1890 / 18 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Sachsen. Dresden, 17. Januar. Nachdem Ihre Majestät die Königin einige Tage sieberfrei geblieben war, trat, bie das „Dresd. Journ.“ meldet, vorgestern Abend abermals eine geringe Fiebersteigerung ein, die sich auch gestern Abend wiederholt hat. Die katarrhalischen Erscheinungen von Seiten der Lunge hatten sich in nicht unerheblicher Weise ge⸗ bessert, insbesondere war der Husten weniger lästig. Es hat sich aber neuerdings Schnupfen eingestellt und der Husten ist seit letztvergangener Nacht wieder etwas vermehrt. Se. Durchlaucht der regierende Fürst Reuß j. L. ist zu einem längeren Aufenthalt hier eingetroffen.

Zu dem Antrage der Abgg. Bebel und Genossen, betreffend die Befreiung der in Staatsbetrieben be⸗ schäftigten Arbeiter, sowie der im Civilstaats⸗ dienst ohne Beamteneigenschaft fungirenden Per⸗ sonen von der Zahlung der gesetzlichen Kranken⸗, Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗Beiträge, hat die Finanzdeputation A der Zweiten Kammer beantragt: Die Kammer wolle diesen Antrag auf sich beruhen lassen.

Württemberg. Stuttgart, 17. Januar. (St.⸗A. f. W.) Der Präsident des Landgerichts Tübingen, von Häcker, ist zum Mitglied des Staatsgerichtshofes ernannt worden.

Baden. Karlsruhe, 16. Januar. (Karlsr. Ztg.) Die Zweite Kammer beschloß heute ebensalls, dem Antrage der Kommission gemäß, die Petition, betreffend die Aufbesserung der Gehälter der evangelischen Pfarrwittwen und Waisen, der Regierung empfehlend zu überweisen.

Oldenburg. (H.) Oldenburg, 17. Januar. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hielt am heutigen Ordens⸗ tage ein Kapitel des Haus⸗ und Verdienst⸗Ordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig ab. Eine Ordenstafel fand wegen der Hoftrauer um die verewigte Kaiserin Augusta nicht Statt.

Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 16. Januar. (Mein. Ztg.) Bei der Weiterberathung des Etats hat der Landtag den Zuschuß zu der Arbeiterkolonie in Geilsdorf in Höhe von 27 000 mit allen gegen acht Stimmen bewilligt.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 17. Januar. (Straßb. Post.) Der Bischof von Straßburg hat anläßlich des Todes Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta das nachstehende oberhirtliche Ausschreiben erlassen:

Peter Paul Stumpf, durch Gottes Barmherzigkeit und die Gnade des Heiligen Apostolischen Stuhles Bischof von Straßburg. Assistent am Päpstlichen Throne, Doktor der heiligen Theologie, der Geist⸗ lichkeit und den Gläubigen unserer Diözese Heil und Segen in Christo Jesu.

Geliebteste!

Gott dem Herrn hat es in Seinen unerforschlichen Rathschlüssen gefallen, Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta in die Ewig⸗ keit abzurufen. Mit dem Hinscheiden der hohen Frau wird das Kaiser⸗ liche Herrscherhaus und mit ihm das ganze Deutsche Reich in tiefe Trauer versetzt. Während einer gesegneten Reihe von Jahren hat die hohe Verblichene die seltene Aufgabe einer Herrscherin und Landes⸗ mutter schön und pflichttreu erfüllt. Wo nur eine Bitte zu ge⸗ währen, ein Werk der Barmherzigkeit oder der Nächstenliebe auszu⸗ üben, eine wohlthätige Anstalt zu unterstützen war, so wußte die hoch⸗ herzige Frau in würdiger Weise sich zu verwenden, um nach Kräften das Wohl des Landes zu fördern und den einzelnen Interessen ent⸗ gegenzukommen. Jene Geduld und Gottergebenheit, mit welcher Hochdieselbe besonders in den letzten Jahren die vieifältigen harten Prüfungen der Kaiserlichen Familie mitgetragen, haben Sie nicht nur Ihrem Kaiserlichen Sohne zum Muster vorleben lassen, sondern dem ganzen Lande als Vorbild bis ins hehe Alter aufbewahrt. Es wird daher der Verlust so tief empfunden! Das Andenken aber wird auch ein gesegnetes bleiben. Lasset uns, Geliebteste, vor Gott dem Herrn dies Andenken feiern, für all das Gute, das durch die edle Kaiserin auch an uns gethan, und bei aller Trauer den Segen von oben über Elsaß⸗Lothringen und das ganze Vaterland vertrauensvoll erflehen. Indem wir unserer hochwürdigen Geistlichkrit diese Trauerkunde mit⸗ theilen, verordnen wir zugleich, daß das bereits angeordnete Glocken⸗ geläute mit Einverständniß der Ortsbehörde fortfahre, und daß in allen Pfarrkirchen am folgenden Sonntage die von uns mitgetheilte Trauerbotschaft, während des Hauptgottesdienstes, den Gläubigen von der Kanzel verlesen werde. P. Paul, Bischof von Straßburg.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 17. Januar. (Wien. Ztg.) Der Justiz⸗Minister Dr. Graf von Schönborn hat am 23. Dezember v. J. an alle Justizbehörden in Betreff des Schriftwechsels mit den Gerichten in Elsaß⸗ Lothringen folgende Verordnung gerichtet:

„Die gerichtliche Correspondenz mit Elsaß⸗Lothringen findet nur auf dem diplomatischen Wege statt. Die K. K. Justizbehörden werden demnach angewiesen, ihre für die Gerichte in Elsaß⸗Lothringen bestimmten Correspondenzstücke und die zur Zustellung an Parteien in Elsaß⸗Lothringen bestimmten Akte nicht unmittelbar abzusenden, sondern dem Justizministerium vorzulegen.“

In der heutigen Sitzung der Ausgleichskonferenz, welche von 1 bis 5 ½ Uhr währte, wurden nach „W. T. B.“ die Fragen, betreffend die Errichtung nationaler Kurien im böhmischen Landtage und Revision der Landtags⸗ wahlordnung, berathen.

Großbritannien und Irland. London, 17. Januar. (A. C.) Die Prinzessin Maud von Wales ist ernstlich an der Influenza erkrankt. Die Prinzessin von Wales geht der Genesung sehr schnell entgegen!

Die Leiche der vor einigen Tagen verstorbenen morga⸗ natischen Gemahlin des 598 von Cambridge, Frau Louisa Fitz⸗George, wurde gestern Nach⸗ mittag unter großer 85 des Publikums auf dem Friedhofe in Kensal⸗green zur „Ruhe bestattet. Der Herzog von Cambridge und seine drei Söhne folgten der Leiche. Am Grabe hatten sich der Herzog von Teck (Schwager des Herzogs von Cambridge), Lord Wolseley und viele andere Generale der Armee eingefunden. Der Herzog erhielt Beileidsschreiben und Depeschen von der Königin, dem Prinzen und der Prinzessin von Wales, sämmtlichen übrigen Mitglieder der Königlichen Familie, der Königin von Mhttnark und den Mitgliedern des diplomatischen Corps.

er prächtige Sarg trug die Inschrift: „Louisa Fitz⸗George,

dee gel'ebte Gattin Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs von wembribge ; sie starb am 12. d 1890, 74 Jahre alt.“ Das für das Panzerschiff „Victoria“ bestimmte 110⸗Tonnengeschütz hat die verschiedenen Proben, welchen es in Woolwich unterzogen wurde, bestanden und wird jetzt ungesäumt an Bord gebracht werden. Die „Victoria“ ist zum Nlaggenschif des Mittelmeergeschwaders ausersehen.

ist, wie aus Ottawa

ie canadische Regierun illens, den gegenwärtigen

u. d. 14. d. M. berichtet wird, 1“ L“

5

modus vivendi bezüglich der Fischereifrage ein weiteres

Jahr bestehen zu lassen. Was die Verhandlungen über eine

endgültige Beilegung des Streits betrifft, so beansprucht der

Marine⸗Minister ausschließliche Jurisdiktion über alle Häfen

und will der Exekutive in Quebec nicht erlauben, den Hafen

5 verbessern, wenn die Centralregierung in Ottawa nicht den efehl dazu ertheilt.

18. Januar. (W. T. B.) Die Beisetzung der Leiche des Feldmarschalls Lord Napier of Magdala erfolgt nächsten Dienstag in der St. Pauls⸗ Kathedrale neben der Gruft Wellington's. Der Wittwe des Verstorbenen sind von der Königin, dem Prinzen von Wales und den übrigen Mitgliedern der Königlichen venn. sowie von dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin

riedrich Beileidsschreiben zugegangen.

Frankreich. Paris, 17. Januar. (W. T. B.) Der Kriegs⸗Minister de Freyecinet hat bestimmt, daß in diesem Fahr⸗ das erste und zweite Armee⸗Corps unter dem Befehl Billot's gegeneinander manövriren. Außerdem soll bei mehreren Armee⸗Corps während der Herbstmanöver rauchloses Pulver in Anwendung kommen.

18. Januar. (W. T. B.) Es verlautet, die Re⸗ gierung werde Anfangs Februar das Budget vorlegen mit einer Herabsetzung der Grundsteuer sowie einer 1 der Gebäudesteuer und der Zucker⸗ steuer.

Nancy, 18. Januar. (W. T. B.) Der Appellhof be⸗ stätigte die Verurtheilung von vier Wahlagenten des Deputirten Picot, des siegreichen Gegners Jules Ferry's, wegen Wahlbestechung zu Geldstrafen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 18. Januar. (W. T. B.) Behufs Maßnahmen zu einer erfolgreichen Neu⸗ bewaffnung der Armeen sind vom Kaiser zwei temporäre Kommissionen eingesetzt worden, von denen die eine unter dem Präsidium des Kriegs⸗Ministers, die andere unter dem des Adjunkten des General⸗Feldzeugmeisters Großfürsten Michael Nikolajewitsch, General Sofiano, stehen soll.

Italien. Rom, 17. Januar. (W. T. B.) Anläßlich der Erkrankung des Herzogs von Aosta begiebt sich der König heute Abend 11 Uhr nach Turin. Ueber das Be⸗ finden des erkrankten Bruders Sr. Majestät ist heute das erste, von den Aerzten Dr. Bruno und Dr. Gamba unter⸗ zeichnete Bulletin ausgegeben worden. Darnach leidet der Herzog an einer Entzündung des rechten Lungenflügels; das Fie er ist mäßig, irgendwelche Komplikation liegt nicht vor.

r. Baccelli ist von Rom zur Konsultation nach Turin be⸗ rufen worden.

Spanien. Madrid, 18. Januar. (W. T. 89 Die Königin⸗Regentin beauftragte den Kammer⸗Präsidenten Alonso Martinez mit der Bildung eines neuen Kabinets. Dieser übernahm den Auftrag und will ein Ministerium der Versöhnung bilden.

Portugal. Lissabon, 15. Januar. In einer Lissaboner Korrespondenz des „Standard“ heißt es, daß die Kolonial⸗ behörden in Mozambique Ungehorsam zeigen; auch sagen selbst Lissaboner Blätter, daß es Wochen ja Monate dauern könne, bis die Civil⸗ und Militärbehörden Portugals im Nyassa⸗Land dazu gebracht werden dürften, sich in die von Lord Salisbury bezeichneten Grenzen zurück⸗ zuziehen. Die portugiesische Regierung sei also noch nicht am Ende ihrer Verlegenheiten Der feen shece Horschagsretsenbe Kapitän Trivier, der in dem Augenblick in Mozambique ankam, wo Major Serpa Pinto den Konflikt mit den Makololos hatte, giebt die portugiesischen Streitkräfte daselbst auf 5000 Mann. und drei Kanonenboote an. Er berichtet ferner, daß die Makololos es gewesen, welche den Angriff auf die Portugiesen in M'Passo, das im altanerkannten Besitze der letzteren stehe, gemacht haben. Die Makololos, auf welche namentlich die Mitrailleusen der Portu⸗ giesen einen furchtbaren Eindruck machten, haben im Kampfe 172 Mann und eine große Zahl Verwundete gehabt. Trivier bestätigt weiter, daß die Portugiesen den Eingebornen zwei englische Fahnen abnahmen. Heute und gestern be⸗ gaben sich Gruppen von Leuten vor das Denkmal von Camoëns. Gestern bedeckten Studenten zum Zeichen der Trauer die Statuen der alten Seefahrer, die um das Monu⸗ ment stehen, mit einem Schleier. Während dieser Kund⸗ f bung erschollen die Rufe: „Nieder mit den Engländern!

ieder mit den Seeräubern!“ Heute Nachmittag wurden etwa 70 Manifestanten, welche „Nieder mit England!“ schrieen, verhastet. Man berichtet, in Cormbra sei eine englische Fahne vor der Kaserne verbrannt worden, ohne daß ie Soldaten sich geregt hätten. Der Herzog von Palmela hat der englischen Gesandtschaft die Medaille zurück⸗ geschickt, die er im Krimkriege, während dessen er in der englischen Marine diente, erhalten hatte. Zum Kriegs⸗ Minister ist der Divisions⸗General Vasco Guedes de Car⸗ valho Menezes ernannt, zum Marine⸗Minister Arroyo. Heute hat das neue Kabinet den Eid glleistet.

Belgien. Brüssel, 17. Januar. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beschloß, den Antrag Janson auf Errichtung eines statistischen Bureaus für Gruben⸗ und Bergarbeiten in Erwägung zu ziehen.

Bulgarien. Sofia, 18. Januar. (W. T. B.) Die Munizipalität von Sofia hatte entsprechend einem von der Sobranje beschlossenen Gesetz die Erhebung eines Ein⸗ gangszolles von 5 Proz. auf alle Handels⸗ artikel eingerichtet, auf welche bisher eine Ab⸗ gabe nicht bezahlt worden woar. Die Vertreter Frankreichs, Italiens und Oesterreichs 1n gegen diese Maßnahme bei der Regierung Einspruch er⸗ hoben. Eine militärische Kommission zur Kontrole der Fabrikation der für Bulgarien bestellten Mannlicher⸗ Gewehre begiebt sich heute nach Steyer.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Januar. (W. T. B.) Der Reichstag wurde heute vom König mit einer Thronrede eröffnet, in welcher unter anderen Gesetzes vorlagen solche über Aenderung des Strafgesetzes, ferner betreffend die Fortsetzung der im Jahre 1885 begon⸗ nenen Vervollständigung des Armeewesens sowie eine Arbeiter⸗ Unfallversicherung und die Fortsetzung des Baues der Nord⸗ bahn an dem oberen Lulea angekündigt werden.

Amerika. Washington, 16. Januar. (R. B.) Bei der Berathung des Auslieferungsvertrages mit Ruß⸗ land in der gestrigen Sitzung des Bundessenats erhoben die Senatoren Teller, Edmunds, Hoar und Eustis gegen die

Auslieferung politischer Verbrecher Einsprache. Der Vertrag wurde, wie schon gemeldet, schließlich an den Aus⸗ schuß für auswärtige Angelegenheiten zurückverwiesen. 8

Ein Bericht des Marineamts empfiehlt eine der

Würde und Macht der Nation angemessene Vergrößerung der Bundesmarine. Es wird der Bau von 102 Schiffen in 14 Jahren mit einem Kostenaufwande von 280000000 Dollars befürwortet. G

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (46.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn, Dr. von Stephan, sowie andere Bevollmächtigte zum Bundes⸗ rath nebst Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß der Abg. Ziegler, Vertreter des 1. an⸗ haltischen Wahlkreises, gestern in seiner Heimath gestorben ist. Das Haus ehrte das Andenken des Dahingeschiedenen durch Erheben von den Sitzen.

Auf der Tagesordnung stand an erster Stelle: die Fort⸗ setzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ brend die Feststellung des Reichshaushalts⸗Etats

Die Kapitel „Matrikularbeiträge“ und „Außer⸗

ordentliche Deckungsmittel“ gelangten ohne Debatte zur

Annahme, ebenso nach unerheblicher Debatte das Etats⸗- 8

gesetz und der Gesetzentwurf, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine, der Reichseisenbahnen und der Post und Telegraphen.

Damit war die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗ Entwurfs für 1890/91 erledigt.

Es folgte die dritte Berathung des von dem Abg. Frei⸗ herrn von Huene eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Wehrpflicht der Geistlichen, auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenommenen berichtigten Antrags in Verbindung mit dem mündlichen Bericht der Kommission für die Petitionen.

(Der Wortlaut des Antrags ist bereits von uns mitgetheilt 8

worden.) Hierzu beantragten: Abg. von Kleist⸗Retzow: 8 8

Fuür den Fall der Ablehnung der Beschlüsse zweiter Lesung den Text des Gesetzentwurfs wie folgt zu fassen:

„Militärpflichtige römisch⸗katholischer Konfession, welche sich dem Studium der Theologie widmen, werden in Friedenszeiten während der Dauer dieses Studiums bis zum 1. April des siebenten Militärjahres zurückgestellt. Haben dieselben bis zu dem vorbezeich neten Zeitpunkt die Subdiakonatsweihe empfangen, so werden diese Militäarpflichtigen der Ersatzreserve überwiesen und bleiben von Uebungen befreit“;

ferner: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, herbeiführen zu wollen, daß Einjährig⸗Freiwillige, welche sich dem Studium der Theologie einer mit Korporationsrechten innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft widmen, in Friedenszeiten auf ihren Antrag nach halbjährigem Dienst mit der Waffe das zweit Halbjahr in der Krankenpflege dienen.

Die Abgg. von Kardorff und Nobbe beantragten:

Einziger Paragraph.

Militärpflichtige römisch⸗katholischer Konfession, welche sich dem Studium der Theologie widmen, werden in Friedenszeiten während der Dauer dieses Studiums bis zum 1. April des siebenten Militärpflichtjahres zurückgestellt. Haben dieselben bis zu dem vor⸗

bezeichneten Zeitpunkte die Subdiakonatsweihe empfangen, so

werden diese Militärpflichtigen der Ersatzreserve überwiesen und bleiben von Uebungen befreit.“ b 5 Der Berichterstatter der Kommission für die Petitionen, Abg. Dr. Kohli beantragte: 1 die bei dem Reichstag eingegangenen Petitionen II. Nr. 1224, 1294, 1476, 1537, 1538, 1558, 1561, 1562, 1646, 1648 bis 1653, 1658 bis 1671 von Korporationen, evangelischen Geistlichen un Studirenden der Theologie ꝛc. um Ablehnung des von dem Abg Freiherrn von Huene eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Wehrpflicht der Geistlichen Nr. 38 der Drucksachen (berichtigt) —, bezw. um Erhaltung der Wehrpflicht für die Theologen der evangelischen Konfession 8 durch die Beschlußfassung über den gedachten Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Abg. Freiherr von Huene wies die Behauptung zurück daß mit dem Ausschluß der Theologie⸗Studirenden vom Dienst mit der Waffe die Ehre dieses Standes beein⸗ trächtigt werde; sie würden ja dafür zu anderem, nicht minder ehrenvollem Dienst im Heere Hercggen. Zu bedauern seien die Anträge, welche die evangelischen Theologie⸗Studirenden von dem vorliegenden Gesetzentwurf ausschließen wollten; auch in weiteren protestantischen Kreisen sehe man den Dienst mit der Waffe als mit dem geistlichen Amt nicht vereinbar an. 1 Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. von Kleist Retzow.

(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tages befindet sich in der Ersten Beilage.)

Der Geheime Kommerzien⸗Rath Ziegler, Mitglie des Reichstages für den 1. Anhalter Wahlkreis (Dessau), ist in der Nacht vom 16. zum 17. d. M. in Dessau gestorben

Dem Herrenhause ist ein Gesetzentwurf, be⸗ treffend den Ansatz der Zinsen von den aus dem vor⸗ maligen Stadtbuch in Altona in das Grundbuch übertragenen Hypothekenim Zwangsvollstreckungs⸗

verfahren nebst Begründung, sowie der unveränderte Gesetz⸗

entwurf, betreffend die Kirchengemeindeordnung für die evangelisch⸗lutherischen Bornheim, Oberrad, Niederrad, Bonames, Nieder ursel und Hausen nebst Begründung zugegangen, welcher in der vorigen Session des Landtages nicht mehr zur Er ledigung gelangte.

Die X. Kommission des Herrenhauses für Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Unterhaltung der nicht schiftbaren Flüsse in der Provinz Schlesien, hat si tons ten und zum Vorsitzenden Herrn von Woyrsch gewählt.

Von dem Bureau⸗Direktor des Herrenhauses, Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. Metzel ist zur Orientirung über den Bestand und die Zusammensetzung des Herrenhauses das Handbuch für das Preußische Herrenhaus, im amt⸗ lichen Auftrage bearbeitet, in einer neuen erweiterten Ausgabe herausgegeben worden, von der soeben der 1. Theil erschienen ist. Dieser enthält Aktenstücke und Erläuterungen, betreffend

die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat und be⸗

1“

Kirchengemeinden

die Gedanken sehr viel weniger auf ei

treffend die gegenwärtige Verfassung und Feseammensetung des Herrenhaufes. Dieses mit Sachkenntniß, Umsicht und Sorgfalt bearbeitete Handbuch erleichtert in hohem Maße die Orientirung über die Angelegenheiten und Personalien des Herrenhauses und darf daher als ein unentbehrliches Hülfs⸗ buch empfohlen werden.

Dem Hause der Abgeordneten ist die Ueber⸗ sicht von den Staatseinnahmen und ⸗Ausgaben des Jahres vom 1. April 1888/89 nebst Anlagen und der dazu gehörigen Denkschrift zugegangen; ferner die Nachweisungen, der bei der Domänenverwaltung und bei der Forstverwaltung im Etgtsjahre 1888/89 durch Kauf und Tausch vorgekommenen Flächenzugänge, sowie der durch Verkauf, Tausch und in Folge von Ablösungen und Separationen eingetretenen Flächenabgänge, und der Nachweis über die Verwen⸗ dung des in dem Etat der Eisenbahnverwaltung für 1888/89 vorgesehenen Dispositionsfonds von

Zeitungsstimmen.

Zum achtzehnten Januar (1701—1871—1890) bringt die „Hallische Zeitung“ folgende Botrachtung:

„Zwei der allerwichtigsten Ereignisse in deg Geschichte unseres engeren wie unseres weiteren Vaterlandes, die der heutige Tag in unserer Erinnerung weckt, fordern am 18. Januar jeden Patrioten zum Dankgebet auf.

8 Am achtzehnten Januar 1701 trugen die Glocken von Königsberg weit hinaus in alle preußischen Gauen und Auen eine Freudenbotschaft, die das Herz jedes Unterthanen der zeitherigen Kur⸗ fürsten von Brandenburg mit frohem Stolze schwellte. Sie ver⸗ kündeten die Krönung des ersten Königs von Preußen. Die Nach⸗ kommen des Hohenzollern'’schen Burggrafen von Nürnberg hatten nach harter Arbeit in fast dreihundertjährigem Ringen aus dem kleinen und armen Ländchen einen immer ansehnlicheren Staat herausgebildet, dem sodann die Siege des großen Kurfürsten die Unterlage seiner künftigen Größe schufen. „Der Sohn des Siegers von Fehrbellin, der dritte kurfürstliche Friedrich Brandenburgs, nahm als Friedrich I. die Königs⸗ krone Preußens vom Tisch des Herrn. Seine Nachfolger traten das Testament seines großen Vaters an.

Die Jahrhunderte gingen und kamen und mit ihnen manch' stolzer Ehrentag, aber auch manch' tiefer Fall. Leuthen und Roßbach Jena und Auerstädt die Barrikaden von 1848 und der Tag von Olmütz. Und mit den Jahrhunderten gingen und kamen die Geschlechter, gingen und kamen die Könige! Per aspera ad astra!

Der Sohn der Königin Luise kam und die unvergeßlichen Siege auf gallischer Erde.

Am achtzehnten Januar 1871 in dem stolzen Fürstenschloß zu Versailles stand der ruhmvolle Sieger des unbesiegbaren Frank⸗ reichs und huldigend umgaben ihn, wie der Sterne Chor um die Sonne gestellt, die Fürsten Deutschlands und lauschten fiefergriffen der Proklamation, durch welche Wilhelm I. die seit sechzig Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde erneuete und das alte deutsche Reich wieder aufrichtete.

Am achtzehnten Januar 1890! Fast zwei Jahrzehnte sind verrauscht im Zeitenstrom. Der Begründer des Reichs ist schlafen gegangen in die Gruft seiner Ahnen, aber sein Enkel lebt und mit iym der Hohenzollerngeist, der vom Schlachtfeld zu Fehrbellin den Weg fand zum Königsschloß in Versailles. Nec soli cedis! Mit frohem Stolz rufen wir das Wort dem theuren Kaiser heut' ent⸗ gegen, das seines Kaiserlichen Wirkens Parole bleiben wird für und für! Das Testament des großen Kurfürsten das Testament Wil⸗ helm's I. Nec soli cedis!“

Ueber die Bedeutung der kommenden Reichstags⸗ wahlen schreibt die ‚Danziger Allgemeine Zeitung“:

„Es ist vielfach und wohl nicht ohne Grund die Befürchtung ausgesprochen worden, daß die Betheiligung bei den nächsten Wahlen nicht annähernd so groß sein werde, wie im Jahre 1887. Damals hatte die Septennatsfrage die sonst politisch trägen Massen des Volks derart aufgerüttelt, daß 77,5 % aller Wahlberechtigten an den Wahl⸗ urnen erschienen. Diesmal stehen militärische Fragen nicht unmittelbar auf der Tagesordnung des Wahlkampfes, es wäre aber ein bedauer⸗ licher Irrthum, wenn deshalb angenommen werden sollte, daß bei den bevorstehenden Wahlen weniger auf dem Spiele stehe als vor drei

or Allem sfollte die Gewißheit, daß eine kartellfeindliche Majorität die Finanzpolitik, die Politik des Schutzes der nationalen Arbeit und die Politik der sozialen Reform rückgängig zu machen suchen würde, ein Motiv zu starker Wahlbetheiligung sein. Man stelle sich nur die Konsequenzen hiervon vor: etwa 300 Millionen Mark, welche aus den Zöllen gegen 1878 mehr erhoben werden, würden nicht etwa einfach dem Volke „erlassen“ werden, sondern diese müßten durch direkte Steuern aufgebracht werden, weil die Bedürf⸗ nisse, deren Befriedigung von der Opposition selbst als nothwendig anerkannt worden ist, nicht unbefriedigt gelassen werden können. Die Aufhebung der Zollschranken würde den heimischen Markt mit aus⸗ ländischer Waare überschwemmen und die Löhne der Arbeiter herab⸗ drücken. Und was endlich die soziale Reform anbetrifft, so würde der Versuch, die gesellschaftlichen Verhältnisse abermals nach dem manchesterlichen Rezept des „Hilf Dir selbst“ zu gestalten, direkt die soziale Revolution heraufbeschwören.

Möglichst leichte und wenig drückende Aufbringung der zur Er⸗ haltung des Staats erforderlichen Lasten, Schutz der nationalen Arbeit und Schutz der Gesellschaft gegen soziale Revolution, das ist es, was auf dem Spiele steht.

In der That, solche Ziele sind des Schweißes der Edlen werth, und sie sind groß und wichtig genug, um allen Wählern die Be⸗ deutung der Wahlen vor Augen zu führen. Wenn im Jahre 1887 gerade 17 % mehr als im Jahre 1884 Wahlberechtigte zur Ab⸗ stimmung schritten, so brachte dies uns den Sieg: denn Diejenigen, welche sonst sich wenig um Politik kümmern, weil sie mit der Re⸗ gierung zufrieden sind, legten ihr gewichtiges Wort in die Wag⸗ schale. Jetzt stehen, wenn man gewissenhaft Umschau hält, dieselben und noch größere Dinge auf dem Spiele! Sollten sich da nicht die sonst unthätigen, aber zufriedenen Elemente noch weit mehr bewogen sühlen, Zeugniß abzulegen für Kaiser und Reich? Die nächsten Wochen müssen vor Allem der Gewinnung dieser Elemente gewidmet sein, auf daß sich ihr Eifer für die gute Sache vermehrt und vergrößert. Es sind die ersten Reichstagswahlen unter Kaiser Wilhelm II.! Wie unser Kaiser seine ganze Kraft aufwendet, um das Reich nach innen und außen groß zu machen, so müssen auch jene Elemente an diesem Tage ihre Schuldigkeit thun, um einen Reichs⸗ tag zu wählen, welcher eine Garantie bietet für eine gesunde Weiter⸗ entwickelung.“

In der „Berliner Börsenzeitung“ lesen wir: Die freisinnige Partei ist in nicht geringer Verlegenheit um eine zugkräftige Wahlparole. Der altbeliebte Ruf, den bedrohten Volksrechten zu Hülfe zu kommen, will nicht mehr verfangen, nach⸗ dem er sich so ost als blinder Lärm erwiesen, nachdem namentlich dieser „freiheitsfeindliche“ Kartell⸗Reichstag die düsteren Weissagungen der reisinnigen zu Schanden gemacht hat, und von Allerhöchster Stelle immer nachdrücklicher eine antireaktionäre Politik betont worden ist. Auch das vor einigen Monaten mit so großer Heftigkeit erhobene Geschrei über die Vertheuerung der nothwendigen Lebensmittel zeigt sich unwirksam; denn in den Kreisen, auf welche man damit hauptsächlich spekulirte, sind

i Verminderung der Preise 8 LI““

Zoll⸗ und Steuergesetzgebung überhaupt erreicht werden könnte, als auf eine beträchtliche Steigerung der Löhne gerichtet. Das letztere aber ist ein Kapitel, für welches sich in der freisiunigen Presse noch keine rechte Begeisterung finden will, da es ja nicht allein national⸗ liberale und konservative, sondern auch freisinnige Arbeitgeber sind, auf deren Geldbeutel es abgesehen ist. Um nun ihre Rathlosigkeit zu maskiren, schildert die freisinnige Presse Tag für Tag in beweg⸗ lichen Worten die Verzwe iflung der Kartellparteien, eine Lösung zu finden, mit der man auf die Wähler Eindruck machen könnte. ÜUns, die wir den Kartellparteien doch etwas näher stehen, als die Frei⸗ sinnigen, schreiben die Hamb. Nachr.“, ist von dieser Verzweiflung nichts bekannt. Den Kartellparteien ergiebt sich die Wahlparole ganz von selbst. „Fortschreiten auf der bisherigen Bahn“, das ist alles, was sie zu sagen brauchen. Die Früchte des vielgeschmähten Kartell⸗ Reich tages liegen vor aller Augen. Wenn heute unter dem Schutze des nach Menschenmöglichkeit gesicherten Weltfriedens das wirthschaft⸗ liche Leben zu einem lange nicht gesehenen Aufschwunge gediehen ist, so kann kein unbefangen und ehrlich Urtheilender verkennen, daß von dem Verdienste, diesen Zustand herbeigeführt zu haben, ein gutes Theil dem Deutschen Reichstage gebührt. Und wenn anderer⸗ seits in unserer Arbeiterwelt unverkennbar eine unheil⸗ schwangere Gährung besteht, so ist doch so viel außer Zweifel, daß die von den Kartellparteien befolgte, auf die Befriedigung aller ge⸗ rechten Forderungen der Arbeiter gerichtete Sozialpolitik eine bessere Gewähr für die Beschwichtigung derselben bietet, als die Weisheit der Freisinningen, welche diese Politik bekämpft und den Arbeitern nichts zu bieten weiß, als leere Phrasen. Mögen sich also die Frei⸗ sinnigen die saure Arbeit ersparen, sich immer wieder den Kopf über die Kartellparteien zu zerbrechen. Jedenfalls hätten sie mehr Veran⸗ lassung, sich einmal zu überlegen, wie sie dem schlichten Wähler be⸗ greiflich machen wollen, daß man neue Ausgaben für militärische Zwecke bewilligen, die zur Bestreitung derselben erforderlichen Ein⸗ nahmen aber verweigern kann.“

Kunst und Wissenschaft.

Hr. Hauptmann Boelticher bat den „Hann. Cour.“ um Aufnahme einer Erklärung, in welcher er sagt: es sei nicht wahr, daß er in Bezug auf Schliemann's „Troja“ irgend etwas widerrufen hätte,. Seine Ueberzeugung, dies „Troja“ sei nur eine Feuernekropole, sei im Gegentheil durch seine Besichtigung der Oertlichkeit befestigt worden.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Post n dem aus Shanghai am 18. Dezember ab⸗ gegangenen Reichs⸗Postdampfer „Preußen“ ist in Brindisi eingetroffen und gelangt für Berlin voraussichtlich am 20. d. M. Vormittags zur Ausgabe.

London, 17. Januar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Trojan“ ist heute auf der Heimreise in Southampton angekommen.

—, 18. Januar. (W. T, B.) Der Union⸗Dampfer „Pre⸗ toria' ist gestern von Southampton auf der Ausreise abgegangen.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

„Am gestrigen Abend gelangten neueinstudirt und inscenirt Meyer⸗ beer's „Hugenotten“ zur Aufführung. Die beifällige Aufnahme, welche dieses Werk in seinem neuen Gewande auch gestern wieder fand, beweist, daß es nach wie vor zu einer der wirkungsvollsten Num⸗ mern des Opernrepertoires zu rechnen ist und stets dankbare Zuhörer finden wird. Die Vorzüge dieser Tonschöpfung halten den Fehlern derselben die Waage und werden der cffektvollen Komposition die alten Freunde erhalten. Die Besetzung war im Großen und Ganzen dieselbe geblieben wie bei den früheren Auf⸗ führungen. Die Rolle des Raoul wurde von Hrn. Rothmühl ge⸗ geben und bot ihm hinreichend Gelegenheit, sein prächtiges Organ in der ausgiebigsten Weise zu verwerthen. Neben kräftiger Behandlung wußte er doch auch an geeigneten Stellen zart und weich die Schön⸗ heiten der Partie zur Geltung zu bringen. Frl. Leisinger war als Königin eine angemessene Erscheinung und die von ihr vorgetragenen Nummern gelangen ihr recht gut. Als Valentine trat Frau Pierson auf und wurde dem Charakter dieser Rolle in zufriedenstellender Weise gerecht; ihr Organ liegt für diese Partie bequem; zuweilen stört freilich ihre Neigung, zu tremoliren. Als Page sahen wir Frl. Herzog, sie gefiel durch ihr gewandtes Spiel nicht minder wie durch die technische Sicher⸗ heit, welche sie in ihrem Vortrag zu erkennen gab. Hr. Betz hat als St. Bris nichts von seiner früheren Leistungsfähigkeit ver⸗ loren. Vornehm in der Haltung war Hr. Bulß. Für den erkrankten Hrn. Biberti war Hr. Krolop eingetreten und entledigte sich seiner Aufgabe als Marcel recht geschickt. Der Chor that vollauf seine Schuldigkeit. Ein Verdienst hat sich die Regie durch die Inszenirung und das Arrangement der Gruppen erworben. Alles in Allem genommen darf daher die Neueinstudirung der Huge⸗ notten als eine in jeder Hinsicht gelungene bezeichnet werden.

Königliches Schauspielhaus.

Auf der Königlichen Bühne gelangte gestern Abend „Erich Brahe“', ein geschichtliches Trauerspiel in fünf Aufzügen von Otto Girndt, zur ersten Aufführung. Die Aufnahme der Novität muß eine sehr freundliche genannt werden; nach dem jedesmaligen Fallen des Vorhanges wurden die Mitwirkenden hervorgerufen, und zum Schluß ertönte eifriges Rufen nach dem Verfasser, welcher auch vor der Gardine erschien. Das Stück behandelt eine Episode aus der neueren schwedischen Geschichte, die Empörung des Grafen Brahe gegen die Macht des Reichsraths um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Graf Erich Brahe erhebt sich als Ver⸗ theidiger der schmählich eingeschränkten und mehr und mehr zurück⸗ gedrängten Kronrechte, welche den Händen des schwachen Königs Adolf Friedrich allmählich entgleiten; Erich Brahe büßt sein Vor⸗ haben mit dem Tode, den der Reichsrath über ihn verhängt und den die zu spät aufgewachte Energie des Herrschers nicht mehr verhindern kann; mit ihm gehen seine Gefährten Graf Horn, Lieutenant Puke u. s. w. in den Tod.

Soweit hat sich Otto Girndt an bekannte geschichtliche That⸗ sachen gehalten; als Dichter läßt er aber noch andere Geschehnisse perfönlicher oder vielmehr privater Natur in die Handlung eingreifen, welche hierdurch in ihrem Berlauf zum Theil bestimmt wird. Zum Beginn des Stückes erfahren wir, daß die schöne, leidenschaftliche Gräfin Juliane Fersen die junge Gattin des Grafen Brahe, dem die erstere eine unerwiderte, heiße Liebe widmet, mit glühendem Haß verfolgt, der seinen schärfsten Ausdruck in einem Mordversuch findet. Juliane’s Rachsucht verwandelt sich aber bald und auf seltsame Weise in Reue und opfermuthige Hingebung. Aus der Verfolgerin wird Gräfin Juliane eine Schützerin des Grafen Brahe und seiner Gemahlin, aber auch sie vermag das mit dem Tode auf dem Schaffot endende Geschick des Helden nicht mehr abzuwehren, nachdem ein sorgendes utterherz, die alte Frau Puke, die Verschwörung der Anhänger des Königs dem Grafen Fersen in der vergeblichen Hoff⸗ nung entdeckt hat, dadurch ihren Sohn zu retten.

Der Verfasser hat mit erkennbarem Fleiß gearbeitet, aber er hat das letzte große Ziel des Dramatikers, ein tragisches Geschick in packender und ergreifender Weise in folgerichtiger abgerundeter Hand⸗ lung den Zuschauern vor die Augen zu stellen, nicht erreicht. Die Handlung entwickelt sic nur langsam und gleichsam ruckweise; Ursache und Wirkung folgen nicht immer schnell genug aufeinander, um den Zusammenhang zweifellos zu machen; es werden Figuren breit eingeführt, welche mit den hauptsaͤchlichen Vorgängen wenig oder nichts

nie fördern; so tritt u

zu thun haben, die daher den Fortschritt 89 andlung nur aufhalten

A. ein munter 2 8

noch dazu eine so geringfügige, wie sie durch eine Korrektur der

ikssänger Bellmann im

vierten und fünften Akt fast nur als illustrirendes Element auf; di Gestalt ist an sich recht unterhaltend und sollte offenbar de Humor der Zeit verkörpern, aber ihr Fehler ist, daß sie weder i Erscheinen noch im Verschwinden irgend welchen Einfluß auf di Haupthandlung gewinnt. Die Charaktere sind zumeist nicht gleich mäßig und kräftig durchgeführt. Ein Anfangs so hart erscheinender leiden schaftlicher Charakter, wie ihn Gräfin Juliane entwickelt, welcher nicht vor einem kaltblütig überlegten Morde zurückschreckt, und dann auch noch ein zweites Leben auf sein Gewissen laden will, wird nicht plötzlich umgewandelt, weil der Mitwisser dieser Schreckensthate ihr das Mordinstrument, ein Fläschchen mit Gift, zurückbringt, um zeihre Zukunft zu retten“. Daß der Dichter die Reue der schönen Sünderin ebenso maßlos zeichnet, wie ihre Schuld, entspricht schon eher dem gewaltthätigen Grundzuge des Charakters. Die Wirkung aller handelnden Personen wäre eindringlicher gewesen, wenn das Seelenleben derselben sorgfältiger und sicherer bervortreten würde; 38 so vermochten sie vielleicht Neugierde, aber keine tiefe Theilnahme zu erwecken.

Der Dialog zeigt eine gewählte, Sprache; die Ausdrucksweise erfreute durch Glätte und Sauberkeit.

Das Drama macht den Eindruck, als ob es sorgsam und klüglich

ausgedacht und ausgefüͤhrt sei, aber es fehlte der große leidens 2 liche Zug, die Tiefe der Empfindung, welche hinreißt und ben

An der Darstellung waren die besten Kräfte betheiligt. Hr. Ludwig spielte den königstreuen Helden „Erich Brahe“ mit ritker- lichem Anstande und mit so viel Feuer, als sich in die Rolle hinein. legen läßt. Den Intriganten und Führer des Reichsraths, den Reichstagsmarschalk Graf Fersen Lachte Hr. Keßler in Maske und Sprache treffend zum Ausdruck Hrn. Krause war die Rolle des „Hauptmann Stalswärd“ zugefallen, welcher unheil⸗ verkündend die ganze Handlung begleitet; seine Rede geht manchmal etwas in die Breite, nicht gerade zum Vortheil der Figur; Hr. Krause sah melancholisch und düster aus und entledigte sich seiner unheilvollen Prophetenaufgabe mit Geschick. Die ränkevolle und reu⸗ müthige Grafin spielte Frl. Poppe mit tragischer Leidenschaft; ihre Sprache und Geste weist stets ein reiches Maß von Ursprünglichkeit und Frische auf, welche für kleine Mängel des jugendlichen Talents entschädigen. Fr. von Hochenburger war eine liebliche Christina Brahe, welche aber manchmal mehr pathetisch als natütlich sprach. Die Abschiedsscene der Wittwe Puke von ihrem Sohn brachte 8 Fr. Seebach zu ergreifender Wirkung. Die Dekoratsonen, welche sehr häufig gewechselt werden mußten neun Mal im Laufe des Abends zeigten ebensoviel Geschmack wie weises Mashalten in Bezug auf den Reichthum der Ausstattung.

Der Spielplan der Oper für die Zeit vom 19. Januar bis 27. Januar lautet: Am Sonntag, den 19: „Die Hugenotten“; Montag, den 20.: „Tannhäuser“; Dienstag, den 21.: „Orpheus und Eurydike“; Mittwoch, den 22.: „Die Hagenotten“; Donnerstag, den 23.: „Lohengrin“; Freitag, den 24.: „Carmen“; Sonnabend, den 25.: „Die Königin von Saba“; Sonntag, den 26. „Der Freischütz“”; Montag, den 27.: „Eurya the“.

Für das Schauspiel: Am Sonntag, den 19.: Zum ersten Male wiederholt: „Erich Brahe“; Montag, den 20: „Wilhelm Tell“; Dienstag, den 21.: „Die Weisheit Salomos“; Mittwoch, den 22.: „Minna von Barnhelm“; Donnerstag, den 23. Januar: „Erich Brahe“; Freitag, den 24.: „Egmont“; Sonnabend, den 25.: „Die Quitzows-; Sonntag, den 26.: „Wilhelm Tell“; Montag, den 27.:

„Colberg“. Deutsches Theater.

Morgen wird das einaktige Schauspiel „Zwischen den Schlachten“ von Björnson und „Der Tartüff“ von Molière zum ersten Male wiederholt. Am Montag wird „Faust's Tod“ gegeben. Das weitere Repertoire der Woche bringt abwechselnd Wiederholungen der beiden Vorstellungen „Zwischen den Schlachten“ und „Der Tartüff“ 8

„Krieg im Frieden“. Berliner Theater.

Fn der morgen stattfindenden Matinée⸗Aufführung des „Probe⸗ pfeil“ spielt Ludwig Barnay zum ersten Male in Berlin die Rolle des Krasinsky; um so mehr verdient dies betont zu werden, als der genannte Künstler diese Rolle nur dies eine Mal spielt, und die dem wohlthätigen Zweck gewidmete Vorstellung auf diese Weise ein inter⸗ essantes Gepräge mehr erhält. Agnes Sorma vom Deutschen Theater spielt die Beate, Georg Engels die von ihm oftmals dargestellte Rolle des Rittmeisters Dedenroth. Adolf Klein vom Lessing⸗Theater wirkt als Baron v. d. Egge mit, während Hans Pagav vom Residenz⸗Theater die episodische Rolle des Professors Spitzmüller übernommen hat. Die Vorstellung nimmt pünktlich Mittags um 12 Uhr ihren Anfang und dauert bis halb drei Uhr.

„Die Direktion hat, vielfachen Wünschen Folge leistend, für Mittwoch, den 22. d. M. „König Lear“ auf's Repertoire gesetzt. In dieser „Lear“⸗Aufführung wird, wie in allen demnächst stattfindenden „Hamlet“⸗Aufführungen, Ludwig Barnay die Titelrolle spielen.

Das Repertoire der nächsten Woche lautet: Am Montag, den 20. Januar: „Hamlet“; Dienstag, den 21. Januar: „Der Veilchen⸗ fresser“; Mittwoch, den 22. Januar: „König Lear“; Donnerstag, den 23. Januar: „Der Vellchenfresser“; Freitag, den 24. Januar, 19. Abonnements⸗Vorstellung: „Hamlet“; Sonnabend, den 25. Ja- nuar: „Der Veilchenfresser“.

Lessing⸗Theater. .

Das Repertoire lauter für die kommende Woche wie folgt: Sonntag: „Die Ehre“. Montag: „Die Kreuzelschreiber.“ Dienstag: „Die Ehre“. Mittwoch: Zum ersten Male: „Die Geigenfee“, bußt. spiel in 3 Akten von Hans Olden und Paul von Schönthan. Donnerstag: „Die Ehre“. Freitag: „Die Geigenfee“. Sonnabend: „Die Ehre“. Sonntag: „Die Geigenfee.“

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater.

„Der arme Jonathan“ hat bei der ersten Wiederholung dieselbe Aufnahme eines vollen Hauses gefunden wie am ersten Abend, an welchem fast alle Nummern dieser reizvollen Opererten⸗Novität stür⸗ misch da capo verlangt wurden, und die Vorstellung hierdurch sich über das gewohnte Maß verlängerte. Bei den weiteren Wiederholungen und der große Erfolg der Milöcker'schen Operette verspricht eine lange Reihe tritt von selbst das Normalmaß des Theaterabends wieder ein. 1

Sing⸗Akademie. .

Hr. Victor Benham, ein junger begabter Pianiß aus London, gab gestern ein Concert, in welchem er zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum erschien, und zwar nicht bloß als Klavierspieler, sondern auch als Improvisater auf seinem Instrument. Das Pro⸗ gramm war interessant und enthielt nicht die an vielen Klavierabenden oft gehörten Piècen. Mit dem zweiten Concert von Weber (Es-dur) trat der Künstler zuerst hervor. War in der Ausführung desselben auch noch eine gewisse Unruhe zu erkennen, so zeigte der Concertgeber doch eine bereits sehr weit entwickelte technische Fertigkeit, während uns sein Anschlag weniger zusagte. Ein Toccata für Orgel von Bach (F-dur), von Hrn. B. selbst sehr wirkungsvoll für Klavier bearbeitet, sowie eine aus dem Nachlaß Duossek's herrührende Fantasie und ein Impromptu über ein Thema von Clara Schumann, von ihrem Gatten komponirt, gelangen dem Spieler vortrefflich. Den Gipfel⸗ punkt seiner Leistungen bildeten aber die gleichfalls sehr selten gehörten Variationen über Mozart's „Reich mir die Hand mein Leben“ von Chopin, mit Begleitung des Orchesters, deren Vortrag mit qußer⸗ ordentlich lebhaftem Beifall des leider nicht sehr zahlreich erschienenen Publikums aufgenommen wurde. Schlt⸗ic erwähnen wir noch des Versuchs, eine aus dem Stegreif komponirte Fantasie dem Puhltkam darzubieten, wie es in früheren Jahren manche Pianisten mit Erfolg gethan haben. Als Themata wurden das Eingangsmotiv des Kaiser marsches von Wagner und zwei Melodien von Alkan und Leßmann gegeben. Die freie Behandlung derselben war geschickt vdeshe und durch kontrapunktische Gegensätzlichkeit stets interessant gehalten. Auch diese Improvisation erfreute sich einer beifälligen Aufnahme. Die Philharmonische Kapelle, die das Concert mit der Ouverture zu „Coriolan“ von Beethoven unter Hrn. Kogel's Leitung eröffnete und den Pteniften begleitete, verdient noch ganz besonders lobend erwähnt zu werden.

aber nur selten poetische