— Der am hiesigen Allerhöchsten Hofe akkreditirte König⸗ lich spanische Botschafter und dessen Gemahlin werden den für den 10. und 11. v. M. angesagt gewesenen, aber in Folge Hinscheidens Ihrer Hochseligen Majestät der Kaiserin und Königin Augusta verschobenen Empfang der Hofgesellschaft nunmehr am Donnerstag, den 20., und am Freitag, den 21. Februar 1890, jedesmal Abends von 91 2 bis 11 Uhr, stattsinden lassen. Der Anzug ist in der vor⸗ geeschriebenen Hoftrauer: für die Damen in ausgeschnittenen
Kleidern, für die Herren vom Militär in kleiner Uniform, für die Herren vom Civil in Frack und Ordensband über der
Weste.
— Folgende Allerhöchste Kabinets⸗Ordres werden von dem „Armee⸗Verordnungs⸗Blatt“ veröffentlicht:
1) betreffend die Organisation des Kadetten⸗ Corps ꝛc.: 8 2„5
„Ich erachte es für nothwendig, daß das Kadetten⸗Corps auf der Grundlage, welche Se. Majestät der Kaiser und König Wilhelm I., Mein in Gott ruhender Herr Großvater, in nie rastender Fürsorge für die Wohlfahrt der Armee durch Einführung des Lehrplanes der Realgymnasien ihm gegeben hat, nach folgenden Gesichtspunkten noch eine S 8 Ausgestaltung und Vertiefung seiner Lehraufgabe er⸗ fahren soll:
1) Zweck und Ziel aller, namentlich aber der militärischen Er⸗ ziehung ist die auf gleichmäßigem eöö der körperlichen, wissenschaftlichen und religiös sittlichen Schulung und Zucht beruhende Bildung des Charakters. Keine Seite der Erziehung darf auf Kosten der anderen bevorzugt werden. Der wissenschaftliche Lehrplan des Kadetten⸗Corps stellt aber nach Meinen Wahrnehmungen gegen⸗ wärtig zu weitgehende Anforderungen an eine große Zahl von Zög⸗ lingen. Die Lehraufgabe muß durch Ausscheidung jeder entbehrlichen Einzelheit, insbesondere durch gründliche Sichtung des Memorir⸗ stoffes, durchweg vereinfacht werden, sodaß auch minder be⸗ anlagte Schüler bei entsprechendem Fleiße dem Unterricht ohne Ueberanstrengung folgen und den gesammten Lehrgang in der vorgeschriebenen Zeit zurücklegen können. Was der Unterricht hierdurch an Ausdehnung verliert, wird er an Gründlichkeit gewinnen. Nach diesem Gesichtspunkte werden die Lehrer in allen Fächern und auf allen Stufen ihre Methode fortan einzurichten haben.
2) Bei aller Vereinfachung muß der Unterricht indessen noch mehr dahin nutzbar gemacht werden, daß die Kadetten nicht allein die für den militarischen Beruf unmittelbar erforderlichen Vorkenntnisse und Fertigkeiten gewinnen, sondern auch ein geistiges Rüstzeug erhalten, welches sie befähigt, selber dereinst in der Armee, der großen Schule der Nation, sittlich erziehend und belehrend zu wirken, oder falls sie später in einen anderen als den militärischen Beruf übertreten, auch dort ihren Platz auszufüllen.
Im Religionsunterricht ist die ethische Seite desselben hervorzuheben und das Hauptgewicht darauf zu legen, daß die Zöglinge in Gottesfurcht und Glaubensfreudigkeit zur Strenge gegen sich, zur Duldsamkeit gegen Andere erzogen und in der Ueberzeugung befestigt werden, daß die Bethätigung der Treue und Hingabe an Herrscher und Vaterland gleichwie die Erfüllung aller Pflichten auf göttlichen Geboten beruht.
Der Geschichtsunterricht muß mehr als bisher das Verständniß für die Gegenwart und insbesondere für die Stellung unseres Vaterlandes in derselben vorbereiten. Demzufolge wird die deutsche Geschichte, insbesondere die der neueren und neuesten Zeit, stärker zu betonen, die alte Geschichte und die des Mittelalters aber vornehmlich in dem Sinne zu lehren sein, daß der Schüler durch Beispiele auch aus jenen Epochen für Heldenthum und historische Größe empfänglich gemacht wird sowie eine Anschauung von den Wurzeln und der Entwickelung unserer Kultur gewinnt. 8
Die Erdkunde, die politische wie die physikalische, hat, auf der untersten Stufe von der Heimath ausgehend, zunächst den geschicht⸗ lichen Unterricht auf den verschiedenen Lehrstufen zu ergänzen und zu unterstützen. Das weitere Ziel des geographischen Unterrichts ist, daß der Schüler mit seinem Vaterlande und dessen Eigenart aufs Innigste vertraut wird, aber auch das Ausland verstehen und würdigen lernt.
Das Deutsche wird Mittelpunkt des gesammten Unterrichts. Der Schüler ist in jedem Lehrgegenstande zum freien Gebrauche der Muttersprache anzuleiten. In den deutschen Lehrstunden selbst gleichwie im Literatur⸗Unterricht ist bei Auswahl der Lesestücke, Vorträge und Aufsätze neben dem klassischen Alterthum, seiner Sagen⸗ und Kulturwelt, auch den germanischen Sagen sowie den vaterländischen Stoffen und Schriftwerken ganz besondere Berück⸗ sichtigung zuzuwenden, der Schüler aber auch mit dem geistigen Leben der anderen wichtigen Kulturvölker der Gegenwart durch ereehgpr in einzelne Meisterwerke ihrer Literatur bekannt zu machen.
Im Unterricht der neueren Fremdsprachen ist von den ersten Stufen an die Anregung und Anleitung der Kadetten zum praktischen Gebrauche der Sprachen im Auge zu behalten. —8
Inwieweit Ich für jetzt eine theilweise Aenderung der Lehrpläne des Kadetten⸗Corps geboten erachte, wird Ihnen durch das Kriegs⸗ Ministerium demnächst bekannt gegeben werden. 8
Ich habe durch Vorstehendes den zur Erziehung und Unterweisung der Kadetten berufenen Organen weitere Aufgaben zugewiesen, welche an ihre Einsicht und Thätigkeit erhöhte Anforderungen stellen; Ich halte Mich aber überzeugt, daß es ihrer bewährten Hingebung und Pflichttreue gelingen wird, diese Aufgaben in Meinem Sinne und zu Meiner vollen Zufriedenheit zu lösen. .
„Mit Ihren Vorschlägen über die Art und Weise, wie die militä⸗ rische Jugend auch auf den Kriegsschulen für die erziehlichen Aufgaben ihres Berufes vorzubereiten ist, bin Ich einverstanden. 1“
Ich will, daß diese Meine Ordre zur allgemeinen Kenntniß der Armee gelangt, und habe Ich dieserhalb an das Kriegs⸗Ministerium verfügt. Berlin, den 13. Februar 1890. Wilhelm. An den General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens.“
2) betreffend die Bestrafungen wegen Mißhandlung Untergebener:
„Ich habe aus den Mir von den kommandirenden Generalen ein⸗ gereichten Nachweisungen über die Bestrafungen wegen Mißhandlurg Untergebener ersehen, daß die Bestimmungen der Ordre vom 1. Februar 1843 noch nicht durchweg in dem Geiste aufgefaßt und gehandhabt werden, in dem sie gegeben worden sind. In Meiner Armee soll jedem Soldaten eine gesetzliche, gerechte und würdige Be⸗ handlung zu Theil werden, weil eine solche die wesentlichste Grund⸗ lage bildet, um in demselben Dienstfreubigkeit und Hingebung an den Beruf, Liebe und Vertrauen zu den Vorgesetzten zu wecken und zu fördern. Treten Fälle von fortgeseften systematischen Mißhandlungen Untergebener bervor, so haben Mir die komman⸗ direnden Generale bei Einreichung der Nachweisungen zu berichten, welchen Vorgesetzten die Verantwortung mangelbafter Beaufsichtigung trifft und was ihrerseits gegen denselben veranlaßt worden ist. Sie haben hiernach das Erforderliche zu veranlassen und den komman⸗ direnden Generalen auch die Bemerkungen, zu welchen Mir die letzten Nachweisungen Anlaß üvr haben, zugehen zu lassen. Berlin, den 6. Februar 1890. Wilhelm. An den Kriegs⸗Minister.“
3) betreffend den Armeesattel:
„Ich bestimme: 1) Bei den berittenen Waffen, mit Ausnahme Meines Regiments der Gardes du Corps und des Garde⸗Kürassier⸗ Regiments, kommt ein Armeesattel nach der Mir vorgelegten Probe zur Einführung. Die Beschaffung der Sättel hat nach Maßgabe der verfügbaren Mittel zu erfolgen. 2) Bei Meinem Regiment der Gardes du Corps und dem Garde⸗Kürassier⸗Regiment haben Probeversuche mit Sätteln nach beifolgenden Mustern III. und IV. stattzufinden. Das Kriegs⸗Ministerium hat hieraach das Weitere zu veranlassen. 8 “ den 19. Dezember 1889. Wilhelm. von Verdy
8
9 betreffend tragbares Schanzzeug:
„Ich genehmige 1) die Einführung des leichteren Beiles des tragbaren Schanzzeuges, wie solches die Infanterie führt, bei der Ka⸗ vallerie nach Maßgabe der verfügbaren Mittel, 2) die Anbringung des Beiles sowie des Spatens des tragbaren Schanzzeuges und der 8 tronentasche am Kavallerie⸗Gepäck nach den Mir vorgelegten Proben. Das Kriegs⸗Ministerium hat hiernach das Weitere zu veranlassen. Berlin, den 23. Januar 1890. Wilhelm. von Verdy.“
— Wider deutsche Eisenbahnverwaltungen sind beim Reichs⸗Eisenbahnamt im Jahe 1889 im Ganzen 115 Beschwerden aus dem Publikum eingelaufen. Davon beziehen sich 33 auf den Personenverkehr, 65 auf den Güter⸗ verkehr und 17 auf andere Gegenstände. Das Reichs⸗Eisen⸗ bahnamt hat von diesen Beschwerden für begründet erachtet 15, als nicht begründet abgelehnt 26, auf den Rechtsweg verwiesen 2. In 9 Fällen war die Zuständigkeit der Reichs⸗ gewalt nicht begründet, in 1 Fall sind die angeordneten Erhebungen noch nicht abgeschlossen. Die übrigen 62 Be⸗ schwerden wurden zur Erledigung an die zunächst v Eisenbahnverwaltungen abgegeben. Betroffen von Beschwerden sind überhaupt 29 Eisenbahnverwaltungen.
— Nach der im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellten, in der Ersten Beilage des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ veröffentlichten Nachweisung über die im Monat De⸗ zember v. J. auf deutschen Bahnen (ausschließlich der bayerischen) beförderten Züge und deren Ver⸗ spätungen wurden auf 42 größeren Bahnen bezw. Bahn⸗ netzen mit einer Gesammtbetriebslänge von 35 256,40 km befördert: An fahrplanmäßigen Zügen: 16 414 Schnell⸗ züge, 157 303 Personenzüge, 85 606 gemischte Züge und 148 061 Güterzüge; an außerfahrplanmäßigen Zügen: 2734 Schnell⸗, Personen⸗ und gemischte Züge und 35 404 Güter⸗, Materialien⸗ und Arbeitszüge. Im Ganzen wurden 923 159 630 Achskilometer bewegt, von denen 262 851 878 Achskilometer auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen. Von den 259 323 fahrplan⸗ mäßigen Schnell⸗, Personen⸗ und gemischten Zügen verspäteten im Ganzen 4864 oder 1,88 Proz. (gegen 1,14 Proz. in demselben Monat des Vorjahres und 1,08 Proz. im Vormonat). Von diesen Verspätungen wurden jedoch 1968 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervorgerufen, sodaß den aufgeführten Bahnen nur 2896 Verspätungen 9 1,12 Proz.) zur Last fallen (gegen 0,74 Proz. im Vormonat).
n demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf den eigenen Strecken der in Vergleich zu ziehenden Bahnen von 237 347 beförderten fahrplanmäßigen Zügen mit Personen⸗ beförderung 1563 oder 0,66 Proz., mithin 0,46 Proz. weniger. In Folge der Verspätungen wurden 3076 Anschlüsse versäumt (gegen 1619 in demselben Monat des Vorjahres und 1656 im Vormonat). Bei 6 Bahnen sind Zugverspätungen und bei 10 Bahnen Anschlußversäumnisse nicht vorgekommen. In der Nachweisung sind diejenigen Bahnen, auf welchen Zug⸗ verspätungen vorkamen, nach der Verhältnißzahl (geometrisches Mittel) zwischen der Anzahl der auf je eine Verspätung ent⸗ fallenden Züge und Achskilometer geordnet; danach nehmen die Main⸗Neckar⸗Bahn, die Werrabahn und die Hessische Ludwigs⸗ bahn die ungünstigsten Stellen ein. Wird die Reihenfolge der Bahnen statt nach der Zahl der Verspätungen nach der Zahl der Anschlußversäumnisse bestimmt, so treten die Main⸗ Neckar⸗Bahn, die Bahnen im Bezirke der Königlichen Eisen⸗ bahn⸗Direktion (linksrheinische) zu Köln und die Hessische Ludwigsbahn an die ungünstigsten Stellen.
— Der Königliche Gesandte in Oldenburg, Graf sn Eulenburg, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen rlaub angetreten.
— Der Königlich württembergische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ober⸗Finanz⸗Rath von Fischer, ist hier an⸗ gekommen.
— S. M. Panzerschiffe „Deutschland“, Kommandant Kapitän zur See von Reiche, und „Friedrich der Große“, Kommandant Kapitän zur See Graf von Haugwit, sind am 13. d. M. in Port Agosta (Sizilien) eingetroffen und
beabsichtigen, am 16. nach Syrakus in See zu gehen.
Bayern. München, 14. Februar. (Allg. Ztg.) Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Ludwig, Rupprecht und Leopold sowie die Herzoge Karl Theodor, Max Emanuel und Ludwig fanden sich auf dem gestern Abend in dem Hotel zu den „Vier Jahreszeiten“ abgehaltenen Piknik des Offizier⸗Corps des 2. Infanterie⸗Regiments ein und verweilten daselbst längere Zeit. — Prinz und Prin⸗ zessin Ludwig Ferdinand gaben gestern eine Tafel, zu welcher die Staats⸗Minister Dr. von Riedel, Freiherr von Feilitzsch, Ritter von Heinleth und Freiherr von Leonrod (Staats⸗ Minister Freiherr von Crailsheim war zu gleicher Zeit zum Prinz⸗Regenten geladen und folgte letzterer Einladung), der Hof⸗ marschall Sr. Majestät des Königs, Freiherr von Redwitz, der Staatsrath Dr. von Pfistermeister, der Polizei⸗Präsident Dr. von Müller, der General⸗Major von en die Flügel⸗Adjutanten Graf von Lerchenfeld, Freiherr von Branca und Ritter von Wiednmann sowie Premier⸗Lieutenant Freiherr von Reitzenstein geladen und erschienen waren.
— (W. T. B.) Im Finanzausschuß erklärte der Kultusreferent Daller im Namen der Centrumspartei: er würde auf eine materielle Würdigung der abzustreichenden Positionen des Kultus⸗Etats nur dann eingehen, wofern die Regierung die Alt⸗ katholiken wegen Leugnung der Unfehlbarkeit als aus der päpstlichen Kirche ausgetreten ansehe und behandle. She hielt der Referent den Standpunkt des Centrums in
etreff der Frage des Placetum regium und des Eides auf die Verfassung aufrecht. Der Ausschuß genehmigte den ordentlichen und außerordentlichen Kultus⸗Etat und setzte infolge der Erklärung des Centrums die für den Ankauf von Kunstwerken, Aufbesserung von Gehältern und Schulbauten in den Etat eingestellten neuen Forderungen der Regierung ab. Der Minister Freiherr von Crailsheim erklärte in Vertretung des Kultus⸗Ministers bei dem Etat der Universi⸗ täten, die Regierung berufe nur solche Lehrer, welche die gläubige Gesinnung ihrer Zuhörer nicht untergrüben. Hierin weiter zu gehen, hieße alle Kapazitäten von den bayerischen Hochschulen fernhalten.
Sachsen. Dresden, 14. Februar. (Dr. J.) Die Erste Kammer genehmigte bez. bewilligte in ihrer heutigen Sitzung, auf Antrag ihrer 2. Deputation, die Kap. 88 —101 des ordentlichen Staatshaushalts⸗Etats (Kultus⸗ Etat) in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer allenthalben nach der Vorlage. Zu Kap. 89, evan⸗
gelisch⸗lutherisches Landeskonsistorium, ergriff der Ober
* 8 9 *
“ 8 ofprediger D. Meier das Wort, um Namens der eistlichen des Landes dem Staats⸗Minister Dr. von Gerber für seine warme Vertheidigung in der Sitzung der Zweiten Kammer gelegentlich der dortigen Berathung des Kultus⸗Etats zu danken, wobei er gleichzeiti das Recht für die Geistlichen in Anspruch nahm, au politische Angelegenheiten durch die Predigt in unparteiischer Weise in das Licht des göttlichen Worts zu stellen. Zu Kap. 91, Universität Leipzig, sprach Medizinal⸗Rath Dr. Birch⸗Hirschfeld Namens der Universität dem Staats⸗ Minister Dr. von Gerber den Dank dafür aus, daß er die Körperschaft der Universität in der vor⸗ gedachten Sitzung der Zweiten Kammer vor dem Eindringen schädlicher Elemente so mannhaft geschützt habe, und äußerte schließlich den Wunsch, daß im nächsten Etat zur Anschaffung von Büchern für die Universitäts⸗ Bibliothek größere Mittel eingestellt würden, was der Staats⸗ Minister Dr. von Gerber in Aussicht stellte. Vor Eintritt in die Tagesordnung erfolgte durch den Präsidenten Wirkl. Geh. Rath von Zehmen die Verpflichtung des an Stelle des verstorbenen Grafen von Schall⸗Riaucour in die Kammer ein⸗ tretenden Mitgliedes Majors a. D. von Wiedebach.
Baden. Karlsruhe, 14. Februar. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, unter dem 6. d. M. die nachgenannten Kammerjunker zu Kammerherren ernannt: den Ober⸗Ingenieur Freiherrn Teuffel von Birkensee in Bruchsal, den Kaiserlichen Regierungs⸗Rath im Reichs⸗Versicherungsamt Freiherrn Hein⸗ rich von Bodman, den Ober⸗Amtsrichter a. D. Freiherrn Adolf von Schönau, den Oberförster Freiherrn Richard von Bodman in Villingen, und den Ober⸗Amtsrichter Freiherrn Albert von Bodman in Weinheim.
Hessen. Darmstadt, 14. Februar.
herzogliche Hoheit die Prinzessin Alix sind gestern im besten Wohlsein in Lavaletta angekommen, wo Allerhöchst⸗ dieselben von Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Preußen, sowie Sr.
Durchlaucht dem Prinzen und Ihrer Großherzoglichen Hoheit
der Prinzessin Ludwig von Battenberg empfangen wurden.
Bremen, 12. Februar. (Hann. Cour.) Der bremische
Staatshaushalt für das Jahr 1890/91, noch vom Bürger⸗
meister Dr. Gildemeister gegengezeichnet, ist soeben erschienen. Die ordentlichen Einnahmen sind veranschlagt auf 11 819 240 ℳ (763 940 ℳ mehr gegen das Vorjahr), die außerordentlichen Einnahmen auf 568 000 ℳ Die ordentlichen Ausgaben sind berechnet auf 11 434 575 ℳ (nahezu 700 000 ℳ mehr gegen
das Vorjahr); an außerordentlichen Ausgaben werden bean- tragt 1 491 835 ℳ Die Gesammteinnahme ist veranschlagt auf
12 387 240 ℳ, die Gesammtausgabe auf 12 926 410 ℳ, sodaß sich ein Defizit von 539 170 ℳ ergiebt, wobei für Nachbewilli⸗ gung Nichts veranschlagt ist. soweit sie sich nicht durch Mehreinnahmen oder Ersparungen
ergiebt, wird es nothwendig sein, auf die Ueberschüsse früherer Als solche stehen augenblicklich noch
Jahre zurückzugreifen. zur Verfügung 1 135 370 ℳ 89 J. Diese Ziffer wird sich in Wirklichkeit in der schon erzielten Mehreinnahmen und der voraussichtli
jahres nicht unerheblich erhöhe
8
88 u Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 14. Februar. (W. T. B.
Das Abgeordnetenhaus erledigte heute in der Spezial⸗ 8 sdebatte die zweite Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend
die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, durch unveränderte Annahme. —
kommens mit der Landesvertretung von Galizien, vor,
Behufs Regelung des Verhältnisses des Staats zu
—
den Grundentlastungs⸗Fonds. Budapest, 13. Februar. (Wien. Ztg.) Bei der weiteren
Berathung des Budgets des Finanz⸗Ministeriums ent⸗ wickelte sich insbesondere bei den Titeln „Steuerämter“”“, längere Debatte, in welcher der Finanz⸗Minister Dr. Weckerle wiederholt das Wort ergriff, um auf die Ausführungen einzelner Redner zu
„Kataster“ und „Schankgefälle“ eine
reflektiren. Der Minister erklärte unter Anderem, er werde in jeder Weise bemüht sein, Spiritusfabriken zu verbessern, betonte jedoch, daß der Import aus Galizien keineswegs ein solcher sei, daß der Stagnation der Gpiritus⸗Industrie
Einrichtungen des Auslandes entsenden. selben bis Ende April beendigen zu können. bank stehe und
in welchem ungefähr
von Seite der Privaten, Behufs Verwerthung dem Minister angemeldeten Obligationen in der Weise eine Ver⸗
einbarung getroffen, daß ein Cours von 92 sichergestellt wurde 8 und daß bei einem eventuellen Gewinn für den Staat, be⸗ ziehungsweise die Partei, auch eine Partizipirung garan⸗
(Prag. Abdbl.) Se. Majestät der Kaiser und König empfing gestern den Grafen Kälnoky in längerer Audienz; konferirte sodann mit dem
tirt sei. — 14. Februar.
Minister⸗Präsidenten von Tisza.
Großbritannien und Irland. London, 13. Februar.
(A. C.) Die letzte Depesche des gestern veröffentlichten Blau⸗ buches über den 8 ¾ vom 28. Januar 1890 datirte, vom Marquis von Salis⸗ bury an den britischen Gesandten in Lissabon, Petre, gerichtete Note. Es heißt darin:
„Die portugiesische beruft sich insbesondere auf den Artikel XII. des Berliner Ordnung der Streitigkeit entweder durch die Vermittelung einer anderen Macht, oder auf schiedsgerichtlichem Wege zu verlangen. (Folgt der Wort⸗ laut des - Diese Berufung der portugiesischen Regierung auf die Berliner Akte überrascht mich höchlich, da ich bis dahin stets den
Sindruck hatte, daß gerade die Regierung Ihrer Majestät Recht
Hessen (Darmst. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog und Ihre Groß⸗
ur Deckung des Defizits,
en Minderausgaben des laufenden Rechnungs⸗ 8
- . nahezu d r Die Regierung legte einen Gesetzentwurf, betreffend den Abschluß eines Ueberein⸗
die Lage der
in Ober⸗Ungarn diesem zugeschrieben werden könnte. Der Minister bemerkte, er be⸗ schäftige sich mit einer zeitgemäßen, den Verhältnissen an⸗- gepaßten Reform der Verzehrungssteuer und werde zu diesem Behufe bewährte Fachmänner zum Studium der einschlägigen Was die Regalien⸗ Entschädigung betrifft, hoffe der Minister, die Feststellung der⸗ Er habe mit einem Konsortium, an dessen Spitze die Ungarische Kredit⸗ 1 zum dritten Theile auch andere ungarische Finanz⸗Institute vertreten seien, in Betreff der Uebernahme der Regalienobligationen, und 8 zwar sowohl der im Besitz des Staats befindlichen wie der Finanz⸗
riftwechsel mit Portugal ist eine
eertrages, wonach sie das Recht habe, die 8
“ 8
hatte, sich über die Hintansetzung der Bestimmungen dieser Urkunde zu beklagen. Die portugiesische Regierung behauptet, daß das Gebiet oder ein Theil desselben, über welches ernstliche Meinungs⸗ verschiedenheiten zwischen den Regierungen Portugals und Englands ausgebrochen sind, sich in der vom Artikel I der Berliner Akte an⸗ gegebenen Zone befindet. Angenommen selbst argumentationsweise, dem sei so, so wäre die Folge, daß beide Mächte verpfliche gewesen wären, nicht eher zu den Waffen zu greifen, ehe sie zur Vermitte⸗ lung oder zum Schiedsgericht wegen des Streites ihre Zuflucht ge⸗ nommen hätten. Die portugiesische Regierung hat aber den von dem Artikel bezeichneten Weg nicht eingeschlagen. Statt die Vermittelung einer oder mehrerer befreundeter Mächte anzurufen, hat die portu⸗ giesische Regierung den Major Serpa Pinto mit einer Streitmacht von mehreren Tausend stark bewaffneter Männer und mehreren Gat⸗ ling⸗Kanonen in das streitige Gebiet gesandt und zu den Waffen ge⸗ griffen, ehe sie ihre Zuflucht zu einer Vermittelung nahm Die portu⸗ giesische Regierung hat sich daher in die Lage gebracht, die Berliner
kte zu verletzen*... „Außerdem ist es nothwendig, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß das Maschonaland und das Land Loben⸗ gulas füdlich und nördlich vom Zambesi sicherlich nicht in der vom Art. XII der Berliner Akte beschriebenen Zone einbegriffen ist. Der Artikel bezieht sich ausdrücklich nur auf das Gebiet, worin Freihandel herrschen soll. Die Bestimmungen des Artikels lassen sich aber nicht ohne Weiteres auf die freie Zone anwenden, sondern nur au die Theile der Zone, für welche Freihandel vorgeschrieben ist. Es ist eine bekannte Thatsache, daß Portugal in seinen ost⸗ afrikanischen FHeö.acgen dieses Syvstem nicht eingeführt hat; dieselben befinden sich deshalb nicht in den Bestimmungen des Artikels ein⸗ geschlossen. Wollte Portugal den Anspruch erheben, daß die Nyassa⸗ Distrikte einen Theil seiner Besitzungen bildeten und daß die Mako⸗ lolos, wie Senhor Serpa Pinto in seiner Kriegserklärung behauptet, rebellische portugiesische Unterthanen sind, so würde Portugal dieselben auf denselben Fuß bringen wie den Rest seiner Besitzungen, und der Artikel wäre daher auf sie unanwendbar“.
Im canadischen Unterhause brachte, wie aus Ottawa telegraphirt wird, der Abg. Charlton am 11. d. die bedeutende Auswanderung aus Canada nach den Vereinigten Staaten zur Sprache. Er behauptete, es gäbe jetzt über 2 500 000 Canadier in der Union; im letzten Jahre seien 28 000 Personen dorthin ausgewandert.
Aus Jeypore in Indien meldet ein Telegramm des „Bureau Reuter“ unter dem 13. Februar:
Prinz Albert Victor wurde bei seiner gestrigen Ankunft hierselbst vom Maharadschah feierlich empfangen. In dem Zuge waren 25 Elephanten; auf dem ersten ritten der Maharadschah und der Prinz. Eine Schaar Nazans führte einen Kriegstanz mit gezückten Schwertern auf, als der Zug vorbeikam. Mehbrere indische Regimenter sollen zum Gedächtniß an die Reise des Prinzen Albert Victor den Namen desselben führen.
(W. T. B.) Der
Frrankreich. Paris, 14. Februar. ( Senat verhandelte heute über den Antrag Barthe, durch welchen gewisse Preßvergehen den Korrektionstribu⸗ nalen überwiesen werden sollen. Der Berichterstatter Cordelet bezeichnete als Zweck des Antrages, dem Wunsche des Landes, den Preßvergehen ein Ziel zu setzen, entgegenzukommen. Der Justiz⸗Minister Thevenet sagte, die Presse sei niemals freier gewesen als jetzt, aber man dürfe doch nicht unter dem Schutze der Preßfreiheit die Behörden wehrlos machen; er fordere den Senat auf, den vorgeschlagenen Entwurf unver⸗ ändert anzunehmen. Die Debatte wurde dann auf Donnerstag vertagt. . Der Ober⸗Ackerbaurath unter dem Vorsitz des Ministers des Ackerbaues, Faye, beschloß, einen Eingangs⸗ zoll von 3 Fr. auf ungemahlenen Mais und von 5 Fr. auf Maismehl und Maiskleie zu legen; ferner einen oll von 3 Fr. auf Reis im Stroh, 8 Fr. auf ge⸗ rochenen oder entschälten Reis, sowie auf ö“ Dem Herzog von Luynes ist wegen seiner Haltung bei dem gestrigen Punsch der royalistischen Studenten die Er⸗ laubniß, fernerhin den Herzog von Orleans in der Conciergerie zu besuchen, entzogen worden.
Italien. Rom, 14. Februar. (W. T. B.) Die Regierung hat der Deputirtenkammer einen Gesetz⸗ entwurf, betreffend die obligatorische Unfall⸗Versiche⸗ rung der Arbeiter, vorgelegt. Von den Versicherungs⸗ prämien sollen ⁄10 von den Arbeitgebern und ½1 0 von den Arbeitern gezahlt werden. — Die Kammer hat das berichtigte Budget für 1889/90 in geheimer Abstimmung mit 159 gegen 35 Stimmen angenommen.
Portugal. Lissabon, 15. Februar. (W. T. B.) Die Polizei hat den hiesigen Studentenverein als republikanischer Bestrebungen verdächtig aufgelöst und sämmtliche Papiere desselben beschlagnahmt.
Niederlande. Luxemburg, 14. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Ständeversammlung be⸗ antragte Servais eine Tagevordnung, in welcher i- wird: es sei im Interesse des Landes, daß die Verfassung künftig ausgeführt werde wie bisher. Der Staats⸗Minister Eyschen ertlärte diese Tagesordnung für ein Mißtrauens⸗
votum. Brasseur beantragte darauf die Annahme der ein⸗
iesem Antrage einverstanden erklärt hatte, wurde derselbe einstimmig angenommen. Servais hatte sich der Ab⸗ stimmung enthalten.
9z,ae Sofia, 14. Februar. (W. T. B.) Der ssische Unterthan Naidin, welcher kürzlich verhaftet worden war, ist wieder in Freiheit gesetzt worden, weil kein Be⸗ weis seiner Mitschuld an der Panitza⸗Affaire erbracht worden ist. Kalopkoff befindet sich noch in Rustschuk.
1 Afrika. Egypten. Kairo, 14. Februar. (W. T. B. Das dem Egyptologen Mariette gewidmete Denkmal i heute im großen Hofe des Neuen Museums feierlich enthüllt orden. Der Ceremonienmeister des Khedive, mehrere ’ d ein zahlreiches Publikum wohnten dem Fest⸗
ar, 14. Februar. (R. B.) Hier
m Victoria⸗See bestätigen, daß der 8 der Europäer den Thron von Uganda nach heißem Kampfe mit König Kalema und dessen arabischen Bundesgenossen, welche fast gänzlich aufgerieben sein sollen, wieder erlangt hat. Uganda befindet sich jetzt in der Gewalt Mwangas und der Europäer.
sach en Tagesordnung. Nachdem sich die Regierung mit
Zeitungsstimmen.
. An die Ansprache Sr. Majestät des Kaisers und Königs an den Staatsrath inüpft der „Hannoversche
Courier“ folgende Betrachtung: 3 „Unvergängliche Worte sind es, die Kaiser Wilhelm gesprochen! Mächtigen Widerhall werden sie allüberall finden, und mit dem Ge⸗
fühl freudiger Dankbarkeit muß Jedermann den Ausführungen des
Kaiserlichen Herrn beipflichten. Wahrlich, ernst und verantwortungs⸗ voll ist die gestellte Aufgabe, großartig ist das gesteckte Ziel, aber der Segen des Allmächtigen kann dieser Arbeit nimmer fehlen und sie wird gute Früchte zeitigen. Schutz dem Arbeiter gegen Willkür und Aus⸗ beutung, Schutz der Familie, der Frau und dem Kinde, sittliche und wirth⸗ schaftliche Hebung. Frieden zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, Erfüllung der berechtigten Wünsche des arbeitenden Volkes neben dem erforder⸗ lichen Schutz der Industrie, — das Alles soll angebahnt, soll herbei⸗ geführt werden durch gesetzliche Anordnungen, und ergänzend und för⸗ dernd werden Kirche und Schule in freier Liebesthätigkeit an dem ge⸗ waltigen Werke mitbauen und Stein auf Stein herzutragen, daß es einer schönen Vollendung entgegengeführt werden kann. Einer ge⸗ wissenhaften, vorurtheilsfreien und besonnenen Prüfung aller einschlägi⸗ gen Fragen bedarf es, um die Grundlage zu schaffen. Die Namen der Männer, die Kaiser Wilhelm aus den verschiedensten Berufsklassen in den Staatsrath auserwählt, bürgen dafür, daß die Prüfung in der rechten Weise geschehen wird, und so sehen wir ihren Arbeiten mit froher Zuversicht entgegen. Wie sie des Kaiserlichen Dankes versichert worden sind, so können sie auch desjenigen der deutschen Nation gewiß sein, und auch die Kreise, denen in erster Linie die Mühen der in den Staatsrath Berufenen zu Gute kommen sollen, werden sich dem Ge⸗ fühl der Anerkennung nicht verschließen können. Dem Kaiser aber gebührt schon jetzt der heiße Dank seines Volks, das damit zugleich den innigen Wunsch verbindet, daß dem Monarchen die Herzensfreude vergönnt sein möge, die große Aufgabe glücklich und zum Segen des Reichs gelöst zu sehen. Das walte Gott!“
Das Wiener „Fremdenblatt“ bemerkt, wie „W. T. B.“ meldet, zu der Allerhöchsten Ansprache:
„Ohne Uebertreibung kann man sagen, daß die ganze Welt mit ungetheilter Aufmerksamkeit der Kaiserlichen Worte harrte. Das energische, von umfassendem Blicke geleitete Auftreten des Deutschen Kaisers in der Arbeiterfrage wird ohne Zweifel nicht bloß von der größten Bedeutung sein für die materielle und moralische Lage der Arbeiter, es wird auch eine belangreiche Rückwirkung auf das ge⸗ sammte politische Leben Deutschlands äußern.“
Die Wiener „Presse“ schreibt, die Ansprache Sr. Maäajestät des Kaisers entspreche in vollstem Maße den durch die Kaiserlichen Erlasse in ganz Europa rege gemachten hohen Erwartungen. Hoher, sittlicher Ernst, überzeugende, redliche Entschlossenheit, rein menschliches Wohlwollen und Alles er⸗ wägende Klugheit und Vorsicht treten vereint und imponirend aus diesem in korrektester Form gefaßten Staatsakte hervor.
Das „Neue Wiener Tageblatt“ hebt hervor, der Kaiser führe eine Sprache, die von gewissenhafter Rücksicht auf die bestehenden Staatseinrichtungen und von dem vollen Gefühl der Verantwortung zeuge, die der Kaiser für das Ge⸗ lingen von Bestrebungen übernommen habe, welche eine neue gesellschaftliche Ordnung anbahnen sollen.
Die Wiener „Deutsche Zeitung“ schreibt, in Worten voll hohen Schwunges, voll Gedanken und edler, herzensechter Empfindung habe der Kaiser die Aufgaben des Staatsraths in seiner Ansprache entwickelt.
Zu den Kaiserlichen Erlassen in der Arbeiter⸗
frage bemerkt die „Werkmeister⸗Zeitung“ (Organ des deutschen Werkmeister⸗Verbandes): „Wenn vom Throne herab solche soziale Thaten geschehen, wie sie vom ersten Deutschen Kaiser begonnen und wie sie von unserem regierenden Kaiser mit urwüchsiger, starker Kraft fortgesetzt werden, dann darf man sich mit wahrhaft vaterländischem Stolze des starken sozialen Königthums freuen, welches die Aufgaben der Zeit viel besser erkannt, viel edler mitgefühlt und viel kraftvoller in Angriff ge⸗ nommen hat als alle Republiken ringsumher, und es müssen diese Thaten einen unüberwindlichen Wall bilden gegen die unheilvollen Kräfte, welche das Bestehende von Grund aus zerstören wollen, sie müssen dahin führen, was alle ehrlichen Menschen mit Sehnsucht er⸗ streben: zu einer friedlichen Lösung der sozialen Frage! Wir be⸗ grüßen die beiden Erlasse des Kaisers auf das Freudigste und sind im vollkommensten Einverständniß mit allen Forderungen, deren Ver⸗ Sürss n durch die Kaiserlichen Kundgebungen in Aussicht gestellt werden“
Unter der Ueberschrift: Der Reichstag und die Sozialreform schreibt die, Magdeburgische Zeitung“: .Die eifrigsten Bemühungen, die Leistungen des Reichstages auf jedem Gebiete der Gesetzgebung herunterzusetzen und zu verkleinern, werden es nicht verhindern können, daß man in den breitesten Schichten der Wähler für e Verdienste, die sich dieser Kartell⸗ Reichstag um die Weiterführung der sozialpolitischen Gesetz⸗ gebung erworben hat, doch das richtige Verständniß gewinnt.
Es muß hervorgehoben werden, daß derselbe während seines Bestehens drei bedeutsame Gesetze erledigt hat, die Unfallversicherungs⸗ gesetze für die Bauarbeiter und die Seeleute und das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz; diese drei Gesetze sind aber gesetz⸗ geberische Thaten höchster Bedeutung, und reicht auch die Tragweite der beiden erstgenannten durchaus nicht an die des zuletzt erwähnten, so bilden sie doch immerhin die nothwendige Ergänzung der in früheren Jahren bereits erlassenen Gesetze. Wenn auch die Unfallversicherungsgeseze zu Stande kamen, ohne daß die Mehrheits⸗Parteien ihre Ausschlag gebende Stellung geltend zu machen brauchten, so wäre doch, wie bekannt, das Alters⸗ versicherungsgesetz gescheitert, wenn nicht der Reichstag in der Weise zusammengesetzt gewesen wäre, wie es glücklicherweise der Fall war. Die Wähler, die auf dem Boden der Botschaft Kaiser Wilhelms I. stehen und den Wursch hegen, daß die Sozialreform auch in Zukunft mit fester Hand weiter geführt und vollendet werde, die Wähler, die der Ansicht sind, daß das sozialpolitische Programm in den nächsten Jahren erfüllt werden muß, werden deshalb nicht im Zweifel sein können, welcher Partei sie ihre Stimme zu geben haben.
Der Deutschfreisinn hat gegen die ganze sozialpolitische Gesetz⸗ gebung eine feindliche Haltung eingenommen, die Angehörigen dieser Partei haben gegen die sozialpolitischen Gesetze ebenso gestimmt, wie seiner Zeit gegen die Verfassung des Reichs und die Reichs⸗Justizgesetze, sie werden nicht müde, das „soziale Königthum“ als einen in sich unhaltbaren, unlogischen Gedanken hinzustellen, dessen Verwirklichung früher oder später Schiffbruch leiden müsse. Was die Sozialreform zu erwarten hat, wenn es dieser Partei gelingen sollte, im Verein mit dem Centrum wieder die Mehrheit im Reichstage zu bilden, vermag daher Jeder selbst sich zu sagen, die Weiterführung der großen Gesetzgebung, um welche uns die anderen Nationen be⸗ neiden, würde gehemmt, die Ausführung der bereits erlassenen Gesetze erschwert und beeinträchtigt werden und an Stelle des regen WFisers, der sich seither auf diesem Gebiete entfaltet hat, würde völlige Un⸗ thätigkeit herrschen.
Die Wäbhler haben darum allen Grund, sich über die Stellung eines Kandidaten zu der sozialpolitischen Gesetzgebung sorgfältig zu vergewissern, um zu verhüten, daß das große Werk scheitere.“
Der „Schwäbische Merkur“ widmet der Sozial⸗ politik der Freisinnigen folgende Betrachtung:; „Der Kaiser hat nun zu seinem Programm in der Arbeiter⸗ frage das gemacht, was die Demokratie stets erstrebte“ — diese und ähnliche Flunkereien kann man jetzt täglich in allerhand Variationen in demokratischen Blättern lesen. In der That ist es aber sehr neu, daß die demokratische Partei, wenigstens die norddeutsche demokratische Partei, genannt der „Freisinn“, zur praktischen Sozialpolitik über⸗ gegangen ist; selbstverständlich nur in Fragen, die gerade nicht auf der Tagesordnung standen, während den großen Versicherungsgesetzen egenüber, welche venn. lang die Gesetzgebung beschäftigten, der reisinn sich ablehnend verhielt. Die deutschfreisinnige „Kieler eitung“, welche dem Professor Frher nahe steht, ist so ehrlich, diese achlage im Wesentlichen zuzugestehen. Sie schreibt: „Ein Zwie⸗
spalt hat sich vor gar nicht langer Zeit in der freisinnigen Presse abgespielt, als es sich um den verschärften Arbeiterschutz handelte. Seit der Fusion “ der Fortschrittler und ausgetretenen Nationalliberalen unter dem Namen „Deutschfreisinnige“) war das freibändlerische Element oder, um deutlicher zu sprechen, das Manchesterthum in der Fraktion wesentlich verstärkt, und man konnte von freisinniger Seite Reden über Kinderschutz und Frauenarbeit lesen, bei denen jeder Sozialpolitiker trauernd den Kopf schütteln mußte. Da zeiate sich eines Tages eine entschiedene Opposition gegen das Manchesterthum in der freisinnigen Partei. Es waren Pädagogen wie Halben, Mediziner wie Virchow und Möller, Arbeitgeber wie Ludwig Löwe, die jetzt die Anforderungen an einen erhöhten Schu der schutzbedürftigen Personen für wirthschaftlich berechtigt, politis⸗ beilsam und sozial nothwendig erklärten. Dazu kam ein großer Theil der Presse, welcher ee E. werden muß, daß sie der Fraktion mit gutem Beispiel und oft trotz kleinlicher Angriffe Seitens der 1““ ist. Uns sind die manchesterlichen eden einzelner freisinniger Volksvertreter noch in frischem Ge⸗ dächtniß. Aber wir erinnern uns auch, daß bald ein Umschwung eintrat, und ein vielgenannter freisinniger Abgeordneter schrieb, seine Fraktion habe in dieser Frage vor der öffentlichen Meinung kapitulirt.“ Also die Fraktion, welche vor einiger Zeit in der Arbeiterschutzfrage kapitulirt hat, ist dieselbe, die von jeher den Arbeiterschutz verlangt hat und der es jetzt der Kaiser nur nachthut 7 Das erinnert an „jeden Mann und jeden Groschen“, den man an-⸗ geblich schon bewilligt hatte, als der Reichstag aufgelöst wurde, weil die erforderlichen Bewilligungen nicht erfolgt waren. Es wäre erheiternd, diesem merkwürdigen Spiel mit Worten zuzusehen, wenn nicht zu fürchten wäre, daß denn doch in gewissen Kreisen des Volks der Sinn für schlichte Wahrheit durch solche Taschenspielerkunststücke untergraben wird.“
Centralblatt für das Deutsche Reich. Herausgegeben 1 im Reichsamt des Innern. Nr. 7. — Inhalt: Konsulatwesen: Er⸗ nennung; — Exequatur⸗Ertheilungen. — Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Januar 1890. — Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen: Anderweite Bestimmungen über Transportkontrole in dem Grenzbezirk der Hauptzollämter Geestemünde, Emden, Leer und Nordhorn; — Veränderungen in dem Stande oder den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. — Polizeiwesen: Ausweisung von Aus- ländern aus dem Reichsgebiet. 3
Centralblatt der Bauverwaltung. Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Nr. 6. — Inhalt: Amtliches: Gerichtsbauten in Kattowitz O.Schl. — Rö⸗ mischer Seekanal. — Sicherung eines Eisenbahndammes durch Ent⸗ wässerungsstollen. — Kraftversorgung durch Druckluft in Paris 8 (Schluß). — Ueber Profilmaßstäbe. — Vermischtes: Messung der Durchbiegung eiserner Brücken. — Vorstand des Architektenvereins in Berlin für das Jahr 1890. — Preisrichter⸗Gutachten über die Wett⸗ 8 bewerbung zur Erlangung von Plänen für eine evangelische Garnison⸗ kirche in Straßburg i. E. — Preisbewerbung für den Neubau einer Turnhalle des Oldenburger Turnerbundes. — Deutsche Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren in München. — Schutz⸗ vorrichtung gegen das Herabstürzen beim Fensterputzen. — Besuch der technischen Hochschulen des Deutschen Reichs. 8
Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.
Dänemark.
Laut Bekanntmachung des Königlich dänischen Ministeriums des Innern vom 29. Januar d. J. ist die Einfuhr von lebenden Schweinen und von rohen Theilen dieser Thiere — mit Ausnahme von gesalzenem Speck — aus Rußland nach Dänemark verboten worden. 8
Bezüglich der Einfuhr von lebendem Rindvieh, Schafen und Ziegen und von rohen Theilen dieser Thiere aus Ruß⸗ land nach Dänemark behalt es bei dem in der Bekanntmachung des Königlich dänischen Ministeriums des Innern vom 10. Sep⸗ tember 1869 enthaltenen Verbot sein Bewende
Verkehrs⸗Anstalten. 8
Die Post von dem am 15. Januar aus Shanghai abge⸗ gangenen Reichs⸗Postdampfer „Bayern“ ist in Brindis eingetroffen und gelangt für Berlin voraussichtlich am 17. d. M Vormittags zur Ausgabe. ,
Königsberg i. Pr., 15. Februar. (W. T. B.) Die Schiffl⸗ fahrt ist des anbaltenden Frostes wegen wieder eingestellt worden.
Hamburg, 15. Februar. (W. T. B.) Der Poͤstdampfer „Thuringia' der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen.
Theater und Musik.
Königliche Schauspiele. Sa.gs
Der Spielplan der Oper für die Zeit vom 16. Februar bis 23. Februar lautet: Am Sonntag, den 16.: „Gioconda“; Montag, den 17.: „Aennchen von Tharau“; Dienstag, den 18: „Der fliegende Holländer“; Mittwoch, den 19.: „Othello“; Donnerstag den 20: „Lobengrin“; Freitag, den 21.: „Götterdämmerung⸗; Sonnabend, den 22.: „Die Hugenotten“; Sonntag, den 23: „Othello“. .
Für das Schauspiel: Am Sonntag, den 16. Februar: „König Lear“; Montag, den 17.: „Der Bibliothekar“; Dienstag, den 18.: „Die Quitzow 8*; Mittwoch, den 19.: „König Lear“; Donnerstag, den 20.: „Die Märchentante“; Freitag, den 21.: „Wilhelm Tell“; Sonnabend, den 22: „Die Räuber“; Sonntag, den 23.: „Ellen“, „Der Winkelschreiber.
Königliches Schauspielhaus.
Auf der Königlichen Bühne ging gestern Abend Shakespeare’s „König Lear“ neu einstudirt, mit schönem äußeren Erfolge in Scene. Die große Tragödie der Undankvarkert hat trotz der un⸗ wahrscheinlichen Voraussetzungen, auf welchen die Entwickelung der Handlung beruht, niemals eine mächtig ergreifende Wirkung verfehlt; dies war auch der Eindruck der gestrigen Vorstellung, namentlich in den beiden letzten Akten, welche denn auch wärmeren, zuweilen stür⸗ mischen Beifall fanden, während dieser dem Trauerspiel in seiner ersten Hälfte nur in geringerem Grade zu Theil wurde.
Der Erfolg des „Lear“ hängt fast ausschließlich von der mehr oder weniger gelungenen Verkörperung der Titelrolle ab, die allein alle Vorgänge verständlich machen kann. Gestern wurde diese Rolle von Hrn. Grube im Ganzen mit schönem Gelingen dargestellt. Hr. Grube verfügt über eine bedeutsame schauspielerische Gewandtheit, welche sich auf einen vornehm denkenden Geist stützt und auch des Ausdrucks tiefen sittlichen Empfindens in hohem Grade fähig ist. Alle diese guten Eigenschaften traten gestern Abend in der Lear⸗Gestalt kunstgerecht zu Tage, und doch konnte dieselbe nicht voll befriedigen, weil es dem Künstler an der unentbehrlichen Gluth der Leidenschaft, an der inneren Hoheit und Königlichen Würde gebrach. Die Launenhaftigkeit des Alters bei der Vertheilun des Reichs charakterisirte er mit verständigen Mitteln; der Ausbru ohnmächtiger Wuth und tiefen Schmerzes, als Lear in die Gewitter⸗ nacht hinausstürmt, vermochte dagegen nicht zu ergreifen; eher schon erzielte diesen Eindruck der Wahnsinn des Königs auf der öden Haide. Ein Zug der Rührung verklärte das Erwachen des kranken Königs und die Todtenklage um die liebliche Cordelia. Die Partie des Edgar spielte Hr. Matkowsky'; doch stand sein von Kampfeslust durch⸗ glühter Held hoch über dem armen klagenden Thoms. Hrn. Ludwig war die Rolle des Bösewichts und Intriguanten Edmund zuertheilt;
man ist so wenig gewöhnt, den Vertreter edler, liebenswürdiger
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