1890 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Feb 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Prüfung dispensirt und der fünfte ebenfalls mit einem guten Reifezeugniß entlassen werden konnten. Es ist daher dem Beschluß des Klosters Loccum, auf dem beschrittenen Wege fortzugehen und zunächst noch eine zweite derartige Anstalt in Goslar zu errichten, um so lieber die Genehmigung ertheilt worden, als sich in der Errichtung derartiger Anstalten ein Mittel bietet, den ungesunden, auf Errichtung von Privat⸗ Gymnasien gerichteten Strömungen mit Erfolg entgegen zu wirken.

Der Fürstlich lippische Bevollmächtigte zum Bundes⸗ rath, Kabinets⸗Minister Wrff ren me ist von hier abgereist.

Der General der Kavallerie z. D. von Franken⸗ berg⸗Lüttwitz, bisher Commandeur der 20. Division, ist hier eingetroffen.

Der General⸗Lieutenant von Blume, Commandeur der 8. Division, und der General⸗Lieutenant von Rosen⸗ berg, Commandeur der Kavallerie⸗Division des I. Armee⸗

Corps, haben Berlin wieder verlassen.

S. M. Panzerschiff „Deutschland“, Kommandant Kapitän zur See von Reiche, und S. M. Panzerschiff „Friedrich der Große“, Kommandant Kapitän zur See Graf von Haugwitz, sind am 16. Februar in Syrakus angekommen und beabsichtigen, am 23. Februar nach Port Agosta (Sizilien) wieder in See zu gehen. S. M. Panzer⸗ schiff „Kaiser“ (Flaggschiff des Uebungs⸗Geschwaders), Kom⸗ mandant Kapitän zur See Hoffmann, mit dem Geschwader⸗ Chef, Contre⸗Admiral Hollmann an Bord, und S. M. Panzerschiff „Preußen“, Kommandant Kapitän zur See Tirpitz, sind am 16. Februar in Port Agosta (Sizilien) an⸗ gekommen und beabsichtigen, am 23. Februar nach Syrakus wieder in See zu gehen. S. M. Aviso „Wacht“, Kom⸗ mandant Korvetten⸗Kapitän Graf von Baudissin, ist am 17. Februar in Plymouth angekommen und beabsichtigt, am 20. Februar die Heimreise fortzusetzen.

Der „Marinebefehl“ bringt folgende Mit⸗ theilungen über Schiffsbewegungen (das Datum vor dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nach dem Orte Abgang von dort): S. M. S. „Alexandrine“ 14./12. Apia. (Post⸗ station: Auckland [Neu⸗Seeland] bis 28/2., vom 1./3. ab Apia [Samoa⸗Inseln].) S. M. S. „Ariadne“ 12./1. St. Vincent (Westindien) 13./2. (Poststation: St. Thomas Westindien] bis 18./2., vom 19./2. bis 24./2. La Guayra Venezuelal.) S. M. Pzsch. „Baden“ Kiel. (Post⸗ station: Kiel.) S. M. S. „Blücher“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Carola“ 29./11. Bombay 5./2. Sansibar. (Poststation Sansihar) S. M. Krzr. „Habicht“ 11./2. St. Paul de Loanda 15./2. Kapstadt. (Poststation: Kapstadt.) S. M. Fhrzg. „Hay“ Wilhelmshaven. S. M. Nacht „Hohenzollern“ Kiel. (Poststation: 1”' S. M. Knbt. „Hyäne“ 17./12. Principé 19./12. (Poststation: Kamerun.) S. M. Knbt. „Iltis“ 5/1. Hongkong. (Poststation: Hongkong.) S. M. Fhrzg. „Loreley“ 1./11. Kon⸗ stantinopel. (Poststation: Konstantinopel) S. M. S. „Mars“ Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M. Panzerfrzg. „Mücke“ Wilhelmshaven. (Post⸗ station: Wilhelmshaven.) S. M. Pzsch. „Oldenburg“ Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M.

g. „Otter“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Minenschulschiff „Rhein“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Krzr. „Schwalbe“ 22./8. Sansibar. (Poststation: Kapstadt.) S. M. S. „Sophie“ 2./1. Sydney 25./1. Hongkong (Poststation: Hongkong.) S. M. Krzr. „Sperber“ 1./11 Sansibar. (Poststation) Sansibar.) S. M. Av. „Wacht“ 12. 11. Triest 29./1. Rovigno 29./1. 1./2. Malta 6./2. 10./2. Gibraltar 13./2. (Poststation: Plymouth [England)] bis 17./2., vom 18.,2. ab Wilhelmshaven.) S. M. Knbt. „Wolf“ 17./11. Nagasaki. (Poststation: Hongkong.) Kreuzer⸗Geschwader: S. M. S. „Leipzig“ (Flaggschiff) 27./1. Colombo 2.,2. 10.,2. Singapore 12./2. Honakong. (Poststation: Hongkong.) Uebungs⸗ Geschwader: S. M. Panzerschiff „Kaiser“ Elaggschiff, „Deutschland“, „Friedrich der Große“, „Preußen“, S. M. S. „Irene“; „Kaiser“ und „Preußen“: 20./1. Smyrna 1./2. 5./2. Malta 12./2. 13./2. Syrakus 16./2. Port Agosta. (Poststation: Port Agosta ([Sicilien 22 18.72., vom 19./2. ab bis 1./3. Neapel, vom 2./3. ab Spezia); „Deutschland“ und „Friedrich der Große“: 20./1. Smyrna 1.22. 5./2. Malta 12./2. 13./2. Port Agosta 16./2. Syrakus. (Poststation: Syrakus bis 18./2., vom 19.,2. ab bis 1.,3 Spezia, vom 2. 3. ab Neapel); „Irene“: 29./1. Port Said 30./1. 2.,/2. Malta 25.,2. Neapel. (Poststation: Malta bis 18. 2., vom 19.,2. ab bis 1.,3. Neapel, vom 2.,/3. ab Spezia.)

Bayern. München, 11. Februar. Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent wohnte mit seiner Tochter, der Prinzessin Therese, und den anderen Königlichen Prinzen und Prin⸗ zessinnen am Sonnabend dem Ball bei, welchen der Prinz 88* die Prinzessin Ludwig im Wittelsbacher Palais gaben.

Sachsen. Dresden, 17. Februar. Se. Majestät der König erschien mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen Georg und der Prinzessin Mathilde am Sonnabend auf dem Ballfest bei dem Staats⸗Minister, General der Kavallerie Grafen von Fabrice und Gemahlin. Auch Se. Durchlaucht der regierende Fürst Reuß j. L. Heinrich XIV., die Minister von Abeken und von Gerber, Mitglieder des diplomatischen Corps, Angehörige der hohen Staats⸗ und städtischen Behörden, Mitglieder der beiden Kammern u. v. A., im Ganzen etwa 600 Personen, nahmen an der Ballfestlichkeit Theil.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg hat sich heute Vor⸗ mittag in Begleitung seines persönlichen Adjutanten zum Be⸗ such seiner Tochter, Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Erzherzogin Maria Josepha, nach Arco in Süd⸗ Tirol begeben, wo die Erzherzogin zur Zeit in der Villa des Erzherzogs Albrecht Aufenthalt genommen hat.

Braunschweig. (K.) Braunschweig, 18. Februar. Se. Durchlaucht der Prinz Ernst von Sachsen⸗ Altenburg reiste gestern Abend wieder von hier ab. Se. Königliche Hoheit der Regent Prinz Albrecht gab heute anläßlich des Bezirkstages der Johanniter⸗Ritter des Herzog⸗ thums Braunschweig im Residenzschlosse ein Diner.

Sachsen⸗Altenburg. () Altenburg, 17. Februar. Landtag des Herzogthums ist nach einer achtwöchigen

sion am 15. durch den Staats⸗Minister von Leipziger

vertagt worden, nachdem die Etatsberathungen beendet waren. In Ausgabe wurden in runden Zahlen genehmigt 94 000 an die Landesgeistlichen, einschließlich 31 000 Entschädigung für Wegfall der Stolgebühren, 165 000 für Staats⸗, 350 000 für Justiz⸗, 240 000 für Finanzver⸗ waltung, 133 000 für Armen⸗ und Medi inalwesen, 88000 für Gendarmerie, 58 000 für Landrathsämter, 250 000 für Pensionen und Wartegelder. Zur Entschädigung unschuldig Verurtheilter wurde die Regierung zwar ermächtigt, doch ohne Etatisirung einer bestimmten Summe. Als Haupt⸗ Einnahmeposten wurden eingestellt: 955 000 Herauszahlungen aus der Reichskasse, 81 000 Fleisch⸗, 70 000 Erbschafts⸗, 26 000 Eisenbahn⸗ und 455 000 direkte Einkommensteuer. Der außerordentliche Etat wurde in Einnahme mit 1 078 000 nd in Ausgabe mit 778 000 genehmigt.

Anhalt. Dessau, 17. Februar. (Anh. St.A.) Der Landtag, welchem an Vorlagen der Haupt⸗Finanz⸗ Abschluß für 1888/89, eine Vorlage, die Veräußerungen landesfiskalischer ꝛc. Grundstücke betreffend, und eine Zusammenstellung der Wirthschaftsergebnisse der landesfiskalischen Forstverwaltung für 1888 89 zugegangen sind, überwies in seiner vorgestrigen Sitzung nach längerer Debatte die Vorlage, betreffend die Revi⸗ sion des Steuergesetzes, an eine besondere Kommission

von 11 Mitgliedern zur Vorberathung. 8

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Februar. (W. T. B). Graf Julius Andrassy ist, wie aus Volosca gemeldet wird, heute Morgen um 3 Uhr gestorben. (Julius Graf Andrassy war als der zweite Sohn des am 3. August 1844 verstorbenen Grafen Karl Andrassy am 8. März 1823 zu Zemplin in Ungarn geboren. Nach vollendeten Universitäts⸗ studien wurde er von dem Zempliner Komitat in den Preß⸗ burger Reichstag von 1847/48 gewählt und von dem neuen ungarischen Ministerium zum Obergespan desselben Komitats ernannt. Als solcher war er Anführer des Zempliner Landsturms im Kampfe gegen die Kaiserlichen Truppen bei Schwechat und wirkte später als Gesandter der Debreziner Regierung in Konstantinopel. 1850 zum Tode verurtheilt, lebte Graf Andrassy dann als Flüchtling in Paris und kehrte, bereits 1856 amnestirt, 1860 nach Ungarn zurück, wo er wieder Obergespan in Zemplin wurde. In das Unterhaus gewählt, wurde er 1866 zweiter Präsi⸗ dent desselben. Nach dem Zustandekommen des Ausgleichs wurde Graf Andrassy im Februar 1867 an die Spitze des ungarischen Ministeriums berufen und übernahm neben der Präsidentschaft das Ministerium der Landesvertheidigung. Im Oktober be⸗ gleitete er den Kaiser Franz Joseph nach Paris, 1869 nach Egypten zur Eröffnung des Suez⸗Kanals und wurde, nachdem Graf Beust sein Portefeuille niedergelegt hatte, am 14. No⸗ vember 1871 zum Minister des Aeußeren und des Kaiserlichen Hauses ernannt. Im September 1872 ging Graf Andrassy mit dem Kaiser Franz Joseph zur „Dreikaiserzusammenkunft“ nach Berlin, 1874 nach St. Petersburg, 1875 nach Venedig, wo Kaiser Franz Joseph mit dem König Victor Emanuel zusammentraf, und 1876 zur Entrevue mit dem Kaiser Alexander nach Reichstadt. Am 22. September 1879 trat Graf Andrassy von seinem Posten

zurück und lebte seitdem der Bewirthschaftung seiner Güter in

Ungarn. Am politischen Leben nahm er nur noch als Mit⸗ glied des ungarischen Oberhauses Theil.)

Pest, 17. Februar. (W. T. B.) In Beantwortung der Interpellation, betreffend den Selbstmord des Frei⸗ willigen Viczmandy, erklärte in der heutigen Sitzung des Unterhauses der Minister⸗Präsident von Tisza, das Corps⸗ Kommando habe die strengste Untersuchung eingeleitet. Die über⸗ einstimmenden Aussagen der Offiziere und Mitschüler hätten die große Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit gegen den Kom⸗ mandanten, der streng aber gerecht gewesen sei, ergeben. Es sei keine Anschuldigung gegen denselben zu erheben. Die Cor⸗ respondenzen erwiesen die Zerwürfnisse Viczmandy's mit seiner Familie sowie dessen Geldverlegenheiten, wodurch der Entschluß gereift wurde. Der Landesvertheidigungs⸗Minister von Fejervary betonte das korrekte Vorgehen des Hauptmanns Brandtner. Die Antworten wurden mit großer Majorität zur Kenntniß genommen.

Großbritannien und Irland. London, 17. Februar. (W. T. B.) Der deutsche Botschafter Graf Hatzfeldt hat, wie das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, dem Premier⸗ Minister Marquis von Salisbury mündliche Mittheilung von den Erlassen Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm gemacht. Lord Salisbury habe die sorgfältigste Prüfung versprochen und bis zu diesem Zeitpunkte die Antwort der englischen Regierung hinausgeschoben. 1

Im Unterhause kündigte der erste Lord des Schatzes Smith heute an, die Regierung werde voraussichtlich am nächsten Montag eine Resolution beantragen, in welcher der Bericht der Parnell⸗Kommission (s. u.) adoptirt, den Richtern für ihr gerechtes und unparteiisches Verfahren Dank ausgesprochen und die Eintragung des Berichts in das Journal des Hauses angeordnet wird. Der Unter⸗ Staatssekretär Fergusson erklärte, für die gegen den Kurdenhäuptling Mussa Bey erhobenen Anklagen seien neue Beweismittel eingesordert worden. Der Staatssekretär des Ackerbau⸗Departements, Chaplin, gab die Erklärung ab: wenn die deutsche Regierung wirksame Mittel zur Bekämpfung und Einschränkung der Maul⸗ und Klauenseuche ergreife, so sei kein Grund vorhanden, weshalb nicht die Zulassung des schleswig⸗holsteinischen Viehes erwogen werden sollte; er werde die Beschränkung der Einfuhr nicht länger als nöthig aufrecht erhalten.

Nach einer Meldung des „Standard“ aus Sansibar vom heutigen Tage hat der britische Konsul den Sultan Seyid Ali im Namen seiner Regierung förmlich aner⸗ kannt.

Aus Aden vom 16. Februar meldet ein Telegramm des „Bureau Reuter“:

Die im Januar nach Bulhar an der Somaliküste entsandte britische Expedition zur Züchtigung eines Stammes wegen ver⸗ übter Ausschreitungen ist hierher zurückgekehrt. Die Exrpedition tödtete über 20 Mann des Feindes, brannte drei Kraals nieder, zer⸗ störte die Brunnen und führte das Vieh des Stammes weg. Auf englischer Seite wurden 17 Eingeborene getödtet.

(A. C.) Der langerwartete Bericht der Sonder⸗ Kommission, welche zur Untersuchung der von der „Times“ wider die parnellitischen Parlaments⸗ mitglieder erhobenen Anklagen eingesetzt war, ist, wie schon telegraphisch gemeldet, nunmehr erschienen. Der Bericht füllt ein flattli es Blaubuch von 160 Folioseiten und ist von

allen drei Richtern unterzeichnet. Das Ergebniß ihrer Unter⸗ suchung fassen die Richter wie folgt zusammen:

1) Wir finden, daß die angeschuldigten Parlamentsmitgliede kollektiv nicht Genossen einer Verschwörung waren, welche die Her⸗ stellung der absoluten Unabhängigkeit Irlands zum Zweck hatte, aber wir finden, daß einige derselben zusammen mit Mr. Davitt die Land⸗ liga gründeten und ihr beitraten mit der Absicht, mittelst der Liga die absolute Unabhängigkeit Irlands als einer abgesonderten Nation herbeizuführen. b

2) Wir finden, daß die Angeschuldigten eine Verschwörung durch ein Zwangs⸗ und Einschuͤchterungssystem anzettelten zur Förderung einer agrarischen Bewegung gegen die Zahlung landwirthschaftlicher Pacht⸗ zinse, zu dem Zweck, die irischen Grundbesitzer, welche die „englische Garnison“ genannt wurden, verarmen zu lassen und aus dem Lande zu vertreiben. G

3) Wir finden die Anklage, „sie hätten, wenn sie es bei ge⸗ wissen Gelegenheiten für politisch hielten, gewisse Verbrechen öffentlich zu mißbilligen, später ihre Anhänger zu dem Glauben verleitet, diese Mißbilligung sei nicht aufrichtig“, nicht begründet. Wir sprechen Mr. Parnell und die übrigen Angeschuldigten gänzlich fr von der Anklage der Unaufrichtigkeit in ihrer Mißbilligung de Morde im Phönix Park und finden, daß der „faesimile“ Brief, auf welchen diese Anklage gegen Mr. Parnell sich hauptsächlich stützte, ein Fälschung ist. 8 1 8

Ferner finden die Richter, daß die Angeschuldigten die „Iris World“ und andere zum Aufruhr und zur Verübung von Verbreche aufwiegelnde Zeitungen verbreiteten, jedoch nicht direkt zur Verübung anderer Verbrechen als das der Einschüchterung aufwiegelten, abe daß sie zur Einschüchterung aufwiegelten und daß diese Aufwiegelun die Folge hatte, daß von den aufgewiegelten Personen Verbrechen und Ausschreitungen verübt wurden, daß die Angeschuldigten nichts thaten, vm Verbrechen zu verhüten und keine bona fide Miß⸗ billigung ausdrückten, aber daß einige der Angeschuldigten, ins besondere Mr. Davitt, zwar Verbrechen und Ausschreitungen bona fide mißbilligten, aber daß sie das Einscküchterungssystem, welches zu Verbrechen und Ausschreittungen führte, nicht mißbilligten, sondern mit der Kenntniß von seiner Wirkung dabei verharrten; daß sie Personen, welche der Verübung von Agrarverbrechen angeklagt waren, vertheidigten, deren Familien unterstützten, aber daß nicht erwiesen se daß sie mit offenkundigen Verbrechern in Verbindung standen, oder daß sie Verbrechern die Flucht erleichterten. Die Richter finden auch, daß die Angeschuldigten Personen entschädigten, welche be der Verübung von Verbrechen verletzt worden, daß sie die Unter, stützung und Mitwirkung des bekannten Dynamitarden Patri Ford nachsuchten und Geldbeiträge annahmen, und daß erwiesen sei, daß sie den Beistand und die Mitwirkung der einen gewaltsamen Umsturz in Irland anstrebenden Partei in Amerika, den Clan⸗na Gael mit eingeschlossen, rachsuchten und erlangten und Behufs Er langung dieser Unterstützung sich der Verdammung des Vorgehen dieser Partei enthielten. 8 h 3 8

Die wider Parnell erhobene Anklage, daß er mit den Führern der irischen Umsturzpartei, den sogenannten „Unbesieglichen“, in engem Verkehr stand, wird als unbegründet bezeichnet. Dagegen finden di Richter, daß Michael Davitt in enger Verbindung mit der Umsturz partei in Amerika stand und das Bündniß zwischen dieser Parte parnellitischen und Homerule⸗Partei in Amerika zu Stande rachte. 8

Die „Times“ bemerkt zu dem Bericht:

„Das ganze System der Landliga, wie dasselbe in „Parnellismu und Verbrechen“ geschildert ist, spiegelt sich in dem Bericht wieder und wenn in gewissen Punkten unsere Behauptungen nicht als be gründet bezeichnet werden, bleibt die allgemeine Wirkung unerschüttert. Wir werden nicht überrascht sein, wenn, nachdem der Bericht vom Lande studirt worden ist, er als eine vollkommene Bestätigung de Argumente, welche wir in einer wichtigen Krisis vor 3 Jahren be⸗- tonten, angenommen werden wird.“

Frankreich. Paris, 18. Februar. (W. T. B.) Wi verschiedene Morgenblätter melden, hat der Graf von Paris an den Orleanisten Bocher eine Devpesche gesandt, in welcher er sagt, er sei stolz auf seinen Sohn und glücklich über dessen Haltung; die Verurtheilung desselben habe ihn sehr bewegt Der Graf von Paris wird sofort über New⸗York seine Rück reise antreten. Der Prinz Philipp von Coburg besuchte gestern den Herzog von Orleans in der Conciergerie. 8

In Folge der von den boulangistischen Kandidaten bei den am Sonntag stattgehabten Wahlen erzielten Erfolge wird eine lebhafte boulangistische Propaganda für die nächsten Munizipalwahlen vorbereitet. b

Rußland und Polen. St. Petersburg, 16. Februar. (St. Pet. Ztg.) Zur projektirten Konsular⸗Reform

erfahren die „Pet. Wed.“, daß hinfort die Konsuln dort, wo

sie keinen diplomatischen Charakter tragen, in erster Linie aus der Zahl ehemaliger Marine⸗Offiziere ernannt werden sollen, die viel in fremden Welttheilen gewesen. Doch hätten sich dieselben zuerst einem kleinen EFxamen im Ministerium des Auswärtigen zu unterwerfen.

Italien. Rom, 17. Februar. (W. T. B.) Der „Riforma“ zufolge ist der Papst seit Sonnabend bett⸗ lägerig, befindet sich heute aber etwas besser und ließ gegen

seine Gewohnheit die Fastenprediger durch den Kardinalvikar empfangen. Nach dem „Osservatore Romano“ dagegen

empfing der Papst heute früh drei Bischöfe. Serbien.

einer Eisenbahn⸗Anleihe von 26 600 000 Fr., an.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Februar. (W. T. B.) Die Regierung hat auf die vertrauliche An⸗

frage des deutschen Gesandten Dr. Busch wegen Theil⸗

nahme Schwedens an der Berliner Arbeiterschutz⸗

Konferenz dem Vernehmen nach geantwortet: sie wünsche lebhaft, durch weitere geeignete Maßregeln den Arbeitern eine bessere Lage bereiten zu können, und werde gern an einer Konferenz zu solchem Zwecke theilnehmen.

Amerika. Washington, 15. Februar. (A. C.) Im Repräsentantenhause wurde heute eine Vorlage, betreffend die Errichtung einer Sommer⸗Residenz für den Prä⸗ sidenten in der Nachbarschaft von Washington, eingebracht.

Ein in New⸗York eingetroffenes Telegramm aus H 8 vanna 8

meldet die daselbst am 15. d. M. erfolgte Ankunft d von Paris und des Herzogs von Chartre

Dem Hause der Abgeordneten ist ein Gesetz⸗

entwurf, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushalts⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1889/90, zugegangen, in welchem zur Besoldung des neu⸗ ernannten besonderen Ministers für Handel und Gewerbe für die Monate Februar und März 1890 an Gehalt und Mieths⸗ entschädigung 7500 verlangt werden.

Dem der Abgeordneten ist die Aus⸗ fertigung des Gutachtens der Akademie des Bau⸗

Belgrad, 17. Februar. (W. T. B.) Die Skupschtina nahm die Vorlage, die Aufnahme

tigsten Erscheinungen

wesens über die der Stromverhältnisse der Weichsel und Nogat vom 6. Mai v. J. nebst An⸗ lagen zugegangen. b

Die Akademie spricht sich darin dahin aus, daß aus der Absper⸗ rung der Nogat, möge dieselbe dauernd durch einen festen Damm, oder nur zeitweise bei Hochwasser durch eine bewegliche Vorrichtung bewirkt werden, eine erbebliche Benachtheiligung des Pillauer Hasens zu erwarten sei. Trotz der Fortschritte, welche auf dem Gebiete der Technik in neuerer Zeit gemacht worden, sei doch ein genügender Beweis noch nicht erbracht, daß es ohne die Spülkraft des Nogat⸗ wassers und ohne große Belästigung der Schiffahrt zu ermöglichen sein würde, den Pillauer Hafeneingang durch Baggerung dauernd offen zu halten. Um ein Urtheil hierüber zu gewinnen, empfehle es sich, mittels kräftiger Bagger vor Pillau und vor einem derjenigen Ostseehäfen, durch welchen nur eine geringe Binnenentwässerung stattfindet, Probe⸗ baggerungen auszuführen, und durch sorgfältige Peilungen den Ein⸗ fluß, welchen Stürme und Küstenströmung auf die künstlich. vertiefte Rinne hätten, festzustellen. Die Bedenken, welche, abgesehen von der Benachtheiligung des Pillauer Hafens, der Absperrung der Nogat ent⸗ seien so erheblich, daß trotz der hiervon zu erwartenden Vortheile empfohlen werden müsse, von der Kupirung der Nogat zur Zeit Abstand zu nehmen. Die Akademie empfiehlt indessen, vor weiterer Entscheidung zunächst die Wirkung, welche die Regulirung der Weichsel und deren Deiche auf den Verlauf des Hochwassers und des Eisganges haben würden, abzuwarten. Dies könne um so unbedenklicher geschehen. als die Kupirung der Nogat jedenfalls erst zur Ausführung kommen könne, nachdem die Regulirung der unteren Weichsel, einschließlich ihrer Deiche bis über die Montauer Spitze hinauf vollständig beendet sein werde. Die Akademie ist des Weiteren der Ansicht, daß die nachbezeichneten Maßregeln zur Anwendung von Ueberschwemmungs⸗ gefahren ausgeführt werden müßten, bevor die Absperrung der Nogat angeordnet werden dürfe: 1) die planmäßige Regulirung der Weichsel und ihrer Deiche von der Gemlitzer Wachtbude bis zur Ostsee; 2) die Regulirung, Erhöhung und Verstärkung der Weichseldeiche von der Gemlitzer Wachtbude aufwärts bis zu dem Punkte, welcher durch die bei eventueller Schließung der Nogat entstehende Hebung des Wasser⸗ spiegels noch erreicht werden würde; 3) die Regulirung des Hochfluth⸗ profils der Nogat durch Beseitigung der Deichengen und der stärksten Krümmungen der Nogatdeiche sowie die Normalisirung dieser Deiche.

Zeitungsstimmen.

Die „Grenzboten“ bringen im Anschluß an die beiden Allerhöchsten Erlasse in der Arbeiterfrage einen Artikel über das soziale Kaiserthum, dem wir Folgendes entnehmen:

„Zwei Kundgebungen des Kaisers sind erfolgt von weittragendster Bedeutung. Wer, der Monarchie und der friedlichen Entwickelung unseres Vaterlandes feind, sie abschwächen will, wird doch immer zu⸗ estehen müssen, daß sich der Deutsche Kaiser an die Spitze der

rbeiterschutzzesetzgebung gestellt hat. Aber selbst in dieser Ab⸗ schwächung reicht ihre Tragweite über die Grenzen unseres Vater⸗ landes hinaus; in der Fürsorge für den deutschen Ar⸗ beiter, wie sie in den Kaiserlichen Willensäußerungen enthalten ist, liegt gleichzeitig die für den vierten Stand in allen Staaten der Welt, und die hochherzigen Worte Kaiser Wilhelm's II. werden nicht nur in den deutschen Gauen, sie werden in den Fabriken Belgiens und in der Schweiz, in England und Frankreich, diesseits und jenseits der Alpen und des Ozeans begeisterten Widerhall finden. Wer sich aber in seinem Urtheil zu der Höhe dieser Kaiserlichen Gesinnung aufzuschwingen vermag, der wird eine dank⸗ bare Genugthuung empfinden, daß das hohenzollernsche Vermächtniß in dem gegenwärtigen Träger der Krone einen Hüter und einen Mehrer semper Augustus gefunden hat. Die Hohenzollern sind nie Könige einer Klasse gewesen, in ihrem Staat hatte nie, wie im ancien régime, nur der Adel eine Stellung. Selbst als noch überall ringsum die Grundsätze der Feudalität die Welt beherrschten, lenkte sich die Fürsorge der brandenburg⸗preußischen Fürsten auf die niederen Stände ihres Volks. Ihr Eintritt in die Mark vollzog sich mit dem Niederbrechen der adligen

8 I Der Bürger und der Bauer betrachtete seine neuen

ürsten zugleich als seine Befreier, und mit eigener Lebensgefahr mußte noch Joachim I. die ungehorsamen Junker von Raubritterthum und Plünderung zu Gehorsam und milden Sitten zurückführen.

Auch der Begründer des Reichs, Kaiser Wilhelm I., den die Lieder als Helden feiern und dessen Regierung selbst dem mitlebenden Geschlecht wie ein Sagenkreis aus den Nibelungen erscheint, hat seine vornehmste Mühe noch in den letzten Lebensjahren den Armen und Mühseligen zugewandt. Die große Arbeiterversicherungsgesetzgebung,

die Millionen von Deutschen gegen Krankheit und Unfall, gegen

die herbste Noth im Alter und bei Invalidität schützt, ist im Begriff,

die Runde um die Welt zu machen. Wie einst die Römer durch ihr

Civilgesetzbuch, das Corpus juris, auf Jahrhunderte und Jahrtausende hinaus den Völkern ihre Vorschriften auferlegten, theils durch Zwang, theils durch die Macht des inneren Werths, so wird die deutsche soziale Gesetzgebung durch den letzteren und allein durch ihn dem Erdkreis ihr Merkzeichen aufdrücken.... b

Die Arbeiterversicherungsgesetzgebung ist ein Werk von solchem Umfange, daß ein Menschenalter kaum zu genügen schien, um sie durchzuführen. Sie hat aber kaum ein Jahrzehnt gebraucht,

daß sie in dieser kurzen Zeit verwirklicht werden

ist das Verdienst des Staatsmannes, dem Preußen

Größe und Deutschland seine Einheit verdankt. Ohne

die mächtige Persönlichkeit des Fürsten Bismarck, die selbst da

noch wirkt, wo sie nicht selbstthätig eingreift, wäre es unmöglich ge⸗ 8 wesen, ein so großes Werk zu vollenden 81 1

Wenn der Kaiser sich auf den Standpunkt seines Großvaters stellte, wie er es oft und ausdrücklich ausgesprochen hatte, so durfte

er nicht ruhig zuwarten. Der große Ausstand der Bergarbeiter im

Frühjahr 1889 gab ihm den äußeren Anlaß, sich mit diesen wich⸗ der Gegenwart eingehender zu befassen. Der Kaiser versuchte bei dem Bergarbeiterausstand zu vermitteln; er versicherte die Arbeiter seines Wohlwollens, so lange sie sich in den Grenzen der Gesetze hielten, und bewog die Arbeit⸗ geber, so weit nachzugeben, als es im Interesse ihrer Industrie möglich war. Aber dieses Mittel wirkte doch nur vorübergehend; es galt, das Ding bei der Wurzel anzufassen.... 1 Die beiden Erlasse stehen auf dem Boden der nüchternen Wirk⸗ lichkeit. Eine Parteiregierung mag Versprechungen machen, ohne Rücksicht darauf, ob sie erfüllt werden können. Der Deutsche Kaiser, der sein Wort einsetzt, kennt dessen Bedeutung, und kann deshalb nur das im Auge haben, was nach menschlichen Begriffen und Möglichkeiten rreichbar ist. Es zeigt sich das vor allen Dingen in der Erkenntniß, daß die Arbeiterschutzgesetzgebung innerhalb der nationalen Grenzen eines Stlaats nicht in erschöpfender Weise behandelt werden kann. Denn der Wettbewerb auf dem Weltmarkte und die 1.“ des Verkehrs haben eine internationale Interessengemeinschaft hervor⸗ gerufen, die sich ebenso auf die Herstellung der Arbeitserzeugnisse wie auf ihren Absatz bezieht. .... 1 1 Aber abgesehen von dieser internationalen Uebereinkunft giebt es in Deutschland noch einen weiten Spielraum, um die geistige, sittliche und körperliche Kraft der Arbeiter zu erhalten und zu stärken. In ieser Frage will der Kaiser sofort Hand ans Werk legen und unter igenem Vorsitz die erforderlichen Maßregeln mit den besten Kräften eines Volks berathen und fördern. Die beiden Erlasse Kaiser Wilhelm's II. bedeuten einen Abschnitt nicht blos in der wirthschaftlichen Geschichte unseres Volks, sondern auch, wenn sie richtig verstanden und hrlich ausgeführt werden, eine Epoche in der ganzen Welt. Es ist ein mächtiger Augenblick, wo der Deutsche Kaiser den Fehdehandschuh aufnimmt, den das noch ungelöste Räthsel der ozialen Frage der lebenden Menschheit hingeworfen hat. Es ist ein

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seiner wirthschaftlichen Lage dienen so

Kaiserlicher und jugendlicher Muth, der es wagt, den Dingen ernst ins Gesicht zu sehen und Reformen anzubahnen, um der Nation und der Welt den inneren Frieden zu sichern, Eund wo er schon erschüttert scheint, wiederzugeben. Es ist aber auch eine Probe tiefer staatsmännischer Weisbeit, die wir in diesem ersten Schritt zu sehen haben. Das Deutsche Volk wird diese befreiende That seines jungen Kaisers nicht vergessen, sie wird für alle Zeiten einen Edelstein in dem Glanze seiner Krone bilden, den kein Sieg auf dem Schlachtfelde verdunkeln kann.“

Für die Wahlen richtet die „Kölnische Zeitung“ folgende Mahnung an alle Freunde von Kaiser und Reich:

„Unter denen, die sich im Getriebe des Parteilebens noch gesundes Urtheil erhalten haben, wird es keinen geben, in dessen Herzen die Kaiserlichen Erlasse nicht lebhaften Widerhall geweckt hätten. Die Lösung der Arbeiterfrage soweit Lösung möglich ist kann nicht allein vom Verstande bewerkstelligt werden, das Herz, das menschliche Empfinden wird dabei mitsprechen müssen, soll die Versöhnung der Interessen nicht nur eine bloß äußerliche sein. Wie heiß aber das Herz idealistisch angelegter Menschen für Nächstenliebe und Gerechtigkeit schlagen möge, der kühle Verstand ist unbedingt nöthig. Er muß uns vor Allem bewahren, die Wirkung der edlen Kaiserworte zu überschätzen; er muß uns bewahren, zu denken, daß die großen Schichten der sozialdemokratischen Arbeiter dadurch für die Sache der Ordnung zu gewinnen seien. In den meisten Parteien, leider auch in der, die wir vertreten, in der nationalliberalen, giebt es Tausende von Bequemen, die sich nicht einmal dazu ent⸗ schließen können, am Wahltage vor die Urne zu treten. Diese Gleich⸗ gültigkeit wäre dieses Mal ein Verbrechen Gewiß giebt es unter den ältern Arbeitern viele, die innerlich anerkennen, was für ihren Stand geschehen ist und geschehen soll. Diese Minderheit ist jedoch außer Stande, sich der eisernen Disziplin zu entzieben. Be⸗ herrscht wird die Stimmung von dem jüngern Geschlecht, in dem zumeist glühender Haß gegen das Bestehende lebendig ist, Wund das in Allem, was der Staat bietet, nichts sieht, als Abschlagzahlungen auf das Ganze. In ihm ist durch Wort und Schrift ein Fanatismus großgezogen worden, von dem man sich kaum eine Vorstellung macht. Je oberfläͤchlicher ihre Bildung ist, desto stärker haften in der Leuten die Schlagworte; sie klingen oft recht schön und gelten Vielen als neues Evangelium. Aber hinter den Worten lauern die Leidenschaften, Herrschbegier, Neid und rohe Genußsucht. Diese Masse aber stellt die Kraft vor, mit deren die Führer ihre Ziele erreichen wollen. Im Reichstage aben die Herren die Schalmei geblasen und den Anarchismus weit von sich gewiesen. Kinder mögen sich davon bethören lassen, nicht Männer. Unter den jungen Arbeitern zählt der Anarchismus ein Heer von Bekennern; in den Köpfen dieser Leute steht nichts fest als die Vorstellung, daß Alles, was besteht, zu Grunde gehen müsse. Käme es zum Siege der Sozialdemokratie, dann würde man das alte Schau⸗ spiel erleben: die meisten der heutigen Führer würden bald als „Halbe“ erscheinen und die „Ganzen“, die Vertreter der äußersten Standpunkte, die Herrschaft an sich reißen. Ja, auch wir fordern Gerechtigkeit und wollen mit Freude Alles thun, um wirkliches Unrecht der Vergangenheit, das aus dem „Laissez aller“ hervorgegangen ist, durch die Mithülfe der Gesetze, durch staatliche Einrichtungen zu be⸗ seitigen. Aber die Gerechtigkeit gilt auch für alle Andern. Und darum ist unbedingt nöthig, daß der Staat auch stark genug bleibe, um un⸗ berechtigte Ansprüche fest und unerbittlich zurückzuweisen und das Recht der Andern zu schützen Der Kampf gegen die Sozial⸗ demokratie muß trotz der Sozialreform bestehen bleiben. Es gilt, Alles aufzuwenden, dem Arbeiter der Industrie im weitesten Sinne eine des Bürgers würdige Stellung zu verschaffen und ihn zu schützen zugleich aber gegen die Pest der Geister, d. i. der sozialdemo⸗ kratische Wahn, sich zu waffnen. Nicht nur der Staat und das Vaterland, alle andern Güter des Geistes und der E esittung stehen auf dem Spiele. Darum sind die kommenden Wahlen ein Prüfstein der Gesinnung, und in ihnen muß sich die Treue für das Reich offenbaren. Wer diesmal in irgend einer Weise den Freunden des Umsturzes die Geschäfte besorgt oder auch nur erleichtert, der ist ein Verräther an Kaiser und Reich.“

Das „Dresdener Journal“ schreibt unter der Ueber⸗ schrift: Arbeiterversicherung und Sozialdemokratie:

„Die jugendliche Lebenskraft des neu erstandenen Deutschen Reichs erweist sich am glänzendsten an den Aufgaben, welche der Gese gebung des Reichs gestellt worden sind, und an der Fülle schspferischer Thaten, mit welchen die Gesetzgebung des letzten Jahrzehnts sich der Lösung ihrer Aufgabe unterzogen hat. So erhaben die Ziele dieser Gesetzgebung sind: Heilung der wirthschaftlichen Gebrechen, gleichmäßige Förderung des Wohles aller Klassen der Bevölkerung unter selbstthätiger Mitwirkung derselben, Wiederherstellung und Be⸗ festigung des inneren Friedens im Staat, so großartig und bewunderns⸗ werth sind die Arbeiten, mit welchen die Erreichung dieser Ziele an⸗ gestrebt und zu einem nicht geringen Theile bereits erfolgt oder doch für nächste Zeit in sichere Aussicht gestellt ist. Mit un⸗ erschrockener Kühnheit ist diese Riesenarbeit in Angriff genommen, mit unermüdeter Ausdauer fortgesetzt, nach einheitlichem, den Erfolg sichernden Plan vollbracht worden. Und diese Arbeit wird nicht ruhen, bis die segensreiche Neugestaltung der gesammten Staats⸗ und Gesellschaftsordnung vollendet ist. Die wirthschaftliche Gesetzgebung Dentschlands steht in der alten und neueren Staaten⸗ geschichte ohne Beispiel da: bahnbrechend, grundlegend, folgerichtig, ö. an gegebene Verhältnisse anknüpfend und darum friede⸗ verheißend.“

Es werden nun die Gesetze, welche zur Besserung der Lage der Arbeiter erlassen worden sind, aufgeführt und daran weiter folgende Betrachtungen geknüpft:

„Wie gestaltet sich nun, um es kurz zusammenzufassen, nach diesen Gesetzen die Lage des Arbeiters?

„Im Falle der Erkrankung genießt er auf 13 Wochen ärztliche Hülfe und Heilmittel, für sich, unter Umständen auch für die Seinigen, ein Krankengeld als Beihülfe für den entgangenen Arbeits⸗ verdienst und ein Sterbegeld für den Todesfall. Bei erlittenem Unfall schließt sich, wenn nöthig, an diese Hülfe von der 14. Woche an weitere Fürsorge für Heilung und dazu für die Dauer der Erwerbs⸗ unfähigkeit, nach Befinden auf Lebenszeit, die Unfallrente, bei einer auch ohne eigentlichen Unfall eingetretenen Invalidität die Invalidenrente und vom vollendeten 70. Lebensjahre an für alle Fälle die Altersrente. Er ist also mit Beginn seiner Arbeits⸗ thätigkeit von der frühen Jugend an bis zum Grabe gegen Noth geschützt, und selbst seinen Hinterlassenen ist ein gewisser Beistand gesichert. Bei der Verwaltung der Versicherungsanstalten ist er zur Mitwirkung zugelassen, die er in Person oder durch gewählte Ver⸗ treter ausübt, durch die er seine Bedürfnisse und Wäͤnsche zu Gehör bringen, die Rechte seiner Standesgenossen vertheidigen, selbst auf Betriebseinrichtungen insbesondere auf Unfallverhütungsvorschriften Einfluß gewinnen und sich jedenfalls davon überzeugen kann, daß es allenthalben mit rechten Dingen zugehe.

Und was leistet der Arbeiter hierzu? Bei der Krankenversiche⸗ rung ein Drittel der Beiträge, bei der Unfallversicherung gar nichts, bei der Invaliden⸗ und Altersversicherung nur die Hälfte des zu den Reichskassenbeiträgen hinzuzufügenden Zuschusses. 8

Hiermit ist aber die Fürsorge des Reichs und der Bundesstaaten noch nicht erschöpft. Weitgehende und wichtige Maßnahmen zur Förderung des leiblichen, geistigen und sittlichen Wohles stellen die Kaiserlicher Erlasse vom 4. Februar d. J. in Aussicht; die dazu erufenen Vertrauensmänner sind zum Theil schon an der Arbeit; nicht zu gedenken dessen, was in einzelnen Bundesstaaten gegen Miß⸗ brauch und unbillige Ausbeutung der Arbeitskraͤfte schon jetzt geschehen ist.

Und was hat dagegen die Sozialdemokratie für den Ar⸗ beiter gethan?

Sie hat gegen alle Gesetze Seen. welche zur Besserung

en.

8

Ssie hat dem Arbeiter noch zu keiner Einrichtung verholfen, ihm eine dauernde Hülfe gewähren könnte . Sie hat ihm durch fortwährende Aufreizung sein Vertrauen, seine Zufriedenbeit, seinen Lebensmuth zu rauben gesucht und ihm zum Eratz dafür ein erträumtes Paradies vorgespiegelt, das nie zur Wirk⸗ lichkeit S2 lanp⸗ dlich, f

Sie hat ihm endlich, statt Unterstützung zu gewä ren, Geld ab: gelockt: Geld für die das Aufhetzen Ceeneran n waͤbergen Führer; Geld für Vereine und Drucksachen, welche noch mniemals einen sicht⸗ baren Nutzen für die Beisteuernden abgeworfen haben; Geld für die Unterstützung der an Arbeitseinstellung Betheiligten, und den letzteren Focden nur Geldverlust durch Einbuße am Arbeitsverdienst ge⸗ racht.

Kunst und Wissenschaft

Der dänische Marine⸗Offizier C. Ryder hat einen Vorschlag und Plan zur Untersuchung der Ostküste Grönlands vom 66. Gr. bis 73. Gr. nördlicher Breite eingereicht. Der Plan ist nach der „Kiel. Ztg.“ in Kürze folgender: Eine Expedition, bestehend aus neun Mann, mit drei Böten, Haus zum Ueberwintern und Proviant für zwei Jahre, wird, sobald die Eisverhältnisse es im

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Juni oder Juli 1891 gestatten, von einem Dampfer auf ungefähr den 70. Gr. n. Br. ans Land gesetzt. Hier wird das mitgebrachte Haus errichtet, der Proviant ꝛꝛc. in Sicherheit gebracht, worauf der Dampfer die Expedition verläßt Im Laufe des Sommers 1891 bexeist die Expedition die Gewässer vom 70. Gr. Br. soreeik als möglich nach Norden hin; dann wird das Winterquartier bezogen, und sobald es die Eisverhältnisse ge⸗ statten. beginnen die Schlittenreisen. Im darauf folgenden Sommer 1892, errichtet die Expedition ein Depot, bestehend aus den zu jener Zeit erworbenen wissenschaftlichen Sammlungen nebst Bericht, welches Depot von dem Dampfer, der die Expedition ans Land gebracht hat, abgeholt wird. Beim Forttreiben des Eises verläßt die Expedition ihr Winterquartier und geht mit Böten und soviel Proviant als möglich nach Süden, während die Küste untersucht und kartographirt wird; wenn möglich, soll die Expedition im Sertember in Angmag⸗ salik sein, wo sie von einem Schiff abgeholt wird. Nach dem Vorschlage des Premier⸗Lieutenants Ryder soll die Expedition aus einem Chef, einem jüngeren Seceoffizier, einem Wissenschaftsmanne (Geologen, Botaniker und Zoologen), vier Matrosen und zwei grön⸗ ländischen Fischern zusammengesetzt werden. Die Ausgaben sind auf beziehungsweise 145 000 Kr., 180 000 Kr. oder 293 000 Kr. ver⸗ anschlagt, je nachdem die Landbesteigung von einem Walfangschiff, einem gemietheten oder einem gekauften Schiffe stattfindet. Der Vorschlag wird von der ommission für die geologischen und geographischen Untersuchungen auf Grönland empfohlen. Die Kom⸗ mission befürwortet die Wahl und die Benutzung eines gemietheten Schiffes, wonach dann also die Ausgabe 180 000 Kr. betragen wird.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Weinernte.

Die Traubenlese an der Mosel, welche bei trockener Witterung vor sich ging, hat sehr verschiedene Ergebnisse geliefert. Die Menge des gekelterten Weines ist im Allgemetnen nur wenig höher als auf ein Drittheil eines vollen Herbstes zu schätzen. Wie diese, so ist auch die Güte des Erzeugnisses eine höchet ungleiche. Während an ein⸗ zelnen Orten bei sorgfältiger Pflege des Weinstocks und rechtzeitiger Bekämpfung der Rebenschädlinge eine gute Qualität erzielt wurde das Mostgewicht betrug in den besten Lagen 90 bis 950 Oechsle ist an anderen Stellen, namentlich wo gegen die Ausbreitung der peronospora viticola nichts geschab oder nur nachlässig vorgegangen wurde, die Ernte sowohl in Bezug auf Menge wie Güte sehr gering ausgefallen In diesen Lagen schwankt das Mostgewicht zwischen 40 und 800° Oechsle. Auch ist das Holz der kranken Stöcke nicht aus⸗ gereift, sodaß die Verwüstungen der peronospora sich in ihrer schädi⸗ genden Wirkung auch noc auf die kommende Ernte ausdehnen wer⸗ den, da das unreife Holz den Winterfrösten nicht zu widerstehen vermag und nur eine geringe Tragfädigkeit besitzt. In den übrigen Wein⸗ bergen ist das Tragbolz gut ausgewachsen und vollständig zur Reife gelangt, sodaß hier die Vorbedingungen für das nächstjährige Wachs⸗ thum vorhanden sind. Immerhin hat der Winzerstand Ursache, mit der letzten Ernte zufrieden zu sein, da der gewonnene Wein nach den bis jetzt abgeschlossenen Verkäufen zu verhältnißmäßig hohen Preisen übergeht und selbst bei geringer Güte des Wachst!hums der Erlös ein zufriedenstellender ist.

Verkehrs⸗Anstalten.

London, 17. Fekraar. (W. T. B.) Der Castle⸗Da „Hawarde

n Castle“ hat heute auf der Ausreise Lissabc bafftt. Ausreise Lissabon

Theater Musik. 8

Belle⸗Alliance⸗Theater.

Das Gastspiel der Münchner geht seinem Ende entgegen, bereits die nächste Woche wird seinen Abschluß bringen, und die hier stets so gern gesehenen Gäste werden, wie verlautet, Berlin dann sobald nicht wieder auffuchen. An gutem Erfolg war auch ihr dies⸗ maliges Gastspiel reich, und wenn es auch keine Novitäten gebracht hat, so verstanden es die tüchtigen Darsteller doch, auch mit den alten Stücken das Publikum bestens zu unterhalten. Am gestrigen Abend gaben sie wieder ein zugkräftiges Werk aus ihrem Repertoire, das von Hans Neuert und Maximilian Schmidt verfaßte ländliche Volksstück „Im Austragstüberl (Im Altentheil). Neues läßt sich über dieses Stück nicht sagen, es wird stets gefallen durch die gemüthvolle Handlung, und wenn auch die Geschichte von dem undankbaren Sohn und den großmüthigen Eltern schon in den mannigfachsten Formen behandelt ist, so wirkt sie auf der Bühne doch noch ganz besonders eindringlich. Zum guten Theil ist das auf Rechnung der Darstellung zu setzen, welche bei allen Auf⸗ führungen der Münchener eine hervorragende Rolle spielt und den Erfolg sichert. Der alte Bauer, welcher seinem Jungen zu viel traut, ihm sein Gehöft giebt und sich nur sein Altentheil aus⸗ bedingt, wird durch Hrn. Neuert ausgezeichnet dargestellt, und eine treffliche Mutter ist Frl. A. Schönchen. Der irregeleitete und schließlich durch die unverdiente Herzensgüte der Eltern zum Bessern bekehrte Sohn fand an Hrn. Ernst einen recht geeigneten Vertreter. Hr.

Hofpauer und Frl. Jenke gaben zusammen ein drolliges Paar ab, auch Hr. Bäumler als Natzl sei nicht vergessen. So hat denn auch das „Austragstüberl“ wieder die Freunde der Münchner auf das Beste unterhalten und es ist nur zu bedauern, daß das hübsche Stück nur an wenigen Abenden aufgeführt wird.

Mannigfaltiges. 8

Die Simeon⸗Kirchengemeinde beabsichtigt, laut Mit⸗ theilung des „B. B.⸗C.“, eine neue Kirche mit Kuppelbau auf dem Wasserthorplatze zu erbauen, welche gleichsam als ein Gegenstück zu der Michael⸗Kirche in der Achse des Kanals und zwar über dem Wasserthorbecken ihren Platz finden soll. Die Aus⸗ führung ist in der Weise geplant, daß zwei Gewölbe über dem Wasser hergestellt werden, auf welchen der Mittelbau der Kirche ruht, wäh⸗ unter demselben die Schiffahrt uvngestört ihren Fortgang nehmen. würde.

Der Gesundheitszustand in Berlin war auch in der

Woche vom 2. bis 8. Februar ein ziemlich günstiger und die Sterb⸗ lichkeit eine kleinere als in der Vorwoche (von je 1000 Einwohner

starben aufs Jahr berechnet 21,1). Etwas häufiger als in der Vorehe woche kamen wieder akute Entzündungen der

Vorschein, doch blieb ihr Verlauf in den überwi