1890 / 66 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Die internationale Arheiterschutz⸗Konferenz tritt morgen um 2 Uhr in dem Kongreßsaale des Palais des Reichskanzlers zusammen.

Als Delegirte nehmen daran Theil für:

Deutschland: Herr Handels⸗Minister Freiherr von Berlepsch. Herr Unter⸗Staatssekretär Magdeburg. Herr Fürstbischof Dr. Kopp. Herr Ministerial⸗Direktor Reichardt.

err Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lohmann. Herr Ge⸗ x Bergrath Dr. Hauchecorne. Herr Ober⸗Regierungs⸗

ath Landmann. Herr Geheimer Kommerzien⸗Rath Frei⸗ herr von Heyl. Herr Fabrikbesitzer Koechlin.

Belgien: Herr Baron Greindl, Env. extraord. et Min. pléênip. Mr. Victor Jacobs, Min. d'Etat, membre de la Chambre des Représ. Harzé, Ingénieur en ehef, Directeur des Mines. Herr Baron Arnold t'Kint de Roodenbeecke, Vice-Président du Conseil, provincial de la Flandre Occidentale.

Dänemark: Herr Geheimer Etatsrath Tietgen. Herr Königlicher Fabrikinspektor Dr. phil. H. F. A. Topsöe. Herr L. Bramsen, Direktor einer Feuer⸗Versicherung.

England: Sir E. Malet. Sir John Gorst, parla⸗ mentarischer Unter⸗Staatssekretär im India Office, Sir William Houldsworth, Mr. Dale. 1

Frankreich: Herr Jules Simon, Sénateur, Membre de DAcadémie française et de l'Académie des Sciences Morales et Politiques. Herr Tolain, Seénateur. 8* Burdeau, Membre de la Chambre des Députés. err Linder, Inspecteur Général et Président du Conseil supérieur des Mines. Herr Delahaye, ouvrier mécanicien. Herr Dumaine, 1. Botschafts⸗Sekretär als adjoint.

Italien: Le Commandeur Gerolamo Boccardo, Sénateur et Conseiller d'Etat. Le Commandeur Vittorio Ellena, Député au Parlement Italien et Conseiller d'Etat. Le Commandeur Luigi Bodio, Directeur général de la Statistique. Adjoints: Le Commandeur Stringher, Chef de Division au Ministère des Finances. Le Professeur Maiorana-Calatabiano.

Luxemburg: Herr Dr. J. A. Brasseur. Joungheer van der Hoeven, Gesandter.

Niederlande: Mr. le Dr. Snijders von Wissen⸗ kerke, référendaire au Ministère de la Justice, Mr. Struve, H. W. E. Inspecteur du travail.

Oesterreich⸗Ungarn. Oesterreichischerseits: Für das K. Handels⸗Ministerium: Der K. u. K. Ministerial⸗Rath Béla Freiherr von Weigelsperg und der K. u. K. Central⸗Gewerbe⸗ Inspektor, Ministerial⸗Raͤth Dr. Franz Migerka. Für das K. u. K. Ackerbau⸗Ministerium: Der K. u. K. Ministerial⸗ Sekretär Dr. Ludwig Haberer. Für das K. u. K.⸗Ministerium des Innern: der K. u. K. Ministerial⸗Rath August Freiherr von Plappart⸗Leenheer. Ungarischerseits: Ministerial⸗ Rath Dr. Julius Schnierer, Ministerial⸗Rath Bélg Gränzenstein (als Bergbau⸗Fachmann) und der K. u. K. e Industrie⸗Inspektor Josef Szterényi.

Portugal: Herr Marquis de Penafiel. (2) .

Schweden und Norwegen: Herr von Tham, Mit⸗ glied der 1. Kammer. Herr Ed. Christie, General⸗Sekretär im Ministerium des Innern zu Christiania. Zur Disposition der schwedisch⸗norwegischen Bevollmächtigten: Graf Wrangel, Ministerial⸗Sekretär. 1

Schweiz: Herr Landammann Blumer. Herr Dr. Kaufmann, 1. Sekretär des eidgenössischen Departements

1““ 1

Botschafter in Konstantinopel von at einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub an⸗ getreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der erste Sekretär der Kaiserlichen Botschaft Legations⸗Rath von Winckl 68 als Geschäftsträger.

Der Kaiserliche

Radowitz

S. M. Kreuzer⸗Korvette „Alexandrine“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän von Prittwitz und Gaffron, ist am 13. März in Auckland auf Neu⸗Seeland angekommen und kehrt am 28. April von dort nach Apia zurück. 8

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird im amtlichen Theile eine Dienst⸗ anweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbar⸗ keit im Schutzgebiet der Marschall⸗Inseln, ver⸗ öffentlicht.

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 2), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.

Nach der im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellten, in der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ veröffentlichten Nachweisung der auf deutschen Eisenbahnen 8u Bayerns im Monat d. J. beim Eisenbahnbetriebe (mit Ausschluß der Werkstätten) vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen zu verzeichnen: 14 Entgleisungen und 5 Zusammenstöße auf freier Bahn, 29 Entgleisungen und 22 Zu⸗ sammenstöße in Stationen und 181 sonstige Unfälle (Ueber⸗ fahren von Fuhrwerken, Feuer im Hage⸗ Kesselexplosionen und andere Ereignisse beim Eisenbahnbetriebe, sofern bei letzteren Personen getödtet oder verletzt worden sind). Bei diesen Unfällen sind im Ganzen, und zwar größtentheils durch eigenes Verschulden, 211 Personen verunglückt, sowie 101 Eisenbahnfahrzeuge erheblich und 144 unerheblich be⸗ schädigt. Von den beförderten Reisenden wurden 2 getödtet und 5 verletzt, und zwar entfallen: je eine Tödtung auf die Reichs⸗Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen und auf den Ver⸗ waltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Brom⸗ berg, je eine Verletzung auf den Verwaltungsbezirk der König⸗ lichen Eisenbahn⸗Direktion zu Altona, auf die i —. württembergischen Staatseisenbahnen und auf die er⸗ waltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗Direktionen zu Erfurt, zu Hannover und zu Bromberg; von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst wurden beim eigentlichen Eisen⸗ bahnbetriebe 32 getödtet und 137 verletzt, von Steuer⸗ u. s. w. Beamten 1 getödtet und 7 verletzt, von fremden Personen (ein⸗ schließlich der nicht im Dienst nae.=. Bahnbeamten und Ar⸗ beiter) 20 getödtet und 7 verletzt. Außerdem wurden bei Neben⸗ beschäftigungen 34 Beamte verletzt. Von den sämmtlichen Un⸗

fällen beim Eisenbahnbetriebe entfallen auf: A. Staatsbahnen und unter Staatsverwaltung stehende Bahnen (bei zusammen 32 146,45 km Betriebslänge und 862 375 440

eförderten Achskilometern) 236 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktionen zu Köln sechterheimische) (32), zu Erfurt (27) und zu Berlin (23), verhältnißmäßig, d.h. unter Berücksichtigung der geförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Längen, sind in den Verwaltungsbezirken der Königlichen Eisen⸗ bahn⸗Direktionen zu Erfurt, zu Elberfeld und auf der Groß⸗ herzoglich hessischen Staatseisenbahn die meisten Unfälle vor⸗ ekommen. B. Größere Privatbahnen mit je über 180 km Betriebslänge (bei zusammen 1426,07 km Betriebs⸗ länge und 18 391 607 geförderten Achskilometern) 11 Fälle und zwar auf die Hessische Ludwigs⸗Eisenbahn 10 Fälle und auf die Schleswig Holsteinische Marschbahn ein Fall. C. Kleinere Privatbahnen mit je unter 150 km Betriebslänge (bei zusammen 1623,03 km Betriebslänge und 9 964 095 geförderten Achskilometern) 4 Fälle, und zwar auf die Lübeck⸗Büchener Eisenbahn 2 Fälle, auf die Weimar⸗ Geraer Eisenbahn und auf die Stargard⸗Küstriner einschließlich Glasow⸗Berlinchener Eisenbahn je ein Fall.

Stettin, 13. März. Der Vorsitzende eröffnete die heutige Sitzung des Provinzial⸗Landtages um 11 Uhr. Die Sitzung begann mit der Beschlußfassung über den Er⸗ weiterungsbau der Provinzial⸗Irrenheilanstalt zu Lauenburg, dessen Kosten nach dem vorläufigen Ueber⸗ schlage auf 720 000 berechnet find. Der Landes⸗Direktor wurde beauftragt, vorbehaltlich der Aufstellung besonderer Kostenanschläge alle Vorbereitungen dahin zu treffen, daß mit dem Bau am 1. April 1891 begonnen werden könne; die Kosten sollen durch eine Provinzial⸗Anleihe beschafft werden. Sodann berieth der Landtag die Vorlage der Königlichen Staatsregierung, betreffend die L Uebernahme der außerordentlichen Armenpflege durch die Provinz. Nachdem der Berichterstatter der für diese Vorlage er⸗ nannten Kommission, Landrath a. D. von Hagen, die Lage der außerordentlichen Armenpflege in der Provinz beleuchtet und hierbei hervorgehoben hatte, daß für die Taubstummen, die Blinden und im Wesentlichen auch bereits sür die Geistes⸗ kranken durch die in der Provinz bestehenden Einrichtungen und Anstalten ausreichende Fürsorge getroffen sei, sprach die Versammlung im Anschluß an den Vorschlag des Provinzial⸗ Ausschusses und der Kommission einstimmig ihre Bereit⸗ willigkeit aus: „für die Unterbringung der Idioten und Epi⸗ leptiker durch Erweiterung der bestehenden Anstalten oder durch Einrichtung eigener Anstalten zu sorgen, wenn die Kreise die Verpflichtung übernehmen, für etwaige unbemittelte Personen einen jährlichen Beitrag, dessen Höhe bis auf weiteres auf 250 sestgesetzt wird, zu zahlen, indem es den Kreisen über⸗ lassen bleiben soll, die Ortsarmenverbände und die Betheiligten selbst mit billigen Beiträgen dazu heranzuziehen“”. Nach Er⸗ ledigung der Einzel⸗Etats, deren Feststellung ein besonderes Interesse nicht darbot, trat die Versammlung in die Berathung des Haupt⸗Etats ein. Derselbe schließt nach den Voranschlägen in den Einnahmen: a. im Ordinarium mit 3 121 500 ℳ, b. im Extraordinarium Nichts, in den Ausgaben: im Ordi⸗ narium mit 3 076 100 ℳ, im Extraordinarium mit 45 400 ℳ, in Summa 3 121 500 ab und wurde ohne nennenswerthe Aenderung in dieser Höhe festgestellt. Eine längere Debatte, welche indeß besondere neue Gesichtspunkte nicht gewährte, rief hierauf das Bittgesuch des Klubs der Großgrundbesitzer des Kolberg⸗Körliner Kreises, betreffend die Verlegung des gesetz⸗ lichen Umzugstermins für das ländliche Gesinde für die Provinz Pommern vom 1. April auf den 11. November, hervor. Nachdem sich herausgestellt, daß die Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich der gesetzlichen Regelung des Umzugs⸗ termins in den einzelnen Theilen der Provinz sehr verschiedene sind, ging die Versammlung über die gedachte Petition mit erheblicher Mehrheit zur Tagesordnung über. Hierauf erfolgte die Wahl der ausscheidenden stellvertretenden Mitglieder sowie des stellvertretenden Vorsitzenden des Provinzialausschusses. Die Aus⸗ scheidenden wurden sämmtlich wiedergewählt. Hiermit waren die sämmtlichen vorliegenden Gegenstände erledigt und schloß der Ober⸗Präsident Graf Behr⸗Negendank den Landtag, indem er demselben den Dank der Staatsregierung dafür aussprach, daß allen Wünschen der letzteren bereitwilligst ent⸗ sprochen sei, worauf sich die Versammlung mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König trennte.

Bayern. ö“

München, 12. März. Ueber die Feier des Geburts⸗ festes Sr. Königlichen Hohet des Prinz⸗Regenten be⸗ richtet die „Allg. Ztg.“: Zur Feier des Tages prangten heute die Königlichen und städtischen Gebäude, die Gesandtschafts⸗ otels und Konsulate, dann viele Privathäuser im Flaggenschmuck; auch von den Thürmen und Thoren wehten die Fahnen. Punkt 6 Uhr früh leiteten 25 Kanonenschüsse auf Oberwiesenfeld den festlichen Tag ein, während gleichzeitig von der Hauptwache aus die Musikcorps der Garnison die Reveille durch die Stadt bliesen. Um 10 Uhr celebrirte im Dom Bischof von Rampf das Pontificalamt, welchem die katholischen Mitglieder beider Kammern, Staats⸗ Minister Freiherr von Leonrod, die obersten Hofchargen, die Kavaliere Sr. Majestät des Königs, die Chefs der obersten Justiz⸗- und Verwaltungsstellen, Polizei⸗Präsident von Müller, viele Hof⸗ und Staatsbeamte, alle in großer Uniform, dann die städtischen Kollegien mit Bürgermeister Borscht an der Spitze anwohnten. Gleichfalls um 10 Uhr hielt Stadtpfarrer Kahl einen Festgottesdienst in der protestantischen Kirche ab, wozu sich die Staats⸗Minister Freiherr von Crailsheim, Frei⸗ herr von Feilitsch, Dr. von Riedel, Oberst⸗Hofmeister Graf zu Castell, Abgeordnete und Reichsräthe, die Mitglieder des Ober⸗ Konsistoriums, Generale, Stabs⸗ und Ober⸗Offiziere, Bürger⸗ meister von Widenmayer mit Kollegiums⸗Mitgliedern, viele Beamte in großer Uniform und der protestantische Theil der Garnison eingefunden hatten. Die Königlichen Prinzessinnen wohnten einem von Stiftsdekan Babel in der Theatiner⸗Hofkirche celebrirten Hochamt an. In den katholischen Stadtpfarrkirchen, in der altkatholischen und griechischen Kirche, dann in der Synagoge fanden gleichfalls Festgottesdienste statt. Gegen 9 % ühe war die gesammte Garnison in dem für große Parade zu Fuß vorgeschriebenen Gala⸗Anzug vor die St. Michaelskirche gerüͤckt. Die Musikcorps, Fahnen und Standarten waren mit je einer Compagnie, Escadron ꝛc. in die Kirche gezogen. Im Ganzen waren unter Befehl des Commandeurs der 1. Kaval⸗ lerie Brigade, General⸗Majors von Nagel, ausgerückt: das

F.

In nterie⸗Leib⸗ und 1. Infanterie⸗Regiment mit je 3, das

fanterie⸗Regiment mit? Bataillonen, das 1. Schwere Reiter

Regiment mit 5 Escadrons, dann eine Escadron des 3. Chevau⸗ leger⸗Regiments, das 1. und 3. Feld⸗Artillerie⸗Regiment mit je

9 Batterien, das Eisenbahn⸗Bataillon und das 1. Train⸗

Bataillon, Kadettencorps und Kriegsschule. Im Presbyterium der Kirche hatten sich eingefunden die Prinzen Ludwig, Leopold, Arnulf, Rupprecht, Ludwig Ferdinand, die Herzoge Karl Theodor, Max Emanuel und Ludwig

(Prinz Alphons

stand in der Front der Parade); dann die Generalität mit dem

Kriegs⸗Minister von Heinleth an der Spitze, sowie die fremden

Militär⸗Attaches. Im Schiff dersKirche hatten das dienst⸗

freie Stabs⸗ und Ober⸗Ofsiziercorps, die Leibgarde der Hartschiere, Kadettencorps und Kriegsschule Platz genommen. Stiftspropst von Türk celebrirte das Hochamt zum ersten Male in pontificalibus. Militärmusiken die Festmesse von Kempter zur Aufführung.

Während desselben brachten die

Beim Tedeum wurden auf Oberwiesenfeld 51 Kanonenschüsse

gelöst. miliansplatze Parademarsch vor den Königlichen Prinzen statt.

Die Unteroffiziere und Mannschaften wurden dann in den

Kasernen reich bewirthet.

Bei der fortgesetzten Berathung des Post⸗Etats in der Kammer der Abgeordneten tadelte der Abg. Freiherr von Stauffenberg namentlich die zu große Nsbehnang der sogenannten Postexpeditionen auf den Dienstvertrag. Der Abg. Kuby wünscht Ermäßigung der Omnibuspreise in der Pfalz. Der Abg. Dr. von Schauß erwiderte auf die neulichen Angriffe des Abg. Orterer gegen den Reichstags⸗

Nach beendigtem Gottesdienste fand auf dem Maxi⸗

Abg. Bürklin und die Nationalliberalen betreffs Aufrecht:

haltung des bayerischen Postreservats; zwar liege bei der augenblicklichen parlamentarischen Lage kein Anlaß vor, einander unfreundliche Dinge zu sagen, allein er müsse einen abwesenden Dritten in Schutz nehmen. Der Orterer erhebe fast in jeder Rede unbegründete Anklagen gegen dritte; solche seien es auch gewesen, mit denen er die jüngst bekannten Vorgänge veranlaßt habe. Indem der Abg. von Schauß Bürklin's Aeußerungen im Reichstage wörtlich anführte, verwahrte er diesen gegen den Vorwurf, er habe im Reichstagsplenum „eingelenkt“. Bürklin habe viel⸗ mehr nur eine Richtigstellung vorgenommen gegenüber der Verdrehung seiner Worte in der Presse. Den Vorwurf, daß die Liberalen hierin der bayerischen Selbständigkeit hätten zu nahe treten wollen, wies der Abg. von Schauß Namens der Linken entschieden zurück.

13. März (W. T. B.) Wie die „Allgem. Ztg.“ meldet, wird sich der Ministerrath heute Nachmittag mit

der von der „Allgem. Ztg.“ jüngst erwähnten neuerlichen

Stellungnahme der Bischöfe zu den kirchen⸗ politischen Angelegenheiten beschäftigen, nachdem die gutachtliche Aeußeruug des Episcopats zur Altkatholikenfrage kürzlich erfolgt ist. 1114“ Sachsen.

Dresden, 13. März. (Dresd. Journ.) Se. Hoheit de Erbprinz und Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin

von Sachsen⸗Meiningen sind heute früh von hier nach

Meiningen abgereist. Die Erste Kammer erklärte

sich in ihrer heutigen

Sitzung auf Antrag iyrer 3. Deputation durch den Bericht

über die Verwaltung und Vermehrung der König⸗ lichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft einstimmig und ohne Debatte unter Namensaufruf für be⸗ friedigt und bewilligte sodann eine Reihe von Titeln des außer⸗ ordentlichen Etats auf Antrag ihrer 2. Deputation ein⸗ stimmig und ebenfalls debattelos in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer. Die Zweite

Kammer genehmigte auf Antrag der Finanzdeputation B

nach kurzer Debatte die von der Staatsregierung gestellten Anträge bezüglich der Eisenbahnbauten Wald⸗ heim Rochlitz, Saupersdorf Wilzschhaus, Herrn⸗ hut Bernstadt, Schönberg Hirschberg, Zwickau Krossen Mosel und Erweiterung der Station Erlou und beschloß sodann, den Anträgen der Finanz⸗ deputation A entsprechend, eine Petition der ständigen Lehrer an den Gymnasien und Realgymnasien Königlicher Kollatur,

soweit sie darauf gerichtet ist, den ständigen Lehrern an den

sächsischen Gymnasien und Realgymnasien Königlicher Kollatur die Staatsdienereigenschaft gesetzlich zu verleihen, auf sich be⸗

ruhen zu lassen, soweit sie aber Gleichstellung ihrer Pensions⸗ verhältnisse mit denen der Staatsdiener verlangt, der Staats⸗

regierung zur Erwägung zu übergeben mit der Maß⸗ gabe, diese Erwägung auch auf die Gleichstellung aller stän⸗ digen Lehrer an den Volksschulen, Realschulen, Seminaren und anderen höheren Schulen, sowie erstrecken. Eine Petition der Lehrer⸗Kollegien an der Staatsunterstützung genießenden Realschulen um Gehalts⸗ aufbesserung ꝛc. beschloß man, der Staatsregierung zur Kenntniß⸗

nahme zu übergeben. Nach Se der Tagesordnung nahm beken Veranlassung, die Un⸗ richtigkeit einer vom Abg. Bebel in einer früheren Sitzung auf⸗

der Staats Minister Dr. von A

gestellten Behauptung, nach welcher ein Beamter des Land⸗ gerichts Leipzig in unerlaubter Weise auf einen Gefangenen

eingewirkt haben sollte, um ihn zu einer Aussage zu veran- lassen, auf Grund der von ihm veranlaßten Erörterungen Der Abg. Bebel versprach, Nachforschungen

nachzuweisen.

der Geistlichen zu

8

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anzustellen, um zu ermitteln, auf welche Thatsachen diejenige Person, von der er die Mittheilung erhalten, ihre Aussage

gemacht habe. Der Bericht der Finanzdeputation B der Zweiten Kammer, die Umgestaltung der Dresdner Bahnhöfe betreffend, empfiehlt die Regierungsvorlage unter Voraus⸗ setzung, daß mit der Stadtgemeinde Dresden wegen Leistung des als angemessen erachteten Beitrags zu den Baukosten ein befriedigtes Abkommen erzielt werde, zur Genehmigung und

beantragt, als erste Baugeldrate den Betrag von 3 Millionen

Mark zu bewilligen.

Württemberg.

Stuttgart, 12. März. Se. Majestät der König hat, wie der „St.⸗A. f. W.“ meldet, die titulirten Ober⸗Regierungs⸗ Räthe Geßler und Schicker bei dem Ministerium des Innern zu Wirklichen Ober⸗Regierungs⸗Räthen ernannt.

3 Baden. Karlsruhye, 13. März. 19 Ztg.) Die Zweite Kammer erledigte in ihrer gestrigen Sitzung Petitionen. Ueber die Petition des allgemeinen deutschen Frauenvereins, den Frauen den Zutritt zu dem ärztlichen und wissenschaftlichen Lehrberuf durch Freigebung und

( großen

örderung der dahin gehenden Studien zu ermög⸗

Iiche n, erstattete der Abg. Strübe Bericht. Derselbe stellte

een Antrag auf motivirte Tagesordnung mit dem Andeuten, daß die Sache nicht von Baden, sondern vom Reich in erster

inie ins 88— zu fassen sei. Nach längerer Debatte nahm die Kammer den Kommissionsantrag an.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Schwerin, 13. März. Die Besserung in dem Befinden Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs macht, wie den „Meckl. Nachr.“ aus Cannes gemeldet wird, gute Fortschritte.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 13. März. (Th. C.) Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog, der Erbgroßherzog und die Erb⸗ großberzogin sind von Berlin hierher zurückgekehrt.

Unter den dem Landtage zugegangenen weiteren Vor⸗ lagen befindet sich eine Forderung von 70 000 für den Neubau des chemischen Laboratoriums und für einen Erweiterungsumbau der Anatomie an der Universität Jena. Auch für die Weimar⸗Berka⸗ Blankenhainer Eisenbahn werden verschiedene Summen für bauliche Zwecke gefordert, von denen die größte 42 000 zum Umbau des Anschlusses derselben an den preußischen Staatsbahnhof in Weimar bestimmt ist.

Aus den Berichten der Ausschüsse des Landtages ist Folgendes als von allgemeinerem Interesse hervorzuheben: es wird dem Landtage vorgeschlagen, entsprechend der Vorlage der Regierung 31 000 außerordentliche Zuwendung an hülfsbedürftige Schulgemeinden bei Schulbauten zu bewilligen, ferner sich damit einverstanden zu erklären, daß die Rest⸗ bestände der Anleihen von 1846 und 1864 im Gesammtbetrage von 480 000 gekündigt und zurück⸗ gezahlt werden und endlich die Petition des Wei⸗ marischen Lehrervereins um Bewilligung einer Theuerungs⸗ zulage für die Volksschullehrer nicht zu befürworten, sondern nur zur Kenntnißnahme an die Staatsregierung abzugeben. Der Bericht des Finanzausschusses hebt ausdrücklich hervor, daß die in der Petition geltend gemachte erhebliche Preis⸗ steigerung vieler nothwendigster Lebensmittel ausweislich der amtlichen statistischen Erhebungen nicht zugestanden werden könne; wo eine Steigerung eingetreten sei, müsse sie als eine vorübergehende angesehen werden. 1161““

Deutsche Kolonien.

3 Den „Hamb. Nachr.“ schreibt man aus Bagamoyo, den 12. Februar:

Daß der Widerstand der Aufrührer in Folge der letzten Nieder⸗ lage Bwana Heri's (es ist die vom 4 Februar gemeint. D. R) endlich gebrochen ist, beweisen die in Bagamoyo fast täglich an⸗ kommenden Karawanen. Die Straße nach Mpwapwa ist absolut sicher. Es ist in Bagamoyo durch Karawanenführer berichtet worden, daß große Karawanen mit zusammen ca. 3000 Lasten vom Seengebiet her

ach Bagamoyo kommen werden. Dieselben sollen Elfenbein im Werthe von mehreren Millionen Rupien mitbringen. In Bagamoyo wird eif ig an dem Faktoreigebäude und der Karanwanserei gearbeitet. In den nächsten Tagen wird eine größere Truppenabtheilung nach Mhonda marschiren, in der Nähe dieser Missionsanstalt soll Bwana Heri sich

ieder festgesetzt haben. Man erwartet von dieser Operation die vollständige Niederlage der Aufständischen (der angekündigte Kampf

at am 8. und 9. März stattgefunden. D. R), so daß wir die folgende Zeit ungestört der Ausbildung der schwarzen Sol⸗ daten werden widmen können, welche zu der Okkupation im Süden des Schutzgebietes erforderlich sird. Die durch den Aufstand fast ein ganzes Jahr hindurch verhinderte Ausfuhr von Elfenbein hat auf den Preis desselben großen Einfluß gehabt. Bekanntlich ist das Sansibar⸗Elfenbein von jeher das beliebteste ge⸗ wesen, da die Zähne der ostafrikanischen Elephanten härter sind als diejenigen der indischen. Der jetzige Preis ist mit der höchste, der je gezahlt wurde. Am 6. Februar wurde in Bagamoyo mit den Indiern und den Njumbes des Distrikts ein großer Schauri abgebalten Es

waren zu diesem Zwecke sämmtliche Njumbes eingeladen worden, welche

auch alle persönlich erschienen. Nur wenige die verhindert waren, hatten Stellvertreter geschickt. Der Reichskommissar Major Wissmann bhielt eine längere Anrede in der Kisuahelisprache, welche sehr beifällig aufgenommen wurde. Sodann sprach Herr Konsul Vohsen, General⸗ Direktor der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft, zuerst zu den Indern,

ann zu den Negern. Den Indern wurde gesagt, daß zur Erleichterung

es Handels die Deutsch⸗Ostafrikanische Gesellschaft in Bagamoyo eine große Faktorei anlegen werde, welche alle Tausch⸗ und Handels⸗ artikel in großen Mengen auf Lager halten und ihnen den Einkauf derselben erleichtern werde, sodaß sie die Waaren nicht erst aus Sansibar zu beziehen, also auch keine Fracht u. s. w. zu zahlen

rauchten. Das Vortheilhafte dieses Planes schien den Indern ein⸗

lleuchten. Die Njumbes wurden aufgefordert, mit uns an der Ent⸗ wickelung des Landes dadurch Hand in Hand zu arbeiten, daß sie die

Bebauung des Landes energisch wieder aufnehmen die gewonnenen

Feldfrüchte an den Markt brinzen und dafür Sorge tragen sollten, daß ihre Untergebenen den Segen kultureller Fortschritte kennen rnten. Sämmtliche Njumbes versicherten darauf, daß sie sich schon jetzt wohler fühlten, als zur Zeit der früberen Regierung und daß es ihr eifrigstes Bestreben sein werde, die Zufriedenheit des Bana kuba Herrn) zu erwerben. Je nach ihrem Rang und ihrer Be⸗ 1ne wurden sie darauf von der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesell⸗ eschenkt. Tücher, Hemden, arabische lange Mäntel und Mützen, toffe ꝛc. wurden ihnen reichlich verabfolgt, so daß sie sehr vergnügt re Heimreise antraten.

Oesterreich⸗Ungarn.

Budapest, 13. März. (W. T. B.) Das Oberhaus nahm heute das Landwehrgesetz an. Im Unterhause machte der Minister⸗Präsident von Tisza die Mittheilung, er habe heute seine Demission gegeben und Se. Majestät den Kaiser und König ersucht, dieselbe anzunehmen. Die natürliche Folge sei, daß das Haus seine Sitzungen auf kurze Zeit bis zur Neubildung des Kabinets vertage. seine Demission, die einzig und allein in seiner bezüglich des

ncolatsgesetzes eingenommenen Haltung zu finden seien.

er Präsident suspendirte hierauf die Sitzungen bis zum Eingang von Mittheilungen über die Bildung des neuen Kabinets.

In einer Konferenz der liberalen Partei hielt später Tisza, auf das Lebhafteste begrüßt, eine Rede, in welcher er betonte, das Verdienst der liberalen Partei sei der konsolidirte parlamentarische Zustand Ungarns, aus welchem letzteren überall der Glaube an die Konsolidirung der Verhältnisse Ungarns hervorgegangen sei. Der Redner beleuchtete die Vortheile, welche sich ergeben, wenn die Regie⸗ rung und die der Regierung freundliche Partei die glesche Führung haben und bat, ihn als gemeinen Soldaten aufzu⸗ nehmen; der ungarif e Staat und die ungarische Nation hätten nichts nothwendiger, als eine Regierung und eine Partei, welche der Tyrannei der Minorität widerstehen

Tisza skizzirte sodann die Gründe für

könne. (Langanhaltende Eljen.) Hierauf nahm Maurus Jokai das Wort und wies auf das seltene Beispiel hin, daß ein Kabinets⸗Chef, welcher die v x im Parlament be⸗ sitze, zurücktrete. Weiter hob der Redner Tisza's patriotische Charakterstärke und staatsmännische Einsicht hervor und be⸗ tonte dessen unerschütterliches Festhalten an dem wahren Liberalismus, an der Vertheidigung des europäischen Friedens und am Dreibund. Jokai erwartet die Fortsetzung der gleichen Politik von der folgenden Regierung und ein festes Zusammenhalten der Partei. Der Redner brachte zum Schluß 8 809 auf Tisza aus, welches langanhaltende Eljenrufe ervorrief.

Die Annahme der Demission Tisza's wird am Sonnabend im Amtsblatt veröffentlicht werden, am Sonntag das neue Kabinet, welches sich am Montag em Parlament vorstellen wird.

Großbritannien und Irland.

London, 13. März. (A. C.) Die Abreise der Königin nach Aix⸗les⸗Bains ist nach den 6n Anordnungen auf den 24. d. M. fistgeseßt Ihre Majestät, welche von dem Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Battenberg begleitet sein wird, begiebt sich mittels Sonderzuges nach Portsmouth und fährt von da auf der Königlichen YNacht „Victoria and Albert“ nach Cherbourg. Die Ankunft in Aix⸗les⸗Bains erfolgt am 26. März.

Der Prinz von Wales tritt, begleitet von seinem jüngeren Sohne, dem Prinzen Georg, am 19. d. die Reise nach Berlin an, um dem Kaiserlichen Hofe den lang⸗ versprochenen, in Folge des Hinscheidens der Kaiserin Augusta aber verschobenen Besuch abzustatten.

Im Unterhause bildeten gestern, am Vorabend der Einbringung der großen ministeriellen irischen Güterankaufs⸗ Vorlage, die Bodenverhältnisse Irlands den Haupt⸗ gegenstand der Berathung. Dr. Commins (Parnellit) be⸗ antragte die zweite Lesung einer Art von Pächterschutz⸗Vorlage, welche bezweckt, die Pächter in Irland für von ihnen be⸗ wirkte Verbesserungen zu entschädigen, die Ausweisungsrechte der Grundbesitzer einzuschränken, Streitigkeiten zwischen Pächtern und Grundbesitzern zum Gegenstand eines Schieds⸗ spruchs zu machen, die Frage der rückständigen Pachtzinse zu lösen und die Wirksamkeit des Landgerichts zu erhöhen. Nach einer ziemlich erschöpfenden Erörterung, im Verlaufe welcher der General⸗Anwalt für Irland die Vorlage Namens der Regierung beanstandete, wurde der Antrag auf zweite Lesung des Entwurfs mit 231 gegen 179 Stimmen ver⸗ worfen.

„Der dem Parlament vorgelegte Nachtragskredit für die Marine enthält die folgenden Posten: Kanonen 65 000 Pfd. Sterl., Geschosse und Munition 125 000 Pfd. Sterl., Torpedos und Schießbaumwolle 9000 Pfd. Sterl., Handwaffen und Verschiedenes 155 000 Pfd. Sterl., Unter⸗ stützungen 4000 Pfd. Sterl., Summe 350 000 Pfd. Sterl.

„Ueber den Inhalt des von dem Fälscher der Parnell'schen Briefe Pigott an Lord Salisburygerichteten Schreibens, welches letzter Tage Gegenstand einer Interpellation im Parla⸗ ment war, heißt es, daß Pigott in dem Schreiben erkläre: er sei im Stande, die Homerule⸗Partei zu sprengen, und bitte nur, daß die Regierung ihm die Gelegenheit dazu gebe. Lord Salisbury ließ durch seinen Privatsekretär lediglich den Empfang des Schreibens formell bestätigen, und lehnte es ab, in der Angelegenheit weitere Schritte zu thun. Der trische Abg. Sexton sagt, daß er die Antwort Lord Salisbury's als private gelten lassen und sie nicht veröffentlichen wolle, bis er weitere Aufklärung über die Beziehungen des Ministers zu Pigott erhalten habe.

„— (W. T. B.) In der heutigen Unterhaussitzung erklärte der Unter⸗Staatssekretär Fergusson: er habe keine Nachricht davon erhalten, daß die türkischen Truppen in Siwas in Armenien Grausamkeiten verübt hätten. Der Präsident des Handels⸗Ministeriums Hicks⸗Beach theilte mit: England werde auf der am 1. April beginnenden in⸗ dustriellen Konferenz in Madrid durch den Parlaments⸗ Unter⸗Staatssekretär des Innern Stuart Wortley, den Super⸗ intendenten des Departements der Verträge im Auswärtigen Amt Sir Bergue und den General⸗Controleur des industriellen Eigen⸗ thums (Patentamts) Lack vertreten sein. Der Ackerbau⸗Minister Chaplin sprach sein Bedauern aus, daß die Einfuhr von Vieh aus Schleswig⸗Holstein noch untersagt bleiben müsse, da neuerdings Fälle von Maul⸗ und Klauenseuche in Schnelsen bei Pinneberg vorgekommen seien. Sodann wurde die Debatte über das Kriegsbudget fortgesetzt und der von der Regierung bekämpfte Antrag Hamley'’s, betreffend die bessere Dotirung der Freiwilligen⸗Corps aus Staatsmitteln, mit 135 gegen 102 Stimmen angenommen. Der Staatssekretär Stanhope erklärte im Laufe der Be⸗ rathung: die erste Vertheidigungslinie würde hauptsächlich aus regulären Truppen und einigen Milizbataillonen, im Ganzen 110 000 Mann, bestehen, welche in drei Armee⸗Corps getheilt seien. Die Freiwilligen und der Rest der Miliz⸗ truppen bildeten die zweite Vertheidigungslinie, welche für den Garnisondienst und die lokale Vertheidigung bestimmt sei. Stanhope sprach⸗ sein Bedauern über die Abstimmung, be⸗ treffend die Freiwilligen⸗Corps, aus, welche ein Parteimanöver gewesen sei; er hoffe, im Laufe des bevorstehenden Finanzjahres fast alle Truppen daheim und in Indien mit dem Magazingewehr bewaffnen zu können. Die Prüfungen des rauchlosen Schießpulvers hätten vorzügliche Ergebnisse geliefert.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (28.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach und der Minister des Innern Herrfurth beiwohnten, wurde die Berathung des Etats der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinen verwaltung fortgesetzt.

Abg. Dr. Ritter bestritt zunächst dem Abg. Letocha gegenüber, daß Grubenverwaltungen in Oberschlesien darauf ausgegangen seien, durch Lohnherabsetzungen Strikes zu provo⸗ ziren, und führte dann aus, daß der Aufschwung der Kohlen⸗ industrie ein dauernder zu sein verspreche, der nur gestört werden könnte durch übertriebene Ansprüche der Arbeiter einer⸗ seits und durch eine in Folge von Tarifermäßigungen er⸗ möglichte Konkurrenz der englischen Kohle andererseits. Der Zwischenhandel auf dem Kohlengebiet sei selbstverständlich und nothwendig, müsse sich aber in denjenigen Grenzen be⸗

wegen, die ihn als Großhandel nicht zur

macht werden lassen. Zwei Kohlenfirmen vertreten die halbe oberschlesische Kohlenförderuns; ein Viertel der fiskalischen Kohlenförderung sei an diese Firmen verschlossen, ebenso die Produktion von 7 Privatverwaltungen. Darin liege eine große Gefahr für die Verwaltungen, und die 1”]n sollte deshalb auf dem Wege des allgemeinen Verschleißes an eine Firma nicht weiter fortschreiten, weil die Privatverwaltungen olgten und in Verlegenheit gerathen müßten. Die Löhne eien in angemessener Weise erhöht worden; die Preissteigerung der Kohle sei noch jetzt minimal gegenüber der Steigerung der Löhne. Die trotzdem fortdauernden ungestümen Forderungen der Arbeiter ermuthigten nicht zum Entgegenkommen. Die Lebensmittelpreise böten keinen ausreichenden Grund für diese Ansprüche. Die prozentuale Erhöhung der Löhne sollte man in ukunft vermeiden und vielmehr den Weg der einschlagen. Was die Schichtdauer betreffe, so gehe das niederschlesische Revier mit der Absicht um zum Juli die achtstündige Schicht einzuführen, in der Voraussetzung, daß Sachsen und Oberschlesien gleich⸗ zeitig dazu übergehen zund daß die Arbeiter bis dahin nicht eingesehen haben, welche Nachtheile sie davon haben. Eine rapide Verkürzung der Schichtdauer im Allgemeinen sei zunächst nicht möglich, weil die abgeschlossenen Verträge über Kohlen⸗ lieferungen erfüllt werden müßten; die kleinen Maschinen die eine gesteigerte Förderung nicht leisten könnten, müßten auch in der Zwischenzeit geändert werden. Ein achtstündiges Durcharbeiten greife zudem mehr an als die jetzige zehnstündige Schicht. Wären die Agitatoren nicht, so dächte wahrscheinlich kein Arbeiter mehr an die achtstündige Schicht. Die Strike⸗ bewegung sei namentlich von den jugendlichen Arbeitern ausgegangen; diese aber seien ein Opfer der Freizügigkeit und Koalitionsfreiheit; politisch unreif und von der Familie losgerissen, fielen sie am leichtesten der Agitation an⸗ heim. Der Strike sei nicht berechtigt, denn er sei nichts anderes als ein allgemeiner Kontraktbruch und habe für die Sicherheit der Gruben wie der Arbeiter die größten Gefahren. Die Denkschrift sei völlig objektiv verfaßt. Bei der Vernehmung der Betheiligten sei mit musterhafter Gerechtigkeit verfahren worden; eher könnten die Arbeitgeber sich beklagen, nicht genügend gehört worden zu sein, als die Arbeiter. Presse und Börse treffe ein erheblicher Theil der Schuld an der Bergarbeiterbewegung. Die Bildung von Arbeiter⸗ ausschüssen und alle Einrichtungen Seitens des Staats seien allein nicht im Stande, dem Uebel zu be⸗ gegnen; vor Allem müsse die moderne Gesellschaft zu der Erkenntniß der gegenwärtigen Verhältnisse kommen und ihre Pflicht thun. Nicht die Arbeitgeber seien die Feinde der Arbeiter, sondern die Sozialdemokraten. Das deutsche Volk werde sich aber von dieser kleinen Umstürzler⸗ partei nicht terrorisiren lassen. Noch sei es Zeit, die Gefahr könne noch abgewandt worden, wenn die ganz Gesellschaft, dem erhabenen Beispiel der Kaiserlichen Politik folgend, einig sei in der Fürsorge für den Arbeiter wie in der Absvehr des gegen den Staat gerichteten Unfugs. 3 Abg. Schultz (Lupitz) führte aus, daß die Arbeiter sich niemals so wohl befunden hätten, wie jetzt, und tadelte, da

die Löhne im Berg⸗Etat willkürlich erhöͤht worden seien. Die Sozial

demokraten wollten generalisiren und alleArbeiter gleich behandeln

die Regierung sollte dagegen die einzelnen Arbeiter mit Wohl

wollen behandeln und immer mehr individualisiren.

Abg. Fuchs meinte, daß die Denkschrift viel be lastendes Material für die Bergwerks⸗Direktione enthalte, namentlich in Betreff des Mangels an Fühlung mit den Arbeitern. Aus persönlicher Einsicht der Lohnzettel habe er entnommen, daß die Löhne vielfach seh niedrig seien, niedriger, als in den Uebersichten der Durchschnitts⸗ löhne angegeben sei. Auch in Bezug auf die Behandlung der Arbeiter müsse eine Besserung herbeigeführt werden. Von den Arbeiter⸗Ausschüssen stehe zu hoffen, daß sie wohlthätig wirken würden. Vor allem thue eine sittliche Hebung der Arbeiter noth. Dazu aber sei eine Rückkehr zu dem Schul⸗ Fhüet 88 es vor 1870 bestanden, nothwendig. (Schluß des

attes.

(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hause der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.)

Der neugewählte Reichstag hat die seit dem 21. Februar 1887 bestandene Majorität der deutschen Volksvertretung in eine derartigen, Weise verschoben, daß es für Politiker von hohe Interesse ist, sich durch einen Blick auf eine Karte von Deutschlan über den Umfang der eingetretenen Aenderung zu informiren. Diesem Zweck entspricht eine Karte, welche soeben die bekannte geographische Verlags⸗Anstalt von Carl Flemming in Glogau unter dem Titel „Karte der deutschen Reichstagswahlen“ im Maß⸗ stabe ron 1: 3 500 000 in den Handel gebracht hat. Die politische Vertretung jedes Wahlkreises ist durch scharfe Farben markirt, und am Kartenrande befindet sich der hierzu nöthige erläuternde Tex Diese für jeden Deutschen, ohne Unterschied der Parteirichtung überaus werthvolle Karte ist für den billigen Preis von 50 zu haben

Zeitungsstimmen.

Die von uns veröffentlichte tabellarische Uebersicht übe das vorläufige Ergebniß der ordentlichen Wahlen zun Reichstage vom 20. Februar giebt der „Norddeutsche Allgemeinen Zeitung“ Anlaß zu folgenden Bemerkungen „Die amtliche Ermittelung der am 20. Februar den verschiedenen Parteien zugefallenen Wahlstimmen ergiebt in der Hauptsache ein Abnahme der Kartellstimmen um rund 1 Million und eine Zunahme der Aniikartellstimmen die Sozialdemokraten hierbei, auch wenn sie nicht formal dem Antikartell beigetreten waren, zuzurechnen um 750 000 Stimmen. Schon der eine Um⸗ stand, daß von diesem letzteren Zuwachs allein 664 000 auf die Sozial demokraten entfielen, zeigt deutlich genug an, daß es nicht etwa Wähler sind, welche 1887 für das Kartell stimmten und damals den Aus⸗ schlag zu Gansten desselben geben halfen, die jetzt sich dem Antikartell zugewandt und so dessen „Sieg“ bewirkt haben. 8 Was vielmehr den Sozialdemokraten, Demokraten, Frei sinnigen ꝛc. jetzt gegen 1837 mehr an Stimmen zugefallen, rührt offenbar ganz uͤberwiegend von Wählern her, welche 1887 gar nicht gestimmt haben, während andererseits der Verlust der Kartellparteꝛen nicht bedeutet, daß deren Wähser seit 1887 ins entgegengesetzte Lager übergegangen seien, sondern daß sie vielleicht aus Aerger Über den im Kartelllager nie endenwollenden Streit überhaupt nicht Iesttnhn 18.e b 1 Vor den Wahlen machte das Richter'sche Blatt darzuf auf⸗ merksam, daß 1887 eine 17 % stärkere Wahlbetheiligung statrgefunden als 1884, und daß diese 17 % der Wähler über die Zusammensetzung

Groß⸗

des Reichstages entschieden hätten. Diese zutreffende Bemerkung, auf das jetzige Wahlergebniß angewandt, besagt, daß die 28 % der