8
der Gewehr⸗Prüfungs⸗Kommission und der Militär⸗Schießschule
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und
8
das Corps, seine Kavallerie weit voraussendend,
Medizinal⸗Angelegenheiten.
Der ordentliche Lehrer Dr. Felix Muche am eeasatger⸗ r
Marien⸗Gymnasium in Posen ist zum Oberlehrer be
Königliche Akademie der Künste. Bekanntmachung. Der Unterricht in den Lehranstalten der Königlichen Akademie der Künste, Sektion für die bildenden Künste, für das Sommer⸗Semester 1890, und zwar: 1) in den akademischen Meisterateliers der Professoren A. von Werner, Knille, H. Gude, R. Begas, J. Otzen und H. Ende, 2) in der akademifchen Hochschule für die bildenden Künste unter Leitung des Direktors, Professors A. von Werner, 8 beginnt am 14. April 1890. 5 Die Anmeldungen haben zu erfolgen
Quartals bei demjenigen Meister, welchem die Aspiranten sich anzuschließen wünschen, ad 2) am Sonnabend, den 12. April 1890, von 12 bis 4 Uhr, im Sekretariat — Unter den Linden 38 —, wo⸗ selbst auch Prospekte über die Aufnahmebedingungen ꝛc. zu haben sind. “ 1“ Beerlin, den 21. März 1890. “ ““ Der Senat der Königlichen Akademie der Künste, 8 Sektion für die bildenden Künste. C. Becker. i
Nichtamtliches. eutsches Reich.
ad 1) innerhalb der ersten vierzehn Tage eines jeden
Preußen. Berlin, 25. März. ““
1.“ 1“ “ Se. Majestät der Kaiser und König erledigten
estern Vormittag von 7—8 ½, Uhr Regierungsgeschäfte, onferirten von 9—-10 Uhr mit dem Reichskanzler von Caprivi und arbeiteten von 10 — 11 ½ Uhr mit dem Chef des Civilkabinets. Um ¾2 Uhr fuhren Se. Majestät mit Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen von Wales nach der Kaserne des 1. Garde⸗Dragoner⸗Regiments (Königin von Großbritannien und Irland), besichtigten daselbst mehrere Reitabtheilungen des Regiments und nahmen darauf mit dem Offizier⸗Corps das Frühstück in dessen Casino ein. Um 3 Uhr begaben Sich Se. Majestät von der Kaserne des 1. Garde⸗Dragoner⸗Regiments zu Pferde nach dem Tempel⸗ hofer Felde, wo eine Gefechtsübung der Berliner Garnison vor Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen von Wales stattfand. Gegen 6 Uhr kehrten Se. Majestät zu Pferde an der Spitze der Fahnen⸗Gompagnie nach dem Schlosse zurück und begaben Sich gegen 8 Uhr mit dem Prinzen von Wales zum Englischen Botschafter zum Diner.
Heute Vormittag hörten Se. Majestät um 9 Uhr die Vorträge des Chefs des Marine⸗Kabinets und des Contre⸗ Admirals Köster und empfingen um 10 ¼ Uhr den von seinem Posten als Militär⸗Attaché abberufenen Königlich italie⸗ nischen Major Chevalier de Robilant, sowie dessen Nach⸗ folger Oberst⸗Lieutenant Chevalier Luigi Zuccari. Um 10 ½ Uhr nahmen Se. Majestät militärische Meldungen ent⸗ gegen und empfingen darauf den Kronprinzen von Schweden, später den Ministerial⸗Direktor, Wirklichen Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Bartsch und den zum ordentlichen Professor der medizinischen Fa⸗ kultät der Universität Halle ernannten Dr. Bramann. Um 11 Uhr begaben Sich Se. Majestät mit dem Prinzen von Wales zu Wagen nach Spandau, um einem Schießen
Bei der Gefechtsübung der Berliner Garnison, welche gestern Nachmittag um 3 Uhr auf dem Tempelhofer Felde stattfand, führte Se. Majestät der Kaiser und König,
wie gemeldet, das Süd⸗Corps Allerhöchstselbst. Die Auf⸗ stellung der Truppen erfolgte in derselben Weise, wie dies bereits in unserm gestrigen Bericht gemeldet worden ist, nur wurden die Stellungen um 2 ³ Uhr anstatt um 12 ¼ Uhr von dem Nord⸗ bezw. Süd⸗Corps eingenommen. Se. Majestät begab Sich bereits fueß vor 2 3 ¾ Uhr aus der Garde⸗Dragoner⸗ Kaserne zu Pferde nach dem Dorf Tempelhof, um das elbst das Kom⸗ mando über das Süd⸗Corps zu übernehmen. Kurz darauf fuhren Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz von Wales, der Prinz Georg von Großbritannien und Irland, die Großherzoge von Baden und Hessen und die übrigen Fürstlichen Personen nach dem Steuerhäuschen, um hier die Pferde zu besteigen. Prinz; Georg hatte bereits die Uniform eines Rittmeisters des 1. Garde⸗Dragoner⸗Regiments (Königin von Großbritannien und Fee ) angelegt.
5 Minuten vor 3 Uhr fiel der erste Kanonenschuß auf der Seite des Süd⸗Corps. Im Auftrage des Süd⸗Corps lag es, offensiv vorzugehen, und dementsprechend entwicke - in drei zum Vormarsch auf Berlin. Die Nord⸗ truppen, unter Befehl des General⸗Lieutenants von Wittich — die Absicht des Feindes erkennend —, hatten gleich⸗ falls eine Dreitheilung ihrer Truppen vorgenommen und zwar stand das Gros derselben, 8 Bataillone, 4 Escadrons und 8 Batterien, hart an der Straße Berlin—Tempelhof, unter Befehl des Obersten von Knappe, eine rechte Seiten⸗ kolonne, 4 Bataillone, 4 Escadrons und 4 Batterien, an der Katzbachstraße, unter Major von Scholten, und eine linke Seiten⸗ kolonne, 4 Bataillone und 4 Escadrons, unter Major Schubert, am Pionier⸗Uebungsplatz. Unter den Augen und unter persönlicher Theilnahme Sr. Majestät des Kaisers und Königs kam es zuerst zu glänzenden Kavallerie⸗ Attacken und dann zu einem langen, von beiden Seiten hart⸗ näckig geführten Artilleriekampf. Die Kavallerie des Nord⸗ Corps mußte weichen. Das Süd⸗Corps versuchte alsdann — den Gegner in der Front nur schwach beschäftigend — mit seinen Seitenkolonnen die Flanken des Nord⸗ Corps zu umfassen. Immer mehr Erfolge errang, trotz geschickter Gegenwehr, die rechte Fagereseg. des Süd⸗Corps unter Führung des General⸗Majors Erb⸗
Kolonnen
prinzen von Sachsen⸗Meiningen, Hoheit, und es ent⸗ wickelte sich ein äußerst interessantes Feuergefecht um die Südspitze der Hasenhaide. Als schließlich auch die linke Seiten⸗ kolonne derartige Erfolge errang, daß eine B.8eeh des linken Flügels durch das Nord⸗Corps für ausgeschlossen zu erachten war, ging Se. Majestät der Kaiser und König im Centrum mit seinem Gros zum Angriff vor. Nach einer genügenden Vorbereitung vernichtenden Schnell⸗ feuers wurde der Gegner geworfen, mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen der Stützpunkt des Gegners, die Bock⸗ brauerei, im Sturm genommen und hiermit die Gefechts⸗ übung abgebrochen. Die anschließende, 20 Minuten währende Kritik hielt der kommandirende General des Garde⸗Corps Freiherr von Meerscheidt⸗Hüllessem ab. Es erfolgte alsdann der Vorbeimarsch der Infanterie in Regiments⸗ bezw. Compagniefront⸗Kolonne, der Kavallerie in Escadron⸗ front im Galopp, der Artillerie in Batteriefront im Trabe Se. Majestät der Kaiser und König führte Seinem Erlauchten Gast zuerst die Parade und darauf das 1. Garde⸗ Dragoner⸗Regiment (Königin von Großbritannien und Irland) vorbei. Während der Prinz von Wales und die übrigen Fürstlichkeiten Sich zu Wagen nach der Stadt begaben, ritt Se. Majestät an der Spitze der Fahnen⸗Compagnie des 2. heante z. F. nach dem Königlichen Schlosse
In der englischen Botschaft fand gestern zu Ehren Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen von Wales ein Diner statt, welches durch die Anwesenheit Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin ausgezeichnet wurde. Es nahmen daran Theil die Botschafter Oesterreich⸗Ungarns, Italiens, Rußlands, der Türkei, Frankreichs und Spaniens mit ihren Gemahlinnen — nur die Gräfin de Launay war nicht erschienen; ferner die Herren der englischen Botschaft und der engste Hofstaat Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, der Staats⸗ Minister Graf von Bismarck, der General von Lesczynski, Lord Londonderry, der Ober⸗Hof⸗ und Hausmarschall von Liebenau, die Obersten von Kotze und von Natzmer. Ihre Kaiserlichen Majestäten erschienen gemeinschaftlich mit Ihren hohen Gästen, dem Prinzen von Wales und dem Prinzen Georg von Großbritannien und Irland und wurden von sämmtlichen Herren der Botschaft, an der Spitze Sir E. Malet, in dem Vestibül empfangen und darauf in die rothen Salons geleitet, vor welchen Lady Malet Ihre Majestäten bewillkommnete. Die Tafel war in dem von Marmorsäulen getragenen Speisesaal hergerichtet, dessen Wände mit den lebensgroßen Oelbildern der Königin von Großbritannien und Irland, Kaiserin von Indien, und des Königs der Belgier geschmückt sind. Ihre Majestät die Kaiserin, Allerhöchstwelche gleich allen anwesenden Damen eine schwarze Robe trug, saß zwischen dem Prinzen aon Wales und dem Prinzen Georg; zur Rechten des Prinzen von Wales hatte die Gräfin Schuwalow, zur Linken des Prinzen Georg Frau Gräfin von Brockdorff ihren Platz inne. Zur Rechten Sr. Majestät saß Lady Malet, zur Linken die Gräfin Széchényi, neben dieser der Botschafter Großbritanniens, neben Lady Malet Graf von Bismarck. Nach dem Diner verweilten Ihre Majestäten noch bis 10 ½ Uhr in der Botschaft und kehrten dann nach dem Königlichen Schloß zurück, während Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz von Wales und der Prinz Georg bis gegen 1 Uhr blieben, um sich dann huldvollst von dem Botschafter⸗Paar zu ver⸗
Der Bundesrath hat sich, wie die „Nordd. Allg. Ztg. mittheilt, in einer Adresse von seinem bisherigen Vor⸗ sitzenden, dem Fürsten von Bismarck, verabschiedet. Die Adresse wurde vorgestern von sämmtlichen Mitgliedern des Bundesraths unterzeichnet und gestern dem Fürsten Bismarck zugestellt.
Wie die „Politische Korrespondenz“ erfährt, hat Se. Majestät der Kaiser und König von Oesterreich⸗ Ungarn ein in den wärmsten Worten abgefaßtes eigen⸗ händiges Schreiben an den Fürsten von Bismarck anläß⸗ lich dessen Rücktritts gerichtet. Auch der Minister des Aeußern Graf Kalnoky habe dem Fürsten aus diesem An⸗ lasse ein sehr herzliches Schreiben übersandt.
Der japanische Gesandte Marquis Saronzi ist von Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der General der Kavallerie Freiherr von Loë, General⸗ Adjutant weiland Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I. und kommandirender General des VIII. Armee⸗ Corps, der General der Kavallerie von Heuduck, aà la suite des Dragoner⸗Regiments Prinz Albrecht von Preußen (Litthauischen) Nr. 1 und kommandirender General des XV. Armee⸗Corps, der General der Infanterie von der Burg, kommandirender General des II. Armee⸗Corps, der General der Infanterie von Lewinski, kommandirender General des VI. Armee⸗Corps, der General der Infanterie von Schlichting, komman⸗ dirender General des XIV. Armee⸗Corps, und der General⸗ Lientenant von Seeckt, kommandirender General des V. Armee⸗Corps, haben Berlin wieder verlassen. — Der General⸗Lieutenant Freiherr von Troschke, Chef der Remontirungs⸗Abtheilung im Kriegs⸗Ministerium, hat sich mit kurzem Urlaub nach Halberstadt begeben. — Der General⸗ Lieutenant Hsöaing, Train⸗Inspecteur, hat eine Dienstreise zunächst nach Magdeburg angetreten.
Der Regierungs⸗Rath Dr. Spieß, bisher bei der König⸗ lichen Ministerial⸗Militär⸗ und Baukommission zu Berlin, ist an die Königliche Regierung zu Gumbinnen versetzt worden. Der Regierungs⸗Assessor Droege ist der Königlichen Regie⸗ rung zu Bromberg überwiesen worden.
Die gestern und heute bekannt gegebenen Personal⸗ Veränderungen in der Armee befinden sich in der Zweiten, Dritten und Vierten Beilage, die Kadetten⸗Ver⸗ theilung in der Ersten Beilage zur heutigen Nu „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“. 8
8
““ 24. März. (Hann. C.) Auf der hie⸗ sigen Werft fand heute die feierliche Kiellegung des neuen roßen Panzers „D“ statt. Das Hoch auf Se. Majestät en Kaiser brachte der Contre⸗Admiral von Pawelsz aus.
Sachsen. 8
Dresden, 24. März. (Dr. Journ.) Beide Kammern hielten heute um 12 Uhr Sitzungen ab. Die Erste Kammer erledigte Petitionen. In der Zweiten Kammer beant⸗ wortete zunächst der Staats⸗Minister Dr. von Abeken die Interpellation des Abg. Klemm, betreffend eine vom Abg. Bebel behauptete, nach dessen Ansicht zweck⸗ lose Verhaftung, die denselben am ersten Pfingstfeiertage 1882 getroffen, mit einer aktenmäßigen Darlegung des Falles, aus welcher hervorging, daß, nachdem über den Abg. Bebel wegen Fluchtverdacht die Untersuchungshaft verhängt und die Polizei⸗ Direktion zu Dresden um Vollstreckung des Befehls ersucht worden ist mit dem Hinzufügen, daß derselbe sein Erscheinen in Dresden für die Pfingstfeiertage in Aussicht gestellt habe, die Verhaftung dem Wortlaut des Befehls gemäß erfolgt ist, sobald Bebel in Dresden betroffen wurde, und kein Anzeichen dafür spricht, daß nicht den Gesetzen entsprechend “ wurde oder, wie Bebel im Reichstage behauptet hat, ein Racheakt Seitens des damaligen Landgerichts⸗Direktors von Mangold: vorlag. In einer auf Antrag des Abg. Bebel über die Interpellation eröffneten Besprechung wurde von Seiten dieses Abgeordneten und des Abg. Liebknecht das Hauptgewicht darauf gelegt, daß gegen Bebel überhaupt wegen Fluchtverdachts die Untersuchungshaft verhängt worden sei, während Abg. Klemm sich durch die ertheilte Auskunft befriedigt erklärte. Die Beant⸗ wortung einer ferneren, von dem Abg. Bebel ge⸗ stellten Interpellation, ob es wahr sei, daß seit der Einführung der neuen Gerichtsverfassung kein einziger Referendar jüdischer Konfession zum Richtereide zugelassen worden sei und daß ein jüdischer Referendar nie eine Jahresremuneration erhalte, lehnte der Staats⸗Minister Dr. von Abeken ab, da die Zulassung zum Richtereide und die Gewäh⸗ rung von Remuneration von der Justizverwaltung nach ihrem Ermessen verfügt werde und die für Erfüllung oder Ablehnung darauf gerichteten Gründe nicht einmal geeignet seien, den Bittstellern selbst eröffnet, geschweige denn öffentlich mitgetheilt zu werden. Der Abg. Bebel stellte darauf in Aussicht, daß die Angelegenheit demnächst im Reichstage werde zur Sprache gebracht werden. Auf Antrag der Gesetzgebungs⸗ deputation faßte sodann die Kammer auf den Antrag der Abgg. Bebel und Genossen, betreffend Abschaffung der Arbeitsbücher für Bergarbeiter, sowie eine dasselbe er⸗ strebende Petition des Verbands sächsischer Berg⸗ und Hütten⸗ arbeiter den Beschluß, die Staatsregierung zu ersuchen, eine Abänderung des §. 76 des allgemeinen Berggesetzes in dem Sinne in Erwägung zu Kieher⸗ aß die Verpflichtung zu Aus⸗ stellung eines Zeugnisses auf die Art und Dauer der Arbeit be⸗ schränkt, auf Verlangen des abgehenden Arbeiters das Zeugniß auch über das Verhalten und die Ursache des Abganges ausgestellt und Mißbrauch des Arbeitsbuchs Seitens des Arbeitgebers mit Strafe bedroht werde, Antrag und Petition aber im übrigen abzulehnen bezw. auf sich beruhen zu lassen; ein weiteres Ersuchen des oben genannten Verbandes um Einfüh⸗ rung eines Rechtsmittels gegen bergschiedsgerichtliche Entschei⸗ dungen ließ man auf sich beruhen. Gegenüber den abweichenden Beschlüssen der Ersten Kammer bezüglich des Antrages auf Aufhebung der Schlachtsteuer auf Schweine und der Beschlüsse Betreffs der Eisenbahn⸗Petitionen und der Umgestaltung der Dresdner Bahnhöfe blieb die Kammer bei ihren früheren Beschlüssen, trat aber den Erweiterungen, welche die dies⸗ seitigen Beschlüsse zum Rechenschaftsbericht der Brand⸗ versicherungskammer in der Ersten Kammer gefunden haben, auf Anrathen ihrer Rechenschafts⸗Deputation ein⸗ stimmig bei. 8 Hamburg.
Die Herstellung eines zweiten See⸗ und Flußschiff⸗ hafens, südwestlich vom Segelschiffhafen, ist bekanntlich vom Senat mit einem Kostenbetrag von 6 818 500 ℳ beantragt worden. Der von der Bürgerschaft eingesetzte Ausschuß hat nun durch Dr. R. Mönckeberg sehr eingehend über diese Vorlage Bericht erstatten lassen. Der Ausschuß erklärt sich mit dem Projekt im Prinzip einverstanden und empfiehlt, dem „H. Frmdbl.“ zufolge, den Senatsantrag zur Annahme
5.HS
Oesterreich⸗Ungarn.
Wien, 24. März. (W. T. B.) Der Handels⸗ Minister theilte heute dem Budgetausschuß den neuen am 1. Juni 1890 bei den Staatsbahnen in Kraft tretenden Personentarif mit. Derselbe basirt auf dem Einheits⸗ satze von einem Kreuzer pro Kilometer für die dritte Klasse, von 2 Kreuzern für die zweite Klasse und von drei Kreuzern für die erste Klasse. Die Strecken werden in Zonen von je 50 km eingetheilt, wobei im Interesse des Nah⸗ verkehrs die ersten 100 km in 5 Zonen zu je 10, in 2 zu je 15 und in eine zu 20 km getheilt werden. Dieser Tarif soll nach und nach auch bei den Privatbahnen eingeführt werden und wird der Minister einen diesbezüglichen Gesetzentwurf einbringen. G
Großbritannien und Irland.
London, 24. März. (W. T. B.) Die Königin hat heute in Begleitung des Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Battenberg die Reise nach Aix⸗les⸗bains angetreten. In Portsmouth begab sich Ihre Masestät an Bord der Nacht „Victoria and Albert“, welche heute frug nach Cherbourg in See geht. Die Königin beabsichtigt, 5 Wochen auf dem est⸗ lande zu verweilen. 2.
Im Unterhause gab heute der Unter⸗Staatssekretär FeS eine eingehende Schilderung der entsetzlichen
ungersnoth, welche unter den außerhalb Suakims angesammelten Arabern herrsche; die Sterblichkeit sei eine bedeutende, müsse aber im fernen Innern von Afrika ganz enorm sein. Das lokale Hülfscomité vertheile unter die etwa vorhandenen 2000 Darbenden täglich Nahrung; die Vorräthe seien aber wohl nicht ausreichend. Der Konsul in Suakim habe die Hoffnung ausgedrückt, daß ihm Geldbeiträge aus England zur Linderung der größten Noth zugehen möchten. Das Haus nahm im weiteren Verlauf der Sitzung die irische Pacht⸗
11““ 8 8 16
güter⸗Ankaufsbill in erster Lesung an. Für die Zwecke der Bill sind 33 Millionen Pfd. Sterling erforderlich, die durch einen Garantiefonds gesichert werden.
Die Führer der Opposition wollen keine Schritte thun zur Förderung der Bewegung behufs Ernennung eines Sonderausschusses aenagterst ung des Ursprungs und der Geschichte der von Pigott ge älschten Briefe Parnell's. Wenn Parnell Schritte in der Sache zu ergreifen beschließt, wird er die Unterstützung der Stimmen der Opposition ge⸗ nießen, aber die Initiative soll ihm und seinen Parteigenossen überlassen werden.
Frankreich.
Paris, 25. März. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer erklärte der Minister des Aeußern Ribot in Beantwortung der Interpellation Turrel über den französisch⸗türkischen Handels⸗ vertrag, er glaube, es würde zu Unzuträglichkeiten führen, wenn man der Türkei gegenüber schroff auftreten wolle; die anderen Mächte könnten von einer solchen Rücksichtslosigkeit Nutzen ziehen. Die Regierung werde den Kammern ihre Aktionsfreiheit bis 1892 bewahren, es dürfe aber Nichts überstürzt werden. Die Frage der trockenen Rosinen anlangend, so ließe sich viel⸗ feicht ein anderes Mittel finden, z. B. die Einführung einer inneren Steuer auf die Fabrikation von Wein aus trockenen Rosinen. Die Kammer nahm nach weiteren unerheb⸗ lichen Erörterungen eine von Méeline vorgeschlagene Tagesordnung an, in welcher gesagt wird, die Kammer acceptire die Erklärungen der Regierung. Im weiteren Ver⸗ laufe der Sitzung brachte der sozialistische Deputirte Antide Boyer einen Antrag ein, worin die Wahl einer inter⸗ nationalen Kommission Behufs Regelung der Arbeiterfrage und Behufs Herbeiführung einer gleichmäßig fortschreitenden Abrüstung in Anregung gebracht wird. 8 3
Die boulangistischen Blätter veröffentlichen eine Depesche Boulanger's an Laisant, in welcher derselbe erklärt, er verlange wie s. Z. von Tirard, so jetzt von Freycinet, vor ein Appellgericht oder einen Kriegsrath gestellt zu werden; er werde dann unverzüglich nach “ zurückkehren.
Clairvaux, 25. März. (W. T. B.) Die Gräfin von Paris sowie die Prinzessin Helene besuchten gestern Nachmittag den Herzog von Orleans im Gefängnisse.
Nizza, 25. März. (W. T. B.) Die Kronprinzessin von Schweden ist gestern hier eingetroffen. 8
Rußland und Polen.
St. Petersburg, 23. März. Die „Nowosti“ erfahren, daß beim Reichsrath eine „Besondere Behörde“ ge⸗ bildet werden soll, deren Obliegenheiten die Durchsicht auf den Namen des Kaisers lautender Beschwerden über Entscheidungen des Dirigirenden Senats bilden soll. Außer Reichraths⸗ Mitgliedern werden auch Senatoren in dieser Behörde Sitz und Stimme haben. Als Geschäftsführer wird in ihr einer der Staatssekretärs⸗Gehülfen fungiren.
— 25. März. (W. T. B.) Der „Russische Invalide“ veröffentlicht die am 26. Februar vom Kaiser sanktionirte neue Verordnung für die Truppenverwaltung im
Aus Canea (Creta), vom 24. März liegt folgendes Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ vor: „In Folge eines Protestes des Bischofs und der hiesigen Konsuln wurde der Gendarmerie⸗Chef des Bezirks Zaro wegen gesetzwidriger Verhaftung eines Iriesters der orthodoxren Kirche verhaftet, ebenso zwei musel⸗ manische Angeber des Priesters. Schakir Pascha ordnete eine Untersuchung an. Zgwischen Schakir und dem Kriegsgericht sollen ernsthafte Meinungs⸗ verschiedenheiten bestehen. Trotz des Wunsches der Pforte, den Flüchtlingen die Rückkehr zu erleichtern, verurtheilte das Kriegsgericht 3 Flüchtlinge, welche sich bereits hier, und 7 Flüchtlinge, welche sich noch in Athen befinden, zu Ge⸗ fängnißstrafen. Da das Kriegsgericht sich weigerte, dieses Urtheil zurückzunehmen, telegraphirte Schakir Pascha nach Konstantinopel und suchte bei der Pforte die An nullirung des Urtheils nach.“ 1
Bulgarien.
Sofia, 24. März. (W. T. B.) Der Kronprinz
von Italien hat sich mit Gefolge gestern von Varna aus ch Konstantinopel eingeschifft.
Schweden und Norwegen. .“
(F.) Stockholm, 22. März. Zu Vertretern Schwedens auf dem am 15. Mai in 5 zu eröffnenden internationalen Telegraphen⸗Kongreß sind der Kanzlei⸗Rath im Depar⸗ tement des Aeußern Kammerherr Sager und der Bureau⸗Chef in der Telegraphen⸗Verwaltung Uddenberg ernannt worden. — Im Auftrage der Medizinal⸗Verwaltung wird Professor Lang aus Lund sich nach Kopenhagen begeben, um in Ver⸗ bindung mit einer von der dänischen Regierung niedergesetzten Kommission an der Ausarbeitung einer neuen skandi⸗ navischen Pharmacopoe Theil zu nehmen. u.“
Duänemark. “ ““ Kopenhagen, 24. März. (W. T. B.) In Beantwortung einer bezüglichen Interpellation erklärten der Kriegs⸗ Minister und der Marine⸗Minister in der heutigen Folkethings⸗Sitzung, daß verh thätige sozial⸗ demokratische Arbeiter keine Anstellung in Staats⸗ werkstätten erhalten könnten, da sie einem fremden Willen unterworfen seien. Anläßlich dieser Erklärungen brachte Graf Holstein⸗Ledreborg eine motivirte Tagesordnung ein, in welcher es mißbilligt wird, daß der Staat als Arbeit⸗ geber einen Druck auf die politische Ueberzeugung der Arbeiter ausübe. Diese Tagesordnung wurde mit 61 gegen 19 Stimmen angenommen. 6“ Amerika. Vereinigte Staaten. 21. März. (A. C.) Der Ausschuß des Repräsentantenhauses für auswärtige Angelegenheiten stimmte heute ein⸗ stimmig für eine Resolution, daß, sobald die canadische Regierung dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ihren Wunsch gehörig mitgetheilt habe, ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten zu treffen, wonach alle saas zwischen
den beiden Ländern wegfallen sollten, der Präsident drei Kommissare ernennen möge, um mit Kommissaren Canadas
“ “
darüber zu berathen, wie am besten der gegenseitige Handel der beiden Länder gehoben werden möchte und unter welchen Bedingungen ein derartiges Abkommen zu schließen sei.
ei der gestern im 1. Berliner Wahlkreise vor⸗ genommenen Nachwahl zum Reichstage wurde Alexander Meyer (dfrs.), der „Nat.⸗Ztg.“ zufolge, mit 5752 Stimmen . 2256 Stimmen fielen auf Zeidler (kons.), 2762 auf Schulz (Sozd.) und 28 Stimmen zer⸗ splitterten sich. — Auf der Tagesordnung für die am Mittwoch, den 26. März 1890, Vormittags 11 Uhr, stattfindende 37. Plenar⸗ sitzung des Hauses der Abgeordneten steht die Fort⸗ setzung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1890/91, und zwar: Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.
— Die XIV. Kommission des Hauses der Abgeord⸗ neten zur Vorberathung des Berichts der Rechnungs⸗ Kommission über die allgemeine Rechnung über den Staats⸗ haushalt des Jahres vom 1. April 1886/87, sowie über die Rechnung über die Fonds des ehemaligen Staatsschatzes für 1. April 1886/87 hat sich konstituirt und zum Vorsitzenden den Abg. Freiherrn von Huene, zu dessen Stellvertreter den Abg. Korsch und zu Schriftführern die Abgg. Dr. von Heyde⸗ brand und der Lasa und Dr. Sattler gewählt.
(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.)
Zeitungsstimmen.
Ueber die neulichen Verhandlungen des Abgeordneten⸗ hauses über die Arbeiterbewegung schreibt die „Danziger Allgemeine Zeitung“:
„Das Abgeordnetenhaus hat sich bei Gelegenheit der Berathung des Etats der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung drei Tage lang mit dem großen Strike der Kohlenbergarbeiter im Mai vorigen Jahres und mit den weiter daraus resultirenden Vorgängen be⸗ schäftigt. Ob nun eine solche Diskussion unter dem unmittelbaren Eindruck der Schritte, welche der Kaiser und seine Regierung im Interesse der Arbeiter unternommen, und welche bereits dazu geführt haben, daß Vertreter aller Industriestaaten gegenwärtig in Berlin vereinigt sind, um gemeinsam Maßregeln für einen wirksamen Schutz der Arbeiter zu berathen, jetzt schon ange⸗ bracht war, bleibe dahingestellt. Indeß wird man es als berechtigt anerkennen müssen, daß das Abgeordnetenhaus das Bedürfniß hatte, sich zum ersten Male ausführlicher über die Vorgänge auszusprechen, welche für die weitere sozialpolitische Entwickelung von Bedeutung sein dürften. Gleichwohl wird man schwerlich behaupten können, daß mit der Diskussion, soweit sie sich auf die Vergangenheit bezog, viel erreicht worden wäre.
Es hat immer etwas Mißliches, Kritik an der Vergangenheit zu üben und sich sowie Anderen vorzureden, daß vieles anders gekommen wäre, wenn dies und das nicht geschehen wäre. Von Seiten der⸗ jenigen Abgeordneten, welche sich auf den Standpunkt der Gruben⸗ besitzer gestellt haben, soweit sie diesem Stande nicht selbst angehören, ist z. B. der Versuch gemacht worden, darzuthun, daß die Arbeiter⸗ bewegung keinen berechtigten Grund hatte und daß sie nur von einigen jüngeren soztaldemokratischen Elementen angezettelt worden sei. Mit anderen Worten würde das etwa heißen: die ganze bürgerliche Gesellschaft und an ihrer Spitze die Regierung habe sich von diesen sozialdemokratischen Elementen dupiren und ins Schlepptau nehmen lassen. Wäre dies nicht geschehen, dann wäre Alles noch in schönster Harmonie. Eine solche Auffassung muß doch als eine arge Uebertreibung bezeichnet werden, welche den Ernst und die Bedeutung der in Rede stehenden Frage nur zu sehr verkennt. Auf der anderen Seite kann es dem Frieden auch nicht dienen, wenn notorisch unbe⸗ gründete Vorwürse, welche unteren und oberen Bergbeamten von un⸗ zufriedenen Arbeitern gemacht worden sind, von Abgeordneten wieder⸗ holt werden und damit das Verhalten der Arbeiter selbst in solchen Fällen beschönigt wird, in welchen die Königliche Untersuchungs⸗ kommission, sowie auch gerichtliche Enscheidung gegen die Arbeiter Zeugniß abgelegt hat. Ebenso wenig darf es als ein ob⸗ jektiver Ausdruck der Wahrheit bezeichnet werden, wenn der Staats⸗ regierung eine ungerechte Parteinahme gegen die Arbeitgeber vor⸗ geworfen wird — Minister von Maybach hat mit Recht hiergegen entschieden protestirt — und es muß gerade als eine bedauerliche Verirrung angesehen werden, wenn ein Abgeordneter fragt, wer die Verantwortung für den Empfang der Deputation der Bergleute durch Se. Majestät den Kaiser im Mai vergangenen Jahres trage.
Diese und ähnliche Auffassungen, welche in der Debatte zu Tage traten, zeugen davon, daß die Leidenschaften, welche durch die Arbeiter⸗ bewegung hervorgerufen worden sind, sich noch nicht beruhigt haben, und daß auf Seiten der Betbeiligten noch kein ruhiges und klares Urtheil über die Vergangenheit möglich ist.
Wenn hiernach die Debatte über die Strikebewegung der Ver⸗ gangenheit auch keinen positiven Nutzen im Gefolge haben konnte, so muß doch anerkannt werden, daß in Bezug auf die Aufgaben der Zukunft, wie sie namentlich durch des Kaisers Majestät auf die Tagesordnung gestellt worden sind, sich in der Debatte eine er⸗ freuliche Harmonie herausgestellt hat. Von konservativer, national⸗ liberaler und ultramontaner Seite ist sehr lebhaft sowohl die Nothwendigkeit des Zusammenstehens aller bürgerlichen Parteien im Kampfe gegen die Sozialdemokratie als auch das volle Einverständniß mit der Tendenz der geplanten Reformen auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes betont und namentlich auch die Hoffnung aus⸗ gesprochen worden, daß der Friede zwischen Arbeitgeber und Arbeiter wieder werde hergestellt und befestigt werden, wenn die ganze bürgerliche Gesellschaft sich gemeinsam gegen den sozialdemokratischen Feind wende, welcher nicht weniger ein Feind der Gesellschaft, als der der Arbeiter ist. Insbesondere ist von ver⸗ schiedenen Seiten auch der Errichtung von Arbeiterausschüssen das Wort geredet worden als einem Mittel, die Fühlung zwischen Arbeitern und Arbeitgebern herzustellen, welche seit dem Berggesetz von 1865 und der Gewerbeordnung verloren gegangen ist. Auch die Pflichten der Kirche und der Schule auf sozialpolitischem Gebiet haben, wenn auch in verschiedenem Sinne, ihre Vertreter gefunden. Den Auf⸗ fassungen freilich des Centrumsführers, welcher diese Gelegenheit be⸗ nutzte, um wieder für die Auslieferung der Schule an die Kirche ein⸗ zutreten, trat Graf Limburg⸗Stirum mit Recht unter dem inweis entgegen, daß an den alten Traditionen der preußi⸗ chen Volksschule nicht gerüttelt werden dürfe, da sie der Kirche ein hinreichendes Maß von Freiheit lassen. Es ist nur zu wünschen, daß die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage dem geschlossenen Zusammengehen aller Parteien sowohl gegen die Sozialdemokratie als für die Förderung der berechtigten Inter⸗ essen der Arbeiter nicht hinderlich werden mögen. Die weiteren Schritte auf dieser Bahn werden jedenfalls am besten zum Ziele führen, wenn die gegenseitigen Rekriminationen sowohl der Arbeitgeber und Arbeiter wie auch der Parteien unter einander aufhören. Mit dem Abg. Hitze theilen wir den Wunsch, daß die Verhandlungen dieser drei Tage dazu beitragen, daß Arbeit⸗ geber und Arbeiter keine Rekriminationen mehr machen, die sich auf die Vergangenheit beziehen, sondern sich zu gemeinsamer Thätigkeit zum Frieden vund Wohl des Vaterlandes vereinigen.“ 8
Zu den Debatten des Herrenhauses über die Frage der Rentengüter bemerkt der „Hannoversche Courier“: „s will uns scheinen, als wenn die sämmtlichen Redner, die sich abfällig gegen das Gesetz ausgesprochen haben, das⸗ selbe von einem einseitigen Standpunkt aus betrachten. Die Absicht des Gesetzgebers, als er die Rentengüter für den Bezirk der Ansiedlungskommission schuf, ging keineswegs dahin, dadurch landwirthschaftliche Arbeiter zu beschaffen, sondern im Gegentheil, es sollten an Stelle eines polnischen Gutsbesitzers mit seinen polnischen Arbeitern mögzlichst selbständige deutsche Bauern treten, deren wirthschaftliche Selbständigkeit eben dadurch sicher gestellt werden sollte, daß man ihnen den Erwerb erleichterte durch den Kauf gegen Rente, nicht gegen Kapital. Es wurde in den Reden sogar ausgeführt, daß man im Osten den Großgrundbesitz nicht zerstückeln dürfe, wenn er leistungsfähig bleiben solle. Das heißt klar ausgedrückt: die Groß⸗ grundbesitzer des Ostens wollen keine selbständigen Bauern neben sich, sondern nur kleine Besitzer, die gezwungen sind, durch Tagelohnarbeit das Einkommen aus ihren Grundstücken zu ergänzen.
Wir wollen hoffen, daß diese Verkennung des Zwecks der Rentengüter nicht zum Scheitern des Gesetzentwurfs im Herren⸗ hause führt. Hr. von Kleist⸗Retzow hat mehrere Anträge zu diesem Entwurf eingebracht, die durchaus geeignet sind, manche Bedenken des Grundeigenthümers zu beseitigen. Der Haupt⸗ antrag ist wohl der, daß den Provinzial⸗Hülfskassen, welche den Erwerbern von Rentengütern Vorschüsse zur Herstellung der nöthigen Gebäude und des erforderlichen Inventars als unkündbare, mit ge⸗ ringem Zinssatz sich verzinsende und mit 1 % zu amortisirende Darlehne gewähren, vom Staat je eine Million Mark zunächst auf 30 Jahre un⸗ verzinslich gegeben werden soll. Der Entwurf schrieb nach dem Antrage der Kommission des Herrenhanses vor, daß das Rentengut frei von den Grundschulden des Hauptguts übergeben werden sollte. Das ist eine selbstverständliche Bestimmung. Aber mit dem kahlen Grund und Boden kann der Erwerber nichts anfangen; er muß Wohn⸗ und Wirthschaftsräume und das nöthige In⸗ ventar haben. Wie aus den Denkschriften der Ansiedlungs⸗ kommission hervorgeht, haben die Ansiedler in ihrem Bezirk, trotzdem man dabei einigermaßen die kapitalkräftigeren aus⸗ gesucht hat, noch meist ein Drittel der Anschaffungskosten des Inventars als Darlehen erhalten. Die Erwerber von Renten⸗ gütern in den anderen Landestheilen finden eine solche Für⸗ sorge nicht; sie müßten also ihr Rentengut gleich mit Schulden belasten. Denn der Verkäufer des Rentenguts wird sich nur in wenigen Fällen dazu verstehen, ihnen die Bauten und das Inventar herzustellen und mit zu übereignen. Deshalb ist der Antrag des Hrn. von Kleist⸗Retzow vielleicht geeignet, einige der Bedenken zu be⸗ seitigen, welche bei den Grundbesitzern des Ostens so plötzlich auf⸗ Spollte das nicht gelingen, so läßt die Regierung hoffentlich den Gedanken doch nicht fallen, sondern kommt Hene ewen ot auf ihren ursprünglichen Gedanken zurück, für die siedelung der friesischen Moore die Rentengüter einzuführen. Dann bewirkt vielleicht das gute Beispiel, was bisher durch theoretische Auseinandersetzungen nicht erzielt werden konnte. Denn die Frage der inneren Kolonisation Deutschlands ist eine brennende geworden, und die Schaffung kleinerer und mittlerer Grund⸗ besitzer ist um so mehr nothwendig, als in dem gewerblichen Leben durch die Ausdehnung der Großindustrie die Stellung des Mittel⸗ standes gefährdet wird.“
Theater und Musik.
1 Belle⸗Alliance⸗Theater. „ Der Nautilus“ feiert heute Abend mit der 25. Aufführung sein erstes Jubiläum. 83 Sing⸗Akademie.
Die erste öffentliche Aufführung des Stern’'schen Konser⸗ vatoriums der Musik, die gestern stattfand, gab den erfreulichen Beweis, wie dies Institut unter der Direktion des Frl. Jenny Meyer fortwährend bestrebt ist, die höchsten Ziele der auf diesem Wege zu erreichenden Kunstleistungen zu verfolgen. Vor Allem war die Ausführung des Finales aus „Loreley“ von Mendelssohn von Seiten des Chors eine sehr lobenswerthe; auch eine höchst begabte Sopranistin, Frl. V. Mertens (aus Mittenwalde), welche mit klangvoller und umfangreicher Stimme begabt, die Solopartie mit dramatischer Lebendigkeit ausführte, erfreute sich lebhaften Beifalls, der auch einer anderen Elevin aus der Gesangsklasse des Frl. J. Meyer, der Altistin Frl. C. Poft, nach dem sehr ge⸗ lungenen Vortrag der großen Fides⸗Arie aus dem „Propheten“ zu Theil wurde. Von den Klaviervorträgen hörten wir das Concert (F-moll) von Bach (Frl. Belkin) und das H-moll-Capriccio von Mendelssohn (B. Schlesinger), in denen sich die einsichtsvolle Leitung des Hrn. Prof. Ehrlich glänzend bewährte. Auch der erste Satz des Violin⸗Concerts von Becthoven, den die Elevin A. Kjell⸗ berg spielte (Lehrer: Sauret), gelang im Allgemeinen recht gut, nur wäre hier eine leichtere Aufgabe den jugendlichen Kräften angemessener gewesen. Die talentvolle Elevin Frl. Johnson (Violine), die Klavierspieler Braatz (Lehrer: Dreyschock), Frl. Krantz (Ehrlich) und Hr. Jahn (Lehrer: van de Sandt), sowie die Gesangs⸗Elevin des Frl. Meyer, Frl. Woydt, und die des Hrn. von Milde, Frl. Wagner, errangen sich gleichfalls den wohlverdienten Beifall des ziemlich zahlreich erschienenen Publikums. Dem Hrn. Prof. Radecke und dem Hrn. Kogel, welche die Leitung des Chors und des Philharmonischen Orchesters übernommen hatten, gebührt noch ganz besondere Anerkennung.
Philharmonie. “
Das populäre Concert des unübertrefflichen Violinvirtuosen Prof. Wilbelmj, welches am Montag vor einem ungemein zahl⸗ reich erschienenen Publikum stattfand, hatte noch ein besonderes Inter⸗ esse dadurch, daß der als Pianist und Komponist wohlbekannte Ru⸗ dolf Niemann hier zum ersten Mal als Solist hervortrat, nach⸗ dem seine höchst kunstsinnige Art der Begleitung schon oft den Wunsch, ihn allein zu hören, angeregt hatte. Beide Künstler ver⸗ einigten sich in dem Vortrag der „Kreutzer⸗Sonate“ von Beethoven, die wir in so meisterhafter Ausführung höchst selten gehört haben. Auf die mit klassischer Vollendung gespielte Ciaconna für Violine von Bach folgte ein so stürmischer Beifall, daß Hr. Wilhelmi noch eine Romanze eigener Komposition hinzufügte. Der Pianist trug noch seine eigenen Variationen über eine Sarabande von Händel vor, eine sehr gediegene Komposition, die besonders gegen den Schluß hin eine Steigerung des Totaleindrucks erreicht. (Außer diesen Variationen haben übrigens zwei Sonaten und mehrere sehr hübsche Liedüber⸗ tragungen von ihm weitere Verbreitung gefunden.) Am Schluß hatten beide Künstler im Vortrag der „Ungarischen Weisen“ von Liszt⸗ Ernst, denen der Concertgeber noch das neulich von ihm so Senend schön gespielte „Ave Maria“ von Schubert hinzufügte, Gelegenheit, die virtuosen Seiten ihres Spiels im günstigsten Licht erscheinen zu lassen. Auch Hr. Niemann erntete durch den „Feuerzauber“ von Wagner⸗Brassin und die Tarantella von Liszt noch lebhafte und wohlverdiente Beifallsbezeugungen. Den Anregern dieser künstlerisch bedeutenden populären Concerte, den Hrrn. Landecker und Sacer⸗ doti gebührt die vollste Anerkennung für ihre unermüdliche Thätigkeit.
Cirkus Nenz.
Obwohl die Saison des Cirkus Renz sich ihrem Ende entgegen⸗ neigt, läßt es sich die Direktion doch noch stets angelegen sein, den Fe frische Anziehungskraft zu verleihen und dem Publikum Neues zu bieten. So zeigte das Programm der gestrigen Aufführung das erste Auftreten des aus sechs Personen bestehenden Elber⸗ felder Athleten⸗Klubs an. Diese, angeblich die stärksten Männer der Gegenwart, debütirten gestern und legten in der That Proben von einer Kraft ab, die als ungewöhnlich bezeichnet werden muß. Die Hanteln, Gewichte und Kugelstangen, von denen einige dem Programm zufolge das Gewicht von 238 Pfund erreichen