1890 / 79 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

1 Allgemeine Bemerkungen.

I. In obiger Zusammenstellung sind die Militär⸗Eisenbahn, die baverischen Bahnen, die Georgsmarienhütte⸗ und die Peine⸗Ilseder Eisenbahn, sowie die unter eigener Verwaltung stehenden schmal⸗ sourigen Bahnen nicht enthalten. 8

II. Von den mit “* bezeichneten Bahnen werden einzelne Strecken als Bahnen untergeordneter Bedeutung betrieben. 1

III. Während der Inhalt der Spalten 5 bis 13 größtentheils auf provisorischen Angaben beruht, enthalten die Spalten 14 bis 22 nur insoweit provisorische Angaben, als die früheren provisori chen Angaben inzwischen nicht durch Ermittelung der definitiven Einnahmen Berichtigung gefunden haben.

IV. Die in den Spalten 11 und 20 verzeichneten Angaben enthalten auch die dem event. vorhandenen Erneuerungsfonds zufließenden Antheile.

Besondere Bemerkungen.

¹) Eröffnet wurde 1888/89: am 15. November die Strecke Hagendingen Gr. Moyeuvre (10,18 km). 1889/90: am 1. April die Strecke Düdelingen —Reiteschkopp (0,76 km) (für Güter), an demselben Tage kamen für die Linie Hagenau —Saargemünd 0,59 km Geleise in Zugang; am 16. Dezember die Strecke Buchsweiler Ing⸗ weiler (6,58 km).

²) Eröffnet wurden 1888/89: am 1. April in Folge Linien⸗ verlegung durch Umbau auf Bahnhof Halle (13,44 km) und die Verbindungsstrecke Dorstfeld Rh. —Marten B. M. (3,22 km), am 1. April Soldau-— Illowo (11,73 km) in Mitbetrieb genommen, am 16. April Styrum- Oberhausen neue Linie (2,91 km), am 1. Mai Löwenberg— Templin (33,.08 km), am 15. Mai Wehbach Freudenberg (19,50 km), am 1. Juli Stralsund-— Ribnitz (43,33 km), Velgast Barth (11,42 km) und Laasphe Feudingen (9,80 km), am 15. Juli Altenahr—Adenau (17,21 km). Durch Umbau des Bahnhofes Karthaus sind ferner 0,53 km hinzugekommen. Am 1. August die Umgehungsbahn bei Staßfurt (2,49 km), am 11. August Birnbaum Pinne (28,47 km), am 16. August Hildes⸗ heim Hoheneggelsen (17,40 km), am 1. September Dt. Krone Callies (44,47 km) und Terespol Schwetz (6,19 km), am 5. Sep⸗ tember Sachsenhausen (Güt. Stat.) linksmainischer Hafen (1,46 km), am 1. Oktober Lissa— Jarotschin (68,61 km), Kankel Ostrowo (86,98 km), Gleiwitz Orzesche (21,93 km), Hohenstein i Pr. Soldau (52,98 km), Hilchenbach— Erndtebrück (18,80 km), Fulda Gersfeld (23,21 km), Bleialf —St. Vith (15,79 km), am 6. Ok⸗ tober durch Aenderungen auf dem Bahnhofe Halle 0,48 km, am 22. Oktober Teutschenthal —Salzmünde (8,57 km), am 1. November Wülfrath Velbert (8,55 km) und Dahlerau— Beyenburg (5,00 km) am 1. Dezember Rogasen Wongrowitz (18,54 km), Emden—Schiffs⸗ liegeplatz (2,16 km), am 10. Dezember Staffel Limburg (4,71 km), am 20. Dezember Erndtebrück-—Leimstruth (5,90 km), am 1. Januar Montwy Kruschwitz (8,50 km), am 15. Ja⸗ nuar Lauchhammer— Lauchhammer Werk (0,89 km), am 1. Fe⸗ bruar Hoheneggelsen Gr. Gleidingen (16,90 km). 1889/90: am 1. April ist die Fröttstedt Friedrichrodaer Eisenbahn (8,92 km) in

emerkungen.

das Eigenthum des preußischen Staats übergegangen; durch Neu⸗ vermessungen, Regulirungen u. s. w. hat die Länge der preußischen Staats⸗Eisenbahnen um 5,38 km zugenommen; es treten hinzu am 1. April Montwy Montwy Fluß (1,08 km) und Küstriner Vor⸗ stadt Warthe Fluß (0,65 km); am 1. Mai Hochneukirch —Greven⸗ broich (10,22 km); am 1. Juni Ribnitz —-Rostock (28,54 km), Wongrowitz Inowrazlaw (77,67 km) und Götzenbof-— Bieberstein (12,87 km); am 1. Juli die Apenrader Hafenbahn (0,97 km); am 1. August Wrist Itzehoe (21,40 km) u. Oppeln —-Nams⸗ lau für Güter (57,00 km); am 15. August Bergen Putbus (9,74 km) und Trier r. Hermeskeil (50,30 km); am 3. Sep⸗ jember durch Verlegung der Linie von Barmen —Rittershausen über Langerfeld nach Ronsdorf 0,39 km; am 18. September Danzig O. Thor nach dem Weichselufer bei Neufahrwasser (4,44 km) für Güterverkehr; am 1. Oktober Nordschleswigsche Weiche —Niebüll (40,50 km), Neusalz a./O.— Frevstadt (9,61 km), Königsberg i./ Pr. Labiau (50,32 km), Leimstruth Feudingen (8,50 km), Erndtebrück Birkelbach (3,50 km) für Güterverkehr, Naumburg—Artern (55,52. km) und am 7. Oktober Langenlonsheim —-Simmern (37,00 km); am 1. November Schee⸗Silschede (8,90 km), Krebsöge —Radevormwald (8,40 km), Mocker—Katharinenflur (2,29 km), Wulften Duderstadt (20,59 km), Gifhorn— Triangel (7,85 km), Oebisfelde —Salzwedel (59,16 km), Baalberge Cönnern (11.30 km); am 4. November St. Vith Ulflingen (23,30 km); am 15. November Schmallenberg Fredeburg (5,50 km), Wiesbaden— Langenschwalbach (21,37 km); am 15. Dezember Ballstädt Herbsleben (16,72 km); am. 21. Dezember Stolberg (Hammer) Walheim (7,27 km); am 3. Februar Beyen⸗ burg Langerfeld (6,40 km); am 12. Februar Solingen Wald (6,09 km); am 15. Februar Glöwen— Havelberg (8,91 km). Es gehen ab: 1888/89: am 1. April Elsterwerda Dresden (55,37 km), am 16. April Styrum —Oberhausen alte Linie (3,00 km). Durch die am 18. August stattgehabte Eröffnung des Haupt⸗Personen⸗ bahnhofes zu Frankfurt a. M. ist die Betriebslänge um 0,44 km vermindert. Am 1. Oktober von der Grubenbahn Gleiwitz Morgenroth die Strecke von Gleiwitz bis km 4,37 (4,37 km). Am 10. Dezember Staffel —Limburg alte Linie (1,81 kmw). 1889/90: am 1. Oktober durch Schließung des Bahnhofes Rheydt⸗Morr 2,59 km; am 1. Februar durch vorläufige Außerbetriebsetzung der Strecke Kray Wanne 8,81 km.

²) Die hierfür in Betracht zu ziehende Bahnlänge beläuft sich auf 23 577,83 km. 9) Eröffnet wurde am 2. Oktober 1889 die Strecke von Leutkirch bis zur Landesgrenze 24,97 km.

³) Am 26. Mai 188s8 ist die Strecke Nidda —Schotten (14,18 km), am 1. Oktober Stockheim— Gedern (18,45 km) eröffnet.

6) Die Angabe in Sp. 25 bezieht sich auf 175,82 km. ⁷) Eröffnet wurden 1889: am 1. Juli Grünstädtel Ober⸗ rittersgrün (9,36 km) und Grünstädtel —Schwarzenberg (2,67 km), am 15. Juli Stollberg- Zwönitz (16,59 km), am 1. Dezember CBBütiols (21,44 km), und Waltersdorf— Obererottendorf 5,18 km).

³) Die Angabe bezieht sich auf 2381,14 km.

9) Die Angabe bezieht sich auf 1355,68 km.

10) Am 1. Oktober 1889 ist die Strecke Holthusen Ludwigslust v am 29. Dezember 1889 Dömitz Lübtheen (32,90 km) eröffnet.

11) Die hierfür in Betracht zu ziehende Bahnlänge beläuft sich auf 388,37 km.

¹2) Die Angabe bezieht sich auf 313,57 km.

¹8) Die hierfür in Betracht zu ziehende Bahnlänge beläuft sich auf 683,19 km.

¹¹) Am 1. Oktober 1889 ist die Strecke Orlamünde Pößneck (11,66 km) eröffnet.

u) Am 1. August 1889 ist die Zweigbahn Immelborn-—Lieben⸗ stein Schweina (6,41 km) eröffnet.

¹6) Die Angabe bezieht sich auf 198,95 km.

11) Die Bahn ist am 31. Dezember 1888 eröffnet.

¹8) Das Anlagekapital ist von der Gemeinde Löningen aufgebracht.

¹⁰2) Die Bahn ist für Rechnung des Bankhauses Erlanger u. Söhne in Frankfurt a. M. erbaut, nach Eröffnung des Betriebes ist das Eigenthumsrecht des Bankhauses an die Jever⸗Carolinensieler Eisenbahn⸗Gesellschaft übergegangen.

Ausschließlich 87 400, für Betriebsmittel und Werkstatts⸗ einrichtung, welche dem Betriebspächter gehören.

21) Vom 1. Januar 1890 ab findet auf der Strecke Eisern Eiserfeld (5,00 km) auch Personenbeförderung statt.

899 Das Anlagekapital ist von der Stadt Osterwieck aufgebracht worden.

²8) Die Bahn ist am 14. April 1888 eröffnet.

, 2⁴) Die Bahn ist vom Hessischen Eisenbahn⸗Konsortium (Darm⸗ städter Bank und Hermann Bachstein) für eigene Rechnung erbaut.

25) Wie zu 24.

26) Die Bahn ist am 11. Oktober 1888 eröffnet.

27) Wie zu 24

28) Außerdem sind 195 488 für die Dampffähr⸗Anlage zwischen Karolinenkoog und Tönning verwendet. .

*0) Das Anlagekapital ist von der Stadt Perleberg aufgebracht.

²0) Wie zu 24.

81) Die Bahn ist vom Mitteldeutschen Eisenbahn⸗Konsortium (Darmstädter Bank und Hermann Bachstein) für eigene Rechnung erbaut.

21) Die Bahnen sind Eigenthum der Firma H. Bachstein, Berlin. . 218za) Für die Jahre 1889 und 1888 hat aus dem Betriebs⸗Ueberschuß eine Dividende nicht gezahlt werden können. Die Zinsen für die St.⸗Akt. Litt. A sind in Höhe von 3 v. H. von der Lokaleisenbahn⸗Betriebsgesell⸗ schaft in Hamburg garantirt, während für die Zinsen der Pr.⸗St.⸗Akt. die Emissionshäuser die Garantie bis zu 4 v. H. übernommen haben.

³4) Die Bahn bildet einen Vermögensbestandtheil der Stadt Schmalkalden.

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der gestrigen (37.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten. Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten. 3

In Kapitel 124: „Kultus und Unterricht gemein⸗ sam“ sind ausgeworfen 5 500 000 zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekenntnisse. Der Fonds dient dazu, nach Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen den mindestens fünf Jahre im Amte befind⸗ lichen evangelischen Pfarrern ein Mindesteinkommen von 2400 ℳ, den katholischen Pfarrern von 1800 zu sichern, ferner darüber hinaus den Pfarrern Alterszulagen und Unter⸗ stützungen zu gewähren. Die Alterszulagen sollen von fünf zu fünf Jahren für die evangelischen Geistlichen je 300 ℳ, für die katholischen je 150 betragen, und zwar bis zum Höchst⸗ gehalt von 3600 für evangelische, bezw. 2400 für katholische Geistliche.

Abg. von Strombeck beantragt, zunächst die katho⸗ lischen staatlich anerkannten sogenannten Missionspfarrer ebensalls unter diesen Titel zu begreifen. beantragt,

Abg. Freiherr von Huene bezüglich der

Alterszulagen für katholische Geistliche zu setzen 300 statt

50 und 2700 statt 2400 ℳ, eventuell eine solche E höhung für das nächste Etatsjahr eintreten zu lassen. Ferner beantragt Abg. von Strombeck:

1) Die Stoatsregierung wird ersucht, hinsichtlich der aus diesem Fonds zahlbaren Gehaltszuschüsse und Alterszulagen für Pfarrer im Wege der Gesetzgebung festzustellen, unter welchen Voraussetzungen die betreffenden Pfarrgemeinden bezw. Pfarr⸗ eingesessenen als unvermögend zur eigenen Aufbringung dieser Gehaltszuschüsse und Alterezulagen anzusehen sind.

2) Die Staatsregierung wird ersucht, bei der Aufstellung des Staatshaushalts⸗Etats künftig den Titel in mehrere Titel zu zerlegen, deren einer die zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen erforderliche Summe, deren übrige die zu Gehaltszuschüssen, Unter⸗ stützungen und Alterszulagen für Geistliche bestimmten Summen, getrennt nach dem Bekenntniß der Geistlichen, enthalten.

Abg. Dr. Reichensperger weist zur Begründung des Strombech'chen Antrags darauf hin, daß die Missionspfarrer nach dem Allgemeinen Landrecht als mit den übrigen gleich⸗ berechtigte und gleichwerthige Pfarrer gelten müssen und vom Staate anerkannt worden sind. Die Missionspfarrer haben eine sehr wichtige Aufgabe in der Diaspora zu erfüllen und

verdienen umso größere Berücksichtigung. Solle das Wort des Kaisers Wilhelm I., „dem Volke muß die Religion er⸗ halten werden“, in Erfüllung gehen und so die weitere Ver⸗

breitung der Sozialdemokratie gehemmt werden, so müssen auch diese Pfarrer so gestellt werden, daß sie ihren Beruf

orglos erfüllen können. 8 .

Abg. Sack würde ebenfalls den katholischen Missions⸗ geistlichen die Wohlthat dieses Fonds zu Theil werden lassen, vorausgesetzt, daß die evangelische Mission in einer ihrer hohen Bedeutung angemessenen Weise berücksichtigt würde. Für die evangelischen Geistlichen im Geltungsbereich des Gesetzes vom 3. Juni 1876, betreffend die evan⸗ gelischen Kirchenverhältnisse in den älteren Provinzen, bestehe die Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, daß selbst, wenn die Gemeinden als prästationsfähig anerkannt würden, doch von ihnen eine Erhöhung des Pfarrgehalts über die sta⸗ tutarische bisher bestehende und gesetzliche Verpflichtung nicht verlangt werden könne. Fraglich sei es, wie es hinsichtlich der Alterszulagen gehalten werden solle, wie weit da jene Prästationsfähigkeit oder Nichtprästationsfähigkeit der Ge⸗ meinden in Frage komme; so viel stehe aber fest, daß aus diesem Centralfonds Unterstützungen zur Aufbesserung des Gehalts der evangelischen Geistlichen bis zu 2400 gezahlt würden, wenn die Kirchengemeinde als nicht prästationsfähig anerkannt worden sei. Erkenne die Regierung die Gemeinde als prästationsfähig an, so zahl

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der Staat nicht, aber die Gemeinde auch nicht, weil sie ernstlich nicht dazu gezwungen werden könne. Die Geschädigten seien in diesem Falle die armen Geistlichen. In seiner, des Redners, Diözese, befänden sich s. Z. nicht weniger als drei Geistliche, welche ihrer Alterszulagen entbehren. Diesen traurigen Zu⸗ ständen gegenüber sollte die Regierung den Gehaltszuschuß auch für den Fall zahlen, daß die Gemeinde leistungsfähig ist und freiwillig nicht zahlt. Es handle sich nur um geringe Summen. 8

Abg. Freiherr von Huene will Angesichts der Geschäfts⸗ lage des Hauses von einer weiteren Begründung seines An⸗ trages absehen. Derselbe bewege sich innerhalb sehr bescheidener Grenzen und es sei nur recht und billig, die katholischen Geistlichen, nachdem die Finanzlage sich gebessert, entsprechend zu berücksichtigen.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum würde die katho⸗ lischen Missionspfarrer den übrigen Pfarrern gleichbehandelt wissen wollen, wenn sie nicht ad nutum episcopi amovibiles wären. Der Antrag von Huene enthalte zwar nicht eine Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit; es könnte aber er⸗ wogen werden, ob nicht die Wünsche der katholischen Geist⸗ lichen thunlichst berücksichtigt werden könnten.

Abg. von Strombeck: Bei der Geschäftslage des Hauses will auch ich mich kurz fassen. Mein auf die Speziali⸗ sirung des Fonds gerichteter Antrag bedarf einer weiteren Begründung nicht. In dem anderen Antrage be⸗ züglich der Alterszulagen will ich das Wort „un⸗ vermögend“ verändern in den Ausdruck „nicht ver⸗ pflichtet“ Mir kommt es darauf an, die Regierung in die Lage zu setzen, unter möglichst leichten Bedingungen die Gehaltszuschüsse und Alterszulagen den Pfarrern zu gewähren. Die Religion kann nur gefördert werden, wenn auch für ein möglichst gutes Verhältniß zwischen Pfarrern und Pfarr⸗ kindern gesorgt wird, welches leicht gestört werden kann, wenn die armen Gemeindemitglieder durch höhere Kirchensteuern zur Gehaltserhöhung für den Pfarrer beitragen müßten. Schwierigkeiten mögen ja meinem Antrage entgegen⸗ stehen, sie sind aber nicht unüberwindlich. Wie noth⸗ wendig mein Antrag ist, beweist das in der Budget⸗ kommission vorgetragene Beispiel, daß Berlin nicht mehr für leistungsfähig gelten würde, wenn es mehr als 10 Proz. an Kirchensteuer zahlen müßte. Das ist eine Un⸗ gerechtigkeit gegen die kleineren Gemeinden. Schließlich betont Redner die Nothwendigkeit, auch den Geistlichen in Missions⸗ pfarren aus diesem Fonds Gehaltserhöhungen zu gewähren, damit nicht etwa ein Nangel an Missionspfarrern eintrete.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler: u“ 1

Meine Herren! Ich gestatte mir, zunächst auf die Frage einzu⸗ gehen, welche der Hr. Abg. Sack angeregt und der Hr. Abg. von Strombeck weiter ausgeführt hat, und zwar um deswillen, weil sie sich außerbalb des Rahmens der gestellten Anträge bewegt.

Der Hr. Abg. Sack führte die Schwierigkeiten vor, welche durch ein bekanntes Ober⸗Verwaltungsgerichts⸗Erkenntniß eingetreten sind, und er hat darin auch Recht. Die gesetzliche Lage ist die, daß nach dem Allgemeinen Landrecht die Pfarreingesessenen verpflichtet sind, ihre Geistlichen zu unterhalten. Früher nahmen die Behörden an, d. h. die geistlichen und die weltlichen Behörden, daß sie in ihrer Gesammtheit in der Lage wären die Gemeinden anzuhalten, wenn die Pfarrunterhaltung eine ungenügende war, eine Erhöhung der Dotation eintreten zu lassen. Diese Praxis, welche sich Jahrzehnte hindurch unangefochten erhalten hat, hat das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht umgestoßen, und es fehlt nunmehr an jeder Möglich⸗ keit, ohne Aenderung der Gesetzgebung dazu zu gelangen, im Bedarfsfalle auch bei dem Konsensus der Verwaltungsbehörden zu einer Erhöhung der Pfarrdotationen zwangsweise zu gelangen. Die Schwierigkeiten, welche dadurch für die Geistlichen entstanden sind, haben eine wesentliche Abminderung erfahren durch Einschaltung dieses Fonds unter Kap. 124, Tit. 2. b

Bei der Verwaltung dieses Fonds ist die Kultusverwaltung davon ausgegangen, daß sie den genannten gesetzlichen Be⸗ stimmungen gegenüber zwar verpflichtet sei, zu erwägen, ob eine

genug sei, um das Minimum, welches nach den heutigen Verhältnissen als maßgebend an⸗ genommen wird, aufzubringen. Dieses Minimum ist in Ansehung der evangelischen Pfarrer auf 2400 ℳ, in Ansehung der katholischen auf nur 1800 festgesetzt; also nur bis zu dieser Grenze ist bei der Ausführung Ihrer vorjährigen Beschlüsse des Etatsgesetzes eine Kognition eingetreten. In allen den Fällen, wo nach pflichtmäßigem Ermessen die Behörde zu der Ueberzeugung kam: eine Ge⸗ meinde will nicht einmal dieses bescheiden bemessene Minimum aufbringen, obwohl sie es könnte, hat die Regierung sich für ver⸗ pflichtet gehalten, einen Zuschuß bis zu diesem Minimum nicht zu gewähren. Um aber die Geistlichen nicht Noth leiden zu lassen, ist selbst in diesen Fällen auf dem Wege einer besonderen Unterstützung den Geistlichen zu Huͤlfe gekommen worden, und nach den Uebersichten, die ich habe, sind in diesen, nicht allzu zahlreichen Fällen, wo ungefähr 30 000 den Geistlichen vorenthalten waren, ungefähr 23 000 im Wege der Unterstützungen bewilligt worden. Darüber hinaus, meine Herren, hat, wie von den genannten Herren Vorrednern richtig hervorgehoben worden ist, die Regierung sich für be⸗ rechtigt gehalten, auf Grund des Etatsvermerks, auf Grund der Erklärungen, die sie gegeben hat, auf Grund der Erklärungen aus dem hohen Hause, bei der Gewährung der Alterszulagen nicht mehr auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinden zurückzugehen.

Der Hr. Abg. von Strombeck fragt: aus welchem Rechtstitel hat die Regierung sich für berechtigt gehalten, ein so konniventes Ver⸗ fahren zu üben?

Ich habe den Titel cben genannt: der Etatsvermerk, die Absicht des Etatsvermerks, welche aus den Verhandlungen des hohen Hauses hervorgeht. Ich möchte doch einmal sehen, in welchem Zustande wir wären, wenn wir bei Bemessung der Alterszulage auch auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinden zurückkommen mwürden. Ich glaube, wir würden eine Woche sprechen müssen über die gentilen Ausführungen des Etatsvermerks durch die Regierung. Alfo ich wiederhole, daß die Regierung sich für berechtigt und im Interesse der Gemeinden erst recht für verbunden erachtet hat, die Angelegenheit derart zu regeln, daß die wirklichen Alterszulagen sofort haben gewährt werden können bis zu der Maximalsumme, die hier im Etat vorgesehen ist.

Was dann weiter die von Hrn, von Huene gestreifte Frage an⸗ betrifft nach den weiteren Grundsätzen, welche die Regierung bei der Ausführung dieses Etatsvermerks beobachtet hat, so will ich nur ganz kurz darauf hinweisen, daß zwei große Schwierigkeiten zu überwinden waren: einmal die Festsetzung des Pfründeneinkommens, und zweitens die Festsetzung des Dienstalters. Bei der ersten Schwierigkeit habe ich dadurch vorbeizukommen gesucht, daß unter Zustimmung des Finanz⸗ Ministers angeordnet ist, daß das bisher ermittelte und nicht wesent⸗ lich bemängelte Pfründeneinkommen zu Grunde gelegt werden soll. Wenn Sie nun in einem Theile der Presse fortwährend Klagen in der Richtung gefunden haben, daß das Pfründeneinkommen in schärferer Weise eingeschätzt werde, so bestreite ich erstens, daß diese Fälle vor⸗ gekommen sind, und wenn Aehnliches vorgekommen ist, so kann der Grund nur sein, daß für das Pfründeneinkommen gar keine Nachrichten vorlagen. Für die Zukunft wird natürlich das Pfründeneinkommen etwas schärfer angesehen werden müssen. Aber ich kann versichern, daß Seitens der kirchlichen Oberen Anträge oder Beschwerden in dieser Richtung nicht gebracht sind, oder daß sie wohl rasch Er⸗ ledigung gefunden haben.

Das Amtsalter machte erhebliche Schwierigkeit, denn die Verhältnisse waren im Laufe der letzten Jahre sehr unklar geworden; Sie entsinnen sich, daß namentlich in der Rheinprovinz erst neuerdings eine ganz neue, sehr viele Persönlichkeiten umfassende Klasse von Geistlichen die Succursalpfarrer in diese staatliche Fürsorge auf⸗ genommen worden ist. kommender Weise beabsichtigt gewesen ist, diese Sache zu regeln, und daß ich, wenn ich von diesen wenigen Preßklagen absehe in einzelnen Zeitungen ist ja immer gehetzt worden doch wirklich, da es sich um viele Tausende von Fällen gehandelt hat, anerkennen muß: es hat die Bureaukratie immerhin etwas Anerkennenswerthes geleistet. erhalten haben, lichen 1826. Ich darf aber katholische Geistliche auf die allein vom 1. April 1889

Gemeinde leistungsfähig

beträgt 3146, die Zahl dabei Rheinprovinz haben neue

erwähnen, daß 1022 entfallen, und Alterszulagen er⸗

halten 1675 evangelische, 1308 katholische Geistliche, also beinahe hübsches

3000 Geistliche. Sie werden anerkennen, daß ein ganz 1 Quantum Arbeit hinter den Behörden liegt. Die Gesammtübersicht ergiebt

vorläufig das Resultat, daß die Dienstalterszulagen betragen zu Gunsten 8

Tragweite, welche in der That

nur ordentliche rer welches der Staat an Pfarrern und Pfarreien nimmt, beruht ja wefentlich darauf, daß jede Pfarrgemeinde eine juristische Persönlichkeit

öffentliche

bei den katholischen Geistlichen eine Ich kann versichern, daß in überaus entgegen-

Die Zahl der evangelischen Geistlichen, welche Zulage der katholischen Geist⸗

der Evangelischen 2 831 000, zu Gunsten der Katholischen 1 236 000 Diese Zahlen geben noch keine zuverlässige Uebersicht, weil 2 Momente noch in Berücksichtigung zu ziehen sind. Erstens ist die Zahl der un⸗ besetzten Pfarreien noch recht erheblich groß. Sie hat sich über⸗ raschender Weise zu Gunsten der Katholiken gestaltet; es sind unge⸗ fähr 180 Pfarreien weniger vakant gewesen als wir angenommen hatten; aber bei den Ervangelischen ist die Zahl der Vakanzen noch sehr erheblich. Wenn diese vakanten Pfarreien, deren Ziffer im Ganzen doch nicht unerheblich ist, alle be⸗ setzt sied, so nehmen wir an, daß noch 800 000 900 000 Dienstalt erszulagen zu gewähren sind. Dann ist ein zweites Moment, welches doch sehr in Betracht fällt, und zwar bei beiden Konfessionen vielleicht bei den Katholiken in etwas stärkerem Maße der Umstand, daß wir noch nicht im Beharrungszustand uns befinden, daß wir zu viele Geistliche mit geringem Dienstalter im Pfarramt haben Da wir nach dem gegenwärtigen Etatsvermerk die Alterszulage nur gewähren dürfen, wenn der Geistliche 5 oder mehr Jahre im Pfarramt zurückgelegt hat, so ist es klar, daß, nachdem in der katholischen Kirche die Besetzung der Pfarreien erst im Laufe der letzten Jahre geregelt worden ist, die neu an⸗

gestellten Pfarrer im Vergleich zu ihrem Lebensalter eine erheblich zu

geringe Dienstzeit haben. Was die evangelischen Geistlichen betrifft, sh wissen die Herren, daß die evangelische Kirche jetzt zwar Theologen

Wwahrscheinlich über den regelmäßigen Bedarf hinaus produzirt, daß

sie aber immer noch nicht so weit gekommen ist, die Lücken der früheren Jahre auszufüllen. Ich würde sehr gern bereit gewesen sein, die sehr umfangreiche Statistik über diesen Punkt vorzulegen, weil ich versichern kann, die Regierung hat auf diesem Gebiete nichts zu verschweigen. Aber daraus möchte ich doch in keiner Weise die Nothwendigkeit ableiten, daß in der Weise vorgegangen wird, wie der Hr. Abg. von Strombeck es unter Nr. 98 der Drucksachen vor⸗ ägt. Ich darf dabei bemerken, daß die Ausgaben, die auf recht⸗ lichen Verpflichtungen beruhen und aus dem Fonds Kap. 124 Tit. 2 geleistet werden, sich bereits verzeichnet finden in der Beilage 2 zum Etat; Sie werden da eine Colonne finden, wo auf Kap. 124 Tit. 2 hingewiesen ist, und Sie werden sehen, in welchem Betrage die Summen aus rechtlichen Verpflichtungen gezahlt werden wenn ich mich recht erinnere, zwischen 90 und 100000 1 Ich würde Sie nun bitten, wie in früheren Jahren, alle ge⸗ stellten Anträge abzulehsen. Die Aenderung, die der Hr. Abg. von Strombeck in seinem Antrage Nr. 98 unter Nr. I angeregt hat: zu schreiben anstatt unvermögend“ „nicht verpflichtet’“, hätte eine nicht zu übersehen ist. Gefordert wuürde werden, daß ein Gesetz gemacht werden soll, welches die Vor⸗ aussetzungen feststellt, unter denen die Gemeinden nicht verpflicht sind, etwas zu zahlen. Meine Herren, wenn man sich das gesetzgeberisch zurechtlegt, so würde das der tiefste Eingriff sein in die ganzen Grundlagen über die Unterhaltung der Pfarrsysteme. Ich kann nur versichern, daß, was die Leistungsfähigkeit anbetrifft, die Grundsätze, welche ich ent⸗ wickelt habe, das denkbar wohlwollendste Entgegenkommen den Ge⸗ meinden gegenüber enthalten, und wenn Sie später, wenn mehr Zeit ist, vielleicht genauere Anregungen an mich heranbringen, bin ich durch die sehr eingehenden statistischen Arbeiten, die ich habe anfertigen lassen, durchaus in der Lage, Ihren Wünschen nach weiteren Mit⸗ theilungen zu entsprechen. 1 Was den Antrag des Abg. Freiherrn von Huene betrifft, so is darüber früher schon viel gesprochen worden. Ich kann erneut erwähnen: die Sätze, die hier im Etatsentwurf festgestellt sind, entsprechen den vor 2 Jahren gefaßten Beschlüssen, und ich bin in der That nicht in der Lage, eine entgegenkommende Erklärung dem Hrn. Abg. Freiherrn von Huene abzugeben. Ich darf noch erwähnen, daß die Frage der Alterszulagen den katholischen Geistlichen gegenüber früher gar nicht bestand. Es waren früher, bis vor wenigen Jahren, die katholischen Pfarrer niemals mit einer Alters⸗ zulage bedacht worden, weil die Gesetzgeber, bezw. die Majorität dieses Hauses, von der Auffassung ausgingen, daß die ganie Lebensführung eines katholischen Geistlichen unabhängig ist vom Alter. Die ganze Frage der Alterszulagen hängt zusammen mit der Entwickelung der Familie, mit den Ver⸗ pflichtungen, welche dem Familienvater erfahrungs mäßig im Fortschritt seines Lebens den Kindern gegenüber u. s. w. erwachsen. Früher hatten die evangelischen Geistlichen bis zu einem Ein⸗ kommen von 3000 Dienstalterszulagen, die katholischen hatten nichts, es wurde ihnen nur ein Einkommen garantirt bis zu 1800 ℳ, und nur in einzelnen Ausnahmefällen wurde bis zu 2100

8

gegangen.

Die Frage nach den Missionspfarreien ist erneut wieder in Erwägung gekommen. Ich darf versichern, daß, wenn ich überzeugt wäre, daß meine früheren Ausführungen auf einem Irrthum beruhen, ich sie sehr gern als irrthümlich anerkennen würde; ich bin aber als ehrlicher Mensch das zu thun außer Stande. Ich halte dafür, daß nach den hier oft gemachten Ausführungen man mit Sicherheit annehmen muß, daß daraus nur die ordentlichen Pfarrer vom Staate bedacht werden sollen. Das staatliche Interesse führt meines Erachtens auch dahin, Pfarrer hier zu bedenken. Das Interesse,

bildet. Es ist eine ganz bestimmte vermögensfähige Persönlichkeit mit sehr vielen Rechten und sehr vielen Pflichten, welche in das Recht eingeschoben wird durch Gründung einer Pfarrei. Nach allen Richtungen, die es giebt, die beiden Gewalten zusammen, die Kirche und die weltliche Macht, und gerade die Beispiele, welche der Hr. Abg. von Strombeck anführte, sind darin sehr schlagend, namentlich auch schlagend nach der Hinsicht, daß der Name „Missionspfarreien“ unter

wirklichen Pf wirken hierbei

Umständen ein für die rechtliche Beurtheilung indifferenter, gleich⸗

gültiger ist. Der Hr. Abg. von Strombeck führt den Fall Weißen⸗ fels an, durch die Petition, welche in der Kommission vorliegt, sind mir die Verhältnisse näher geführt worden. Ich habe ebenso, wie der Hr. Abg. von Strombeck die Urkunden eingesehen und habe dabei gefunden, daß Weißenfels erigirt ist durch den Bischof und eine Allerhöchste Ordre; ich habe gar keinen Zweifel, daß Weißen⸗ fels von uns kirchen⸗ und staatsrechtlich als eine wirkliche Pfarrei

aanzusehen ist, und einen vollen Anspruch darauf hat, einen Zuschuß aus

Kapitel 124 Titel 2 zu erhalten. Aus dem Beispiel des Hrn. von Strombeck werden Sie gehört haben, daß ausdrücklich durch Aller⸗ höchste Kabinetsordre Weißenfels erigirt worden ist. Das hängt damit zusammen, daß nach der früheren Rechtslage, bis zum Jahre 1874, eine katholische Pfarrei nur erigirt werden konnte unter Zutritt einer Allerhöchsten Ordre, während wir für evangelische Pfarreien nur die Mitwirkung des Kultus⸗ Ministers nothwendig haben. Durch eine Ordre von 1874 ist in der Beziehung Gleich⸗ artigkeit geschaffen worden; für katholische, wie für evangelische Pfarreien gilt jetzt überall dasselbe: die kirchliche Behörde und die staatliche Verwaltungsbehörde stellt eine Erektionsurkunde auf, und der Minister giebt seine Genehmigung dazu; damit ist die Pfarre erigirt. Das, meine Herren, ist der richtige Weg. Das Einzige, was wir bei Erektionen verlangen, ist das denkbar Bescheidenste, nämlich die Prüfung, ob die Congrua vorhanden ist. Diese Congrua ist zu Gunsten der Katholiken auch sehr niedrig gestellt; sie beträgt in unserer Verwaltungspraxis nur 1500 ℳ, während sie bei evan⸗ gelischen Pfarreien 1800 beträgt. In allen Fällen, wo ein Bischof den Nachweis erbringt oder die Interessenten den Nachweis führen, daß 1500 Congrua vorliegt, hat die Behörde gar keinen Anstand genommen, eine katholische Pfarrei zu begründen.

Was Naumburg anbetrifft, so unterliegt es gar keinem Zweifel, deß dort schon seit langer Zeit eine selbständige katholische Pfarrei besteht, unabhängig von dem Namen, den sie führt.

Die Sorge, daß die Missionspfarreien nicht besetzt werden wür⸗ den wegen der geringen Zuschüsse, ist ja so weit begründet, weil auch die katholische Kirche nicht so viel Kräfte produzirt hat, als sie zur Seelsorge braucht; aber auf dem eben genannten Gebiet, wo sich neun katholische Missionepfarreien befinden, sind nur zwei un⸗ besetzt. Das ist ein verhältnißmäßig ganz günstiger wenn Sie sich erinnern wollen, daß in der evangelisch

ustand, 8 Kirche

noch über 500 ordentliche Pfarrstellen unbesetzt sind. Dabei möchte ich bleiben, es liegt eine gewisse Gefahr vor, wenn der Staat sich gleichgültig dagegen verhält, ob auf dem Wege ge⸗ ordneter Pfarrstellen die Seelsorge geregelt wird oder nicht Dadurch kommt eine Unruhe in die Konfessionen, die der Staat vermeiden muß. Wenn es in der That gleichgültig ist, ob 300 oder 500 als Fundation für eine Seelsorgestelle jährlich festgestellt werden, so Bat es ja natürlich jede Kirche in der Hand, solche Einrichtungen zu hunderten zu treffen, wo durch ganz geringe Mittel, aus Privat⸗ mitteln, sogen. Missionspfarrer angestellt werden. Dann kommen wir zu keinen gesunden, haltbaren Zuständen.

Das Interesse des Staats, nicht blos in vermögensrechtlicher Hinsicht, geht dahin, ordentliche Pfarreien zu begründen, und ich wiederhole: es giebt keine mildere Staatspraxis als es die unserige gegenüber der Begründung katholischer Pfarreien ist.

Ich möchte daher dringend bitten, daß Sie die Richtung, in der die Praxis sich bisher bewegt hat, billigen und dies dadurch be⸗ kunden, daß Sie die gestellten Anträge ablehnen.

Abg. Dr. Enneccerus: Ein Bedürfniß für die Er⸗ höhung des Mindestgehalts der katholischen Geistlichen im Ver⸗ hältniß zum Mindestgehalt der evangelischen Geistlichen liegt nicht vor; sollte eine Erhöhung eintreten, so müßte sie zugleich bei den Gehältern beider Konfessionen vorgenommen werden. Von den Missionspfarrern hat ein Theil bereits Ansprnch auf Zuschuß und erhält ihn auch. Die große Mehrheit, die wirk⸗ lichen Missionspfarrer, haben erstens keine bestimmte Pfründe und der Staat würde deshalb mit dem Antrag von Strombeck eine ungemessene Verpflichtung auf sich nehmen, und zweitens sind diese Pfarrer beliebig amovibel. Außerdem könnte, wenn dieser Antrag Annahme fände, mit geringen Mitteln überall in den protestantischen Gebieten eine große Anzahl von katho⸗ lischen Missionspfarreien errichtet werden, und umgekehrt. Der Staat würde seine Genehmigung dazu nicht verweigern können. Dem Wunsche des Abg. von Strombeck, daß den Pfar⸗ rern nicht blos die im Pfarramte, sondern überhaupt die im Amte z. B. auch im Schulamte verbrachte Zeit angerechnet werde, stehe ich sympathisch gegenüber, wenn dies auch bei weitem mehr der katholischen, als der evangelischen Geistlichkeit zu gute kommt. Die Theilung des Fonds in einen solchen für evangelische und einen solchen für katholische Geistliche scheint mir unnöthig und unpraktisch, jenes, weil die einzelnen Summen, die jeder Konfession zu⸗ kommen, bereits festgestellt sind, und dieses, weil kein Grund ist, daß das, was die eine Kirche in einem Jahre nicht braucht, nicht im anderen Jahre der anderen zu Gute kommen soll. Aus diesen Gründen bitte ich Sie, alle gestellten Anträge abzulehnen, auch denjenigen der Anträge des Abg. von Strom⸗ beck, den ich im Prinzip billige, weil keine Erklärung der Staatsregierung vorliegt, ob der vorhandene Fonds zu seiner Erfüllung ausreicht.

Der Vize⸗Präsident Dr. Freiherr von Heereman bringt folgendes soeben eingegangenes Schreiben des Präsi⸗ denten des Staats⸗Ministeriums zur Kenntniß des Hauses:

„Ew. Excellen; beehre ich mich, zu benachrichtigen, daß des Königs Majestät mittelst Allerhöchsten Erlasses vom 26. d. M. den Staats⸗Minister Graf von Bismarck⸗Schönhausen seinem Antrage entsprechend aus dem Amt als Staats⸗Minister und Mitglied des Königlichen Staats⸗Ministeriums zu entlassen, sowie von der Leitung des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten zu entbinden und den unterzeichneten Präsidenten des Staats⸗Ministeriums zugleich zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten zu ernennen geruht haben. Ew. Exzellenz ersuche ich ergebenst, dem Ab⸗ g ordnetenhause hiervon gefälligst Kenntniß geben zu wollen.

Der Präsident des Staats⸗Ministeriums. von Caprivi.“

Mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses zieht Abg. von Strombeck seinen Antrag bezüglich der Missions⸗ pfarrer zurück.

Der Titel selbst mit dem Vermerk wird bewilligt, die dazu gestellten Anträge werden abgelehnt.

Der Rest des Kapitels „Kultus und Unterricht gemeinsam“ wird ohne Debatte bewilligt.

Bei dem Kapitel „Medizinalwesen“ bemerkt der Abg. Dr. Graf: Eine Organisation des ärztlichen Gesundheits⸗ wesens fehlt noch immer; nach oben fehlt die zentrale Zu⸗ sammenfassung, um nach einheitlichem Plane gemeinsame Ziele verfolgen zu können, nach unten die Bildung von Orts⸗ Gesundheitsräthen. Daß die Sanitätskommissionen von 1835 eine völlig unzureichende Einrichtung sind, darüber sind Alle einig; sie werden nur ad hoc einberufen, im Falle von Epidemien u. dergl. Ferner wird die Kompetenz und der Einfluß der Medizinalbeamten schwer vermißt Dieselben müßten auch ein ihren Pflichten entsprechendes Gehalt beziehen. Ein Gesetz über obligatorische Leichenschau, ein Seuchengesetz sind dringend nothwendig. Auch die Verhältnisse der Aerzte, die nicht Beamte sind, lassen zu wünschen. Einer deutschen Aerzteordnung steht wesentlich hindernd im Wege die Bestimmung der Gewerbeordnung bezüglich des ärztlichen Gewerbes. Eine Revision dieses Paragraphen muß also vorab erzielt werden. Durch das Krankenkassengesetz ist der ärztliche Stand in eine schwierige Stellung gekommen, und wenn jenes Gesetz auch auf die Familien der jetzt Kassenpflichtigen ausgedehnt wird, dann wird ein Nothstand im ärztlichen Stande eintreten, dessen Tragweite wir noch nicht absehen können. Die Novelle zum Krankenkassengesetz sollte erst den Aerztekammern zur Begutachtung vorgelegt werden. 1

Abg. Dr. Langerhans spricht sich ebenfalls dafür aus, daß die Kreisphysici besser besoldet werden. Erst dann könnte etwas Ersprießliches für die öffentliche Gesundheitspflege ge⸗ schehen. Die Kreisphysikate würden die Sammelpunkte bilden, von denen aus die Erfahrungen weiter geleitet werden, die Beamten ihre Instruktion und Anregung erhalten könnten. Hiermit würde auch ein guter Anfang in der Aerzteorganisa⸗ tion gewonnen sein.

Der Titel wird bewilligt, ebenso der Rest der ordentlichen Ausgaben.

Bei den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben (6 149 852 ℳ) bemerkt der Referent Abg. Dr. Enneccerus, daß er mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses nur dann das Wort ergreifen werde, wenn einzelne Positionen angegriffen werden sollten. Uebrigens sei in der Kommission nur die Ausgabe für das geodätische und meteorologische Institut angegriffen, schließlich aber gegen eine Stimme be⸗ willigt worden. 1 5

Das Extraordinarium wird ohne Hebatte bewilligt. Da⸗ mit ist die Tagesordnung erledigt. ee 8

Der Präsident schlägt vor, die nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr abzuhalten und den Rest des Etats in zweiter Lesung zu berathen, vorher aber die Fnte rpellation des Grafen zu Limburg⸗Stirum, betreffend die Fürsorge für die Hinterbliebenen des Gendarmen Müller, zu verhandeln. „Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukir schlägt vor, eine Abendsitzung zum Abschluß der zwei

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abzuhalten. Nur so könnten alle formellen und materiellen Bedenken überwunden werden, welche aus einer nicht recht⸗ zeitigen Erledigung des Etats resultiren. Bei der nöthigen Beschränkung würde es möglich sein, die dritte Lesung wo⸗ möglich noch vor den Ferien zu beendigen.

Abg. Dr. Enneccerus schließt sich diesen Ausführungen an, während der Abg. Dr. Windthorst es für unmöglich . den Etat noch vor Ostern gründlich und ruhig durchzu⸗

erathen. Erfahrungsmäßig komme bei Abendsitzungen nicht viel heraus; es komme aber gerade darauf an, die dritte Lesung möglichst gründlich zu absolviren, da die zweite nur sehr kursorisch habe stattfinden können. Das Land dürfe nicht denken, das Abgeordnetenhaus hätte das Budget über das Knie brechen wollen.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Davon kann nach der ausgiebigen Sprecherei bei der zweiten Lesung doch nicht die Rede sein. Da indessen eine so große Partei wie das Centrum eine ausführliche dritte Berathung des Etats wünscht, so können wir sie nicht daran hindern.

Die Abgg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch und Dr. Enneccerus betonen, daß es vor Allem darauf ankomme, in einer Abendsitzung die zweite Berathung des Etats zu Ende zu führen. Was dann geschehen solle, könne man ja am Schluß der Sitzung beschließen.

Präsident von Köller macht darauf aufmerksam, daß nach seinen Informationen am Sonnabend kein beschlußfähiges Haus mehr zusammen sein würde. Selbst wenn aber die dritte Lesung schon am Freitag beendet sein sollte, so würde die dritte Lesung des Etats vor Ostern doch nicht alle gesetz⸗ geberischen Stadien durchlaufen können. Denn der Präsident des Herrenhauses würde sich dann erst Freitag Abend über eine Sitzung des Herrenhauses entschließen können, und es sei sehr fraglich, ob in der Charwoche das Herrenhaus den Etat wirklich fertigstellen werde. 1 Abg. Dr. Windthorst lehnt jede Verantwortung des Landtages für die Nichtfertigstellung des Etats ab. Es wäre Sache der Regierung gewesen, ein Nothgesetz vorzulegen.

Der Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch auf eine Abendsitzung wird abgelehnt; es bleibt bei dem Vor⸗ schlage des Präsidenten. 8

(Schluß gegen 4 Uhr.)

In der gestrigen (37.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten bemerkte auf die Frage des Abg. Rickert, betreffend die Einbringung eines Nothgesetzes, der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:

Ich kann nur versichern, daß mir von der Einbringung eines Nothgesetzes und einer dahin gehenden Absicht der Staatsregierung nichts bekannt ist. Ich bin, wie die Herren wissen, fortdauernd an die Sitzungen des hohen Hauses gefesselt, und bin also nicht im Stande gewesen, einer Staats⸗Ministerialsitzung beizuwohnen; ich halte aber nicht dafür, daß eine so wichtige Frage, ohne daß ich davon Kenntniß gehabt haben sollte, sich hätte abspielen können Ich kann daher nicht annehmen, daß sie im Schoße der Staatsregierung in affirmativem Sinne beantwortet ist.

Zu Titel 20a (Meteorologisches Institut) des Kap. 122 erklärte der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler:

Meine Herren! Ich will versuchen, in aller Kürze die wichtigen Gesichtspunkte zu erörtern, die der Herr Vorredner angeregt hat. Ich thue das zunächst mit aufrichtigem Dank für die wohlwollende Be⸗ urtheilung des bisher Geleisteten und gegen die Würdigung der der Meteorologie gestellten Aufgaben für die Zukunft. Die Herren werden sich entsinnen, daß vor Jahren hier stets das Meteorologische Institut Gegenstand lebhafter Angriffe und Erörterungen war. Ein Wandel trat ein, als im Jahre 1885 das Meteorologische Institut auf den Kultus⸗Etat überging und damit ausgesprochen wurde, daß nicht rein praktische Zwecke allein die Meteorologie zu erreichen hätte, sondern, daß man ihr eine sicherere wissenschaftliche Basis zu geben habe. Es wurde damals ein ordentlicher Lehrstuhl für die Meteorologie eingerichtet und derjenige Fachmann an die Stelle berufen, welcher für Süd⸗ deutschland, namentlich für Bayern, in bahnbrechender Weise den meteorologischen Dienst geordnet hat. Seit der Zeit ist, wie auch der Herr Vorredner anerkannt hat, in keinem Augenblick ein Versäumen oder ein Stillstand eingetreten. Der neue Direktor hat einen Plan aufgestellt, den wir in gemeinsamer Berathung geprüft haben, und derselbe liegt allen Maßnahmen zu Grunde, welche im gegenwärtigen Etat ihren Ausdruck gefunden haben.

Der Grundgedanke ist der ein vierfacher —: erstens soll das Meteorologische Institut ein Central⸗Institut in Berlin haben, wo die eigentliche wissenschaftliche Arbeit sich vollzieht, wo auch die Lehre, die Anlettung gegeben wird sowohl für die wissenschaftlichen Berufs⸗ beamten als auch für die Studirenden. Dieses Institut ist, wie die Herren wissen, von mir in der Bau⸗Akademie untergebracht, ist mit einer Reihe von Apparaten versehen und fungirt so gut, wie es unter den gegenmwärtigen Verhältnissen eben fungiren kann.

Darüber hinaus ist es nun absolut nothwendig, ein großartiges wissenschaftliches Observatorium ersten Ranges zu erreichen, und dafür ist in diesem Etat die erste Rate erbeten. Dieses Obser⸗ vatorium ist begleitet mit einem magnetischen Observatorium. Diese Arbeiten sind abgeschlossen, das Observatorium ist fertig; durch zwei oder drei Jahresbewilligungen haben die Herren die Mittel ge⸗ währt, und im Ordinarium ist zum ersten Male in dem vorliegenden Etatsentwurf vorgesehen, daß vom 1. April an das magnetische Observatorium fungiren kann. Für das weitere Observatorium ersten Ranges ist, wie die Herren im Extraordinarium des Etats unter Nr. 73 ersehen, eine Summe von 150 000 eingestellt worden.

Der dritte Gesichtspunkt ist die Vervollständigung und bessere instrumentelle Ausrüstung der Beobachtungsstationen. Hierbei ist man ausgegangen von dem Entschluß des internationalen meteorologischen Kongresses von Wien vom Jahre 1873. Es wurden unterschieden Stationen von 4 verschiedenen Ordnungen. Die Stationen erster Ordnung sind Stationen in dem Sinne, wie das Potsdamer Institut etablirt werden soll. Ich darf hinzufügen, daß alle Stationen erster Ordnung mit selbstregistrirenden Apparaten versehen sein müssen; dazu werden in einem späteren Etat die betreffenden Mittel beantragt werden. Die Stationen zweiter Ordnung sind solche, welche täglich dreimsl Beobachtungen machen über Luftdruck und alles, was dahin⸗ gehört, und die Stationen dritter Ordnung solche, welche zweimal die wichtigeren Beobachtungen machen.

Das Netz der Stationen zweiter und dritter Ordnung ist im Wesentlichen als abgeschlossen anzusehen. Es sind jetzt 224 etablirt, davon 120 aus den Mitteln des Instituts, und die andern sind aus den Mitteln der um und in Preußen liegenden Staaten gemacht worden, Mecklenburg, den Hansastädten u. s. w. Bei den Stationen zweiter Ordnung erhalten die Beobachter ein Pauschquantum und ebenso bei den Stationen dritter Ordnung, im ersten Falle 300, im zweiten Falle 120 im Durchschnitt. Die Stationen, welche der Herr Vorredner der besonderen Fürsorge empfahl, sind die Stationen 4. Ordnung, bei denen täglich nur ein⸗ mal Aufnahmen stattfinden, wo namentlich die Niederschläge von be⸗ sonderer Bedeutung sind. Die Zahl dieser Stationen hat der Herr Vorredner richtig angegeben; sie sollen auf 2000 gebracht werden, und es sind gegenwärtig 1000 eingerichtet. Der Kostenpunkt wird ungefähr 20 für jede Station betragen. Sie werden im Egxtraordinarium im Tit. 72 finden, daß dort zur instru⸗ mentellen Audrüstung von Beobachtungsstationen eine 5. Rate mit

ten Lesung des Etats ! 9000 eingestellt ist, und daß dann für Beschaffung besonderer

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