1890 / 62 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

8 Sängerkrieg auf der Wartburg. Große roman⸗

treffliche und trug zum Erfolge des Abends wesentlich bei. Hr. Gutbery glänzte wie gewöhnlich in der Wiedergabe von Pantoffel⸗ helden der verschiedensten Lebenslagen; er ist stets gleich unter⸗ haltend als willenloser Diener seiner Frau, als der plöͤtzlich in Freiheit gesetzte Hausherr und als demüthiger, geknickter Sünder nach dem Mißbrauch seiner Freiheit. Fr. Schramm spielte eine klatschsüchtige Gebeimräthin mit drei in die Saat geschossenen und noch unversorgten Töchtern überaus komisch. Als Backfisch war Frl. Lehmann so reizend und natürlich wie immer; auch Frl. Pallatschek machte sich bemerkbar durch Zierlichkeit der Bewegung und durch eine etwas festere Charakteristik ihrer Rolle Von den mitwirkenden Herren hatte außer dem schon erwähnten Hrn. Guthery nur noch Hr. Alexander eine dankbare Rolle; der schüchterne, stets rechnende Assessor, welcher seine Verliebt⸗ heit nach seinem Einkommen regeln möchte, bot eine recht lustige Erscheinung dar. Das Publikum unterhielt sich offenbar recht gut, denn an Heiterkeit und Beifallsbezeugungen war, wie gesagt, kein

Mangel.

4 Sing⸗Akademie.

Hr. Alexander Alexy von der Metropolitan⸗Oper in New⸗ York, der schon früher hierselbst in Concerten mitgewirkt hat, gab am Sonnabend ein eigenes Concert. Der Künstler besitzt eine sehr klangvolle. ausgiebige und umfangreiche Baritonstimme, mit der zugleich lebendige und leidenschaftliche Ausdrucksweise vereinigt ist. Wenn wir hierbei nicht unerwähnt lassen, daß mitunter ein Uebermaß im Gebrauche des Forte besonders bei den höheren Tönen zu spüren ist, so thun wir dies im Interesse des höchst begabten Sängers. Sein Vortrog des wildromantischen Gesangsstücks „Kalafat“ von A. Bungert, dem eine Dichtung der Königin von Rumänien zu Grunde liegt, sowie zweier sehr effektvoller Balladen von Reimann und einiger anderer Lieder und Balladen von Liszt, Ernst und Wallnöfer wurden mit wohlverdientem Beifall des leider nicht sehr zahlreich erschienenen Publikums aufgenommen. Von den übrigen künstlerischen Leistungen dieses Abends ist, mit Ausnahme der sehr gelungenen Deklamation der bereits vortheilhaft bekannten Fr. Agnes Freund, die eine Ballade „Schön Adelheid“ von von Wildenbruch unter großem Beifall vortrug, nicht viel Rühmendes E sagen. Die Sängerinnen Fr. Tilly Fickert und Fr. etzner, zwei Dilettantinnen, überboten sich gegenseitig im Detoniren; auch das Violinspiel des Hrn. Landsberger entbehrte noch der nöthigen Reife für einen Concertvortrag. Der Pianist Hr. Brüning hatte die Begleitung der Solovorträge übernommen und führte dieselbe

sicher und diskret aus. Philharmonie.

Zu dem vorletzten populären Kammermusik⸗Abend der Hrrn. Prof. Barth, de Ahna und Hausmann hatte sich am Sonn⸗ abend wiederum ein außerordentlich zahlreiches Publikum eingefunden. Das musterhafte Zusammenspiel der Concertgeber war in dem großen Trio (Es-dur) von Beethoven, wie in dem Forellen⸗Quintett von Schubert, an dessen Ausführung noch die Hrrn. Markens (Viola) und der Königliche Kammermusikus Rode (Contrabaß) Theil nahmen, von so wundervoller Wirkung, daß die Wiederholung der Variationen des Quintetts stürmisch begehrt wurde. Auch das Cehospiel des Hrn. Hausmann kam noch in Piecen von Bach und Boccherini vor⸗ trefflich zur Geltung. Der Pianist trug außerdem die Paganini⸗ Variationen von Brahms vor und erntete hierdurch so enthusiastischen Beifall und Hervorruf, daß er sich bewogen fühlte, noch das H-moll- Scherzo von Chopin hinzuzufügen. Der letzte Kammermusik⸗Abend findet am 27. März statt. v 8

Mannigfaltiges.

Die vom Vaterländischen Frauenverein gestern Abend veranstaltete Gedenkfeier für Ihre Hochselige Majestät die Kaiserin und Königin Augusta gestaltete sich zu einer sehr weihevollen und wahrhaft ergreifenden Kundgebung der Trauer um die hohe Beschützerin der Vaterländischen Frauenvereine und um die rast⸗ lose Beförderin aller unter dem Zeichen des Rothen Kreuzes ver⸗

einigten humanitären Bestrebungen - auf nationalem und inter⸗

nationalem Gebiet. Der Saal der Sing⸗Akademie war geschmückt mit⸗ der von Blattpflanzen umgebenen Büste der Hochseligen Kaiserin; zu beiden Seiten waren die Fahnentücher der Königin von Preußen und der Deutschen Kaiserin ausgebreitet. Vor dem osta⸗ ment lagen prächtige Kränze, unter ihnen ein solcher der roß⸗ herzogin von Baden. Rechts und links von der Büste waren die Mitglieder des Hauptvorstandes des Preußischen Vaterländischen Frauen⸗ vereins mit der Vorsitzenden desselben Gräfin Charlotte Itzenplitz, die Delegirten der Provinzial⸗Verbände und Zweigvereine, sowie der Vorstand des Frauen⸗Lazareth⸗Vereins, des Augusta⸗Hospitals und die Schwestern desselben, sowie die Vorstände von weiteren wohlthätigen Vereinen versammelt, denen die hochselige Kaiserin Unterstützung und Förderung gewährt hatte. Auf den ersten Sitzreihen, der Büste gegenüber, hatten der Vorstand des preußischen und deutschen Central⸗Comités der Männer⸗Vereine vom Rothen Kreuze sowie die Delegirten der Frauen⸗ Hülfs⸗ und Pflege⸗Vereine in Bayern, Sachsen, Baden, Hessen und Mecklenburg Platz genommen. Unter den Anwesenden befanden sich auch der General⸗Feldmasschall Graf Moltke und der Herzog von Ratibor. 1 1“

Um 6 ½ Uhr erschienen Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, der Großherzog und die Großherzogin von Baden, der Großherzog von Sachsen, der Regent des Herzogthums Braunschweig Prinz Albrecht von Preußen und die Prinzessin Albrecht in den Legen, während die Orgel ein Vorspiel intonirte. Nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften Platz genommen, ertönte der Gesang des Domchors, der aus dem Graun'schen Oratorium „Der Tod Jesu“ den Choral „Wie herrlich ist die neue Welt“ vortrug. Nachdem die weihevollen Töne verklungen waren, hielt der Kabinets⸗ Rath der Hochseligen Kaiserin, Hr. Kammerherr von dem Knese⸗ beck die Rede zum Gedächtniß auf die heimgegangene Fürstin. Er gab unter Anlehnung an die Thätigkeit der Kaiserin auf dem Gebiet der humanitären Bestrebungen eine nach Inhalt und Form vollendete Charakteristik der unvergeßlichen Fürstin, ihrer Individualität und großen und bedeutenden Eigenschaften des Geistes und des Herzens sowie ihres so segensreichen Wirkens auf allen Gebieten der Menschenliebe, die wegen ihrer Wahrheit den tiefsten Eindruck auf alle Zuhörer machte. Mit dem Gesange des Domchors: „Herr Gott nun schleuß den Himmel auf“ und „Jerusalem du hochgebaute Stadt’ schloß die ernste Feier, welche eine ganz im Geiste der Hochseligen Kaiserin ge⸗ haltene Kundgebung treuer und dankbarer Erinnerung an die unver⸗ geßliche Protektorin der Vaterländischen Frauenvereine war

Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Auguste Victoria stehende Vaterländische Frauenverein hielt heute Vormittag in dem Saale der Sing⸗ Akademie seine 24. Jahresversammlung ab, der die Delegirten der Provinzial⸗, Bezirks⸗ und Zweigvereine aus allen Theilen Deutschlands beiwohnten. In Vertretung der Hohen Protektorin war Schloßhauptmann Freiherr von Ende erschienen; vom Hofstaat der heimgegangenen Kaiserin Augusta sah man den Kabinets⸗Rath von dem Knesebeck. Den Jahresbericht er⸗ stattete der Geheime Regierungs⸗Rath von Roux. Derselbe gedachte in pietätvoller Weise des Ablebens der Kaiserin Augusta, dankte der regierenden Kaiserin für die Uebernahme des Protektorats und ging dann speziell auf die auch im letzten Jahre reiche Thätigkeit des Vereins ein. In erster Reihe hatte sich die Thätigkeit des Vereins der Lin⸗ derung der durch die Ueberschwemmungen hervorgerufenen Noth zugewandt,. Ein weiteres Feld reger Thätigkeit war die Vorbereitung der Fürsorge für den Kriegsfall. Der Vaterländische Frauen⸗ verein hat in dieser Beziehung Anschluß an die Männervereine vom Rothen Kreuz gesucht, um die gemeinsame Thätigkeit zu sichern und zu regeln durch Errichtung vereinigter Comités und Eintheilung derselben in Sektionen für die verschiedenen Zweige der Thätigkeit. Zum Theil sind förmliche Mobilmachungspläne aufgestellt worden, und namentlich der Bezirksverband Kassel ist in dieser Beziehung bahnbrechend vorgegangen. Auf speziellen Wunsch der Kaiserin

Augusta ist der Kasseler Plan sämmtlichen Provinzialverbänden zur Kenntnißnahme mitgetheilt worden. Des Weiteren hat sich der Ver⸗ ein der hauswirthschaftlichen Ausbildung der Mädchen aus den ärmeren Volksklassen gewidmet. Von einer sehr großen Anzahl von Frauenvereinen wird der Näh⸗, Strick⸗ und Flick⸗ unterricht gepflegt, Unterricht im Kochen und Haushalten findet erst an wenigen Orten statt. In Kassel wird der Unterricht im Anschluß an die Volksschule ertheilt. Die Einnahmen des Hauptvereins beliefen sich auf 41 230 ℳ, die Aus⸗ gaben betrugen 68047 ℳ; 50 231 wurden davon zu Unterstützungen verwendet, speziell auf Berlin entfielen 2630 Es entstand somit ein Defizit von 26 817 ℳ, dessen Deckung aus dem Vermögen er⸗ folgen mußte. Dasselbe hat sich in Folge dessen von 360 065 auf 333 248 verringert. Die Gesammtzahl der Zweig⸗ und Provinzialvereine ist von 696 auf 716 gestiegen, die Zahl sämmt⸗ licher Mitglieder beträgt jetzt 95 509 gegen 90 205 zu Beginn des Jahres. Die Bildung von Provinzialverbänden ist nunmehr in allen

rovinzen vollzogen. Das Baar⸗ und Kapitalvermögen der sämmt⸗ ichen Vereine betrug am Anfang des Jahres 2 019 151 Es traten hinzu an Einnahmen 1 790 559 und es verblieb nach Abzug der Ausgabe (1 650 099 ℳ) ein Bestand von 2 159 611 Außerdem besitzen die einzelnen Vereine Grundstücke, An⸗ stalten, Inventar u dgl. im Werthe von 2 091 161 gegen 1 587 056 zu Beginn des Jahres. Am Schlusse des Berichts widmete der Redner noch einen warmen Nachruf dem Minister Dr. Friedenthal. Nach Schluß der Versammlung trat eine Anzahl Delegirte zu einer kurzen Berathung über die Begründung einer das Andenken der Kaiserin Augusta verewigenden, spesiell deutschen Stiftung zusammen. Eine internationale Stiftung zu gleichem Zweck ist bereits von der Genfer Konvention angeregt worden. Heute Nachmittag werden die Delegirten der Provinzial⸗ und Bezirksvereine einer Einladung der Allerhöchsten Protektorin zu einer im Königlichen Schloß anberaumten Sitzung folgen, in der Berichte über die Thätigkeit der einzelnen Verbände erstattet werden sollen.

Das Denkmal der Königin Luise prangte heute, am Geburtstag derselben, in Blumenpracht. Im Hintergrund des Denkmals erhob sich terrassenförmig eine blühende Wand, ge⸗ bildet von Tausenden herrlicher Blumenblüthen. Die etwas hervor⸗ tretende Mitte der Blumenterrasse war u. A. mit 6 m hohen Kamelienbäumen bestellt, die mit rothen, weißen und zart⸗ rosa Blüthen wie übersäet waren. Nach oben zu fand die Terrasse ihren Abschluß in Festons, während zu beiden Seiten mächtige Lorbeerbaumgruppen standen. Von ihnen aus setzte sich dann die herrliche Dekoration nach vorn zu fort. Das Gitter des Denkmals zierten acht mit auserlesenem Geschmack zu⸗ sammengestellte Kränze, der ganze Raum zwischen Gitter und Denk⸗ mal war in einen Blumenteppich umgewandelt. Auf den Treppen⸗ wangen standen blumengefüllte Epheukörbe. Das Denkmal König Friedrich Wilhelm’s III. war gleichfalls mit Kränzen und Guirlanden geschmückt. Den Stein auf der nahen Luiseninsel um⸗ schlangen Laubgewinde, die Schale war mit Blumen und hängenden Gewächsen gefüllt.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

St. Petersburg, 10. März. sc. T. B.) In der I Versammlung des slavischen Wohlthätig⸗ eitsvereins wurde mitgetheilt, daß für die nothleidenden Montenegriner in Rußland durch den heiligen Synod

und den slavischen Verein im Ganzen 200 000 Rbl. gesammett,

wovon über 160 000 Rbl. bereits abgesandt seien. (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 10. März, tische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr. burg.

Schauspielhaus. 61. Vorstellung Zum 1. Male: Lustspiel in 3. Akten von Victorien Sard von Robert Buchholz. Anfang 7 ½ Uhr.

Morgens 8 Uhr.

Temperatur

u. d. Meeressp. R.

Otto Devrient.

Wind. Wetter.

in ° Celstus

red. in Millim.

weiser Benutzun Lieder aus J.

Mullaghmore 759 SW 6 Regen Aberdeen 752 SSO 2 bhalb bed. Christiansund 753 NW 7 Schnee Kopenhagen. 762 WSW E2 beiter Stockholm 751 W 6 Schnee aparanda. 742 NW 2 halb bed. St. Petersbrg. 7565 S Moskau . 774 O

Cork Queens⸗ town 766

Cherbourg 770 SSW

Helder.. . 766 SW

Sylt 763 WSW 3 halb bed.

Hamburg.. 768 WSW 3 wolkenl. ¹)

Swinemünde 768 WSW 5 wolkenlos

Neufahrwasser 764 WNW A halb bed.

Memel 761 WSW e6 halb bed.

still wolkenlos ünster... SW 3 halb bed.

Karlsruhe.. NO 2 heiter²)

Wiesbaden. 772 N 2 wolkenlos

München.. NW 3 bedeckt²)

Chemnitz.. WSW 2 halb bed.

Berlin. ... WNW 3 heiter)

Wien.. NW 2 bedeckt NW 2 bedeckt

4 wolkenlos

50 C. =—

fang 7 Uhr.

Donnerstag:

Donnerstag:

SU* —0

—y— —- - 2—2——

+2Gœ22

De

Donnerstag:

—21) Nachts leichte Schneeböen. ²) Reif. ³) Nachts Schnee. ⁴²) Reif.

Uebersicht der Witterung.

Das Minimum, welches gestern über dem Skagerak lag, ist nordostwärts nach Lappland fortgeschritten, ein neues Minimum ist nordwestlich von Schottland erschienen, während der Luftdruck über Frankreich und Süddeutschland am höchsten ist. Bei an der

kälter und vorwiegend beiter; allenthalben fanden Anfang 7 ½ Uhr Nachtfröste statt. Im südlichen Deutschland haben überall, in den übrigen deutschen Gebietstheilen stellenn eise Niederschläge stattgefunden.

Deutsche Seewarte.

88821 Dienstag:

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ aus. 59. Vorstellung. Tannhäuser und der

Federmann.

Feurige Kohlen. von Ottomar Beta. In Scene gesetzt von Direktor Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Opernhaus. 60. Vorst. Der Trompeter von Säkkingen. Oper in 4 Akten nebst einem Vorspiel von Victor E. Neßler.

ictor von Scheffel’'s Dichtung, von Beleuchtungs⸗Effekten: R. Bunge. Ballet von Charles Guillemin. An⸗ Feangäins. Geoßes Aussfättangss üc mit Gesang ihr und Tanz in 4 Akten und 13 Bildern nach Jules Schauspielhaus. 62. Feerstellung. Die Qnitzow’s. Verne von Carl Pander. Musik von E. ach aleh Vaterländisches Drama in 4 Au Ballets und Gruppirungen von

von Wildenbruch. Anfang 7 Uhr.

Beutsches Theater. Dienstag: Der Wider⸗ spänstigen Zähmung. Mittwoch: Die Stützen der Gesellschaft. Der Unterstaatssekretär. Die nächste Aufführung von Der Pfarrer von

Kirchfeld findet am Freitag, den 14. März, statt. Ein 3 Akten (5 Bildern) von Eduard Jacobson.

—— von G. Michaelis und G. Steffens.

Verliner Theater.

Mittwoch: Der Veilchenfresser. I Zum 1. Male: Galante Könige. Mann.

JTessing-Theater. Clémenceau. Schauspiel in 5 Akten von A. Dumas Musik von G. Steffens. und A. d'Artois. u

Mittwoch: Die Ehre. Schauspiel in 4 Akten von Hermann Sudermann.

Die Ehre.

Julius Rosen. Anfang 7 Uhr. 8 Mittwoch und Donnerstag: O, diese Männer!

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich -Wilhelmstädtisches

55. Male: Der arme Jonathan. Operette in tk.

3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. treten der Schulreiterin Frl. Zephora, sowie der Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von renommirten Luftkünstlerinnen Geschw. Castagna.

Mittwoch: Gala⸗Vorstellung unter Mitwirkung

Uhr des Direktors E. Renz. Auf vielseitiges Verlangen:

Im dunklen Erdtheil (Einnahme von Bagamoyo).

Julius Fritzsche. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Der arme Jonathan.

Dienstag:

Charakterbild in 5 Aufzügen Mi twoch: Marquise.

der Idee und einiger Original⸗

fzügen vo rnst und A. Wicher. der Balletmeisterin Maria Volta.

Central-Theater.

8 Alfred Bender. Dienstag: Gräfin Lea. Emil Thomas. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag: Dienstag: Direktor Emil Thomas.

Dienstag:

Zum 32. Male:

Zeitgemälde in 10 Bildern und Richard Nathanson. 1 Circus Renz, Kartnratse 7 Uhr: Zum letzten Male:

8

Fiegen : Hr. Kapellmeister

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Zum 32, Male: Marqnise.

Belle-Alliance-Theater. Dienstag: Mit Text mit autorisirter theil⸗ gänalich neuer Ausstattung an Dekorationen, Kostümen, VII. Komponisten⸗Abend unter gef. Mitwirkung des

Musik⸗Dirigent: 1 Hr. Kapellmeister A. Wicher. In Scene gesetzt vom Direktor Sternheim. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Direktion:

Dienstag: Vorletzte Aufführung. gemachter Mann. Posse mit Gesang in

In Scene gesetzt vom Direktor Mittwoch: Zum letzten Male: Ein gemachter Hr.

Haus. N kst.Z”pefe. dag.,

aus. Novität. Posse mi esang in 4 Akten Der Fall nach einer vorhandenen Idee von W. Mannstädt. In Scene gesetzt von rn.

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72. Gesangsposse in 4 Akt Ed e in een von Eduard Jaco

Wallner-Theater. Dienstag: Neu einstudirt: Leopold Ely. Couplets theilweise von Fustav Görß.

! Schwank in 4 Aufzügen von Musik von Franz Roth. Anfang 74 O, diese Männer! Schwan zügen von —Mittwoch: Dieselbe Vorstelung⸗

Mrania, Invalidenstraße 57/62, geöffnet von

3 12 11 Uhr. Dienstag 7 ½ : Di 3 pictoris-Theater. Dienstag: Zum 205. M.: schichle dor Urweit stag um 7 ½ Uhr: Die Ge Stanley in Afrika. 1

Küste frischen füdwestlichen, im Binnenlande leichten von Alex. Moszkowski gr variablen Winden ist das Wetter in Deutschland Musik von C. A. Raida Ballet von C Severini. Dienstag, Abends Deutsche Turner.

Große nationale Original⸗Pantomime. 1 Großes Hürdle⸗Rennen mit 24 der best. Springpferde, ge⸗ dhe ritten von Damen und Herren. Hippol. Pot⸗ ater. pourri, ausgeführt von 40 Freiheitspferden (Driginal⸗ Mit neuer Ausstattung: Zum Dressur) von Hrn. Franz Renz. Auftreten der Berlin: vorzügl. Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. Auf⸗ 8

Coneert⸗Anzeigen.

Sing - Akademie. Dienstag, 11. März: Letzter

““ Lieder⸗Abend von Hermine Spies. Anfang 8 Uhr.

Concert-Haus, Leipzigerstr. 48 (früher Bilfe) Dienstag, 11. März: Karl Meyder⸗Concert.

equisiten, maschinellen Einrichtungen u. elektrischen K Zum 10 Make. . Komponisten Hrn. Emil Hartmann.

Familien⸗Nachrichten.

1 t. Frl. Anna Brockmann mit Hrn. Hein⸗ rich Schnorr (Kiel —Passade). Frl. Marie Glöckner mit Hrn. Landwirth Otto Zollmann

(Priorau bei Raguhn— Hohsdorf). Frl. Adele

Segall mit Hrn. Bankdirektor Alfred Maerker

(Berlin). Frl. Hanna Wiesike mit Hrn. Joh.

Krause (Bandenburg a. H.). Frl. Emma

Härtel mit Hrn. Karl Krause (Jena).

Musik Verehelicht: Hr August Rothe mit Frl. Emma

Trapp (Berlin Dresden). Hr. Otto Paulssen

mit Frl. Ida Heine (Leipzig Breslau). Hr.

Wilhelm Voß mit Frl. Julie Nottebohm (Witten).

Max Schmidt mit Frl. Elisabeth Heinig

G(Fapere Oeeimn bn: Hrn. Gezictzafsef

Ein fidele eboren: in Sohn: Hrn. Gerichtsassessor

es Alfred Koch (Berlin). Hrn. H. Müllendorff

(Straßburg). Hrn. Landrichter Heigelin Gnl).

Tamsen (Kiel). Hrn. Gustav

Bühnert (Leipzig). Hrn. Otto Liebmann (Köln).

Hrn. Paul Dornblut (Gera). Hrn. Otto

Röchling (Basel). Eine Tochter: Hrn.

v. Stegmann⸗Stein (Stachau). Hrn. Dr. med.

Geßler (Leipzig⸗Gohlis). Hrn. Bankassessor

Plaeschke (Köln). Hrn. Richard Weitbrecht

(Mähringen). Hrn. Lehrer Günther (Ammer⸗

Uhr bach). Hrn. Albert Villain (Berlin). Hrn. 8 saags Tobias (Berlin). Hrn. Otto Sommer⸗

torff (Berlin).

Gestorben: Hr. Rechnungsrath Wilhelm Lemke (Berlin). Hr. Rentier J. J. A. Lejeune (Berlin). Hr. Hauptmann Rudolf Treuding (Berlin). Hr. Kaufmann Eduard Werbrun (Köln). Hr. Amtsrichter Fritz Schreier (Lauten⸗ burg, Westpr.) Hr. Justizrath Heinrich Goetz (Leipzig). Hr. Kaufmann Georg Heiduschka (New⸗York). Fr. Sophie Schünemann, geb. Köhne (Hohendodeleben).

Emil Thomas. Zum 25. Male:

Couplets von

Redacteur: Dr. H. Klee. 2

Verlag der Expedition (Scholz). 2

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Es ist

(391 v⅛)

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

B e i 1 a g e 8

Berlin, Montag, den 10. März

1890.

der in den deutschen Münzstätten bis Ende Februar 1890 stattgehabten

Deutsches Reich. Uebersicht

Ausprägungen von Reichsmünzen.

Goldmünzen

Silbermünzen

1) Im Monat Februar 1890 sind geprägt worden in:

Doppel⸗ kronen

Kronen

—, Hiervon aufs Fünf⸗ Halbe Privatrech⸗ Fünf Kronen nung

. Ein⸗ Fünfzig⸗ Zwanzig⸗ 88429 Zwei Ein 1 pfennig⸗ pfennig⸗ markstücke markstücke markstücke stücke stücke

Zwanzig⸗ pfennigstuͤcke

8 Nickelmünzen 8

Kupfermünzen

Zehn⸗ Fünf⸗ Zgwei⸗ Ein⸗ pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke 1. 3

Berlin.. München. Karlsruhe

2 738 480

2 738 480 8— 12n

1“ 8.

89 596 20 4 789 70 2 834 50 16 144 74 1u“ 2₰ 6 589 04 27 000 1

Summe 1. 2 738 480

2) Vorher waren geprägt*)

2 738 840 = 1 935 487 880 /476 294 290 27 969 925/1118480130ʃ74 104 195]104 964 606[178 990 334 71 486 552 35 717 922 80° 3 003 179 27 251 241 20] 13 343 950/15

4 791 670 57

gur an ee 2 700, 116 596 20 4 789 70 2 834/ 50 6-2213 207

4) Hiervon sind wieder

eingezogen 1 045 260% 1 204 170⁰⁄⁰0 9 630

2³¹⁰ 7158 2 918 50% 13 002 762 20

8 Gesammt⸗Ausprägung 1958 228 500,178 297 290 27 909 925 117121867074 104 195104 904 6068178 990 33471 486 552— EKK; 11

621327 1877 101 35

8 20 911 80

1 937 187 100 [475 090 120ʃ27 960 295 2 440 231 5915

5) Bleiben..

74 096 885 104 956 854178 983 176 71 483 633 50] 22 715 160 ,60

J9 767 27 255 10 10 91538 168 85

315 80 9 23 94

452 235 709,10

*) Vergl. den „Reichs⸗Anzeiger“ vom 10. Februar 1890 Nr. 38.

Berlin, den 8. März 1890.

Hauptbuchhalterei des Reichs⸗Schatzamts. Biester.

43 721 354,95

Fürst Bismarck als Volkswirth

I

Die außerordentlichen Erfolge der staatsmännischen Thätigkeit des Fürsten Bismarck haben seit fünf Lustren nicht nur den Politikern der ganzen Welt und somit auch der ganzen Zeitungswelt Nahrungsstoff gegeben, sondern auch eine große Reihe von Monographien hervorgerufen, welche sich bemühen, seine Thaten von den verschiedensten Seiten zu beleuchten und ihnen in Bezug auf ihren geistigen Ursprung tiefer auf den Grund zu gehen. Die „Bismarck⸗Literatur“ ist gewiß eine der umfangreichsten, die jemals einem Staats⸗ mann noch bei seinen Lebzeiten zu Theil geworden ist. Sie zu spezialisiren, können wir hier füglich um so mehr unterlassen, als ein Werk vorhanden ist, in welchem sie ziemlich vollständig registrirt ist; es ist dies „Fürst Bismarck⸗Gedenkbuch“ von H. Kohl (Chemnitz 1889, Verlag von Bülz), und zwar auf Seite 63—82.

Aber die eine Seite seiner Thätigkeit, wir meinen die

wirthschaftspolitische, ist in den Betrachtungen über seine Wirksamkeit verhältnißmäßig zu kurz gekommen. Nicht nur der Glanz der Außenseite seiner vorzugsweise auf dem Gebiete der großen Politik liegenden Thaten hat eine genaue und gründliche Würdigung jener nicht recht aufkommen lassen; sondern namentlich war hieran der Umstand Schuld, daß die wirthschaftspolitische Thätig⸗ keit des Fürsten für die Allgemeinheit erst in dem letzten Decennium klarer zu Tage trat, und daß ferner die seit Jahrzehnten eingebürgerte volkswirthschastliche Theorie ein Ver⸗ stehen und um so mehr eine gerechte Würdigung jener Thätig⸗ keit erschwerte. Freilich giebt es auch Broschüren und Mono⸗ graphien, welche sich bemüht haben, nach dieser Richtung hin Aufklärung zu verbreiten. Aber es ermangelte bis⸗ er eine aktenmäßige Darstellung der Politik des Fürsten allein von dem Gesichtspunkt seiner volkswirth⸗ schaftlichen Wirksamkeit aus. Daß diese nicht minder bedeutend ist, als das, was der Kanzler auf dem Gebiet der auswärtigen Politik geschaffen, kann demjenigen nicht verborgen bleiben, der den Fäden seiner Wirthschaftspolitik nachspürt und die hierdurch in dem volkswirthschaftlichen Bewußtsein der Nation, ja vielleicht der Welt hervorgerufene Wandlung prüfenden Blickes überschaut.

Jene Fäden gesammelt und klargelegt zu haben, ist das

Verdienst des Geheimen Regierungs⸗Raths Dr. Ritter von

oschinger. In seinem vor beinahe Jahresfrist erschienenen

erke „Fürst Bismarck als Volkswirth“, Band I (Berlin, Verlag von Hennig und Eigendorf. 1889.) stellt der Verfasser bekannte Thatsachen, wie sie sich in den parlamentarischen Reden und in den Zeitungen befinden, nach dem bezeichneten Gesichts⸗ punkt zusammen. Ist diese Darstellung schon von Werth, um die Aufmerksamkeit auf jenen Punkt hin zu konzentriren, so wird sie doch an Werth noch bedeutend über⸗ troffen durch die von demselben Verfasser besorgte Herausgabe der „Aktenstücke zur Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck“*), in welcher bisher noch nicht veröffentlichte, von dem Fürsten selbst herrührende Dokumente ans Tageslicht gezogen worden sind. Es wird uns hier, wie Poschinger in der Vorrede treffend bemerkt, ein „Einblick in die Werkstatt“ gewährt, in welcher die volkswirthschaft⸗ lichen Gedanken Gestalt und Leben empfangen und von dort aus sich allmählich in die Parlamente und über die ganze Nation verbreitet haben. 1 8

Die hier gesammelten Aktenstücke, welche bis zum August 1880 reichen, sind mit Recht chronologisch geordnet. Wenn wir bei der Besprechung des Werks von dieser Reihenfolge ab⸗

eichen, so findet das seinen berechtigten Grund in dem Zweck unserer Darstellung, aus den Thatsachen den geistigen Inhalt herauszuschälen und zu Konklusionen zu gelangen, wie sie sich jedem denkenden Politiker bei dem Studium dieser Akten⸗ stücke aufdrängen müssen. 8

Die wirthschastspolitische Thätigkeit des Fürsten Bismarck beginnt nicht etwa erst, wie gemeinhin angenommen wird,

mit dem bekannten Dezemberbrief vom Jahre 1878 an den

Bundesrath, auch nicht etwa erst mit den Reden des Kanzlers über Steuer⸗ und Finanzreform im Reichstage im Jahre 1875, sie beginnt vielmehr nach den vorliegenden Ur⸗ kunden wenige Wochen nach der Uebernahme des Minister⸗Präsidiums und des Ministeriums des Aeußern. erstaunlich zu sehen, wie der Minister⸗

*) Aktenstücke zur Wirthschaftspolitik des Fürsten

Bismarck. Herausgegeben von Heinrich von Poschinger.

1. Band, bis zur Ueberrahme des Handels⸗ Ministeriums. Berlin, Verlag von Paul Hennig. 1890. S

Präsident, dessen Gedanken, wie man annehmen sollte, voll⸗ ständig von dem inneren Konflikt und der auswärtigen Politik eingenommen waren, seine Aufmerksamkeit auch auf die mannig⸗ fachsten wirthschaftlichen Verhältnisse gerichtet hielt. Die Han⸗ delsverträge, die Erneuerung des Zollvereins, die Anlegung eines Nord⸗Ostsee⸗Kanals und neuer Eisenbahnen, sowie die Einschränkung der Eisenbahn⸗Freibillets, die Hebung der Fischerei und der Austernzucht werden in eigens von ihm herrührenden Aktenstücken mit derselben Gründ⸗ lichkeit behandelt, wie die Prüfung der Arbeiterfrage (12. April 1863) der Ausmerksamkeit der betheiligten Ressort⸗Chefs empfohlen wird. Mit Wärme erklärt sich der Minister⸗Präsident auch für die Prüfung der Beschwerden der Weber aus dem Waldenburger Kreise (11. Mai 1864) und für die Niedersetzung einer Kommission zur Berathung der Weberverhältnisse in Schlesien und verwandter Nothstände (25. Mai 1864).

Aus allen diesen Urkunden ergiebt sich, wie sehr Fürst Bismarck schon im Anfang seiner Thüätigkeit als Minister⸗Präsident nicht nur im Allgemeinen einer

rößeren Fürforge und Einwirkung des Staats auf die wirth⸗ chaftlichen Verhältnisse das Wort redete und gegen das laissez faire energischen Protest erhob, sondern auch im Speziellen den wirthschaftlich leidenden Klassen wie besonders den im Einzelfalle in Bedrängniß gerathenen Theilen der Bevölkerung beizuspringen als Pflicht des Staats er⸗ kannte. Wie für die Waldenburger Weber, so tritt er auch für die Unterstützung der Schneider⸗Assoziation in Halle a. S. (26. Dezember 1865), für die Förde⸗ rung der Berliner Assoziations⸗Buchdruckerei durch posi⸗ tive Mittel (8. e; 1866), für die Unterstützung der Ge⸗ werbebank Schuster u. Co. in Berlin, für die Linderung des Nothstandes in Ostpreußen (6. Januar 1868), für die Besei⸗ tigung der Mißstände im Börsenverkehr (15. Januar und 2. Februar 1868) ein, überall die Initiative ergreifend. In Gleichem befürwortet der Fürst schon im Oktober 1871 Maßregeln zur Begegnung der sozialistischen Arbeiter⸗ bewegung theils durch Berücksichtigung der Wünsche der Arbeiter theils durch Bekämpfung staatsgefährlicher Agitationen.

Fürst Bismarck stieß aber oft genug auf Widerstand, und die eingelebte Theorie des laissez faire war auch in Beamten⸗ kreisen, selbst in den höchsten Stellen stark genug, um die Verwirklichung seiner Absichten zu verhindern. Symptomatisch und charakteristisch hierfür ist z. B. die Thatsache, daß der Landrathsamts⸗Verweser des Waldenburger Kreises, Re⸗ gierungs⸗Referendar Böhm sich weigerte, die ihm aufgetragene Unterstützung bezw. Vertheilung der ihm zur Linderung der Noth der Weberfamilien übersandten Geldsumme auszuführen. Weiter sei darauf hingewiesen, daß der damalige Handels⸗ Minister die Beseitigung der Mißstände an der Boͤrse für nicht öfordesncgh und nicht zweckmäßig erachtete, und daß er sich bezüglich kommissarischer Besprechungen der Arbeiterbewegung von „staatssozialistischen“ Mitteln keinen Erfolg versprach und daher jene zuerst ablehnte und erst auf ein erneutes dringenderes Schreiben sich zu der Theil⸗ nahme an kommissarischen Besprechungen bereit erklärte. In dem letztgedachten Schreiben d. d. 17. November 1871 hielt der Fürst es für geboten, daß „man realisirt, was in den sozialistischen Forderungen als berechtigt erscheint und in dem Rahmen der gegenwärtigen Staats⸗ und Gesellschaftsordnung verwirklicht werden kann“. Diese Auffassung von der Aufgabe des Staats gegenüber den Ar⸗ beitern hat sich erst allmählich durchgerungen. Von Bedeutung ist es, daß der Fürst diese Aufgabe schon im Jahre 1871 erfaßte, als das Manchesterthum noch mit ungebrochener Kraft in allen Kreisen des Staatslebens waltete und auch der „Kathedersozialismus“ noch nicht in die Erscheinung getreten war. Nachdrücklicher, als es hier geschehen, kann man sich kaum für die Nothwendigkeit sozialpolitischer Reformen aus⸗ sprechen. Wenn damals die Angelegenheit „im Sande ver⸗ lief“, so wird man den Grund eben in der damaligen Allein⸗ herrschaft des Manchesterthums erblicken müssen. 1“

Wie der Fürst mit dem gedachten Schreiben speziell in der Arbeiterfrage einen neuen Grundsatz aufstellte, so hatte er schon sechs Jahre vorher gegen den Einfluß und die Herrschaft der „Volkswirthschaftslehre“ im Allgemeinen und gegen ihre Anwendung im praktischen Staatsleben wenn auch damals noch nicht mit sichtbarem Erfolg Front gemacht, und zwar in einer Denkschrift vom 24. August 1865, in welcher er den Bruch mit der herrschenden „Volkswirth⸗ schaftslehre“, wie er ihn bisher schon seinerseits thatsächlich vollzogen hatte, auch prinzipiell in einer Weise begründet, daß man darin ebenso wie in dem soeben erwähnten Schreiben vom 17. November 1871 den Keim des großen wirth⸗

schafts⸗ und sozialpolitischen Umschwungs vom Jahre 1878/79 leicht erkennen kann. In dem Entwurf zu dem Immediatbericht des Staats⸗Ministeriums über gewisse Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Lohnweber hatte gestanden: diese Vorschläge widersprächen „den ersten Grundsätzen der Volkswirthschaftslehre“. Hierzu bemerkt der Fürst und wir heben diese Stelle als für die Grundlage der wirthschaftspolitischen Anschauungen des Fürsten ebenso charakteristisch wie epochemachend hervor —: „„Zunächst erscheint es mir der Stellung des Staats Ministeriums überhaupt nicht entsprechend, daß dasselbe sein Entschließung auf die abstrakten Doktrinen eine volkswirthschaftlichen Theorie gründet. Dee Auf gaben des Staats⸗Ministeriums liegen meines Er⸗ messens nicht auf dem Gebiet der Theorie, sondern auf dem des praktischen Lebens. Es können daher für die Entschließung desselben meiner Ansich nach die Theorien der Volkswirthschaft nur inso fern zur Anwendung gelangen, als sie auf das Ma und die Bedingungen der vorhandenen Zuständ zurückgeführt sind.“ 8 Dieser damals von dem Fürsten aufgestellte und allei vertretene Grundsatz dürfte heute Allgemeingültigkeit erlang haben. Damals war er aber ein Novum. .

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der vorgestrigen (23.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten. Fortsetzung der zweiten Berathung des Staatshaushalts⸗Etats und zwar des Etats der Bauverwaltung. b

Abg. Graf von Kanitz: Es hat mich befremdet, da der Wunsch nach Aufbesserung der Beamtengehälter gerade vom Abg. Broemel hier ausgesprochen wird, denn der Abg Broemel und seine Partei lassen keine Gelegenheit vorüber gehen, um eine Erleichterung der Steuerlast und Ver⸗ ringerung der Staatseinnahmen zu verlangen, ich erinner nur an die letzte Wahlagitation. Es befremdet mich daher, daß von jener Seite die Protektion für unsere Beamten in Anspruch genommen wird. Ich bitte den Abg. Broemel, uns diese Fürsorge zu überlassen, wir sorgen ja durch unsere Wirthschaftspolitik für die Mittel zur Besser stellung der Beamten. Mit dem Abg. Tramm würde ich den Dortmund⸗Ems⸗Kanal empfehlen, wenn er der Allgemeinheit gleichmäßigen Nutzen brächte. Wir haben aber mit dadur entstehenden Verschiebungen zu rechnen, welche ein Theil de Industrie bitter empfindet. Durch die Kanalisirunge im Westen würde der rheinisch⸗ westfälischen Industri die Konkurrenz mit der oberschlesischen erleichtert. Wie i deshalb kein warmer Freund des Dortmund⸗Emskanals bin, so bin ich noch mehr gegen dessen Weiterführung, den Mittel⸗ landkanal. Die Kanäle in den östlichen Provinzen nützen dem Getreidetransport sehr wenig, weil die Hauptmasse des Getreides befördert wird zur Zeit, wenn die Kanäle zugefroren sind. Für den Osten sind vielmehr billigere Eisenbahntarife nach dem Westen nöthig. An den Kosten der westlichen Kanäle muß auch die rheinisch⸗westfälische Kohlenindustrie angesichts des Vortheils, den sie davon hat, und angesichts ihres Mehrertrags von Millionen in Folge der gestiegenen Preise theilnehmen, die Aktionäre müssen einmal in ihre Taschen greifen. Ich bitte den Herrn Minister dringend, die eingeleiteten Vorarbeiten an den Kanälen nicht unnütz zu beschleunigen, sondern sich mög⸗ lichst freie Hand zu lassen und die einander entgegenstehenden Interessen abzuwägen. 3

Abg. Wirth befürwortet die Kanalisirung der Lahn, ist aber gegen diejenige der Mosel, weil durch letztere Lothringen und Luxemburg einen leichteren Absatz ihrer Erze nach Rhein⸗ land und Westfalen erhalten würden, während bisher das Lahngebiet mit seinen Erzen die Hauptnährmutter der rhei⸗ nisch⸗westfälischen Industrie sei.

Abg. Broemel: Die Behauptung des Abg. Grafen Kanitz, daß wir in unseren Debatten über die Erhöhung der Beamten⸗ gehälter Wahlagitation getrieben haben, ist ungehörig und unzutreffend. Die sachlichen Gründe, die wir für die Er⸗ bötzung beigebracht haben, sind wir bereit, jeden Augenblick zu vertreten, und der Abg. Graf Kanitz hat nicht das Recht, über dieselben hinwegzugehen und Alles auf Wahl⸗ agitation zurückzuführen. Die Fürsorge für die Be⸗ amten der konservativen Partei zu überlassen, habe

ich geringe Lust. Die Felagreggen mit der konservativen Partei in wichtigen Eisenbahntariffragen sind wahrlich nicht

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