eingegangen:
8 88
Tagen blieb der Zustand fieberhaft, vorübergehend trat Schwellung der Leber ein. Am 6. März erfolgte eine vollständige Entfieberung, die sehr gesunkenen Kräfte beginnen sich etwas zu heben, die schmerz⸗ haften Verdauungsstörungen kommen seltener. Cannes, 8. März 1890. gez.: Dr. C. Gerhard. Dr. H. Blanc. Dr. A. Cahn. Dr. F. Ackeren. Das Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Groß⸗ herzogin⸗Mutter ist andauernd ein sehr befriedigendes und die gute Wirkung der Meraner Luft auf die Gesundheit Forer Königlichen Hoheit nicht zu verkennen. Die bei der reise von Schwerin noch vorhandenen Krankheitserscheinungen in der Brust sind wesentlich zurückgegangen, Schlaf und Appetit sind normal, und die Kräfte haben sich bedeutend ge⸗ hoben. Die ungünstige Witterung der ersten Märztage, in denen eisige Nordwinde winterliche Kälte brachten, hat das Befinden der hohen Frau in keiner Weise nachtheilig beein⸗ flußt. Selbst in jenen Tagen konnte Ihre Königliche Hoheit Dank dem regelmäßig wiederkehrenden warmen Sonnenschein fast täglich einige Zeit an geschützten Stellen im Freien zu⸗
Oesterreich⸗Ungarn. 1 Ueber die Ursache der gegenwärtigen Ministerkrisis in Ungarn entnehmen wir dem „Wien. Fremdenblatt“ Fol⸗ endes: 8 Am 11. Dezember 1889 sollte im Reichstage über die Petition der Raaber Volksversammlung verhandelt werden, Kossuth’'s Heimaths⸗ berechtigung sicher zu stellen. Damals gab der Minister⸗Präsident von Tisza die Erklärung ab, es werde eine Revision des Heimaths⸗ gesetzes stattfinden und hierbei auch auf den in Rede stehenden nämlich auf Kossuth, Rücksicht genommen werden. Dabei der Minister, er halte Kossuth noch immer für einen ungarischen Staatsbürger. In seiner Neujahrsrede aber rief er der v folgende Worte zu: „Jene Herren könnten wohl auch bedenken, ob es mit der Würde der Nation vereinbarlich ist, daß, wenn ein Mann Alles, was die Nation geschaffen, und auch die Berechtigung der Krone leugnet, diese im Ganzen doch gering geschätzte Körper⸗ schaft ein Gesetz schaffe und daß dieses dann durch die von ihm ver⸗
leugnete Krone sanktionirt werde“ Aber die Zusage vom 11. De⸗
zember ließ sich nun nicht mehr aus der Welt schaffen. Sie wurde die Quelle der nun die Lage beherrschenden Verlegenheit.
Großbritannien und Irland. b
London, 9. März. (A. C.) Der Herzog von Edin⸗ burg begab sich am Sonnabend nach Windsor, um der Königin einen mehrtägigen Besuch abzustatten. Der Herzog kehrt nicht vor Ende dieses Monats nach Deutschland zuruͤck, und zwar wird er sich zuerst mit dem Prinzen von Wales und dessen Sohn, dem Prinzen Georg, nach Berlin und später nach Coburg begeben, woselbst am 28. d. die Kon⸗ firmation seines ältesten Sohnes, des Prinzen Arthur, stattfindet. b
Das britische Flottenbudget für das Verwal⸗ tungsjahr 1890/91, im Gesammtbetrage von 13 786 600 Pfd. Eterl, weist, verglichen mit dem vorjährigen, eine Zunahme von 101 200 Pfd. Sterl. auf, welche größtentheils den höheren Kosten des Schiffsbaues zuzuschreiben ist. Für den Bau neuer Schiffe im neuen Verwaltungsjahr ist die Summe von 6 551 031 Pfd. Sterl., ausschließlich der Kosten des australischen Geschwaders, ausgeworfen. Die
l der Mannschaften der Marine wird um 10 000 Mann auf 69 000 erhöht, welche Vermehrung die Zahl der neu⸗ gebauten und noch zu bauenden Kriegsschiffe bedingt.
— 10. März. (W. T. B.) Das Unterhaus hat das
Amendement Gladstone's, betreffend den Bericht der Parnellkommission mit 339 gegen 268 Stimmen ab⸗ gelehnt. Hierauf wurde die Debatte über den Antrag
Smith vertagt. j — Aus Birma ist folgendes Telegramm des „R. B.“
angun, 9. März. Die hiesige „Times“ meldet, daß in Mandalay eine Verschwörung entdeckt wurde, welche bezweckte, die Stadt in Brand zu stecken, von dem Palast Besitz zu ergreifen und einen Präͤtendenten der Familie Alompra, Namens Moungba, auf den Thron zu setzen. Es wurden zahlreiche Ver⸗ haftungen vorgenommen.
Frankreich.
Paris, 11. März (W. T. B.) Dem „Echo de Paris“ zufolge haben die Artillerie⸗ und Kavallerie⸗Kom⸗ missionen den kleinkalibrigen Repetirkarabiner, welcher für sämmtliche berittene Truppen geeignet ist, ange⸗ nommen. Die Herstellung der Karabiner beginnt Anfang Mai in der Waffenfabrik zu St. Etienne.
Ueber die diesjährigen Truppenübungen bringt die „Straßb. Post“ folgende Mittheilungen:
Das I. und II. Armee⸗Corps (Lille und Amiens) werden unter dem Oberbefehl des Generals Billot gegeneinander manövriren; die Manöver sollen einschließlich der für die Zusammenziehung und Ortsunterkunft nöthigen Zeit 20 Tage dauern. Bei dem IV., V., VII., IX, X, XI., XIII., XVI., XVII. und XVIII. Corps werden nur Divisions⸗-Manöber von 15 tägiger Dauer abgehalten; beim XVIII. Corps verlängern sich dieselben um zwei Tage, um die beiden weit auseinander gelegenen Divisionen näher aneinander zu bringen. Die in Lyon garnisonirenden Truppen des XIII. Armee⸗ Corps (Clermont⸗Ferrand) werden vor Beginn der Corps⸗Manöver des XIV. Corps besondere Uebungen abhalten. Bei dem III., VI., VIII, XII. und XIV. Corps werden nur Brisade⸗Manöver stattfinden, welche, Hin⸗ und Rückmarsch in das Mansverfeld ein⸗ begriffen, nur 13 Tage dauern werden. Das XV. Armee ⸗Corys häͤlt keine besonderen Herbstmanöver ab, da für dieses Uebungen in den Alpen angesetzt sind, welche weitere Manöver überflüssig machen. Die Garnison von Paris wird sich zum größten Theil an keinerlei Mansövern betheiligen; es erstreckt sich dies auf die 9. Division, sowie auf die 11. und 12. Infanterie⸗Brigade. Im Lager von Chalons werden die 3. und 5. unabhängige Kavollerie⸗Divi on vom 1. bis 12. September unter Oberleitung des Divistons⸗Generals L'Hotte üben. Bei der 3. Division wird die 2 Kavallerie⸗Brigade, welche an den Manövern bei einer der Divisionen des IX. Armee⸗Corps (Tours) theilnehmen soll, durch die Kürassier⸗Brigade der 1. Division ersetzt. Die drei reitenden Batterien der 5. Division marschiren mit dieser, wogegen die beiden reitenden Batterien von Chalons und die 12. Batterie des 31. Artillerie⸗Regiments zur 3. Division übertreten. Alle übrigen Brigaden der unabhängigen Ka⸗ vallerie⸗Divisionen, welche nicht in das Lager von Chalons abrücken, werden achttägige Brigade⸗Uebungen abhalten, während die Brigaden der Corps⸗Kavallerie, mit Ausnahme derjenigen des III. und XV. Corps (Rouen und Marseille), an den Manövern ihrer Corps theilnehmen. Die Infanterie⸗Brigade des III. Armee⸗Corps wird jedoch nur ein Peloton Kavallerie für die Manöver erhalten, welches aus den fünften Schwadronen dieses Armee⸗Corps gestellt wird. Beim II. Armee⸗Corpz (Amiens) wird eine provisorische Kavallerie⸗ Division aufgestellt, welche unter dem Oberbefehl res Divisions⸗ Generals de la Salle, Inspecteurs der 1. Kavallerie⸗Inspektion zu Compiègne, üben wird. Zu dieser Division treten die 2,. und 3
Kavallerie⸗Brigade des betreffenden Armee⸗Corps (Compiègne, Abbe⸗
AA111“
ville⸗Ronen, Evreux), während die zur 1. Inspektion gehörende Brigade
des I. Corps durch die 4 Dragoner⸗Brigade (Sedan) ersetzt werden wird. Beim XV. Armee⸗Corps wird die Kavallerie nur Brigade⸗ Uebungen abhalten. — Für die Infanterie⸗Compagnien ist eine Durch⸗ schnittsstärke von 150 Mann vorgeschrieben, während die Kavallerie im Regiment mit 420 Reitpferden in der Front ausrücken soll.
talien.
Rom, 10 März. (W. T. B.) In der Deputirten⸗ kammer theilte der Vize⸗Präsident di Rudini heute mit, daß der Präsident der Kammer Bianchieri seine Ent⸗ lafsung eingereicht habe. Der Minister⸗Präsident Crispi ersuchte die Kammer, die Demission nicht anzunehmen, was auch einstimmig beschlossen wurde. In Folge dessen er⸗ klärte Biancheri heute Abend dem Vize⸗Präsidenten di Rudini, welcher ihm das Votum der Kammer mittheilte, er ziehe die Demission zurück und werde morgen wiederum den Vorsitz führen.
Türkei. 8
Von Creta liegt folgendes aus Canea, 10. März, datirte Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ vor: In Folge Interpellation des britischen Konsuls Biliotti wurde das Urtheil gegen die drei Mitglieder des Verwaltungs⸗ raths von Rhetymo aufgehoben, nachdem dieselben ihre De⸗ mission zurückgezogen hatten. Schakir P as cha hat sich in Beglei⸗ tung des britischen Konsuls und Ibrahim Pascha's nach dem Distrikt von Kissamo begeben, um eine strenge Untersuchung anzustellen wegen angeblich ungerechter Behandlung der Christen Seitens der gemischten Kommission, welche die staatlich gewährten Unterstützungen unter die bei den früheren Unruhen Geschädigten zu vertheilen hatte 8
Griechenland. 8G 8eg. Athen, 10. März. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer wählte Angerinos wieder zum Präsidenten. In der Nähe von Elassonag wurde eine Räuberbande von türkischem Militär nach heftigem Kampfe gänzlich zerstreut. Von den Räubern wurden 6 getödtet und 2 ge⸗ fangen; die türkischen Truppen hatten einen Verlust von mehr als 20 Todten und Verwundeten.
Rumänien.
Bukarest, 10. März. (W. T. B.) Im Senat erklärte heute auf eine Interpellation Floresco's wegen des in der griechischen Kirche in Sulina üblichen Gebrauches, in den Gebeten den Namen des Königs von Griechenland vor demjenigen des Königs von Rumänien zu nennen, der Minister des Auswärtigen Lahovary, es beruhe dies auf einem Beschluß des Ministerraths vom Jahre 1873, welchen der Interpellant selbst unterzeichnet habe. Schließlich wurde mit 53 gegen 40 Stimmen die einfache Tagesordnung an⸗ genommen. In der deputirtenkammer interpellirte Paladi den Ackerbau⸗Minister Peucesco wegen der Ernennung von Beamten. Der Minister erwiderte, er müsse darauf bestehen, daß jeder Tadel wegen dieser Ernennungen ungerecht sei, er über⸗ nehme allein alle Folgen des Beschlusses der Kammer gegen⸗ über. Der Minister⸗Präsident Mano erklärte, das ganze Kabinet sei solidarisch mit dem Ackerbau⸗Minister, jede Entscheidung, welche einen Minister treffe, treffe das ganze Kabinet. 6“ 1““
Serbien.
Belgrad, 10. März. (W. T. B.) Die Wahl des Staatsraths erfolgte wegen eines in der Wahlliste vor⸗ gekommenen Irrthums erst heute. Auf Grund eines Kom⸗ promisses zwischen der Regentschaft und der Regierung wurden 10 Radikale, 5 Liberale und 1 neutraler Kandidat gewählt. Unter den Gewählten befinden sich sechs Minister.
Bulgarien.
Sofia, 10. März. (W. T. B.) In maßgebenden Kreisen glaubt man in Bezug auf die Mission des bulgari⸗ schen Vertreters Vulkowitsch in Konstantinopel, die Pforte werde keinerlei Schritte wegen Anerkennung des Prinzen Ferdinand bei den Mächten thun. In der Presse wird jedoch die Regierung fortgesetzt aufgefordert, ihr Möglichstes zu thun, um die gegenwärtige Lage zu ändern; die Frage der Konsolidirung Bulgariens hänge einzig und allein von der Proklamirung der vollen Unabhängigkeit ab.
Mehrere Offiziere wurden wegen Unzuverlässigkeit aus den Listen der aktiven Armee gestrichen und zur Reserve
gestellt. Afrika.
Transvaal. Pretoria, 9. März. (R. B.) Die Regierung von Transvaal empfing vom Gouverneur von Natal ein Telegramm, in welchem das Verhalten der Engländer, die an den jüngsten Ruhestörungen in Johannesburg theilnahmen, scharf getadelt und Bedauern über die Vernichtung der Transvaalflagge ausgedrückt wird. Die Regierung der Republik betrachtet, wie es heißt, die Un⸗ ordnungen nicht als ernst und beabsichtigt nicht aus dieser Veranlassung strenge Maßregeln zu ergreifen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht der X. Kommission des Herrenhauses über den Gesetzentwurf, betreffend Rentengüter, ist erschienen. Die Kommission hat in §§. 1 und 3 einzelne redaktionelle Ab⸗ änderungen vorgenommen und zu §. 1 den Zusatz gemacht: „Das Rentengut muß frei von den Hypotheken und Grund⸗ schulden des Grundstücks, von dem es abgetrennt wird, be⸗ gründet werden.“
— In der heutigen (25.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ eeordneten, welcher der Minister des Innern, Herrfurth, eiwohnte, wurde in dritter Berathung der Gesetzentwurf
Behufs Abänderung des Gesetzes vom 6. Juni 1888, betreffend die Verbesserung der Oder und der Spree ꝛc., ohne Debatte angenommen.
Zu der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Abänderung des §. 19 Absatz 1 des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872, beantragte der Abg. Rintelen, die Bestimmungen des Gesetzes auch auf die im Privateisenbahndienst verbrachte Zeit auszudehnen.
Der Regierungs⸗Kommissar Regierungs⸗Rath Seydel bemerkte, daß bei Uebernahme solcher Beamten in den Staats⸗ dienst mit denselben bereits ein festes Abkommen getroffen sei.
Der Abg. Hansen und der Regierungs⸗Kommissar Geheime Finanz⸗Rath Heller baten, den Antrag abzulehnen, da das 12165 des Gesetzes dadurch gefährdet werde.
Der Antrag Rintelen wurde abgelehnt und d entwurf unverändert angenommwen.
Polen nur Gerechtig
Der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des §. 11 des Gesetzes über die Pensionirung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen vom 6. Juli 1885, wurde unter Ablehnung eines Abänderungsantrags des Abg. Metzner in dritter Be⸗ rathung unverändert angenommen.
Der Entwurf einer Haubergordnung für den Kreis Altenkirchen gelangte auf Antrag des Abg. Im⸗ walle en bloc zur Annahme.
Bei der dritten Berathung des Gesetzentwurfs über die Aufhebung des Königlich bayerischen Gesetzes vom 25. Juli 1850, die Einrichtung des die Kunststraßen im Königreich Bayern befahrenden Fuhrwerks betreffend, (Bayer. Gesetz⸗Bl S. 321) nebst der zusätzlichen Bestimmung vom 1. Juli 1856 (Bayer. Ges.⸗Bl. S. 136) für den Bereich der vormals bayerischen Gebietstheile des Regierungsbezirks Kassel, betonte der Abg. von Rauchhaupt die Dringlich⸗ keit des Erlasses einer Wegeordnung.
Der Gesetzentwurf wurde unverändert angenommen, ebenso ohne Debatte in dritter Berathung der Gesetz⸗ entwurf, betreffend Abänderungen der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeiten des Ministers der öffentlichen Arbeiten und des Ministers für Handel und Gewerbe, und in zweiter Berathung der Gesetzentwurf über den Ansatz der Zinsen von den aus dem vormaligen Stadtbuch von Altona in das Grundbuch übertragenen Hypotheken im Zwangsvollstreckungsverfahren.
In der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffkend die erleichterte Abveräußerung kleiner Grundstücke, sprach der Regierungs⸗Kommissar Geheime Ober⸗Finanz⸗Rath Rathjen gegen die von dem Herrenhause eingefügte Bestimmung, wonach die Unschädlichkeitsatteste gebühren⸗ und stempelsrei sein sollen.
Der Abg. Sombart befürwortete den Beschluß des Herrenhauses, der Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch beantragte die Ueberweisung des betreffenden Artikels II. an die Agrarkommission, um dort eine Einigung mit der Staats⸗ regierung herbeizuführen. .
Das Haus beschloß dem letzteren Antrage gemäß.
Der Gesetzentwurf, betreffend das zulässige La⸗ dungsgewicht und die Beleuchtung der Fuhrwerke im Verkehr auf den Haupt⸗ und Nebenlandstraßen
sowie auf den wichtigeren Nebenwegen der Provinz
Schleswig⸗Holstein, mit Ausnahme des Kreises Herzogthum Lauenburg, wurde auf Antrag des Abg. Hansen, der von dem Abg. Kahlke unterstützt wurde, an die um 7 Mitglieder zu verstärkende Agrarkommission zur Vorberathung überwiesen.
Der Rechenschaftsbericht über die Verwendung
der flüssig gemachten Bestände der im .94 der Hinterlegungs⸗Ordnung vom 14. März 1879 (Gesetz⸗ Samml. S. 249) bezeichneten Fonds und der im §. 95
Abs. 3 daselbst erwähnten Gelder für das Jahr 1889
wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. Für die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rech⸗
nungskammer für das Jahr vom 1. April 1887/88
wurde Decharge ertheilt.
Die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaus⸗ halts⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1889/90 wurde ohne Debatte erledigt und eine Kommissionsberathung nicht
für nöthig erachtet.
Es folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1890/91, und zwar des Spezial⸗Etats siedelungskommission für Westpreußen und Po she und in Verbindung damit die Berathung der Henkschrift über die Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1886, betreffend die Beförderung deutscher An⸗
siedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen, für z
das Jahr 1889. Abg. Rickert führte aus, daß die Regierung mit den Polengesetzen dieselbe Erfahrung mache, wie mit den Ausnahme⸗
gesetzen gegen das Centrum und die Sozialdemokraten. Das Er⸗ gebniß sei eine Verstärkung des polnischen Elements. Die Wahl⸗
statistik beweise dies deutlich. Der Vorwurf und die Entrüstung, daß die Freisinnigen bei den Wahlen mit den Polen zusammen⸗ gegangen seien, sei unbegründet. Der Abg. von Czarlinski habe das schon gestern dargelegt. hätten übrigens wiederholt die Konservativen polnischen Kan⸗ didaten ihre Stimme gegeben, ohne die gleiche Scham und Entrüstung zu empfinden. 1 Staatsbürger und müßten als solche behandelt werden. Andererseits sei es selbstverständlich, daß die Freisinnigen das
Deutsche Reich ebenso intakt halten wollten wie der Abg. von Puttkamer⸗Plauth. Deutschland sei groß genug, allen seinen
Staatsbürgern diejenige Freiheit zu gewähren, deren sie be⸗ dürften. Abg. von Körber wünschte, daß die großen Weitläufig⸗
keiten bei der endgültigen Austhuung der Ansiedlerstellen Seitens der Kommission möglichst vermieden würden und
sprach im Uebrigen seine Befriedigung über die Thätigkeit der Ansiedelungskommission aus.
Abg. Szmula meinte, daß nach Ablauf der Freijahre
die Ansiedler froh sein würden, ihres billig erworbenen Be⸗ sitzes sich wieder entledigen zu können.
Freijahren es auch mehr als ungewiß. Die Kommission habe noch zehntausende
von Hektaren in eigener Verwaltung, es fehle also an Kolo⸗
nisten. Wenn die 1 erig den Vorwurf der Protestanti⸗ sirung der polnischen Landestheile abwälzen wolle, sollte sie die Anträge der Oberschlesier, die sich ansiedeln wollten, mehr berücksichtigen.
Abg. von Tiedemann (Bomst) bemerkte in Bezug auf 1
die gestrige Rede des Abg. Windthorst, daß derselbe wieder einmal nöthig gehabt zu haben scheine, die Alarmtrommel zu
rühren, um alle seine Mannen zusammenzuholen, und gegen den Abg. Rickert, daß ganz zweifellos 4 — 500 freisinnige Wähler der Stadt Graudenz für den Polen gestimmt hätten. Die Kritik
des Abg. von Putikamer⸗Plauth gegen die Ansiedelungs⸗ kommission sei übertrieben; die letztere habe in jeder Bezie⸗ hung das richtige Maß eingehalten. M. langsamerem Tempo fortschreiten und Zeit gewinnen, um zu prüfen, ob die bisher befolgten Grundsätze auch die richti⸗ gen seien.
Abg. von Ihetes wiederholte, daß Seitens der
„An⸗
Bei früheren Wahlen
Die Polen seien gleichberechtigte b
Ob die Schwaben, die in ihrer Heimath ihr gutes Auskommen gehabt, nach den in der Ansiedelung haben würden, sei
Man müsse jetzt in
eit verlangt werde, und daß man endlich
5 der Erkenntniß kommen werde, daß mit diesem Gesetz dem Frieden nicht gedient sei. 1“
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum führte aus, daß das Ansiedlungsgesetz ein Gesetz der Abwehr und nicht des An⸗ griffs gegenüber der polnischen Bevölkerung sei. Die von dem Abg. Windthorst getadelte Politik gegen die Polen be⸗ ruhe auf preußischer Tradition. Der Abg. Windthorst billige das Eintreten der Deutschen für die Polen bei den Wahlen, während der Abg. Rickert dies heute abgelehnt habe. Die Verquickung der nationalen Frage mit der religiösen sei zu bedauern. Es sei nicht die Absicht, die Parität zu beeinträchtigen.
Abg. Dr. Windtyorst widersprach dem, daß das, was die Regierung in Posen und Westpreußen thue, altpreußische Tradition sei. Die Politik habe sehr gewechselt; es sei bald die der Strenge, bald die der Milde gewesen. Die Regiments⸗ führung bloß mit der physischen Kraft und der Macht des Schwertes reiche nicht aus. (Schluß des Blattes.)
(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses de⸗Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.)
— Bei der im 4. Aachener Wahlbezirk E(Erkelenz)
1 stattgefundenen Ersatzwahl für den Landgerichts⸗Rath a. D.
Longard, welcher sein Mandat niedergelegt hat, ist der Amts⸗ richter Freiherr von Eynatten in Jülich (Centrum) mit 311. Stimmen gegen den Professor Dr. Fabri in Bonn (konservativ), welcher 7 Stimmen erhielt, zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.
— Nach einer Mittheilung der „Freisinnigen Zeitung“ ist der Abg. Eugen Richter aus dem Vorstand der Landtags⸗ fraktion der freisinnigen Partei ausgeschieden.
Zeitungsstimmen.
as „Deutsche Tageblatt“ schreibt:
„Die „Frankfurter Zeitung“, die „Germania“ und einige andere Blätter fahren fort, sich für die Entscheidung der Konservativen, eine Stelle in dem neuen Reichstags⸗Präsidium anzunehmen, ins Zeug zu legen. Dieses Interesse ist auch begreiflich; denn die aufgewandten Phrasen werden Niemanden darüber täuschen, daß das vorschwebende
iel die Erlangung eines Aktes Seitens der Konservativen ist, der in aller Form die Sprengung des Kartells ausspricht, die Wieder⸗ herstellung des status quo ante 1887 anerkennt und den jetzt hinter
8 uns liegenden Wahlkampf mit einem schönen Schlußetikett versieht.
Wenn übrigens unter den ins Feld geführten Scheingründen auch der Hinweis darauf eine Stelle gefunden hat, daß wir uns durch ein Reichstage⸗Präsidium, welches einen Centrumsmann, einen Freisinnigen und einen Sozialdemokraten umfaßt, vor dem Ausland blamiren würden, so möchten wir doch bemerken, daß wir uns mehr, als durch das Wahlergebniß selbst und den so erbrachten Beweis, daß für Millionen von deutschen Wählern böhere patriotische Gesichtspunkte nicht vorhanden sind, geschehen, nach keiner Seite bloßstellen können. Es würde auch ein ganz vergebliches Bemühen sein, die Sprache der Thatsachen zu verwischen und sich einen Erfolg davon zu versprechen, wenn wir über einen klaffenden Schädelbruch rosa Löschpapier pflastern.“
Dasselbe Blatt bringt folgende Betrachtung über die „Krücken des Deutschfreisinns“:
„Die deutschfreisinnigen Organe werden nicht müde, stolz auf den „überraschenden Aufschwung“ der freisinnigen Partei hinzuweisen. „Daß ein liberaler Hauch durch das Volk gehe“, so meint die „Vossische Zeitung“, „hatte man gewußt. Aber seine Stärke war unterschätzt worden Es ist nicht zu verkennen, daß die frei⸗ sinnige Partei, sowohl im Widerstande wie im Angriffe eine größere Kraft bewiesen hat, als die Kartellparteien Die Stichwahlen haben die kühnsten Hoffnungen der freisinnigen Partei übertroffen.“ Wenn man sich diesen „liberalen Hauch“ etwas näher betrachtet, so wird man finden, daß derselbe an sich gar nicht genügt hätte, auch nur das bisherige Häuflein der Freisinnigen wieder zusammenzublasen. Ohne Hülfe des Pntikartells und in den Stichwahlen sogar des Kartells wäre von einem kräf⸗ tigeren liberalen Hauch gar nichts zu spüren gewesen. Die dem „Freisinn“ in Folge der gegenseitig kolportirten Phrase vom kleineren Uebel eng befreundeten Sozialdemokraten stellen denn auch folgende wesentlich anders anmuthende Rechnung zusammen, die in den meisten Stücken, besonders aber, soweit sie die Umsturzpartei selbst betrifft, wohl stimmen wird. Es ist dabei zu bemerken, daß es sich bier nur um die Hülfe bei den Stichwahlen handelt; bekannt⸗ lich aber sind auch in den Hauptwahlen schon Centrumswähler wie Sozialdemokraten, da wo die genannten Parteien keinen eigenen Kandidaten aufgestellt, oder, wie in Hagen das Centrum, darauf zu Gunsten des Deutschfreisinns verzichtet hatten, für das „Produkt des liberalen Hauches“ eingetreten. Der erwähnte Artikel des sozial⸗ demokratischen Organs lautet:
„„Von wem hat die freisinnige Partei in den Stich⸗ wahlen Hülfe empfangen? Die Ergebnisse derjenigen Stich⸗ wahlen, bei welchen die freisinnige Partei betheiligt ist, liegen größten⸗ theils vor. Die ö des Centrums erhielt der Freisinn in Homburg⸗Höchst, Karlsruhe, Löwenberg, Ohlau⸗Nimptsch⸗ Strehlen; nur in dem ersten der genannten Wahlkreise war das Centrum ausschlaggebend. Von der Haltung des Centrums und der Sozialdemokraten war die Wahl des freisinnigen Kandidaten abhängig in Sagau⸗Sprottau und Schweidnitz⸗Striegau. Durch entscheidende Unterstützung des Kartells siegte der Freisinn in Berlin im 2. und 3. Wahlkreise, in Stettin, Breslau⸗West, Rostock, Lennep, Gotha (und Kiel nicht zu vergessen); diese sieben (bezw. acht) Wahlkreise, in welchen die freisinnige Partei am 20. Februar nicht die relative Mehrheit erzielte, würden Sozialdemokraten zugefallen sein, wenn das Kartell nicht dem Freisinn zu Hülfe geeilt wäre. Dagegen erhielt der Freisinn sozialdemokratische Unterstützung in: Potsdam⸗Osthavelland, Zittau, Sorau, Waldenburg, Wolfenbüttel, Friedberg (Hessen), Jerichow, Arnswalde⸗Friede⸗ berg, Altena⸗Iserlohn, Danzig⸗Stadt, ccetust. Mheasegaz. Bunzlau⸗ Lüben, Liegnitz⸗Goldberg⸗Haynau, Lauenburg, Weimar, Koburg, Nord⸗ hausen, Mühlhausen⸗Langensalza, Eschwege⸗Schmalkalden, Oldenburg, Delitzsch⸗Bitterfeld. In den acht ersten von diesen Sitzen waren die sozialdemokratischen Stimmen entscheidend Die genannten Sitze gewann die freisinnige Partei in der Stichwahl; die Wahlkreise, in welchen sie von den Sozialdemokraten lebhaft unterstützt wurde, aber trotz⸗ dem unterlag, sind nicht mit aufgezählt. ie Liste ist auch sonst noch nicht vollständig, da noch Stichwahlen ausstehen. In mehreren Wahlkreisen sind die sozialdemokratischen Stimmen voll⸗ zählig auf den freisinnigen Kandidaten übergegangen, so z. B. in Waldenburg und Bernburg. (In Waldenburg erhielt am 20. Fe⸗ bruar der freisinnige Kandidat 7200, der nationalliberale 7188, der sozialdemokratische 6100 Stimmen; in der Stichwahl wurde der frei⸗ sinnige Kandidat mit 14 200 Stimmen gegen den Kartellkandidaten mit 7580 gewählt; in Bernburg wurden in der Hauptwahl abgegeben 11 895 nationalliberale, 6643 freisinnige und 5667 sozial⸗ demokratische Stimmen; in der Stichwahl 3 sind gezählt 13 209 nationalliberale und 12 389 freisinnige Stimmen. Um Hülfe theils von links, theils von rechts zu bekommen, erklärte der Freisinn in dem einen Wahlkreise: „Wir wollen mit der Sozialdemokratie eine weite Strecke zusammengehen“, und in dem nächstbenachbarten bezeichnete er die Ziele der Sozialdemokratie, oder, was er sür diese Ziele ausgiebt, als den Untergang der Kultur. Hier
bielt er am Manchesterthum und der Schein⸗Sozialreform fest; dort
geberdete er sich als Freund der Arbeiterklassen und der volksthüm⸗ lichen Sozialreform. Der Freisinn besitzt im neuen Reichstage über 60 Sitze. Dafür aber ist ihm wieder einmal unverkennbar der Stempel einer haltlosen Kompromißpartei aufgedrückt.““
Zu den Untersuchungen über die eigentlichen Ursachen des Wahlergebnisses liefert die „Deutsche volkswirthschaft⸗ liche Correspondenz“ folgenden Beitrag:
„Das Wahlresultat ist durchaus kein solches, daß es einen Erfolg der Agitation gegen die Lebensmittelvertheuerung bedeutet, und daß etwa die Nationalliberalen besser daran gewesen wären, wenn sie, wie die „Nat⸗Ztg.“ meint, gelegentlich der Getreidezollfrage „zur grundsätzlichen Opposition abgeschwenkt wären“. Was lehrt denn der Ausfall der Wahlen gerade mit Rücksicht auf die Getreidezölle? Doch nichts anderes, als daß gerade diejenigen, welche die Vertretung der landwirthschaftlichen Interessen auf ihre Fahne geschrieben haben, sammt und sonders wiedergewählt worden sind. Das Centrum und die Konservativen, welche im 1887er Reichstage zusammen mit 180 Stimmen vertreten waren, kehren 1890 mit genau derselben Stimmen⸗ zahl zurück, und es ve schlägt wenig, daß die Konservativen einige Mandate verloren, das Centrum dafür einige gewonnen hat. Was aber die Nationalliberalen anbelangt, so möge doch die „Nat.⸗Zeit.“ sich einmal gütigst die Namen derjenigen Mittgllieder dieser Partei ansehen, die im ersten Wahlakte gewählt worden sind; sie wird dann finden, daß unter diesen Ge⸗ wählten ganz vorzüglich solche Namen zu finden sind, die seinerzeit für die Getreidezollerhöhung gestimmt und damit die Solidarität aller wirthschaftlichen Interessen anerkannt haben. Eben weil die nationalliberale Partei der Mehrheit nach stets auf dem Qui vive stand und sich bereit erklärte, die landwirthschaftlichen Interessen über Bord zu werfen, hat sie im Wesentlichen den industriellen Interessen geschadet. Die Industriellen mußten sich mit Recht sagen, daß die Preisgebung der landwirthschaft⸗ lichen Interessen der Anfang vom Ende wäre, und daß der einseitige Schutz der industriellen Arbeit nicht aufrecht zu erhalten sein würde, wenn man zu der Durchlöcherung des bestehenden Schutzzollsystems leichtfertig die Hand bieten wollte. Die industriellen Inter⸗ essen — wir betonen es zu wiederholten Malen — werden, wie die Verhältnisse nun einmal liegen, am sichersten durch strenges W an der Vertretung der landwirthschaftlichen
nteressen gefördert, und zweifellos wird das ganze Schutz⸗ zollsystem über den Haufen gerannt werden, wenn es gelingt, durch Aufhebung des Schutzes der landwirthschaftlichen Arbeit Bresche in das System zu legen.“ 8
Statistik und Volkswirthschaft.
Dem Deutschen Bauernbund
ist auf das gestern an dieser Stelle erwähnte, an den Reichskanzler Fürsten von Bismarck gerichtete Telegramm, wie die „Nat Ztg.“ mittheilt, folgende Antwort zugegangen:
„Dem Deutschen Bavernbunde danke ich herzlich für seine freund⸗ liche Begrüßung. Ich werde, soweit meine Kräfte reichen, gern fort⸗ fahren, dafür zu wirken, daß die Landwirthschaft, als erstes unter den vaterländischen Gewerben, durch unsere Gesetzgebung gepflegt und von steuerlicher Ungleichheit nach Möglichkeit befreit werde.
von Bismarck.“
Land⸗ und forstwirthschaftliche Unfallversicherung in Baden.
Die „Karlsruher Ztg.“ schreibt: Mit dem 1. Oktober 1888 ist die land⸗ und forstwirthschaftliche Unfallversicherung ihrem vollen Umfange nach im Großherzogthum Baden in Kraft getreten. Bei der für das Gebiet des Großherzogthums mit dem Sitz in Karls⸗ ruhe errichteten landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft sind seit dem Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes bis zum 1. Januar 1890 im Ganzen 968 Unfallanzeigen eingelaufen.
Die Zahl der in dieser Zeit entschädigungspflichtig gewordenen Unfälle bekrägt 202, und zwar wurden Entschädigungen festgesetzt:
beim Tode des Verungklückten in... . 67 Fällen,
ei dauernd völliger oder theilweiser Er⸗ b
bein v....P.ꝓ 51b —
bei vorübergehender Erwerbsunfähigkeit in 84 „
Die Summe der ausbezahlten Entschädigungsbeträge berechnet sich, vorbehaltlich einiger kleinen Aenderungen, wie folgt: Kosten des Heilverfahrens 719 Renten an Verletzte 10 584 , — Beerdigungskosten ... . ... . 2 084 „ 55 Renten an Wittwen Getödteter . . . . . 2 391 „ 30.
8 „ Kinder Getödteter. 4 265 „ 30
8 beeee—.“ 114 „ 15
„ „ Ehefrauen in Krankenhäusern 90 „ 45
88 „Kinder untergebr. Verletzter 167 „ 40
Kur⸗ und Verpflegungskosten in Krankenhäusern 2 118 „ 89 zusammen 22 347 ℳ 23 ₰
Dabei ist übrigens zu beachten, daß für die in den ersten drei⸗ zehn Wochen nach Eintritt des Unfalls entstehenden Kosten (für Arzt, Apotheke, sonstige Heilmittel und Krankenhauspflege) nicht die land⸗ wirthschaftliche Berufsgenossenschaft, sondern die Krankenkassen auf⸗ kommen, bei welchen alle land und forstwirthschaftlichen Arbeiter und Dienstboten, sowie auch ein Theil der Unternehmer (die sogenannten unständigen Arbeiter) nach dem Ausführungsgesetz versichert sind. Die Kosten der ersten Einrichtung der landwirthschaftlichen Berufsgenossen schaft (darunter etwa 12 000 ℳ Kosten der erstmaligen Einschätzung der land⸗ und forstwirthschaftlichen Betriebe zur Unfallversicherung) und die Verwaltungskosten betrugen bis zum 1. Januar 1890 rund 25 000 ℳ
Die Summe, welche im Jahre 1890 auf die Unternehmer land⸗ und forstwirthschaftlicher Betriebe umgelegt werden muß, berechnet sich annähernd wie folgt:
1) Entschädigungsbeträge sammt 100 % Zuschlag
zum Reservefonds rund . . . . . 45 000 ℳ 2) Verwaltungsaufwand und Kosten der ersten Einrichtung ungefähr . . . . . . . . .25 000 „
3) Betriebsfonds für die künftige laufende Ver⸗
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4) Kosten für Erhebung der Umlagen etwa 2 000 2
zusammen. 85 000 ℳ „Diese 85 000 ℳ sind auf ungefähr 235 000 land⸗ und forst⸗ wirthschaftliche Betriebe umzulegen. Die Umlage stellt sich hiernach im Jahre 1890 für einen Betrieb durchschnittlich auf 36 ₰. Der Arbeitswerth, mit welchem obige 235 000 Betriebe gemäß §. 11 des badischen Gesetzes vom 24 März 1888 zur Beitragserbebung ein⸗ geschäbt sind, wird sich annaͤhernd auf die Summe von 95 Millionen Mark berechnen. Die Betriebe der ersten (niedrigsten) Klasse des Einschätzungskatasters mit durchschnittlich 100 Arbeitstagen werden aufgerundet je 20 ₰ Jahresbeitrag zu entrichten haben. Ent⸗ sprechend höher wird der Betrag für die Betriebe der übrigen vier Klassen (zu durchschnistlich 200, 400, 700 und 1000 Arbeits⸗ tagen) sein; doch ist auch für die Betriebe der fünften (böchsten) Klasse mit 1000 Arbeitetagen der Beitrag noch mäßig; es wird näm⸗ lich, je nach der Höhe des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes, wie er für den betreffenden Bezirk festgesetzt worden ist, in dieser fünften Klasse der Beitrag 90 ₰ bis 2 ℳ betragen.
Durch Entrichtung dieses verhältnißmäßig geringen Beitrags er⸗ wirbt sich jeder Unternehmer das Recht, bei vorkommenden Unglücks⸗ fällen die gesetzlichen Entschädigungen bei Verletzungen für sich. bei Todesfällen für seine Hinterbliebenen zu beziehen, und er versicher
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damit in gleicher Weise seine Angebörigen, die im Betriebe mitbelfen,
sowie seine Dienstboten und Arbeiter, welche diese Vortheile genießen,
’e sie selbst einen Pfennig für ihre Versicherung zu bezahlen Submissionen im Auslande.
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inland. 8. April, Mittags. bbalend Eisenbahnen. Lieferung von: 2770 metrischen Tons Stahlschienen, 1 230 ““ Verbindungsschienen, 8 “ und 1 „ »eeisernen Verbindungsbolzen. Näheres zur Einsicht beim „Deutschen S.
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Theater und Musik.
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„Frl. Alwine Melar gab als dritte Gastrolle die jugendliche Naive in „Doctor Claus“. Das empfindsame, wane, qhesdnce dessen Wesen sich aus einem Theilchen jugendlicher Schwärmerei,
lichen Eigensinns zusammensetzt, gelang der jungen Darstelleri⸗
gut, während die kraftvolle Aeußerung der Gefühle nur vho. im Bereich ihrer Ausdrucksfähigkeit liegt. Da in der Rolle der Emma solche stärkeren Accente nicht vonnöthen sind so füllte Frl. Melar gestern ihren Platz zufriedenstellend aus. Zu einer vollen künstlerischen Leistung muß sich die junge Dame mehr Entschiedenheit und Individualität des Spiels anerziehen. Ihre lieb⸗ lichen Schelmereien und anmuthigen Bewegungen verschafften ihr mehrmals einen Hervorruf. — Die übrigen Rollen waren mustergültig besetzt; Hr. Engels als Lubowsky ruft unein⸗ geschränkte, Heiterkeit hervor, — so oft man ihn auch schon in der Rolle gesehen hat. Die Herren Kadelburg, Mertens, Pohl halfen, jeder in seiner Eigenart, ein vorzünliches Ensemble bilden, dem sich die Damen Carlsen und Meyer würdig einfügten. Nicht ausreichend erwies sich nur Hr. Köckert in der Rolle des schüchternen Liebhabers, des Referendars Gerstel; in einem minder aus⸗ gezeichneten Ensemble würde man seine Leistung immerhin gelten lassen können; in diesem Rahmen vermißte man jedoch den herzlichen Humor der vollendeten Schüchternheit, welche dem Referendar Gerstel sonst zu so eindringlicher Wirkung verholfen hatte. Die un⸗ verwüstliche gute Laune und ernste sittliche Empfindung, welche aus dem „Doktor Claus“ zum Herzen sprechen, brachten auch gestern wieder neben der Anerkennung, die die Dartstellung verdient, für den Ver⸗ fasser der lustigen dramatischen Arbeit, Hrn. L'Arronge, einen vollen Erfolg zu Stande.
Mit Rücksicht darauf, daß am nächsten Sonnabend sowohl im Königlichen Schauspielhause als im Lessing⸗Theater bereits Neuauf⸗ führungen stattfinden, wird die erste Aufführung von „Rosenkranz und Güldenstern“ auf die nächste Woche verschoben.
“ Wallner⸗Theater.
Das Gastspiel Felix Schweighofer's beginnt, definitiver Ver⸗ einbarung zufolge, am 25 dieses Monats in den Novitäten „Der Schatzgräber“, Charakterbild mit Gesang in 1 Akt von Morre, Musik von C. Millöcker, und „Papa“, Posse in 3 Akten von Venloo und Leterrier Die Vorbereitungen zu diesem Gastspiel lassen die Einstudirung einer anderweitigen Novität nicht zu, und wird demzufolge das Repertoire des Wallner⸗Theaters bis zum Beginn des Schweighofer'schen Gastspiels die bewährtesten und beliebtesten Repertoirestücke der letzten Saisons, und zwar zunächst übermorgen, Donnerstag, „König Candaule und die lustige Posse: „Die Nachbarinnen“ bringen. „Ein toller Einfall“, „Die Amazone“, „Madame Bonivar’ ꝛc. werden folgen.
“ Concerthaus.
Die Gedächtnißfeier für Hektor Berlioz, den hervorragendsten unter den französischen Komponisten dieses Jahrhunderts, fand am Montag unter zahlreicher Betheiligung des Publikums statt. Berlioz wurde 1803 zu Côte St. André geboren und starb am 8. März 1869 in Paris. Er ist zugleich als geistreicher Schriftsteller bekannt und hatte in Hinsicht der Stylgattung der „sinfonischen Dichtung“ einen großen Einfluß auf seine Zeitgenossen und Nachfolger. Wir nennen hier nur die Namen: Felicien David, Liszt, Saint⸗Saëns und Richard Strauß. Sein Werk „Harold in Italien“ (Sinfonie in vier Sätzen), das schon früher einmal hierselbst ausgeführt wurde, giebt den Inhalt der bekannten Dichtung von Lord Byron in Tönen wieder und läßt besonders in dem ersten Satz: „Harold im Gebirge“, in welchem die melancholische Stimmung und die darauf folgende freu⸗ dige Errezung sehr charakteristisch ausgedrückt werden, sowie in dem vierten Satz, „Orgie der Briganten“ betitelt, die große Originalität der melodiscen Erfindung und die feinsinnige Verwendung der orchestralen Mittel erkennen, während in den beiden anderen Sätzen manches zu gedehnt und leer erscheint. Diesem mit großem Beifall agfgenommenen Werke gingen einige bereits bekanntere Orchesterkompositionen desselben Meisters, seine Ouverture „Römischer Karneval“, der Sylphentanz aus „Faust“ und zwei Motive aus „Benvenuto Cellini“ voraus, deren vortreffliche Ausführung durch die Meyder'sche Kapelle wohl⸗ verdiente Anerkennung fand. Das sehr korrekte und zarte Spiel des Bratschisten Hrn Geiling, der sich als Solist an dem erstgenannten Werke betheiligte, ist noch besonders lobend hervorzuheben. Den Schluß des Abends bildeten Beethoven's Ouverture zu „Prometheus“, die beliebten Variationen aus seinem A-dur-Quartett und der Narsch von Liszt.
11““ Mannigfaltiges.
Die Direktion des Hohenzollern⸗Museums versendet, dem „Deutsch. Tagebl.“ zufolge, seit dem 9. März d. J. in derselben Art wie bei dem Tode Kaiser Wilhelm's gedruckte Verzeichnisse in Form eines Buches, welches die Namen aller Derjenigen enthält, welche Kränze und Blumenspenden am Sarge der Kaiserin Augusta niedergelegt haben. Alles, was von diesen Blumenspenden zu erhalten war, (namentlich die Sinnsprüche, Schleifen und Widmungen) ist dem Hohenzollern⸗Museum übergeben worden, als bleibendes Zeugniß der Liebe und Verehrung, welche die hohe Entschlafene so⸗ wohl bei ihrem eigenen Volke als auch im Auslande genossen hat. Der Gesundheitszustand in Berlin war in der Woche vom 23 Februar bis 1. März ein der Vorwoche ziemlich ähnlicher und auch die Sterblichkeit blieb eine nur wenig gegen die Vorwoche verminderte (22,2 pro Mille und Jahr). Unter den Todesursachen kamen akute Entzündungen der Athmungsorgane noch immer in großer Zahl zum Vorschein, wenn auch die Zahl der durch sie be⸗ dingten Sterbefälle eine etwas kleinere als in der Vorwoche war. Erkrankungen an Grippe wurden nur wenige bekannt, die Zahl der durch diese Krankheitsform in der der Berichtswoche vorherge⸗ gangenen Woche bedingten Todesfälle betrug 2. — Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder kamen dagegen seltener zum Vorschein und endeten auch etwas seltener tödtlich. Die Theilnahme des Säuglings⸗ alters an der Sterblichkeit war eine geringere als in der Vorwoche. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 58 Säuglinge — Von den Infektionskrankheiten kamen Masern, Scharlach und Fendgetiehn. Häaßzaer, - wess⸗ usten seltener zur Kenntniß. Erkrankungen an
in der Friedrichstadt, in der Schöneberger⸗ “ hofer Vorstadt, sowie in der jenseitigen Luisenstadt größere Verbrei⸗ tung, Erkrankungen an Diphtherie gelangten aus der Tempelhofer Vorstadt und auf dem Wedding am häufigsten zur Anzeige; Erkran⸗ kungen an Scharlach zeigten sich in keinem Stadttheile in nennens⸗ werther Zahl, Erkrankungen an Typhus kamen nur wenige zur Mel⸗ dung. Dagegen wurden 3 Erkrankungen an Pocken bekannt; rosen⸗ artige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden häufiger
beobachtet, auch Erkrankungen an Kindbettfieber, welche letzteren auch
in 7 Fällen zum Tode führten. Erkrankungen an Keuchhusten waren * 4 84
Verwaltung der Staats⸗
einem Theilchen schelmischen Uebermuths und einem Theilchen kind⸗
Diphtherie und Keuch.
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