Direktion. Bahnstrecken.
Zeitpunkt 8 der eintretenden Veränderung.
Rubrort — Steele — Bochum Am 1. Aprit 1890 in den Bezirk
— Dortmund⸗— Holzwickede,
Stwrum- Oberhausen, Styrum — Duisburg, Kett- wig (Brücke) — Mülheim a. d. R., scheid - Bochum —Herne, Essen — Caternberg — Bis⸗ marck i. W. — Herne, Wer den — Essen.
Wanne,
Bocholt. Erfurt. Sagan — Sorau.
Uelzen— Langwedel.
86
“
Ueberall einsch Verbindungsbahnen.
Sarnau-— Frankenberg. nel en — Langwedel
vorstehend
der Königlichen Eisenbahn⸗Direk⸗ tion (rechtsrheinischen) zu Köln.
Essen — Watten⸗
Bochum — Steele — Dahl⸗
hausen — Langendreer, Lan⸗ gendreer - Witten, Wit⸗ ten — Dortmund, munderfeld — Huckarde, Bismarck terswyk und Winterswyk —8
Dort⸗ i. W. — Win⸗
Neuß —Düsseldorf— Gerres⸗Nach Betriebseröffnung der Bahn⸗ beim (B. M.), dorf—Gerresheim (Mh.), Düsselderf —Rath (B. M).
anlagen zu Düsseldorf in den Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktion (rechtsrheinischen) zu
Köln.
Am 1. April 1890 aus dem Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direk⸗ tion zu Berlin.
Am 1. April 1890 aus dem Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direk⸗ tion zu Magdeburg
Nach Betriebseröffnung in den Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktion zu Elberseld.
Am 1. April 1890 in den Bezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direk⸗ tion zu Hannover.
cht besonders aufgeführten Zweig⸗ und
Düssel⸗
I.
Als im Anfang des Jahres 1881 die „Sozialpolitik“ be⸗ gonnen wurde, bemächtigte sich weiter Reihen der Gesellschaft ein gewisser Schrecken: es wurde in der „Sozialpolitik“ eine Konzession an den „Sozialismus“ erblickt und der Triumph der Ideen der Sozialdemokratie befürchtet. Man war zuerst nothwendigerweise mit dem Aufbau des neuen Reichs, dann aber zu lange mit den Interessen der politischen Parteien und mit der Frage nach der Vertheilung der Macht im Staat beschäftigt gewesen, ohne auf die gesellschaftlichen Mißstände zu achten und ohne die Nothwendigkeit einer Abhülfe zu begreifen. Wie im 18. Jahr⸗ hundert, so ging auch jetzt wieder die Erkenntniß von den Aufgaben des Staats auf diesem Gebiet von dem Königthum aus: es war die Ueberzeugung, daß die wirthschaftlich leiden⸗ den Klassen geschützt und unterstützt werden müssen, wenn nicht die ganze Gesellschaft und somit in weiterer Folge auch der Staat ruinirt werden soll. — 1
Diese Politik war eine „Sozialpolitik“, d. h. sie hatte nicht die unmittelbaren Staatsverhältnisse, sondern die Zu⸗ stände und Mißstände innerhalb des gesellschaftlichen Körpers zum Gegenstand. Die Sozialpolitik war indessen an sich keineswegs etwas bis dahin Unerhörtes. Wie Dr. H. von Scheel in seiner Abhandlung über „Sozialismus und Kom⸗ munismus“ in dem jetzt in dritter Auflage erscheinenden „Handbuch der Politischen Oekonomie“ von Schönberg (Tübingen, H. Laupp'sche Verlagshandlung) ausführt, war das erste Erzeugniß deutscher Gesetzgebung, bei dem man sich bewußt war, ein Stück der sozialen Frage lösen zu wollen, dasjenige des Norddeutschen Bundes über die privat⸗ rechtliche Stellung der Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossen⸗ schaften vom 4. Juli 1868. Dieses wollte durch Erleichterung der Bildung von Genossenschaften kleiner Leute zum Zweck der Kreditgewinnung, des billigen Waarenankaufs, der vortheil⸗ haften Fabrikation u. s. w. die Stellung der wirthschaftlichen Schwachen dem Großkapital gegenüber stärken und dem Arbeiter und kleinen Unternehmer größere Unabhängig⸗ keit verschaffen. Freilich war das Gesetz für das wachsende Bedürfniß und die schnelle weitere Entwicklung der Industrie und die mit ihr verbundenen Mißstände kein Allheilmittel, — aber es war doch der erste sozial⸗ politische Versuch, welchen der Staat mit der Herbeischaffung von Mitteln zur Stärkung der wirthschaftlichen Schwachen machte. Die Gewerbeordnung vom 21. Juli 1869 ver⸗ schloß sich der Anerkennung der sozialen Frage. Erst ihre Abänderungen charakterisirten sich, wenigstens zum Theil, als Ausbildung der Sozialgesetzgebung. Dies war der Fall mit dem Gesetz über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 7. April 1876, namentlich aber mit der Abänderung des Titel VII der Ge⸗ werbeordnung durch das Gesetz vom 17. Juli 1878. Die Bestimmungen desselben betreffen eine größere Sicherung der Betheiligten gegen die Verletzung der durch den Arbeits⸗ vertrag eingegangenen Verpflichtungen, dann eine strengere Ordnung des Lehrlingsverhältnisses und die Verschärsung einiger zum Schutze der Arbeiter gegebenen Vorschriften. Die sozial⸗ politisch bedeutsamste ist aber die Einführung von Fabrikinspektoren, welche die Ausführung der Vorschriften Betreffs der jugend⸗ lichen Arbeiter und der Nachtarbeit weiblicher Personen, sowie die Herstellung von Schutzvorrichtungen Seitens der Gewerbe⸗ unternehmer überwachen sollen, Weiter fallen in das sozial⸗ politische Gebiet die Aenderungen der Gewerbeordnung Betreffs der Innungen. Schließlich sei hier noch das Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 genannt.
Das Alles waren sozialpolitische Gesetze gewesen, welche der Störung des Friedens der Gesellschaft vorbeugen sollten. Freilich aber enthielten sie doch noch keine „Sozialreform“.
ie Sozialpolitik, welche im Jahre 1881 — namentlich bei den Wahlen — auf Widerspruch stieß, hatte eine sozialrefor⸗ matorische Absicht, und diese war es, welche zuerst kein genü⸗ gendes Verständniß fand.
Das Wesen der ,Sozialreform“, welche ihre Sanktion durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 erhielt oder, richtiger gesagt, inaugurirt wurde, besteht darin, daß der Staat die wirthschaftlich stärkere Klasse, welche in unmittel⸗ barer Berührung mit der leidenden Klasse, d. h. der Arbeiter⸗
klasse geeht, also die Arbeitgeber und dann auch in weiterer 4 12 8 8 1 88
Folge die übrigen Klassen oder vielmehr die Gesammtheit zu Opfern zwingt, welche der Arbeiterklasse zu Gute kommen sollen; ein weiteres Charakteristikum der Sozialreform ist der von Staatswegen ausgeübte Zwang auf die Arbeit⸗ geber und die arbeitenden Klassen, die schwache Kraft der einzelnen Individuen in Assoziationen oder Organisationen zusammenzufassen, welche dem nothleidenden, an sich schwachen und hülflosen Individuum Hülfe und Stütze gewähren, — in diesem Sinne wird auch der Gesammtheit der Arbeiter ein Opfer auferlegt, welches ein Aequivalent für das Seitens der Arbeitgeber gebrachte Opfer bildet. 1“
Gerade diese Opfer, welche von größeren Gemeinschaften zu Gunsten einer Klasse oder ihrer Angehörigen gebracht wer⸗ den sollen, waren es, welche zuerst manche stutzig machten und vielleicht auch jetzt noch hier und da Kopfschütteln hervorrufen. Seit Jahrzehnten hatte das im Staatsleben verkörperte Manchesterthum keinen anderen Grundsatz gelten lassen als das „Hilf dir selbst.“ Von diesem Grundsatz abzuweichen, war nur der privaten Caritas gestattet; der Staat aber mußte ruhig dem Kampfe ums Dasein zusehen. Der Bruch mit diesem Grundsatz wurde vornehmlich deshalb für gefährlich gehalten, weil auch die Theorie des „Sozialismus“ Staat und Gesellschaft zu einem Eintreten für die wirthschaft⸗ lich Leidenden zu verpflichten schien. Aber diese Auffassung von der Theorie des Sozialismus war und ist eine falsche. Das Eintreten der Gemeinschaft für Theile der Gesellschaft macht nicht das Wesen des Sozialismus aus: der Sozialismus will vielmehr die Grundprinzipien der bestehenden Ge⸗ sellschaft und Volkswirthschaft umstoßen und (nach Scheel) „den zwischen Lohnarbeit und Kapital bestehenden Gegensatz durch Produktiv⸗Assoziationen, bei denen das Privat⸗ eigenthum an den Produktivmitteln fortfällt, überwinden“. Mit anderen Worten: es soll in dem System des „Sozialismus“ nicht etwa der Staat, es sollen nicht etwa besser situirte Theile der Gesellschaft für die Schwachen ein⸗ treten, sondern die gesammte Gesellschaft soll auf eine solche Grundlage gestellt werden, daß in Zukunft weder wirthschaft⸗ lich Schwache noch Starke möglich sind, was nach den Ideen des „Sozialismus“ nur mit der Aufhebung der unsere ganze Kultur charakterisirenden Rechtsform des Privateigenthums zu erreichen sein würde. Das Ziel des „Sozialismus“ ist also ein vollständiger Umsturz der Hauptgrundlage der bestehenden Ordnung der Gesellschaft. 8
Die „Sozialreform“ hingegen hält an dieser Grundlage fest, die sie vielmehr dadurch noch zu festigen bestrebt ist, daß sie, wie Scheel treffend es a. a. O. ausdrückt, „fehlerhafte und gefährliche Konsequenzen der bestehenden Volkswirthschaft korrigiren“ will. Das Mittel, welches sie hierzu an⸗
wendet, besteht in dem obengedachten Zwange zu Opfern, zu welchen die Gesellschaft oder einzelne Theile der Gesellschaft
zu Gunsten anderer Theile verpflichtet werden. Einen anderen Weg giebt es nicht, um die fehlerhaften Kon⸗ sequenzen des auf dem Individualprinzip beruhenden Systems zu korrigiren. Ein jedes Prinzip in seiner Uebertreibung führt zu Auswüchsen, die nur durch Anwendung eines anderen Prinzips beschnitten werden können. Dieses Prinzip liegt in der Idee der Sozialreform. Aus sich selbst heraus konnte das bestehende System keine Heilmittel zur Welt bringen. Das hat die lange bestehende Freiheit auf diesem Gebiet zur Genüge bewiesen: je weiter und je unge⸗ inderter sie schaltete und je freier sich somit das auf dem ndividualprinzip beruhende Wirthschaftsleben entfalten konnte, desto offener traten die fehlerhaften Konsequenzen zu Tage. Das Mittel des Zwanges der Gesellschaft oder einzelner ihrer Theile zu Opfern zu Gunsten anderer Theile ist aber weder an sich sozialistisch, noch bereitet es dem Sozialismus den Boden. „Sozialistisch“ ist es nicht, weil es die Rechts⸗ form des Privateigenthums als zweckmäßige und berechtigte Grundlage des Wirthschaftslebens anerkennt. Der Zwang zu Opfern ist mit dieser Grundlage völlig vereinbar. Die gesammte Wirthschaftsordnung bis zu Anfang dieses Jahrhunderts war von diesem Prinzip durchdrungen: das Zunftwesen beruhte auf ihm, desgleichen die Wirth⸗ schaftspolitik des Großen Kurfürsten und der Könige Friedrich Wilhelm's I. und Friedrich's des Großen, welche sich dadurch charakterisirt, daß die Bauern mehr und mehr ent⸗ lastet, der Adel zu Gunsten jener belastet wurde. In dieselbe Kategorie der Opferpolitik fällt das Regulirungsedikt vom
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Recht auf den Erwerb des Eigenthums an Gutsherren gehörenden Stellen zusprach. Dieser Zwang zu fern ist, wie durch die Geschichte, so auch durch das Christenthum und die Ethik sanktionirt. Der Ein⸗ beiff in das Privateigenthum, wie ihn z. B. die Expropriation arstellt, ist ein vollberechtigter Zwang zu einem Opfer im Interesse der Gesammtheit. Die „Sozialreform“ bringt nur insofern etwas Neues, als sie Organisationen schafft, welche die privatwirthschaftlichen Kräfte zur Leistung dieser Opfer im Interesse einzelner Individuen oder einer ganzen Klasse obligatorisch zusammenfaßt, ohne damit die Rechtsform des Privateigenthums an sich aufzuheben.
Was durch die Geschichte, durch das Christenthum und die Ethik sanktionirt ist — nämlich der Zwang zu Opfern —, kann aber auch nicht den Weg bahnen zum „Sozialismus“ oder zu einem Umsturz der Gesellschaft, — solche Wirkungen hätten sich schon längst bei Anwendung jenes Grundsatzes in den früheren Jahrhunderten bemerkbar machen müssen. In gleicher Weise aber kann auch dem Zusammenfassen privatwirthschaftlicher Kräfte für gemeinsame Zwecke eine solche Wirkung nicht zugesprochen werden. Die Organi⸗ sationen, welche sich freiwillig zu ähnlichen Zwecken, sowohl auf dem Gebiet des Wirthschaftslebens wie der Kirche in allen Zeiten gebildet haben, bürgen dafür, daß auch die sozialreformatorischen Veranstaltungen nicht den befürchteten sozialistischen Weg gehen: der Zwang, der hier an die Stelle der Freiwilligkeit tritt, kann jedenfalls an sich eine solche Wirkung nicht hervorrufen; der Zwang, wie er sich in den großen Veranstaltungen des Staats, in dem Heerwesen und in der Schule offenbart, hat vielmehr gerade die segenvollsten Früchte gezeitigt.
(Schluß folgt.)
Die Reichstagswahlen von 1890 im Königreich Bayern. n—— —yg— unmnsennöö— Nach der „Zeitschrift des Königlich bayerischen Statistischen Bureaus“ waren bei einer ortsanwesenden Be⸗ völkerung von 5 420 199 Seelen nach dem Ergebniß der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 für die diesjährige Reichstagswahl im König⸗ reich Bayern 1 166 625 = 21,5 % Wahlberechtigte, d h. in die Reichstags⸗Wahllisten als wahlberechtigt eingetragene Personen gegen 1 153 122 = 21,3 % für die Wahl des Jahres 1887 vorhanden. Die Wahlbetheiligung war meistentbeils eine sehr lebhafte, ist aber hinter der Betheiligung bei den Reichstagswahlen im Jahre 1887 zurückgeblieben. Im ganzen Königreich wurden 728 746, darunter 1911 ungültige Stimmen abgegeben; es haben mithin 62,5 % der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrechte Gebrauch ge⸗ macht. Bei den drei vorausgegangenen Reichstagswahlen gaben von
nen Sahlberechtigten Stimmen ab: im Jahre 1881 44 2 %, im
Jahre 1884 56,0 % und im Jahre 1887 71,9 %.
Von den im Königreich abgegebenen gültigen Stimmen fielen 1890 bezw. 1887: 47,3 bezw. 49,9 % auf Kandidaten des Centrums, 26,0 bezw. 33,1 % auf Kandidaten der National⸗ und gemäßigt Liberalen, 13,9 bezw. 6,6 % auf Kandidaten der Sozialdemokraten, 7,2 bezw. 6,9 % auf Kandidaten der Deutschfreisinnigen, 3,8 bezw. 2,3 % auf Kandidaten der Volksrartei, 1,3 bezw. 1,0 % auf Kandidaten der Deutsch⸗ Freikonservativen, während 0,5 % bezw. 0,2 % sich zersplitterten. Aus der Vergleichung der beiden Wahljahre erhellt, daß an den abgegebenen Stimmen 1890 gegen 1887 das Centrum mit 2,6 %, die Nationalliberalen und ge⸗ mäßigt Liberalen mit 7,1 % weniger, dagegen die Deutsch⸗ und Frei⸗
konservativen mit 0,3 %, die Deutschfreisinnigen mit 0,3 %, die
Volkspartei mit 1,5 % und die Sozialdemokraten mit 7,3 % mehr antheilig sind. 8 8
Das Centrum hatte in 45 Wahlkreisen 51 Kandidaten aufge⸗ stellt; die National⸗ und gemäßigt Liberalen waren in 47 Wahlkreisen mit 54 Kandidaten, die Deutschfreisinnigen in 19 Wahlkreisen mit 20 Kandidaten und die Deutsch⸗ und Freikonservativen in 11 Wahl⸗ kreisen mit 15 Kandidaten betheiligt. Die Volkspartei war in 14 Wahlkreisen mit je einem Kandidaten vertreten. Die Sozial⸗ demokraten hatten in jedem der 48 Wahlkreise Kandidaten und zwar im Ganzen deren 53 aufgestellt.
Engere Wahlen, an denen sich 0.8 % mehr Wähler als an den ersten Wahlen betheiligten, wurden 11 erforderlich. Die Ergebnisse derselben waren folgende: Im Wahlkreis München I. siegte der sozialdemokratische Kandidat über den nationalliberalen mit 53,1 %, im Wahlkreis Spever der nationalliberale Kandidat über den des Centrums
mit 54,7 %, im Wahlkreis Hof der deutschfreisinnige Kandidat über den 8
Nationalliberalen mit 50,1 %, im Wahikreis Bayreuth der national⸗ liberale Kandidat über den deutschfreisinnigen mit 53,5 %, im Wahlkreis Forchheim der Centrumskandidat über den nationalliberalen mit 50,6 %, im Wahlkreise Kronach der Centrumskandidat mit 63,1 % über den sozialdemokratischen, im Wahltreise Erlangen⸗Fürth der deutschfreisinnige Kandidat über den sozialdemokratischen mit 56,1 %, im Wahlkreise Ansbach⸗Schwabach der nationalliberale Kandidat über
den der Volkspartei mit 52,4 %, im Wahlkreise Dinkelsbühl der kon⸗ 8.
fervative Kandidat über den nationalliberalen mit 79,5 %, im Wabl⸗ kreise Würzburg der Centrumskandidat über den sozialdemokratischen
mit 54,1 % und im Wahlkreise Augsburg der Centrumskandidat 8
über den sozialdemokratischen mit 66,2 % der abgegebenen Stimmen.
Von den gewählten 48 Reichstags⸗Abgeordneten “ 33 dem
Centrum, 9 den Nationalliberalen und gemäßigt Liberalen, 3 den Sozialdemokraten, 2 den Deutschfreisinnigen und 1 den Konservativen an. 27 der Gewählten saßen bereits im vorigen Reichstage, davon gehörten 19 dem Centrum, 6 den Nationalliberalen, 1 den Deutschfreisinnigen und 1 der Sozialdemokratie an. Unter den 48 Reichstags⸗Abgeordneten sind 9 von Adel und 39 von bürger⸗ licher Herkunft. Dem Berufe nach gehören 17 der Landwirthschaft, 12 der Industrie, 1 dem Verkehr, 1 dem Geld⸗ und Kredithandel an, 4 sind aktive Staatsbeamte (darunter 1 Richter, 2 Gvmnasial⸗Pro⸗ fessoren), 1 Ober⸗Bürgermeister, 7 Geistliche, 1 praktischer Arzt, 2 Schriftsteller und 2 Privatleute. 8
Bei den letzten Wahlen haben gegen 1887 die Nationalliberalen
den Wahlkreis München I. an die Sozialdemokraten, den Wahlkreis gof an die Deutschfreisinnigen, den Wahlkreis Dinkelsbühl an die
onservativen und den Wahlkreis Immenstadt an das Centrum, das
Centrum dagegen den Wahlkreis München II. an die Sozialdemo⸗ kraten verloren. 8
Centralblatt für das Deutsche Reich. Herausgegeben im Reichsamt des Innern. Nr. 13. — Inhalt: Zoll. un Steuerwesen: Transportkontrole für Schweinespeck im Grenzbezir des Haupt⸗Zollamts Vreden. — Veränderungen in dem Stande ode den Befugnissen der Zuckersteuerstellen. — Abänderung de zur Ermittelung des Alkoholgehalts im Branntwein. — F Nachweisung der Einnahmen des Reichs vom 1 Ende Februar 1890. — Konsulatwesen: Bestell Agenten. — Ermächtigung zur Marine und Schiffahrt: Ersche scheidungen des Ober⸗Seeamts und der S Telegraphenwesen: Erscheinen der beiden und Eisenbahnkarte des Deutschen Reichs. weisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.
85
14. September 1811, welches den bäuerlichen Wirthen — 8
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In Bildstock (Saarrevier) fand am Mittwoch wieder eine allgemeine Bergarbeiter⸗Versammlung statt, welche, der „Köln. Ztg.“ zufolge, von etwa 500 bis 600 Bergleuten, also ent⸗ fernt nicht so zahlreich besucht war, wie die früheren Bildstocker Ver⸗ sammlungen. Vom Vorstande des Rechtsschutzvereins einberufen, wurde sie in Abwesenheit des ersten Vorsitzenden, Nikolaus Warken, welcher am 22. d. M. nach der Strafkammerverhandlung zu Saarbrücken, in der er wieder wegen Beleidigung von Grubenbeamten drei Monat Ge⸗ fängniß erhielt, zum Antritt der im Dezember über ihn verhängten sechsmonatlichen Gefängnißstrafe abgeführt wurde, vom zweiten Vor⸗ ätzenden, Bergmann Bachmann eröffnet und geleitet. Es bandelte
ch um die Wahl von drei Deputirten, welche Sr. Majestät dem Kaiser eine Bittschrift mit möglichst vielen Unterschriften von Bergleuten um Befreiung des Warken überbringen sollen. Die Bergleute Bergwanger, Müller und Thome, Vorstandsmitglieder des Rechtsschutzvereins, wurden gewählt. Auf kurze und bündige Weise glaubte Bachmann den wiederholt erhobenen Vorwurf, die Führer des Rechtsschutzvereins steuerten dem sozialdemokratischen Lager zu, entkräften zu können, indem er wiederholt erklärte, diejenigen, welche solche Beschuldigungen egen sie erhöben, seien Sozialdemokraten, aber nicht sie; sie selbst eien treue und folgsame Unterthanen des Kaisers. Mit einem drei⸗ waligen Hoch auf den Kaiser wurde die Versammlung, wie sie um 5 Uhr eröffnet war, nach fast zweistündiger Dauer geschlossen.
Aus Dudweiler (Saar⸗Revier) wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ berichtet, daß Seitens der Arbeiter der Wendelschen Koks⸗ anlage ein Arbeiter⸗Rechtsschutzverein errichtet werden soll. Auch soll eine Lohnerhöhung von den Arbeitgebern beansprucht werden. Die Arbeiter der Wendelschen Koksanlage beanspruchen einen Schicht⸗ lohn von 4,50 ℳ für Braschenzieher, 4,00 ℳ für Lader, Zimmerleute und Maurer, 3,50 ℳ für Tagelöhner und Arbeiter im Bau, 3,10 ℳ für Klatscher.
Ueber die Bergarbeiterausstände auf westfälischen
Gruben aus Gelsfenkirchen berichtet dasselbe Blatt, daß gestern Morgen auf Zeche Hibernia von 570 Mann der Frühschicht nur 178 unter Tage angefahren sind Auf Zeche Wilhelmine⸗ Victoria sind auf Schacht I von 500 nur 300, auf Schacht II von 350 nur 158 Mann angefahren. Auf Zeche Shamrock arbeitet Alles. — Eine Bergmanns⸗Versammlung, welche in Gelsenkirchen am 27. d. M. stattfinden sollte, ist durch die Behörden verboten worden. An ihrer Stelle wurde gestern in Ueckendorf eine Versammlung abgehalten. Die Leute verhalten sich ruhig. Indessen ist das Straßendild, da die feiernden Arbeiter truppweise herumziehen, außerordentlich belebt. — In Schalke fand porgestern eine von ca. 1200 Personen besuchte Versammlung der Belegschaft der Zeche ⸗Konsolidation“, Schacht I, II und III statt, in welcher beschlossen wurde, da die durch die Deputirten für die Belegschaft gestellten Forderungen abschlägig beschieden und die Deputirten schon vor Ablauf der gestellten Frist ohne besonderen Grund entlassen seien, schon jetzt für die Forderungen und für die Wiederanstellung der Deputirten einzutreten“ Die Versammlung beauftragte ihre Depu⸗ tirten, nochmals bei der General⸗Direktion in diesem Sinne vorstellig zu werden, und wollte gestern in einer neuen Versammlung das Resultat der Verhandlungen entgegennehmen. Gestern sind auf den drei Schächten der Bergwerksgesellschaft „Consolidation“ nur 396 Bergleute unter Tage angefahren. Die Strikenden verhalten sic ruhig. Auf Zeche „Graf Bismarck“, über die gestern auch Strikegerüchte umliefen, arbeitet die ganze Belegschaft. Dagegen sind auf der der Gelsenkirchener Bergwerksgesell schaft gehörenden Zeche „Alma“ gestern von 465 Mann der Nachmittags⸗Belegschaft unter Tage nur 26 angefahren. Die Berg⸗ werksgesellschaft Consolidation hat jetzt nur, so lanze der Strike dauert, Morgenschicht; die Nachmittagsschicht fällt also ganz aus Auf Zeche Hibernia sind gestern Nachmittag nur 35 Mann. auf Zeche Wilhelmine⸗Viktoria Schacht I nur 200, Schacht II nur 75 Mann angefahren. 1 In einer Bergarbeiterversammlung, welche am Dienstag in Recklinghausen stattfand, wurde beschlossen, den jetzigen Ver⸗ bandsvorstand zur Niederlegung seines Amtes aufzufordern und, Falls dies nicht innerhalb der nächsten acht Tage geschehen sein sollte, mit der Gründung eines neuen Verbandes auf christlich⸗patriotischer Grundlage vorzugehen. Auf Antrag des Berg⸗ manns Weber⸗Bochum gelangte folgende Resolution zur Annahme: „In Erwägung 1) daß die Bergleute sich zur Erzielung besserer Existenz⸗Bedingungen berufsgenossenschaftlich organisiren müssen, also ein Bergmannsverband unbedingt nothwendig erscheint, daß 2) ein solcher Verband nur segensreich wirken kann, wenn er die Interessen der Berg⸗ leute auf christlich⸗patriotischer Grundlage vertritt, daß 3) die derzeitige Verbandsleitung durch ihre sozialdemokratische Zusammensetzung, ihr kopf⸗ loses Vorgehen und ihr hetzerisches Gebahren die gute Sache des Berg⸗ mannsstandes unheilbar geschädigt hat, erklärt die Versammlung: 1) Wir wollen einen Verband, aber nur einen christlich und p atriotischen Verband. 2) Die jetzige Verbandsleitung hat unser Vertrauen nicht, weil sie sozialdemokratisch gesinnt ist, den Kaiser belogen und unser Geld verschleudert hat. 3) Wir fordern die jetzige Verbandsleitung auf, binnen acht Tagen von ihrem Amte zurückzutreten. 4) Sollte dieses nicht geschehen, so beauftragen wir eine Kommission von 12 Mitgliedern, die Vorarbeiten für die Herstellung eines neuen Ver⸗ bandes in die Hand zu nehmen und zu diesem Zweck eine Ver⸗ sammlung von Vertrauensmännern einzuberufen.“
Unter den Kupferschmieden der Fabrik von Gebr. Luse in Haspe ist, einer Mittheilung der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ zufolge, ein Strike ausgebrochen, weil die Forderung der Gesellen: „ein Minimal⸗ lohn von 35 ₰ den Arbeitern unter 21 Jahren, den älteren Arbeitern ein solcher von 38 ₰ pro Stunde und zehnstündige Arbeitszeit“ nicht bewilligt wurde.
In Barmen fand am 25,. d. M. wieder eine der „Barm. Ztg.“ zufolge von etwa 200 Personen besuchte Versammlung von Riemen⸗ dreher⸗Gesellen statt. Der Einberufer Riemendreher Hagemann führte aus, es sei nothwendig, daß sich die Riemendreher organisiren. Das frühere Comité habe die Strikenden am Leitbändel geführt und das scheiternde Schiff verlassen. Die fünf Kommissionsmitglieder seien ohne jeden Auftrag und ohne die Entscheidung des Regierungs⸗ Präsidenten abzuwarten, nach Berlin gereist. Von Seiten der Mit⸗ slieer der Deputation wurde zugegeben, daß sie übereilt gehandelt abe; zwei der Delegirten seien übrigens auf eigene Kosten nach Berlin gefahren. Dem wurde aber entgegengehalten, daß das Comité zu der Reise nach Berlin unter allen Umständen die Genehmigung der Versammlung hätte nachsuchen müssen. Man sei aber auf eigene Faust gereist und habe nicht einmal ein provisorisches Comité zurückgelassen. Die Ver⸗ theidigung der Delegirten scheiterte vollständig, der Buchbinder Urbach erklärte zum Schluß, daß er zurücktrete und zum letzten Male vor den Strikenden stände.
In Lübeck hat sich, wie wir einem Bericht der „Voss. Ztg.“ entnehmen, die Lohnbewegung im Holzgeschäfte derart zugespitzt, daß für die nächsten Tage ein Ausstand von vielen hundert Arbeitern in Aussicht zu nehmen ist. Die Entwicke⸗ lung dieser Bewegung ist insofern von höchstem Interesse, als die Arbeit⸗ geber hier den Spieß umgedreht haben. Sie haben nämlich zwar den Ar⸗ beitern hinsichtlich der Lohnforderungenweites Entgegenkommen bewiesen, andererseits aber sie wollen nicht einen Ausstand abwarten für den Fah, daß ihre Zugeständnisse den Arbeitern nicht genügen, sondern sie haben den Arbeitern kund gethan, daß sie selbst alle Leute entlassen würden, welche nicht bis zum 31. März ihr Einverständniß mit den von den Arbeitgebern vereinbarten Arbeitsbedingungen schrift⸗ lich erklären. Die Lohnsätze weichen nur in einem Punkte wesentlich von dem Seitens der Arbeiter aufgestellten Lohntarif ab. In dem letzteren wurde nämlich gefordert, daß den Akkord⸗ gstens 15 % über die Mindesteinnahme
arbeitern eine um weni 1 . mah der Stundenarbeiter (3,00 ℳ für den Tag bei zehnstündiger
Arbeitszeit) hinausgehende Einnahme zugesichert werde. Die Ar⸗ beitgeber wollen zwar auch die Akkordsätze entsprechend den Stunden⸗
lohnsätzen erhöhen, bei welchen die Steigerung 5 Pf. für die Stunde
beträgt, erklären aber, daß mit einem zugesicherten Mindestlohn die ganze Akkordarbeit aufhören würde, eine solche zu sein. Wichtiger aber noch ist der Zwiespalt wegen einer von Seiten der Arbeitgeber aufgestellten Forderung. Diese wollen alle Zugeständnisse nur unter der Bedingung machen, daß ein Zwang, dem „Verein der sämmtlichen Holzarbeiter“ beizutreten, in keiner Weise auf diejenigen Arbeiter, welche außerhalb des Vereins stehen, ausgeübt werden darf, und daß sich die dem Verein angehörigen Arbeiter durch ihre Lohn⸗ kommission verpflichten, dieser Bedingung getreulich nachzukommen und mit den Nichtvereinsmitgliedern in Ruhe und Frieden zusammen zu arbeiten. 3 .
In Braunschweig hat, einer telegraphischen Mittheilung des⸗ selben Blattes zufolge, gestern Nachmittag das Gesammtpersonal der großen Braunschweiger Aktiengesellschaft für Jute⸗ und Flachsindustrie, 1600 Mann, die Arbeit eingestellt und verlangte 30 % Lohnerhöhung. Die Direktion stellt nur eine allgemeine 10 % ige Lohnerhöhung in Aussicht. .
In München kündigten, wie „W. T. B.“ heute meldet, etwa 1200 Tischlergesellen und 1000 Zimmergesellen an, daß sie mit Beginn des neuen Quartals die Arbeit niederlegen werden. Sie fordern zehnstündige Arbeitszeit und 50 ₰ Lohn für die Stunde. 8 Nach einem Telegramm der „Köln. Ztg.“ aus Gablonz steben die Glasarbeiter des ganzen Gablonzer Bezirks aus. Ar⸗ beiterschaaren ziehen von Ort zu Ort und zwingen die Genossen, die Arbeit niederzulegen. — Ein Telegramm der „Voss. Ztg.“ aus Wienbe⸗ richtet, daß in den Fabriken des niederösterreichischen Waldviertels der Ausstand unter den Webern und Band⸗ machern zunehme; bisher feiern über 700 Arbeiter.
3 Arbeiter⸗Ausschüsse.
— In einem soeben in Düsseldorf im Verlage von Kraus erschienenen Schriftchen „Soziale Wohlfahrtseinrichtungen’ spricht sich der Verfasser, Hr. C. H. Zander, Vorsitzender des Deutschen Werk⸗ meisterverbandes und Mitglied des Preußischen Volkswirthschaftsraths, über die vielerörterte Frage der Arbeiterausschüsse, wie die „Köln. Ztg.“ hervorhebt, folgendermaßen aus:
Den Grundsätzen unseres Statuts folgend, stehe ich vollkommen auf dem Standpunkt derjenigen Industriellen, welche eine Arbeiter⸗ vertretung für eine segensreiche Einrichtung halten. Alle Wohl⸗ thaten, welche dem Arbeiter erwiesen werden, haben nur einen halben Werth, ja, sie verfehlen vielfach vollkommen ihren Zweck, wenn sie ihm aufoktroyirt werden, wenn einfach dekretirt wird, das und das wird eingerichtet, das und das geschieht für Euch. Einen viel groͤßeren Erfolg erzielt der Arbeitgeber zweifellos bei allen seinen Schritten, wenn er in seiner Fabrik mehr konstitutionell verfährt, soweit die soziale Lage seiner Arbeiter und nicht der Pro⸗ duktionsprozeß an sich nach seiner technischen Seite hin in Betracht kommt. Auch ich bekenne mich zu dem Grundsatz: alles für die Ar⸗ beiter, aber alles durch sie! Sie sollen mitwirken, mitrathen und mit thaten, dann erst wird ihnen das Verständniß für die Sache kommen und sie werden zur Einsicht gelangen, daß es guter Wille Seitens des Arbeitgebers ist, der ihn bei seinen Maßnahmen leitet. Wer in Praxis steht, wird mir Recht geben, wenn ich sage, daß Unternehmungen, welche ganz zweifellos nur das Beste der Arbeiter im Auge hatten, daß Einrichtungen, welche ihnen positiv wohlthätig und von großem materiellen Nutzen sein mußten, von den Arbeitern mit entschiedenem Mißtrauen betrachtet worden sind, ja, daß sie den⸗ selben entgegengearbeitet haben, weil man es nicht für nothwendig er⸗ achtet hatte, sie über den Charakter der Unternehmungen zu unter⸗ richten, sie bei Einführung derselben mitrathen zu lassen.
Zur Lage von Handel und Industrie.
„Die allgemeine Lage von Handel und Industrie im Regierungs⸗ bezirk Köln hat auch in dem verflossenen Vierteljahre keine Aenderung erfahren und kann nur als fortdauernd recht günstiz bezeichnet wer⸗ den. Die großen maßgebenden Industriezweige sind fast sämmtlich mit ausreichenden Aufträgen zu durchaus lohnenden Preisen ver⸗ sehen, insbesondere aber zeigt die Eisenindustrie in allen Ge⸗ schäftszweigen eine steigende Regsamkeit und werden für die fertigen Produkte wesentlich bessere Preise, als früher, erzielt, die auch durch Abschlüsse für einen großen Theil des neuen Jahres gesichert sind und allen Anzeichen nach, wenn die gegenwärtig hohen Verkaufs⸗ preise erst zur vollen Geltung gelangen, sich noch erheblich besser ge⸗ stalten werden. Wenn auch in den meisten Industriezweigen der guten Gewinn bringende Geschäftsbetrieb Nacheiferung und Wettbewerb bervorgerufen hat, so ist doch die allgemeine Bewegung auf dem Standpunkt der Zuvielerzeugung noch nicht angelangt und scheint ihrem Höhepunkt erst zuzustreben.
Alle Zweige der Metallindustrie haben bei reger und dringender Nachfrage nach den vielfältigen Erzeugnissen die bisherige Lebhaftigkeit beibehalten, die allen Anzeichen nach nicht nur weiter andauern, sondern sich besonders mit Rücksicht auf die zunehmende Regsamkeit aller ausländischen Märkte noch steigern wird. Die Werke in allen Branchen sind voll besetzt und sämmtlich angestrengt thätig, machen auch bei theilweise steigenden Preisen ein gutes Geschäft. Die Baumwollspinnereien haben im vergangenen Viertel⸗ jahre lebhafte Beschäftigung gehabt und waren theilweise kaum in der Lage, den gestellten Anforderungen entsprechen zu können. Die ge⸗ sammte Produktion steht durchweg auf vier Monate voll unter Kontrakt, allerdings lassen die Preise, zu welchen diese Abschlüsse ge⸗ macht sind, zu wünschen übrig, da die Baumwolle der vorjährigen amerikanischen Ernte einen verhältnißmäßig hoben Preisstandpunkt fest⸗ hält. Die Wendung zum Bessern in der Weberei hat angehalten und war für rohe Baumwollgewebe ein außerordentlich starker Begehr vorhanden, welcher allmählich zu kleinen Preissteigerungen führte und den Webern einen bescheidenen Nutzen brachte. Die Jutespinnereien und Webereien sind bei gleichem Umfang der Produktion, wie früher, noch flott be⸗ schäftigt. Die Fabrikation hat sich aber insofern etwas ungünstiger gestaltet, als die Preise für fertige Fabrikate heruntergegangen und die für Rohprodukte nicht billiger, sondern eher theurer geworden sind.
Verband der deutschen Berufsgenossenschaften. Unter dem Vorsitz des Herzoglich anbaltischen Kommerzien⸗Raths Rösicke (Berlin) fand am 27. und 28. März in Berlin eine Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Verbandes der deutschen Berufs⸗ genossenschaften statt. Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Antrag: „Eine Arbeitsvermittelung für invalide Arbeiter ins Leben zu rufen.“ In einer längeren Debatte wurde von allen Rednern betont, daß die Ausführung des Antrages wohl Schwierig⸗ keiten begegnen dürfte; gleichwohl verdiene er die wärmste Unter⸗ stützung. Es wurde beschlossen: mit der weiteren Durch⸗ arbeitung des Gedankens eine aus der Knappschafts⸗Berufs⸗ genossenschaft, der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und der Berufegenossenschaft der chemischen Industrie bestehende Kommission zu beauftragen. Im Weiteren wurde beschlossen: dieselbe Kommission, verstärkt durch die Brauerei⸗Berufsgenossenschaft und die Speditions⸗Berufsgenossenschaft mit der Sammlung des Materials für eine künftige Revision des Unfallversicherungsgesetzes zu betrauen. b 1
„Der Herzoglich anhaltische Kommerzien⸗Rath Rösicke berichtete hierauf über die Stellungnahme des Verbandes zu den in Aussicht genommenen sozialpolitischen und Arbeiterschutz⸗Gesetzen. Der Redner betonte, daß die berufsgenossenschaftlichen Vertretungen einer Er⸗ weiterung der Arbeiterschutz⸗Gesetzgebungvon jeher; ehr sympathisch gegen⸗ übergestanden haben. Die geplante Erweiterung des Arbeiterschutzes stehe zum Theil im engsten Zusammenhang mit den Aufgaben der Berufs⸗ Pnossenschaften. Insbesondere sei in der gesetzlichen Befugniß der
erufsgenossenschaften zum Erlaß von Unfallverhütungs⸗Vorschriften schon jetzt die Möglichkeit gegeben, gewisse Arbeitsbeschränkungen in Bezug auf die Ar und die Dauer der Beschäftigung einzelner
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Arbeiterkategorien herbeizuführen. Auch nach anderer Richtung, z. B. der der gewerblichen Hoygiene werde das Gebiet der berufsgenossen schaftlichen Wirksamkeit. durch die neue Gesetzgebung vielfach berührt Insoweit dies der Fall, habe der Verband ein lebhaftes Interesse, di demnächstigen Vorlagen einer Prüfung und Berathung zu unterziehen Er stelle den Antrag: „Den Vorsitzenden zu beauftragen, sich möglichst bald über die dem Reichstage in Bezug auf die Arbeiter schutz⸗Gesetzgebung zu machenden Vorlagen zu informiren und, sofern dieselben geeignet sind, die Thätigkeit und die Zwecke der Genossen schaften zu beeinflussen, dem Ausschuß darüber zu berichten, bezw dessen Beschlußfassung darüber herbeizuführen, ob die Frage auf di Tagesordnung des nächsten Verbandstages, der am 3. Juni d. J. in Straßburg i. E. stattfindet, gefaßt werden solle.. — Nach längerer Debatte, in der sich sämmtliche Redner mit den Ausführungen de Antragstellers einverstanden erklärten, wurde der Antrag einstimmi angenommen. 1
Es folgte ein Bericht der Kommission für die Ausarbeitung de Grundzüge einer Pensionskasse für die Beamten der Berufs genossenschaften. Danach sind die Berathungen soweit gediehen, daß voraussichtlich dem nächsten Verbandstage eine gedruckte Vorlag zugehen wird. Es wurden ferner noch Beschlüsse gefaßt über die Veröffentlichung einheitlicher Jahresberichte der Beauftragten, über die Errichtung von Unfall⸗Krankenhäusern und Rekonvaleszentenhäusern über die Vertheilung der Schiedsgerichtskosten auf mehrere betheiligt Berufsgenossenschaften, über die Grundlagen einer einheitlichen Lohn statistik, sowie über mehrere das Berufungs⸗ bezw. das Konkurs verfahren betreffende Fragen. Endlich wurden als diejenigen Berufs genossenschaften, welche statutenmäßig mit dem Beginn des nächsten Geschäftsjahres aus dem geschäftsführenden Ausschuß ausscheiden, durch das Loos die Brauerei⸗Berufsgenossenschaft, die Knappschafts Seeeee gagf Hcheer “ und die Steinbruchs⸗Berufs⸗ genossenschaft bestimmt. Hiermit war die Tagesordnun Auss Versammlung erledigt. v“
Wohlfahrtseinrichtungen.
Die „Voss. Ztg.“ schreibt: Die sozialpolitischen Schritte des Deutschen Kaisers sind nicht ohne Wirkung auf die Arbeit geber geblieben. In verschiedenen Fabriken werden Einrichtunge zu Gunsten der Arbeiter und zur Herstellung eines dauernd freundlichen Einvernehmens zwischen Unternehmern und Ange⸗ stellten getroffken. So wird uns berichtet, daß Hr. Fr. Wm. Oet⸗ ting, Inhaber der Firma F. F. Resag in Köpenick und Berlin, Fabriksparkassen gegründet und so bedeutende Zuschüsse ge⸗ währleistett habe, daß sich jeder Arbeiter ein ansehnliches Kapital sammeln kann. Jedem Arbeiter werden jährlich 10 Prozent des verdienten Lohnes als Prämie gezahlt. Außerdem wird eine ganze Reihe weiterer Prämien zugesichert. Aehnlich hat die Deutsche Linoleum⸗ und Wachstuch⸗Compagnie zu Rixdorf einen Unterstützungs⸗ fonds von 30 000 ℳ ausgesetzt, dessen Zinsen den Arbeitern mit 1500 ℳ jährlich zugewendet werden. Zur Verwaltung des Fonds und Bestimmung über die Erträgnisse ist ein ausschließlich von den Arbeitern gewählter Ausschuß berufen worden.
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„Lord Cardogan hat, wie aus London, 24. März, gemeldet wird, der zur Einrichtung von billigen und gesunden Arbeiterwohnungen in London und Dublin vor einigen Monaten gegründeten Guinneß⸗Stiftung eine Anzahl seiner in Chelsea (London) belegenen Grundstücke im Werthe von 40 000 Pfd. Sterl.
geschenkt.
2. Die Strikes französischer Arbeiter in den Jahren 1886 und 1887.
Der unlängst erschienene Doppelband (XVI. und XVII.) der gstatistigue générale de la France“ enthält u. A. sehr interessante Mittheilungen über die Strikes, die in den Jahren 1886 und 1887 in
Von den Strikes im Jahre 1886 wurden besoncasg zables Webereien betroffen, denn nicht weniger als 64 von jenen 161 Strikes wurden von Webern unternommen. In allen anderen Industriezweigen kamen Arbeitseinstellungen nur vereinzelt vor: in Glasfabriken sechsmal, in Strumpfwaarenfabriken zweimal, in Bergwerken viermal, in Spinne⸗ reien sechsmal, in Gerbereien fünfmal, bei Maurern dreimal. Die 161 Strikes, welche im Jahre 1886 stattfanden, dauerten zusammen 1787 Tage, und die Zahl der daran betheiligten Arbeiter betrug 19 556. Die Zahl endlich der durch die Strikes verloren gegangenen Arbeits⸗ tage belief sich auf 445 974. Rechnet man durchschnittlich für jeden Arbeitstag 3 Fr. Lohn, was nach den in der „statistique générale de la France“ Bd. XVI. enthaltenen Lohnangaben nicht zu hoch geschätzt sein dürfte, so findet man, daß die Strikes in Frankreich im Jahre 1887 den Arbeitern ein Opfer von 1 337 922 Fr. verursachten.
Die 198 Strikes, welche im Jahre 1887 abgehalten wurden dauerten zusammen 732 Tage. Im ganzen betheiligten sich an den⸗ selben 10 117 Arbeiter, und die Zahl der verlorenen Arbeitstage be⸗ trug 87 803. Rechnet man wieder für jeden Arbeitstag 3 Fr. Lohn⸗ verlust, so findet man, daß die betheiligten Arbeiter eine Einbuße in Höhe von 263 409 Fr. erlitten haben.
Auffällig ist, daß auch im Jahre 1887 vorzugsweise Webereien von den Strikes betroffen wurden. Vermuthlich sind etwas zu ungünstige Lohnverhältnisse der Weber gegenüber den Löhnen in anderen Erwerbszweigen die Hauptursache davon; denn die mittleren Löhne der Weber standen namentlich im Jahre 1886 hinter den Löhnen wohl in den meisten übrigen Industriezweigen etw zurück.
Die Säuglingssterblichkeit im preußischen Staat während des Jahres 1888.
Die vor Vollendung des ersten Lebensjahres gestorbenen Kinder machten im Jahre 1888 19,8 % oder fast ein Fünftel der Lebend gebornen aus. Für die Regierungsbezirke stellt sich der Prozentsatz theilweise sehr ungleich; er bewegte sich zwischen 27,3 und 11,5 %. Im Allgemeinen ist die Säuglingssterblichkeit größer im Osten als im Westen des Staates; denn die östlichen Regierungsbezirke überschreiten den Staatsdurchschnitt mit Ausnahme des Kösliner und Stralsunder, während die westlichen ihn mit Ausnahme des Sigmaringer, Kölner, Magdeburger und Merseburger unterschreiten. Unter den östlichen Re⸗ gierungsbezirken treten durch sehr ungünstige Verhältnißzahlen Liegnitz und Breslau, unter den westlichen durch sehr günstige Osnabrück und Aurich hervor. In den beiden ersteren Regierungsbezirken starben ver⸗ hältnißmäßig rund noch einmal so viel Säuglinge als in den beiden letzteren. Von den Lebendgeborenen erreichten nicht das erste Lebens⸗ jahr: im Regierungsbezirk Königsberg 21,6 %, im Regierungsbezirk Gumbinnen 22,2 %, im Regierungsbezirk Danzig 23,3 %, im Regierungsbezirk Marienwerder 22,1 %, im Stadtkreis Berlin 23,1 %, im Regierungsbezirk Potsdam 24,6 %, im Regierungsbezirk Frankfurt 22,1 %, im Regierungsbezirk Stettin 21,0 %, im Regierungsbezirk Köslin 15,3 %, im Regierungsbezirk Stralsund 18,4 %, im Re⸗ ierungsbezirk 20,7 %, im Regierungsbezirk Bromberg 21,1 %, im
egierungsbezirk Breslau 26,7 %, im Regierungsbezirk Liegnitz 27,3 %, im Regierungsbezirk Oppeln 20,8 %, im Regierungsbezirk Magdeburg 20,5 %, im Regierungsbezirk Merseburg 20,3 %, im Re⸗ g erungsbezirk Erfurt 18,0 %, im Regierungsbezirk Schleswig 15,2 %, im Regierungsbezirk Hannover 15,2 %, im Regierungsbezirk Hildes⸗ zeim 16,0 %, im e e Lüneburg 13,9 %, im Regierungs⸗ bezirk Stade 13,6 %, im Regierungsbezirk Osnabrück 12,7 %, im Regierungsbezirk Aurich 11,5 %, im Regierungsbezirk Münster 14,4 %, im Regierungsbezirk Minden 14,2 %, im Regierungsbezirk Arnsberg 14,0 %, im Regierungsbezirk Kassel 15,2 %, im Regierungsbezirk Wieebaden 14,3 %, im Regierungsbezirk Koblenz 16,7 %, im Regghe⸗ E 89 en 18 . verrnmwcsbrzice 12 22,5 % im Regierungsbezirk Trier 15,7 %, im Regierungsbezirk Aa 80 im Regierungs ezirk Sigmarin 26,9 8% he ne ehs