen mit besonderer Innigkeit bei unserem schwergeprüften erlauchten Fürstenpaare und sie fügen sich zu dem bewegten Herzenswunsche zusammen, daß unser geliebter Landesfürst und seine schwerbetroffene hohe Gemahlin in der Allgemeinheit der tiefen Trauer um den Heimgang der Kaiserin einen Trost in ihrer schweren Herzensbekümmerniß sinden mögen.“

Parlamentarische Nachrichten. Die Nantig,e (41.) Sitzung des Reichstages, welcher

der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretär Dr. von Boetticher, der Staats⸗Minister von Verdy du Vernois, der bayerische Bevollmächtigte General⸗Major von ylander, der sächsische Bevollmächtigte Graf von Hohenthal und Bergen nebst Kommissarien beiwohnten, eröffnete der Präsident von Levetzow um 12 Uhr 20 Minuten mit fol⸗ genden Worten, welche das Haus stehend anhörte:

„Ich habe die Ehre, dem hohen Hause mitzutheilen, daß Se. Majestät der Kaiser das Präsidium gestern Mittag in Audienz empfangen hat, um den ihm aufgetragenen Ausdruck der ehrfurchtsvollsten T eilnahme entgegenzunehmen wegen des neuen Trauerfalls, der Kaiser und Vaterland wiederum betroffen hat. Se. Majestät lassen dem Reichstage für die Theil⸗

nahme herzlich danken, indem Allerhöchstdieselben hervorhoben die un⸗ ermüdliche Thätigkeit, das weit über die Grenzen des Reichs hinaus⸗ gehende Wirken der hohen Verewigten, als Kaiserin und als Frau, und ihr warmes Interesse für das Reich und für alle deutschen Lande und Stämme; für die Verwundeten, Kranken und Elenden, für die Aufgaben der Frau auf dem Gebiet der Nächstenliebe. Hierdurch und durch ihre Pflichttrene und durch die Lauterkeit ihres Charakters werde ihr Andenken gesichert bleiben, wie das der Königin Luise von Preußen noch heute erhalten sei. Se. Majestät sprachen über die Arbeiten des Reichstages und über die allgemeine politische Lage, welche zur höchsten Freude und Genugthuung des Kaisers die Erhaltung des Weltfriedens zur Zeit völlig gesichert erscheinen ließe. (Beifall.) Den Frieden weiter zu wahren, sei es erforderlich, daß Deutschland bei seiner geographischen Lage und bei seiner Welt⸗ stellung nicht versäume, seine militärischen Rüstungen im besten Stande zu halten und nicht nur für das Landheer, sondern auch für das jüngere Kind, die Flotte, unablässig zu sorgen. Deshalb läßt Se. Majestät dem Reichstage danken für die kürzlich stattgehabte Bewilligung in zweiter Lesung des Marine⸗Etats, dessen Berathung der Kaiser in allen seinen Einzelheiten gefolgt war. Nachdem Se. Majestät noch Heeness⸗ an 9 Reichstagshauses unter Berührung einiger ihm dabei aufgestoßener Bedenken k 8 wurde das Präsidium huldvollst entlaffen. undgegebenh

Erster Gegenstand der Tagesordnung war die zweite Be⸗ rathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderun⸗ gen des Reichs⸗Militärgesetzes vom 2. Mai 1874.

Der Entwurf lautet folgendermaßen: 8

Artikel I.

Der §. 3 Absatz 2 und 3 und der §. 5 Absatz 1 und 3 de Reichs⸗Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 (Reichs⸗Gesetzbl. 1874 S. 45) erhalten nachstehende Fafsung: 8

Aus 2 bis 3 Divisionen mit den entsprechenden Artillerie⸗, Pionier⸗ und Trainformationen wird ein Armee⸗Corps gebildet, derart, daß die gesammte Heeresmacht des Deutschen Reichs im Frieden aus 20 Armee⸗Corps besteht. 8

2 Armee⸗Corps werden von Bavern, je eins von Sachsen und Württemberg aufgestellt, während Preußen gemeinschaftlich mit den übrigen Staaten 16 Armee⸗Corps formirt.

Das Gebiet des Deutschen Reichs wird in militäris in⸗ sicht in 19 Armee⸗Corpsbezirke eingetheilt. milttarisch. 8 Als Grundlage für die Organisation der Landwehr, sowie zum Zweck der Heeresergänzung werden die Armee⸗Corpsbezirke in Divi⸗ sions⸗ und Brigadebezirke und diese, je nach Umfang und Bevölke⸗ rungszahl, in Landwehr⸗ und Kontrolbezirke (Compagniebezirke,

Bezirke der ö übßt xkter) eingetheilt.

Artike 8

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. April 1890 in Kraft.

Berichterstatter Abg. Graf von Saldern⸗Ahlimb⸗ Ringenwalde führte aus, daß das vorliegende Gesetz eine Aenderung der Präsenzstärke des Heeres in keiner Weise be⸗ dinge. Nur die Stäbe müßten geschaffen werden, denn auch die bei den neuen Armee⸗Corps nothwendigen Traintruppen würden durch Zertheilung der vorhandenen Truppentheile ge⸗ schaffen werden. Die Kommission empfehle daher die unver⸗ änderte Annahme der Vorlage.

Ohne Debatte wurde darauf das Gesetz in den einzelne Paragraphen und im Ganzen angenommen.

Es folgte die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaus hahts⸗Etats für das Etatsjahr 1890,91, und zwar des Etats für die Verwaltung des Reichsheeres.

Bei den „Fortdauernden Ausgaben“, Kap. 14 Titel 1 „Gehalt des Kriegs⸗Ministers 36000 ℳ“ bemerkte der Abg. Richter, daß er bei der Geschäftslage des Hauses auf die Erneuerung der in der Kommission von ihm bei den verschiedenen Titeln eingebrachten Anträge verzichten wolle und sich dieselben für eine spätere Session vorbehalte. Nur einen Punkt von genereller Bedeutung wolle er hier berühren: die schlechte Behandlung der Volksschullehrer während ihrer Militärdienstzeit. Redner führte aus einem umfangreichen Material eine Reihe von Fällen an, wo Volksschullehrer von Offizieren und Unteroffizieren eine harte Behandlung erfahren haben wollen.

Bei Schluß des Blattes nahm der Staats⸗Minister von Verdy du Vernois das Wort.

Die Budgetkommission des Reichstages hat bezüglich der ihr zur nochmaligen Berichterstattung überwiesenen Theile des Etats der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung für das Etatsjahr 1890/91 beschlossen: Titel 6, 25, 26, 27 und 28, „Besoldungen von Post⸗Unterbeamten“ bezw. „Wohnungsgeldzuschuß“, mit den bei den einzelnen Titeln in Ansatz gebrachten Summen und unter den gebrauchten Bezeichnungen unverändert zu be⸗ willigen und die Anträge Richter und Singer abzulehnen, den Antrag Freiherr von Ow, dahingehend: „den Herrn Reichskanzler zu er⸗ suchen, in Erwägung zu nehmen, ob nicht die Bezüge für die unteren Beamten einer Erhöhung zu unterziehen seien“, anzunehmen; ferner im Kapitel 4 des ordentlichen Etats Titel 6: „Zur Vergrößerung des Postgrundstücks und zur Herstellung eines neuen ienst⸗ gebäudes in Frankfurt (Main), dritte Rate (erste Baurate = 535 500 ℳ“, die Worte: „Lerste Baurate)“ zu streichen und statt 535 500 nur 235 500 zu bewilligen, und die Petitionen: des Magistrats und der Handelskammer zu Frankfurt am Main, um Bewilligung der im Etat zur Errichtung eines Postdienstgebäudes daselbst geforderten Mittel durch den zu dem betreffenden Etatstitel gefaßten Beschluß für erledigt zu erklären.

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Vorbereitungen für die Wahlen.

Aus Chemnitz berichtet das dortige „Ch. Tageblatt“, daß die am 9. Januar d. J. abgehaltenen Generalversammlungen des konservativen Vereins, des nationalliberalen Wahlvereins und des deutschfreisinnigen Vereins in Uebereinstimmung mit den Vertretern der „Freien Vereinigung reichstreuer Männer“ beschlossen haben, bei der bevorstehenden Reichstagswahl die Kandidatur des Hrn. Oskar Ancke bedingungslos in Ge⸗ meinschaft mit einander thätig zu unterstützen. Hierzu be⸗ merkt das Blatt: „Durch dieses Vorgehen vergrößert sich die Hoffnung, daß bei der bevorstehenden Wahl der Ansturm der Sozialdemokraten abgeschlagen werden wird.“ 8 W““

Zeitungsstimmen.

Zu der Ausschreibng der Wahlen bemerkt die „Deutsche volkewirthschaftliche Correspondenz“:

„Nur noch sechs Wochen trennen uns vom Wahltage, der genau auf den Tag angesetzt ist, an welchem das Mandat des gegenwärtigen Reichstages erlischt, auf den 20. Februar nämlich.

Wenn die Zeit für die Wahlvorbereitungen mithin sehr knapp bemeffen ist, so darf man daraus auf die Absicht schließen, dem Lande

eine fang andauernde Wahlaufregung zu ersparen. Allerdings haben die Sozlaldemokraten ihrestheils schon im vorigen Frühjahr mit der